Fußball-WM: Brasilien spielt im Abseits

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Fußball-WM: Brasilien spielt im Abseits
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Fußball-WM: Brasilien spielt im Abseits
KEYFACTS
- Öffentliches Auftragswesen von Korruption durchzogen
- Geld wird dem volkswirtschaftlichen Wachstum entzogen
- Seit Januar 2014 hat Brasilien ein neues Anti-Korruptionsgesetz
Auf dem Rasen ist Brasilien bereits heißer Anwärter auf den WM-Titel. Aber: Auf der Straße
brennt es, Filz und Bestechungen ziehen sich durch das Land. Die Menschen sind sauer.
Schön während des Confederations Cup im Juni 2013 kam es zu den wohl größten Protesten
seit Jahrzehnten. Die brasilianischen Menschen sind gefrustet und machen ihrem Ärger Luft.
Auch jetzt, kurz vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft sind die Straßen von Gewalt
durchzogen. Matteson Ellis von FCPAméricas befragte Compliance-Profis vor Ort nach den
Hintergründen. Diese nennen unter anderen das hohe Korruptionsrisiko im öffentlichen
Auftragswesen, was sich im Rahmen der Vorbereitungen zur Weltmeisterschaft beim
Stadionbau gezeigt hat. Das Maracanã Stadion beispielsweise wird bereits zum zweiten Mal in
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einem Jahrzehnt mit öffentlichen Geldern renoviert – Kostenpunkt ist hier ein dreistelliger
Millionenbetrag. Wie schon in Katar sind der Korruptionsverdacht und die Fifa leider ein
häufiges Paar in den Medien.
32-53
Milliarden US-Dollar verschleuderte Brasilien 2013
für Korruption.
Vergessen wir nicht: Korruption kostet.
Und die Kosten für Korruption trägt am Ende des Tages das Volk. Brasilianer verschleudern im
Jahr zwischen 1,38 und 2,3 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes in die sumpfigen Kanäle. Für
2013 ist das eine Summe zwischen 32 und 53 Milliarden US-Dollar. Das Geld wird dem
regulären Kreislauf entzogen, statt dem volkswirtschaftlichen Wachstum zugute zu kommen.
Das brasilianische Volk sähe dieses Geld lieber alternativ investiert.
Beispielweise ins Bildungssystem: Die Anzahl brasilianischer Kinder, die eine Grundschule
besuchen, könnte von aktuell 34,5 Millionen auf 51 Millionen erhöht werden. Im
Gesundheitssystem könnte mit dem Geld sogar die Bettenzahl in öffentlichen Krankenhäusern
fast verdoppelt werden. Ronaldo sammelte nicht gerade Sympathiepunkte bei seinen
Landsleuten, als er verlauten ließ: „A World Cup isn’t made with hospitals, my friend. It’s made
with stadiums.“
Öffentliche Proteste hatten ursprünglich nichts mit Fußball zu tun.
Sie verliefen relativ friedlich und waren auf bestimmte Probleme fokussiert. Zum Beispiel gegen
die Preise im öffentlichen Nahverkehr, das Gesundheitssystem, Sicherheitsprobleme und
Korruption. Aber die Vorbereitungen zur WM legen Brasiliens Wunden frei. War es zunächst vor
allem ein Protest des Mittelstands, erheben sich jetzt auch Bewohner in den Armensiedlungen.
Tostão, Weltmeister von 1970, drückt es gegenüber dem Observer wie folgt aus “But what is
success? For the Brazilian people, the cup meant lots of public spending, a lack of lasting
infrastructure, a lack of social projects, but for the government a successful cup means
something completely different.“
Seit Ende Januar hat Brasilien ein neues Anti-Korruptionsgesetz.
Es erhöht die Unternehmenshaftung insbesondere für Bestechungen im Rahmen öffentlicher
Ausschreibungen. Anders als im FCPA muss die Staatsanwaltschaft keinen Nachweis der
Absicht oder Kenntnis der Geschäftsführung erbringen. Das Unternehmen haftet im Rahmen
einer Gefährdungshaftung für korrupte Handlungen seines Aufsichtsrates, Vorstands, seiner
Führungskräfte und Mitarbeiter, sogar in Tochter- oder Subunternehmen. Es drohen Geldstrafen
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in Höhe von bis zu 20 Prozent des Bruttoumsatzes aus dem Jahr der Verfahrenseröffnung. Im
Falle erschwerter Umsatzermittlung in Höhe von 25 Millionen Dollar. Alle Unternehmen, die
gegen dieses Gesetz verstoßen, werden in einem neu eingeführten Register erfasst und künftig
von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen.
Gesetz hat zahlreiche Schlupflöcher.
Kritiker bemängeln, dass die brasilianische Verfassung den Ländern und Kommunen einen
großzügigen Interpretationsraum bei der Umsetzung des Gesetzes lässt. So können die
Schlupflöcher am Ende des Tages sogar als Brandbeschleuniger für korrupte Handlungen
wirken. So sagt der arbeitslose Lehrer Nelber Bonifacio aus Rio de Janeiro: „I like football,
but… Brazil has spent all that money on the event when we don’t have good public education,
healthcare or infrastructure.“
Ein neues Problemfeld zieht bereits auf: Hospitality Management.
Unternehmen sprechen wieder fleißig Einladungen aus, und manch einer fragt sich: Ist eine
geschäftliche Einladung zu einem WM-Spiel nach São Paulo oder zu den Olympischen Spielen
nach Rio 2016 unter Compliance-Gesichtspunkten überhaupt noch möglich?
Jens C. Laue
Head of Governance und Assurance Services
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ZUSAMMENGEFASST
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»Kritiker bemängeln, dass die brasilianische Verfassung den
Ländern und Kommunen einen großzügigen Interpretationsraum bei
der Umsetzung des Anti-Korruptionsgesetzes lässt. «
Brasilianer verschleudern im Jahr zwischen 1,38 und 2,3 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes in die
sumpfigen Kanäle. Für 2013 bedeutet das: eine Summe zwischen 32 und 53 Milliarden US-Dollar ist
durch Korruption versickert. Das Geld wird dem regulären Kreislauf entzogen, statt dem
volkswirtschaftlichen Wachstum zugute zu kommen. Das brasilianische Volk sähe dieses Geld lieber
alternativ investiert. Beispielweise ins Bildungswesen: Die Anzahl brasilianischer Kinder, die eine
Grundschule besuchen, könnte von aktuell 34,5 Millionen auf 51 Millionen erhöht werden.
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