zur Verfügung. - Liebe Surferin, lieber Surfer, der von Ihnen

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zur Verfügung. - Liebe Surferin, lieber Surfer, der von Ihnen
No. VII / 2015
H ö r f u n k
O n l i n e
T V
P r i n t
Mediengattungen
im Wandel
Inhalt
Editorial
1
Trimedialität in Rundfunkanstalten: Ergebnisse einer explorativen Studie
von Marcel Norbey, Daniela Reichwald und Heidi Krömker
2
Entwicklungspotenziale im Content
von Sebastian Achatz, Daniel Bischoff, Thomas Boehner, Jan Heidtmann, Danielle Warnecke
7
Entwicklungspotenziale in der Technik
von Mathias Bauer, Carsten Behr, Melanie Gäbelein, Jan Kurtz, Anna Margarete Schwarz
9
Entwicklungspotenziale in der Organisation
Anna-Maria Daschner, Ulrike Große, Zhiyang Ji, Regina Koreng, Valentin Krieger
11
Fluch oder Segen? Trimedialität im Journalismus
von Melanie Kritzer
13
Alles eine Frage der Plattform? Unterschiede und Gemeinsamkeiten der
journalistischen Routine bei Print- und Online-IT-Fachjournalisten
von Stefan Geiß, Nikolaus Jackob und Oliver Quiring
17
Systematik einer multimedialen Kampagne am Beispiel von „Hamburg rockt“
von Gunnar Kron
25
Context Design: User-zentriert, nicht Geräte-zentriert
von Ansgar Mayer
31
Webradio kommt ins Auto
von Christian Bollert
35
Indesign CC. Das umfassende Handbuch
Eine Buchrezension von Mara Seupel
37
PDF in der Druckvorstufe
Eine Buchrezension von Paul Klimsa
39
Impressum
40
I Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
in der Medienbranche sind Crossmedialität, Multimedialität, natürlich Konvergenz, und in letzter Zeit Trimedialität
und transmediales Storytelling allgegenwärtige Schlagworte. Diesen Begriffen ist gemeinsam, dass ein Content in
verschiedenen Mediengattungen das Publikum erreicht. Dabei stehen die Medienunternehmen vor der Herausforderung, diesen Content für die Mediengattungen in unterschiedlicher Weise und in unterschiedlicher Intensität aufzubereiten. Die Rezipientinnen und Rezipienten sollen immer auf den Geräten und an den Orten erreicht werden, die
für sie gerade aktuell sind. Zudem soll der Content noch mediengattungsübergreifend inhaltlich zusammenhängend
dargeboten werden, um das Publikum zur Nutzung aller Mediengattungen eines Medienunternehmens zu bewegen.
Dies ist insbesondere wichtig für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die auf diesen Weg jüngere Zielgruppen anzusprechen hoffen, die sich den linear aufgebauten Angeboten der Sender mehr und mehr verweigern.
Allerdings steht auch der private Rundfunk vor der Herausforderung, seinen Content in gewinnversprechende nonliQHDUH$QJHERWH]XEHUIKUHQ'LH3ULQWPHGLHQPLWLKUHQ(LQEX‰HQEHL$XÀDJHQXQG:HUEHHLQQDKPHQVLQGVFKRQ
seit einiger Zeit gezwungen, neue Formate zu entwickeln, um insbesondere jüngere Leserinnen und Leser für ihre
Produkte zu begeistern. Die technischen Möglichkeiten, einen Content nonlinear, aber inhaltlich zusammenhängend
im Print-, Audio-, Video- und Online-Bereich anzubieten, sind vorhanden, werden aber von den Journalistinnen und
Journalisten bislang nicht ausgeschöpft.
Die vorliegende Ausgabe unserer „Medienproduktion – Online Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis“ nähert sich
den neuen Formen der Medienproduktion von theoretischer und praktischer Seite her und extrahiert Muster mehrmedialien Arbeitens.
Ein Forschungsprojekt an der TU Ilmenau untersucht die aktuellen Strukturen trimedialer Medienproduktion in zwei
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Während der Beitrag von Marcel Norbey, Daniela Reichwald und Heidi
Krömker die theoretischen Hintergründe erläutert und eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Interviews mit
Verantwortlichen der Rundfunkanstalten liefert, gehen die Beiträge der Studierenden speziell auf die Schwachstellen und Verbesserungspotenziale ein.
Ebenfalls auf der Basis von Experteninterviews hat Melanie Kritzer in ihrem Beitrag die Chancen und Risiken trimedialen Arbeitens für die journalistische Praxis analysiert.
Stefan Geiß, Nikolaus Jackob und Oliver Quiring haben die Routinen der Medienproduktion von Print- und Online-ITJournalisten empirisch analysiert, in dem sie eine umfangreiche Online-Befragung durchgeführt haben.
Gunnar Kron zeigt dann durch seine Analyse einer Medienkampagne auf, wie die umfassende Nutzung der Mediengattungen dazu beitragen kann, ein Publikum gezielt an verschiedenen Orten, zu verschiedenen Zeiten und auf
verschiedenen Geräten zu erreichen.
Diesen Kontextbezug der Mediennutzung greift ebenfalls Ansgar Mayer in seinem Beitrag auf, wenn er Context Design als Möglichkeit beschreibt, neue Umsatzpotentiale zu entwickeln.
(LQKlX¿JHU.RQWH[WGHU5DGLRQXW]XQJLVWEHNDQQWHUPD‰HQGDV$XWR9RUGHP+LQWHUJUXQGVHLQHU3UD[LVHUIDKUXQJ
des Internetradios detektor.fm thematisiert Christian Bollert die Zukunft des klassischen UKW-Hörfunks.
In den Medienproduktionsprozessen zeigt sich als Muster die intensive Verwendung bestimmter Tools und Datenformate; dies offenbart sich auch in Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt.
Daher schließt diese Ausgabe mit zwei Rezensionen: Mara Seupel befasst sich mit einem Handbuch für InDesign
&&ZlKUHQG3DXO.OLPVDHLQ%XFKGDVVLFKGHQ:RUNÀRZVPLW3')ZLGPHWUH]HQVLHUW
Wir wünschen Ihnen nun viel Freude beim Lesen dieser Ausgabe.
Heidi Krömker und Marcel Norbey
1
Trimedialität in Rundfunkanstalten:
Ergebnisse einer explorativen Studie
von Marcel Norbey, Daniela Reichwald und Heidi Krömker
Cross-, Tri-, Transmedialität
Trimedialität steht als eines der aktuellen Schlagworte
im Broadcasting in enger Beziehung zu Begriffen wie
Konvergenz, Crossmedia und transmediales Storytelling. Die Grenzen zwischen den Begriffen sind nicht
scharf gezogen. Eine Orientierung vermittelt Tabelle 1.
Tabelle 1: Begriffe im Kontext der Trimedialität.
Begriff
Erläuterung
Konvergenz
Konvergenz bezeichnet die „[…] inhaltliche und
technische Annäherung der Medien […]“ [1].
Crossmedia bezeichnet „[…] allgemein die Verknüpfung unterschiedlicher Mediengattungen mit
LKUHQVSH]L¿VFKHQ6HOHNWLRQVP|JOLFKNHLWHQXQG
Crossmedialität
Darstellungsformen auf unterschiedlichen Angebots- und Produktionsebenen mit unterschiedlichen Funktionen für Anbieter und Publikum.“ [2]
Trimedialität
„Trimedialität bezeichnet die redaktions-, medienund standortübergreifende Kooperation und
Vernetzung, also die enge redaktionelle und
technische Zusammenarbeit zwischen Radio,
Fernsehen und Online.“ [3]
„Transmedia storytelling represents a process
ZKHUHLQWHJUDOHOHPHQWVRID¿FWLRQJHWGLVSHUVHG
Transmedialität/ systematically across multiple delivery channels
Transmediales IRUWKHSXUSRVHRIFUHDWLQJDXQL¿HGDQGFRRUdinated entertainment experience. Ideally, each
Storytelling
medium makes it own unique contribution to the
unfolding of the story.“ [4]
funk kann z. B. als eine Form der organisatorischen
Konvergenz verstanden werden.
Der Begriff Crossmedia wird in zwei verschiedenen
Branchen verwendet: Von Crossmedia spricht man
]XPHLQHQLP0DUNHWLQJZRGHU%HJULIIGH¿QLHUWZLUGDOV
„[…] paralleler Einsatz mehrerer möglichst synergetisch
wirkender Medien (z.B. Print und Web, oder TV, Radio und Kino) in der Mediaplanung von werbetreibenden Unternehmen.“ [7]. Zum anderen spricht man im
Journalismus von Crossmedia: „Kennzeichnend ist die
Kommunikation über mehrere redaktionell verknüpfte
Kanäle, die den Nutzer zielgerichtet über die verschiedenen Medien führt und auf einen Rückkanal verweist.“
[8]. Kern beider Begriffsverwendungen ist die Nutzung
unterschiedlicher Mediengattungen für die Verbreitung
von inhaltlich zusammenhängendem Content. Gemeinsam ist beiden Verwendungen ebenso, dass der Content sowohl auf die Eigenschaften des jeweils verwendeten Medienkanals abgestimmt sein muss als auch,
dass eine kohärente Gesamtdarstellung des Contents
über alle Kanäle hinweg erreicht werden soll. Dies zeigt
übersichtlich die sogenannte MOPS-Matrix der Crossmedia-Funktionen, wie in Tabelle 2 dargestellt:
Tabelle 2: MOPS-Matrix der Crossmedia-Funktionen [5]
Wenig umstritten ist der Konvergenzbegriff. Grundlage
aller konvergenten Entwicklungen im Medienbereich –
und damit Voraussetzung für crossmediale, trimediale
und transmediale Medienproduktion – ist die Digitalisierung der technischen Basis, die auch als technische
Konvergenz bezeichnet wird. Sie ermöglicht es, Content auf einfache Weise und mit verschiedenen Klassen
von Geräten aufzuzeichnen, zu bearbeiten, zu transportieren und wiederzugeben. Die technische Konvergenz
ist grundlegend für die inhaltliche und die organisatorische Konvergenz. Der Begriff der inhaltlichen Konvergenz wird verwendet, um das Zusammenwachsen
von Information und Unterhaltung sowie die Integration
interaktiver Elemente zu beschreiben [6], organisatorische Konvergenz beschreibt das Umstrukturieren von
Abteilungen in Medienunternehmen, um Content im
Sinne der inhaltlichen Konvergenz entwickeln zu können. Der Einsatz trimedialer Newsdesks z. B. wie beim
Mitteldeutschen Rundfunk oder Radio Bremen und der
Aufbau trimedialer Rechercheredaktionen wie beim
Norddeutschen Rundfunk und Westdeutschen Rund-
Publikum
Anbieter
Inhalt
Verweise
Mehrwert
Orientierung
Erweiterte Nutzungsmöglichkeiten von Inhalten,
NRPSOHPHQWlUH*UDWL¿NDtionen durch medienadäquate Inhalte
Verweise auf andere Medienangebote mit Themen-,
Programm- und Genreanbindung
Synergieeffekte
Promotion
Mehrfachverwertung
von Inhalten und von
Ressourcen auf allen
Produktionsstufen
Verweise auf andere
Medienangebote
Der Begriff Trimedialität wird eingesetzt, wenn im Kontext der journalistischen Verwendung von Crossmedialität davon gesprochen wird, drei Mediengattungen
zu bedienen. Dies soll im Idealfall so geschehen, dass
ein Content-Fluss, ein inhaltliches Verweben, zwischen
den Mediengattungen entsteht, wobei die Stärken der
jeweiligen Mediengattung genutzt werden. In Abhängigkeit vom Thema, vom zur Verfügung stehenden Material
und von den zeitlichen Möglichkeiten ist dieser ContentFluss unterschiedlich stark ausgeprägt.
2 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bedeutet Trimedialität konkret, dass Content für das Fernsehen, den Hörfunk und das Internet aufbereitet wird.
Hierzu sind organisatorische Voraussetzungen notwendig, wie beispielsweise die Einrichtung von trimedialen
Newsdesks, die die redaktionelle und technische Zusammenarbeit ermöglichen. Auch andere Formen trimedialer Medienproduktion sind möglich, z. B. Print, Online
und Fernsehen.
Mit Transmedialität bzw. transmedialem Storytelling wird
eine fast künstlerische Erzählform beschrieben, die Content über verschiedene Mediengattungen anbietet und
dabei den Content so verwebt, dass eine neue Qualität
für das Publikum entsteht. Transmediales Storytelling
baut im Allgemeinen auf cross- bzw. trimedialen Produktionsstrukturen auf, wie in Abbildung 1 symbolisch dargestellt.
‡
Histotainment-Angebote
Histotainment, also die unterhaltsame Darstellung
historischer Themen, eignet sich gut für eine intensive trimediale Aufbereitung bzw. sogar eine Aufbereitung im Sinne des transmedialen Storytellings: Die
historischen Themen sind abgeschlossen, so dass
keine inhaltlichen Überraschungen bei der Materialerstellung auftreten können. Zudem haben Aufbereitungen historischer Themen üblicherweise lange
Bestand, so dass auch der Aufwand für das transmediale Storytelling gerechtfertigt ist. Ein Beispiel
ist das Angebot des MDR aus dem Jahr 2013 „Die
Völkerschlacht Erleben – Geschichte live im MDR“2.
Hier wurden aufeinander abgestimmte Features,
'RNXPHQWDWLRQHQ 5HSRUWDJHQ XQG 6SLHO¿OPH ]XP
200. Jahrestag der Völkerschlacht im MDR Fernsehen, MDR Hörfunk, insbesondere MDR Figaro, und
Online angeboten. Im Online-Bereich wurden „Live
Ticker“, Blogs, Audios, Videos, Animationen und weiterführende Links genutzt.
‡
Event begleitende-Angebote
Event begleitende Angebote unterstützen die mediDOH 'DUVWHOOXQJ YRQ 9HUDQVWDOWXQJHQ (V ¿QGHW KLHU
eher ein weniger intensiver Content-Fluss statt; eher
wird das Event, das dann oft im Fernsehen übertragen wird, auf den anderen Kanälen begleitet, z.
B. in Form von Verweisen. Beispiele sind hier der
„MDR Sputnik Festivalsommer“3, der „Eurovision
Song Contest“4 oder der „Deutsche Radiopreis“5 für
Events im Musik- und Showbereich, oder die Sportberichterstattung der ARD6 bei Olympia oder beim
Biathlon.
Abbildung 1: Beziehung der Begriffe im Kontext von Trimedialität.
Trimedialität in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
Trimediales Arbeiten ist seit einigen Jahren erklärtes Ziel
der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Derzeit
spielt die Trimedialität insbesondere eine wichtige RolOHEHLGHUEHLGHU3UlVHQWDWLRQQLFKW¿NWLRQDOHU7KHPHQ
(UJHEQLVVHWULPHGLDOHU3URGXNWLRQVSUR]HVVH¿QGHQVLFK
heute in den verschiedensten Ausprägungen. Diese lasVHQVLFKNODVVL¿]LHUHQQDFKGHP*UDGGHV&RQWHQW)OXVses zwischen den Mediengattungen sowie nach dem
angebotenem Content. Es lassen sich unterscheiden:
‡
1
Trimedialer Kanal
Hier ist als prominentes Beispiel BR Puls1 zu nennen. BR Puls ist der digitale Jugendkanal des Bayerischen Rundfunks. Trimedialität zeigt sich hier in
Form von Angeboten im Internet bzw. als App, im
digitalen Radio und als Programmfenster im Bayerischen Fernsehen. Darüber hinaus arbeitet BR Puls
auch mit intensiveren Formen des Content-Flusses
bis hin zu Formen transmedialen Storytellings.
http://www.br.de/puls/index.html.
Für eine intensive trimediale Aufbereitung ist es notwendig, dass die Struktur des Contents vorhersehbar ist, um
in der Planung bestimmen zu können, wie der ContentFluss gestaltet werden soll. Deshalb eigenen sich aktuelle Themen mit unvorhersehbarer Entwicklung kaum
für eine intensive trimediale Darstellung, zumal bei derartigen Themen der Fokus eher auf der Sicherung der
aktuellen Berichterstattung liegt und weniger auf dem
Erreichen eines optimalen Content-Flusses.
2
3
4
5
6
http://www.mdr.de/voelkerschlacht.
http://www.sputnik.de/festivalsommer2014
http://www.eurovision.de/
http://www.deutscher-radiopreis.de/
http://www.sportschau.de/
3
Strategische Ziele trimedialer Produktion
Es gibt drei große Ziele der Trimedialität:
‡
‡
‡
(I¿]LHQ]VWHLJHUXQJXQG.RVWHQVHQNXQJ
Durch trimediale Produktionsstrukturen sollen die
(I¿]LHQ] JHVWHLJHUW XQG .RVWHQ PLQLPLHUW ZHUGHQ
indem ein Redakteur bzw. eine Redakteurin für alle
drei Medienkanäle berichtet.
Anpassung an veränderte Nutzungsgewohnheiten
Trimediale Angebote ermöglichen es den Rundfunkanstalten, das Publikum in ausdifferenzierten
Nutzungsszenarien zu erreichen.
Entwicklung von Alleinstellungsmerkmalen
Durch die Zusammenarbeit von Fernseh- und Hörfunksendern unter einer Dachmarke in Verbindung
mit den Online-Angeboten können Produkte entstehen, die in der Medienlandschaft einzigartig sind.
,Q GHU 3UD[LV VLQG GLH 9RUWHLOH GHU (I¿]LHQ]VWHLJHUXQJ
und Kostensenkung jedoch erst zum Teil gegeben, da
Redakteure/-innen in erster Linie ihrem ursprünglichen
Medienkanal verbunden sind. „[…] Wenn ich ein Radiomann bin, dann weiß ich, wie muss ich mein Format
einhalten, was muss ich tun, damit es eine einheitliche
:HOOHQ,'KDW±GDVEHGHXWHWDEHUQLFKW]ZDQJVOlX¿J
dass ich dann auch genauso gut bin, einen optimalen
Internetauftritt zu machen […]“ [9]. Es sind jedoch Tendenzen in den Sendeanstalten zu erkennen, trimediale
Journalisten/-innen auszubilden, die den unterschiedlichen Anforderungen von Fernsehen, Hörfunk und Online gerecht werden können. Zudem wird deren Wirken
durch trimediale Chefredakteure und trimediale Newsdesks unterstützt.
Wichtiger noch als die Kostensenkung und Steigerung
GHU(I¿]LHQ]GUIWHIUGLH5XQGIXQNDQVWDOWHQGLHGXUFK
trimediale Produktionsstrukturen gegebene Möglichkeit
sein, ihr Publikum auch in Zukunft zu erreichen. Es ist
bekannt, dass die Rezeption von Content noch nie so
fragmentiert war wie heute [10]. Die Angebote werden
an unterschiedlichen technischen Geräten genutzt, und
die Empfangswege reichen von der Rundfunkverbreitung mittels Antenne, Kabel und Satellit über den stationären bis hin zum mobilen Internetzugang. Auch die
Gewohnheiten der Mediennutzung sind nicht mehr so
festgefügt wie vor zwei Jahrzehnten. Darüber hinaus
besteht durch das Internet und seine Dienste ein sehr
viel größeres Angebot an Content als in der Zeit vor
dem Internet. Dazu kommt, dass die Rezipienten/-innen
sich untereinander einfacher über den Content austauschen können und ihn kommentieren können. Publikum
und die Rundfunkanstalten können in einen intensiven
Kontakt treten.
Es kommt hinzu, dass das Publikum der klassischen
Mediengattungen Hörfunk und Fernsehen der Rundfunkanstalten im Durchschnitt eher älter ist als das Publikum im Onlinebereich. Die Rundfunkanstalten sind
bestrebt, auch ein jüngeres Publikum mit der Präsenz in
den Onlinemedien und der Verzahnung von Fernsehen,
Hörfunk und Online anzusprechen.
Schließlich sind auch die Generierung von Alleinstellungsmerkmalen und die Stärkung der jeweiligen Marken der Rundfunkanstalten strategisches Ziel. Man erhofft sich eine stärkere Bindung der Rezipienten/-innen
an den Sender durch abgestimmte Angebote in allen
drei Mediengattungen, die durch ihre Einzigartigkeit ein
Alleinstellungsmerkmal bilden.
Die Rundfunkanstalt fungiert dabei als Dachmarke und
die einzelnen inhaltlichen Angebote als Einzelmarken.
Eine damit verbundene Zielstellung ist auch, die Wirkung der Dachmarke auf Plattformen auszuweiten, die
nicht im Handlungsfeld der Rundfunkanstalten liegen:
„Wenn wir die Dachmarke klug positionieren und betonen, dass der Sender für Verlässlichkeit, Glaubwürdigkeit, journalistische Kompetenz steht, dann können
wir auch auf den Plattformen, die wir nicht kontrollieren
können, also YouTube oder Facebook, reüssieren.“ [9]
Zum Teil entziehen sich nämlich Angebote im OnlinebeUHLFK DXFK GHU (LQÀXVVQDKPH GHU 5XQGIXQNDQVWDOWHQ
wenn auf Plattformen wie z. B. YouTube oder Facebook
Content der Sender von Rezipienten/-innen zur Verfügung gestellt wird.
Erfolgsmessung trimedialer Produkte
Die Messung des Erfolgs trimedialer Angebote beim
Publikum gestaltet sich herausfordernd. Eine Gesamtquote für die Rezeption trimedialer Medienprodukte ist
derzeit kaum darstellbar. Zu unterschiedlich sind die
Messmodelle und Messinstrumente für die Analyse der
Nutzung von Fernsehen, Hörfunk und Online.
Tabelle 3: Messung der Nutzung verschiedener
Mediengattungen
Mediengattung Messmethode
Fernsehen
technische Lösung, die bei den Rezipienten
sekundengenaue Messung von Live- und zeitversetztem Fernsehprogramm ermöglicht
Hörfunk
halbjährliche telefonische Befragungen
Internet
Messung der Seiten-, Videoaufrufe usw. und der
Unique Users
Onlinebefragungen
Die vorliegenden Messdaten werden bei den Rundfunkanstalten dennoch in Beziehung gesetzt, und es zeigt
sich, dass mit den zusätzlichen Online-Ausspielwegen
ein jüngeres Publikum erreicht wird als über die klassi-
4 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
schen Kanäle: „Ich kann Ihnen sagen, dass die Leute,
die bei uns auf den Internetseiten sind oder die unsere
Facebook-Auftritte aufrufen oder Blogs abrufen oder
unsere YouTube-Channels nutzen, in der Regel jünger
sind als unser Stammpublikum.“ [9].
Methode der empirischen Untersuchung
Es existiert bisher relativ wenig veröffentlichte Information zu den Veränderungsprozessen und Erfolgsfaktoren der Trimedialität. Aus diesem Grund wurde ein
Forschungsprojekt am Institut für Medientechnologie
der TU Ilmenau7LQLWLLHUWGDVVGLHVSH]L¿VFKHQ+HUDXVforderungen in Hinblick auf Technik, Organisation und
Content beschreibt.
Methodischer Ansatz war eine qualitative Studie mit
11 Verantwortlichen des Bayerischen Rundfunks und
des Mitteldeutschen Rundfunks. In Anlehnung an das
Modell der Medienproduktion wurden content-, technik- und -organisationsbezogene Veränderungen infolge der Einführung trimedialer Produktionsprozesse
erfasst. Die Experten und Expertinnen beantworteten
in semistrukturierten Interviews Fragen zur Ist-Situation
von Technik, Organisation und Content in Hinblick auf
Schwachstellen und Verbesserungspotenzialen. Die
Telefoninterviews fanden zwischen Mai und Juli 2014
statt und dauerten zwischen einer und zwei Stunden.
Zusammenfassend lassen sich die Schwachstellen folJHQGHUPD‰HQNODVVL¿]LHUHQ
Contentbezogene Schwachstellen
‡ Keine ausreichende Verknüpfung des Contents der
einzelnen Mediengattungen
‡ Bevorzugung des Fernsehens
‡ Schwierige Planbarkeit tri- und transmedialer Formate insbesondere im Bereich Aktuelles
Technikbezogene Schwachstellen
‡ Fehlende Standardisierung und Inkompatibilitäten
‡ Schwache softwareseitige Unterstützung trimedialen Arbeitens
Organisationsbezogene Schwachstellen
‡ Ungeeignete Aufbau- und Ablauforganisation für trimediales Arbeiten
‡ Fehlende Mitarbeitende
‡ )HKOHQGH4XDOL¿NDWLRQHQ
‡ Fehlende Akzeptanz
7
Die explorative Studie wurde im Sommersemester 2014
im Rahmen der Lehrveranstaltung „Media Systems Engineering
2“ unter Leitung von Heidi Krömker, Wolf-Rüdiger Lange und Marcel Norbey von Studierenden der Masterstudiengänge Medienwirtschaft und Medientechnologie durchgeführt.
Mögliche Entwicklungspotenziale sind synoptisch in Tabelle 4 aufgeführt.
Tabelle 4: Entwicklungspotenziale der trimedialen
Produktion
Trimediale
Produktion
Verbesserungspotenzial
·
Content
·
Stärken der Mediengattungen nutzen
·
Aktualitätsniveau erhalten
·
Vielfalt erhalten
·
Komfort für Publikum erhöhen
·
Content-Management-Systeme anpassen
·
Redaktions- und Managementsoftware
einführen
·
Kommunikation verbessern
·
Kompetenz und Akzeptanz steigern
·
Räumliche Organisation anpassen
·
Aufbauorganisation auf Aufgaben abstimmen
Technik
Organisation
Akquisition des Contents unterstützen
·
Personalorganisation weiterentwickeln
·
Ablauforganisation auf Aufgaben abstimmen
·
Technische Infrastruktur ausbauen
Erfolgsfaktoren für Trimedialität
Aus den Analysen, die im Detail in den folgenden Beiträgen der an der Studie beteiligten Studierenden beschrieben sind, konnten Erfolgsfaktoren extrahiert werden, die die Gelingensbedingungen für Trimedialität
benennen.
In Hinblick auf den Content als Treiber für die technischen und organisatorischen Bedingungen wurde vor
allem herauskristallisiert, dass der Content in allen Mediengattungen gut präsentiert werden können muss.
Dies bedingt, das Material verfügbar ist, das in den
Medienkanälen einen hohen Mehrwert für den Rezipienten bietet. Wenn z. B. unzulängliches Videomaterial
vorliegt, ist die Stärke der Mediengattung Fernsehen
kaum zu nutzen. Wenn umgekehrt Videomaterial ohne
vertiefte Hintergrundinformation vorliegt, kommt die
Stärke der Mediengattung Hörfunk und Online nicht
zum Tragen. Dies war z. B. der Fall bei den Videos zu
den Geschehnissen des 11. September 2001.
Um den Content-Fluss zwischen den Mediengattungen
zu unterstützen, werden technische Systeme benötigt,
die eine medienübergreifende Informationsbe- und
-verarbeitung ermöglichen und eine contentbezogene
Kommunikation der Redakteure und Redakteurinnen
unterstützen.
Dieses Zusammenspiel von Content und Technik muss
darüber hinaus durch eine geeignete Organisation unterstützt werden. Für funktionierende trimediale Newsdesks müssen räumliche Strukturen geschaffen wer-
5
den, in denen Redakteure und Redakteurinnen im täglichen
Alltag ihre „Köpfe zusammenstecken“ können und auch
Zeit haben, um ein Thema als trimedialen ContentFluss zu gestalten, der die Stärken aller drei Mediengattungen ausschöpft.
abgerufen am 27.2.2015.
[4] Jenkins, H. (2007): Transmedia Storytelling 101.
URL: http://henryjenkins.org/2007/03/transmedia_storytelling_101.html, abgerufen am 27.2.2015.
Die Berücksichtigung der technik- und organisationsbezogenen Erfolgsfaktoren in der trimedialen Produktion
LVW%HGLQJXQJGDPLW]XPHLQHQGLHHUKRIIWHQ(I¿]LHQ]gewinne auf Seiten der Rundfunkanstalten erreicht werden können. Zum anderen schaffen sie Möglichkeiten,
transmedialen Content zu entwickeln, so dass damit
bislang nicht erreichte Zielgruppen erreicht werden könQHQ 'LH GHXWVFKH 0HGLHQODQGVFKDIW EH¿QGHW VLFK LP
Umbruch; und die Trimedialität hat das Potenzial, die
Zukunft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu
sichern.
[6] ECMC Europäisches Zentrum für Medienkompetenz
(2008): Im Blickpunkt: Medienkonvergenz. URL: http://
www.grimme-institut.de/imblickpunkt/pdf/imblickpunkt_
medienkonvergenz2.pdf, abgerufen am 26.2.2015, S.
2.
[5] wie [2].
[7] Kollmann, T. (o. J): Crossmedia. URL: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/81345/crossmedia-v7.
html, abgerufen am 26.2.2015.
[8] o. V. (2014): Crossmedia. URL: http://medienwiki.
org/index.php/Crossmedia, abgerufen am 25.2.2015.
[9] Gesprächspartner beim BR.
[10] Für einen Überblick: Media-Perspektiven, hrsg. ...
in Zusammenarbeit mit der ARD-Werbung (2014): Basisdaten: Daten zur Mediensituation in Deutschland.
Media-Perspektiven: Frankfurt/Main, S. 66-85.
Daniela
D
i l Reichwald
R i h ld (l.)
(l ) ist
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Masterabsolventin
b l
i des
d
Studiengangs Medienwirtschaft. Marcel Norbey (m.)
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter, Heidi Krömker (r.)
Professorin am Fachgebiet Medienproduktion der
Technischen Universität Ilmenau.
Literatur
[1] Krömker, H.; Klimsa, P. (2005): Einführung. In:
Handbuch Medienproduktion: Produktion von Film,
Fernsehen, Hörfunk, Print, Internet, Mobilfunk und Musik. Krömker, H./Klimsa, P. (Hrsg.). VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden, S. 25.
[2] Schweiger, W. (2002): Crossmedia zwischen Fernsehen und Web. Versuch einer theoretischen Fundierung des Crossmedia-Konzepts. In: Medienkonvergenz: Angebot und Nutzung. Eine Fachdiskussion veranstaltet von BLM und ZDF (BLM-Schriftenreihe, Band
70). Theunert, H./Wagner, U. (Hrsg.). Reinhard Fischer:
München, S. 126.
[3] Norddeutscher Rundfunk (2015): Was bedeutet
„Trimedialität“? URL: http://www.ndr.de/der_ndr/daten_
und_fakten/Was-bedeutet-Trimedialitaet,ndr6143.html,
6 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Entwicklungspotenziale im Content
von Sebastian Achatz, Daniel Bischoff, Thomas Boehner, Jan Heidtmann und Danielle Warnecke
Der Wille zum trimedialen Arbeiten ist bei den Redakteuren und Redakteurinnen vorhanden Allerdings sind
sie sich im Detail bei der Konzeption der trimedialen
Beiträge oft unsicher.
Bisher schwankt der trimediale Anteil der Produktionen
von Redaktion zu Redaktion stark und hängt vom Zielpublikum und -medium ab. Er liegt bei den interviewten
Expertinnen und Experten im Bereich von 10 Prozent
bis zu fast 100 Prozent.
Trimediale Redaktionen ermöglichen zwar eine ganzheitliche Vorplanung über alle Mediengattungen, die Fähigkeit der kreativen Umsetzung und ein hervorragender Sprach- und Schreibstil, der die Besonderheiten der
einzelnen Mediengattungen berücksichtigt, sind jedoch
weiterhin wesentliches Handwerkszeug. Die Möglichkeiten der verschiedenen Mediengattungen erfordern
eine neue vernetzte Denkweise bei der Konzeption.
Die Analyse der aktuellen Situation erfolgte auf Basis
von sechs Experteninterviews. Die Interviewten waren
Journalisten/-innen des Mitteldeutschen Rundfunks
(MDR) und des Bayerischen Rundfunks (BR) sowie
freie Journalistinnen und Journalisten.
Akquisition des Contents unterstützen
Die Akquisition von trimedialem Content erfordert ein
erweitertes Kompetenzspektrum.
Die derzeit unterbesetzten trimedialen Redaktionen
leiden unter hohem Leistungsdruck sowie fehlendem
Knowhow in nicht-journalistischen Bereichen wie z. B.
)RWRJUD¿HRGHU6FKQLWW'LHVHIHKOHQGH)DFKNRPSHWHQ]
wirkt sich laut der befragten Expertinnen und Experten
negativ auf die Qualität der Beiträge aus: „Wir sind jetzt
dazu gehalten, zum Teil Kameras mitzunehmen, zu foWRJUD¿HUHQ±HWZDVZR]XZLUQLFKWDXVJHELOGHWVLQGXQG
etwas, wofür wir auch sehr schlecht bezahlt werden.
Also konkret etwa 10 Euro pro online veröffentlichtem
Foto – das ist eigentlich ein Witz.“ [1]
Stärken der Mediengattungen nutzen
Ausschlaggebend für einen guten trimedialen Beitrag
ist, dass die Stärken der einzelnen Mediengattungen
genutzt werden. Die inhaltliche Verteilung über die Mediengattungen hinweg muss sich an der beabsichtigen
dramaturgischen Wirkung orientieren und keinesfalls
an der traditionellen Hierarchie Fernsehen, Hörfunk,
Online.
Nur durch diese gelebte Gleichstellung erreicht man ein
hochwertiges trimediales Produkt.
Wird eine Story einem Medium zugewiesen, stehen
dessen Stärken im Vordergrund, siehe Tabelle 1. Dies
dient dem traditionellen Verständnis von Spannungsaufbau und effektivem Erreichen des Publikums.
Tabelle 1: Auswahl von Stärken einzelner Mediengattungen [2]
Fernsehen
Hörfunk
· Passives Medium
· Passives Medium
· Kombiniert Bild und · Schnelle BerichterTon
stattung
Online
· Multimedial
· Mobil
· Langzeitkonsum des
Begleitmediums
Radio
· Interaktiv
· Starke emotionale
Wirkung
· Live-Übertragungen
· Persönlicher
Dialog in Foren
und ExpertenChats
· Große Reichweite
· Dialoge mit Zuhörer
möglich
· Zeitpunktunabhängig
· Täglicher Konsum
· Raum für längere
Sendeplätze
· Keine Sendezeit
begrenzung
· Hohe Aufmerksamkeit
· Hohe Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft
· RandthemenPlattform
· Attraktivste Werbeplätze
Bei den trimedialen Produktionen zeigten sich in der
Praxis die folgenden Herausforderungen, die es noch
zu bewältigen gilt:
‡
‡
Die einzelnen Medienträger unterliegen traditionell der oben genannten Hierarchie Fernsehen,
Hörfunk, Online. In der Regel verhält es sich so,
dass die „starken“ Medien Fernsehen und Hörfunk
primär mit Topstories und besonders anziehungsstarkem Content beliefert werden, während Online
zweitrangig behandelt wird. Auch erfolgt die Priorisierung von Themen immer noch in Abhängigkeit
von ihrem Sendeplatz im Fernsehen.
Eine ganzheitliche Verknüpfung im Sinne der Stärken aller drei Mediengattungen und auch die bimediale Verknüpfung von Fernsehen und Hörfunk
erfolgen noch eher selten. Ursache hierfür ist nach
Einschätzung der Befragten, dass ein guter trimedialer Beitrag aufgrund starrer Hierarchien innerhalb
7
‡
‡
‡
der Mediengattungen nur sehr schwergängig zu
realisieren ist.
Die besondere Stärke der Interaktivität des Internets wird nur in Ausnahmefällen, z. B. durch Diskussionsforen oder Experten-Chats, für die Belebung der Story genutzt.
Das ganzheitliche Nutzen der Stärken der Mediengattungen wird zurzeit oft noch als Hobby einzelner
Redakteure und Redakteurinnen wahrgenommen
und ist nicht Gegenstand einer systematischen
Weiterbildung. Ein intensiver Content-Fluss entwikkelt sich oftmals im Zeitverlauf und folgt nicht einer
trimedialen Strategie.
Eine weitere Schwachstelle besteht bei aktuellen
Themen in der mangelnden Vorhersehbarkeit des
sukzessiv eingehenden Beitragsmaterials. Das Gesamtkonzept lässt sich nur schwer vorbestimmen,
wenn nicht alle Beiträge und Einzelnachweise von
vornerein bekannt sind.
Bidirektionalität des Internets bietet zudem auch mehr
Möglichkeiten der inhaltlichen Mitbestimmung.
Literatur
[1] Anonymer Experte, Interview vom 27.05.2014.
[2] Mahrdt, N. (Hrsg.) (2009): Crossmedia. Werbekampagnen erfolgreich planen und umsetzen. Springer:
Wiesbaden, S. 41-44 und S. 53-61.
Aktualitätsniveau erhalten
Trimediales Arbeiten darf nicht zu einer Verlangsamung und damit zur Verschlechterung der Aktualität der
Nachrichten eines Senders führen. Die Aktualität spielt
eine außerordentlich wichtige Rolle bei der öffentlichen
Wahrnehmung des Senders.
Vielfalt erhalten
Gerade für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten ist
die Sicherung inhaltlicher Vielfalt ein wichtiger Auftrag.
Mittels trimedialer Konzepte können auch Randthemen
interessant und nachhaltig thematisiert werden. Eine
intensive trimediale Erzählweise und eine interaktive
Vertiefung z. B. durch Online-Foren stellen auch unter
dem Blickwinkel der Sicherung der Vielfalt eine wichtige
Chance dar.
Komfort für Publikum erhöhen
Spannende Handlungsfolgen auf hohem Aktualitätsniveau bilden die Basis für hohe Erzählqualität. Trimedialität bietet neue Perspektiven und technische Möglichkeiten, die genutzt werden sollten. Gerade in der Einführungsphase erfordert Trimedialität eine schrittweise
Heranführung des Publikums, das so nutzergerecht auf
dem geplanten Navigationspfad über die Mediengattungen geleitet wird. Gute Wegweiser sind z.B. Cross
Teasing und das kurze Vorführen von Online-Features
in Fernsehsendungen.
Gerade der Umgang mit der Mediengattung Internet
bringt für viele Rezipienten/-innen einen deutlichen
Mehrwert. Die interaktive Auseinandersetzung mit interessierenden Themen kann zur intensiveren Bindung
an den Sender führen als die lineare Rezeption. Die
8 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Entwicklungspotenziale in der Technik
von Mathias Bauer, Carsten Behr, Melanie Gäbelein, Jan Kurtz und Anna Margarete Schwarz
Das Herzstück der trimedialen Produktion sind die technischen Systeme. Die mediengattungsübergreifende
Planung, Verfügbarkeit und Koordinierung des Contents
ist Voraussetzung für erfolgreiche trimediale Produktionen. Das Content Management spielt eine zentrale Rolle für die trimediale Arbeit, bei der z.B. alle Codecs und
Formate reibungslos verarbeitet werden müssen.
Die technischen Systeme müssen sicherstellen, dass
die Themen medienunabhängig recherchiert, bearbeitet und weiterverwendet werden können. Alle Beteiligten können auf einen zentralen Content Pool zugreifen,
und anschließend können Inhalte für das anvisierte
Zielmedium entsprechend aufbereitet werden.
Die Analyse der technischen Entwicklungspotenziale
erfolgte auf Basis von drei Experteninterviews mit Verantwortlichen des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR)
und des Bayerischen Rundfunks (BR). Alle Verantwortlichen der befragten Medienunternehmen sehen sich
selbst am Anfang ihrer Entwicklung in Richtung Trimedialität und der damit verbundenen Herausforderungen.
Content-Management-Systeme anpassen
Das Content-Management-System soll es ermöglichen,
dass die Mitarbeitenden schnell und einfach auf die Inhalte zugreifen können, und es soll eine Möglichkeit zur
zentralen Ablage von Audio- und Videomaterial bieten.
Der Online-Veröffentlichung sollte im Sinne des OnlineFirst-Ansatzes eine besondere Priorität eingeräumt
werden.
Unzulänglichkeiten in der technischen Unterstützung
zeigen sich insbesondere durch Content-ManagementSysteme, die nicht auf die Aufgaben trimedialer Medienproduktion abgestimmt sind:
‡
‡
‡
Der gemeinsame Content Pool ist oft nicht für alle
Bereiche optimal nutzbar, da z. B. die Schnittsoftware des Cutters den alten Codec eines Archivvideos nicht unterstützt. Das Archivmaterial ist oft nur
unzureichend digitalisiert. Hinzu kommt, dass die
Austauschformate der Mediengattungen nicht kompatibel sind.
Die Komplexität der Produktionssoftware ruft oft
Speicher- und Übertragungsprobleme hervor.
Auch bei der Neuentwicklung von Systemarchitekturen können bestehende Content-ManagementSysteme oft nur unzulänglich integriert werden.
Es gibt auch Ansätze, das Content-Management-System zum Planungstool weiterzuentwickeln. Ein Vorschlag kann von Radio Bremen abgeleitet werden, das
als zentrales Redaktionssystem die Software „d’accord“
verwendet. [1]
Redaktions- und Managementsoftware einführen
Die Software muss das Redaktionssystem in vollem
Umfang abbilden und steht für alle Ressorts im Mittelpunkt ihrer täglichen Arbeit. Zusätzlich sollte es Komponenten geben, die die Planung, Koordination und Verwaltung trimedialer Produktionen unterstützt.
Bisher eingesetzte Systeme haben sich jedoch nach
Aussagen der Interviewten als noch nicht ausgereift gezeigt und werden den Anforderungen nicht gerecht.
Kommunikation verbessern
Die Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden soll
sowohl auf organisatorischer als auch technischer Ebene verbessert werden. Durch räumliche Nähe können
sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter direkt austauschen, und eine zentrale technische Plattform in Form
einer Collaboration Software kann helfen, den themen]HQWULHUWHQ,QIRUPDWLRQVÀXVVHI¿]LHQWHU]XJHVWDOWHQ
In den Abteilungen fehlt es darüber hinaus an Software,
die die Mitarbeitenden gut vernetzt.
Auch wenn eine räumliche Nähe der Mitarbeitenden
gegeben ist, sollt ein Newsdesk die Kommunikation unterstützen. So gibt es z. B. beim MDR „[…] seit zwei
Jahren einen trimedialen Newsdesk, die sind für die Aktualitätensichtung [...] zuständig“.
Ergänzend könnte auch Collaboration Software wie z.
B. SharePoint, Connections oder Jammer, zum Einsatz
kommen.
Kompetenz und Akzeptanz steigern
Die technischen Systeme führen zu unterschiedlichen
Veränderungen:
‡
‡
Durch die umfangreichere technische Vernetzung
entstehen Organisationsstrukturen und veränderte
Zuständigkeitsbereiche.
Bei den Mitarbeitenden rufen oft ungenügende AufJDEHQGH¿QLWLRQHQ XQG 'RSSHOVWUXNWXUHQ LQ GHQHQ
mehrere Personen am selben Thema arbeiten, Unzufriedenheit hervor.
9
‡
‡
Auch werden bestehende Aufgaben oft angereichert. Ein Journalist muss sich jetzt beispielsweise
mit den Aufgaben eines Cutters befassen, um einen Beitrag zu schneiden.
In vielen Köpfen stehen bewährte Arbeitsmethoden
und jahrelange Arbeitserfahrung gegen trimediale,
QRFKQLFKWJHIHVWLJWH:RUNÀRZV'LHVHQHXHQ$XIgaben werden oftmals nicht akzeptiert und es fehlt
an Bereitschaft der Mitarbeitenden, sich neues Wissen im Bereich Trimedialität anzueignen.
In den Rundfunkanstalten wird versucht, dem Entgegenzuwirken, indem das Personal im Sinne der Trimedialität geschult wird und klassische Berufsbilder
weiterentwickelt werden. Der fortschreitende Lern- und
Erfahrungsprozess soll helfen, bestehende Ängste und
Missverständnisse abzubauen.
Beim BR und insbesondere bei BR Puls gibt es bereits
solche Veranstaltungen, die das Leitbild der Trimedialität aufzeigen sowie den Mitarbeitenden Ängste nehmen.
Die Schulungen sollen versuchen, den Mitarbeitenden
eine Haltung zur Trimedialität zu vermitteln, in der „[…]
nicht jeder Fernsehen, Internet und Radio gleich gut
machen können muss [...] sondern sie dürfen, wenn sie
können und wollen, sich gegenseitig zuarbeiten“. Das
Konzept kann als Vorbild für andere Medienunternehmen aufgegriffen und weiter ausgebaut werden.
Da Trimedialität nicht nur die Technik, sondern auch die
Organisation und die Anforderungen an die Mitarbeitenden verändert, wird eine stufenweise Einführung trimedialer Produktionsprozesse empfohlen. Diese stufenweise Einführung sollte von Experten, wie z. B. Change
Agents, begleitet werden.
Literatur
Der Artikel wurde aus der Auswertung von drei Telefoninterviews mit Mitarbeitern von MDR und BR erarbeitet.
[1] Eckstein, Eckhard (2007): Start in die trimediale
Zukunft. URL: http://www.daccord.net/seiten/pdf/2007_
RadioBremen.pdf, abgerufen am 14.9.2014.
10 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Entwicklungspotenziale in der
Organisation
von Anna-Maria Daschner, Ulrike Große, Zhiyang Ji, Regina Koreng und Valentin Krieger
Der Mitteldeutsche Rundfunk treibt die organisatorische
Entwicklung der Trimedialität seit etwa zwei Jahren intensiv voran, während der Bayerische Rundfunk schon
seit fünf Jahren mit sehr tiefgreifenden Maßnahmen
dieses Ziel verfolgt. Die Einführung von Trimedialität im
Arbeitsalltag gestaltet sich als langsamer Prozess, der
sich Schritt für Schritt mit jedem neuen Projekt verankern muss.
Die Analyse der noch offenen Entwicklungspotenziale
erfolgte auf Basis von drei Experteninterviews mit Verantwortlichen des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR)
und des Bayerischen Rundfunks (BR). In den Experteninterviews zeigte sich, dass die organisationalen
Entwicklungspotenziale mit den technischen verknüpft
sind.
Räumliche Organisation anpassen
Um trimediale Produktionsprozesse erfolgreich einzuführen, sollten die Redaktionen räumlich nah beieinander arbeiten, was jedoch gebäudetechnisch, wie
z.B. beim MDR, schwer umsetzbar ist. Der BR hingegen, der seine Gebäude sanieren muss, richtet seine
Umbaumaßnahmen schon direkt auf Trimedialität aus.
Schon bei der Flächenplanung muss auf eine räumliche
Nähe der Redaktionen geachtet werden. Das geplante
„Sonnenmodell“ des BR ist bereits ein Lösungsansatz
für eine ideale räumliche Organisation, wie in Abbildung
1 dargestellt. Hierbei stellt das Aktualitätenzentrum
bzw. der trimediale Newsroom die Mitte des räumlichen
Aufbaus da.
Die Ressorts entsprechen den einzelnen Schalen, bei
denen im inneren Bereich das trimediale Zentrum steht,
das für alle Kanäle produziert. Je weiter weg sich eine
5HGDNWLRQ YRP =HQWUXP EH¿QGHW GHVWR ZHQLJHU VWHKW
die trimediale Arbeit im Vordergrund. Die Produktion eiQHV)HUQVHK¿OPVLVWHLQ%HLVSLHOKLHUIU
Aufbauorganisation auf Aufgaben abstimmen
Beim Bayerischen Rundfunk wurde vor etwa fünf Jahren begonnen, trimediale Produktionsprozesse zu initiieren, die durch eine Informationsdirektion unterstützt
werden. Diese fasst die Nachrichten für Fernsehen,
Hörfunk und Online zusammen.
Für die trimediale Arbeit wurden darüber hinaus testweise Koordinationsrollen eingeführt. Sie sollen die Transparenz bezüglich Themenrecherche und -ausarbeitung
zwischen den Fernseh- und Hörfunkdirektionen sicherstellen. Damit soll die Kommunikation und ZusammenDUEHLW YHUHLQIDFKW XQG GLH (IIHNWLYLWlW XQG (I¿]LHQ] LP
Produktionsablauf verbessert werden. Der InformatiRQVÀXVVIUHLQHEHUJUHLIHQGH7UDQVSDUHQ]]ZLVFKHQ
den einzelnen Direktionen ist jedoch ausbaufähig.
Abb.1: „Sonnenmodell“ in der trimedialen Produktion
Personalorganisation weiterentwickeln
Trimedialität bedarf einer neuen und für alle transparenten Ressourcenplanung. Teilweise werden Ressourcen
freigesetzt, die an anderer Stelle dringend benötigt werGHQ$XFK¿QDQ]LHOOH8PYHUWHLOXQJHQVLQGP|JOLFKGD
die Vermeidung von Doppelarbeit Ressourcen freigibt.
Durch die Kanalisierung organisatorischer Abläufe wird
GHU ¿QDQ]LHOOH $XIZDQG IU YHUVFKLHGHQH 7HLOEHUHLFKH
geringer, da diese ein geringeres Arbeitspensum zu bewältigen haben.
Die Personalplanung und -entwicklung gewinnt vor allem durch die Verschiebung von Zuständigkeiten bei
den Redakteuren und Redakteurinnen eine besondere
Rolle.
Für Mitarbeitende, die noch wenig Erfahrung in der
trimedialen Produktion haben, sind passgenaue Weiterbildungsmaßnahmen bereit zu stellen, die die Operationalisierung von Trimedialität im Alltag vermitteln.
Damit wird die Akzeptanz für diese neue Arbeitsweise
gesteigert und der Angst vor Arbeitsplatzverlust entgegen gewirkt.
11
Ablauforganisation auf Aufgaben abstimmen
Durch die engere Zusammenarbeit der einzelnen Direktionen hat sich auch das Herangehen von Redakteurinnen und Redakteuren an neue Themen verändert.
Vor diesem Hintergrund kann z.B. eine Redakteurin der
Hörfunkdirektion einen O-Ton aufnehmen und einem Interviewpartner neben den eigenen Fragen weitere stellen. Diese zusätzlich beschafften Informationen kann
dann ein anderes Ressort nutzen. Auf diese Weise soll
Doppelarbeit vermieden werden, in dem z. B. ein O-Ton
aufgenommen und für Radio, Fernsehen und Online
differenziert aufbereitet wird und nicht drei verschiedene O-Töne aufgenommen werden müssen. In den
Rundfunkanstalten hat sich in den letzten Jahren eine
enge Verbindung zwischen der jeweiligen Hörfunk- und
Fernsehdirektion etabliert, die allerdings noch weiter intensiviert werden kann, besonders in Hinblick auf den
Online-Bereich.
Für eine trimediale Zusammenarbeit sollte für einen
WUDQVSDUHQWHQ MRXUQDOLVWLVFKHQ :RUNÀRZ GLH .RPPXnikation zwischen den Mitarbeitenden der einzelnen
Redaktionen gefördert werden. Dafür sind regelmäßige
Meetings in einem gemeinsamen Newsroom unabdingbar. Technische Hilfsmittel, die die Zusammenarbeit
unterstützen, wie beispielsweise eine Redaktionssoftware, müssen getestet und eingeführt werden.
Literatur
Der Artikel wurde aus der Auswertung von drei Telefoninterviews mit Mitarbeitern von MDR und BR erarbeitet.
Technische Infrastruktur ausbauen
Eine Herausforderung für alle Medienunternehmen
stellt die technische Abbildung trimedialer Arbeitsabläufe dar. Trimediales Arbeiten erfordert eine gemeinsame
Planung, Recherche und einen gemeinsamen Zugriff
auf das gesamte Material durch alle Beteiligten. All
dies setzt eine funktionierende gemeinsame technische
Plattform voraus. So verwendet der MDR z.B. bereits
seit etwa zwei Jahren einen trimedialen Newsdesk.
Es werden derzeit verschiedene Lösungen ausprobiert,
um vorhandene Produktionssoftware miteinander zu
verknüpfen. Dabei sind viele individuelle Lösungen entstanden, die jedoch noch nicht das ganze Potenzial der
Unterstützung ausschöpfen. Es fehlt z.B. eine geeignete Software für einen zentralen Ingest von Bild- und
Tonmaterial sowie für die Bereitstellung der Informationen für die Redakteure und Redakteurinnen und die
verschiedenen Direktionen. Auch die Rechteverwaltung
bezüglich des Zugriffs auf die verfügbare Information ist
nicht an die neue Arbeitsweise angepasst. Weitere Probleme sind inkompatible Schnittstellen zwischen alter
und neuer Technik.
Die Notwendigkeit der intensiveren technischen Vernetzung erhöht darüber hinaus den administrativen Aufwand.
12 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Fluch oder Segen?
Trimedialität im Journalismus
von Melanie Kritzer
Trimedialität ist ein Begriff, der im Journalismus zunehmend an Bedeutung gewinnt und über den in der
Medienbranche immer wieder heftig diskutiert wird. Bei
meiner Studie habe ich deshalb folgende zentrale Frage gestellt: „Ist Trimedialität der Weg der Zukunft oder
doch nur ein bloßes Hirngespinst“. Und diese kann eindeutig beantwortet werden: Trimedialität ist der Weg
der Zukunft. Die Entwicklung der Medienunternehmen
geht immer mehr in Richtung mehrmediales Arbeiten.
Internationale Entwicklung
Gerade nordeuropäische Medienunternehmen sind bereits auf mehrmediales Arbeiten umgestiegen. In Ländern wie Norwegen, Schweden, Dänemark, Holland,
Belgien oder auch Finnland wird derzeit vor allem noch
bi- aber mittlerweile auch immer wieder trimedial gearEHLWHW'LHVH/lQGHU¿QGHQVLFKGHU]HLWLQXQWHUVFKLHGlichen Zwischenformen von Trimedialität, besitzen aber
die technischen Möglichkeiten, integrierte Redaktionssysteme und die dazu notwendigen Digitaltools um vollkommen auf Crossmedialität umsteigen zu können [1].
Auch bei britischen Sendeanstalten ist Trimedialität
VFKRQ ZHLW YHUEUHLWHW ,P *HJHQVDW] ]X HKHU QLFKW ¿nanzstarken Medienunternehmen, wie in Südeuropa
oder im Balkan. Das hängt in diesen Ländern aber
vor allem auch mit politischen Gründen zusammen. In
Deutschland ist Radio Bremen der Vorreiter von bi- und
trimedialem Arbeiten. Die Bereitschaft, crossmedial zu
arbeiten, ist ansonsten in deutschen Unternehmen wenig vorhanden. Der Hauptgrund dafür ist, dass bei dieVHQ6HQGHDQVWDOWHQGLH¿QDQ]LHOOHQ0LWWHOQRFKYRUKDQden sind und sie unter keinem großen ökonomischen
Druck stehen.
In der Schweiz ist die Situation etwas anders, hier liegen die beiden wichtigsten Standorte Zürich und Bern
zu weit auseinander um vollkommen mehrmedial arbeiten zu können. In gewissen Bereichen wird bereits
bi- und trimedial gearbeitet, aber der Informationsund Nachrichtensektor wird weiterhin getrennt bleiben
(müssen). [1]
Spannend ist die Situation auch in Österreich. Österreich liegt zwar im internationalen Schnitt noch deutlich
hinter den anderen Ländern, die Medienunternehmen
hier sind jedoch bereit dazu, mehrmedial zu arbeiten.
Im ORF ist beispielsweise laut dem Medienexperten
Fritz Wendl bimediales Arbeiten schon selbstverständ-
lich und wird in Zukunft sicherlich zu trimedialem Arbeiten ausgebaut. Hier müsse jedoch noch gewartet werden, bis alle ORF-Sender am gleichen Standort vereint
sind, nur dann könne Trimedialität funktionieren. [1]
Vor- und Nachteile von crossmedialem Arbeiten
Die Überlegungen der Medienunternehmen, welche
Form des Arbeitens – also ob mono- bi- oder trimedial VLQGZHLWOlX¿J]HLWLQWHQVLYXQGKlQJHQYRQ]DKOUHLFKHQ
positiven aber auch negativen Aspekten ab.
Durch die Errichtung einer zentralen Planungsinstanz,
wie beispielsweise einem Newsroom oder einem Teamdesk, versuchen die Medienunternehmen zu gewährleisten, dass die verschiedenen Themen künftig nicht
mehr parallel recherchiert und in Folge auch doppelt
produziert werden. Die daraus resultierende trimediale
Tätigkeit des Journalisten ermöglicht Synergieeffekte. Und die wirken sich laut Guido Schulenberg, dem
ehemaligen Leiter der Nachrichtenredaktion von Radio
Bremen, darin aus, dass sich die einzelnen Journalisten der verschiedenen Mediengattungen absprechen
können, wer für welches Thema zuständig ist und Informationen dazu sammelt. In Folge können die jeweiligen Journalisten die Ergebnisse gemeinsam bespreFKHQXQGVLFKGDUEHUDXVWDXVFKHQ'DGXUFKSUR¿WLHUW
auch der Online-Bereich. So muss nicht mehr auf den
Radio- oder Fernsehbeitrag gewartet werden, die Informationen, Bilder und Videos können sofort ins Internet
gestellt werden und stehen den Rezipienten somit noch
früher zur Verfügung. Dadurch gewinnt der Online-Bereich zunehmend an publizistischer Kraft und Dynamik
und zeichnet das Medienunternehmen somit noch mehr
aus. [3]
Durch bi- und trimediales Arbeiten entstehen zudem
neue Kreativeinheiten. Verschiedene Journalisten aus
unterschiedlichen Mediengattungen lernen sich kennen, diskutieren miteinander und erarbeiten Themen
gemeinsam. Durch die engere Zusammenarbeit entsteht eine größere Kooperation, Materialien werden
ausgetauscht und für andere Mediengattungen zur
Verfügung gestellt. Laut Schulenberg sind hierfür auch
die zukünftigen Mitarbeiter, wie Volontäre, Praktikanten
oder Trainees unabdingbar. Die jüngere Generation
denkt bereits medienübergreifend, die jahrelang anhaltenden klassischen Trennungen sind in den Köpfen
der zukünftigen Journalisten nicht mehr so stark ausge-
13
prägt, wenn überhaupt.
9RQ 7ULPHGLDOLWlW SUR¿WLHUW QLFKW QXU GDV 0HGLHQXQWHUnehmen, sondern auch die Rezipienten. Sie kommen
wesentlich schneller zu ihren Informationen, egal über
welches Medium. Durch die gemeinsame Planung
bleibt mehr Zeit für Hintergrundrecherchen, die Beiträge werden somit, laut Herbert Tillmann, dem früheren
Direktor der Produktion und Technik im Bayrischen
Rundfunk, vielfältiger, tiefgründiger und das alles führt
zu einer Stärkung des Qualitätsjournalismus. [2]
Anhand der von mir durchgeführten Studie rund um Trimedialität und den dafür geführten Experteninterviews
können zu den schon aufgezählten Vorteilen noch weitere positive Aspekte hinzugefügt werden: Die Veränderung der Arbeitsweise, die ausgedehnten Aufgaben und
neuen Arbeitsfelder können sich positiv auf den einzelnen Journalisten auswirken und eine willkommene Abwechslung für ihn und für das Unternehmen bedeuten.
Es wird zwar das gleiche Material für die unterschiedlichen Medien aufbearbeitet, aber beispielsweise im Texten und auch im Aufbau sind diese grundverschieden.
Durch Trimedialität entsteht auch eine gewisse Flexibilität im Arbeitsalltag und in der Einsetzbarkeit. Zudem
kann die möglicherweise bereits eingefahrene Routine
neu aufgebrochen werden. Für das Unternehmen selbst
bedeutet trimediales Arbeiten eine hohe Durchlässigkeit
zwischen den Medien. Es gibt weniger Lehrläufe, der
Ä:RUNÀRZ³ NDQQ GDGXUFK YHUEHVVHUW ZHUGHQ )OH[LEOH
Dienstpläne sind möglich, das Unternehmen kann mit
dem Personal und dem zur Verfügung gestellten Geld
besser jonglieren, es entstehen nicht nur redaktionelle
Synergien sondern auch ökonomische. [1]
Im Gegensatz dazu gibt es aber auch einige negative
Aspekte, die von den Medienunternehmen zu berücksichtigen sind. Ein Nachteil zeigt sich beispielsweise
darin, dass das trimediale Redaktionssystem von den
verschiedenen Journalisten unterschiedlich aufgenommen wird. Einige Redakteure weisen hier anfänglich
eine Hörfunk- beziehungsweise eine Fernsehklappe auf
und brauchen eine gewisse Zeit, bis sie sich an andere
und neue Arbeitsweisen gewöhnen und darauf einstellen können. Dazu kommt, nicht jeder Hörfunkredakteur
ist für die Fernsehberichterstattung oder Online-BeiträJHJHHLJQHW)UMHGHV0HGLXPLVWHLQHJHZLVVH$I¿QLtät notwendig. Aus diesem Grund muss jede Redaktion
auch ihre Fachleute behalten. [3]
Für das trimediale Arbeiten werden zudem zusätzliche
Kenntnisse und gewisse Vorkenntnisse von den einzelnen Journalisten erwartet, beispielsweise multimediale Fähigkeiten und Fertigkeiten. Für die strukturellen
Änderungen in einem Medienunternehmen braucht es
deshalb neue Ausbildungen und Weiterbildungen, die
für das Unternehmen kostspielig und zeitintensiv sein
können. [4]
Einer der wesentlichsten Nachteile von Trimedialität ist
der derzeitige Stand der Medienunternehmen und der
Aufbearbeitungsmöglichkeiten. Momentan gibt es noch
keine professionellen Bearbeitungstools. Nach Tillmann
werden für Radio, Fernsehen und Multimedia immer
noch verschiedene Systeme angeboten. Ein Journalist
muss deshalb, obwohl er eigentlich trimedial arbeitet,
immer noch in unterschiedlichen Abteilungen tätig sein.
Hier bräuchte es zahlreiche Um- und Neubauten in den
Medienunternehmen. Und die sind meistens kostspielig
und auch zeitintensiv. [2]
Hinzu kommt, dass eigentlich die positiven Synergien
auch seitens des Medienunternehmens negativ genützt
werden könnten. Wenn nur noch möglichst viele Angebote von möglichst wenigen Redakteuren verlangt
werden, und somit Personal eingespart wird. Darunter
würde die journalistische Qualität enorm leiden, und die
%HULFKWHUVWDWWXQJ ZUGH ]X HLQHU PHGLHQVSH]L¿VFKHQ
Fließbandproduktion umfunktioniert werden. Das wiederum heißt, weniger Zeit für das Recherchieren und
die Bearbeitung der Texte, mit der Folge, dass „copy
und paste“ vermehrt eingeführt wird.
Zudem stellt sich die Frage, welches Medium ist beim
trimedialen Arbeiten am wichtigsten? Auf welche Mediengattung konzentriert sich der Redakteur als erstes?
Und gerade der Zeitdruck schränkt den Journalisten in
seiner Tätigkeit ein. Unterschiedliche Dramaturgien und
ein differenzierter Aufbau darf trotz mehrmedialem Arbeiten nicht missachtet oder hintenan gestellt werden.
Ebenso muss auf den Journalisten geachtet werden,
dieser kann durch den Stress und Druck überfordert
werden, er muss ständig auf drei Ebenen denken und
darf hier nichts vergessen. Durch den höheren Produktionsdruck könnte der Redakteur wesentlich schneller
ausbrennen und steht zugleich vor zahlreichen Fragen
und Entscheidungen, die er zuvor nicht treffen musste.
[1]
Melanie
elanie Kritzer hat Publizistik
Publizisti und
Kommunikationswissenschaft an der
Universität Wien studiert und arbeitet
heute im ORF-Landesstudio in Vorarlberg.
14 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Auswirkungen auf Medienvielfalt und Zeitmanagement
Ein wesentlicher Aspekt der nicht außer Acht gelassen
werden darf, sind die Auswirkungen auf die Medienvielfalt. Denn die Medienvielfalt wird laut sämtlichen Experten der Studie durch das trimediale Arbeiten eingeschränkt. Wenn sich nur ein Journalist mit einem Thema beschäftigt, beispielsweise wenn er auf einer Pressekonferenz war, dann behandelt er, obwohl er objektiv
arbeitet, dass Thema dennoch einseitig. Wenn mehrere
Leute an einem Thema arbeiten, ist die Chance ungleich höher, mehr Blickwinkel, mehrere Aspekte oder
verschiedene Schwerpunkte bei der Recherche sowie
bei der Ausarbeitung anderer Formulierungen und eine
allgemein andere Aufbearbeitung zu erhalten.
Auch die Wahl der Interviewpartner erfolgt auf andere
Weise. Wenn bei den Journalisten gespart wird, wird
in Folge auch an den Chefredakteuren gespart, und
auch darunter leide die Vielfalt. Bei trimedialem Arbeiten muss besonders darauf geachtet werden, dass kein
Einheitsbrei entsteht und die Beiträge unterschiedliche
Aspekte beinhalten und weiterhin verschieden bleiben
[1]. Der Wiener Kommunikationswissenschaftler Fritz
Hausjell vertritt die Meinung, dass der Binnenpluralismus durch Trimedialität tendenziell gefährdet wird und
sinkt. Was vorher unabhängig voneinander geschrieben wurde, fällt nun in die Hand einer einzigen Person.
Hausjell unterstützt deshalb Trimedialität in Form von
Teamarbeit. Das wäre ein Gewinn für den künftigen
Journalismus und für das jeweilige Medienunternehmen, meint Hausjell. [1]
Dennoch kann sich Trimedialität auch äußerst positiv
auf die Medienvielfalt auswirken. So können deutlich
mehr Themen in mehreren Mediengattungen behandelt
werden, das Programm auf sämtlichen Sendern wird intensiver und größer und dadurch vielfältiger. [1]
Wenn die Zeit ausgeht...
Neben der Medienvielfalt spielt bei Trimedialität aber
vor allem auch das Zeitmanagement eine wesentliche,
wenn nicht sogar übergeordnete Rolle. Bei der aktuellen Berichterstattung ist mehrmediales Arbeiten fast
nicht möglich. Drei Berichte für drei unterschiedliche
Medien zu produzieren, dabei überall aktuell und möglichst schnell zu sein, funktioniert nicht. Beziehungsweise nicht ohne Qualitätseinbußen.
In Bezug auf das Zeitmanagement macht crossmediales Arbeiten vor allem dann Sinn, wenn kein Zeitdruck
vorhanden ist und der Redakteur auf jeden einzelnen
Beitrag genau eingehen kann und Zeit hat neue Wege,
$QVlW]HXQG,QWHUYLHZSDUWQHU]X¿QGHQ,Q5HGDNWLRQHQ
EOHLEWVRZLHVRRIW]XZHQLJ=HLWIU1DFKGHQNHQ5HÀHNtion und Entwicklung, durch aktuelles trimediales Arbei-
WHQZUGHQGLHVH'H¿]LWHZHVHQWOLFKYHUVWlUNWZHUGHQ
Aktualität spielt gerade durch die Fortschritte der Medienbranche eine immer wichtigere Rolle. Die aktuelle
Berichterstattung kann aber auch durch trimediales Arbeiten nicht mehr schneller werden. Es könnte sogar
passieren, dass die Medien dadurch langsamer werden.
Aktualität kann auch Qualitätseinbußen mit sich bringen. Umso schneller, umso weniger wird recherchiert.
Darauf muss in Zukunft unbedingt vermehrt geachtet
werden. [1]
Qualität muss immer im Vordergrund stehen
Qualität ist abhängig von mehreren Faktoren: in diesem Fall von den Aspekten Zeit, Kosten, Personal und
Medienvielfalt. Stress, Druck und Zeitmangel mindern
die Qualität eindeutig. Trimedialität wird von denselben
)DNWRUHQ ZHVHQWOLFK EHHLQÀXVVW -H QDFKGHP VSLHJHOW
sich das wiederum doppelt in der Qualität der Berichterstattung wider. Hier muss deshalb seitens des Medienunternehmens und des Chefredakteurs abgeschätzt
werden, was mehrmedial möglich ist und was nicht. [1]
Kosten und Personal
Eindeutige Vorteile birgt Trimedialität auf Unternehmerseite, wenn es um Kosten und Personal geht. Durch
die dadurch entstehenden Synergien kann Personal
gespart werden und das wiederum führt zu verminderten Kosten. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang dann aber stellt, ist wie sich das wiederum auf die
Qualität auswirkt. Hier ist der Grad sehr dünn, zwischen
es funktioniert und es funktioniert nicht. Aber gerade im
öffentlich-rechtlichen Rundfunk dürfen laut dem Kommunikationswissenschaftler Hausjell nicht die Kosten in
den Vordergrund gestellt werden. [1]
Die beiden Begriffe Newsroom und Newsdesk werden
in der Literatur und auch von den Experten gerne mit
Kosteneinsparungen in Verbindung gebracht. Dennoch
auf der anderen Seite stehen hier wiederum Umbauarbeiten und Weiterbildungen. Trotzdem, der Kostenfaktor spielt bei der Einführung von mehrmedialem Arbeiten sicher eine große Rolle, denn schlussendlich kann
ein Unternehmen damit auf Dauer Geld sparen. [1]
Bezüglich Personaleinsparungen gibt es im europäischen Raum Entwarnung. Bereits in der Krise wurde
einiges an Personal eingespart, viel mehr sei trotz Trimedialität nicht mehr möglich. Die Redakteure können
dadurch jedoch anders eingeteilt und eingesetzt werden. [1]
15
Resümee
Trimedialität ist also möglich, jedoch mit Abstrichen.
Crossmedialität, Mehrmedialität und Trimedialität sind
noch relativ neue Themengebiete, die noch wenig erforscht worden sind. Fakt jedoch ist, es gibt unterschiedliche Facetten. Es muss dabei vor allem auf Unternehmensseite und Journalistenseite unterschieden werden. Der entscheidende Punkt, ob trimediales Arbeiten
in einem Unternehmen möglich ist, liegt darin, welches
Modell und welche Organisationsform die Sendeanstalt
für sich auswählt. Ein gemeinsamer Newsroom oder
Newsdesk spielt dabei eine wesentliche Rolle.
'LH :XU]HOQ ¿QGHW GLH 7ULPHGLDOLWlW LQ GHU 'LJLWDOLVLHrung. Zugleich ist das auch die Grundvoraussetzung für
mehrmediales Arbeiten. Neue technische Möglichkeiten bieten die Chance, Konvergenzen zu nutzen und
crossmedial zu arbeiten und in weiterer Folge entstehen dadurch wichtige Synergien.
Trimedialem Arbeiten wird international ein immer größer werdender Stellenwert zugesprochen, nun heißt es
ausprobieren, voneinander lernen und neue Formen
entwickeln.
Literatur
Grundlage für den Artikel
[1] Kritzer, Melanie (2014): Trimedialität im Journalismus. Der Weg der Zukunft oder doch bloßes Hirngespinst?. Saarbrücken. Akademikerverlag. 2014.
Weitere Quellen:
[2] Eckstein, Eckhard (2012): Reibungsloser Übergang.
Online: www.mebucom.de/news/business/Reibungsloser-%C3%9Cbergang-2964. (Abgerufen am 23.April
2012)
[3] Heidisiek, Birgit (2011): Die neue Art des Denkens.
Online: www.mebucom.de/archiv/produktion/Die-neueArt-des-Denkens-2085. (Abgerufen am 07.Mai 2011)
[4] Paukens, Hans / Uebbing, Sandra (2006): Local
Journalism and Digitalization in Germany. In: Paukens,
Hans / Uebbing, Sandra: Tri-Medial Working in European Local Journalism. München: Verlag Reinhard Fischer. S.75-80.
16 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Alles eine Frage der Plattform?
Unterschiede und Gemeinsamkeiten der journalistischen Routine bei
Print- und Online-IT-Fachjournalisten
von Stefan Geiß, Nikolaus Jackob und Oliver Quiring
1. Einleitung
Das Internet hat die journalistische Arbeit um vielfältige neue Recherchemöglichkeiten bereichert, die von
Journalisten rege genutzt werden. Damit haben sich
die Routinen der Informationsbeschaffung grundlegend
verändert [4]. Gleichzeitig bietet das Internet den Medienorganisationen neue Verbreitungskanäle – und es
zwingt sie, diese auch zu nutzen, da sie im Wettbewerb
sonst nicht bestehen können. Das gilt für den General Interest-Journalismus wie für die Fachpresse. Auch
über das Nutzungsverhalten des Publikums werden
die Ansprüche an Journalisten und ihr RollenselbstverVWlQGQLV EHHLQÀXVVW ± JOHLFKHUPD‰HQ LKUH 3XEOLNXPVbilder und ihre Vermutungen über die Wirkungen der
eigenen Berichterstattung.
Besonders die Berichterstattung über den IT-Sektor
– seinerseits raschem technologischen und ökonomischen Wandel unterworfen – prägt Vorstellungen der
Bevölkerung von Technologien und Produkten, und
damit wiederum den IT-Markt [3]. Die Art und Weise,
wie IT-Journalisten sich Informationen beschaffen und
sie für die Rezipienten aufbereiten, hat möglicherweise
gravierende gesellschaftliche Konsequenzen. Bei den
IT-Medien koexistieren kommerziell erfolgreiche Printund Online-Angebote [7]. Die Recherchemöglichkeiten
sind zwar nicht abhängig von der Publikationsplattform
– Print- und Online-Journalisten können gleichermaßen
auf Suchmaschinen, auf Online-Enzyklopädien, auf
Blogs und Nutzerkommentare usw. zugreifen und diese
Informationen für ihre Publikationen nutzen. Dennoch
unterscheiden sich die Zielpublika der Online-Journalisten von denen ihrer Print-Kollegen und auch bei den
Online-Journalisten dürfte es sich um eine „besondere Spezies“ [5] handeln. Es liegt nahe, dass sich die
Arbeitsroutinen zwischen den Mediengattungen unterscheiden [9] – ebenso das jeweilige Abbild von Technologien, IT-Märkten und IT-Produkten, das die jeweiligen
Rezipienten erreicht. Doch nicht alle Journalisten arbeiten ausschließlich oder weit überwiegend im Printbereich bzw. im Online-Bereich – eine beträchtliche Zahl
von Redakteuren wird gleichzeitig oder abwechselnd
beide Plattformen bedienen. Insofern stellen sich zwei
Fragen, die empirisch geklärt werden müssen:
1. Wie unterscheiden sich berufsrelevante Vorstellungen und Arbeitsroutinen von IT-Journalisten, die für
Printausgaben arbeiten, von den Arbeitsroutinen
von IT-Journalisten, die für Online-Ausgaben arbeiten?
2. Wie sehen die Vorstellungen und Arbeitsroutinen
von IT-Journalisten aus, die regelmäßig beide Plattformen bedienen?
Aufbauend auf den Antworten zu diesen Fragen muss
diskutiert werden, wie sich die Arbeitsroutinen und VorVWHOOXQJHQDXIGLH(LQÀXVVFKDQFHQGHU3XEOLF5HODWLRQV
auf die Inhalte von IT-Medien auswirken und welche Arten von Inhalten die Rezipienten, aber auch die Hersteller erreichen (und somit dort Wirkungschancen haben).
Dabei fokussieren wir auf folgende berufsrelevante Vorstellungen und Arbeitsroutinen:
1. Status und Selbstbild: (a) Demographie, (b) Berufszufriedenheit und Anziehungspunkte, (c) Rollenselbstverständnis, (d) Wahrnehmung von Branchentrends bei den IT-Medien
2. Publika und Themen: (a) Themenschwerpunkte, (b)
Zielpublikum und Zielgruppen, (c) Publikumsimage
3. Wirkungsvorstellungen der Journalisten: (a) Vermutete Wirkung auf das Publikum, (b) Vermutete Wirkung auf IT-Hersteller
4. Quellen und Recherche: (a) Bedeutung verschiedener Quellen, (b) Umgang mit PR- und UGC-Input
Die hier angeführten Daten beruhen auf einer OnlineBefragung von IT-Journalisten um den Jahreswechsel
2010/2011. Insgesamt wurden Journalisten kontaktiert,
GLHEHLGHXWVFKVSUDFKLJHQ,70HGLHQKDXSWEHUXÀLFK
tätig waren. Der Fragebogen beinhaltete zahlreiche
etablierte Frageformate, etwa aus der Befragung „Journalismus in Deutschland“ [10] oder aus einer Befragung
von Immobilienjournalisten [2] sowie einige neu entwikkelte Fragen (etwa zu Wirkungsvorstellungen auf Publikum und Hersteller, dazu theoretisch: [6]). Von den
382 kontaktierten Journalisten besuchten 223 die Befragungs-Website, 184 begannen mit dem Fragebogen
und 102 machten (weitgehend) vollständige Angaben.
*HQDXHUH$QJDEHQ]XU0HWKRGLN¿QGHQVLFKLQ-DFNRE
Geiß und Quiring [3].
17
2. Selbst und Selbstbild
2.1. Demographie und Berufsstatus
Die IT-Journalisten unterschiedlicher Plattformen gleichen sich in vielen demographischen Merkmalen und
LQLKUHPEHUXÀLFKHQ6WDWXV7DEHOOH'HU$QWHLOZHLElicher Journalisten ist durchweg sehr gering, der Anteil
der Journalisten mit abgeschlossenem Hochschulstudium liegt bei über 50 Prozent, die Befragten sind
fast alle in Vollzeit tätig, etwa ein Drittel der Befragten
sind mit einer Leitungsrolle betraut. Unterschiede gibt
es hingegen im Alter, in der Berufserfahrung und in der
Studienrichtung: Die reinen Onlinejournalisten sind im
6FKQLWWMQJHUXQHUIDKUHQHUQLFKWVLJQL¿NDQWDEHUPLW
deutlichem Trend) und haben seltener eine natur- oder
ingenieurwissenschaftliche Studienrichtung (oder Mathematik oder Informatik) gewählt. Für die Alters- und
Erfahrungsunterschiede gibt es zwei naheliegende Erklärungsmöglichkeiten: Entweder arbeiten die OnlineIT-Journalisten bei jungen, nur online publizierenden
Startups, die wiederum auf junge, aber wenig erfahrene
Journalisten zurückgreifen. Oder sie arbeiten bei etablierten Medien und publizieren (noch) vorwiegend im
nicht so prestigeträchtigen Online-Angebot. Sie erwerben also erst mit der Zeit das Prestige, auch öfter Artikel
für das „Print-Flaggschiff“ zu verfassen. Beide Erklärungen schließen sich nicht aus, lassen sich aber mit den
vorliegenden Daten nicht prüfen.
7DEHOOH'HPRJUDSKLHXQG%HUXÀLFKH
Stellung nach Plattform
Print
Online Beides Gesamt
(n=30) (n=32) (n=40)
%
%
(n=102)
%
%
Weiblich
ns
7
13
15
12
Studium
ns
50
63
60
58
Über 35 Jahre
*
30
53
63
50
Mathematik,
Information, Natur-, oder
Ingenieurwissenschaft
studiert
*
10
25
38
26
Vollzeit-Journalist
ns
93
97
98
96
Führungsposition
ns
30
29
36
32
Mindestens 9 Jahre
Berufserfahrung
ns
30
59
58
50
Basis: Befragung von 102 IT-Journalisten. Chi-Quadrat-Tests.
# p<,10; * p<,05; ** p<,01
2.2 Rollenselbstverständnis
Die unterschiedlichen Plattformen scheinen entweder
unterschiedliche (IT-)Journalistentypen mit unterschieden Rollenselbstverständnissen anzuziehen oder sie
prägen die Journalisten in ihren Rollenselbstbildern
unterschiedlich. Letztlich könnte der Altersunterschied
zwischen Online-Journalisten einerseits und den Online- bzw. Print/Online-Journalisten andererseits auf einen Generationenunterschied hindeuten [1]. Die Analysen zeigen deutliche Unterschiede in einigen zentralen
Punkten: Auch wenn nahezu alle IT-Journalisten sich
als Vermittler komplexer Sachverhalte sehen, ist diese
Rolle den Print- bzw. Print-/Online-Journalisten deutlich wichtiger als den reinen Online-IT-Journalisten.
bKQOLFKHV JLOW PDUJLQDO VLJQL¿NDQW DXFK IU GLH 5ROOH
als neutraler Informationsvermittler. Verständlicherweise sehen sich die Onlinejournalisten als schnelle Informationsvermittler, wohingegen die für Printmedien
arbeitenden Journalisten, deren Magazine typischerweise monatlich oder zweiwöchentlich erscheinen,
diese Funktion weniger stark für sich reklamieren. Als
Interessenvertreter der Leser begreifen sich vor allem
GLHK\EULGDUEHLWHQGHQ-RXUQDOLVWHQGLHVLFKVLJQL¿NDQW
von den reinen Onlinejournalisten abheben. Auch beim
kritischen Rollenverständnis, einen Gegenpol zur Wirtschaft (in diesem Fall: der IT-Branche) darzustellen,
ergeben sich Unterschiede: Die reinen Online-Journalisten schreiben diesem Rollenverständnis nahezu keine Bedeutung zu, wohingegen Print- und Print/OnlineJournalisten sich hier durchaus angesprochen fühlen.
'LH 2QOLQH-RXUQDOLVWHQ XQWHUVFKHLGHQ VLFK VLJQL¿NDQW
von den beiden anderen Gruppen (Tabelle 2).
Oliver Quiring (l.) ist Professor für
Kommunikationswissenschaft an der Johannes GutenbergUniversität Mainz. Stefan Geiß (m.) ist wissenschaftlicher
Mitarbeiter, Nikolaus Jackob (r.) Akademischer Oberrat
und Geschäftsführer am Institut für Publizistik an der
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
18 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Tabelle 2: Rollenselbstverständnis nach Plattform
(Auszug)
Komplexe
Sachverhalte
erklären/vermitteln
**
Online
Print
Beides
Gesamt
(n=30)
(n=32)
(n=40)
(n=102)
MW
MW
MW
MW
4,07 a
4,56 b
4,59 b
4,43
letzten 10 Jahren gestiegen ist; während die OnlineJournalisten dies weitgehend bejahen, antworteten die
Print/Online- sowie die reinen Print-Journalisten deutlich abwartender. Die restlichen Aussagen stießen auf
ein geteiltes Echo oder auf Ablehnung, es zeigten sich
keine Unterschiede zwischen den drei Gruppen.
Tabelle 3: Trends bei IT-Medien
Online
Das Publikum
möglichst neutral
und präzise
informieren
#
Neue Trends
aufzeigen und neue
Ideen vermitteln
ns
4,2
4,31
4,23
4,25
Laien technische
Hintergründe
vermitteln
ns
3,83
4,16
4,28
4,11
4,13
4,38
4,55
*
Die Interessen
der Nutzer und
Verbraucher
vertreten
**
3,43 a
3,66 ab
4,13 b
3,77
Einen Gegenpol zur
Wirtschaft darstellen
*
2,30 a
3,00 b
2,95 b
2,77
Positive Ideale zu
vermitteln
#
4,23 b
3,03
3,66 a
2,78
4,03 ab
2,46
3,97
2,73
Basis: Befragung von 102 IT-Journalisten. Varianzanalysen mit
Scheffé Post Hoc Tests (alternativ Games-Howell Post Hoc Tests bei
ungleichen Varianzen)
Einträge in der gleichen Zeile (unter Online, Print, Beides), die keinen hochgestellten Buchstaben gemeinsam haben, unterscheiden
VLFKVWDWLVWLVFKVLJQL¿NDQWEHLS
ab
# p<,10; * p<,05; ** p<,01
2.3 Entwicklung der IT-Medien
Zum Selbstverständnis von Journalisten gehören nicht
nur persönliche Rollenselbstbilder und Berufsmotive,
sondern auch ihre Wahrnehmung der Profession bzw.
der Branche als Ganzes. Wir haben Fragen nach Entwicklungen im IT-Journalismus, nach dem aktuellen
Status und nach den Zukunftsaussichten gestellt.
Die IT-Journalisten sind sich einig, dass der Konkurrenzdruck im IT-Journalismus heute (2010/2011) höher
ist als vor 10 Jahren (Tabelle 3). Außerdem glauben
sie, dass der professionelle IT-Journalismus zusätzlich
Konkurrenz von Laien im Internet bekommen wird; dies
glauben allerdings vor allem die Online-Journalisten,
wohingegen die Print- und Print/Online-Kollegen dieser
Aussage nur zögerlich zustimmen. Auch die zunehmende Wichtigkeit von Werbeerlösen gegenüber Verkaufserlösen sehen vor allem die Online-Journalisten. Gespalten sind die IT-Journalisten auch in der Frage, ob
die Qualität der Berichterstattung der IT-Medien in den
Beides Gesamt
(n=30) (n=32) (n=40) (n=102)
4,37
Dem Publikum
möglichst schnell
Informationen
vermitteln
Print
MW
MW
MW
MW
Aktuell ist der
Konkurrenzdruck im ITJournalismus größer als vor
10 Jahren.
ns
4
4,23
4,21
4,15
Der professionelle ITJournalismus wird in
den kommenden Jahren
zunehmend Konkurrenz von
Laien bekommen, die im
Internet.
**
4,13 a
3,59 ab
3,37 b
3,67
Der IT-Journalismus wird sich
in Zukunft nicht mehr über
9HUNDXIVHUO|VH¿QDQ]LHUHQ
die Werbeerlöse werden
immer wichtiger.
*
3,60 a
2,91 b
3,22 ab
3,24
Die Qualität der
Berichterstattung über ITThemen ist höher als noch vor
10 Jahren.
*
3,47 a
3,00 ab
2,77 b
3,05
Eine technische
Fachausbildung wird für ITJournalisten in Zukunft an
Bedeutung gewinnen.
ns
3,1
2,88
3,15
3,05
In absehbarer Zukunft wird es
im IT-Journalismus nur noch
Online-Ausgaben geben, die
gedruckten Magazine sind
Auslaufmodelle.
ns
3,03
3
2,9
2,97
Eine journalistische
Fachausbildung für ITJournalisten wird in Zukunft
wichtiger werden.
ns
3,07
2,78
2,6
2,79
Die Zahl der Titel, die sich mit
IT-Themen beschäftigen, wird
deutlich zunehmen.
#
2,43
2
2,45
2,3
Basis: Befragung von 102 IT-Journalisten. Varianzanalysen mit
Scheffé Post Hoc Tests (alternativ Games-Howell Post Hoc Tests bei
ungleichen Varianzen)
Einträge in der gleichen Zeile (unter Online, Print, Beides), die
keinen hochgestellten Buchstaben gemeinsam haben, unterscheiden
VLFKVWDWLVWLVFKVLJQL¿NDQWEHLS
ab
# p<,10; * p<,05; ** p<,01
3. Publikum und Schwerpunkte
3.1 Themenschwerpunkte
Vergleicht man die verschiedenen Plattformen, für die
IT-Journalisten Inhalte produzieren, lassen sich kaum
Unterschiede in den jeweiligen Themenschwerpunkten
LGHQWL¿]LHUHQ/HGLJOLFKGLH3ULQW-RXUQDOLVWHQIDOOHQHWwas aus dem Rahmen, weil sie im Gegensatz zu den
19
reinen Onlinern und den „Hybrid“-Kollegen kaum über
Personen aus dem IT-Sektor oder über Krisen und KonÀLNWHLP,76HNWRUEHULFKWHQ7HQGHQ]LHOOSXEOL]LHUHQGLH
UHLQHQ 2QOLQH-RXUQDOLVWHQ KlX¿JHU EHU GDV 7KHPD
„Spiele“, die hybrid arbeitenden Journalisten publizieUHQ WHQGHQ]LHOO KlX¿JHU EHU Ä0lUNWH XQG 8QWHUQHKmen“. Online- und Print/Online-Journalisten berichten
HQWVSUHFKHQGKlX¿JHUEHU7KHPHQDXVGHU3HULSKHULH
des IT-Sektors und weisen in ihren Themenportfolios
eine größere Vielfalt auf als ihre rein online arbeitenden Kollegen, die eher auf den Kern der klassischen
IT-Berichterstattung – Hardware, Software, Spiele und
Events – fokussieren (Tabelle 4).
Tabelle 4: Themenschwerpunkte nach Plattform
weniger wohlhabend und für jünger als ihre Kollegen.
Ob dies eine realistische Einschätzung ist, lässt sich
hier nicht klären (tendenziell dürften die Online-Nutzer
zumindest jünger sein). Die Publikumsbilder der Printund der Print/Online-IT-Journalisten ähneln sich hingegen (Tabelle 5).
Tabelle 5: Publikumsimage nach Plattform
Online
Print
Beides
Gesamt
(n=30)
(n=32)
(n=40)
(n=102)
MW
MW
MW
MW
Fortschrittlich --Konservativ
ns
2,23
2,38
2
2,19
Gebildet --- Ungebildet
*
2,47 a
2,09 ab
2,03 b
2,19
Online
Print
Beides
Gesamt
(LQÀXVVUHLFK
(LQÀXVVORV
*
3,20 a
2,75 ab
2,69 b
2,87
(n=30)
(n=32)
(n=40)
(n=102)
Informationsorientiert
--- nicht inf.orientiert
ns
1,79
1,74
1,68
1,73
%
%
%
%
Reich --- Arm
#
3,03
2,75
2,78
2,85
Hardware
ns
73
66
68
69
Jung --- Alt
*
2,43 a
3,00 b
2,81 ab
2,76
Software
ns
40
56
53
50
Spiele
ns
67
41
48
51
Basis: Befragung von 102 IT-Journalisten. Varianzanalysen mit
Scheffé Post Hoc Tests (alternativ Games-Howell Post Hoc Tests bei
ungleichen Varianzen)
Events und Fachmessen
ns
63
75
63
67
Märkte / Unternehmen
ns
37
28
50
39
Internet
ns
57
53
55
55
Mobilkommunikation
ns
47
41
50
46
Projekte /
Geschäftsideen
ns
50
31
38
39
Personen aus IT-Sektor
*
27
3
30
21
.ULVHQXQG.RQÀLNWH
#
43
16
33
30
Gesell. und politische
Entwicklungen
ns
47
28
48
41
Basis: Befragung von 102 IT-Journalisten. Chi-Quadrat-Tests.
Einträge in der gleichen Zeile (unter Online, Print, Beides), die
keinen hochgestellten Buchstaben gemeinsam haben, unterscheiden
VLFKVWDWLVWLVFKVLJQL¿NDQWEHLS
ab
# p<,10; * p<,05; ** p<,01
Auch wenn IT-Journalisten weitgehend unabhängig
vom Publikationsweg ähnliche Themen behandeln,
richten sie ihre Berichterstattung doch auf unterschiedliche Publika aus, mit potenziellen Konsequenzen für die
Inhalte: So richten sich die Online-Journalisten offenbar
an ein jüngeres Publikum mit (noch) recht geringer formaler Bildung und (noch) relativ geringem gesellschaftOLFKHP(LQÀXVV
# p<,10; * p<,05; ** p<,01
3.2 Publikumsimage
Da sich die Publika rein soziodemographisch je nach
Plattform unterscheiden dürften (z. B. ein jüngeres Online- versus ein älteres Print-Publikum), verwundert es
kaum, dass die Publikumsimages sich zwischen den
Plattformen relativ stark unterscheiden:
Während alle IT-Journalisten ihre Leser unabhängig
von der Plattform tendenziell als „fortschrittlich“ (im Gegensatz zu „konservativ“) charakterisieren und sie für
„informationsorientiert“ halten, unterscheiden sich die
(LQVFKlW]XQJHQ ZLH JHELOGHW HLQÀXVVUHLFK ZRKOKDbend und wie alt das Publikum der eigenen Publikation ist, deutlich. Die Online-Journalisten halten ihr PuEOLNXP IU ZHQLJHU JHELOGHW ZHQLJHU HLQÀXVVUHLFK IU
4. Wirkungsvorstellungen
4.1 Wirkung auf das Publikum
IT-Journalisten gehen in der Regel davon aus, dass ihre
Publikationen eine Wirkung auf Vorstellungen, Einstellungen und Verhaltensweisen des breiten Publikums
haben. Die Leser nutzen diese Medien mit der Absicht,
sich über neue Produkte zu informieren, oft um zu erfahren, ob sich ein Kauf für sie lohnt oder nicht. Um die
Wirkungsvorstellungen von IT-Journalisten zu erfassen,
haben wir ein Szenario konstruiert, in dem ein Leser
fest entschlossen ist ein Produkt zu kaufen, der Journalist aber einen (fairen) Bericht verfasst hat, der das
Produkt kritisiert und seine Schwächen klar nennt. Drei
Arten von verhaltensbezogenen Wirkungen wurden
berücksichtigt: (1) Sucht der Rezipient nach weiteren
Informationen über das Produkt? (2) Schiebt er seine
20 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Kaufentscheidung vorerst auf? (3) Entschließt er sich,
das Produkt doch nicht zu kaufen?
Die Wirkungsvorstellungen der IT-Journalisten sind
plattformübergreifend sehr einheitlich. Sie halten alle
abgefragten Arten von verhaltensmäßigen Effekten für
wahrscheinlich. Gefragt, welche Wirkungen ihrer kritischen Berichterstattung sie unter Rezipienten annehmen würden, die einen Produktkauf in Betracht ziehen,
halten die IT-Journalisten es plattformübergreifend für
am Wahrscheinlichsten, dass die Rezipienten zusätzOLFKH ,QIRUPDWLRQHQ QDFKIUDJHQ (WZDV ZHQLJHU KlX¿J
gehen sie davon aus, dass Rezipienten ihre Kaufentscheidung aufschieben oder gar ganz auf einen Kauf
verzichten (Tabelle 6).
Tabelle 6: Wirkung auf das Publikum nach Plattform
Online
Print
(n=30) (n=32)
Beides
Gesamt
(n=40)
(n=102)
MW
MW
MW
MW
Wirksamkeit von
Produktkritik
‡ Suche nach
weiteren
Informationen
ns
4,47
4,58
4,35
4,46
‡ Aufschieben der
Kaufentscheidung
ns
3,97
3,9
3,91
3,92
‡ Produkt doch nicht
kaufen
ns
3,41
3,48
3,53
3,48
Basis: Befragung von 102 IT-Journalisten. Varianzanalysen mit
Scheffé Post Hoc Tests (alternativ Games-Howell Post Hoc Tests bei
ungleichen Varianzen)
# p<,10; * p<,05; ** p<,01
4.2 Wirkungen auf die IT-Hersteller
Neben dem Publikum können IT-Journalisten auch über
LKUH %HULFKWHUVWDWWXQJ (LQÀXVV DXI GLH +HUVWHOOHU QHKmen. Man kann davon ausgehen, dass die Hersteller
von IT-Produkten die für sie relevanten Publikationen
genau beobachten. Kritische Vorschauen („Previews“)
und Berichte („Reviews“) werden also wahrgenommen
und können dazu führen, dass aktuelle Produkte z.B.
mit „Patches“ und „Updates“ überarbeitet werden oder
Fehler und Kritikpunkte bei künftigen Produktentwicklungen berücksichtigt werden. So wirken sich IT-Berichte unter Umständen auch direkt auf die Produktentwicklung aus. Alle IT-Journalisten halten es für wahrscheinlich, dass ihre Berichterstattung die Produktentwicklung
GHU+HUVWHOOHUEHHLQÀXVVHQNDQQ±LQGHP6LQQHGDVV
Patches oder Updates bereitgestellt werden (MW=3,77)
oder die künftige Produktentwicklung die Kritikpunkte
aufgreift (MW=3,60).
Da IT-Journalisten nicht nur nach der Veröffentlichung
Produkte testen, sondern auch Vorschauen publizie-
ren und die Hersteller während des Entwicklungsprozesses begleiten und besuchen, ergibt sich sogar die
Möglichkeit, auf die Hersteller schon während der Produktentwicklung einzuwirken. Entsprechend zielte eine
ZHLWHUH)UDJHGDUDXIDEKHUDXV]X¿QGHQZLH+HUVWHOler mit Kritik umgehen, die während des Entwicklungsprozesses geäußert wird. Auch wenn die Unterschiede
LQVJHVDPWQLFKWVWDWLVWLVFKVLJQL¿NDQWVLQGVFKHLQHQGLH
3ULQW-RXUQDOLVWHQVLFKHKHUHLQHQJUR‰HQ(LQÀXVVZlKrend des Entwicklungsprozesses zuzuschreiben als die
Online- bzw. die Print-/Online-IT-Journalisten: 57% der
reinen Print-IT-Journalisten glauben, dass Kritikpunkte
ernst genommen und umgesetzt werden. Bei den reinen Online-Journalisten sind es nur 33%, bei den Print/
Online-Journalisten 32%. Die Wirkungsvorstellungen
der IT-Journalisten zeugen von einigem Selbstbewusstsein, das vor allem unter den reinen Print-Journalisten
weit verbreitet it. Die Befragten schreiben ihrer Berichterstattung erhebliche Wirkungen auf das Publikum und
auch auf die Hersteller zu.
5. Recherche und Quellen
5.1 Bedeutung klassischer Informationsquellen
IT-Journalisten sind nicht autonom bei der Gestaltung
ihrer Inhalte. Sie sind auf Quellen angewiesen, die ihnen relevante Informationen zugänglich machen – oder
sie ihnen prinzipiell auch vorenthalten könnten. Deshalb analysieren wir als Letztes die Quellen der ITJournalisten und suchen auch hier nach Unterschieden
zwischen den verschiedenen Journalistengruppen.
Die IT-Journalisten verlassen sich vor allem auf persönliche Kontakte zu IT-Unternehmen, die ihnen InformaWLRQHQ OLHIHUQ 'LH SHUV|QOLFKH (EHQH GHU .RQWDNWSÀHge wird auch durch die hohe Bedeutung von „Events,
Messen und Conventions“ und von Pressekonferenzen
und Pressemitteilungen unterstrichen. Danach folgt
eine Reihe von Quellen, die im IT-Journalismus selbst
verortet sind: Andere Fachjournalisten, die Fachpresse,
Online-Nachrichtendienste sowie das Redaktions- oder
9HUODJVDUFKLY$EHUDXFKLQGLHVHQ4XHOOHQ¿QGHQVLFK
vermutlich vor allem Informationen, die ursprünglich
von den IT-Unternehmen stammen. Externe Quellen
wie Verbände und Vereine, unabhängige Experten oder
RI¿]LHOOH 6WHOOHQ VSLHOHQ QDKH]X NHLQH 5ROOH 7DEHOOH
'HU HLQ]LJH VLJQL¿NDQWH 8QWHUVFKLHG ]ZLVFKHQ GHQ
-RXUQDOLVWHQJUXSSHQ¿QGHWVLFKEHLGHU1XW]XQJGHVHLgenen Archivs: Es spielt bei den Print/Online- sowie bei
den Onlinejournalisten eine größere Rolle als bei den
Printjournalisten.
Aufgrund der hohen Bedeutung der Unternehmenskontakte liegt es nahe, diese Kontakte etwas genauer
unter die Lupe zu nehmen: Wer sind typischerweise
21
Hauptansprechpartner in den Unternehmen? Hier zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Journalistengruppen: Wenn auch jeweils die PR-Mitarbeiter von
der Mehrheit der Journalisten als Hauptansprechpartner genannt wurden (81% der IT-Journalisten antworteten so), gab es bei den Print/Online-Journalisten eine
relevante Minderheit von immerhin 28%, die Mitarbeiter
der Entwicklungsabteilungen als Hauptansprechpartner
hatten. Bei den Online-Journalisten sind es gerade einmal 3%; bei den Print-Journalisten 6%. Der Anteil sonstiger Ansprechpartner sowie der Ansprechpartner in
der Geschäftsführung war sehr gering. Der Unterschied
in der Struktur der Ansprechpartner ist statistisch signi¿NDQWȤð S &UDPHUV9 Print-Journalisten mit ihrem Magazin im Schnitt relativ
ZHQLJ5HLFKZHLWHHU]LHKHQ'LH$XÀDJHGHU0HGLHQGHU
K\EULGDUEHLWHQGHQ-RXUQDOLVWHQ0 LVWVLJQL¿kant höher (t(67)=2,734; p=,008) als die der Medien, für
die die „reinen“ Printjournalisten arbeiten (M=269.113).
Die Websites, für die die Online-Journalisten arbeiten
erreichen ähnlich viele Visits pro Monat (M=5.809.821)
wie die Websites, für die die hybrid arbeitenden Journalisten tätig sind (M=6.127.586), der Unterschied ist
QLFKWVLJQL¿NDQWW S 'LHJU|‰HUHQ,7
Medien setzen offenbar ihre erfahrenen Journalisten für
die Print- und die Online-Ausgabe ein wohingegen die
„Neulinge“ hauptsächlich für die Online-Ausgabe tätig
sind.
Tabelle 7: Bedeutung verschiedener Quellen nach
Plattform
5.2 Bedeutung alternativer Informationsquellen
Diese Interpretation, dass die plattformübergreifend arbeitenden Journalisten das höchste Prestige und damit
den besten Zugang zu den Unternehmen haben, erhärtet sich auch in der Analyse der Bedeutung alternativer Informationsquellen. So nehmen die Print/Online-RXUQDOLVWHQ DP KlX¿JVWHQ DQ YHUWUDXOLFKHQ 7UHIIHQ
PLW 0LWDUEHLWHUQ GHU ,7,QGXVWULH WHLO XQG ¿QGHQ GLHVH
Treffen auch besonders wichtig – auch wenn der UnWHUVFKLHGQLFKWVLJQL¿NDQWLVW$XFKEHLGHU1XW]XQJYRQ
User Generated Content und druckfertigen PR-Texten
XQWHUVFKHLGHQ VLFK GLH *UXSSHQ QLFKW VLJQL¿NDQW7HQdenziell scheinen aber die reinen Printjournalisten am
wenigsten auf User Generated Content zurückzugreifen. Zugleich nutzen sie am seltensten druckfertige PRTexte (Tabelle 8).
Online
Print
Beides
Gesamt
(n=30)
(n=32)
(n=40)
(n=102)
MW
MW
MW
MW
Persönliche Kontakte
zu IT-Unternehmen
ns
4,2
4,38
4,48
4,36
Events, Messen,
Conventions
ns
4,03
3,66
3,77
3,81
Pressekonferenzen
und –mitteilungen von
Unternehmen
ns
3,93
3,81
3,5
3,72
Andere
Fachjournalisten
ns
3,67
3,53
3,85
3,7
Fachpresse
ns
3,8
3,53
3,7
3,68
OnlineNachrichtendienste
ns
3,6
3,66
3,62
3,63
Redaktions- und
Verlagsarchiv
*
3,21 ab
2,81 b
3,51 a
3,22
Verbände, Vereine
ns
2,8
2,75
2,72
2,75
Unabhängige Experten
(z. B. Professoren)
ns
2,47
2,84
2,69
2,67
2I¿]LHOOH6WHOOHQ]%
Ministerien)
ns
2,63
2,47
2,56
2,55
Fortbildungen,
Seminare
ns
2,33
2,13
2,03
2,15
Klassische
Nachrichtenagenturen
ns
2,17
1,84
1,95
1,98
Basis: Befragung von 102 IT-Journalisten. Varianzanalysen mit
Scheffé Post Hoc Tests (alternativ Games-Howell Post Hoc Tests bei
ungleichen Varianzen)
Einträge in der gleichen Zeile (unter Online, Print, Beides),
die keinen hochgestellten Buchstaben gemeinsam haben,
XQWHUVFKHLGHQVLFKVWDWLVWLVFKVLJQL¿NDQWEHLS
ab
# p<,10; * p<,05; ** p<,01
Die Interpretation liegt nahe, dass die Print/Online-Journalisten ein hohes Prestige bei den Unternehmen haben
und dort Ansprechpartner in den Entwicklungsabteilungen persönlich kennen, was bei den reinen Online- und
den reinen Print-IT-Journalisten nur selten der Fall zu
sein scheint. Das wird dadurch gestützt, dass die reinen
Tabelle 8: Bedeutung verschiedener Quellen nach
Plattform
Online
Print
Beides Gesamt
(n=30)
(n=32)
(n=40)
(n=102)
%
%
%
%
Nehme an Treffen teil
40
44
50
45
Mindestens monatlich
23
13
30
23
Wichtig/sehr wichtig
27
28
50
36
Lese UGC
90
78
88
85
Mindestens wöchentlich
63
44
45
50
20
3
20
15
37
16
30
27
23
9
15
16
10
0
10
7
Vertrauliche Treffen
User Generated Content
Übernahme
JHOHJHQWOLFKKlX¿J
Druckfertige Pressetexte
Erhalte druckfertige
Pressetexte
Mindestens wöchentlich
Übernahme
JHOHJHQWOLFKKlX¿J
22 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Fortsetzung Tabelle 8: Bedeutung verschiedener
Quellen nach Plattform
Online
Print
Beides
Gesamt
(n=30)
(n=32)
(n=40)
(n=102)
%
%
%
%
MW
MW
MW
MW
Vertrauliche Treffen
(Index 0-3)
ns
0,9
0,85
1,3
1,04
User Generated
Content (Index 0-3)
ns
1,73
1,25
1,53
1,5
Druckfertige
Pressetexte (Index
0-3)
ns
0,7
0,25
0,55
0,5
Basis: Befragung von 102 IT-Journalisten. Varianzanalysen mit
Scheffé Post Hoc Tests (alternativ Games-Howell Post Hoc Tests
bei ungleichen Varianzen). Indexwerte entsprechen der Zahl der
zutreffenden Aussagen pro Kategorie (wer beispielsweise an
„vertraulichen Treffen“ teilnimmt (1 Punkt), dies mindestens monatlich
WXW3XQNWGLHVH7UHIIHQDEHUQLFKWZLFKWLJ¿QGHW3XQNWHHUKlOW
2 Punkte.
weite, schreiben aber nur selten Artikel für das „PrintFlaggschiff“; auch sie haben (noch) nicht das Prestige,
das ihnen den Zugang zu Informationen erleichtern
würde. Die Print/Online-Journalisten sind hingegen die
„Alpha-IT-Journalisten“ bei den erfolgreichen Zeitschriften, die die Printausgabe mit Inhalt bestücken. Aus
dieser Perspektive lassen sich die wenigen und moderaten Unterschiede in Demographie, Berufsstatus,
Selbstverständnis und Recherche gut erklären. Die rein
technischen Unterschiede in der Contentrecherche und
Contentproduktion scheint nach unseren Anhaltspunkten nicht die entscheidende Rolle zu spielen. Nur die
unterschiedlichen Bewertungen des Publikums sowie
die unterschiedlichen Einschätzungen der Trends in der
IT-Presse sind tatsächlich auf grundsätzliche Perspektivunterschiede zwischen Online- und Print-Journalisten
zurückzuführen.
# p<,10; * p<,05; ** p<,01
6. Fazit
IT-Journalisten sehen sich als Vermittler komplexer
Sachverhalte, die neue Trends aufzeigen und neue Ideen vermitteln, ihr Publikum als gebildet, informationsorientiert und fortschrittlich betrachten, dieses Publikum
PD‰JHEOLFK LQ LKUHP .DXIYHUKDOWHQ EHHLQÀXVVHQ XQG
auch auf die Produktpolitik und Produktentwicklung der
IT-Hersteller einwirken können. Wir haben es mit einÀXVVUHLFKHQ 6FKOVVHOSHUVRQHQ LQ HLQHU JHVHOOVFKDIWlich relevanten und weiter an Relevanz gewinnenden
Sphäre zu tun. Zugleich sind die IT-Journalisten jedoch
stark abhängig von den IT-Unternehmen, von denen
der Großteil der Inhalte stammt, über die sie schreiben
– damit teilen sie das Schicksal nahezu aller Fachjournalisten.
Die Plattform, die IT-Journalisten bedienen – Online, Print, oder Online und Print – hat aber keine systematischen Auswirkungen auf die Routinen und Arbeitsweisen von IT-Journalisten. Ob man Print- oder
Online-Journalist ist, spiegelt nicht so sehr technische,
sondern soziale Unterschiede. Die vorwiegende Publikationsweise weist einerseits auf ein Reputationsgefälle und andererseits auf ein Erfahrungsgefälle hin: Die
„reinen“ Printjournalisten arbeiten zumindest teilweise
für am Markt weniger erfolgreiche Magazine mit einer geringeren Reichweite, deren geringeres Prestige
sich vor allem beim Zugang zu Informationen bemerkEDU PDFKW GLHV NRQÀLJLHUW DOOHUGLQJV PLW GHP %HIXQG
GDVV GLHVH -RXUQDOLVWHQ VLFK VHKU JUR‰HQ (LQÀXVV DXI
die Entwicklungsabteilungen zuschreiben). Die „reinen“
Onlinejournalisten arbeiten oftmals für die Onlineausgabe von erfolgreichen Magazinen mit hoher Reich-
Literatur
[1] Ehmig, S. C. (2000). Generationswechsel im JourQDOLVPXV=XP(LQÀX‰KLVWRULVFKHU(UHLJQLVVHDXIGDV
journalistische Selbstverständnis. Freiburg i. Br.: Alber.
[2] Jackob, N., Arens, J., & Zerback, T. (2008). Immmobilienjournalismus in Europa: Eine international vergleichende Studie. München: R. Fischer.
[3] Jackob, N., Geiß, S., & Quiring, O. (2013). Trendscouts und Trendsetter im digitalen Zeitalter: IT-Journalisten: Wer sie sind, wie sie arbeiten, was sie denken
(=Medienkonvergenz, Bd. 8). Berlin: De Gruyter.
[4] Machill, M. & Beiler, M. (2008). Die Bedeutung des
Internets für die journalistische Recherche: Multimethodenstudie zur Recherche von Journalisten bei Tageszeitung, Hörfunk, Fernsehen und Online. Media Perspektiven, 2008(10), S. 516-531.
[5] Malik, M. & Scholl, A. (2009). Eine besondere Spezies: Strukturen und Merkmale des Internetjournalismus.
In C. Neuberger, C. Nuernbergk & M. Rischke (Hrsg.),
Journalismus im Internet: Profession – Partizipation –
Technisierung (S. 169-196). Wiesbaden: VS Verlag für
Sozialwissenschaften.
[6] Müller, P. & Hohlfeld, R. (2013). Journalistische Vorstellungen von Medienwirkungen. Dimensionen – Entstehungsbedingungen – Folgen. Medien & Kommunikationswissenschaft, 61, 166-182.
23
[7] Neuberger, C., Nuernbergk, C., & Rischke, M.
(2009a). Crossmedialität oder Ablösung? Anbieterbefragung I: Journalismus im Übergang. In C. Neuberger,
C. Nuernbergk & M. Rischke (Hrsg.), Journalismus im
Internet: Profession – Partizipation – Technisierung
(S. 231-268). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
[8] Neuberger, C., Nuernbergk, C., & Rischke, M.
(2009b). „Googleisierung“ oder neue Quellen im Netz?
Anbieterbefragung III: Journalistische Recherche im Internet. In C. Neuberger, C. Nuernbergk & M. Rischke
(Hrsg.), Journalismus im Internet: Profession – Partizipation – Technisierung (S. 295-334). Wiesbaden: VS
Verlag für Sozialwissenschaften.
[9] Neuberger, C., Nuernbergk, C., & Rischke, M.
(2009c). Profession, Partizipation, Technik? AnbieterbeIUDJXQJ,,,QWHUQHWMRXUQDOLVPXVLP%H]LHKXQJVJHÀHFKW
In C. Neuberger, C. Nuernbergk & M. Rischke (Hrsg.),
Journalismus im Internet: Profession – Partizipation –
Technisierung (S. 269-294). Wiesbaden: VS Verlag für
Sozialwissenschaften.
[10] Weischenberg, S., Malik, M., & Scholl, A. (2006).
'LH6RXIÀHXUHGHU0HGLHQJHVHOOVFKDIW5HSRUWEHUGLH
Journalisten in Deutschland. Konstanz: UVK.
24 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Systematik einer multimedialen Kampagne
am Beispiel von „Hamburg rockt“
von Gunnar Kron
Einleitung
Multimediales Arbeiten bereitet einen Inhalt so auf,
dass er in verschiedenen Medienkanälen, wie Print,
Rundfunk und TV, jeweils gemäß der individuellen Anforderung eines jeden Medienkanals, publiziert werden
kann. Neben der Tatsache, dass ein Inhalt den Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten des jeweiligen Mediums angepasst werden muss, um so kompatibel zu
werden, liegt das besondere Potenzial des multimedialen Arbeitens an der zeitlich/dramaturgischen Synchronisierung des jeweils aufbereiteten Inhalts über alle
beteiligten Verbreitungskanäle. Voraussetzung für eine
erfolgreiche multimediale Kampagne ist zudem, dass
die Produzenten des Inhalts die jeweiligen besonderen
Stärken und Schwächen der beteiligten Ausspielkanäle
kennen, um die Maximierung der Ausspielkanal-individuellen Kommunikationsleistung zu erreichen.
Die in diesem Artikel beschriebene Kampagne „Hamburg rockt“ geht noch einen Schritt weiter: Hier taten
sich drei Medienhäuser zusammen, um gemeinsam
über einen Zeitraum von vier Monaten ihre jeweiligen
Kanäle in gegenseitiger enger Abstimmung so zu bespielen, dass eine Gesamtdramaturgie mit Spannungsbogen entstand. Voraussetzung für den Erfolg dieser
Kampagne, an der vier Mediengattungen beteiligt waren, nämlich PRINT, RUNDFUNK, TV und ONLINE, war
außerdem der enge Austausch produzierter Inhalte und
Teilhinhalte zwischen den Medienhäusern, um über alle
Verbreitungskanäle hinweg das identische Gefühl, die
Corporate Identity der Kampagne zu transportieren.
Beteiligt an dieser Kampagne im Zeitfenster 01.02.2014
bis 28.05.2014 waren die Hamburger Morgenpost [1]
(PRINT), 917 XFM [2] (RUNDFUNK), Hamburg 1 Fernsehen [3] (TV), deren Online-Portale, sowie die Social
Media Kanäle aller drei Medienhäuser, die zentrale und
von allen genutzte Microsite und die Kampagnen-App
(ONLINE).
Grundsätzliche Herangehensweise
Die beteiligten Medienpartner haben die gemeinsame
multimediale Kampagne nicht aus einem Team heraus
in die verschiedenen Verbreitungskanäle übersetzt,
VRQGHUQ LP 9RUIHOG GXUFK NODUH :LUNXQJVGH¿QLWLRQHQ
die Aufgaben eines jeden Inhalteproduzenten und die
Verteilungswege seiner erstellten Inhalte zu den anderen Partnern festgelegt. Durch diese Planung war es
möglich, die zeitliche als auch mediale Abfolge der Inhalte zu steuern. Zusätzlich und vorteilhaft fand eine
sich konsequent aufbauende kreative Befruchtung aller
beteiligter Medienpartner statt, weil aus den zugelieferten Bauteilen der jeweils anderen Partner und Teams
immer neue Ideen und Variationen entstanden, die die
über vier Monate laufende Kampagne zu jedem Zeitpunkt spannend und abwechslungsreich hielten.
Die Wirkungen der beteiligten Medienpartner wurden
IROJHQGHUPD‰HQGH¿QLHUW
‡
‡
‡
‡
PRINT: Faktisches Informationsmedium mit Archivcharakter
RUNDFUNK: Nebenbeihörmedium mit musikalischem Programmschwerpunkt
TV: Emotionalstes Medium durch das Zusammenspiel von Bild und Ton
ONLINE: Strategische Informationsverdichtung und
Sammelplatz aller medialen Inhalte über die zentrale Microsite; interaktiver Aktivierungscharakter und
direktes Feedback der Rezipienten zu jedem Zeitpunkt der Kampagne über die Social Media Kanäle
der Medienpartner, virale Informationsverbreitung
und die Kampagnen-App.
Der dramaturgische Ablauf der Kampagne „Hamburg
rockt“
„Hamburg rockt“ ist ein musikalischer Newcomer-Wettbewerb, bei dem sich Einzelkünstler und Bands aus
Hamburg und Umgebung in mehreren Live-Konzerten,
den Band-Battles, miteinander messen können. Anders
als der Name „Hamburg rockt“ vermuten lässt, sind die
teilnehmenden Musiker nicht auf ein Genre festgelegt,
sondern die wichtigsten Voraussetzungen sind, dass
die Musik live dargestellt werden kann und es sich um
eigene und nicht nachgespielte Lieder handelt. Um dies
noch klarer herauszustellen, wurde der Wettbewerb für
die Ausgabe in 2015 umbenannt in „Lautstark“ [4].
Der Wettbewerb in 2014 gliederte sich in vier Phasen:
a) Aufruf/Bewerbung
b) Die Band-Battles
F+DOE¿QDOH
d) Finale
25
Abbildung 1: Kooperationsschema | Phase 1 „Aufruf/
Bewerbung“
a) Phase 1 | Aufruf/Bewerbung
Vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 hatten interessierte Einzelkünstler und Bands die Möglichkeit, sich mit
ihrem Demo-Tape, aussagekräftigen Fotos und dem
ausgefüllten Bewerbungsbogen [5]. zu bewerben. Mit
diesem Bewerbungsbogen akzeptierten sie die Bedingungen des Wettbewerbs, die den multimedialen Partnern die Möglichkeit einräumten, begleitendes Material
zu produzieren und auszuwerten, da alle Teilnehmer
die Nutzungsrechte an dem während des Wettbewerbs
entstehenden Material an die multimedialen Partner abtraten. Der Sieger bekam einen Auftritt beim Sound Port
Festival, so wie eine Tour durch vier Städte mit eigenem
Tourbus.
Abbildung 1 zeigt die ineinandergreifende Arbeitsweise
aller Medienpartner zur Aktivierung der Musiker.
PRINT
‡ produzierte redaktionelle Berichterstattungen,
Printanzeigen und Banner und publizierte
diese
‡ im Heft mit Verweis auf die Microsite des
Wettbewerbs
‡ auf der eigenen Online-Präsenz mit Verweis
auf die Microsite des Wettbewerbs
‡ im „Hamburg rockt“ Kanal auf Facebook mit
Verweis auf die Microsite des Wettbewerbs
‡ in der Wettbewerbs-eigenen „Hamburg rockt“
App mit Verweis auf die Microsite des Wettbewerbs
‡ belieferte RUNDFUNK und TV mit seinen Inhalten zur weiteren Verwendung nach medienspezi¿VFKHU$QSDVVXQJ]XP%HLVSLHOLQGHUHQ$NWLYLHrungstrailern [A], um die Corporate Identity des
Wettbewerbs in Wort und Bild zu gewährleisten
RUNDFUNK
‡ produzierte redaktionelle Berichterstattungen
und Aktivierungstrailer [A] und publizierte
diese
‡ im eigenen Programm mit Verweis auf die
Microsite des Wettbewerbs
‡ auf der eigenen Online-Präsenz mit Verweis
auf die Microsite des Wettbewerbs
‡ in seinem eigenen Facebook-Kanal mit Verweis auf die Microsite des Wettbewerbs
‡ belieferte TV mit seinen Audioinhalten zur Gestaltung neuer Beiträge
TV
‡ produzierte redaktionelle Berichterstattungen
und Aktivierungstrailer [A] und publizierte
diese
‡ im eigenen Programm mit Verweis auf die
Microsite des Wettbewerbs
‡ auf der eigenen Online-Präsenz mit Verweis
auf die Microsite des Wettbewerbs
‡ in seinem eigenen Facebook-Kanal mit Verweis auf die Microsite des Wettbewerbs
‡ belieferte PRINT mit Bildern zur weiteren Verwendung in entsprechenden Artikeln
Diese eng verzahnte Arbeitsweise bot allen Medienpartnern die Möglichkeit, neben eigenem Material auch
auf das Material der Partner zurück zu greifen, um
auch dieses in die eigene Inhalte-Erstellung mit einzubeziehen. Dadurch entstanden neue Inhalte, die aber
auf einen gemeinsamen Inhaltekern zurück griffen und
sich so gegenseitig zu einem großen Ganzen medienübergreifend komplettierten. Unabhängig also davon,
auf welchem Verbreitungsweg die Rezipienten auf das
Thema aufmerksam wurden, wurden sie doch zügig
auf die Microsite des Wettbewerbs geführt, auf der sich
der Bewerbungsbogen befand, dessen Ausfüllen die
Grundvoraussetzung zur Teilnahme war. Gleichzeitig
waren auf dieser Microsite alle Begleitinformationen sowie Medien- und weitere Partner präsent, so dass potentielle Neukontakte zwischen den Partnern und den
Rezipienten entstehen konnten (Abbildung 2).
26 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Abbildung 2: Kommunikationsverdichtung mit SynergieEffekt
b) Phase 2 | Die Band-Battles
Nachdem sich eine Jury, bestehend aus bekannten
+DPEXUJHU3UR¿PXVLNHUQVRZLH9HUWUHWHUQDOOHUEHWHLligten Mediengattungen und der Siegerband des Vorjahres, für acht Einzelkünstler und Bands entschieden
hatte, begann die nächste Runde des Wettbewerbs in
Form der „Band-Battles“ im Zeitraum April/Mai 2014.
In vier Live-Konzerten traten jeweils zwei Einzelkünstler
oder Bands im K.O.-Verfahren vor der Jury nacheinander gegeneinander an.
Die Rezipienten der beteiligten Medienpartner hatten
die Möglichkeit, entweder selbst live vor Ort dabei zu
sein oder per Wettbewerbs-App oder Telefon-Hotline zu
voten. Die vier Live-Konzerte fanden auf der Studiobühne des Rundfunkpartners statt.
Abbildung 3 zeigt die ineinandergreifende Arbeitsweise
aller Medienpartner zur Umsetzung der vier Band-Battles zuzüglich der Rezipienten-Aktivierung zum Voten
und zur Teilnahme als Publikum vor Ort.
Abbildung 3: Kooperationsschema | Phase 2 „BandBattles“
PRINT
‡ produzierte redaktionelle Berichterstattungen, Printanzeigen und Banner mit Verweis
auf das jeweils nächste Band-Battle und die
Möglichkeit zur Teilnahme als Publikum und/
oder Voter, so wie einen Nachbericht zu jedem
Event und publizierte dies
‡ im Heft mit einer Sonderbeilage und dem Verweis auf die Microsite des Wettbewerbs
‡ auf der eigenen Online-Präsenz mit Verweis
auf die Sonderbeilage und die Microsite des
Wettbewerbs
‡ im „Hamburg rockt“ Kanal auf Facebook mit
Verweis auf die Sonderbeilage und die Microsite des Wettbewerbs
‡ in der Wettbewerbs-eigenen „Hamburg rockt“
App mit Verweis auf die Sonderbeilage und
die Microsite des Wettbewerbs
‡ belieferte RUNDFUNK und TV wie in Phase 1
und zuzüglich die Studiobühne mit Wettbewerbsbannern zur Wahrung der Corporate Identity vor
Ort
RUNDFUNK
‡ produzierte redaktionelle Berichterstattungen
und Aktivierungstrailer [A]. Die redaktionelle Berichterstattung enthielt die Erklärung der
Möglichkeit zur Teilnahme als Publikum und/oder
Voter und beinhaltete die Liveübertragung aller
Band-Battles, so wie einen jeweiligen Nachbericht und publizierte diese
‡ im eigenen Programm mit Verweis auf die
Microsite des Wettbewerbs
‡ auf der eigenen Online-Präsenz mit Verweis
auf die Microsite des Wettbewerbs
‡ in seinem eigenen Facebook-Kanal mit Verweis auf die Microsite des Wettbewerbs
‡ belieferte TV, wie in Phase 1
TV
‡ produzierte redaktionelle Berichterstattungen
und Aktivierungstrailer [A]. Die redaktionelle Berichterstattung enthielt die Erklärung der
Möglichkeit zur Teilnahme als Publikum und/
oder Voter und beinhaltete die Vorstellung der
jeweils nächsten zwei aufeinander treffenden
Wettbewerbsteilnehmer mit Livemusik-Set in der
Morgensendung zwischen 05:00 Uhr und 09:00
Uhr, sowie pro Band-Battle einen Vor- und einen
Nachbericht und publizierte diese
27
‡
‡ im eigenen Programm mit Verweis auf die
Microsite des Wettbewerbs
‡ auf der eigenen Online-Präsenz mit Verweis
auf die Microsite des Wettbewerbs
‡ in seinem eigenen Facebook-Kanal mit Verweis auf die Microsite des Wettbewerbs
belieferte PRINT wie in Phase 1
Wie in Phase 1 nahm auch in Phase 2 die Microsite
eine zentrale Rolle der multimedialen Kommunikationsvermittlung ein. Damit sich die Medienpartner jeweils
auf neue Fakten in der Berichterstattung konzentrieren
konnten, verwiesen alle auf die zentrale Microsite, auf
der sich die Hintergrundinformationen und die Aktionen
aller Medienpartner in Schrift, Bild und Ton wiederfanden. Die Rezipienten konnten also selbst entscheiden,
welche der am Wettbewerb beteiligten Medien sie zu
welchem Thema nutzen wollten. So entstand eine
schlanke Kommunikationsstruktur bei den einzelnen
Medienpartnern mit gleichzeitig weit gefächertem Angebot auf der Microsite (Abbildung 4).
Abbildung 4: Fokussierte Kommunikation über Microsite
FG+DOE¿QDOHXQG)LQDOH
,P+DOE¿QDOHWUDWHQYLHU%DQGVJHJHQHLQDQGHUDQDXV
denen zwei Gewinnerformationen hervorgingen, die
dann das Finale miteinander bestritten. Beide Livekonzerte wurden in einer kooperierenden Event-Location
mit einem Fassungsvermögen von 500 Zuschauern realisiert. So hatten die letzten vier Teilnehmer die Chance,
sich in einer echten Clubatmosphäre zu beweisen und
für die Rezipienten vor Ort und in den Verbreitungskanälen war es eine große Party.
Abbildung 5 zeigt die ineinandergreifende Arbeitsweise
aller Medienpartner zur Umsetzung der Zuspitzung hin
zum dramaturgischen Höhepunkt des insgesamt über
vier Monate gehenden Wettbewerbs.
Abbildung 5: Kooperationsschema | Phase 3&4 „Halb¿QDOH)LQDOH³
PRINT
‡ produzierte redaktionelle Berichterstattungen,
Printanzeigen und Banner mit Verweis auf das
+DOE¿QDOHXQG)LQDOHXQGGLH0|JOLFKNHLW]XU
Teilnahme als Publikum und/oder Voter, sowie
einen Nachbericht zu jedem Event und publizierte dies mit einem Verweis auf die Microsite und
GHUGDUDXIEH¿QGOLFKHQ3RUWUDLWVGHU+DOE¿QDOLVten und Finalisten, die TV zugeliefert hatte
‡ im Heft
‡ auf der eigenen Online-Präsenz mit Teaser[B]
Elementen von TV
‡ im „Hamburg rockt“ Kanal auf Facebook mit
Teaser[B] -Elementen von TV
‡ in der Wettbewerbs-eigenen „Hamburg rockt“
App
‡ belieferte RUNDFUNK und TV, wie in den
Phasen 1&2 und zuzüglich die Club-Bühne mit
Wettbewerbsbannern zur Wahrung der Corporate Identity vor Ort
RUNDFUNK
‡ produzierte redaktionelle Berichterstattungen
und Aktivierungstrailer [A]. Die redaktionelle Berichterstattung enthielt die Erklärung der
Möglichkeit zur Teilnahme als Publikum und/oder
Voter und beinhaltete die Liveübertragung des
+DOE¿QDOHVXQG)LQDOHVVRZLHHLQHQMHZHLOLJHQ
Nachbericht und publizierte diese mit einem
9HUZHLVDXIGLH0LFURVLWHXQGGHUGDUDXIEH¿QGOLFKHQ3RUWUDLWVGHU+DOE¿QDOLVWHQXQG)LQDOLVWHQ
die TV zugeliefert hatte
‡ im eigenen Programm
‡ auf der eigenen Online-Präsenz mit Teaser[B]
Elementen von TV
‡ in seinem eigenen Facebook-Kanal mit
Teaser[B] -Elementen von TV
‡ belieferte TV, wie in Phase 1
28 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
TV
‡‡ produzierte redaktionelle Berichterstattungen
und Aktivierungstrailerr [A]. Die redaktionel
redaktionel-le Berichterstattung enthielt die Erklärung der
Möglichkeit zur Teilnahme als Publikum oder/
und Voter und beinhaltete die Vorstellung der
jeweils nächsten aufeinander treffenden Wettbewerbsteilnehmer mit Livemusik-Set in der
Morgensendung zwischen 05:00 Uhr und 09:00
Uhr, so wie einen Vor- und einen Nachbericht für
GDV+DOE¿QDOHXQG)LQDOHXQGSXEOL]LHUWHGLHVH
GDV+DOE¿QDOHXQG)LQDOHXQGSXEOL]LHUWHGLHVH
zusammen mit einer 15minütigen Sondersendung zum Finale
‡
‡ im eigenen Programm mit Verweis auf die
Microsite des Wettbewerbs
‡
‡ auf der eigenen Online-Präsenz mit Verweis
auf die Microsite des Wettbewerbs
‡
‡ in seinem eigenen Facebook-Kanal mit Verweis auf die Microsite des Wettbewerbs
‡‡ belieferte PRINT wie in Phase 1
‡‡ belieferte PRINT und RUNDFUNK mit der Live0RGHUDWLRQGHV+DOE¿QDOHVXQG)LQDOHVGXUFK
0RGHUDWLRQGHV+DOE¿QDOHVXQG)LQDOHVGXUFK
einen TV-Moderator
TV produzierte während des Finales eine Sondersendung direkt aus der Konzerthalle, die von PRINT mit
der Corporate Identity des Wettbewerbs ausgestattet
war und von RUNDFUNK live im Programm und per
Online-Stream übertragen wurde, moderiert von einem
TV-Moderator.
Synergetische Wechselwirkungen zwischen den medialen Off- und Onlinekanälen
Folgendes System der Wechselwirkungen zwischen
den Medien PRINT, RUNDFUNK,TV als Gruppe gegenüber ONLINE wurde angewandt (Abbildung 6).
Abbildung 6: Schaffung von Synergien durch intermedialen Kreislauf
Die von den Medien PRINT, RUNDFUNK und TV erstellten Inhalte wurden, neben ihrer Nutzung auf eben
diesen Kanälen, sei es originär oder wechselseitig angepasst, je nach Eignung direkt ONLINE übernommen
RGHUDXIGHVVHQVSH]L¿VFKH$QIRUGHUXQJHQDQJHSDVVW
(Länge, kompakte und emotionale Information, in sich
geschlossene Dramaturgie). Während die Online-Portale der drei Medien als Appetitmacher und Türöffner zur
zentralen Microsite fungierten, hatte die WettbewerbsApp die Aufgabe, die Rezipienten emotional personalisiert abzuholen und sie zum Teil des Schicksals der
teilnehmenden Einzelkünstler und Bands zu machen, in
dem sie direkt voten und dadurch mitbestimmen konnten. Außer der Tatsache, dass die Rezipienten über die
App selbst eingreifen konnten, konnten sie auch ihren
Freundes- und Bekanntenkreis, sei es off- oder online
für den Wettbewerb begeistern, um zum Beispiel die
jeweilige Lieblingsband zu unterstützen. Die so und
durch die Social Media Kanäle der drei Medien erzeugten personalisierten Feedbacks, Anregungen und auch
Aktionen, wie Gewinnspiele für Konzertkarten zu den
/LYH.RQ]HUWHQ ZXUGHQ ZLHGHU LQ GLH 2IÀLQH0HGLHQ
zurück gespielt und dort zu neuen Inhalten verarbeitet.
So hatten auch die nicht interaktiven Medien die Möglichkeit, die Kampagne über direkte Reaktionen von
Rezipienten zu erzählen, die authentisch innerhalb des
gesamten Systemkreislaufs der Information vorlagen.
Die virale Weiterverbreitung der Inhalte war eine große Chance, aus dem zuvor beschriebenen medialen
Kreislauf auszubrechen, um gänzlich neue Rezipientenpotentiale zu heben, die sich außerhalb der drei Offline-Medien, ihrer Websites und Social Media Kanälen
aufhielten. Reagierten dann über die virale Verbreitung
neu erschlossene Rezipienten auf die Aktivierungsmaßnahmen, wurden ihre Reaktionen in die Off- und
Online Verbreitungskanäle gespielt und so zum Teil des
durch sie wachsenden Gesamtsystems gemacht.
Fazit
Das System der multimedialen Inhalteproduktion durch
auf ihr Medium spezialisierte dezentrale Teams hat
sich in dieser Kampagne als vorteilhaft erwiesen. Als
Grundvoraussetzung für diese Arbeitsweise hat sich
die zentrale zeitliche, dramaturgische und kooperative
Planung herausgestellt (Abbildungen 1,3,5). Durch die
Festlegung der Produktions-, Publikations- und Weitergabewege hatten die beteiligten Medien den Vorteil,
dass ihre Teams um die Anforderungen an ihr eigenes
Medium bestens Bescheid wussten und sich so auf
ihre Stärken konzentrieren konnten, ohne auf die Begebenheiten der anderen Medien Rücksicht nehmen zu
müssen. Die jeweils an die anderen Medienpartner wei-
29
tergeleiteten Inhalte konnten, mussten aber nicht verwendet werden, so dass jedem Team ein wachsender
Inhaltepool zur weiteren Konfektionierung zur Verfügung stand, um die Kampagne über einen langen Zeitraum für die Rezipienten interessant zu halten. Die individuelle Bestückung der jeweiligen Online-Portale der
drei Medien durch ihre Online-Redakteure mit Weiterleitung zu der von PRINT geführten zentralen Microsite,
brachte Variantenreichtum in den individuellen OnlineAuftritt bei gleichzeitiger Sicherstellung der Präsentation zentral wichtiger Inhalte mit Verweisen auf alle Medienpartner mit der Chance für jedes beteiligte Medium,
dort neu gelandete Rezipienten auf sich aufmerksam zu
machen und für sich zu gewinnen. Die durch die Social
Media Kanäle aller beteiligten Medien personalisiert aktivierten Rezipienten wurden, zusammen mit den AppNutzern und den durch virale Weiterverbreitung neu
hinzugewonnen Rezipienten, interaktiv und emotional
nah an den Wettbewerb herangeführt. So war es mögOLFK QHXH 5H]LSLHQWHQ IU GLH GUHL 2IÀLQHPHGLHQ XQG
die Live-Konzerte zu gewinnen. Durch dieses, sowohl
kreativ durch Inhalteweitergabe zwischen den beteiligten Medien, als auch in der Quantität der Rezipienten
wachsende System, konnten alle drei beteiligten Medien ihre inhaltlichen Stärken gemeinsam nutzen und
gleichzeitig individuell neue Rezipienten gewinnen und
durch sie wachsen.
Literaturverzeichnis
[1]: Webpräsenz Hamburger Morgenpost: http://www.
mopo.de/
[2]: Webpräsenz 917xfm – Hamburgs Musiksender:
http://www.917xfm.de/web
[3]: Webpräsenz Hamburg 1 Fernsehen: http://www.
hamburg1.de/
[4]: Microsite „Lautstark“, ehemals „Hamburg rockt“:
http://www.mopo.de/lautstark/28047694,28047694.
html
[5]: Beispiel Bewerbungsbogen aus 2015: http://www.
mopo.de/blob/view/24990038,24997221,data,Bewerbu
ngsbogen_2014.pdf.pdf
Begriffsklärungen
[A]: Der Aktivierungstrailer dient der auditiven oder audio-visuellen Bewerbung einer bestimmten Aktion im
Hörfunk bzw. Fernsehen. Aktivierungstrailer beinhalten
meist das Audio- oder audiovisuelle Logo der Sendung/
Aktion sowie kurze Informationen über Inhalt, Sendeplatz und Sendezeit..
[B]: Als Teaser bezeichnet man die Ankündigung einer
(Werbe)-Botschaft, die beim Rezipienten Neugier auf
die eigentliche Botschaft machen soll.
Gunnar
nnar Kron startete seine Karriere
Ka
bei Radio Hamburg und ist heute als
geschäftsführender Gesellschafter der
Kronton GmbH aktiv.
30 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Context Design:
User-zentriert, nicht Geräte-zentriert
von Ansgar Mayer
Bei diesem Text handelt es sich um einen gekürzten
und angepassten Buchauszug.
Der historische Wachwechsel fürs digitale Publizieren
ist vollzogen: Mobile ist inzwischen der wichtigste Weg
zur Webnutzung, selbst in den eigenen vier Wänden
gehen viele Nutzer nur noch über Tablets oder eben ihr
Smartphone online und besitzen gar keinen klassischen
Internetanschluss mehr. Forrester sprach in einem weltweiten Report schon 2013 vom „Mobile Mind Shift“ [1]:
was ich mit dem Smartphone tun kann, was zur mobilen
Mediennutzung gehört, ist in diesem Bild als Standard
gesetzt. Immerhin 22 Prozent der Verbraucher hätten
diesen Shift schon hinter sich, gab Forrester bereits
2013 an, Tendenz natürlich steigend.
Dieser Wandel ist wirklich epochal, weil für Nutzer aus
dieser künftigen Standard-Zielgruppe eine Erwartungshaltung gilt, die bereits zum Bestandteil des UnterbeZXVVWVHLQVZLUGÄ,QVWDQWQHHGIXO¿OOPHQW³±LFKZLOOMHGH
Information sofort, sie muss auf jedem Gerät gleich
und synchron funktionieren, ich will direkte Anbindung
an meine Social Communities – kurzum: das Angebot
müsse immer den richtigen Kontext liefern, wie Paul
Jarman, CEO des Beratungsunternehmens inContact
in einem Blogbeitrag für wired.com zusammenfasste
[2]. Was dieser schlichte Satz bedeutet, wollen wir in
diesem Kapitel genauer wissen.
Kundenbeziehungen waren niemals enger als im Mobile-Zeitalter. Mobile Endgeräte sind ein unschlagbarer
Echtzeit-Verbindungskanal zwischen Hersteller/Händler/Marke und Kunde, weil beispielsweise ein Smartphone schon alle Informationen über mich bereithält:
meinen Aufenthaltsort, meine bevorzugten Einstellungen, meine Lieblings-Apps, mein Konsumverhalten (abrufbar als History oder ebenfalls durch Voreinstellungen
meinerseits). Wenn ich es als Nutzer zulasse, meine
Privacy-Einstellungen also entsprechend öffne, kennt
mich meine Lieblingsmarke (fast) so gut wie ich mich
selbst.
Kaum ein Kontext ist für das eigene Verhalten so prägend wie der jeweilige Aufenthaltsort:
‡
Sitze ich gerade im Auto und kann ich mich folglich
nicht zu intensiv auf mein Smartphone (oder Smart
Cockpit) konzentrieren? Oder sitze ich zwar im
Auto, aber auch im Stau, und habe deshalb sogar
‡
‡
großen Bedarf an Smartphone-Nutzung?
%H¿QGHLFKPLFKLQHLQHU)X‰JlQJHU]RQHRGHUHLnem Shoppingcenter und bin somit „umzingelt“ von
Points of Sale?
Bin ich mit Freunden zusammen oder allein?
Der aktuelle Aufenthaltsort, verbunden mit der Uhrzeit
und meinen Alltagsroutinen (bin ich um diese Zeit immer an diesem Ort?) liefert bereits eine perfekte Basis, um erste Kontextualisierungen vorzunehmen. Man
spricht von Location-based Services, also ortsbezogenen Angeboten und Diensten.
Forrester Research befragte 2013 weltweit Entscheider
aus Unternehmen der Top1000, die das Wirtschaftsmagazin Fortune jährlich veröffentlicht. 73 Prozent der
Befragten erklärten, dass Ihr Unternehmen bereits eine
Locations-based-Services-Strategie besitze, weitere 56
Prozent gaben an, dass sie bereits dabei seien, diese
Strategie umzusetzen oder sie schon umgesetzt hätten.
In Zukunft würden auch Mediennutzer mit ihren Smartphones und Tablets viel mehr tun (wollen). Man denke
nur an Second-Screen-Funktionen, die Aufschluss über
den eigenen TV-Konsum geben. Oder an alle Dienste
im Zusammenhang mit Connected Car (persönliches
Fahrverhalten) und Connected Home (Energiebilanz,
Home-Entertainment-Wünsche etc.). Hinzu kommt,
dass in die Geräte selbst immer mehr Messinstrumente
integriert werden. Sensoren, Barometer, Mikrobolometer (zur Messung elektromagnetischer Strahlung, auch
in Wärmebildkameras im Einsatz) sammelten permanent Daten und Informationen über den Nutzer, sein
Verhalten und sein Nutzungsumfeld – die Context-Matrix wird immer enger und treffgenauer.
Klingt das nach Big Brother? Ohne Frage. Und vor dem
Hintergrund der fortwährenden Debatte über Datenschnüffeleien von Geheimdiensten und immer wieder
auftauchender Datenlecks bei sozialen Plattformen
oder im Kleingedruckten von Apps bleibt dieses Thema
gerade in Europa sehr sensibel.
Doch der gigantische Erfolg von Loyalty-Programmen
wie Payback macht deutlich, wie offen Kunden auch in
Deutschland Einblick in ihr Kaufverhalten gewähren,
wenn sie sich davon einen direkten Nutzen versprechen.
In Spanien, Großbritannien und Österreich haben bereits erste Versicherungsunternehmen begonnen,
31
Telematik-Dienste in ihre Kfz-Versicherungstarife zu
integrieren. Autofahrer, die kleine Datenspeicher in
ihr Fahrzeug einbauen und ihr Fahrverhalten auf diese Weise messen lassen, können umgekehrt bei den
Versicherungsprämien sparen oder durch umweltbewusstes Fahrverhalten zusätzliche Boni erhalten. Bei
der österreichischen UNIQA-Gruppe heißt der entsprechende Tarif „SafeLine“ und umfasst unter anderem einen „Crash-Sensor“, der Unfälle automatisch der Versicherung meldet. Im Gegenzug erhalten die Kunden
Rabatt auf ihre Kaskoversicherung.
In Deutschland bietet die SparkassenDirektversicherung mit „S-Drive“ in Zusammenarbeit mit dem Mobilfunkkonzern Telefónica erstmals einen Telematik-gestützten Service an: Kunden, die eine Telematik-Box in
ihr Fahrzeug einbauen lassen, erhalten ebenfalls Rabatt, wenn sie umweltbewusst und risikoarm fahren.
Niemand kennt uns besser als unser Smartphone. Darüber kommunizieren wir mit dem Hotelzimmer, dem WaUHQNRUERQZLHRIÀLQHXQVHUHP)HUQVHKHUGHU%DQN
der Parkuhr, unserem Auto und unseren Laufschuhen.
Eben deshalb lautet die dringende Empfehlung an Medienstrategen, sich schleunigst über context-bezogene
3URGXNWH*HGDQNHQ]XPDFKHQXQG]XGH¿QLHUHQZR
genau die Schnittstellen für das „Lebensmodem“ Smartphone in der Beziehung zu den eigenen Kunden liegen.
Content (und Service) Strategy
Der Thinktank MedienRat-Institut, den ich 2004 mit aus
der Taufe gehoben habe, veröffentlicht einmal jährlich
ein Experten-Panel, das sich mit den Meta-Trends und
grundsätzlichen Entwicklungstendenzen des neuen
Jahres befasst. In der Ausgabe für 2014 diskutierten
die Experten auch die Bedeutung des Begriffspaares
Context und Content. Ein Teilnehmer legte sich fest:
„Ich teile die Ansicht, dass Context wichtig ist. Dennoch
wird hochwertiger Content wichtig – und noch wichtiger
LVWGDQQGHU]LHOJUXSSHQVSH]L¿VFKHSDVVHQGH&RQWHQW
Wem es gelingt, seine Zielgruppe genauer zu erreichen
und zu binden als andere, und dies mit passendem
Content, wird gewinnen. Beides hängt auch zusammen:
Die richtige Zielgruppe erreiche ich auch mit richtigem
Content im richtigen Context.“ [3]
Die wachsende Bedeutung von Kontexten wurde auch
in diesem Panel bestätigt – umgekehrt vertrat auch im
Mediatrend 2014 die Mehrheit der Befragten die Meinung, dass deshalb dennoch auch die Inhalte selbst
wichtig bleiben. „Ohne Content kein Context“, spitzte
ein Teilnehmer die Fragestellung zu.
Professor Toshihiko Miura, der sich an der Chuo University in Tokio mit Verbraucherverhalten befasst, kam
in seiner Studie „Context Design Strategy“ zu dem Er-
gebnis: Basis sind immer individuelle Produkte (= Content), die aber künftig, um sich erfolgreich am Markt zu
behaupten, in einem Context platziert werden müssen,
den eine Geschichte oder ein Stil („lifestyle“) beschreibe [4].
Als Beispiel nannte er den japanischen Teefabrikanten
Suntory und dessen Produkt „Iyemon“ (= Content). Im
Großen und Ganzen unterscheide sich dieser Content
wenig von den anderen Tees – sehe man einmal von
den üblichen Qualitätsversprechen des Herstellers ab.
Suntory habe seinen Tee aber in einen besonderen
Context gesetzt, indem er den Verkaufskarton einem
Bambusrohr nachgestaltete und somit an die große
Traditionsgeschichte des japanischen Tees anknüpfte.
Content wirkt durch Context. Doch gehen wir noch einmal einen Schritt zurück: Organisieren, Selektieren und
Informieren sind die ersten drei Schritte des OSIT-Modells. Wer die ideale User-Journey erkennen und den
Kunden immer im richtigen Context erreichen will, muss
bei der Organisation und der Optimierung seiner Inhalte
anfangen.
'DV %HUDWXQJVXQWHUQHKPHQ %UDLQ 7UDI¿F LQ 0LQQHDpolis hat sich seit vielen Jahren auf „Content Strategy“
spezialisiert und hilft Unternehmen, den richtigen Weg
IUGLHHLJHQHQ,QKDOWHLP:HE]X¿QGHQ'DEHLJHKWHV
nicht um das Aufhübschen eines Youtube-Kanals oder
die Suchmaschinen-Optimierung der UnternehmensWebseite, sondern ganz grundsätzlich um die Frage:
Was wollen wir mit unseren Inhalten erreichen?
Kristina Halvorson, CEO und Gründerin von Brain Traf¿FVDJWEHU&RQWHQWHUVFKDIIHHPRWLRQDOH%H]LHKXQgen zwischen Menschen. Wer Inhalte erstelle, mache
dies mit Herz und Geist, wenn die Inhalte stimmen
und den Leser erreichen, lasse er sich tiefer auf eine
Webseite ein und nutze die angebotenen Links.
6FKRQGLHULFKWLJH:DKOXQG3ÀHJHYRQ&RQWHQWLVWDOVR
ein erster Schritt, den Nutzer oder Kunden zu erreichen
und ihm glaubhaft zu begegnen. Inhalte im weiteren
Sinne, also nicht nur Texte und Bilder, sondern auch
Waren und Dienstleistungen (die ebenfalls Inhalt eines
Geschäftsmodells sein können) stehen für diese Chance, eine emotionale Bindung herzustellen.
Es hängt dann vom Context ab, in den sie gebettet werden, ob daraus eine effektive Kundenbeziehung wird,
der Kunde also schlussendlich auch Geld in die Hand
nimmt.
Ziel von erfolgreichem Context-Design muss es sein,
die nötigen Strukturen zu schaffen, um diese Geschichten erzählen zu können, die Inhalte so zu inszenieren,
dass sie genau an diesem Ort zu genau diesem Zeitpunkt für genau diesen Nutzer genau passen. So einfach ist es. Zumindest in der Theorie.
32 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
2010 schrieb Halvorson ein bestechendes Handbuch
„Content Strategy“ [5] und verriet dabei auch, sie habe
bisher noch kein einziges Business Beispiel gefunden,
mit dem eine „Content Strategy Success Story“ zu hundert Prozent belegt werden könne. Man könne den erfolgreichen Return on Investment leider nicht pur an
den Inhalten und der dazugehörigen Strategie festmachen, so Halvorson. Dieses Eingeständnis soll ein wenig Druck aus diesem Abschnitt nehmen, aber keinen
falschen Eindruck hinterlassen: Auch ich bin fest davon
überzeugt, dass eine Content- und Service-Strategie
unerlässliche Voraussetzung für den Erfolg von Context-Business ist.
Im Zuge von Big Data lassen sich immer mehr Effekte
messen und untersuchen. Das gilt natürlich auch für die
Content-Strategie.
Context Design – wie alles begann
Als wir uns bei Computer Bild Digital 2013 an die Konzeption eines umfassenden Online-Relaunchs machten, war klar, dass wir im ersten Schritt stark an der Optik des Portals arbeiten müssten. „Computer Bild“ ist die
stärkste Tech-Medienmarke Europas, www.computerbild.de gehört zu den größten journalistischen OnlineAngeboten in Deutschland und liegt regelmäßig in der
Top10 der AGOF-Messung.
Dennoch war www.computerbild.de im äußeren Erscheinungsbild etwas in die Jahre gekommen. Ein Gra¿N7HDPXP7RUVWHQ7DPVIRUPXOLHUWHGDUDXIKLQYLVXHOle Ansprüche an den künftigen Auftritt, zusammen mit
dem IT-Vorreiter freiheit.com („‘Silicon-Valley-Style‘ trifft
deutsche Ingenieursqualität“) machten wir uns daran,
eine gigantische Server-Struktur aufzusetzen, die nur
ein Ziel verfolgen sollte: Wir wollten jede einzelne Idee,
jedes Pixel, jedes Feature, das im Zuge des Relaunchs
online gehen sollte, vorher aufwendig und in allen denkbaren Konsequenzen testen: Welcher Besuchertypus
spricht auf welches Navigationselement an? Welches
Strukturelement lädt am ehesten dazu ein, weitere Artikel aufzurufen? Wie zieht man Nutzer optimal aus einer Bildergalerie in den dazugehörigen Artikel? Was ist
zu tun, damit Besucher, die über einen Facebook-Link
oder eine Google-Suche kommen, tiefer in unser Angebot eintauchen?
Schon von Anfang an verließen wir mit diesem Ansatz
den Weg des klassischen Webdesigns, bei dem Layout
und Benchmarking im Vordergrund standen. Wir wollten messen. Alles.
Nach dem Rebrush wollten unser CTO, Marc Mesgarzadeh, und ich möglichst rasch den nächsten Schritt
gehen und „Mobile Responsive“ umsetzen: www.computerbild.de sollte auf allen mobilen Endgeräten optimal
aufbereitet und dargestellt werden.
Klar wurde uns in diesem Prozess aber auch, dass
dieser nächste Schritt nicht unseren Ansprüchen genügen konnte. Schon zu diesem Zeitpunkt verfügten
wir aus der Zusammenarbeit mit freiheit.com über ein
umfassendes Instrumentarium an Messtechniken – wir
konnten erkennen, was unsere Nutzer in welcher Situation wollten, mit welchen Geräten sie auf unser Angebot zugriffen und an welchen Stellen wir sie zu diesem
Zeitpunkt noch enttäuschten (die berüchtigte „Bounce
Rate“ in den Webanalytics, also die Absprungquote von
bestimmten Seiten).
Vor diesem Hintergrund müsste es bei der mobilen Nutzung möglich sein, Angebote nicht nur technisch, sondern auch inhaltlich optimiert auszuspielen – eben context-relevant. Unser Musterbeispiel dafür wurde rasch
die Produktdatenbank. In diesem Beratungstool haben wir zehntausende von Elektronik-Produkten – von
Smartphones über TV-Geräte und Tablets bis zu Spielekonsolen, Staubsaugern und Espresso-Maschinen
– aufbereitet, mit Detailinformationen, Testnoten und
Preisvergleichen in Echtzeit. Die Produktdatenbank ist
somit zu einer unserer Herzkammern geworden – sie
steht für unsere Unabhängigkeit und Test-Kompetenz.
Der Context-Beispielfall, den wir für die ProduktdatenEDQN GH¿QLHUWHQ :HQQ HLQ 1XW]HU$ JHUDGH LQ HLQHP
Elektronik-Fachmarkt ist und dort auf unser Angebot
zugreift, also beispielsweise www.computerbild.de über
einen mobilen Webbrowser nutzt, ist die Wahrscheinlichkeit immens hoch, dass er (oder sie) in genau diesem Moment eine Produktinformation sucht oder ein
konkretes Produkt vergleichen möchte: Ist das Angebot
vor Ort wirklich so günstig, wie es mir dieser Fachmarkt
oder ein bestimmter Verkäufer gerade weismachen
wollen?
In genau diesem Fall müsste es ausreichen, dass der
Nutzer computerbild.de eingibt, und trotzdem nicht auf
der Startseite, sondern direkt in der Produktdatenbank
landet. Kontextualisiert – weil er in diesem Moment mit
diesem Feature am meisten anfangen kann.
Wenn wir dank unserer Mess-Infrastruktur noch mehr
über den Nutzer wissen, könnte sogar die entsprechende Kategorie angeboten werden. Wer sich zuletzt auf
XQVHUHU6HLWHEHVRQGHUVKlX¿JEHUHQHUJLHVSDUHQGH
Waschmaschinen informiert hat, steht jetzt vielleicht
gerade in der Weiße-Ware-Abteilung des Fachmarktes
und will noch mal alle Informationen, die wir als unabhängige Plattform zusammengestellt haben.
Auch unsere Download-Plattform mit Software, Apps
und Spielen könnte nach diesem Prinzip neu aufbereitet werden: Wer mobil zugreift, erhält nur Software, die
für genau sein Betriebssystem passt – auch hier wieder
33
JHNRSSHOWDQVHLQ1XW]HUSUR¿OZHQQXQV,QIRUPDWLRQHQ
dazu vorliegen und eine Freigabe seitens des Nutzers
vorliegt (eine so genannte „Cookie-Acceptance“).
In diesen strategischen Überlegungen wurde bei uns
GHU %HJULII Ä&RQWH[W'HVLJQ³ HUIXQGHQ XQG GH¿QLHUW
Seitdem arbeiten wir mit unseren Teamchefs Nina
Winter und Marco Gremmel sowie vielen großartigen
Kollegen an der Umsetzung des Plans. Wir waren bei
Drucklegung dieses Buches noch nicht am Ziel – vielleicht kann ein Projekt dieses Umfangs auch gar nicht
endgültig ans Ziel kommen. Aber ich bin schon zu diesem Zeitpunkt sehr stolz über unsere Analysen und die
weitere Roadmap, die ich an dieser Stelle aber nicht im
Detail offenlegen kann, sorry.
Nur so viel noch: Context Design gilt bei einem journalistischen Portal wie www.computerbild.de natürlich auch
für die redaktionellen Inhalte. Auch hier wollen wir künftig in der Lage sein, zielgenau die Inhalte auszuspielen,
die den jeweiligen Nutzer in seiner aktuellen Situation
an meisten interessieren. Einen Tunnelblick werden wir
trotzdem vermeiden – auch das ist eine Frage von Business Intelligence.
Learnings
‡ 0RELOH.XQGH HUZDUWHW Ä,QVWDQW QHHG IXO¿OOPHQW³
Jede Information sofort, sie muss auf jedem Gerät
gleich und synchron funktionieren, direkte Anbindung an die eigenen Social Communities – kurzum:
das Angebot muss immer den richtigen Kontext liefern.
‡ Convenience dirigiert auch die Medienwirtschaft:
User bevorzugen immer das bequemste Angebot.
Im mobilen Umfeld bedeutet das: Sie wollen Service, der unmittelbar und einfach funktioniert und
immer genau weiß, was man in der aktuellen Situation braucht.
‡ Immer mehr Kunden gewähren vertrauenswürdigen Business-Partnern Tiefen-Zugriff auf eigene
Nutzungsdaten, wenn im Gegenzug ein direkter Tarif- oder ein Convenience-Vorteil winkt.
‡ Vor dem Context kommt Content – für die eigenen
Inhalte, Angebote und Services muss es ebenfalls
eine klare Digitalstrategie geben.
Hinweis
Bei diesem Text handelt es sich um einen gekürzten
und angepassten Auszug aus:
Mayer, Ansgar (2014): Context Business. Neue Umsatzpotenziale durch Kontextualisierung. Springer Gabler: Wiesbaden.
E-Book: http://www.springer.com/gp/book/9783658054472
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des
Springer Gabler Verlages.
Literaturverzeichnis
[1] Forrester Research (Hg., 2013): The Mobile Mind
Shift Index. Measuring And Analyzing The Shift In
Consumers‘ Expectations, https://www.forrester.com/
The+Mobile+Mind+Shift+Index/fulltext/-/E-RES95941.
[2] Jarman, Paul (2013): Reaching the Holy Grail
of Context: Mobile Customer Experience, http://insights.wired.com/profiles/blogs/reaching-the-holygrail-of-context-mobile-customer-experience?xg_
source=activity#axzz3TPtBaPy3.
[3] MedienRat-Institut (Hg., 2014): Mediatrend 2014.
Entwicklungen in der Medienwirtschaft, http://medienrat-institut.de/Studien.html.
[4] Miura, Toshihiko (2013): From Contents to Context:
The Potential of Context Design Strategy, http://www.
yomiuri.co.jp/adv/chuo/dy/opinion/20130212.html.
[5] Halvorson, Kristina (2010): Content Strategy for the
Web. New Riders: Berkeley.
Ansgar Mayer ist Journalist und arbeitet
ar
DOV&KLHI3URGXFW2I¿FHUEHLGHU
Computer Bild Group
34 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Webradio kommt ins Auto
von Christian Bollert
Radio und Auto – das passt einfach zusammen. Zumindest ist das in den letzten Jahrzehnten immer so
gewesen. Nirgendwo hören die Menschen so intensiv
und so viel Radio wie im Auto. Ist doch Autofahren eine
Beschäftigung, die volle visuelle Aufmerksamkeit verlangt, das Ohr jedoch nur selten fordert. Das Radio hat
das Auto einst sogar noch vor der Kassette oder der CD
erobert. So manch Urlaubsfahrt und Ehe mag vom Radio gerettet worden sein. Ich kann mich noch gut an das
Alpha Radio von Volkswagen erinnern, manch anderer
denkt vielleicht an Grundig oder Blaupunkt.
Seit einigen Jahren bröckelt aber diese scheinbar so
perfekte Beziehung zwischen Auto und Radio. Denn
Autofahrer bringen ihre eigenen Geräte mit ins Auto
und schalten das Radio gar nicht mehr an. Stattdessen
hören sie ihre Lieblingsmusik oder Podcasts über mp3Player oder das Smartphone. Das Autoradio stellt dann
oft nur noch die Boxen für den selbst mitgebrachten
Audio-Inhalt der Fahrer. Außerdem arbeiten die Autohersteller daran, dass Internet ins Auto zu bekommen.
Unter dem Schlagwort „connected car“ werden heute
onlinebasierte Services gern zusammengefasst. Es gibt
sogar schon Studiengänge zu diesem Thema. Die Hersteller versprechen sich von Internet im Auto konkrete
Mehrwerte wie genauere Navigation, Kommunikation
zwischen den Autos und natürlich ganz neue mediale
Möglichkeiten. Könnten doch mit Internet im Auto die
Kinder auf dem Rücksitz youtube-Videos schauen und
der Beifahrer seine Social Media Kanäle checken. Beim
Fahrer kommt dann wieder das Radio ins Spiel. Denn
so lange es das selbstfahrende Auto nicht als Realität
auf unseren Straßen gibt, so lange wird der Fahrer keine Videos gucken und auch nicht surfen können. Aber
er kann natürlich weiterhin Radio hören. Ist das Internet
jedoch erst einmal im Innenraum des Autos angekommen, beschränkt sich die Auswahlmöglichkeit des Fahrers bei den Radiosendern nicht mehr auf zehn oder
15 Stationen. In diesem Moment hat er oder sie Zugriff
auf eine fast unbegrenzte Zahl an Webradios. Was wird
wohl passieren?
Vermutlich wird er sich ab diesem Moment viel bewusster für einen Sender entscheiden. Er wird nicht mehr
das hören, was ihn am wenigsten nervt, sondern er wird
das hören, was ihm am besten gefällt. Aus dem Dudelfunk wird ein Einschaltradio. Was vielleicht für einige
noch wie eine Utopie klingt, ist jedoch in den neueren
Modellen vieler Autohersteller längst Realität. In großen
Städten oder Ballungsgebieten ist die mobile Internetversorgung längst stabil genug, um einen Audiostream
im Auto zu hören.
Während einige Hersteller bisher noch auf relativ geschlossene Systeme gesetzt haben, gehört Ford zu
den Herstellern, die sich dem Nutzer sehr weit öffnen.
Ford agiert nach dem Motto „Bring your own device“.
Sie gehen also davon aus, dass sowieso jeder Nutzer
bereits ein Smartphone besitzt und ins Auto mitnimmt.
Die Bedienung des Smartphones im Auto während der
Fahrt ist jedoch verboten. Deshalb bietet Ford App-Entwicklern die Möglichkeit, ihre App soweit zu erweitern,
dass die Anwendung über Sprache, das Bedienfeld und
das Lenkrad des Autos gesteuert werden kann. Dafür
müssen App-Entwickler ihre App an einigen Punkten
erweitern und anpassen. In Deutschland hat das bisher
nur eine handvoll Medienanbieter getan. Dazu zählen
der Springer-Konzern mit der Welt sowie Spotify und
der Radioplayer der privaten Radioanbieter. Seit diesem Jahr sind auch wir vom deutschlandweiten Onlineradio detektor.fm mit unseren Apps für Android und
iOS mit dabei.
Wir gehen davon aus, dass detektor.fm-Hörer ihr Lieblingsradio nicht nur am Computer, im heimischen WLAN
oder auf dem Smart-TV genießen wollen, sondern auch
im Auto. Mit der Erweiterung der App für das FordSystem (SYNC mit AppLink) eröffnen wir ihnen diese
Möglichkeit. detektor.fm schafft damit den Sprung in die
wohl letzte Bastion des klassischen UKW-Radios, ins
Auto. Hörer koppeln ihr Telefon einfach mit dem Auto
und können über Sprachbefehle, die Bedienelemente
am Lenkrad und das Audiosystem verschiedene Funktionen der App nutzen. Natürlich sind unsere beiden
Streams (Wort- und Musikstream) im Auto hörbar. Daneben können Nutzer auch einzelne Beiträge und Podcasts auswählen. Besonders interessant für Autofahrer
LVWGLH2IÀLQH)XQNWLRQIUUHJLVWULHUWH1XW]HU'HQQ%HLträge lassen sich damit schon vor der Fahrt herunterladen und auch ohne mobile Datenverbindung im Auto
abspielen. Jeder Fahrer erhält zusätzlich, wie auch auf
allen anderen Plattformen von detektor.fm, Informationen zum aktuellen Thema oder Song.
35
Foto: detektor.fm-App im AppLink von Ford im Test
Das Internet im Auto wird auch dort zu einem Medienwandel führen und die bisherige Nutzung verändern.
Für neue Anbieter wie Streamingplattformen oder
Webradios ist das eine große Chance, für etablierte
UKW-Radios ist das vermutlich eher ein Risiko. Bekommen sie doch Konkurrenz. Die schlechte Nachricht für
etablierte Anbieter: Das Internet im Auto wird kommen,
da führt kein Weg dran vorbei. Die Verbreitung und Nutzung wird in den nächsten Jahren exponentiell steigen,
so wie wir es bereits bei den Smartphones gesehen haben. Jetzt gilt es, Konzepte und Strategien zu entwikkeln, wie Radiosender bei der wachsenden Konkurrenz
noch relevant bleiben. Dazu gehören sicher auch Konzepte für eigene Apps für das vernetzte Auto. Natürlich
sollte man auch schauen, was die großen TechnologieKonzerne wie Apple und Google machen. Denn das
vernetzte Auto ist für sie einer der nächsten großen
Märkte. Sie arbeiten bereits mit Hochdruck zusammen
mit Autokonzernen an weiteren Lösungen. Höchste Zeit
für Radios, eigene Lösungen zu präsentieren
Christian Bollert ist G
Geschäftsführer
eschäf
äftsfü
führe der
BEBE Medien GmbH.
Diese betreibt den Radiosender
detektor.fm.
36 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Buchrezension:
InDesign CC. Das umfassende Handbuch
von Mara Seupel
'LH =HLWHQ GHU NlXÀLFK ]X HUZHUEHQGHQ 3URGXNWH GHU
Creative Suite sind vorbei. Einzelne Programme oder
„all you can eat“ heißt es nun mit der Einführung der Adobe Creative Cloud (CC). Das Software-as-a-ServiceAngebot von Adobe Systems ermöglicht dem Benutzer,
einzelne Programme oder ein Komplett-Paket zu mieWHQ,QGLHVHP=XJHZXUGHHLQH1HXDXÀDJHGHV
InDesign Handbuches herausgebracht.
„Adobe InDesign CC – Das umfassende Handbuch“
wird seinem Titel gerecht, wenn man das 1200 Seiten
lange und 3 kg schwere Buch vor sich liegen hat. In 45
Kapitel vermitteln die Autoren Schneeberger und Feix
,Q'HVLJQ 3UR¿V *UXQG XQG 6SH]LDOZLVVHQ XQWHU DQGHUHPDXVGHQ%HUHLFKHQ7HFKQLN7\SRJUD¿H/D\RXW
und Produktion von Daten für den Printbereich. Hierbei
liegt der Fokus auf den technischen Implementierungen
von Abläufen und Prozessen. Die Autoren betonen zu
Beginn, dass das Handbuch keine gestalterischen und
kreativen Tipps liefert.
Nach 34 Seiten Inhaltsverzeichnis und einer kurzen
Einführung in die Creative Cloud, folgt im ersten Teil
des Buches eine ausführliche Erläuterung zur Einrichtung von InDesign. Auch hier gehen die Autoren auf die
Installation über die Creative Cloud ein. Alle Voreinstellungen werden mittels Screenshots und persönlichen
Empfehlungen detailliert beschrieben. Ebenso wird die
$UEHLWVREHUÀlFKHGHV3URJUDPPHVPLWDOOHQ]XJHK|ULgen Bedienfeldern, Werkzeugen, Menüs und Arbeitsbereichen erläutert.
Teil II und III widmen sich dem Anlegen und Organisieren des Layouts sowie dem Einfügen und Bearbeiten
von Text- und Bild. Hier werden ganz klar Einsteiger angesprochen, die bei der richtigen Wahl und Einrichtung
des Dokumentes unterstützt werden.
Einen Schritt weiter geht es im nächsten Teil des Handbuches. Dort werden in sechs Kapiteln unter anderem
die Grundlagen der Text- und Tabellenformatierung erläutert und zum besseren Verständnis mit vielen AbbilGXQJHQXQWHUVWW]W:LHGLH(I¿]LHQ]ODQJHU'RNXPHQte hinsichtlich Querverweise, Fußnoten etc. gesteigert
werden kann, wird im Teil 5 dokumentiert.
Spezieller wird es im weiteren Verlauf des Handbuches
für InDesign CC mit der Anpassung von Dokumenten
für verschiedene Ausgabekanäle. Neben der klassischen Printproduktion werden auch Anpassungen für
interaktive Dokumente und Animationen beschrieben.
Hier wird vom Leser etwas Erfahrung vorausgesetzt.
Der vorletzte Teil des Handbuches ist vor allem für Fortgeschrittene interessant. Hier geht es um die Automatisierung von InDesign. Begriffe wie GREP und DataPublishing sollten weitestgehend bekannt sein. Weitere
Kapitel befassen sich mit Skripten und Publishing mit
XML. Hier kann der Leser kostengünstig ProgrammerZHLWHUXQJHQ YRUQHKPHQ XP VSH]L¿VFKH 3UREOHPH ]X
lösen.
Das Handbuch schließt mit dem Infoteil ab, in dem neben Tastenkürzeln und Zeichencodes auch ergänzende
Plug-ins und Zusätze für InDesign CC erläutert werden.
'LH /LQNV ]XP (UUHLFKHQ GHU =XVDW]VRIWZDUH EH¿QGHQ
sich zusätzlich auf der beiliegenden DVD, was mühseOLJHV$EWLSSHQ EHUÀVVLJ PDFKW 2E GLH 3OXJLQV NRVWHQIUHL RGHU NRVWHQSÀLFKWLJ VLQG ZLUG OHLGHU QLFKW PLW
aufgeführt.
Neben vielen farbigen Screenshots, welche das Textverständnis erhöhen, gibt es auf jeder Seite eine Marginalspalte mit Hinweisen, Empfehlungen und Tipps,
aber auch kritischen Betrachtungen. Erklärungen sind
37
detailliert und bauen logisch aufeinander auf. Jedes Kapitel hat eine andere Farbe, so dass man sich bei dem
KRKHQ 6HLWHQXPIDQJ VFKQHOOHU ]XUHFKW¿QGHW DXFK EHL
zugeklapptem Buch).
:RUNVKRSV 6FKULWWIU6FKULWW$QZHLVXQJHQ ¿QGHQ /Hser und Leserinnen immer wieder in den einzelnen Kapiteln. So kann das theoretisch Beschriebene Schritt für
Schritt umgesetzt werden. Auf der beiliegenden DVD
EH¿QGHW VLFK QHEHQ YHUVFKLHGHQHQ 6HWWLQJV9RUJDEHQ
(z.B. Arbeitsbereiche, Farbmanagement) auch eine
Sammlung an Beispielmaterialien. Diese sind in die dazugehörigen Kapitel gegliedert und gehen von Grundlagenlayouts für Bücher bis zu Beispielen für Kleinanzeigen. Einen Pluspunkt gibt es für über eine Stunde Videolektionen und zusätzliches Übungsmaterial.
Neben dem Learning by Doing für Einsteiger geht das
Handbuch auch in die Tiefe, so dass auch FortgeschritWHQH 3UR¿V RGHU 8PVWHLJHU DXI LKUH .RVWHQ NRPPHQ
„Adobe InDesign CC – Das umfassende Handbuch“
ist somit ein optimales Nachschlagewerk für Einsteiger
aber auch für Fortgeschrittene.
Hans Peter Schneeberger und Robert Feix. Adobe InDesign CC - Das umfassende Handbuch. Rheinwerk Verlag
(früher Galileo Press), Bonn. ISBN-13: 978-3836224505
Mara
ara Seupel ist wissenschaftliche
wissenschaf
Mitarbeiterin am Fachgebietes
Kommunikationswissenschaft an der TU
Ilmenau.
38 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
Buchrezension: PDF in der Druckvorstufe.
Das umfassende Handbuch
von Paul Klimsa
Es gibt Softwaretechnologien über die wir uns als normale Anwender keine Gedanken machen. Meist sind
das diejenigen Technologien, die im Hintergrund ihren
Dienst verrichten und Daten erzeugen, wie wir das erwarten. Zu solchen Technologien gehören PostScript
und PDF, die uns normalerweise still bei der Arbeit
unterstützen. Allerdings ändert sich die Sache relativ schnell, wenn wir professionell einen Druckauftrag
vorbereiten müssen. Keineswegs reicht es aus, nur zu
wissen, an welcher Stelle man einen Menüpunkt anklikken muss, um PDF zu erzeugen. Es sind grundlegende
Kenntnisse von Produktionsabläufen als auch ein solides Hintergrundwissen gefragt.
Wer sein Wissen über PDF (Portable Dokument Format) und PostScript erweitern will, oder daran denkt, die
Produktionsprozesse zu automatisieren und zu optimieren, der kann zum Handbuch „PDF in der Druckvorstufe“ von Hans Peter Schneeberger greifen. Auf über 900
Seiten erhält man dann einen Überblick über grundlegende Technologien und Standards in der Druckvorstufe, über Konzepte zur Erzeugung und Prüfung von PDF,
VRZLH EHU SURGXNWLRQVEH]RJHQH :RUNÀRZV XQG LKUH
Automatisierung. Das Handbuch eignet sich sowohl für
Anfängerinnen und Anfänger im Bereich der Druckvorstufe, als auch für professionelle Anwender und Anwenderinnen, die ihre Arbeit optimieren wollen, oder einfach
,QIRUPDWLRQHQEHUHLQHQ%HJULIIEHQ|WLJHQ:DV¿QGHQ
wir genau in diesem Handbuch?
'HU$XWRUVHOEVWHLQ([SHUWHIU:RUNÀRZVLQGHU'UXFNvorstufe, stellt zuerst PostScript und PDF vor und erklärt anwendungsbezogen die Unterschiede zwischen
beiden Begriffen. Die Installation sowie die Grundeinstellungen von Acrobat-Pro oder von Zusatzsoftware
wie PitStop Pro und callas pdfToolbox werden so dann
nachvollziehbar beschrieben. Da in der Praxis solche
Technologien, wie Kompression von Daten, digitales
)DUEPDQDJHPHQW RGHU )RQWV UHJHOPl‰LJ (LQVDW] ¿Qden, werden sie im Handbuch aufgegriffen und auf ihre
%HGHXWXQJIUGLH:RUNÀRZVJHSUIW'LH(LQVDW]IHOGHU
YRQ2SHQ3UH3UHVV,QWHUIDFH23,RGHUYRQ-RE'H¿QLtion Format (JDF) runden die Überlegungen über WorkÀRZVDQVFKDXOLFKDE,QVEHVRQGHUHGLH.DSLWHOELV
23 sind beim Verständnis für die Möglichkeiten von PDF
in modernen Produktionsprozessen sehr hilfreich. Hier
¿QGHQZLUHLQHQIXQGLHUWHQhEHUEOLFNEHUEHGHXWHQGH
Einsatzfelder dieses objektorientierten Datenformats.
Das umfassende Werk schließt mit der Beschreibung
YRQDXWRPDWLVLHUWHQ:RUNÀRZVGLHDXI3UIHQ.RUUHNtur und Ausgabe von PDF gerichtet sind. Ein umfassender Index erlaubt die Suche nach allen Begriffen des
Handbuchs. Die Fülle der Information ist insgesamt beeindruckend. Man darf aber nicht erwarten, dass sich
hier die Lösungen für alle Probleme der Druckvorstufe
¿QGHQ'DV%XFKLVWDOV+DQGEXFKXQGGDPLWPHKUDOV
ein Nachschlagewerk konzipiert, denn als eine umfasVHQGH3UD[LVKLOIHIUGLH2SWLPLHUXQJYRQ:RUNÀRZVLQ
GHU'UXFNYRUVWXIHJHGDFKW'LH:RUNÀRZVZHUGHQ]ZDU
stets aufgegriffen oder es wird auf sie verwiesen, sie
ergeben sich in dem vorliegenden Buch allerdings als
Folge des Einsatzes von PDF und können dadurch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Dies mindert
keineswegs den Wert des Handbuchs.
Als ich in der Mitte der 80er Jahre den Aufstieg von
PostScript in kleinen Betrieben der Druckvorstufe erlebte, war ich mir wegen der Mächtigkeit dieser Programmiersprache sicher, dass in der nahen Zukunft die
Druckvorbereitung vollständig digital sein wird. In Zeiten von MS DOS 3.0 war sich die Druckbranche noch
einig, dass PageMaker und PostScript keine großen
Erfolgsaussichten haben. Inzwischen ist PostScript
und das darauf aufbauende Folgedatenformat PDF ein
fester Bestandteil der Druckvorstufe und der entspreFKHQGHQ:RUNÀRZV'DVYRUOLHJHQGH+DQGEXFKPDFKW
es besonders deutlich.
Hans Peter Schneeberger. PDF in der Druckvorstufe.
Das umfassende Handbuch. Rheinwerk Verlag (früher
Galileo Press), Bonn. ISBN 978-3-8362-1750-7
Paul Klimsa
msa ist Leiter des Fachgebietes
Fachgeb
Multimediale Kommunikation an der TU
Ilmenau und Mitherausgeber der Online
Zeitschrift Medienproduktion .
39
Impressum
Herausgeber:
Prof. Dr. Paul Klimsa
Prof. Dr. Heidi Krömker
(paul.klimsa(at)tu-ilmenau.de)
(heidi.kroemker(at)tu-ilmenau.de)
Chefredaktion:
Dipl.-Ing. Mara Seupel
(mara.seupel(at)tu-ilmenau.de)
Redaktion:
Dr. phil. Marcel Norbey
(marcel.norbey(at)tu-ilmenau.de)
http://www2.tu-ilmenau.de/zsmp/
Anschrift / Besucheradresse:
Technische Universität Ilmenau
FG Kommunikationswissenschaft
Ehrenbergstr. 29
98693 Ilmenau
Technische Universität Ilmenau
Institut für Medientechnik
FG Medienproduktion
Gustav-Kirchhoff-Str. 1
98693 Ilmenau
PF 10 05 65
98684 Ilmenau
Layout:
Dipl.-Ing. Mara Seupel
Cover:
© by Dipl.-Ing. Mara Seupel, Foto Kopfhörer: Thomas Helbig
ISSN:
2193-7699
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40 Medienproduktion - Online-Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis
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Redaktionsschluss dieser Ausgabe:
10.04.2015
Verantwortlicher für den Inhalt gemäß § 55 Abs. 2 RStV: Prof. Dr. Paul Klimsa und Prof. Dr. Heidi Krömker (Anschrift
wie oben)
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