automobil produktion 4/00

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automobil produktion 4/00
Innenausstattung
MT Technologies
Alles aus
einer Hand
Der Innenraumspezialist Trimtec Autotechnik und Entwicklungsdienstleister
Misslbeck Intelligent Technologies schließen
sich zum neuen Design- und EngineeringKonzern MT Technologies zusammen. Der
fünfköpfige Vorstand erläutert seine Ziele.
Vorstand von MT Technologies (von links): Johannes Biermann,
Michael Mißlbeck, Günther Matschy, Steven Madge und Sepp
Mißlbeck. Das Unternehmen will sich zum Systemintegrator für
die Automobilindustrie entwickeln. Bild: MT Technologies
Herr Sepp Mißlbeck, wo liegen die Stärken des neuen Unternehmen?
Hätten Sie die Kompetenz nicht im eigenen Hause aufbauen
können?
Der Innenausstattungs-Bereich von Trimtec und die
Exterieur-Kompetenz von Misslbeck in Zwickau, addiert mit Misslbeck’s Know-how im Modell- und Formenbau ermöglichen es, unsere Ideen innovativ, konstruktiv und in einer längeren Wertschöpfungskette
umzusetzen. Und zwar im Modell-, Formen-, Werkzeug- und Prototypenbau.
Matschy: Die Aufbauarbeit hätte wohl drei bis vier Jahre in Anspruch genommen. Wir überlegten uns dann,
ob es die Möglichkeit einer Ergänzung gibt, um die
Zeitspanne zu verkürzen. Mit der jetzt gefundenen
Konstellation verkörpert MT Technologies am Markt
jedenfalls eine Spitzenposition.
Herr Matschy, welche Rolle spielt in Ihrer Strategie das derzeit
entstehende Kompetenz-Center in Ingolstadt?
Dort werden wir die Nähe zwischen Entwicklung und
Modellstudio, also die Umsetzung von der Datenwelt
in die Hardware-Realität schaffen.
Was bedeutet das konkret?
Matschy: Das heißt, auf der einen Seite des Ganges sitzen die Entwickler und auf der anderen Seite befinden sich die Hardwaremodelle und virtuellen Studios.
Also einerseits die Ideengebung am Schirm und wenige Meter weiter entsteht das Produkt als HardwareModell.
Auf das Kompetenz-Center setzen wir große Hoffnungen, um eine neutrale Plattform für OEMs und
Systemlieferanten zu schaffen, die dann an unserem
Hardware-Modell ihre Produkte bereits in der Umsetzung erkennen, optimieren, somit seriengerecht entwickeln und damit produzieren können.
Wie kam es zum Zusammenschluss?
Sepp Mißlbeck: Das entwickelte sich aus den täglichen
Anforderungen unserer Kunden. Sehr oft lagen bei
Misslbeck Projekt-Anfragen vor, die Trimtec schon
kreativ bearbeitet hatte und die von uns dann in
Hardware umgesetzt wurden. Ohne dass wir es wussten, gab es also eine Menge Projekte in die beide Firmen involviert waren. Um große Projekte abzuarbeiten, mussten wir aber unbedingt früher in den Bereichen Konstruktion, Konzeptfindung und -lösung aktiv werden.
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Automobil-Produktion · August 2000
Herr Madge, welche Motive standen beim Zusammenschluss
für Trimtec im Vordergrund?
Als Trimtec bekamen wir von unseren Kunden häufiger zu hören: Wir brauchen von euch nicht nur konstruktive Lösungen, sondern auch Prototypenteile. So
begannen wir im geringeren Umfang, in den Bereich
Design mit Studios und Modellbau zu investieren.
Uns leuchtete aber ein, dass wir irgendwann auch einen größeren Schritt in Richtung Modell- und Formenbau gehen müssen.
Wo sehen Sie Ihren Wettbewerb?
Madge: Es gibt zwar mehrere Mitbewerber, aber keinen einzigen, der aus unserer Sicht das Spektrum so
abdeckt wie wir. Das heißt, es gibt etwa die klassischen großen Entwicklungsdienstleister. Sie bieten
auch ein sehr breites Spektrum an Leistungen an,
können aber nicht so ins Detail gehen wie wir. Es gibt
Modell- und Formenbauer, die früher mit ›Alt-Misslbeck‹ konkurrierten und jede Menge Ingenieurbüros,
die mit ›Alt-Trimtec‹ im Wettbewerb standen. Allerdings keinen, der sich rein auf Innenausstattung spezialisiert hatte.
Herr Michael Mißlbeck, MT Technologies will an die Börse gehen. Wann soll der Schritt erfolgen?
Wenn die Entwicklungen normal verlaufen – noch in
diesem Jahr. Wir besitzen die Zulassung für den Neuen Markt.
Wie viel will MT Technologies in diesem Jahr umsetzen?
Michael Mißlbeck: Das gesamte Unternehmen wird in
Innenausstattung
MT Technologies
2000 einen Umsatz von rund 140 Millionen Mark erzielen.
Wie sehen Ihre Zielvorstellungen für die kommenden Jahre aus?
Madge: Wir wollen mit etwa 25 Prozent jährlich wachsen. Alleine durch die Synergien, die wir durch die
beiden Firmen erschließen werden.
Herr Biermann, wie sieht die Kundenstruktur des neuen Unternehmen aus?
Auf der OEM-Seite zählen zu unseren Hauptkunden
Audi, BMW, Daimler-Chrysler, Ford und VW. Dazu
kommen die Systemlieferanten Johnson Controls,
Sommer Allibert, Dräxelmaier, VDO und Visteon. Wir
verweisen aber auch mit Stolz darauf, dass rund 20
Prozent unserer Aufträge – Tendenz steigend – direkt
von den OEM kommen.
Da müsste Ihnen Ihr Benchmarking-Tool ›Trimdat‹ ja gute
Dienste leisten?
Biermann: Das stimmt. Damit können wir unseren
Mitarbeitern die Unterstützung geben, um sich den
neuen Herausforderungen stellen zu können. Benchmarking betreiben wir nicht nur im Auftrag Dritter,
sondern auch sehr stark für uns.
Wie soll das konkret aussehen?
Biermann: Wir gehen dann auf den Markt ohne Kundenauftrag, werden etwa Module und Systeme kaufen und selbst bewerten. Die Daten stellen wir anschließend im Internet frei zur Verfügung. In den vergangenen Jahren benchmarkten wir insgesamt mehr
als 10 000 Komponenten. Es existieren also große
Mengen an Daten.
Sehen Sie ENX als Thema?
Führen Sie das auch darauf zurück, dass die OEM sich davor
scheuen, die Gigalieferanten noch stärker in die frühen Entwicklungsphasen zu involvieren?
Madge: Die OEMs möchten mehr eigene Ideen einbringen, mehr experimentieren. Sie setzen dafür erhebliche Budgets ein und suchen sich Partner, um die
Innovationen zu realisieren. Kommt es bei einer Innovation – beispielsweise unseren sogenannten ›Sitzkisten‹ – zur Freigabe durch den Vorstand, gibt es aufgrund der erstellten Unterlagen eine Anfrage an die
Systemlieferanten. Erfreulicherweise kommen die
dann wieder zu uns zurück und fragen, ob wir die
Produkte zur Serienreife entwickeln können.
Bisher waren die Hauptkunden von Trimtec in der Hauptsache
deutsche OEM. Wird sich daran nach dem Unternehmenszusammenschluss etwas ändern?
Madge: Nein. Wir wollen aber unsere schon bestehenden Auslandsaktivitäten in den USA und Asien verstärken. Misslbeck verfügt ja beispielsweise über ein
Werk in den USA, auf das wir zurückgreifen können.
In den USA gibt es gute Verbindungen zu BMW und
Daimler-Chrysler. Aktivitäten laufen aber auch in
England – Jaguar, Rover und Ford – sowie in Skandinavien und Asien.
Biermann: In den USA zeichnen sich für uns interessante Perspektiven ab mit deutschen OEM. Wir rechnen an unserem Standort in Spartanburg mit erheblichem Wachstum.
Welche Rolle spielt das Thema Elektronik im Fahrzeug?
Madge: Elektronik wird immer stärker in den Fahrzeug-Innenraum integriert. Komfort, Spracherkennungs-, Beleuchtungssysteme und Infotainment lauten dort die Stichworte.
Sepp Mißlbeck: An den jeweiligen Kompetenz-Centren
werden wir sogenannte Trainingseinheiten aufbauen.
Da spielt das Thema Elektronik eine entscheidende
Rolle. Wir wollen uns in unserer strategischen Ausrichtungen zum Systemintegrator entwickeln. Deshalb werden wir uns auch mit angrenzenden Technologien beschäftigen.
Biermann: ENX ist sicherlich ein unbedingtes Muss
für uns, wenn wir entsprechend VDA-Vorgabe mit
den OEM und deren Systemlieferanten kommunizieren wollen. Darüber hinaus werden wir uns über
ein eigenes, sogenanntes Virtual Private Network –
kurz VPN – intern weltweit an allen Standorten
vernetzen. Darauf könnte dann auch ein OEM über
bestimmte Zugangsberechtigungen Daten abgreifen.
Michael Mißlbeck: Jeder spricht von Simultaneous
Engineering. Aber bei uns kann man die gesamte
Prozesskette Schritt für Schritt verfolgen. Von den
ersten Designskizzen bis hin zum fertigen Produkt.
Auf welche Bereiche neben dem Automobilbau wollen Sie
sich noch konzentrieren?
Madge: Beispielsweise die Flugzeugtechnologie.
Misslbeck liegt noch bei 20 Prozent Non-Automotive, Trimtec bei weniger als zehn Prozent. Das
wollen wir zu Gunsten eines höheren Non-Automotive-
MT Technologies in Kürze
Gründungsfirmen: Trimtec GmbH Autotechnik, Krefeld; M.I.T. – Misslbeck Intelligent
Technologies AG, Ingolstadt
Stammsitz: München
Kompetenz-Centren: Ingolstadt, Krefeld,
Zwickau
Weitere Standorte: Basildon (GB), Birmingham (GB), Coventry (GB), Detroit (USA), Kuala
Lumpur (MAL), Sindelfingen (D), Spartanburg/Duncan (USA), Wolfsburg (D)
Vorstand: Sepp Mißlbeck (Vorsitzender); Steven Madge (Stellvertretender Vorsitzender);
Johannes Biermann (Vertrieb und Marketing); Günther Matschy (Technik); Michael
Mißlbeck (Finanzen)
Umsatz (geplant für 2000):
140 Millionen Mark
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