Mit Hydraulik heben und regeln
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Mit Hydraulik heben und regeln
Werkbilder Meilensteine der Landtechnik Die von Harry Ferguson konstruierte Dreipunkt-Regelhydraulik ist bis heute die Grundlage für die Befestigung und Steuerung von Arbeitsgeräten an fast jedem Traktor. Mit Hydraulik heben und regeln Ferguson-Regelhydraulik als eine der bahnbrechensten Erfindungen überhaupt D a die Traktorproduktion mit dem Ferguson-System 1936 in Großbritannien in einer Partnerschaft startete, kann die Regelhydraulik 2011 ihr 75jähriges Jubiläum feiern. Ihr Erfinder, der 1884 in Nordirland geborene Harry Ferguson, war ein autodidaktisches Technikgenie mit einer außergewöhnlichen Begabung für alles Mechanische – Rennfahren und das Frisieren von Motorrädern und Autos gehörten zu seinen Hobbys. Außerdem konstruierte und baute er mehrere Flugzeuge und war 1909 der erste Mensch in Irland, der ein motorgetriebenes Flugzeug steuerte. An der Regelhydraulik, also der Verbindung zwischen Traktor und Arbeitsgerät, arbeitete er fast 15 Jahre mit einer kleinen Technikergruppe. Das Ergebnis war ein Gestänge mit drei Anhängepunkten zur Befestigung des Arbeitsgeräts am Traktor heck und einer Hydraulikvorrichtung zum Anheben und Absenken. Das innovativste Merkmal dieses Dreipunkt-Hubwerk-Gestänges – bis heute bekannt als „Ferguson-System“ – war die Fähigkeit, den Widerstand des Erdreichs gegen den Pflug oder Kultivator zu nutzen, um die Antriebsräder auf den Boden zu drücken 14 und so die Haftung und die Zugleistung zu erhöhen. Harry Ferguson baute extra einen Traktor, um die Vorteile seines neuen Anbausystems zu demonstrieren. Dieser als „Black Tractor“ titulierte Prototyp ist übrigens im Science Museum in London zu besichtigen. Wobei Harry Ferguson zwei Hauptziele verfolgte: Er wollte einerseits, dass sich die zeitaufwändige Entwicklung des Systems auszahlt. Andererseits war er auch davon überzeugt, dass seine Erfindung die Effizienz der Landwirtschaft weltweit würde steigern können. Also hielt er den Preis gering, damit möglichst viele Landwirte die Vorteile seiner Geräte genießen konnten. Aus seiner ersten Partnerschaft in Groß britannien mit dem Unternehmen David Brown Tractors ging das Ferguson Modell A hervor. 1938 gab er diese Partnerschaft zugunsten einer neuen Verbindung auf und produzierte den Ford 9N (oder auch „Ford Tractor – Ferguson System“) in den USA. Den dritten und letzten Vertrag schloss er 1946 in England, wo die Produktion der neuen TE-Reihe im Werk Banner Lane der Standard Motor Company in Coventry begann. Der TE-20 gehört zu den beliebtesten und erfolgreichsten Traktoren aller Zeiten; um die Nachfrage in den USA und Kanada decken zu können, eröffnete Ferguson ein Werk in der Nähe von Detroit und erschuf mit der TO-Reihe die amerikanische Version. Die Produktionszahlen sprechen für den immensen Erfolg der Harry Ferguson-Modelle. In über einem Jahrhundert Traktorgeschichte haben nur drei Modelle die Stückzahl von 100 000 pro Jahr überstiegen – zwei davon entwickelte Ferguson, sein amerikanischer 9N, und die Ferguson TE/TO-Reihe. Bis zum Produktionsende im Jahr 1956 wurden über 516 000 TE-20 gebaut. Der heutige Markenname Massey Ferguson und die drei Dreiecke im Firmenlogo www.agrartechnikonline.de wurden erstmalig 1957/1958 verwendet. Wobei die Fusion zwischen Harry Ferguson und dem kanadischen Hersteller Massey-Harris bereits auf das Jahr 1953 datiert ist – zunächst firmierte dieses neue Unternehmen aber in Anlehung an die ursprünglichen Gründer unter Massey-Harris-Ferguson. Dank des kanadischen Landwirts Daniel Massey reichen die Unternehmenswurzeln sogar bis ins Jahr 1847, da dieser seinerzeit mit der Herstellung und Reparatur von Maschinen für die umliegenden Landbetriebe begann. Zehn Jahre später fing ein weiterer kanadischer Pionier, Alanson Harris, mit der Herstellung von pferdegezogenen Maschinen an. Die Unternehmen Massey und Harris wuchsen schnell und schlossen sich 1891 schließlich zu Massey-Harris zusammen: Kanadas größtem Landmaschinenhersteller. Auch nach der Fusion von Massey, Harris und Ferguson brach der extrem erfolgreiche Traktor TE-20 weiterhin alle Produktionsrekorde. 1956 wurde er durch das Modell Ferguson FE-35 mit stärkerer Hydraulik und genaueren Steuermöglichkeiten ersetzt. Eine der neuen Funktionen in der Hydraulik des FE-35 war die Punktsteuerung, um das Arbeitsgerät, beispielsweise ein Mähwerk, auf die richtige Arbeitshöhe einzustellen. 1978 folgte die Einführung des weltweit ersten Traktors mit elektronischer Hubwerksregelung (ELC: Electronic Linkage Control): dem MF 1505, der in erster Linie für den nordamerikanischen Markt gebaut wurde und sich durch Merkmale wie Knicklenkung und Allradantrieb auf vier gleich großen Rädern auszeichnete. Nach dem globalen Erfolg der FergusonDreipunkt-Regelhydraulik übernahm Massey Ferguson auch die Vorreiterrolle bei der Entwicklung des ELC und gestaltete die Steuerung angekoppelter Arbeitsgeräte präziser und bequemer. So wurde 1986 bei den „intelligenten“ Traktoren der Reihe MF 3000 im Leistungsbereich von 67 bis 107 PS ein neues, umfangreiches elektronisches Leitsystem eingeführt. Das 1933 „Black Tractor“, den von Harry Ferguson gebauten Prototyp mit Dreipunkt kraftheber, kann man im Science Museum in London besichtigen. Agrartechnik april 2011 Autotronic-System war in zwei Leistungsstufen erhältlich und diente der Steuerung von Getriebe, Zapfwelle und Hubwerk; das Datatronic-System sammelte Daten und überwachte die Traktorleistung. Diese wichtige Massey Ferguson-Innovation eröffnete ein neues Kapitel an Präzision und Wirtschaftlichkeit in der mechanisierten Landwirtschaft. Zusammen mit dem späteren GPS-Link – einer weiteren Massey Ferguson-Innovation zur Integration der Ertragskartierung bei Mähdreschern – hat diese Entwicklung der Traktorelektronik wesentlich zum Konzept der teilflächenspezifischen Pflanzenproduktion beigetragen. Seit 1994 ist Massey Ferguson Teil der amerikanischen AGCO Corporation. „Der innovative Geist der Gründungsväter – Daniel Massey, Alanson Harris und Harry Ferguson – steckt aber bis heute in Massey Ferguson und dank diesem wächst das Unternehmen schneller als je zuvor in seiner bewegten Geschichte. Die Verkaufszahlen steigen in allen Produktbereichen von Traktoren über Mähdrescher zu Ballenpressen und Arbeitsgeräten – in jeder Region der Welt. Mit rund 40 Prozent des weltweiten Gesamtumsatzes ist Massey Ferguson für AGCO die größte und auch die globale Marke“, so Martin Richenhagen, Chairman, President und CEO bei AGCO. In Deutschland ist Massey Ferguson seit mehr als 100 Jahren vertreten. Bereits 1886 hatte Massey Harris ein Verkaufsbüro in Berlin. Vor dem Krieg wurden in Köln-Westhoven Mähdrescher produziert. Nach dem Krieg erfolgte die Produktionsverlagerung an einen ehemaligen Militärstandort in Eschwege. Bis Ende der 70er Jahre wurden dort in Spitzen bis zu 8 600 Mähdrescher pro Jahr gebaut. Nach der Übernahme durch AGCO in 1995 wurde die Massey Ferguson GmbH in AGCO Vertriebs GmbH umbenannt und agiert seit August 2007 am gemeinsamen AGCO Standort Marktoberdorf. In seiner über 150-jährigen Geschichte hat Massey Ferguson es auf eine welt- 1946 Kurz nach Ende des Krieges startete in Großbritannien die Produktion des Ferguson TE 20, von dem in zehn Jahren 520 000 Stück vom Band rollten. weite Population von über fünf Millionen Traktoren gebracht. Heute werden jährlich rund 130 000 Traktoren mit dem berühmten Dreieckslogo gebaut, und die Schlepper vom Erfinder der legendären Dreipunkt-Regelhydraulik arbeiten auf landwirtschaftlichen Betrieben unterschiedlichster Art, in allen Teilen der Erde. (dd) Weitere MF-Meilensteine 1938 wurde als Teil einer Aktualisierung der Massey-Harris-Modelle Pacemaker und Challenger das Power Boost-Konzept mit Twin Power eingeführt. Diese Funktion wurde über einen Schalter gesteuert und ermöglichte die Wahl zweier Modi mit hoher oder niedriger Leistung. Im niedrigen Leistungsmodus war die Motordrehzahl auf 1 200 U/min begrenzt, um die 37 PS Nennleistung zu erreichen. Der hohe Leistungsmodus wurde nur für stationäre Arbeiten mit der Riemenscheibe empfohlen und steigerte die Leistung bei 1 400 U/min auf 42 PS. 1962 konnte Massey Ferguson mit der Einführung des Traktorgetriebes MultiPower einen weiteren Meilenstein setzen. Dieses Getriebe bot branchenweit als erstes die Möglichkeit des Lastschaltens (Powershift), da es ohne Betätigung der Kupplung und per einfachem Tastendruck geschaltet wurde. So konnte man als Fahrer zum ersten Mal über einen simplen Schalter im Armaturenbrett für jeden Gang einen hohen oder niedrigen Bereich wählen. Als Erfinder des selbstfahrenden Mähdreschers hat sich Massey Ferguson darüber hinaus auch einen Namen in der Erntetechnik gemacht. 1986 Die MF-3000er galten nicht zuletzt auch wegen der bereits 1978 eingeführten elektronischen Hubwerksregelung als weltweit erste „intelligente“ Traktoren. 2009 Als jüngster Meilenstein von Massey Ferguson gilt die Einführung des ersten Standardtraktors mit SCR-Motorentechnologie. 15