HANDELSBLATT, Montag, 8. Oktober 2007, 09:24 Uhr Home, suite

Transcrição

HANDELSBLATT, Montag, 8. Oktober 2007, 09:24 Uhr Home, suite
HANDELSBLATT, Montag, 8. Oktober 2007, 09:24 Uhr
Designhotels
Home, suite Home
Von Dirk Engelhardt
Hotels galten bislang nicht unbedingt als Inspiration für die
heimische Inneneinrichtung. Seitdem sich jedoch teils
namhafte Designer am Interieur von Hotelketten beteiligen,
wurden die Möbel allmählich zu begehrten
Einrichtungsgegenständen – und Übernachtungen zum wohnen
auf Probe.
Was Low-Cost-Carrier damit zu tun haben, dass die
Deutschen ihre Wohnungen stilvoller ausstatten? Auch
wenn auf den ersten Blick kein Zusammenhang
vorzuliegen scheint, ist doch in den vergangenen zehn
Jahren ein auffälliger Anstieg der (günstigen)
Städtereisen und der extravagant gestylten Hotels zu
beobachten. Und damit auch der Wunsch, mehr als nur
einen Bademantel oder ein Hotelhandtuch für die
Verschönerung des eigenen Heims mit nach Hause zu
nehmen.
Designstüc
ke zum
Nachkauf:
Das Interieur
des Berliner
"Kudamm
101". Foto:
Archiv
Besonders die USA, Spanien, die Niederlande, die
Türkei und Frankreich zielten mit spektakulären
Häusern wie dem Setay in Miami, dem Delano in
Florida, der Kette „W“ in den USA oder dem Mykonos
Blue in Griechenland auf neue Gästegruppen – und das
bekanntlich erfolgreich. Modedesigner, Maler,
Fotografen, Medienleute und Architekten lieben diese
Hotels – und stilbewusste Zeitgenossen folgen ihnen
nach. Und begannen, den Hotelstil für daheim zu
entdecken. Der Skateboarder Tony Hawk, der auf seinen
Wettbewerben rund um die Welt in vielen Hotels nächtigte, gestaltete
vor zwei Jahren seine Wohnräume neu. Seine Inspiration bezog er von
Hotel-Interieurs.
Das Radisson in Kopenhagen war vielleicht das erste Designerhotel,
dessen Einrichtung man nachkaufen konnte. Schon in den 60er-Jahren
hatte Arne Jacobsen dafür eigens die Sessel „Swan“ und „Egg“
entworfen. Seither zählen sie zu Klassikern der Möbelgeschichte und
finden sich in zahlreichen Privathaushalten, aber auch in Hotels. Das
architektonische Gesamtkunstwerk war eine rühmliche Ausnahme,
aber auch ein früher Wegbereiter einer progressiven Hotelgestaltung.
Doch während sich früher ein Hotel – vom einfachen Haus bis zum
Fünf-Sterne-Palast – quasi einem „Einrichtungs-Dresscode“
unterwerfen musste, trauen sich in letzter Zeit immer mehr Hotelchefs
an künstlerisch gewagte Inneneinrichtungen heran.
Innenarchitektin Yasmine Mahmoudieh, die schon etlichen Luxushotels
ein unverwechselbares Design verliehen hat, durfte sogar das Radisson
Kopenhagen neu gestalten. Das Management gab ihr die Stilvorgabe:
„80 Prozent der Gäste sollen ihn lieben, 20 Prozent sollen ihn hassen.“
„Das fand ich äußerst mutig, und dort hat das Management richtig
erkannt, welches Potenzial in streitbarem Design liegt“, sagt die
Innenarchitektin.
Das von Mahmoudieh gestaltete Radisson SAS am Berliner
Alexanderplatz läuft ebenfalls erfolgreich. „Ein Fototermin im
Hotelzimmer ist leider nicht möglich, oder muss ich sagen: zum
Glück?“ scherzt der Hoteldirektor. Das Haus sei zu 100 Prozent
ausgebucht und das schon seit einer Woche – das Publikum der
Musikmesse Popkomm scheint das Design zu goutieren. Mahmoudieh,
die die Zimmer mit dem spektakulären Blick auf den Berliner Dom in
Wasseroptik gestaltete – passend zu dem gigantischen Aquarium im
Atrium, durch welches ein gläserner Aufzug hindurchfährt – nimmt es
freudig zur Kenntnis.
„Gutes Design macht sich mittelfristig – in diesem Fall auch sehr
kurzfristig – bezahlt“, ist ihre Devise schon seit je. Wobei sie Hotels,
die sich mit dem Label „Designhotel“ schmücken, erst einmal kritisch
gegenübersteht. „Es gibt bereits so viele Kopien und Kopien der
Kopien. Mir kommt es oft so vor, als ob Innenausstatter in Magazinen
blättern und dann die Räume mit diesen und jenen Stücken
schmücken, die insgesamt keine Linie bilden.“ Der rote Faden sei
wichtig, der muss sich erkennbar im Hoteldesign zeigen. Eine Aussage,
ein Statement muss vorhanden sein.
Lesen Sie weiter auf Seite 2: „Probewohnen“ der Inneneinrichtung
„Wenn das der Fall ist, kommen Gäste auch wieder“, so Mahmoudieh.
„Sie entdecken neue Design-Kombinationen und bekommen den
Wunsch, Ähnliches auch in den eigenen vier Wänden zu verwirklichen.“
Das müssen nicht unbedingt nur Möbel sein, auch interessante
Werkstoffe im Bad, Gardinenstoffe oder Tapeten inspirieren Gäste,
weiß Mahmoudieh.
Das scheint besonders gut zu funktionieren, wenn der Inneneinrichter
einen guten Namen hat. So wie im Side Hotel in Hamburg. Das Hotel,
welches 2001 eröffnete, glänzt mit Tischen, Lampen und Schalen des
Star-Designers Matteo Thun. Wer sich beim „Probewohnen“ im
Hotelzimmer zwischen den Stücken mit dem unverwechselbaren
Design wohlgefühlt hat, kann einfach per Internet in der „Side
Collection“ das gewünschte Stück für Zuhause bestellen. Ein kleiner
runder Tisch im Memphis-Stil kostet knapp 2 000 Euro, eine äußerst
dezente Thun-Wandlampe 299 Euro. Weiterhin sind auch Kochbücher,
CDs, Marmeladen, Obstschalen und natürlich Kosmetik erhältlich. Das
originale wollene Bettplaid in brauner Cashmereoptik ist ebenfalls im
Angebot, allerdings fehlt zu Hause meist das Zimmermädchen, um es
fachgerecht hinzuzupfen. Wer möchte, kann sogar das ganze
Hotelzimmer im Paket kaufen, den Preis gibt es auf Anfrage.
Im „25 Hours Hotel“, ebenfalls in Hamburg, haben es die PinguinStehlampen den Gästen offenbar angetan. „Sie waren eine Anfertigung
eines Lampendesigners für uns, doch den Gästen gefielen sie so gut,
dass der gute Mann mittlerweile 20 Stück davon nachfertigen musste“,
erzählt Hotelchef Christoph Hoffmann. Auch die Brionvega Fernseher
seien zurzeit sehr gefragt, von Kunden, die des Flachbild-Hypes
überdrüssig sind.
Manchmal schläft es sich im Hotelbett besser als zu Hause. Auf sein
voluminöses Bett hält die W-Hotel-Gruppe aus den USA große Stücke.
Deshalb ist es in Städten wie Los Angeles, Chicago oder Philadelphia
innerhalb von drei Tagen lieferbar, zum Preis von 1 395 Dollar. Der
Online-Hotel-Shop listet dazu Acrylmöbel, Bettenüberwürfe aus
Chinchilla sowie Home-Accessoires von Alessi, Aalto und Jonathan
Adler auf.
Wer gehobenste Ansprüche für sein häusliches Dekor hat, wird
vielleicht im New Yorker Hotel On Rivington inspiriert. Die Räume
gestaltete die in Paris ansässige, indische Designerin India Mahdavi.
Allein der sagenhafte Blick vom Bisazza-Mosaik-Badezimmer durch voll
verglaste Wände auf die New Yorker Skyline wird nicht mitgeliefert.
Fündig werden anspruchsvolle Gäste auch in den Hotels der MorganGruppe, zu denen das St. Martin’s Lane in London, das Delano in
Florida und das Royalton in New York zählen. Im St. Martin’s Lane gibt
es Designerstücke von Philippe Starck im Hotelshop zu kaufen.
Lesen Sie weiter auf Seite 3: Hotels geben Bezugsadressen heraus
Im Berliner Designhotel Kudamm 101, gestaltet vom Büro Vogt und
Weizenegger, stehen in der Lobby die „Pony Chairs“ von Eerio Aarnio,
im Garten bildet das Ensemble „Yogi“ aus grünem Sofa und Tisch mit
den in den 30er-Jahren von Hans Coray entworfenen LeichtmetallStühlen einen Kontrast. „Wir haben hin und wieder Anfragen von
Gästen, die sich nach Objekten oder Materialien erkundigen“, sagt
Marketing-Direktorin Julia Tismer. Diese werden vom Hotel mit einer
Liste beantwortet, auf der sämtliche Bezugsadressen verzeichnet sind.
Das Architektenteam Graft richtete in Berlin das Hotel Q ein. Mit
seinen geschwungenen Tresen in knalligen Farben und den
Badewannen, die direkt neben den Betten platziert sind, war es in aller
Munde. Wenn auch die Gestaltung mit Möbeln, die teils aus den
Wänden zu wachsen scheinen, nicht für jeden Gast als Inspiration für
den Ausbau des eigenen Schlafzimmers sein wird, gibt es doch
Nachfragen nach Einrichtungsdetails. „Viele fragen uns nach den
Armaturen im Bad, die sind von Grohe“, sagt Hotelchefin Eva Maria
Gerstner. Sehr gut laufe auch die brandneue Modekollektion des
Hauses, die an Schaufensterpuppen in der Lobby zu besichtigen ist.
„Ich bin aber der Meinung, ein Hotel ist ein Hotel ist ein Hotel“, sagt
Gerstner. „Wir verstehen uns eher als Lebensgefühl denn als
Einrichtungshaus.“ Zudem sei die Inneneinrichtung von Graft nicht für
jeden Geldbeutel erschwinglich. Trotzdem, einige gut situierte Kunden
lassen sich auch ihre Wohnung von Graft gestalten – wie Brad Pitt, der
sich unter anderem ein Studio und ein Gästehaus von den trendigen
Architekten einrichten ließ.
Natürlich gibt es Hoteldesign zum Nachwohnen nicht nur in
Designerhotels. Konsequent bis zum Letzten ist man im Hotel Schloss
Frauenmark, einem spätklassizistischen Kleinod im gleichnamigen Ort
in der Nähe von Schwerin. „Alles, was nicht niet- und nagelfest ist,
können Gäste mit nach Hause nehmen“, sagt Hotelchefin Petra
Rotenberg. Die meisten Zimmer sind mit Repliken antiquarischer Möbel
ausgestattet. Sogar eine Badewanne habe sich ein Gast schon mal
nach Hause liefern lassen. Im „Schöner-Wohnen-Shop“ auf der
Internetseite des Hauses sind jeweils die Angebote des Monats
aufgeführt, Konsolenkommode, Bassano-Wandleuchter oder
versilberte Karaffenhalter dürften aus Marokko stammen.
Inspirationen finden Reisende aber nicht nur in Hotels. Auch auf
Schiffsreisen oder Yachtausstellungen werden manche fündig. Und
wenden sich dann an Innenarchitekten, die ihnen entsprechende
Wohnlandschaften nach Maß anfertigen lassen. Auf den maritimen Stil
hat sich Reiner Gehr, Innenarchitekt aus Lunestedt, spezialisiert. „Zu
mir kommen Kunden, die begeistert von einer Mega-Yacht kommen
und sagen, dass sie ein solches Design auch für die eigenen vier
Wände haben möchten“, berichtet Gehr. Ein Reeder aus Cuxhaven ließ
sich vor kurzem sein ganzes Haus im maritimen Stil gestalten, mit viel
Mahagoni. „Ansonsten hat sich das klassische Yacht-Design, ähnlich
wie bei Hotels, in letzter Zeit stark diversifiziert“, so Gehr. Er verbaue
zurzeit viel helle, schlichte Hölzer. Modelle werden vorab im Maßstab
eins zu eins gefertigt, damit der Kunde sich einen räumlichen Eindruck
machen kann. Wichtig sei eine intensive Vorbesprechung mit dem
Kunden, denn was auf einer Bahamas-Kreuzfahrt begeistere, muss zu
Hause in Peenemünde nicht unbedingt die gleiche Wirkung haben.
Lesen Sie weiter auf Seite 4: zimmer zum Nachkaufen
Ins Hotel ohne zu verreisen – Gästezimmer zum Nachkaufen
Hotelshops online:
• » www.seaside-hotels.de/side-collection: Hotelshop des
Hamburger Side-Hotels, bietet Möbel, Lampen und Keramik von
Matteo Thun, außerdem CDs, Lebensmittel und Kosmetik.
• » www.loock-hotels.com: Im Shop gibt es die neue
Modekollektion des Hotels Q.
• » www.schloss-frauenmark.de: Im Schöner-Wohnen-Shop gibt
es jeden Monat aktuelle Angebote von antiquarischen Replika-Stücken.
• » www.whotelsthestore.com: Onlineshop der W Hotels
Hotels, die Interieur zum Kauf vermitteln:
• Goldman 25Hours Hotel Hanauer Landstr. 127 60314 Frankfurt am
Main Tel. 069/40 58 68 90 » www.25hours-hotels.com
• Hotel on Rivington 107 Rivington Street New York, NY 10002 Tel.
001/212/475 26 00 » www.hotelonrivington.com
• St. Martin’s Lane 45 St. Martin’s Lane London WC2N4HX Tel.
0044/20/73 00 55 00 » www.stmartinslane.com
• Delano Hotel 1685 Collins Avenue Miami Beach Florida 33139 Tel.
001/30/56 72 20 00 » www.delano-hotel.com
Individuelle Ausstattungen:
Gehr GmbH & Co KG Tel. 047 48/949 40 Mahmoudieh Concepts Tel.
030/887 17 90 » www.mahmoudieh.de
Buchtipp: The Design Hotels Yearbook 2007, 35 Euro, Die Gestalten
Verlag