Von Duvets, Matratzen und Leichen in Hotel-Betten
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Von Duvets, Matratzen und Leichen in Hotel-Betten
TECHNIK & AMBIENTE KOLUMNE HOTELIER-Autorin Nicole Amrein über Geschichten zum Hotel-Bett Von Duvets, Matratzen und Leichen in Hotel-Betten H otels, vor allem jene im urbanen Bereich, sind Begegnungsstätten, Treffpunkte, ihre Bars und Restaurants oft auch Schmelztiegel der lokalen Bevölkerung. Hier werden Meetings abgehalten, Feste gefeiert, es wird gegessen, getrunken, verhandelt, gelacht, geliebt und sich getrennt, wiedergefunden – die ganze Welt im Kleinformat. In der Ferien-Hotellerie sucht der Gast Ruhe, Entspannung, Abenteuer, vielleicht auch Animation, zweifellos aber Abstand vom Alltag. Gutes Essen und Trinken sind hier besonders wichtig. Wünschenswert auch, dass das Haus über einen Spa verfügt, einen Pool, eine Saunalandschaft, Fitnessgeräte. Selbstredend, dass sich dieses Hotel in einer Erholung spendenden Umgebung befinden sollte, weitab vom Lärm der konsumorientierten, hektischen und globalisierten Gesellschaft. Aus welchen Gründen auch immer Menschen reisen und in Hotels absteigen – sei es beruflich oder privat, allein oder mit der Familie, ob im Luxushaus oder in der Jugendherberge – eines werden sie in jedem Fall tun: schlafen. Oder sagen wir besser: sich ins Bett legen. Denn nicht jeder Gast schläft auch wirklich ein beziehungsweise durch. Das kann mitunter an der anderen Umgebung liegen oder schlicht an der Tatsache, dass die Matratze oder das Kissen zu hart oder zu weich ist. Auch wenn bei Umfragen unter Hotel-Gästen das Bett – nach dem Badezimmer, dem Licht und dem Duft im Raum – erst an vierter Stelle der Prioritäten rangiert, so sollte jeder Hotelier bestrebt sein, dem Schlafkomfort seiner Gäste höchste Beachtung zu schenken. Denn wer im Hotel-Bett eine gute Nacht verbracht hat, verbindet damit positive Gefühle und kehrt eher mal zurück. Das (getrennte) Zudeck Oft hängt der Gutfühlfaktor im Hotel-Bett nur von Details ab. Zum Beispiel vom Zudeck. Was zu Hause ein Unding ist, macht es im Hotel nämlich nicht besser! Nicht nur Gasthäuser in südlichen Gefilden pflegen es, vor allem auch in hiesigen Luxusherbergen ist es leider in Mode gekommen: das Schlafen im Briefumschlag! Als gäbe es keine (hochwertigen) Daunen-Duvets, wird mit Laken und Wolldecken eingebettet – und zwar in solcher Art, dass der Gast kaum ins Bett steigen kann, weil alles so perfekt glatt gezogen und rundherum unter die Matratze geschoben ist, dass für einen menschlichen Körper schlicht kein Platz mehr bleibt. Wer die Nacht nicht mit herabgedrückten Füssen durchleiden will, reisst das Laken-Wolldecken-Konstrukt mit einem gezielten Ruck auf und lässt das Zudeck einfach lose über den Bettrand hän- 38 gen. Natürlich: Für das Ego des House-Keep ing, das mit erheblichem Kraftaufwand das Bett hergerichtet hat, ist diese chaotisch anmutende Selbstbefreiungsaktion ein Graus – weswegen hier einmal mehr dafür plädiert wird, dass alle Hotel-Mitarbeiter – von der Küche über den Service bis zur Rezeption – vor ihrem Arbeitsantritt mindestens ein Mal als Gast im Haus geschlafen haben. Dann nämlich würden diese Mitarbeiter auch eins zu eins erfahren, was es heisst, kein eigenes Zudeck zu haben und damit die ganze Nacht über leicht frösteln zu müssen. Denn: Es liegt – bei einem einzigen Zudeck – in der Natur der Sache, dass wenn zwei Menschen darunter Unterschlupf suchen, sich zwi- gefolgt von der Farbe Bordeaux. Kein Wunder, dass sich die Farbpsychologen angesichts solcher Umfrageresultate um die Beziehungserotik sorgen, steht doch das unschuldige Weiss für hygienisch-sauberen, Grau für sachlich-neutralen und Bordeaux für gemässigten Sex. Männer greifen – sofern sie überhaupt mal Bettwäsche kaufen – zu Grün und Blau, was der Erotik aber auch nicht wirklich auf die Sprünge hilft, denn Grün bedeutet verantwortungsvoll und Blau sogar nebensächlich … Abhilfe tut not! Abhilfe in Form der Farben Rot (Leidenschaft und Temperament im Bett), Gelb (losgelöste, spielerische Erotik), Orange (lustvolle Zärtlichkeit), Violett (spiritueller Sex) oder Rosa (zärtlich-romantische Sexualität). Gut möglich, dass nicht alle Hotel-Gäste positiv auf solch bunte Bettwäsche reagieren würden – aber immer noch besser als Duvet-Bezüge mit aufgedruckten Fussbällen oder Schuh-Motiven, denn da dürfte von vornherein klar sein, wo die Fantasien hinwandern … Boxspringbetten « NICHT IMMER, ABER IMMER ÖFTER GLEICHT DAS BESTEIGEN DES HOTEL-BETTS EINER LEICHTATHLETISCHEN ÜBUNG, ANALOG DEM STABHOCHSPRINGEN. » schen den beiden Körpern eine Art Luftloch bildet, sofern das Paar nicht eng umschlungen die Nacht verbringt. Das wiederum führt dazu, dass man öfter als die durchschnittlichen 28 Mal pro Nacht aufwacht, weshalb Schlafforscher dringend getrennte Decken empfehlen. Die Farbe der Bettwäsche Von wegen Decken. Weiss und fein soll sie sein, die Bettwäsche in einem Hotel. Wer das sagt? Niemand explizit, aber die Farbe Weiss ist halt gängige Praxis, das bestätigt auch der Schlafkomfort- und Textilexperte Stephan Hirt: «Weiss oder Beige stehen nach wie vor für Reinheit und Sauberkeit.» Ein gewichtiges Argument, ganz klar. Eine gross angelegte Umfrage eines Bettwäscheherstellers hat denn auch ergeben, dass 77 Prozent der weiblichen Kundschaft vorzugsweise weisse oder graue Bettwäsche kaufen – 7–8 I2015 Immer vorausgesetzt, der Gast findet den Weg in seine Träume beziehungsweise aufs Bett. Denn nicht immer, aber immer öfter gleicht das Besteigen des Hotel-Betts einer leichtathletischen Übung, analog dem Stabhochspringen. Was in den Vereinigten Staaten und in Kanada, aber auch in Skandinavien eine lange Tradition hat, etabliert sich zusehends auch in unseren Breitengraden, vorzugsweise in der Luxus-Hotellerie: Das Boxspringbett – auszusprechen mit der Betonung auf «spring!», denn ohne angemessenen Anlauf gibt es kein Heraufkommen auf die bis zu 30 cm dicke Matratze, die ihrerseits auf einem mit Federn ausgestatteten, auf Füssen stehenden Untergestell aufliegt. Möge der eine oder andere Hotel-Gast weiterhin vom guten, alten Lattenrost träumen – auch Boxspringbetten haben ihre Vorteile. Unter anderem bieten sie eine gleichbleibende Unterstützung für den ganzen Körper. Hingegen macht es eine fehlende Normung der Matratzen schwierig, ein geeignetes Teil zu finden, da sich die Matratzen im Härtegrad sehr stark unterscheiden können. Apropos Härtegrad: Sie erinnern sich an das Märchen von der Prinzessin auf der Erbse? Das Märchen handelt von einem Prinzen, der lange vergeblich eine wahrhaftige Prinzessin zum Heiraten sucht. Während sein Vater bemüht ist, die richtige Frau für ihn zu finden, ist es seiner Mutter gerade recht, dass ihr Sohn keine davon heiraten möchte. Ein Unwetter verschlägt eines Abends ein regennasses Fräulein, das von sich behauptet, eine echte Prinzessin zu sein, in das Schloss seiner Eltern. Der König ist begeistert von ihr, und auch der Prinz verliebt sich auf Anhieb in dieses zauberhafte Wesen. Einzig die Königin ist sich nicht sicher, ob es wirklich eine echte Prinzessin ist. Um ihre Zweifel auszuräumen, bedient sich die Mutter des Prinzen heimlich einer List: Sie platziert eine Erbse auf dem Boden der Bettstelle, worauf sie zwanzig(!) Matratzen und zwanzig(!) Eiderdaunendecken legt. Als sich am nächsten Morgen die zarte Prinzessin darüber beklagt, schlecht – weil auf etwas Hartem – geschlafen zu haben, ist der Beweis erbracht. Denn so feinfühlig kann nur eine wahre Prinzessin sein – oder allenfalls ein Hotel-Gast in einem Boxspringbett. 7–8 I2015 Die Leiche im Bettkasten Und dann gibt es noch Hotel-Gäste, die nicht auf, sondern unter dem Bett liegen – zuweilen auch (unbemerkt) während meh- « NICHT NUR GASTHÄUSER IN SÜDLICHEN GEFILDEN PFLEGEN ES, VOR ALLEM AUCH IN HIESIGEN LUXUSHERBERGEN IST ES LEIDER IN MODE GEKOMMEN: DAS SCHLAFEN IM BRIEFUMSCHLAG. » rerer Wochen. Zugegeben: Es gibt appetitlichere Geschichten als diese. Und doch fasziniert das Schicksal der US-Amerikanerin Sony Millbrook auf eine eigentümliche Weise. Doch immer schön der Reihe nach: Es ist Ende Januar 2012, besagte Sony Millbrook quartiert sich in einem Hotel in Memphis im US-Bundesstaat Tennessee ein. Als Millbrook nach ein paar Tagen für das Zimmer nicht mehr bezahlt, wird der Raum von den Angestellten gereinigt – und mehrfach an neue Gäste weitervermietet. Im März beschwert sich einer dieser Gäste bei der Hotel-Leitung über einen üblen Geruch im Zimmer. Sie ahnen etwas? Das hat auch die Polizei getan und im Metallbettkasten die Leiche Millbrooks entdeckt. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Mörder sie dort versteckt hatte. Im Zusammenhang mit dem Tod der Frau, die vier Kinder hinterlässt, wird schliesslich ihr Freund festgenommen. Ihnen läuft ein kalter Schauer über den Rücken? Sie verspüren das dringende Bedürfnis, unter alle Betten in Hotels zu schauen? Tun Sie das – im Vertrauen auf Ihr House-Keeping und all jene Gäste, die bereits bei Ihnen genächtigt haben. H DIE AUTORIN Nicole Amrein schreibt regelmässig im Schweizer Fach magazin «Hotelier». Die Buch- und Roman-Autorin hat sich in den letzten Jahren auf die Bereiche Hotellerie, Gastronomie und Reisen spezialisiert. Ihre jüngsten Publikationen sind Porträts der legendären Tessiner Gastronomin «Agnese» (Herbst 2014) und des Gstaader Spitzenkochs Robert Speth, erschienen im Februar 2015 im Weber & Werd-Verlag, Thun. Die hier publizierte Kolumne und andere Bettgeschichten aus der Welt der Hotellerie erscheinen im Herbst in Buchform. www.nicoleamrein.ch 39