Wenn Michel schläft - Sonjas Schatzkammer
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Wenn Michel schläft - Sonjas Schatzkammer
Wenn Michel schläft … Meine Sicht der Dinge – aufgeschrieben, wenn Michel schläft. Sonja Kammer 1 Erster Teil Juni bis November 2 Einführung Meine Freundin Judith hat mir eine Zeitschrift geschickt, ein „Magazin zum DownSyndrom“. Sie arbeitet in Hamburg als Sozialarbeiterin und bekommt das dort auf ihren Schreibtisch. Dabei hat sie an uns gedacht und es an uns weitergegeben. In dem Magazin war ein Aufruf: Schreiben Sie uns zum Thema „Wir haben ein Kind mit Down-Syndrom“, für die nächste Ausgabe. Das habe ich getan, vier Din-A-4-Seiten über unseren Sohn Michel, mit Fotos. Eigentlich aber habe ich über mich geschrieben, wie ich das empfunden habe, seine Ankunft in meinem Leben und das Drum-Herum, wie ich mich so beschützt und getragen fühlte in der Klinik, obwohl es sich von außen betrachtet um alltägliches Klinik-Geschehen handelte, über die Heiligkeit der ersten Tage seines Lebens. Während des Schreibens entstand in mir der Wunsch, mehr zu schreiben, mehr über das, was ich durch Michels Dasein erlebe, die dazugehörende Vorgeschichte (die sehr kurz ist: Rein rechnerisch müsste Michel eine Windbestäubung sein), über die Prozesse, durch die ich gehe, durch diese zwei neuen Beziehungen in meinem Leben: Michels Papa und Michel. Wie sich dadurch schon vorhandene Beziehungen ändern. Und wie ich mich verändere, ändern muss, mich hingeben muss, vertrauen, mich anpassen, bzw. mit den Gegebenheiten umgehen, ob mir das nun immer alles so passt, wie es kommt und ist, oder nicht. Und dass ich mich so beschenkt fühle vom Leben und so geehrt wegen der Art und Weise, wie es mich diese Dinge lehrt. In meinem speziellen Fall. … - Ja! Das will ich: meinen speziellen Fall aufschreiben, denn es tut mir jedesmal gut, wenn ich es auszugsweise mache, Briefe schreibe oder wie vor kurzem diesen Artikel für die Zeitschrift, es klärt mich innerlich und gibt mir Kraft und ich komme dadurch oft mit meiner eigenen Weisheit in Kontakt und finde wie von selbst Antworten auf Fragen und Themen, die mich beschäftigen. Ja! Das mache ich! Ich schreibe ein Buch über meinen speziellen Fall! Vielleicht kann ich dadurch auch anderen dienlich sein, weil sie sich im Einen oder Anderen wiedererkennen … oder zu ihrer Erheiterung beitragen … oder sie ermutigen, das Gleiche oder etwas Ähnliches zu tun, um sich die eigenen Entwicklungs- und Befreiungs-Prozesse bewusst zu machen, ja, überhaupt sich erst einmal damit auseinanderzusetzen – das machen nämlich viele nicht. Ich kenne einen Haufen Menschen, die laufen vor den offensichtlichsten Themen ihres Lebens davon, lenken sich ab mit Arbeit, treiben in jeder freien Minute Sport, engagieren sich politisch oder kämpfen für sonst was, kümmern sich um alles Mögliche, nur nicht um sich selbst. Währenddessen stehen ihre ureigenen persönlichen Lebensthemen geduldig neben ihnen, sind immer da und ziehen sie ab und an am Hosenbein oder am Rockzipfel: „Hallo! Hier bin ich! Schau mich an!“ Aber manche Menschen haben Angst vor ihnen. Vor sich selbst, oder wie? Vor ihrem eigenen Leben? Dabei liegt genau darin der Segen. Und der Schlüssel – zum Himmel, zum Paradies. Für jeden liegt genau darin der Weg nachhause, der 3 direkte Weg ins Zentrum der Erfüllung all seiner Sehnsüchte und tiefsten Bedürfnisse und Wünsche: in den Themen des eigenen Lebens, in dem, was das Leben einem ganz von alleine bringt, ohne sich beirren zu lassen, geduldig, immer wieder, bis man es annimmt. Und im eigenen Wesen, in dem, wie man ist, was man ist. Das glaube ich. Jeder hat seinen eigenen Weg in seine eigene Erlösung, in die Freiheit und die Liebe in sich. Man muss nur innehalten und sich um sich selbst kümmern, mit sich selbst in Kontakt gehen. Und nicht dauernd rennen. – Ich weiß, oder: Mir ging es ja auch so und auch jetzt ist es noch oft so: Ich meine, ich müsste etwas tun: Wäsche waschen, Essen kochen, 3 x am Tag mit dem Hund Gassi gehen, Michel versorgen, hierhin fahren, dorthin fahren, Sport treiben … die Liste könnte über Seiten fortgesetzt werden. Früher habe ich ganze Tage gearbeitet. – Mit der Bestätigung meiner Schwangerschaft durch die Frauenärztin war das mit einem Schlag vorbei. Ich hatte Myome in der Gebärmutter und sollte mich hinlegen und schonen. Das war irgendwie der erste „Schlag“ (in dieser Geschichte), da fing es an, dass ich „gezwungen“ wurde, anzunehmen was ist. Ich habe mich hingelegt. Eine Nacht habe ich darüber geschlafen, dann ließ ich mich krankschreiben, trotz neu angetretenen Jobs, denn ich hatte die Entscheidung getroffen, die Dinge anzunehmen. Ich hätte auch sagen können: „Ach was, ich gehe arbeiten, ich schaff‘ das schon. Wird nicht so schlimm sein mit den Myomen.“ Aber das habe ich nicht. Und ich bin froh drum, und mir selbst dafür dankbar, dass ich das so gemacht habe das wird mir jetzt beim Schreiben bewusst. Ja. Ich habe mich also zwingen lassen – und bin mir und meinem Leben dafür dankbar. Be-zwingen lassen. – Möge mein Leben mein Ego bezwingen!! Oder befreien, es sich einverleiben. Und nun beende ich diese Einführung, um einzutauchen in meine Geschichte. Meinen speziellen Fall. 19. Juni 2008 Da ist also der Wunsch, ein Buch zu schreiben, diese Idee, die mir Freude macht, die Begeisterung dafür. Vor ein paar Tagen habe ich das Ganze schon einmal begonnen und alles, bis auf den ersten Satz (den mit Judith) wieder gelöscht. In mir gibt es eine Instanz – das ist eines meiner bisherigen Lebensthemen – die sagt: „Entweder, das was du tust, muss perfekt sein oder es taugt nichts“. Richtig tragisch wird’s noch dadurch, dass das, was ich schaffe, von dieser Instanz keinerlei 4 Anerkennung bekommt. Die treibt immer nur an. In meinem äußeren Leben erledigen meine Eltern diesen Job ganz gut. Vor ein paar Tagen – und das ist jetzt kein Witz! – kam mir zum ersten Mal die Einsicht: „Ich muss nicht die Beste sein.“ Das war wie eine Tür, die sich öffnete und durch die ich gegangen bin. - Möge meine innere Anteiberin draußen vor dieser Tür bleiben! Ich will hier in Gelassenheit und Ruhe schreiben! Oder möge sie sich wandeln, so wie auch ich mich gewandelt habe und wandele! - Auch der Gedanke Ich–finde-mit-dem–kleinen-Michel-doch-keine–Zeitzum-Schreiben hat mich seit meinem ersten Versuch abgehalten. Heute ist der 19. Juni 2008, Donnerstag, Abend jetzt. Der Großteil der Nation schaut wahrscheinlich Fußball, EM-Viertelfinale, Deutschland gegen …? Ich weiß noch nicht mal, gegen wen sie spielen, so wurscht ist mir das. Michel schläft. Ich lag im Bett, las etwas, hatte es ausgelesen und dachte: „Ich fange jetzt einfach an zu schreiben. Wenn ich jeden Abend eine Seite schreibe, dann sind das in einem Jahr 365 Seiten - das gibt ein Buch.“ Und natürlich werde ich nicht jeden Abend eine Seite schreiben und es müssen auch keine 300 Seiten werden, aber ich beginne jetzt und mal sehen, wie weit ich nächstes Jahr kurz vor der Sommersonnenwende bin. 25. Juni 2008 Mittwoch. Heute Abend ist Fußball-EM-Halbfinale. Deutschland ist noch dabei. Wo fange ich an in meiner Geschichte? Im Jetzt? Oder mit Michels Geburt, über die ich für das Down-Syndrom-Magazin geschrieben habe? Mit der Vorgeschichte? Oder mit der Geschichte vor der Vorgeschichte? Das waren immerhin 40 Jahre Leben. … – Oder sollte ich doch lieber ins Fitness-Studio gehen? … – Jetzt kämpfe ich wieder mit meinen Zweifeln. Oder bist Du das, Antreiberin, die sagt: „Das muss jetzt aber klappen! Ansonsten lass‘ es lieber ganz!“? Ja, ja, okay, Du darfst dabei sein, bei meinem Projekt „Buch-schreiben“. Du brauchst Dich auch nicht zu ändern, wenn Dir nicht danach ist – kein Druck. Du darfst so sein, wie Du bist. Okay? -…-…-… Darum geht es doch irgendwie in diesem Leben, oder? Auf dem Weg zur Erleuchtung. Alles annehmen, nichts mehr bekämpfen oder nicht-haben-wollen. An einem selbst. Ich an mir. Wenn ich erwähne, dass meine Eltern diesen Antreiben-und-nicht-lobenJob so gut machen oder wenn ich, was, wie ich vermute geschehen wird, mich über Dirk, Michels Papa und mein (nicht-geehelichter) Mann, beschwerend äußern werde, dann sind das alles Dinge, die ich nach außen verlagere, weil ich sie an mir selbst 5 nicht leiden kann. Da bekämpfe ich sie lieber im Außen. Schimpfe darüber und rege mich auf – nur: Das kann ich tun bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, aber weiter komme ich damit nicht. „Annehmen“ lautet die Devise. Und es geht dabei ja auch nicht nur um all das vermeintlich Schlechte, das keiner haben will, sondern auch um all das Gute, das mir gefällt, das Großartige, Wundervolle, Herrliche! -…-…-… Daraus ergibt sich eine nächste Devise, die da lautet „Wertfreiheit“. Die Dinge nicht mehr bewerten, nicht mehr meinen, zu wissen, was gut ist und was schlecht. Aber so weit bin ich noch nicht. Mir fällt aber ein, dass ich vor ein paar Jahren, 4 oder 5, auf einem beruflichen Fortbildungsseminar die Erkenntnis gewann, dass das vielleicht gemeint ist mit der Geschichte von Adam und Eva und der „Vertreibung aus dem Paradies“ (Wobei ich das mit der „Vertreibung“ nicht glaube! Gott hat uns nicht vertrieben! Das liegt irgendwie anders.): Der Apfel vom Baum der Erkenntnis – es heißt doch, dass man nach seinem Verzehr erkennt, was gut ist und was böse. Aber vielleicht ist das einfach zu viel für uns als Menschen!? Diese Erkenntnis sollten wir Gott überlassen. Wir können das nicht erkennen, weil uns der Überblick fehlt oder ich-weiß-nicht-warum. Wir sollten uns auch nicht darum scheren, es wissen zu wollen, sondern einfach alles nehmen, wie es ist. Wie die Kinder. – Wenn man das kann, ist man, glaube ich, ganz schön weit. Schon fast da. Das ist eine große Kunst und Weisheit. Und mit „schon fast da“ meine ich, dann ist man da, wo Gott ist, bei Gott, ist auch Gott. Und dann weiß man es eigentlich auch schon wieder, was gut ist und was schlecht, aber dann ist es einem egal, gleich-gültig, dann weiß man, dass „das Gute“ nicht „gut“ und „das Schlechte“ nicht „schlecht“ ist. – Wie soll ich das sagen? – Außerdem gibt es in diesem göttlichen Space gar kein „gut“ und „böse“ mehr, das hat da keinerlei Bedeutung. Und man trägt es die ganze Zeit mit sich herum, diesen „Space“. Eigentlich bin ich schon da. Oder „Es“ ist schon in mir. Ja. Jetzt, gerade eben, bin ich da. Fühlt sich gut an. Es gibt Dinge, die kann man nicht in Worte fassen, die kann man nur selbst erleben. Z.B. vorhin, als ich mit unserem Hund Schröder zum Abend-Gassi war: Es hatte den ganzen Nachmittag lange und ausgiebig geregnet, aber dann hatte es aufgehört und die Sonne war noch einmal herausgekommen. Sie stand schon tief und ihr Licht strahlte so sehr auf dem nassen Asphaltweg, dass es meine Augen blendete. Der 6 Himmel! – Wie der Himmel aussah! Licht und Wolken und so frisch! So neu! Im Gegenlicht fielen funkelnde Tropfen aus den nassen Blättern der Bäume. Auf den Leitungen, die längs der Bahnlinie laufen und an denen die Regentropfen hingen wie tausende glitzernde Diamanten, saßen kleine Vögel. Zwei große Greifvögel kamen kurz nacheinander über die Äcker geflogen, über die Baumstücke hin zum Wald. Und ein Gepiepe und Gesinge! Und ich mit Schröder mittendrin in dieser frischen Welt, in dieser neuen Energie. Nachdem ich gerade zuvor das von Adam und Eva und dem Apfel geschrieben hatte, vom Paradies. Vorhin, während dieses Spaziergangs, war ich im Paradies. Äußerlich und innerlich. Da hat alles gestimmt, nichts hätte anders sein sollen oder hat gefehlt, alles war vollkommen. Ich war vollkommen glücklich. Das Paradies auf Erden, Mittwochabend um acht in Oberhessen. 24. Juli 2006 Tag X Montag, der 24. Juli 2006 war mein letzter Arbeitstag im Kindergarten in Stammheim. Mein Vertrag lief zum 31. aus und ich hatte noch ein paar Tage Urlaub. Auf dem Weg zum Kindergarten wohnt meine Oma und ich dachte:“Ich besuche sie heute nochmal, weil’s der letzte Tag ist, an dem ich hier sowieso vorbeifahre.“ Ich hatte mittags Feierabend und kam gerade zur Mittagsessenszeit. Meine Oma wohnt bei ihrem Sohn, meinem Onkel. Der ist Handwerker im Familienbetrieb, und mittags essen immer alle zusammen, Angestellte, Familienmitglieder und wenn einer um diese Zeit dazukommt, findet sich für den auch noch ein Platz und ein Teller. Als ich ankam, lief mein Onkel gerade über den Hof, um seinen Nachbarn und Mieter, der in der Scheune am Holzschneiden war, zum Essen einzuladen. Das war Dirk. Dirk war vor ca. 3 Jahren bei meinem Onkel im Nebenhaus eingezogen, zusammen mit seiner Freundin, die ihrerseits nach gut einem Jahr wieder auszog. Ich kannte Dirk vom Sehen. Wir hatten beide an einem Hoffest zum 100-jährigen Betriebs-Jubiläum meines Onkels geholfen. Beim Helfer-Essen nach dem Fest damals hatte ich mich neben ihn gesetzt – ja – das habe ich mich da einfach so getraut! Gefallen hat er mir ja schon! Aber ich war damals schon so abgeklärt – nach mehrjährigem Single-Dasein -, dass ich bezüglich der Bildung einer neuen Partnerschaft den Standpunkt hatte: Wenn es nicht sein soll, dann kann man machen, was man will, dann passt es einfach nicht und es kommt nichts zustande und wenn es sein soll, dann geschieht es quasi wie von selbst. Da hatte ich nämlich die Phase der aktiven Potentielle-Partner- 7 Abcheckung schon hinter mir. Ich suchte nicht mehr. Mir ging es gut mit mir selbst. - Vielleicht habe ich mich deshalb so einfach zu ihm gesetzt, weil ich nichts vor hatte. „Hallo! Ich bin die Sonja. Darf ich mich hierher setzen?“ Er sagte: „Ja“. Wir redeten ein bisschen. Er erzählte mir von seinen Schwierigkeiten, alleine zu sein; neun Monate war er da Single. Ich war es, mit kurzen Unterbrechungen, seit 7 Jahren und erzählte ihm, dass ich nach meiner Trennung damals ungefähr drei Jahre gebraucht hatte, bis ich erkannte, dass es „kein Zurück“ gibt. Vorher dachte ich immer noch zeitweise, mein Verflossener sei doch „der Richtige“ gewesen und vielleicht … - irgendwann … - würden wir wieder … - . Nach drei Jahren war ich drüber weg. Über diese Selbsttäuschung. Und in Dirks Sich-Plagen sah ich die Ungeduld. Aber die kannte ich ja auch von mir selbst, aus meiner aktiven AbcheckZeit. Wir redeten darüber, dass wir mal zusammen tanzen gehen könnten. Er sagte: „Wenn Du mal Lust dazu hast, dann komm‘ vorbei. Du weißt ja, wo ich zu finden bin.“ Und ich dachte: „Das hört sich aber nicht sehr leidenschaftlich an. Der hat da nicht so Lust drauf (und auf mich).“ Und ich ließ es bleiben. Als ich Dirk zum ersten Mal sah, war er mit seiner Freundin zum Samstags-Nachmittags-Kaffee bei meinem Onkel, dem neuen Vermieter. Sie waren gerade eingezogen und das war so ein Wirlernen-uns-kennen-und-verstehen-uns-gut-Treffen. Ich kam zur Tür rein, auf Oma-Besuch, und da saßen sie alle am Küchentisch. Ich sah Dirk und das war irgendwie, als ob der Blitz mich träfe. „Den kenne ich. Das ist er!“ durchzuckte es mich, ohne dass ich das in Worten dachte. Im nächsten Moment hatte ich aber schon die Lage gepeilt, begriffen, dass er da mit seiner Partnerin saß, und machte innerlich einen Haken dran, verkniff mir, weiter einzutauchen. Jetzt kam er also zum Mittagessen und für mich gab es natürlich auch noch einen Teller. Ich war schon ins Haus gegangen, während mein Onkel noch bei Dirk in der Scheune war und saß schon am Tisch, als die beiden hereinkamen. Es war Sommer, der 24. Juli wie gesagt, und warm. Er trug kurze Hosen, abgeschnitten bis an die Knie und ein T-Shirt. Er bückte sich, um den Hund zu kraulen und zu begrüßen und ich sah die schwarzen Haare auf seiner Brust, bekam eine Ahnung davon bei dem kurzen Einblick, die mich wissen ließ, dass das genau gut für mich war. Seine Beine betrachtete ich auch. Auch an ihnen wuchsen schwarze Härchen, die ich sehr sexy fand. Nur – oh Mann! Soll ich das jetzt aufschreiben? Auf was ich sah und was ich dachte? … – Ich habe vor einiger Zeit ein Buch gelesen, das mich sehr beeindruckt hat, ein Buch über Maria Magdalena (1). Mit am Meisten hat mich die Offenheit der 8 Verfasserin beeindruckt, die bei der Veröffentlichung solch tiefer Weisheiten dennoch auch von ihrer eigenen Menschlichkeit berichtet, von ihrer Eifersucht. – Also schreibe ich auch alles auf! Hemmungen beiseite! Ich sah also auf Dirks Beine und mir fiel auf, dass die Behaarung erst in Sockenhöhe anfing und nicht bis herunter zum Knöchel reichte. … - … - … - Wie soll ich das jetzt in Worte fassen, was durch diese Beobachtung, dort am Mittagstisch in der Zeitlosigkeit des Bruchteils einer Minute, alles durch meinen Kopf ging, durch meine Filter, Raster, Muster? Zum Einen ist es vielleicht einfach ein ästhetischer Aspekt (rede ich mir gerade ein), ich finde es einfach schöner, wenn männliche Beine bis zum Knöchel behaart sind. – Ich muss nun, während ich das hier schreibe, gerade lachen! – Macht sich da sonst noch irgendjemand Gedanken drum? … - Oder auf was sehen andere und was löst es bei ihnen aus? Sind sie sich dieser Mechanismen bewusst und warum oder woher hat man sowas? Und obwohl ich jetzt lachen muss, so war diese Gegebenheit doch so ernsthaft für mich, dass dieser kurze Moment möglicherweise alles Weitere entschieden hat. – Ich muss hier noch etwas einfügen: Ich trage einen Ja-Nein-Stein bei mir. Manchmal ständig, manchmal nicht. Es ist eine alte ZehnPfennig-Münze, ein Groschen aus D-Mark-Zeiten. Zahl ist Ja, Eichenschössling ist Nein. Manchmal benutze ich auch den Anhänger an meinem Autoschlüssel: Bild ist Ja, Text ist Nein. Anfangs dachte ich, ich frage damit die Engel oder irgendeine höhere Energie, die es besser weiß als ich. Dann dachte ich, ich frage mein Höheres Selbst, das einen besseren Überblick hat, als ich in meinem Alltags-Space, und das mir mal auf die Schnelle helfen kann. Jetzt ist es mir gleich-gültig, wen ich da um Rat frage, denn ich glaube, mehr oder weniger ist es sowieso Eines und letztendlich bin ich es selbst. Jedenfalls werde ich immer gut beraten. Ich glaube, die erste Antwort ist immer die Richtige. Manchmal will ich die nicht haben und frage noch einmal und dann kommen auch andere Antworten heraus, aber dann verwirre ich mich, werde unruhig …. Dann fängt mein Zweifel- und Ich-will-aber-Programm an. Im Grunde sagt der Stein, mein Groschen, sowieso immer das, was ich ohnehin tun will, was meiner inneren Wahrheit entspricht. Und seine Antworten entwickeln sich synchron zu meinen inneren Prozessen. Manchmal bringt er mich auch dazu, etwas zu tun, was ich mir, mein Verstand mir, nicht erlaubt oder was ich mich nicht getraut hätte. Ich benutze ihn rege, z.B. jetzt hier beim Schreiben, um die „richtigen“ Formulierungen zu finden, oder beim Einkaufen: “Soll ich das nehmen oder nicht?“ An diesem besagten Tag X hatte ich, bevor ich auf meinem Nachhauseweg von der Arbeit bei Oma anhielt, drei- oder viermal meinen Autoschlüssel gefragt: „Soll ich bei Oma anhalten?“ (Ich dachte, ich besuche sie vielleicht zu oft und die denken, ich bin auf ein Mittagessen aus, weil ich doch immer mittags Feierabend hatte.) Der Schlüsselanhänger sagte jedesmal Ja. Mir kam es so vor, dass „ihm“ richtig was dran liegt, dass ich unbedingt anhalte. 9 Während Dirk da also stand und die Menschen und den Hund begrüßte und ich ihn mit Lust und Gefallen betrachtete, hatte ich schon mal nach dem Groschen in meiner Hosentasche getastet, mit der Frage: „Könnte Dirk potentiell „der richtige Mann“ für mich sein?“ „Ja“ hat der Groschen gesagt. Als ich nun seine Beine ansah geschah Folgendes: Als Erstes dachte ich: „Das finde ich nicht so schön.“ Aber das mit dem ästhetischen Aspekt ist nur der Deckel, den ich auf den ganzen Komplex drauf getan habe, und der flog auch gleich ab. Heraus kam: Bei meiner letzten KurzzeitBeziehung (die doch relativ lange über mehrere Monate ging, in zwei Etappen) war es auch so: Ralfs Behaarung an den Beinen begann erst an der Wade. Mit Ralf verbinde ich Unverbindlichkeit und Fallen-gelassen-worden-sein-und-nicht-mehr-drum- scheren. Ich habe etliche Monate lang an Rache und Genugtuung gedacht, nachdem diese Beziehung zu Ende war. Das Ende kam in der Form, dass wir telefonierten und ich ihn fragte, wann er am Wochenende käme, damit ich nicht den ganzen Tag so auf Abruf sein musste, sondern mich danach richten konnte, dass ich z.B. staubgesaugt hätte und nicht gerade einkaufen wäre, wenn er vor der Tür stünde. Daraufhin hat er einfach aufgelegt und ich habe nie wieder etwas von ihm gehört. Hierbei handelt es sich um die Beendigung der zweiten Etappe. Die erste Etappe beendete er vier Monate zuvor, nachdem sein Onkel gestorben war, der bei ihm im Haus wohnte, in der Wohnung über ihm. Irgendetwas war Ralf da wohl zu viel, aber er konnte sich nicht mitteilen und nicht abgrenzen oder sich helfen oder trösten lassen. Das lies er nicht zu, machte es den Menschen um ihn herum aber gleichzeitig zum stillen Vorwurf, dass sie ihm nicht helfen, ja überhaupt ihn nicht verstehen würden, was meines Erachtens nicht stimmte. Da war nicht nur ich, die liebendes Interesse an ihm hatte und abgewiesen wurde, sondern seiner Mutter z.B. erging es genauso, soweit ich das in den paar Wochen und Monaten mitbekommen habe. Jedenfalls nahm ich den Korb, den er mir gegeben hatte, sehr persönlich, war zutiefst gekränkt und ärgerte mich über die vertane Gelegenheit, dass ich ihm, als er nach dem ersten Akt wieder bei mir auf der Matte stand und die Beziehung wieder aufnehmen wollte, nicht gesagt habe: „Fick dich ins Knie, Ralf!“ Nein, stattdessen habe ich mir selbst nochmals eine Demütigung abgeholt. Beim zweiten Mal Schluss-machen war kurz zuvor die Tante gestorben, Onkels Frau. Und: Bei meinem Vater ist es genauso mit der Beinbehaarung. Er seinerseits ist Meister in der Disziplin „Angriff ist die beste Verteidigung“. Auch, wenn es gar nichts zu verteidigen gibt. Er hat so ein Muster, dass er jeden mit Vorwürfen eindeckt, um nur selbst nicht auf vermeintliche Fehler angesprochen zu werden. (Auch wenn das wahrscheinlich überhaupt nicht in der Absicht seines Gegenübers liegt.) Wenn ich z.B. bei meinen Eltern zum Kaffetrinken eingeladen bin und komme um 16.00 Uhr, dann begrüßt er mich, falls er selbst schon da ist, mit den Worten: „Sieh mal auf die Uhr!“ Er meint dann, ich sei zu spät. Wenn ich um 15.00 Uhr käme, würde er gar nichts sagen, weil er da selbst nicht da wäre, denn er hat sich 10 wahrscheinlich um 15.59 Uhr an den Kaffeetisch gesetzt. Er ist es nämlich, der wirklich immer und überallhin zu spät kommt und muss vielleicht deshalb andere darauf hinweisen, wenn er meint, die seien zu spät. Ich fand die Uhrzeit okay. Außerdem hat mein Vater die Ader, dass er – jetzt bald 70-jährig – den ganzen Tag arbeitet, körperlich schwere Arbeit verrichtet, oft für andere Leute. Aber er lässt es sich schlecht bezahlen, vermute ich. Er fordert keinen von ihm genannten Preis für seine Arbeit, sondern nimmt das, was die Leute ihm geben – oder auch nicht. Für mich ist das fehlende (Selbst-)Verantwortung und Missachtung der eigenen Kraft und Größe, fehlende Selbst-Achtung. Und … - natürlich: Das kenne ich auch von mir selbst. Hier habe ich es auf die Männer übertragen – von denen ich mir wohl gewünscht habe, sie würden diesen Part für mich übernehmen. Ja. - Und was hat das jetzt mit den Beinen zu tun? Für mich ist das irgendwie so, dass ich eine höher ansetzende Behaarung an männlichen Beinen mit einer Art „Luftigkeit“ verbinde, die bringen ihre männliche Kraft nicht ganz bis auf die Erde. Wenn die Härchen bis zum Knöchel gehen, dann, meine ich, wäre die männliche Kraft solcher Männer stabiler und ausgewogener. Aber ich weiß nicht, ob das wirklich so ist. Vor Kurzem las ich im Internet die Meldung, dass durch Zufall der Eisprung der Frau gefilmt wurde und dass der Vorgang völlig anders sei, als man bisher angenommen habe. Ich glaube, so verhält es sich mit sehr Vielem. Man meint, man würde etwas wissen, aber in der Wirklichkeit ist es ganz anders. Ich meinte also zu wissen, dass hier ein Mann vor mir stand, dessen männliche Kraft möglicherweise schlecht geerdet war und der mir vielleicht deshalb nicht die starke Schulter bieten konnte, nach der ich mich sehnte. – In diesem Moment war mir das so nicht so klar bewusst, aber so war es. – Ich fragte meinen Groschen: „Ist Dirk trotz seiner Beinbehaarung der potentiell „richtige Mann“ für mich?“ Der Groschen sagte: „Ja.“ Wir aßen zu Mittag. …-…-…Nach dem Essen blieben Oma, Dirk und ich in der Küche, die anderen gingen wieder ihrer Arbeit nach. Oma spülte das Geschirr und ich half ihr dabei. Dirk war am Tisch sitzengeblieben zum Plaudern. Als wir fertig abgetrocknet hatten, sah ich aus dem Fenster, hinüber in Dirks Hof, zu seinem Freisitz, den er da gebaut hatte, sagte ein paar Worte darüber und fragte ihn, ob er mir das mal zeigen würde, was er da so Schönes gebaut hätte. – Ich glaube, in diesem Moment, spätestens, war schon alles besiegelt. – Er sagte: „Ja“, stand vom Stuhl auf, verabschiedete sich von Oma und wir gingen hinüber. In der Haustür hielt ich kurz inne, weil wir nebeneinander waren 11 und es eng wurde. Er blieb ebenfalls stehen und fasste mich kurz am Arm, um mir den Vortritt zu geben. Ich nahm das geehrt zur Kenntnis. Das tat mir gut. Drüben bei sich zeigte er mir alles, erst draußen, dann drinnen, bis unter‘s Dach und er sprach wieder davon, wie ungern er alleine sei. Ich gab ihm meine Philosophie zum Besten: „Wenn es nicht sein soll, klappt sowieso nichts und wenn es sein soll, dann kommt es von ganz alleine“ und dass er sich doch gedulden solle. Eigentlich hätten wir uns da schon küssen können. Zum Abschied tauschten wir unsere Handynummern aus. Wie es weiterging … Am nächsten Tag schickte ich Dirk eine sms: ob er Zeit und Lust hätte, dass ich abends vorbeikäme und wir zusammen irgendwo was essen gingen? – Als die sms abgeschickt war, klopfte mein Herz und ich dachte: „Oh Mann, wenn der jetzt ewig nicht antwortet (so, wie es oft mit Ralf war) … - … Ich sitze hier auf heißen Kohlen und mache mich zum Affen. … - … Ich gebe ihm 10 Minuten. Wenn er bis dahin nicht geantwortet hat, liegt ihm nichts dran.“ – Die Antwort kam binnen dieser Frist. Er schrieb, dass er „logisch“ Lust hätte, dass er aber bis abends arbeiten müsse und ob wir am nächsten Tag was zusammen machen wollten. Und wir verabredeten uns für den Mittwoch. Montag, der 24. Juli 2006, der Tag X, war übrigens der letzte Tag des Maya-Jahres Kan 13, nach dem Tzolkin, dem heiligen Kalender der Mayas (2). Mit diesem Tag ging ein 13 Jahre währender Zyklus zu Ende, in größerem Zusammenhang ein 52 Jahre währender Zyklus. Kan ist der gelbe Samen, die Kraft des Samensetzens, des Erblühens und der Zielgerichtetheit. Der Ton oder die Zahl 13 ist die transformierende Kraft, der kosmische Ton der Gegenwart, das Gegenwärtig-sein und die Veränderung. Etwas in unseren Leben war zum Abschluss gekommen, hatte sich verwandelt und der neue Samen war gesetzt, hatte gekeimt und gewurzelt und war bereit zum Wachsen. Dienstag, der 25. Juli, war der sogenannte „grüne Tag“, der Tag außerhalb der Zeit, zwischen dem alten und dem neuen Jahr, in diesem besonderen Fall auch noch zwischen dem abgeschlossenen und dem neu beginnenden Zyklus. Am Mittwoch, dem 26. Juli, begann das neue Maya-Jahr und ein komplett neuer Zyklus mit dem Tag 12 Muluc 1, der als erster Tag des Jahres mit seiner Kraft repräsentierend für das ganze Jahr und den ganzen Zyklus steht und seinen Einfluss geltend macht. Muluc ist der rote Mond, die Kraft der Selbst-Erinnerung, der Reinigung, der Absicht und der Achtsamkeit. Der Ton 1 ist der magnetische Ton der Bestimmung, das Eins-Sein mit der göttlichen Quelle und die Energie des Anfangs. – Später stellte sich heraus, dass Muluc 1 auch Dirks Geburtsprägung ist, die Energie des Tages seiner Geburt. Für mich sind das tiefe Weisheiten, die mir, dadurch, dass ich um sie weiß, zeigen, dass ich in meinem Leben immer zur rechten Zeit am rechten Ort bin und dass alles vollkommen ist. Das Tor war an diesen Tagen offen für Dirk und mich. Was sich äußerlich in meinem Leben zeigt, die Abläufe und Geschehnisse, ist zutiefst und vollkommen mit dem göttlichen Plan verbunden. So ist es immer, auch wenn ich manchmal denke: „Nee! So nicht! Das kann nicht sein!“ Im größeren Überblick, mit 5 oder 10 Jahren Abstand, manchmal auch schon eher, sehe ich, dass alles gut war, wie es war. Zu etwas Besserem gut. Manchmal gehen mir, wirklich oft nach Jahren, richtig die Lichter auf, was wozu gedient hat. Mittwochabend fuhr ich also zu Dirk und wir gingen zusammen aus. Es war ein ruhiger, gediegener Abend. Wir erzählten uns voneinander. Er erzählte mir, dass er keine schöne Kindheit hatte. Sein Vater hat gesoffen und die ganze Familie verprügelt. Ich erzählte ihm von meinem Alkoholismus und dass ich seit einigen Jahren trocken sei. Als der Abend um war setzte ich ihn zuhause ab und fuhr heim. Am Wochenende gingen wir zusammen ins Kino. Der Film war so öde, dass ein Pärchen in der Reihe vor uns es vorzog, 80 % der Zeit zu knutschen. Wir waren da leider noch nicht so weit. Später, bei mir zuhause, haben wir das dann aber auch gemacht. Als ich Dirk zum ersten Mal küsste, hatte ich das Gefühl, als hätte ich das erst gestern getan, bzw. als hätte ich das schon ganz oft getan, immer, mein ganzes Leben lang. Es war so vertraut. Und wir gingen auch noch weiter in der körperlichen Liebe. Am nächsten Morgen beim gemeinsamen Gassi-gehen sagte Dirk: „Hoffentlich haben wir in der Nacht kein Baby gemacht.“ Ich antwortete ihm, dass ich das nicht glaubte und dass ich wahrscheinlich keine Kinder bekommen könne, weil ich mit meiner letzten Dauerbeziehung, damals, 5 Jahre lang ohne Verhütung geschlafen hatte und es war nie was passiert. Ein paar Tage später sprachen wir darüber, ob das zu schnell gegangen sei mit uns. Dirk sagte, er habe das sonst immer langsam angegangen. (Ich nicht.) Als ich ihn fragte, ob es ihm zu schnell gewesen sei, sagte er: „Das ist egal, weil es sowieso so gekommen wäre.“ 13 Ich hatte zwei Wochen frei und fing am 15. August eine neue Arbeit an in einem kleinen, eingruppigen Kindergarten, der von einer Elterninitiative organisiert ist. Ende August waren wir freitagnachmittags zum Wochenausklang bei einer Kollegin zum Kaffeetrinken. Währendem wurde mir speiübel. Ich dachte, ich müsste mich übergeben, aber so weit kam es dann doch nicht. Zuhause ging ich mit Schröder Gassi. Mir war sooooo schlecht auf diesem Spaziergang, aber gleichzeitig fühlte ich einen solch tiefen Frieden, eine unumstößliche Ruhe und Kraft in mir, von der ich dachte, dass sie nie wieder verginge, dass mich nichts auf der Welt jemals wieder aus dieser Ruhe bringen könnte. Das hielt leider nicht an. An diesem Wochenende wartete ich auf meine Periode. Sie kam nicht. Die nächste Woche wartete ich auch. Meine Kollegin machte am Montagmorgen schon eine rundende Handbewegung über dem Bauch, als wir über mein Übelsein vom Freitag sprachen. Dann bekam ich Beschwerden, Bauchschmerzen, und rief gegen Ende der Woche meine Frauenärztin an, ob ich den Termin, den ich bei ihr hatte – um mir ein Verhütungsmittel verschreiben zu lassen – vorziehen könne. … und die Feinheiten zwischendurch Dirk und ich gingen anfangs oft zusammen spazieren, denn da war ja mein Hund Schröder, der Gassi gehen musste. Einmal, das war bei Dirk zuhause, waren wir unterwegs und es war so ein grandioser Himmel: Die Sonne stand schon tiefer und schien durch einen Wolkenriss hindurch auf eine mächtige, blau-graue Wolkenwand. Irgendwo muss es auch geregnet haben, wir bekamen aber nichts davon ab. Aber vor diesem dunkelblauen Himmel entstand ein großer, vollkommener, doppelter, intensivstrahlender Regenbogen. Für mich war das magisch, richtungsweisend: der Regenbogen als Symbol für das Neue, Gereinigte, Geheilte, Heilige. Und dieser hier war doppelt (das stand für uns beide, als Eines), so intensiv leuchtend und so wunderschön. Etwas ganz Besonderes. So einen durchgehenden, doppelten Regenbogen sehe ich manchmal das ganze Jahr über nicht, manchmal jahrelang nicht, vielleicht hatte ich so einen noch nie gesehen. Für mich war das ein Omen - zumal wir keinen Regen abbekamen, wir kamen sogar noch trockenen Hauptes bis nachhause -, eine Bestätigung des Himmels, ein mir-Mut-machen: „Dirk ist der Richtige für Dich! Hab keine Angst. Mit dem wird alles gut.“ 14 Als meine Periode ausblieb, – dabei hatten wir jedesmal verhütet, aber einmal war uns ein Kondom abgerutscht. Das war einfach weg. Später habe ich es aus mir heraus geangelt - sprachen wir darüber was-wäre-wenn, aber wir, oder ich, glaubte/n nicht so wirklich, dass ich schwanger sein könnte. Bei diesen Spekulationen erkannte ich jedenfalls, dass Dirk sich im Falle eines Falles nicht verflüchtigen würde, sondern dass er sich ernsthaft mit der Möglichkeit auseinandersetzte. 9. Juli 2008 Ich habe mir das, was ich bisher geschrieben habe, durchgelesen und es kommt mir vor, als seien das lauter Geschichten. Geschichten in meinem Leben, auf die ich von außen blicke, auch wenn ich innere Abläufe beschreibe. Manchmal bin ich wirklich in der Position dieser unerschütterlichen Ruhe, dann erscheint mir das, was vorhin gewesen ist, was heute Morgen war, oder das, was ich aufgeschrieben habe von vor zwei Jahren und ganz und gar Begebenheiten aus meinem „früheren Leben“, als ich noch getrunken habe, so unwirklich. Lauter Geschichten. Aber währendem ich diese Geschichten durchlebe, durchspiele, aktuell akut drin bin, bin ich oft so aufgeregt, so aufgewühlt: besorgt, glücklich, verzweifelt, berührt … - die ganze Palette Leben. Manchmal, wenn ich mit Dirk streite, steht ein Teil von mir daneben und sieht sich die Szene an. Dieser Teil sieht ganz klar, dass das, was wir da machen, nicht die Wahrheit ist, dass das irgendwie nicht wirklich wir sind, sondern dass sich da unsere Muster, unsere Verletzungen von früher, unser inneres Kind und unsere Meinungen ausagieren. Dirk sagt auch oft: „Darf ich meine Meinung nicht sagen?!“ Ich aber nehme seine Meinung persönlich und lasse sie auf meine alte Angst treffen, dass da jemand wäre, der mich angreift, der mir weh tun könnte. Dann meine ich wieder zu wissen, wie etwas sei, anstatt offen und ohne Vorbehalte zu schauen, was da wirklich ist und mir zu erlauben, das einfach geschehen zu lassen und es zu erfahren, zu erleben. Da lege ich lieber gleich los und kämpfe. … - … - … - Und von meinem Vater sage ich, er sei Meister in der Strategie „Angriff ist die beste Verteidigung“!! … – Danke an die Instanz in mir, die dieses Schreibprojekt gestartet hat! Schon wieder eine Erkenntnis! Das war mir so bisher nicht bewusst. 15 Vor ein paar Tagen, morgens beim Gassi-gehen, lag auf dem Weg hinter unserem Haus ein Igel zusammengerollt im Gras. Ich dachte: „Der hat sich zum Schutz vor Schröder zusammengerollt.“ Aber als wir zurück kamen, lag er noch genauso da. Ich hob ihn auf, um nachzusehen, ob er verletzt sei, konnte aber nichts entdecken. Er hustete nur etwas oder fauchte. Ich legte ihn wieder ab und überlegte, was ich tun sollte. Unsere Nachbarin ist im Tierschutz aktiv. Ich hatte sie kurz vorher in ihren Hof gehen sehen. Ich ging hinüber, um sie zu fragen, ob sie eine Idee habe, was mit dem Igel los sein könnte. Auf mein Klingeln machte aber niemand auf. Mittlerweile bin ich der Ansicht, dass, wenn das so ist, wenn jemand nicht da ist, nicht ans Telefon geht oder wenn etwas nicht klappen will, das dann (im Moment) nicht der richtige Weg ist. Das kann ich mir dann sparen und muss mich nicht weiter darum bemühen. Ich ging also wieder nachhause. Der Igel lag noch immer zusammengrollt auf dem Weg. Ich hatte Bedenken, wenn mein anderer Nachbar, der sich noch am Ende des Halbstarkenalters befindet, mit seinem Auto hinter den Gärten entlanggefahren käme – der würde vielleicht einfach über ihn drüber fahren! Deshalb nahm ich den Igel mit und legte ihn in unseren Garten unter den Haselstrauch. Als ich etwas später aus dem Fenster nach ihm sah, hatte er sich erhoben, torkelte im Stehen hin und her, bewegte sich aber nicht von der Stelle. Ich dachte: „Vielleicht ist er schwach und hungrig. Es gibt dieses Jahr nicht so viele Schnecken. Vielleicht findet er nicht genug Futter.“ Ich bereitete ihm ein Schälchen mit Katzenfutter und eines mit Wasser und stellte ihm beides hin. Er hatte sich wieder hingelegt. Jetzt öffnete er seine Augen und hob sein Schnäuzchen. Er stand sogar auf, torkelte aber wieder hin und her und machte keine Anstalten zu fressen oder zu trinken und musste sich auch gleich wieder hinlegen. Ich schmierte ihm etwas Futter an sein Mäulchen. Das lies er aber einfach hängen und leckte es nicht ab. Ich dachte: „Vielleicht bist Du alt und stirbst. Dann sollst Du hier ein schönes, ruhiges Plätzchen dafür haben.“ Ich ließ ihn in Ruhe und ging zurück ins Haus. Später sah ich durch’s Fenster, dass zwei Elstern um die Nahrungsschälchen herum hüpften. Die wollten sich da wohl bedienen. Ich ging dann meinen Beschäftigungen nach und als ich das nächste Mal nach dem Igel sah, war er weg. Ich habe ihn nicht wieder gesehen. Vielleicht war er wirklich alt. Und ist gestorben. Hat sich in eine Ecke verkrochen und ist gestorben. Ein alter Igel. Neulich las ich in einem Buch, dass es so etwas in der Natur nicht gibt, der Autor nahm als Beispiel einen Buchfink (3): einen alten Buchfink. „Die sterben alle früh“, schrieb er (durch’s Fressen-und-gefressenwerden). Und jetzt – ein alter Igel, der sich mir zeigt. Das ist nämlich meine Vision, einer meiner tiefsten Herzenswünsche: dass alle Wesen auf Erden frei umherlaufen und dass keinem mehr etwas angetan wird oder sonst ein Leid geschieht. Niemand wird mehr überfahren oder geschlachtet. Die Kühe auf der Weide werden nicht 16 mehr hinter Stacheldraht gesperrt, sondern dürfen frei herumlaufen und werden alt. Alte Kühe! Auch die Pferde dürfen frei laufen. Das erfordert Mut und Abbau von Ängsten und eine neue Art des Umgangs der Wesen untereinander. Die Schafe, die Schweine, die Hühner, die Hunde … alle frei! Wildtiere werden nicht mehr gejagt. … … - Das ist wieder das Paradies. Das Paradies auf Erden! Das ist meine Vision! Vielleicht haben ihn auch die Elstern mitgenommen. Dieser Gedanke kam mir auch. Die Elstern haben gerade Junge, mindestens drei, vielleicht auch vier. Vielleicht ist er gestorben, als sie ihn in die Lüfte erhoben. Und sie haben ihn in ihrem Nest aufgefressen. Damit konnte er in seinem Tod noch jemandem als Nahrung dienen. – Früher erzählte ich manchmal, dass ich, wenn ich einmal tot sei, in den Wald gelegt werden wolle. Da könnten mich die Füchse und Dachse noch fressen und ich läge an einem schönen Ort, draußen in der Natur. Ja – der Gedanke gefällt mir besser, als auf einem Friedhof begraben zu werden! Falls ich mal sterben sollte. Die Schale mit dem Katzenfutter war leer. Das haben entweder die Elstern gefressen oder die Katzen oder Schröder oder – der Igel! Ist wieder zu Kräften gekommen und davon marschiert. Und jetzt erinnert er sich gerne an diesen Platz und kommt im Herbst wieder, um unter unserem Gartenhaus Winterschlaf zu halten. - Und nächstes Jahr spielen Igelkinder in unserem Garten! Wer weiß. Drei Wege Nun gibt es drei Wege, wie es weitergehen kann, unter denen ich die Wahl habe: Als ich vor drei Tagen das Vorhergehende schrieb, dachte ich, der Text geht weiter mit meinem Besuch bei der Gynäkologin, als ich mir ein Verhütungsmittel verschreiben lassen wollte und sie mir bestätigte, dass ich schwanger sei. Mir ist jedoch bewusst geworden, dass es hier sehr um das Thema „Männer“ geht, mein Männerthema. Schon beim weiter oben erwähnten Durchlesen des bisher Geschriebenen fiel mir das auf und ich hatte beim Lesen ein etwas ungutes Gefühl, weil ich meine, dass ich die Männer, über die ich schreibe, für etwas ge-brauche. Was ich über sie geschrieben habe, ist wie über-jemanden-reden und dafür schäme ich mich ein bisschen, das möchte ich nicht tun. Aber anscheinend muss ich es bei diesem Thema, weil mir (noch) unbewusst ist, was das alles mit mir zu tun hat. Aber es hat sehr viel mit mir zu tun. Es ist meins. Ich projiziere etwas auf die Männer, was mir noch nicht klar ist. Und es ist etwas, womit ich – anscheinend – im Kampf liege, was ich noch nicht 17 angenommen habe, wozu ich (wieder: noch) kein Ja habe, eher ein Nein. Ich habe im Grunde an jedem Mann etwas zu bemängeln. Das ist mir gestern Abend klar geworden, als ich bei meiner Tarotlehrerin zum monatlichen Tarot war. Das Thema war dieses Mal „Das Ja zu mir“. Wobei das Thema eigentlich heißen kann, wie es will, weil sich bei jedem sowieso immer das zeigt, was aktuell ansteht, und bei mir zeigte sich, dass ich meinen inneren Mann nicht wahrnehmen kann. Mit meinem inneren Kind kann ich in Kontakt treten und ich habe auch eine innere Frau und verschiedene andere Aspekte, die mir bewusst sind, z.B. diese Antreiberin, aber einen inneren Mann fand ich nicht. Keiner da. Vor einigen Monaten machten wir an einem dieser Tarot-Treffen eine Übung: Wir sollten nach innen blicken, schauen, ob wir unseren inneren Mann und unsere innere Frau wahrnehmen könnten und sehen, wie die beiden sich zueinander verhalten. Eine Frau war da in meinem Inneren. Die stand vor einer riesenhohen Mauer, eine Wand aus Stein. Und dann hatte ich so innere Bilder, in denen ein Mann einer Frau auf das scheußlichste Gewalt und Demütigungen antat. … … - … - Bevor ich mich in dieses Thema vertiefe, denn das ist der zweite Weg, von dem ich ja noch nicht weiß, ob ich ihn wähle, gebe ich ihm einen Namen: „In den Wald gehen“. In meinen eigenen dunklen Wald in meinem Inneren, um zu sehen, was da ist. Denn dass da etwas überaus Wichtiges für mich ist, weiß ich. Der dritte Weg stellt sich äußerlich so dar: Ich hatte doch beim Lesen des vorhergehenden Textes die Empfindung von „lauter Geschichten“. Daraus ergab sich die Idee, ich könnte mein Leben in Spotlights beleuchten: Kurzgeschichten schreiben zu verschiedenen Themen und Begebenheiten, z.B. „Der erste Kuss“. In Gedanken habe ich schon einführende Sätze unter diesem Titel formuliert. Also: ein zweites Projekt starten mit Kurzgeschichten? Oder diese Spotlights hier mit einbauen? Innerlich führt diese Fährte mit dem, was mir dazu momentan an Thematik durch den Kopf geht, ohnehin direkt zu – na? – meinem Männerthema! – Wie das war mit dem ersten Kuss oder „dem ersten Mal“, meine Enttäuschungen und die Männer, wie ich die erlebt habe in den Situationen, wie ich sie wahr-genommen habe. – Nein. Diesen Weg über die alten Geschichten wähle ich nicht. Vielleicht ein andermal. Jetzt möchte ich einen direkteren Weg finden. Oder einen abenteuerlicheren, einen neuen, den ich noch nicht kenne, den ich noch nicht gegangen bin. Ich gehe in den Wald. …-…-…Wir machen bei den Tarot-Abenden zu Beginn immer eine Meditation, in der wir die Begebenheiten des Tages, die Fahrt zu diesem Treffen, die geführten Gespräche, hinter uns lassen und uns mit unserem Herzen verbinden. In der Meditation am 18 Freitagabend hatte ich das innere Bild, dass eine junge Frau in wehenden Gewändern mir zuwinkte, ich solle ihr in einen Wald folgen. Zuerst nahm ich das freudig wahr und ging in ihre Richtung. Dann kam eine Angst in mir auf: Das war so ein junges, anmutiges Wesen! Ich bekam Angst, dass sie mir etwas zeigen würde, das mit Dirk und Sex zu tun hat, etwas, das ich nicht sehen will. Dirk in einem Waldteich mit jungen Nymphen. Und ich wollte nicht mehr mitgehen. Dann fiel mir ein, dass das Thema des Abends das „Ja“ war und dass meine Tarotlehrerin gesagt hatte, wir könnten in der Meditation dieses „Ja“, zu dem was auftaucht, ausprobieren und so ging ich hinein in den Wald. Ich kam an einen See, einen Teich. In dem stand eine riesengroße, weiße, leuchtende Gestalt, weiblich, kurz sah sie auch aus wie Jesus, aber dann war es wieder eine Frau. Mein Gefühl dazu war sehr gut. Ich empfand Vertrauen, Erhabenheit, Glück. Ich wollte hingehen, ging auch hin, sie hob mich auf, in ihre Arme. Und dann kam wieder die Angst: Ich bekam Angst, diese große Gestalt würde mich verschlingen, auffressen. … - … - In diesem Zwiespalt kam ich aus der Meditation zurück. Im Verlauf des Abends hat sich dann dieses Thema mit dem inneren Mann für mich herauskristallisiert. Uta, meine Tarotlehrerin, gebrauchte irgendwann die Worte: „Zu den Männern im Außen hast Du eher ein Nein.“ Und das stimmt. An jedem habe ich was auszusetzen. An jedem. Es gibt so ein/zwei Traumgestalten, die ich nur vom Sehen kenne und auf die ich das Ideal, das ich von einem Mann habe, übertragen habe. An denen habe ich nichts auszusetzen. - Wobei ich den einen schon vom Thron gestürzt habe: Ich war während meiner Single-Zeit jahrelang aus der Ferne in ihn verliebt und habe es dann gewagt, mich ihm zu nähern. Dabei stellte ich fest, dass die Wirklichkeit anders aussieht als mein Traumgebilde. Und Gott-sei-Dank-! habe ich das damals getan, sonst würde ich wahrscheinlich heute noch denken, der wäre vielleicht der bessere Mann für mich. Ich habe aber den besten Mann für mich! Das weiß ich. Auch wenn sich ab und an noch diese „Geschichten“ in mir und meinem Leben abspielen, diese irgendwo aufgeschnappten Bilder, die ich dann auf Dirk projiziere. Und was ist es nun eigentlich, was ich den Männern vorwerfe? Vielleicht zähle ich zuerst einmal ein paar Attribute meines Idealbildes auf, das ist einfacher: Stärke, Stabilität, Treue, Ruhe, Humor, Zärtlichkeit, Standhaftigkeit, die-eigene-Frauehren-und-auf-Händen-tragen. Wobei: Ich weiß schon, was es ist, was ich den Männern vorwerfe. Aber was sind die passenden Worte? Es gibt die (wieder Ideal-) Aussage: „Das Männliche dient dem Weiblichen wie der Ritter seiner Königin.“ Aber das tun die Männer nicht, die ich kenne! (Außer vielleicht Dirk?) Im Gegenteil! Wenn sich ihnen die Möglichkeit einer außergewöhnlichen Ritterlichkeit bietet, sagen sie (Zitat eines Freundes von mir): „Wie weit soll sich ein Mann denn noch herablassen?!“ Sie sind nicht da, wenn die Frau sie braucht, sie hören nicht auf ihre Bitten, geschweige denn nehmen sie unausgesprochene Bedürfnisse wahr, von Erfüllung nicht 19 die Rede, sie sind oberflächlich und uneinfühlsam, desinteressiert sogar, es fehlen Achtung, Wertschätzung und Liebe. - Ist es so? Das ist ja richtig schrecklich, was ich da geschrieben habe! - Dabei habe ich Fremdgehen und Pornos noch gar nicht erwähnt! Ich kenne das alles aus meinem Umfeld und aus eigener früherer Erfahrung. Das sind meine Ängste, die ich auf Dirk übertrage, meine Meinung manchmal, wie er sei, weil er doch ein Mann ist. Dann mache ich dicht und erlaube mir nicht, ihn zu erfahren in der aktuellen Situation, aus Angst vor Verletzung. Das ist das Eine, und die Prozesse, durch die wir gehen, kommen bestimmt noch zur Sprache. Aber jetzt geht es darum, was das alles mit mir zu tun hat!? Warum habe ich das immer wieder so erlebt? Was habe ich da für ein inneres Muster, mit dem mein äußeres Erleben in Resonanz geht? So, wie ich es beschrieben habe, sehe ich die Männer. Dabei sind sie mit Sicherheit auch anders! Jeder einzelne hat mit Sicherheit seine ganz individuellen „guten“ Eigenschaften. Aber dafür habe ich kaum einen Blick. Und dieses Nach-schönen-Frauen-sehen-und-sie-begehren unterstelle ich jedem Mann. Ja. Ich kann nicht glauben, dass es einen gibt, der das nicht hat. Und in mir erzeugt das ein tiefes Minderwertigkeitsgefühl. Weil es an jeder Ecke eine Frau gibt, die schöner ist als ich. – Obwohl ich mich manchmal wirklich selbst schön finde! Immer bin ich nicht in diesem Zustand. Aber es ist ein sehr tiefsitzendes Muster. - Dirk sagt, er findet mich aufregend. Und ich finde ihn auch total sexy, wunderschön, ich könnte ihn immerzu ansehen und mich an ihm freuen und bin von Herzen dankbar und manchmal verwundert darüber, dass er mein Mann ist. Wenn ich ihm das sage, dass ich ihn sexy finde, dann nimmt er das kaum zur Kenntnis. Aber wie sollte er sich auch daran freuen und es annehmen, wenn ich selbst seine Aussagen diesbezüglich über mich überhaupt nicht glaube(n kann)?! Etwas in mir meint, er scherzt und kann das, was er sagt, nicht ernst nehmen, nicht annehmen. … – Scheiße ist das!! In mir ist eine Instanz, die mich selbst boykottiert. Und diese Angst, aufgefressen zu werden, aus der Meditation, hat da, glaube ich, etwas damit zu tun. Mein kleines Selbst hat Angst, von meinem großen, strahlenden Selbst aufgefressen zu werden. Und anstatt mich meinem großen Selbst anzuvertrauen und mich nicht länger klein zu halten, anstatt mich ihm in die Arme zu werfen, schiebe ich diese Angst vor und bleibe lieber da, wo ich bin. Ich will aber nicht da bleiben!! Ich will frei werden von diesen Begrenzungen!! Das ist schrecklich mit diesem Minderwertigkeitsgefühl, mit der Eifersucht, mit dem Vergleichen! Das unterdrückt mich! Das unterdrückt alle meine Lebensgeister! Vielleicht sind einige meiner „Lebensgeister“ die Teichnymphen, oder eine Teichnymphe, wenn mir Monogamie und Treue so wichtig sind. Schiere Sinnlichkeit. Vielleicht ist es das, was im dunklen Wald auf mich wartet: all meine unterdrückten Anteile. – Na, dann kommt! Kommt raus aus dem Wald! Kommt, um mit mir zu leben!! Das Leben ist nämlich etwas ganz Wunderbares!! Und wenn Ihr erst alle dabei seid, wird’s bestimmt noch viel schöner!! Ich 20 unterdrücke Euch nicht mehr! Ihr dürft jetzt alle hervorkommen! Ich bin total froh, dass ich Euch (entdeckt) habe!! Freitagabend, auf dem Nachhauseweg vom Tarot, bat ich meinen inneren Mann, sich mir zu zeigen. Und ich nahm ihn wahr hinter mir. Er sagte: „Du hast mich verbannt. Ich bin aus Deinem Blickfeld gegangen, aber ich war immer hinter Dir, um Dich zu beschützen und Dich zu unterstützen.“ Natürlich musste ich weinen. Ich fragte ihn, warum ich ihn verbannt hätte, und dann kamen all meine Angstbilder hoch: Betrug, andere Frauen, ein totes Kind, an dessen Tod ich ihm die Schuld gab. … - … - … Vielleicht war es sowas Schlimmes, dass ich im Schmerz und zum Schutz gegen ihn eine Mauer errichtet habe – Erfahrungen in früheren Leben oder Erinnerungen aus dem kollektiven weiblichen Bewusstsein, das in mir pocht. Aber dann fiel mir das Märchen von den sieben Raben ein, in denen die Buben von ihrem Vater verwunschen werden für einen zerbrochenen Krug, also etwas gar nicht so Schlimmes. Und der Vater wusste ja auch eigentlich nicht, was wirklich geschehen war. Er hat es sich zusammengereimt. Vielleicht schiebe ich den Männern und meinem inneren Mann etwas in die Schuhe, worin ich mich irre? Ich reime mir was zusammen, aber weiß nicht wirklich, wie es sich verhält. Liebe Leser, wisst Ihr, was Dirk draußen macht? – Er reißt eine Mauer ein. Und er sagt: „Hier wird alles anders.“ !!!!!! Das finde ich so faszinierend am Leben: die inneren Prozesse und was im Außen geschieht, während man sich mit ihnen beschäftigt, einfach so, ohne dass man selbst etwas dazu tut. Aber was ist mit meinem Zell-Gedächtnis, das all die Erfahrungen aller Frauen der letzten paarhundert Jahre (und seit Anbeginn der Zeiten) in sich trägt? Wie kann ich das erlösen, all den Schmerz, alle Demütigungen, Verrat, Missbrauch und Geringschätzung? Und was ist mit Adam und Eva, warum habe ich von denen geschrieben? Liegt da noch eine Antwort verborgen? Ich glaube, mein Weg in den Wald ist noch nicht zu Ende und mein Schreib-Projekt hier, wird mir noch manche Pfade eröffnen. Ich merke jetzt aber, dass ich mich mit zu vielen Fragen und Analyseversuchen verzettele. Ich will die Erkenntnisse einfach aus mir aufsteigen lassen und nicht nach ihnen suchen. Besser lasse ich mich von ihnen finden. Sowieso geht es, glaube ich, nur so. Alles kommt von selbst. Das habe ich gestern im Internet gelesen (4): Wie nun überqueren wir die Mauer und beginnen, die andere Seite mit ihren Wundern, Einheit, immensen Liebe zu erleben und das Leben unserer wahren und authentischen Träume zu leben? 21 Lass es gehen. Lass einfach alles davon gehen, von dem Du gedacht hast, es sei real oder wichtig. Erlaube dem, was nun wahrhaftig real ist, in Dein Universum und Deine Realität hineinzukommen. Nimm Dir Zeit für Dich selbst... sorge nun dafür, dass Du für Dich da bist und tue das, was Du brauchst, Pause, Selbst-Nährung, Ausatmen, im Moment sein, Verantwortlichkeiten gehen lassen und einfach in Deinem eigenen heiligen Raum bleiben und sich darin aalen. Finde einen Weg, Deine Batterie wieder aufzuladen, Dich zu regenerieren und erlaube Dir Zeit für Dich selbst. Sag so oft wie möglich nein zu Verbindlichkeiten, Zusammenkünften/Veranstaltungen, Aufträgen / Terminen / Verabredungen. Erlaube Dir Zeit für Dich selbst, hab die Bereitschaft nicht mehr länger etwas in Angriff nehmen zu müssen, und Du wirst herausfinden, dass alles ganz einfach von selbst passieren wird, ohne dass Du auf 'HabAcht' Stellung sein musst. Das gehen zu lassen, was sich nicht mehr länger gut oder richtig anfühlt, wird dem Neuen erlauben, hereinzukommen und Dich zur selben Zeit in einen sehr neuen Raum versetzen. VERTRAUE. Und so mache ich jetzt Pause. Morgen fahren wir für ein paar Tage weg. Ferien! Adolf Hitler im Raps Es gibt hier eine Katze. Ich bin ihr in letzer Zeit öfters begegnet. Wenn ich mit Michel im Kinderwagen durch’s Dorf gehe, um Oma und Opa, meine Eltern, zu besuchen, dann liegt sie manchmal in einem Garten im Gras oder sie sitzt auf dem Bürgersteig oder in einem Hof und sieht uns an. Ein paar Mal habe ich sie auch beim Gassi-gehen mit Schröder gesehen, wie sie durch die Felder streift, über den Feldweg läuft oder durch das abgemähte Rapsfeld. Sie ist ganz weiß mit wenigen grau-schwarzen Flecken, einer auf dem Kopf, der sieht aus wie die Frisur von Adolf Hitler, und einer über ihrem Schnäuzchen, der sieht aus wie Hitlers kurzer Schnurrbart. Als ich sie zum ersten Mal sah, sagte ich zu Michel: „Guck mal, die sieht aus wie Adolf Hitler!“ Da lag sie im Garten im Gras und döste und als ich das gesagt hatte, hob sie ihren Kopf und sah uns an. Vielleicht ist sie eine Reinkarnation von ihm. Vielleicht nicht der ganze Adolf Hitler, aber ein Teil von ihm. Von Michel dachte ich das auch schon mal, dass Adolf Hitler mit einem Anteil seiner selbst als Michel zu uns gekommen ist – beide haben am 20. April Geburtstag, und Michels Haare haben mich mal an die von Hitler erinnert -, weil 22 er, Hitler, doch so eine schreckliche Kindheit gehabt haben soll und jetzt will er als Michel-Kind bei uns leben und das ausheilen lassen. Und als Katze streift er hier durch den Raps und döst in der Sonne, einfach so. Einfach leben! Völlig frei, ohne irgendwelche Verantwortungen, ohne Druck, einfach leben und das Dasein genießen. Es sei ihm gegönnt! Versteht mich nicht falsch. Michel ist Michel und ich glaube nicht, dass er irgendwie besetzt ist. Aber wir sind alle miteinander verbunden. Und wenn meine eigene Kindheit, inspiriert durch Michels Dasein, heilt, indem dass ich sowohl Mutter als auch Kind bin, darf Hitler ruhig auch daran teilhaben. Hitler ist irgendwie ein Archetyp, eine Gestalt, die sich manifestiert hat, weil alle Menschen die ihn prägenden Eigenschaften in sich tragen, aber eher unterdrücken, bzw. sich nicht eingestehen, weil sie sie für böse halten, „ich doch nicht“! Das Kleine, Gemeine, Anschwärzende, Alle-auf-einen, die Grausamkeit und das Unbarmherzige. Weil ich meine Wut lieber runterschlucke – siehe die Alkoholsucht in meiner Lebensgeschichte – anstatt sie zu artikulieren, weil ich mich nicht traue, rasiert sich mein junger Nachbar die Haare ab, pierct und tätowiert sich und hört Techno, dass die Wände beben. Der lässt seinen Frust und seine Aggressionen raus und stülpt sie mir noch über! Und das ist ja auch das Gute am Leben: dass man seine Themen dermaßen präsent vor die Nase gesetzt bekommt, dass man gar nicht anders kann, als sich damit auseinanderzusetzen! Ich habe an ihm gelernt. Er hat mich dazu gebracht, mich zu trauen, für mich einzustehen und Grenzen zu setzen. Jetzt ist er ruhiger. Meine Wut ist aber immer noch ein Thema, das noch nicht ganz ausgewogen ist. Ich schlucke immer noch manchmal, wenn ich lieber sagen würde: „Das ärgert mich jetzt!“ Mit dem Ergebnis, dass ich die Begebenheit dann tagelang mit mir herumtrage und sehen muss, wie ich sie wieder loskriege, bzw. ausbalanciere. Dass sowas wie Hitler, Nazis und Neonazis auf den Plan treten, liegt meines Erachtens daran, dass Menschen ihre eigenen Aggressionen unterdrücken, dass sie konfliktscheu sind, sich nicht trauen und sich lieber ducken und schweigen, sich kleinmachen, anstatt sich zu zeigen und für sich einzustehen. Dabei muss ich auf niemanden zeigen. Ich rede von mir. Deshalb bin ich auch so guter Dinge, dass das alles gut wird und die Neonazis verschwinden, denn ich bin am wachsen, ich traue es mir jetzt zu, mich zu trauen! In unseren Ferien war eine Situation, die mir nochmal klar gezeigt hat, wie das ist, nichts zu sagen, wenn man sich ärgert: Die akute Situation dauerte vielleicht zehn Minuten. Mit mir herumgetragen habe ich es mindestens zwei Wochen. Ein nächstes Mal will ich meine Wut nicht schlucken! Möge es mir dann auch bewusst sein und möge ich es anders machen! Das sitzt bei mir so fest, dieses Verhaltensmuster des Runterschluckens, dass ich in solchen Situationen oft wie ein hypnotisiertes Kaninchen bin. Mir geht erst später auf, dass mir da 23 jemand was übergebügelt hat und ich brav stillgehalten habe. Schluss damit!! Aus!! Ende!! So nicht mehr!! Eine Lehrerin von mir äußerte einmal die Ansicht, Adolf Hitler sei nicht im Himmel. Auf keinen Fall sei er Himmel! Der doch nicht! Ich aber glaube, dass er es ist. Im Himmel seiner Seele, und in manchen lebendigen Organismen hier auf der Erde, die sich in himmlischen Zuständen befinden, wie die weiße Katze. Von Gott aus ist er allemal im Himmel. Gott verzeiht jedem alles oder besser gesagt: Für Gott gibt es nichts zu verzeihen, weil er weiß, dass es nichts zu verzeihen gibt. Gott, das höchste oder tiefste oder reinste Sein Adolf Hitlers und von uns allen, hat ihm verziehen, bzw. ihn gar nicht erst für schuldig befunden. Höchstens Hitler selbst oder noch in Vorstellungen und Glaubensmustern gefangenere Teile seiner selbst, mögen noch mit seinen Taten hadern und ihn dafür verurteilen. Aber auch das glaube ich nicht. Hitler ist im Himmel. Im Paradies. Und so können wir uns alle eine Scheibe abschneiden von ihm, denn wenn er da ist, hat er sich selbst alles vergeben. Und wer kann das schon von sich behaupten, sich selbst alles vergeben zu haben? Sich selbst, mit allem, mit allem!!! angenommen zu haben, sich wundervoll zu finden und zu lieben. Und vielleicht ist doch der ganze Adolf Hitler in der Katze im Rapsacker, weil hier, gleich bei mir um die Ecke, der Himmel ist. Ich hatte neulich schon den Eindruck. Die Krone des Königs Am 12. Juli hatte ich galaktischen Geburtstag. Ich bin Chicchan 2. Chicchan, die rote Schlange, ist die Weisheit des Körpers, ist Kreativität, Lust auf und am Leben, ist die Lebenskraft und die Kraft des Überlebens. Der Ton 2 ist der lunare Ton der Herausforderung, das Lernen durch Beziehungen und die Kraft zum Wachstum. Das ist meine Geburtsprägung im Maya-Kalender, so wie ich laut gregorianischem Kalender Wassermann und im chinesischen Horoskop Drache bin. An meinen galaktischen Geburtstagen lege ich seit einiger Zeit immer ein keltisches Kreuz mit meinen Tarotkarten (5), als Orakel für den kommenden Lebensabschnitt und es ist interessant, im Nachhinein zu sehen, was ich jeweils gelegt hatte und was dann geschehen ist. Dirk und Michel z.B. wurden unmissverständlich angekündigt, obwohl nichts im Außen auf sie hindeutete. Ich halte die keltischen Kreuze in meinem Tagebuch fest. Das Kreuz vom 12. Juli nun steht sehr im Zeichen meines inneren Mannes, männlicher Kraft, die sich vollkommen ins Ganze einfügt. Ja, jetzt, wo ich wieder darauf schaue, kommt es mir so vor, als sei alles schon in perfekter Ordnung, 24 nur ich meine noch nach etwas suchen zu müssen, was schon da ist. Ich bin noch in einer Täuschung gefangen, oder nicht gefangen, sondern befindlich. Es sagt auch: „Sei gelassen, lass es, wenn Du diesen Prozess noch brauchst, dann lass ihn. Mach‘ dir keinen Stress. Verurteile dich nicht.“ … - … Hm. … - … Dirk hat in unseren Ferien mein Manuskript gelesen. U.a. sagte er dazu, ich sei noch im Wald und er habe ihn schon durchquert. Ich wollte ihm antworten, dass er meiner Meinung nach noch gar nicht hineingegangen ist. Aber vielleicht hat er recht. Jedenfalls antwortete ich nichts und wenn er das so sieht, wie er sagt, dann nehme ich das einfach mal an, ohne es gleich wieder abzuweisen. Mag sein, dass er bezüglich mancher seiner Themen in seinen eigenen inneren Wäldern noch einiges finden kann, aber in Bezug auf ihn und mich mag er seinen Wald erkundet haben. Nur ich steh‘ im Wald und sehe ihn nicht vor lauter Bäumen, sozusagen, habe das Offensichtliche vor Augen und begreife es (noch) nicht. Weil meine bisherigen Erfahrungen anders sind oder weil ich etwas anderes geglaubt habe, weil ich etwas Bestimmtes erwarte, starre ich auf meine Erwartung, auf das Alte, wie ich es erfahren habe, meine, nun müsste es doch auch wieder so kommen, und ich sehe nicht, was wirklich da ist. Weil ich immer nur das gesehen habe, was ich geglaubt habe. Jetzt kommen andere Menschen daher und öffnen mir die Augen für neue Wahrheiten, für die Wahrheit, die ich bisher nicht sehen konnte. … - … Oder die Erkenntnisse steigen aus mir selbst auf. An meinem galaktischen Chicchan –Geburtstag zog ich auch eine Engel-Karte zur Unterstützung für mein neues Lebensjahr. Es war Shushienae, der Engel der Reinheit (6). Die Karte zeigt ein Bild mit drei Personen: ein Engel in grünem Kleid und zwei Menschen, zwei Frauen, dachte ich auf den ersten Blick, eine in blauem Kleid und eine weißgekleidete, die in einem Arm einen grünen Zweig hält und in der anderen Hand ein Öllämpchen und ganz versunken ist in den Anblick seines Lichtchens. Die drei sitzen ganz nah beieinander und der Engel hält eine Krone in einer Hand, die auf seinem Schoß liegt. Die blaugekleidete Gestalt spielt auf einer kleinen Harfe. In mein Tagebuch habe ich geschrieben: „Ich glaube, sie warten auf den König, um ihn zu krönen. Wo ist er?“ Ich ließ die Karten den ganzen Tag auf dem Küchentisch liegen, wo ich sie gezogen hatte und betrachtete sie hin und wieder. Nach Stunden entdeckte ich, dass die Gestalt in dem blauen Kleid einen Adamsapfel hat. Ist das ein Mann? Dann sah ich auch, dass der Engel seine freie Hand auf ihrer Schulter liegen hat. Beide, der Engel und der Mann(?!) schauen auf die Frau, geduldig und als würden sie das schon sehr lange tun. Der Engel scheint ein bisschen traurig zu sein: „Wann siehst du uns endlich?“ Und der Blaugekleidete spielt voller Hingabe die Harfe, sehnsüchtig, als wolle er mehr tun, um die Aufmerksamkeit der in sich versunkenen Frau zu erregen, 25 kann es aber nicht, als seien ihm die Hände gebunden. Und sie sind ihm gebunden! Eine Kette liegt um seine Handgelenke, das erkannte ich noch eine ganze Weile später. - Was hat das zu bedeuten? Dass der Königssohn längst da ist, der junge König? In Begleitung und Obhut eines Engels. Vom Himmel gesandt. Er ist schon so lange da, dass der Engel ihm die Krone abgenommen hat, damit sie ihn nicht drückt oder um sie der jungen Frau aufzusetzen, um sie zu krönen und damit die beiden zu verbinden. Die aber ist ganz fasziniert von ihrem Lämpchen und schaut gar nicht auf. Vielleicht braucht der junge König aber ihre Hilfe, dass sie ihm die Fesseln abnimmt. Oder er will ihr seine Liebe schenken, kann ihr aber nicht mehr geben, als sie wahrnimmt, den leisen Klang seiner Harfe, aber da ist soviel mehr!!!! Wenn sie nur aufblicken und ihn sehen würde! Abgesehen von ihm, dem liebenden, hingebungsvollen jungen König, auch noch das pralle Leben, symbolisiert durch das grüne Kleid des Engels mit einer goldenen Schleife als Gürtel, das Goldene ist die Erleuchtung, die Erkenntnis der Wahrheit, als Gürtel getragen ist es die Verbindung von Himmel und Erde. …-…-…Hm. Was ich da in den letzten Zeilen geschrieben habe, passt sehr gut als Erläuterung meines keltischen Kreuzes vom 12. Juli. So ist es also. Ich suche etwas und hab‘ es schon! Es ist schon da und ich habe es noch nicht begriffen. Gestern Abend, als ich das Kapitel von Hitler im Raps geschrieben hatte, sah ich nochmal nach meinen E-Mails. U.a. war ein Info-Schreiben für ein (Familien-) Aufstellungsseminar angekommen. Darin stand: „Es gibt nichts zu verzeihen, denn Verzeihen setzt Schuld voraus.“ (7) Da hatte ich meinen eigenen, gerade durchlaufenen Prozess nochmal auf den Punkt gebracht! Darauf war ich nicht gekommen: Es gibt keine Schuld! - nicht mit Worten und auch nicht so klar in der Erkenntnis. Aber als ich das las, habe ich es begriffen. Theoretisch „weiß“ ich das ja schon lange: dass es keine Schuld gibt. Und ich habe es auch mehrfach selbst bei Familienaufstellungen ganz deutlich empfunden und erlebt. Aber gestern Abend – das war wie das Abfallen einer „Begriffshülle“. Ich hatte einen Begriff von etwas, aber da war eine Hülle, Wand, Trennung, Barriere drum herum, ich hatte es noch nicht be-griffen, den Begriff nicht in meinem Inneren verwandelt. Es gibt keine Schuld. Wir sind alle unschuldig wie die Kinder, egal, welche Lebensgeschichte wir haben, auch Adolf Hitler. Der konnte gar nicht anders. Und keiner muss einem anderen etwas zuweisen. Alles, was wir wahrnehmen, ist in uns selbst. Halleluja! 26 Etwas ganz Neues Anfang September 2006 bekam ich, ein paar Tage früher als vereinbart, weil ich Beschwerden hatte, einen Termin bei meiner neuen Gynäkologin. Eigentlich wollte ich mir da die Pille oder ein anderes Verhütungsmittel verschreiben lassen. Als Erstes gab ich eine Urinprobe ab. Dann kam ich dran und saß im Besprechungszimmer der Ärztin, vor ihrem Schreibtisch. Sie kam herein, herein gerauscht, ohne den Kopf zu heben, sah mich gar nicht an, stellte sich nicht vor, fragte nicht nach meinem Namen, sondern nahm gleich ihre Zettel, die auf dem Tisch lagen, in die Hand und sagte: „Ja, das ist also positiv.“ Obwohl ich wusste, was sie meinte, und obwohl etwas in mir auch schon wusste, dass ich schwanger war, habe ich es doch im ersten Moment nicht begriffen und diese offizielle Bestätigung war noch mal … - ja – wie? Paff! Da war etwas passiert, was ich nicht für möglich gehalten hatte. Ich hatte es nicht für möglich gehalten, in diesem Leben Mutter zu werden, schwanger zu werden, nicht wirklich. Obwohl ich wusste, dass ich schwanger bin. Etwas in mir wusste es, aber mein Alltagsbewusstsein oder meine Erfahrungen, mein Selbstbild, mein eingeschränktes, wollten es nicht glauben. Als sie das mit dem „positiv“ sagte, wurde dieser Glaubenssatz –pong! – gesprengt und ich empfing das für mich völlig Neue auch gedanklich, mit meinem Verstand. Wir gingen in ein anderes Zimmer, ich legte mich auf eine Liege, sie gelte mir den Bauch ein und fuhr mit ihrem Ultraschall-Dingens darauf herum. Auf dem Bildschirm zeigte sie mir die Schwangerschaft. Ja! Da war was! Auf dem Bild, das sie ausdruckte, konnte man schon Michels Rückgrat sehen. – Da wusste ich ja noch nicht, dass es ein Michel wird. In den ersten Wochen der Schwangerschaft stellte ich mir vor, es sei ein Mädchen. Aber schon beim zweiten Ultraschalltermin, das war in der siebten Schwangerschaftswoche, sah ich ein Schnipselchen am Embryo, das eindeutig wie ein Penis aussah. - Dann fragte sie mich, ob ich wisse, dass ich Myome habe, Gewächse in der Gebärmutter. Es seien einige und sie seien recht groß und deswegen sei es kein Wunder, dass ich Beschwerden habe. Ich sollte mich schonen, hinlegen, nicht arbeiten gehen, sonst würde ich die Schwangerschaft gefährden. Das Ultraschallgerät gab an, die Schwangerschaft befände sich in der fünften Woche und errechnete auch gleich den wahrscheinlichen Geburtstermin: 2. Mai 2007. Ich rechnete nach und kam bei aktuellem Datum minus fünf Wochen auf Ende Juli. Ich hatte aber Anfang August zum letzen Mal meine Periode und wir hatten doch auch da erst das erste Mal miteinander geschlafen. Da sollte es gleich passiert sein? Und dann noch die Periode? Die Ärztin lies sich aber von der 5. Woche und der Empfängnis Ende Juli nicht abbringen. Das weckte in mir den Gedanken, das Ganze müsse etwas Besonderes sein: eine „unbefleckte Empfängnis“, so wie bei Maria mit Jesus. „Es“ war einfach passiert, vom Himmel gefallen quasi, und damit es irdisch angenommen werden konnte, trat Dirk zeitgleich auf den Plan. Ich meine das nicht 27 unbedingt wörtlich. Aber eigentlich doch. Michel ist ein Geschenk des Himmels. Und Dirk genauso. Aus der Praxis draußen, rief ich gleich Dirk an. Der wartete schon auf meinen Anruf. Ich teilte ihm das Ergebnis mit und fuhr zu ihm. Auf der Fahrt weinte ich. All die Fakten, all das Neue – ich war erschüttert und musste mir Luft machen, es fließen lassen. Es waren Tränen der Ausdehnung. Aber es waren auch Tränen dabei, die flossen wegen: „Wie soll das gehen? Nicht arbeiten? Mein neuer Job! Was werden die im Kindergarten sagen? Woher soll dann mein Geld kommen?“ Als ich bei Dirk war und wir uns im Flur in den Armen lagen, sagte er als Erstes: „Die Fische müssen weg.“ Er hatte einen Fischteich im Hof. …-…-…Die Fische kamen dann auch weg. Zu gegebener Zeit. Die „wertvollen“ Koys gab er einer Bekannten und die „gewöhnlichen“ Karpfen schwimmen jetzt in einem Teich, zwei Kilometer weit weg von hier. Manchmal fahren wir zum Gassi-gehen hin. Ich schlief eine Nacht über das Nicht-mehr-arbeiten-gehen-und-mich-hinlegen und entschied mich, es zu tun. Ich redete mit dem Vorstand des Kindergartens. Der erste Papa, dem ich sagte: „Ich muss Dir was sagen, ich bin schwanger und ich habe Myome und soll mich hinlegen“, der antwortete mir freudestrahlend: „Herzlichen Glückwunsch!“ Die anderen reagierten auch alle positiv und ich bin nun in diesem Kindergarten in Elternzeit bis Michel 2 wird. Im Fluss sein Das Geld floss die ersten sechs Wochen, die ich zuhause blieb, wie gehabt und dann in Form von Krankengeld. Dirk traf Vorbereitungen, um zu mir zu ziehen. Im Oktober zog er um. Er ging zu der Zeit auch noch arbeiten, Kfz-Aufbereitung. Zum Winter hin gab es da aber keine Arbeit mehr und er meldete sich arbeitslos. Wir warteten ewig, über Monate, auf die Gewährung von Geld für ihn/uns vom Arbeitsamt und lebten den ganzen Winter und halben Frühling über von meinem Krankengeld. Wir dachten immer, es sei zu wenig (aber irgendwie reichte es doch) und wenn erst das Arbeitslosengeld käme, die Nachzahlung, dann …! Wenige Wochen vor Michels Geburt bekamen wir nach mehrmaligem Nachfragen den Bescheid, dass Dirks Antrag abgelehnt sei, weil wir in eheähnlicher Gemeinschaft lebten und mein Krankengeld 28 für uns beide ausreiche. Wir fielen aus allen Wolken. Die Sachbearbeiterin behauptete auch, sie hätte uns den Bescheid schon vor Wochen zugesandt. Wir hatten aber nichts bekommen und lebten die ganze Zeit in der Hoffnung auf über kurz oder lang kommendes Geld. Die Woche nach Michels Geburt, als wir aus dem Krankenhaus nachhause fahren wollten, waren wir bis zum Anschlag im Soll und wir liehen uns von meinen Eltern Geld, um 100,- € Leihgebühr für eine Milchpumpe zahlen zu können, um Lebensmittel zu kaufen und das Auto zu tanken. Am 1. Mai war die Auszahlung einer Lebensversicherung von mir fällig. Das waren knapp 4000,- €. Damit füllten wir unser Konto, bezahlten die Schulden zurück und kauften uns eine Gartenhütte, die im Sonderangebot war. In Erwartung der Nachzahlung vom Arbeitsamt hatten wir uns in diesem Frühjahr auch schon einen ermäßigten Pavillon geleistet, mit dem Dirk einen schönen Freisitz für uns gebaut hatte. So hatten wir zwar sehr wenig Geld, aber uns flossen doch Reichtümer und Neuerungen zu. Zumal Dirk einen enormen Arbeitseifer besitzt, ausgesprochen kreativ ist und handwerklich ein Allroundtalent. Er hat hier losgelegt und innen und außen in so kurzer Zeit soviel verändert, dass es mir hinterher leid tat, dass ich nicht von allen erneuerten Ecken Vorher-Nachher-Fotos gemacht hatte. Er renovierte auch Flur und Bad, mit enormem Aufriss – alles neu. Das sponserten meine Eltern, denen das Haus, in dem wir wohnen, gehört, und ich übte mit meiner Psychologin, das alles anzunehmen und die Haltung einzunehmen, dass mir das zusteht. Ich ging zu ihr zu therapeutischen Sitzungen seit ich damals mit Ralf zusammen war, weil ich in dieser Beziehung in vollem Ausmaß an meine Eifersuchtsund Minderwertigkeitsthemen und meine Verlassen-werden-Ängste gekommen war. Ich beantragte die Therapie, als ich nach Vorkommnissen mit Ralf ein paar Nächte lang nicht geschlafen hatte, mich einige Tage nur von Kaffee ernährte und innerlich total am Rad drehte, völlig verzweifelt war und Qualen litt. Ich hatte ja schon hilfreiche therapeutische Erfahrungen in meinem Trocken-werden-Prozess vom Alkohol gemacht. Im Februar begann Dirk damit, meine Speisekammer wegzuhauen und so den Flur zu erweitern. Das Bad hängt gleich nebendran und auch da wurde alles herausgehauen, bis auf die letzte Fliese. Flur und Bad lagen also in Schutt und Asche und über Wochen war das eine Baustelle. Ich hatte einen riesengroßen Bauch und lag die meiste Zeit im Bett, weil ich zu der Zeit enorme Beschwerden hatte. Zeitweise konnte ich wegen Schmerzen gar nicht richtig laufen. Ende Januar verbrachte ich deswegen auch eine Woche stationär in der Klinik. Im letzten Drittel der Schwangerschaft wurde es aber besser. Das war für mich die entspannteste Zeit der Schwangerschaft, da hatte ich nur noch Sodbrennen nachts. 29 Ich musste also den ganzen Umbruch einfach hinnehmen. Loslassen und geschehen lassen, mich hingeben, liegenbleiben und die anderen machen lassen. Ich sehe es auch als göttliche Fügung an, dass wir so lange nichts von dem Ablehnungsbescheid wussten und im Glauben lebten, da käme bald eine ordentliche Nachzahlung. Ich machte mir so schon Sorgen um unsere Finanzen, aber wenn ich das mit der Ablehnung schon eher gewusst hätte, hätte ich mich noch viel mehr gegrämt. Den Pavillon hätten wir mit Sicherheit nicht gekauft. So aber haben wir ihn und es ist finanziell doch immer irgendwie gegangen. Unser Konto war zwar dauernd im Soll, aber trotzdem floss der kosmische Fluss und brachte uns viel Neues. So ist es auch mit Michel. Ich machte mir so schon manchmal Sorgen, ob auch alles gutgehen würde. Eine Geburt stand mir bevor! Und es sollte ein geplanter Kaiserschnitt werden, weil der natürliche Weg durch die Myome blockiert war. Die Wehen durften nicht einsetzen, denn sonst bestand die Gefahr, dass meine Gebärmutter platzen könnte, was bestimmt tödlich für das Kind und mit 80 %tiger Wahrscheinlichkeit auch für mich enden könnte. So hatten es mir die Ärztinnen gesagt, meine Gynäkologin und die Ultraschallerin in der Uniklinik. Mit dem Festlegen eines Geburtstermins tat ich mir schwer, denn ich bin der Ansicht, jeder hat seine Zeit, zu der er auf die Erde kommt (und geht), das entscheidet die Seele. Und da sollte ich eingreifen und bestimmen?! Meinem Kind etwas aufzwingen? Heute bin ich im tiefen Vertrauen, dass das alles, auch mit den scheinbaren äußeren Zwängen, genau richtig war. Michel ist zu seiner Zeit auf die Erde gekommen. Das Ganze war von vorne bis hinten behütet und beschützt, und ist es mit Sicherheit noch. Wenn ich gewusst hätte, dass Michel das Down-Syndrom hat, dann hätte ich mir noch viel mehr Sorgen gemacht. Aber so kam er raus und dann war es so. Da begannen die 7 heiligen Tage. Michels Geburt Am 20. April 2007, früh morgens, fuhren wir in die Uniklinik nach Gießen, um unser Kind zur Welt zu bringen. Es war ein Freitag. Wir sollten gleich morgens drankommen, aber als wir ankamen, war gerade ein Notfall im Geburts-OP. Ein Kind war in der 25. Woche zur Welt gekommen und es dauerte ein paar Stunden, bis Kind und Mutter versorgt und in Sicherheit gebracht waren. Ich wurde derweil in Vorbereitung auf die OP gewässert. Stundenlang, den ganzen Vormittag. Das heißt, mir wurde per Infusion (Salz-?)Wasser injiziert, ich weiß nicht mehr warum, sie hatten es mir erklärt, damit ich die OP besser überstünde. Mir war kalt deswegen. Ab und zu sah eine Hebamme nach mir. Eine Hebammen-Schülerin 30 rasierte mir irgendwann die Schamhaare weg und später kam der Anästhesist und stellte sich vor. Das war ein lustiger Kerl, der selbst vor vier Monaten Vater geworden war. „Vier Monate!“ dachte ich, „das Kind ist ja schon groß.“ Wir warteten. Dann ging es los. Mittags gegen halb eins. Der Anästhesist hatte mir eine Kanüle gelegt. Es kam noch eine Anästhesistin hinzu, die sich mir auch vorstellte. Sie machte einen ganz toughen Eindruck, aber sie streichelte mir über‘s Gesicht, als ich in den OP-Raum gefahren wurde. Dann kamen viele Menschen, Schwestern, Hebammen und Schülerinnen, Lern-Ärzte, die zusahen oder auch selbst was an mir ausprobieren durften und dann der Arzt, der mich operierte, der Michel auf die Welt holen sollte. Alle trugen so grüne Käppchen, auch ich und Dirk hatten welche auf. Der Oberarzt aber, der die OP machte, trug ein Piratenkopftuch! Und er sah auch aus wie ein Pirat! Er war ein junger, dunkler, lockerer Typ, der aber gleichzeitig auf mich sehr kompetent und vertrauenerweckend wirkte. Ich selbst konnte überhaupt nichts mehr machen. Ich wurde rüber gehoben auf den OP-Tisch und ich glaube, sogar festgeschnallt. Der Anästhesist und die Anästhesistin redeten die ganze Zeit über mit mir, sie machten Späße und redeten auch Ernsthaftes. Ich erzählte ihnen von dem Spaziergang damals mit Schröder, als mir so schlecht war, und von dem meerestiefen Frieden, den ich empfunden hatte. Ich spürte, dass an mir geschnitten, gezogen und gedrückt wurde, ohne Schmerz zu empfinden. Ich hatte vollstes Vertrauen, zu allem und allen um mich herum. Ich war mir gewiss, in allerbesten Händen zu sein. Ich hatte das Gefühl, dass das lauter menschliche Engel um mich herum waren. Und unsichtbare Engel waren auch im Raum. Dirk sagte mir später, er habe während der OP unten beim Operateur gestanden, der habe ihm meine Innereien gezeigt, Eierstöcke, die Myome und so. Und ich dachte, er säße die ganze Zeit neben mir. Dann war Michel draußen. Er schrie. Der Pirat sagte, dass es auch „ein Michel“ sei, ein Junge. Sie hielten ihn kurz neben mich, dass ich ihn sehen konnte: ein kleiner, blutverschmierter Mensch mit schwarzen Härchen am Körper. Aber schwupps – war er weg, zur ersten Versorgung. Ich hörte ihn die ganze Zeit schreien. Das tat mir leid. Der Pirat sagte, dass er nun meine Gebärmutter wieder gut zunähen würde, damit Michel noch ein Geschwisterchen bekommen kann. Mir wurde schlecht. Das sagte ich dem Anästhesisten und der träufelte mir etwas dagegen ein. Dann erschien Dirk mit dem eingewickelten Michel auf dem Arm neben mir. Irgendwie sah Dirk mitgenommen aus. Als ich fertig zugenäht war, wurde ich wieder in das Zimmer gefahren, in dem wir den Vormittag gewartet hatten. Michel wurde mir wieder in den 31 Arm gelegt. Mir war so schlecht, dass ich Angst hatte, ich müsste brechen. Dann erschien ein Arzt in rotem Kittel, der saß plötzlich am Fenster und erzählte was von Verdacht auf Down-Syndrom und dass ein Bluttest veranlasst sei, um Gewissheit zu erlangen. Ich dachte: „Was redet der? Mein Kind?“ Michel wurde in die Kinderklinik gebracht, weil irgendein Wert nicht gesättigt war. Ich war nicht ganz bei mir, ein bisschen im Tran. Dirk fuhr irgendwann nachhause, nachdem die Hebamme ein Polaroidbild von Michel gemacht hatte, für die daheim. Da sah er doch ganz süß drauf aus! „Der wird das nicht haben“, dachte ich, „die irren sich.“ Dann lies die Narkose nach und die Schmerzen begannen. Ich bekam Schmerzmittel, die lullten mich noch mehr ein und ich döste vor mich hin, zwischen den Welten. Holy child In der Nacht wurde Michel mir gebracht. Er war inzwischen wieder im Kinderzimmer der Frauenklinik. Ich war in ein Dreibettzimmer zu zwei anderen Niedergekommenen gelegt worden. Michel war aufgewacht und ich wollte ihn stillen. Das klappte nicht. Die Frau, Schwester oder Hebamme, die ihn gebracht hatte, drückte an meiner Brustwarze und wurschtelte mit Michel herum und ich konnte mich nicht richtig bewegen, weil ich so arge Schmerzen nach dem Kaiserschnitt hatte. Die Situation war sehr unbefriedigend. Wir hätten viel mehr Zeit und Zärtlichkeit gebraucht, Michel und ich. Beides gewährte uns die Schwester nicht. Sie sagte, sie müsse wieder zurück ins Kinderzimmer und würde ihm ein Fläschchen geben, weil er „doch groß werden“ müsse. Ich wollte aufstehen und mitgehen und das Stillen dort versuchen, aber das packte ich noch nicht. – Das mit dem Stillen hat nie wirklich geklappt. Und es war ein solches Ideal von mir! Ich hatte zwar enormen Milcheinschuss die beiden Tage nach der Geburt, mit dicker, heißer Brust, aber dann kam nie viel Milch heraus. Ich versuchte, das mit Abpumpen in Gang zu bringen, weil Michel beim Stillen manchmal gar nichts herauszog. (Er wurde vor und nach dem Stillen auf’s Gramm gewogen.) Aber es ergab immer kaum mehr als 20 ml pro Brust. Nachdem wir das dann auch zuhause ein paar Wochen lang praktiziert hatten: stillen (der Versuch), Fläschchen geben, abpumpen, heulte ich mich darüber einmal bei meiner Hebamme, die zu uns ins Haus kam, aus, auch über den miserablen Start in dieser ersten Nacht und dass ich mich gegen diese raue Schwester nicht gewehrt hatte. Aber nach einiger Zeit sah ich das Geschenk für mich auch in dieser Gegebenheit, denn dadurch, dass ich nicht stillte, bekam ich Freiraum. Ich konnte 32 z.B. zu meinem monatlichen Tarot zu Uta fahren. - Und: Ich verzieh meiner Mutter, die mir gesagt hatte, das mit dem Stillen habe nicht geklappt als ich ein Säugling war. Vorher grollte ich ihr und unterstellte ihr innerlich, sie habe es nicht gewollt, es mir aus Bequemlichkeit oder warum auch immer vorenthalten, und dann sagt sie mir, es ging halt nicht, und ich stehe da, pang!, und kann nichts dagegen tun, keine Zärtlichkeit einfordern, keinen Körperkontakt. Jetzt ging es bei mir auch nicht, obwohl ich es so sehr wollte. - Michel und ich sind Michel und ich, auch ohne gelungenes Stillen. Unsere Beziehung hat Zärtlichkeit und Innigkeit. Ich meine sogar, dass es genau so, wie es gewesen ist, ein größerer Segen ist, als wenn es geklappt hätte, weil es in mir dieses Verzeihen meiner Mutter gegenüber bewirkt hat. Michel hat heilende Kräfte, allein durch sein Da-Sein. Das habe ich in der Auswirkung auf andere schon des Öfteren wahrgenommen, aber … anscheinend wirkt es auch auf mich. Ich habe überlegt, wie ich jetzt weiter schreiben soll, ob ich all das, was in der Klinik war, akribisch aufschreiben soll. Ich habe meinen Artikel für die Zeitschrift zum Down-Syndrom noch einmal gelesen. Der bringt alles so gut zum Ausdruck, mein Empfinden und Erleben - ich füge ihn hier ein: Wir haben ein Kind mit Down-Syndrom Er heißt Michel und wurde am 20. April 2007 geboren. Die Geburt war ein geplanter Kaiserschnitt, weil ich Myome in der Gebärmutter hatte und der natürliche Weg nicht frei war. Wir wussten das vorher nicht, dass Michel das Down-Syndrom hat. Wir hatten keine Fruchtwasser-Untersuchung machen lassen, denn wenn da „was festgestellt“ worden wäre … man weiß doch nie, was das für ein Mensch ist, der da rauskommt, und ich hätte mir/wir hätten uns dann nur ein paar Monate lang Sorgen gemacht. Um ungelegte Eier quasi. Die Geburt war – ich weiß nicht, wie ich das be-schreiben soll. So ganz neu, noch nie da-gewesen. - Am Tag vorher war ich traurig, dass morgen die Schwangerschaft zuende sein sollte. Und ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, dass das Kind dann da wäre. (Michel ist mein erstes Kind und ich war 42 als er zur Welt kam.) - Und 33 es war dann so: Ich konnte gar nichts machen, war völlig ausgeliefert, musste mich dem, was (mit mir) geschah einfach hingeben, vertrauen, den Geschehnissen, den Menschen. - Und ich wurde getragen, gehalten. Alle waren sehr professionell und jede/jeder auf seine ganz individuelle Art menschlich und klasse. Diese Geburt war klasse! Für mich. Von außen betrachtet wahrscheinlich gar nichts Besonderes und halt ein sehr irdischer Vorgang, noch dazu nicht besonderes natürlich. – Ich hatte die Vorstellung, früher mal, falls ich je ein Kind gebären sollte, dann würde ich das in einer roten Höhle, die man sich ja zu diesem Anlass hätte einrichten können mit Tüchern und Decken, und bei Trommelmusik tun. – Und jetzt lag ich da in der UniKlinik (!! Noch nicht mal in einem Geburtshaus oder einer Hebammen-Praxis, geschweige denn zuhause!), im gekachelten und gestählten OP-Raum (!! Noch nicht mal in einem der hübschen Entbindungszimmer!) und Musik lief auch keine, jedenfalls habe ich keine wahrgenommen, aber irgendwie, ich weiß auch nicht, war nicht nur die irdische Ebene präsent, sondern das waren alles Engel in Menschengestalt und ein paar unsichtbare Engel waren auch noch da. Das war nicht rein irdisch. Oder vielleicht irdischer als sonst. Ich war so ganz tief drin, so verbunden und doch so weit weg, so frei. Ich kann das nicht beschreiben, mir fehlen die Worte dafür. Schlecht war mir auf einmal auch, von der Spinal-Betäubung. Als sie mich zugenäht hatten und ich Michel das erste Mal in den Arm gelegt bekam, hatte ich Angst, ich müsste mich übergeben. Musste ich aber nicht. Und sie haben mir den Michel auch nicht lange gelassen, sondern wieder weggenommen und irgendwas gesagt von „muss in die Kinderklinik“, und irgendein Wert sei „nicht gesättigt“. Ich war nicht ganz klar. Dirk saß neben mir, Michels Papa. Dann kam ein Kinderarzt ins Zimmer, in rotem Kittel, der setzte sich ans Fenster und erzählte in etwas bemüht unbeschwertem Tonfall und ein bisschen gezwungen heiter aufgesetzter Miene was von Verdacht auf Down-Syndrom und es würde noch eine Blutuntersuchung gemacht, um sicherzugehen. Ich sah vor meinem inneren Auge Gesichter von Menschen mit Down-Syndrom, von „gesund, halt nur anders“ mit dem Gefühl: ‚Dieser Mensch ist eine Bereicherung für seine Mitmenschen‘ bis „liegt im Spagat mit dem Oberkörper flach auf dem Boden, rollt die Zunge im offenen Mund und kann auch sonst nichts“ mit einem beklemmenden Gefühl von Betroffenheit und Hilflosigkeit. Und ich dachte: ‚Was redet der da? Mein Kind?‘ und ich wollte es nicht wahrhaben. Den Rest des Tages verbrachte ich“ im Tran“ und dann fingen auch die Schmerzen an, als die Betäubung nachließ. Trotzdem war ich da schon in diesem „behüteten Space“, der die ganze erste Woche von Michels Leben, die wir in der Klinik verbrachten, da war. 34 Michel sah ich dann wieder in der Nacht als ihn mir eine Hebamme aus dem Kinderzimmer brachte weil er aufgewacht war und Hunger hatte. Da hatte er die Augen zu. Und den ganzen folgenden Tag machte er sie auch nicht auf, auch nicht, wenn er wach war. Und ich dachte: ‚Ach, der wird das nicht haben. Die irren sich. Der Befund der Blut-Untersuchung wird negativ sein.‘ Aber als er die Augen das erste Mal aufmachte, da sah ich, dass er „es“ doch hat. Als ich mit Dirk telefonierte, sagte ich ihm das. Dass Michel „das“ hat. Naja. Und dann hat er’s halt. Dirk wusste sowieso nicht so recht, was das überhaupt ist. Ich selbst hatte schon Menschen mit DownSyndrom kennengelernt als ich im Rahmen meiner Erzieher-Ausbildung ein Praktikum in einer Behinderten-Werkstatt gemacht hatte. (Wie es mir widerstrebt, dieses „Behinderten“-Werkstatt zu schreiben. Heißt das eigentlich wirklich so oder führt es eine andere Bezeichnung? ) Aber ich kannte nicht wirklich einen, bei uns im Ort oder in der Umgebung, da war weit und breit keiner. O wei! Michel, mein Sohn – der einzige Mensch mit Down-Syndrom weit und breit! Meine erste Angst war, dass meine Nachbarn oder andere Rüpel zu Michel „Spast“ sagen könnten und zu mir:„Selbst schuld! Bist schon so alt!“ – Diese Angst ist übrigens völlig verschwunden und sollte wirklich mal einer sowas sagen, würde ich ihm für den „Spast“ eine scheuern, denke ich im Moment, und dem „selbst schuld, weil zu alt“ gar keine Beachtung schenken. - Als Nächstes überlegte ich mir, was ich geantwortet hätte, wenn ich vorher, vom Himmel oder so, gefragt worden wäre, ob ich ein Kind mit Down-Syndrom nehmen würde oder gar will. Und ich erkannte, dass ich mich nicht getraut hätte, „Ja“ zu sagen, eben weil ich mich nicht getraut hätte, so aus dem Rahmen zu fallen, aber jetzt, wo ich’s hatte, da fühlte ich mich zutiefst geehrt und auf’s wunderbarste beschenkt. Dieses Empfinden keimte da schon mit Macht in mir auf. Da ahnte und wusste ich schon, dass das mit Michel nichts Schlimmes ist, sondern eher so eine Art Zugabe. Halt ein Chromosom mehr in jeder seiner Abermillionen Zellen. Aber zwei, drei Tage, um den Sachverhalt wirklich vollkommen anzunehmen, habe ich schon gebraucht. Ich habe nicht wirklich dagegen angekämpft. Ich habe nicht gedacht: ‚Warum ich/warum wir? Kann er nicht einfach „normal“ sein?‘ - Irgendwie hat mein tiefstes Inneres sich da schon hüpfend gefreut über dieses ganz besondere Geschenk. - Im ersten Moment wollte ich es nicht wahrhaben, wie gesagt, aber eher mit der Intention, dass ich nicht (schon wieder, oder vielleicht eher: so offensichtlich) anders sein wollte als die anderen, dass ich meinte, mich das nicht zu trauen, dachte, ich hätte nicht den Mut dazu. Aber ich bin ganz schnell und sanft dahin gekommen, zu empfinden, dass es gar keinen Mut braucht, dass es einfach selbstverständlich so ist, dass es nur Annahme braucht und dass es eine – am liebsten würde ich jetzt schreiben: gewaltige – eine große Ehre und das allerschönste Geschenk ist, das mein Leben mir gemacht hat, bis jetzt, Michels Mama zu sein. 35 Das mit dem „einen Chromosom mehr in jeder seiner Abermillionen Zellen“ ist übrigens eine Aussage von Conny Rapp in ihrem Foto-Buch „Außergewöhnlich“ (8). Das hatten sie in der Klinik im Schwesternzimmer und gaben es mir zur ersten Info. Ich glaube, dieses Buch hat mir auch gleich geholfen, das Ganze sanft anzunehmen, (Hirn-)Gespinste zu neutralisieren, gar nicht erst aufkommen zu lassen, einfach durch die Bilder und durch die wenigen Texte. Für mich war das gerade das Richtige für eine erste Info. Für mich war an diesen ersten Tagen in der Klinik sowieso alles „irgendwie genau richtig“. Ich habe mich so beschützt und geführt gefühlt. Am dritten oder vierten Tag, als das positive Ergebnis des Bluttestes dann auch vorlag, gab uns der „Kinderarzt im roten Kittel“ ein Informationsgespräch über das Down-Syndrom. Das war auch klasse! Wie soll ich das sagen? Die Menschen waren alle so wunderbar, so bemüht um uns und um Michel. So voller Liebe. Die haben ihn auch einfach gleich (an)genommen, wie er war, und vielleicht uns zwei, Vater und Mutter, erstmal etwas beäugt, wie wir das Ganze aufnehmen und damit umgehen. Dr. Raab (im roten Kittel) sagte in diesem Gespräch auch, dass viele Eltern, die ein Kind mit Down-Syndrom bekommen, erstmal eine ganze Woche lang weinen. Geweint hatte ich auch, aber die ersten Tränen, wegen des erkannten DownSyndroms, das waren irgendwie so Unsicherheitstränen, im Sinne von: in so einer Situation muss man weinen, und die nächsten Tränen, die ich wegen Michels DownSyndrom vergoss, die waren, weil ich so berührt war von Texten aus Conny Rapps Buch, als sie das schreibt mit den Schutzengeln und die Geschichte von „Holland statt Italien“. Es war heilig, was geschehen ist. Die ganze Zeit in der Klinik habe ich das so empfunden. Und als wir nachhause kamen, war der Raps hinter unserem Hof ganz hochgewachsen und blühte üppig. Wir saßen auf der Bank in der Sonne und auch hier fühlte ich, dass das alles genauso sein soll (!!!!), dass das höhere Fügung ist, ein Geschenk des Himmels, dass wir beschützt und geführt sind. Die Amseln in unserem Garten hatten auch Junge bekommen. Schröder, unser Hund, hat mal kurz über Michel drüber geschnuppert und war dann gar nicht weiter an ihm interessiert. Das hat gut geklappt mit Michel und Schröder, denn ich dachte vorher, vielleicht könnte es da Schwierigkeiten geben, weil Schröder solange als Hund ohne Kind war. Auch die Katzen haben sich prima in die neue Situation eingefunden, die durften nämlich mit Michels Ankunft nicht mehr überall auf den Sesseln und dem Sofa liegen, sondern nur noch im Flur. Und das haben sie ohne großes Aufhebens getan. Meine Eltern, Michels Oma und Opa, waren wohl zuerst etwas betroffen. (Sie selbst haben, als ich sieben Jahre alt war, ein Kind verloren, von dem es hieß, es wäre „behindert“ gewesen. Es starb einen Tag nach seiner Geburt. ) Michels andere Oma wohnt in Wuppertal, die ist etwas weiter weg und konnte nicht in die Klinik kommen. 36 (Wir leben in Hessen in der Wetterau und die Klinik war die Uni-Klinik in Gießen.) Die hat auch die ersten Tage über „dieses Schicksal“ geweint. Auch sie hat eine Vorgeschichte: Ihre Schwester hatte ein Kind mit Down-Syndrom, ein kleines Mädchen, das nach fünf Monaten starb. … Jetzt lieben sie den Michel alle heiß und innig und sein Down-Syndrom ist kaum Thema. – Ich habe nur positive Erfahrungen gemacht. Mir fällt kein einziger ein, der komisch geschaut oder eine blöde Bemerkung gemacht hätte wegen Michel. Ich selbst bin noch am … ausprobieren, wie ich damit umgehe. Am Anfang habe ich immer gleich gesagt:“Er hat das DownSyndrom.“ Weil ich nicht wollte, dass jemand denkt, ich wolle das verheimlichen. Dann habe ich gemerkt, dass ich diese Erklärung gar nicht immer geben will. Michel ist Michel. Und dieses „Er hat das Down-Syndrom“ erzeugt meines Empfindens nach manchmal so viele Konstrukte, Vorstellungen, (Hirn-) Gespinste, die uns unserer Freiheit berauben. Der Freiheit, so zu sein, der Freiheit, einfach einander zu begegnen, ohne vorgefasste Meinungen. – Aber: ist das nicht, auch wenn jemand kein Down-Syndrom hat, auch so? … Hm? … Mir begegnen z.Zt. „an jeder Ecke“ Menschen, die mir von den Besonderheiten ihrer Kinder erzählen: Der eine hat mit über einem Jahr noch keine Zähne, die andere rollt sich nur über den Boden und will mit 15 Monaten noch nicht krabbeln und der nächste hat mit drei Jahren nur „Gäng-gäng“ gesagt – später in der Schule war er in Deutsch der Beste. Mir erzählt also gerade jeder, wie groß die Vielfalt menschlicher Entwicklung und menschlichen Ausdruckes ist, unabhängig davon, ob da eine genetische Veränderung diagnostiziert ist oder nicht. Auch die Unsicherheiten, die ich habe, z.B. ob ich auf mein Gefühl hören soll oder auf den Rat des Kinderarztes, der etwas anderes sagt, hat nichts mit Michels Down-Syndrom zu tun. Das haben Mütter „normaler“ Kinder auch. … - … - … Uns fehlen so viele Begriffe! Bzw. wir haben so viele Begriffe, die uns so sehr einschränken!!! Richtig schlimm ist das!! „Normal“, „behindert“ … und überhaupt die Vorstellungen, wie was zu sein hat. Damit schneiden wir uns vom Leben ab. Von der Liebe, von der Freiheit, von der Lust am Leben, vom tiefen, tiefen Frieden. Ich bin so dankbar für den Michel! Was durch ihn alles neu wird! Neu, noch nie dagewesen und so wunderbar! Allein, dass ich jetzt hier sitze und diesen Artikel geschrieben habe für die Zeitschrift KIDS, ob er nun gedruckt wird oder nicht, setzt in mir Prozesse in Gang und öffnet bisher Verschlossenes in mir was mich glücklich und frei macht. Und das wünsche ich auch meinem Kind: Ein glückliches und freies Leben! Und uns allen! 37 Freiheit / 4. August 2008 Gestern Abend war ein „Polizeiruf“-Krimi im Fernsehen in dem eine junge Frau mit Down-Syndrom eine Hauptrolle spielte. Der Kriminalfall im Film kam gar nicht so sehr zum Tragen, viel mehr Raum nahmen die Geschichten der Beziehungen der Menschen ein, der „behinderten“ und „nichtbehinderten“. Wie der einarmige Kommissar Tauber und Rosi mit dem Down-Syndrom in Beziehung treten z.B. Eine andere Szene zeigte, wie Rosi mit ihrem ebenfalls behinderten Freund intim wird. Ich fand diesen Film voll gut! Ich finde es gut, wie „behinderte“ Menschen so neu integriert werden. Früher war das anders. Dieser Film war irgendwie „normal“, ohne Klischees, nicht dramatisierend und nicht beschönigend. Rosi war schwanger. Ihre Mutter war die Leiche im Film. Und ihr Vater, mit seiner neuen Frau, war mit Rosis Baby überfordert und lies es ihr abtreiben. Das war traurig. Aber das Ende des Films war auch irgendwie so gestaltet, dass man sich den Ausgang eigentlich selbst aussuchen kann. Ist das Kind nun abgetrieben oder nicht? Etwa so, wie der Film „Lola rennt“. Es gibt immer mehrere Möglichkeiten. Man hat die Wahl. Immer im Leben hat man die Wahl. Auch wenn man meint, dass das nicht so sei und man stünde mit dem Rücken zur Wand. Vielleicht machen sich gerade jetzt, in dieser Zeit mit ihren hohen Öl- und Lebensmittelpreisen, Arbeitslosigkeit, Zusammenbruch des Finanzsystems und was-noch-alles viele Menschen große Sorgen – aber haben sie das nicht schon immer getan? Macht man sich nicht immer mal irgendwelche Sorgen? Wenn man genauso gut Frieden wählen kann!? „Ich wähle Frieden und lege meine Zukunft in Gottes Hände.“ (Das ist aus „Ein Kurs in Wundern“.) Und sowieso ist „die Zukunft“ gar nicht da, sondern nur das Jetzt. Gestern waren wir mit Freunden Eis-essen. Da drehte sich die Unterhaltung auch sehr um diese Themen des Mangels: schlechte Arbeitsbedingungen oder keine Arbeit, wer welche Krankheit hat, leere Geschäfte in der Innenstadt … ich mag mich da jetzt nicht so hinein vertiefen. – Früher habe ich immer dagegen angekämpft: „Ja, aber … man kann das doch auch so und so sehen.“ (Leere Geschäfte z.B. sind potentieller Raum für Neues.) Das hat die Fronten stets noch mehr verhärtet und ich wurde oft angegriffen. Jetzt kämpfe ich nicht mehr gegen die Klagen an, auch nicht innerlich. Ich lass‘ die Leute reden und bringe ab und zu meins an. Damit geht’s mir besser und wir sind alle mehr im Fluss. Ein paar meiner alten Freundschaften sind dadurch auf der Strecke geblieben. Ich konnte das Gejammer nicht mehr hören. Ich habe das Sich-beklagen nicht mehr ertragen und das ewige Festhalten an Geschehnissen von vorvorgestern, an Ex-Männern („Das kannst Du nicht verstehen, Du warst mit Deinem Ex nicht so lange zusammen.“) oder schlimmen Begebenheiten aus der Kindheit. Auch das kann man ändern!!! Ich habe selbst die ersten acht Wochen meines Lebens in einem Gitterbett in der Kinderklinik verbracht und dachte 38 jahrelang, dass ich dadurch und wegen des Weitergangs meiner Lebensgeschichte unheilbar traumatisiert sei. Das war ich wahrscheinlich auch, schwer traumatisiert. Aber nicht unheilbar. Das erste Mal, dass ich einen Eindruck von Heilung-ist-möglich bekam, war während einer Gruppentherapiestunde in der Klinik der „Trinkerheilanstalt“. Als ich trocken wurde, war ich 9 ½ Wochen stationär in Therapie. Diese Gruppentherapie damals trug den Titel „Zärtlichkeit und Meditation“, wenn ich mich recht erinnere. Bis dahin waren diese ersten acht Wochen meines Lebens und die fehlende Zärtlichkeit in meiner Familie, die ich stets als körperliches Kältegefühl wahrnahm, für mich wie ein schwarzes Loch. Ein schwarzes, bodenloses Loch, kalt und mit nichts zu füllen. In einer dieser „Zärtlichkeit und Meditation“s-Stunden hatte ich in der Meditation die Empfindung eines Sonnenaufgangs von meinen Füßen her. (Bis dahin hatte ich immer kalte Füße. Heute ist das nicht mehr so.) Ein orangefarbener Sonnenaufgang, der Wärme brachte. Er ist zu mir gekommen, aus mir heraus aufgestiegen. Aus meinen Tiefen. Oder aus einer größeren Tiefe, mit der ich verbunden bin und die ich letztendlich auch bin. Gott. Vater-Mutter-Kind-Tiere-Pflanzen-Steine-Alles-Gott-Göttin. Also Leute! Haltet inne, gesteht Euch Eure schwarzen Löcher ein und vertraut Eurem Leben. Vertraut Euren Prozessen. Sie bringen Euch zu Gott. Sie bringen Euch nachhause. Direkt ins Paradies. Über kurz oder lang. Ich glaube eher, ziemlich rasch. Wir haben Cauac 3 laut Maya-Kalender, das Jahr des blauen, elektrischen Sturms, 26. Juli 2008 bis 24. Juli 2009. Der wird uns ordentlich aufwirbeln, dieser blaue Sturm, und uns in unser Licht bringen! Er kommt, uns zu dienen, der Ton 3, und da kann keiner mehr festhalten. Wind of change! Geht in den inneren Frieden und legt Eure Zukunft in Gottes Hände. Auch wenn oder gerade weil! Ihr dieser Gott selbst seid. Wir werden uns alle das Beste und Schönste selbst schenken, ganz bestimmt! Wie sollte jemand etwas anderes wollen? Was willst Du? Was willst Du? Was will ich? Nicht: Was will ich nicht? Sondern: Was will ich? Ich will z.B. all die Unterstützung annehmen, die an jeder Ecke die Arme für mich ausbreitet, um den Bogen zum Anfang dieses Kapitels zu schlagen, denn ich wollte darüber schreiben, was mich in Bezug auf Michels Down-Syndrom vom letzen Rest Beklemmung befreite. Davon war nämlich noch etwas in mir, die ersten Monate von Michels Leben. Vielleicht resultierte das aus einer Ungewohntheit und Unsicherheit im Umgang mit „Behinderung“, Anderssein, obwohl Michel von Anfang an „normal“ für mich war, selbstverständlich. Aber mir war früher selbst mulmig im Umgang mit „Behinderten“. (Ich frage mich immer, wer eigentlich mehr „behindert“ ist, die „Behinderten“ oder die „Normalen“.) Ich war unsicher, wie ich mit ihnen umgehen sollte. Aber das war ich mit anderen, „normalen“ Menschen auch. Ja. Wie auch immer. Jedenfalls hatte ich noch, wenn auch geringe, Beklemmungen, ich war noch nicht völlig frei mit Michels Down-Syndrom. Uta, meine Tarotlehrerin, hatte mich 39 auf ein Buch aufmerksam gemacht: „Das Leben ist schön“ von Simone FürnschußHofer (9). Das wünschte ich mir zu meinem Geburtstag Ende Januar und bekam es geschenkt. In diesem Buch werden neun österreichische Familien mit Kindern mit Down-Syndrom porträtiert. Die Kinder sind von ganz klein bis ca. 30 Jahre alt. Dieses Buch stellt die Andersartigkeit so „normal“ dar – mir fehlen wieder die Worte – so nichts-beurteilend, nicht-bewertend, nicht dramatisierend und nicht beschönigend, einfach so, wie es ist. Für mich war das der letzte Akt der Befreiung in Sachen „Wir haben ein Kind mit Down-Syndrom“. Und es geht ja nicht nur um die Andersartigkeit, sondern um die Andersartigkeit im Miteinander mit dem Gewohnten. Das ist es doch! Das waren meine Ängste. Wird Michel angenommen, so, wie er ist, oder wird er verspottet, bekämpft, wird ihm Leid zugefügt, wird er nicht ernst genommen? Und jetzt beißt sich die Katze in den Schwanz, denn nun kann ich mich sorgen, mich gedanklich festbeißen, kann mir Kopf-Kino machen, oder ich bleibe bei dem, was mein Leben mir zeigt: Michel wird mit Freuden angenommen. Die Menschen begegnen ihm freundlich, unvoreingenommen und interessiert. Ja, die ersten Monate seines Lebens hat er überall, wohin ich ihn mitnahm, wahre Wogen des Entzückens ausgelöst: „Ach, ist der süß!!“ Das sagten schon die HebammenSchülerinnen in der Uni-Klinik: „Der kleine Michel ist so süß!“ Für mich war er sowieso das schönste Baby! Am Anfang dachte ich, die Leute sagen das einfach so und bei jedem Kind, aber mit der Zeit glaubte ich ihnen, dass sie es ernst meinten. Manche Menschen scheinen irgendwie magisch zu Michel hingezogen zu werden. Er hat heilende Kräfte. Allein durch seine Ausstrahlung. Rapper-Space Als wir aus unseren Ferien nachhause kamen, schrieb ich ein Kapitel, das ich am nächsten Tag wieder rausschmiss, weil ich das Gefühl hatte, dass mich die Beschäftigung mit seinem Inhalt eher beschwert als erleichtert. Hier ist es: 25. Juli 2008 Grüner Tag zwischen den Maya-Jahren Ix 2 und Cauac 3. Heute vor zwei Jahren waren Dirk und ich zum Mittagessen bei meinem Onkel. Ich hatte meinen letzten Arbeitstag im Kindergarten in Stammheim. An Michel hat noch keiner gedacht. 40 Reinigung. Ich habe das Bedürfnis nach Reinigung, innerer Reinigung, Befreiung, Ausmisten, mich von Ballast zu er-lösen, altem, globalem, was gar nicht meins ist, aber an mir hängt. Warum hängt das an mir? Warum beschäftige ich mich damit? Freiraum schaffen! Mich von dem lösen, was gar nicht meins ist, verdammt noch mal! Was habe ich damit zu tun? Telefonsex, tote jüdische Kinder, Völkermord, RapperSpace. Vielleicht irre ich gerade im Wald umher. ? … ? … - … - … Ich habe mir in unseren Ferien in Regensburg ein Buch gekauft: „Lipshitz“ von T Cooper (10) und in den vergangenen paar Tagen das Meiste davon gelesen; irgendwie hat es mich gefesselt. Es ist die Geschichte einer jüdischen Familie, die in Folge eines Massakers Anfang des 20. Jahrhunderts von Russland nach Amerika auswandert. In jeder Generation verliert die Familie Kinder. Das erste wird während des Pogroms in Russland umgebracht, das nächste verschwindet im Getümmel beim Verlassen des Schiffes in New York, einer stirbt im Krieg, ein anderes ist auf einmal einfach tot, das wird nicht weiter erläutert, und zum Schluss schließt sich der Kreis, indem die Eltern des Autors, letzter Spross der Familie, in ähnlicher äußerer Szenerie bei einem Autounfall ums Leben kommen wie das ermordete Mädchen in Russland am Anfang der Geschichte. Dann macht das Buch einen Sprung und der Autor landet von der Erzählung der Familiengeschichte, die von 1905 bis 1942 ging, bei sich in der Jetztzeit. Da habe ich nach drei Kapiteln aufgehört zu lesen. Das ist mir zu brutal. Er ist Rapper-DJ und zitiert Eminem, der „Frauen, Mädchen und Schlampen am meisten hasst“. Das, was ich bisher in diesem zweiten Buchteil gelesen habe, ist genau die Art von menschlicher Energie, die damals, 1905 in Kischinjow das elfjährige Mädchen umgebracht hat - junge, männliche Energie, der jegliche Ehrfurcht oder Wertschätzung abgeht. – Soll ich das Buch bis zum Ende lesen? Entdecke ich dann was oder tue ich mir damit eher etwas an? – Dieser T ist Opfer und Täter in einem. Er hat das Blut des ermordeten Mädchens in sich und die Energie ihrer Mörder. Damit schließt sich der Kreis auch wieder. Das geht immer rundherum, rundherum. Und genau das will ich verlassen, diese Spielebene, Täter und Opfer will ich nicht mehr spielen. Gestern habe ich ein paar anzügliche sms geschickt bekommen. Ob ich ein paar „geile“ Bilder haben möchte, in der Art. Ich habe nicht auf meine innere Stimme gehört, die leise, aber deutlich sagte, ich solle nicht darauf reagieren, sondern auf meinen Alltagsverstand, der gleich nach der leisen Stimme lauter als diese sagte: „Vielleicht hat dir jemand ein Foto geschickt“, denn in der ersten sms hieß es nur, ein Telegramm und ein Bild seien für mich hinterlegt worden, das Anzügliche kam erst, als ich auf diese erste sms geantwortet hatte. Jedenfalls ging das Gesimse dann einige Male hin und her und ich habe insgesamt 4 sms zurückgeschickt: Ich möchte in 41 Ruhe gelassen werden; was mich jetzt wahrscheinlich gut 8,- € gekostet hat, denn irgendwann kam die Nachricht: Willkommen im Chat: 1,99 €/sms zzgl. normaler Gebühren. Als dann noch eine sms kam, ob ich ein erotisches Foto von ich-weiß-nichtwem haben wolle, habe ich bei unserer städtischen Polizeistation angerufen und gefragt, was ich tun könnte. Da war ein ganz Gemütlicher am Telefon. Der sagte erstmal gar nichts. Dann erzählte er mir auf oberhessisch, er habe auch schon mal so ähnliche sms bekommen, da habe aber jemand geschrieben, er/sie würde ihn gerne kennenlernen. Seine Frau habe das gelesen, da sei aber was los gewesen! Er habe das dann ignoriert, die sms, und ich solle es doch auch so machen. Falls noch was käme, an Kosten, außer diesen acht Euro, könnte man immer noch dagegen vorgehen. – Das war ein angenehmes und lustiges Telefongespräch!! Das war das Ganze dann schon wieder wert. – Jedenfalls macht es keinen Sinn, auf diese sms zu antworten. Das ist auch nur Ping-pong-spielen und kostet mich noch dazu unangemessen viel Geld. Loslassen also. Ignorieren. Auch, wenn es lästig ist. Aber mich darauf einzulassen und mich damit auseinander zu setzen fesselt mich auch nur daran. – Ist das mit meinem Männerthema auch so? Löst sich das auch von selbst? Habe ich das nur, weil ich glaube, dass ich es habe? – Ich lasse das Ganze sich einfach entwickeln und beobachte die Entwicklung. Wenn ich mich zu sehr damit beschäftige, verhaspele ich mich vielleicht in etwas, was gar nicht ist. Da ist noch eine Begebenheit, von der ich mich reinigen will: Die paar Tage, die wir letzte Woche weg waren, verbrachten wir bei Michels Patenonkel in Bayern. An einem Tag wollten wir auf der Donau Schiff fahren. Als wir aus dem Auto stiegen, nieselte es und Dirk machte ein missmutiges Gesicht und brummelte was von „wenn Michel krank wird“. Daraufhin reagierte Onkel Rainer sauer und raunzte, er habe jetzt keine Lust mehr und wir könnten ja auch wieder heimfahren. Am vorigen Tag sei es auch nicht okay gewesen, was wir gemacht hätten. Wir waren in Regensburg im Donau-Einkaufszentrum bummeln, wegen des unbeständigen Wetters unter Dach. Auf der Heimfahrt kamen wir durch Burglengenfeld. Dirk fragte, ob es da auch wirklich eine Burg gäbe und als Rainer bejahte, sagte Dirk, im Spaß, aber irgendwie auch ernst gemeint: „Da fährt er mit uns in ein Einkaufszentrum und hier gibt es eine Burg!“ Dirk geht nicht gerne bummeln, das weiß ich, davon hat man aber im Donau-Einkaufszentrum nichts gemerkt, meine ich. Rainer kommt, glaube ich, weniger auf die Idee, eine Burg zu besichtigen, in einen Tierpark zu fahren oder so etwas in der Art. Er ist eher geistig orientiert: lesen, im Bücherladen stöbern, ins Theater gehen und so. Am Morgen hatte Rainer mir gesagt, sein Vater sei heute völlig überfordert, weil er über’s Wochenende wegfahre, mit dem Packen und dem Außergewöhnlichen. Hinterher, nach dieser kleinen Eskalation auf dem Parkplatz, dachte ich mir, er hat damit vielleicht auch (unbewusst) eine Botschaft von sich selbst gegeben. Dass es anstrengend ist, sich um uns, seinen Besuch, zu kümmern und er vielleicht lieber ein bisschen Ruhe hätte. Und Dirk und mir hätte an diesem 42 Morgen eine Stunde Zweisamkeit auch noch gut getan, aber wir hatten ja was vor. So hat einer seinen Unwillen auf den anderen übertragen, projiziert, oder auf’s Wetter, und dem Vorwürfe gemacht, anstatt vorher die eigene Befindlichkeit wahrzunehmen, ernst zu nehmen und mitzuteilen, was man will bzw. was man nicht will. Vielleicht hätte jedem eine Auszeit gut getan, zuhause bleiben, schlafen, lesen, ausruhen, reden. Stattdessen haben wir „den anderen zuliebe“ zusammen etwas unternommen. So ungefähr war das. Und so ist es manchmal. Und das ist nicht gut! Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn man sagt, was man möchte, auch, wenn man denkt, dem anderen käme das ungelegen, sich gerade dadurch eine Situation ergeben kann, die den anderen auch bereichert, ihm einen Freiraum schenkt. Und dass es zu nichts Gutem führt, wenn man entgegen dem handelt, was man für sich selbst gerade braucht. Ich sah Rainer erstmal nur groß an, als er da auf dem Parkplatz zu schimpfen anfing, weil ich auch nicht sofort checkte, was eigentlich los war, und reagierte gar nicht. Dirk blieb auch sehr ruhig. (Vorgehaltene Hand: Das hat mich gewundert, weil bei uns beiden manchmal aus solch einem Anlass die Fetzen fliegen.) Rainer beruhigte sich etwas und wir fuhren dann doch mit dem Schiff zum Kloster Weltenburg und es war auch sehr schön. Ich fand’s schön. Zu Anfang auf dem Schiff fühlte ich mich allerdings noch beklommen und überlegte, ob ich zu dem Thema noch etwas sagen sollte, weil die beiden Männer eine Zeit lang beharrlich schwiegen. Ob ich fragen sollte, ob es noch was zu klären gäbe. Dann dachte ich aber, das lasse ich jetzt bei den beiden, das liegt nicht in meiner Verantwortung. Irgendetwas haben die beiden miteinander gehabt in diesen Tagen, irgendwas hat einer dem anderen gespiegelt. Und vielleicht hätten wir einen Tag einfach mal nichts machen sollen. Ich glaube, wir hatten alle das Bedürfnis nach Ruhe und sind das einfach übergangen. Über uns selbst weggegangen und dann waren wir sauer auf den anderen. Oder auf’s Wetter. Ich habe Dirk in dieser Situation bewundert, empfand ihn als ein Meer an Ruhe und Weisheit. Bei mir ist er manchmal so aufbrausend und stur. Aber das ist, weil ich ihn meistens so antreffe, wie ich zu ihm komme, wenn ich stur bin, ist er auch stur. Heute ist der grüne Tag im Mayakalender, der Tag außerhalb der Zeit, an dem man darauf achten kann, was geschieht, als Vorausblick auf das neue Jahr. Ich habe heute viele Leute getroffen, die ich kenne, von irgendwoher aus meinem Leben, aus den verschiedensten Konstellationen. Das erdet mich. Ich weiß: Ich bin am rechten Platz. Hier ist meine Heimat. Ohne mich daran zu binden. Das ist schön. Es ist wirklich so: Durch die Menschen, die ich heute getroffen habe, das, was wir miteinander geredet haben … ich fühle mich hier, wo ich lebe, eingebunden, 43 verbunden, aber nicht ge-bunden. Ich fühle mich hier richtig wohl! Ich bin sehr gern hier. Besuch hatten wir heute auch: eine Freundin und ihr Mann. Ich hatte ein bisschen Angst vor schweren Themen, Opfer-Themen: gequälte Tiere, teurer Sprit, Probleme an der Arbeit. Bei früheren Treffen habe ich oft unter der Übermacht solcher Gesprächsthemen gelitten. Heute waren sie auch präsent, aber ich bin nicht darauf eingegangen und – noch wichtiger! – ich habe nicht dagegen angekämpft, auch nicht innerlich. Ich habe sie einfach reden lassen und versucht, nicht zu leiden - und das hat geklappt, fällt mir gerade auf. Es war dann auch noch ein richtig schöner Nachmittag, leicht, lustig und geerdet. So war es heute irgendwie: geerdet. Und den ganzen Ballast, der mir hin und wieder noch Kopfschmerzen macht, schieße ich mit Cauac, dem blauen Sturm, in den Wind! Auf Nimmerwiedersehen! Morgen beginnt das neue Maya-Jahr: Cauac 3, Cauac, die Kraft der Selbst-Erneuerung, der intensiven Gefühle, der Neu-Strukturierung und der Ton 3, der elektrische Ton des Dienens: der eigene Rhythmus, Handeln, Kreativität, Tatendrang. Na dann: Cauac komm, um mir zu dienen! Uns zu dienen! Dieses Kapitel war also aus den oben genannten Gründen rausgeflogen. Ich wollte auch nicht wieder über andere schreiben/reden. Aber wie soll ich veranschaulichen, wie’s mir geht, welche Gegebenheiten in mir welche Prozesse bewirken? Also, Ihr Lieben, die ich Euch aufgeführt habe, seid bitte nicht sauer. Ich danke Euch, dass Ihr mir als Spiegel und Lernhilfe dient! Die Situation mit Rainer war die bereits Erwähnte, in der ich meinen Ärger heruntergeschluckt hatte. Es war beides in dieser Situation: Ich war ruhig und gelassen und musste deshalb nicht reagieren, es war aber auch so, dass ich mich angegriffen fühlte, es schluckte und mich nicht traute, meine eigene Wut an den Mann zu bringen. Dabei hätte es vielleicht gar nicht viel gebraucht. Obwohl das mit dem Runterschlucken-meiner-Wut für mich ein Thema darstellt, ist, wie ich vermute, meine Angst hinzusehen und meine Un-Bewusstheit der weitaus größte Teil, der mich dabei belastet, deshalb scheint mir ein Gang in das Dunkel meines Waldes angebracht, um Licht ins Dunkel zu bringen. Oder um es zu beleuchten und dann wieder in seiner Dunkelheit zu lassen, wenn es das so will. Jedenfalls: meine Angst beleuchten, um sie zu erlösen, denn da hält mich etwas gefangen und unfrei. 44 „Meine Wut an den Mann bringen.“ Oder auch an die Frau. Das habe ich mich noch nie getraut. Ja, ich gestehe mir meine Wut überhaupt nicht zu. Ich analysiere sie, glaube ich, lieber eher weg. Ich habe sie immer runtergeschluckt – gesoffen. In solchem Ausmaß, dass ich beinahe er-soffen wäre. Mir – oder einem anderen! zuzugestehen: „Ich bin wütend!“ – Das ist mir irgendwie unbekannt. Wenn ich mal aggressiv wurde, hat mein Gegenüber noch aggressiver reagiert, was mit Schmerzen verbunden war, seelischen Verletzungen und in der letzten Beziehung vor’m Trockenwerden auch mit körperlicher Gewalt. Ich vermute, deshalb habe ich auch diese Probleme mit der Rapper-Scene, diese Angst vor denen, vor ihrer Mother-fucking-keine-Ethik. Angst, dass sie Michel etwas tun könnten. Die lassen ihre Wut und ihren Frust raus! Und ich habe Angst davor. Warum? Zum Einen habe ich da noch was Un-Erlöstes. Zum Anderen ist das aber auch, wie mir schwant, einfach mein Angstthema, so wie das bei anderen vielleicht Existenzängste sind, Angst um den Job oder was wer hat, und ich könnte genauso gut davon ablassen und Frieden wählen. Das, was versucht, mich zu schwächen, zu vereinnahmen, fremd zu bestimmen, einfach ignorieren. Und es ist auch kein Riesen-Thema, kein MordsAkt. Es ist ein Thema, dem ich Achtsamkeit schenken kann, um es zu transformieren, zu befreien, mich zu befreien oder mich befreien zu lassen. Wir haben so viel Hilfe und Unterstützung!! Alles in unserm Leben hilft uns. In der Situation vor dem Donaudampfer z.B. hätte ich einfach sagen können: „Das ärgert mich jetzt.“ Oder ich hätte ein entsprechendes Geräusch machen können: „P-tsch-k!! Grrrrummbel!!“ Auf so etwas bin ich aber in dem Moment nicht gekommen. Jetzt habe ich’s im Hinterkopf und kann es gegebenenfalls anwenden. – Ob ich mich das traue?! – Vielleicht sollte ich mich auch einfach so annehmen, wie ich bin und mir nichts vornehmen, was mich überfordert. Solange ich mich nicht traue, traue ich mich nicht, und vielleicht braucht das einfach nur Liebe und Integration, Anerkennung. 5. und 6. August 2008 / Noch mehr Freiheit Folgendes habe ich gestern Abend, nachdem ich mein Schreiben beendet und den PC ausgemacht hatte, gelesen: „Du kannst in Bezug auf die innere Transformation nichts tun. Du kannst dich selbst nicht verwandeln, und noch viel weniger kannst du deinen Partner oder sonst jemanden verwandeln. Doch du kannst einen Raum herstellen, in dem Transformation möglich ist, in den Gnade und Liebe eintreten können. 45 Immer, wenn deine Beziehung nicht funktioniert, wenn sie in dir oder deinem Partner den Wahnsinn zum Vorschein bringt, freu dich. Was im Unbewussten verborgen war, wird ans Licht befördert. Nun ist Erlösung möglich. (…) Wenn Wut da ist, wisse, dass sie da ist. Wenn Eifersucht, Abwehr, Streitsucht, Rechthaberei, ein inneres Kind, das Liebe und Aufmerksamkeit fordert, oder irgendein emotionaler Schmerz da sind – was immer es ist, erkenne die Wahrheit des Momentes und verweile in der Erkenntnis. Dann wird aus der Beziehung dein Sadhana, deine spirituelle Praxis.“ (11) Etwas später im Text steht: „Du hast sicher schon bemerkt, dass sie (Beziehungen) nicht dazu da sind, dich glücklich zu machen und zu erfüllen.“ Sondern dass Beziehungen dazu da sind, uns bewusst zu machen statt glücklich. … - Das passte sehr gut zu dem, was mit Dirk und mir gestern los war. Vor ein paar Tagen noch hatte ich den Gedanken, ich könnte ein Kapitel schreiben mit dem Titel „Beschwerdefreier Alltag“, weil wir uns solange nicht gestritten haben und nichts passiert, weswegen ich meine, mich über ihn beschweren zu müssen. Vor nicht allzu langer Zeit haben wir viel öfter Konflikte ausgetragen. Gestern dann empfand ich ihn mir gegenüber wieder als mürrisch und barsch und dachte: „Aha – gibt’s doch was zu schreiben von wegen ‚Beschwerde über den Partner‘.“ Aber was soll ich mich beschweren und schreiben? Das kennt doch jeder zur Genüge: Beziehungskisten, wie das abgeht. Im Grunde ist es so, abgesehen von der ganzen Un-Bewusstheit, die sich in solchen Streits immer austobt: Ich treffe Dirk so an, wie ich zu ihm komme. Wenn ich streitsüchtig bin, ist er es auch. Wenn ich versöhnlich bin, ist er es auch. Und er wirft mich bei unseren Streitereien immer wieder auf mich selbst zurück. Er bietet mir keine (Er-) Lösung. Am Anfang unserer Beziehung habe ich darunter mächtig gelitten, weil: „Wie kann er nur!“ Und: „Er muss doch!“ Aber mit der Zeit, weil sich‘s auch nicht geändert hat, habe ich gelernt, anders damit umzugehen. Ich habe es im Grunde so gemacht, wie es im oben zitierten Text steht: Ich habe einfach alles so gelassen: Eifersucht, Ärger, den Streit, hab‘ mein inneres Kind gehalten und versucht, für mich wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Ich habe auch innerlich um Hilfe gebeten, die Engel oder Gott. Und ich habe versucht, Dirk nichts mehr vorzuwerfen, sondern ihn einfach so sein zu lassen. Ich war ja auch ätzend. Manchmal sind mir dadurch richtige Erleuchtungen zuteil geworden. Das war wunderbar! Einbrüche in die Liebe sozusagen. Es ist also im Grunde ganz einfach: Es bedarf keiner großartigen Bearbeitung und Aufarbeitung, das Wahrnehmen und Da-sein-lassen bringt schon die Er-Lösung. Nichts abwehren, sondern alles sein-lassen. Mehr braucht es nicht. – Ja, natürlich habe ich schon viel Therapie und Bewusstseinsarbeit gemacht, Psychologie und Esoterik sind meine Leidenschaft: Selbsthilfegruppen in Sachen Alkoholsucht, stationäre Therapie deswegen, danach Einzel-Gesprächstherapie, dann Gestalttherapie in einer Frauengruppe, verschiedene psychologische und esoterische 46 Wochenendworkshops, Reiki, Yoga, autogenes Training, spirituelle Gruppen, „WahrsagerInnen“, Familienstellen, Kryon-Bewusstseinsschule der neuen Zeit, meine regelmäßigen Tarotsitzungen und andere Orakel, die ich zu Rate ziehe und durch die ich mir ständig meiner Themen und Prozesse bewusst bin. Um das Wichtigste zu nennen. Für mich war das alles sehr hilfreich. Vieles davon hat mir sehr gut getan, oft habe ich viel gelernt und es hat mich in meiner Entwicklung gefördert. Ich bin in meine Tiefen getaucht und habe Klarheit mitgebracht, manchmal auch Verwirrung. Manchmal habe ich auch nur Lehrgeld bezahlt oder es war nichts für mich, was aber letzten Endes die Erfahrung auch wieder wert war. Ich weiß nicht, ob ich ohne all das auch da wäre, wo ich jetzt bin, in diesem inneren Frieden, und es ist müßig, darüber zu spekulieren. Z. Zt. denke ich mir, ich muss nicht unbedingt dieses oder jenes Seminar machen, um geheilt zu werden und Erlösung zu erlangen, denn es liegt alles in mir selbst. Ich kann was machen, wenn ich Lust dazu habe, aber ich muss nicht. Vielleicht ist es die Qualität der Zeit, die uns hilft, und die ganze innere Arbeit (und das Geld-ausgeben) ist nicht mehr nötig. Ich habe schon so viel innere Arbeit geleistet und viele andere Menschen auch. Andere haben vielleicht an Themen gearbeitet, die für mich nicht so präsent waren, aber ihr Bestreben wirkt sich dennoch auch auf mich aus. Und was ich in mir gelöst habe, habe ich für die Welt gelöst. Ich sage das ohne Größenwahn. Ich sage das, weil ich glaube, dass es so ist. Die Prozesse eines einzelnen Menschen wirken sich global aus. Außerdem lebt jeder in seiner eigenen Welt. Ich sehe das, was ich sehe, und bestimmt ist das längst nicht alles!! Und ein anderer sieht, auch wenn er neben mir steht, das, was er sieht und empfindet das, was er empfindet und das sind zwei unterschiedliche Welten. Oder? Bin ich jetzt wieder der vermeintlichen Trennung aufgesessen, die Illusion ist? Vielleicht sowohl als auch. Wir sind im Umbruch. „Hier wird alles anders!“, wie Dirk gesagt hat, nicht nur in unser Haus und Hof, sondern überall, global, die Erde erneuert sich und wir sind mittendrin. Wir dürfen dabei sein! Ist das nicht wunderbar?! Dass die inneren Prozesse Einzelner sich auf alle auswirken, heißt vielleicht nicht, dass jeder dadurch automatisch von diesem Problem erlöst ist, aber das Potential ist geschaffen, das Erreichen einfacher, weil es schon ein anderer erreicht hat. Man muss sich nur öffnen. Und ich glaube, vieles ist nun auch im Fluss und erreicht uns. Ganz von selbst. Was wirklich wichtig ist im Leben, erscheint einfach, geschieht einfach, leicht und ohne Mühe. Wenn wir uns um etwas bemühen, noch dazu, wenn es nicht gelingen will, sind wir auf dem Holzweg. 47 Beziehungskiste Ene mene miste, es rappelt in der Kiste. Jetzt ist es doch wieder soweit: Streit und Diskrepanz mit Dirk. Es hat sich hochgeschaukelt über die Tage. Er ist mürrisch und griesgrämig, ich fühle mich abgewiesen, bin beleidigt, ziehe mich zurück, warte insgeheim, dass er zu mir kommt und „lieb“ ist, er kommt nicht, meine „lieb-sein“ Annäherungen nimmt er auch nicht an, das nehme ich persönlich, irgendwann spreche ich es an und dann streiten wir uns. Ich könnte ihn ja auch einfach so sein lassen, ohne beleidigt zu sein. Ich weiß doch, dass er schlecht drauf ist, weil er wieder arbeiten muss. 3 Wochen Urlaub sind vorbei, er hat diese Woche Frühschicht, steht um 4.00 Uhr auf, fährt 40 km zur Arbeit und 40 km wieder zurück. Am Wochenende hat er voraussichtlich Pflichtwochenende, d.h. Samstag Frühschicht, Sonntag nahtlos in die Nachtschicht, die dann die ganze nächste Woche durchgeht, dann Samstagmorgen aus der Nachtschicht, Sonntag frei, Montag Spätschicht, diese ganze Woche dann. Das alles für keine 900,- € im Monat. Er ist bei einer Zeitarbeitsfirma angestellt. Seit Januar macht er das. Die ersten 6 Monate gab es vom Arbeitsamt noch Kilometergeld, das fällt nun weg, ersatzlos. Das ist auch echt zum Kotzen! Eigentlich finde ich, er sollte das gar nicht machen, da weiterarbeiten, jetzt, wo auch noch das Spritgeld gestrichen ist. Das ist moderner Sklavenmarkt. Aber mir fehlt auch der Mut und das Vertrauen (die Vision?), zu sagen: „Schmeiß den Scheiß hin!“. Wovon sollen wir dann leben? Was sollen wir dann machen? Hinzu kommt noch, dass er draußen an seinen Umbauarbeiten nicht weiterkommt. Er hatte sich vorgenommen, jeden Tag „eine Maschine Speiss“ zu verarbeiten, aber er hat diese Woche jeden Nachmittag nach der Frühschicht geschlafen und dann auch nichts mehr gemacht. Das frustriert ihn noch zusätzlich. In seinem Urlaub, wenn wir nicht unterwegs waren, hat er jeden Tag draußen gearbeitet. Dirk braucht das. Körperliche Arbeit und handwerkliche Kreativität sind für ihn Lebenselixier, dann geht’s ihm gut. Er ist dann in Balance und hilft nebenbei ganz ungezwungen und wie es gerade anfällt mir mit der Hausarbeit oder mit Michel, dann sind wir im Fluss. Jetzt ist Ebbe oder Stau. Finanzielle Sorgen haben wir auch wieder, schriftlich, schwarz auf weiß auf dem Kontoauszug: 500-noch-was im Soll. Ich hätte gar keine Auszüge geholt, so kurz vor dem 15., sondern gewartet, bis wieder Geld überwiesen ist, aber Dirk hat sie gestern mitgebracht. Gestern Nachmittag: Ich war der Ansicht, es sei abgemacht, dass wir zum Finanzamt fahren und Dirks Antrag auf einen Lohnsteuerfreibetrag wegen Michels „Behinderung“ abgeben. Als ich ihn fragte, wann wir fahren wollten, sagte er: “Gar nicht“, er habe keinen Bock. Daraufhin bin ich ausgeflippt. Der Antrag ist endlich ausgefüllt, das Finanzamt hat Sprechstunde, es geht um unser Geld und Dirk hat „keinen Bock“! Während ich das tue, ausflippen, weiß ich immer, ich könnte auch ganz anders reagieren, friedlich und gelassen, „lieb“, nicht im Sinne von „lieb-sein“, 48 sondern „in-der-Liebe-sein“. Aber ich tu’s nicht. Will ich das oder kann ich (noch) nicht anders? … - … - … - Oder gestehe ich mir einfach zu, meine Wut raus zulassen? Bei Dirk tu‘ ich das, bei anderen traue ich mich nicht (immer). Bei Dirk spreche ich stets an, was ich habe. Das ist ja irgendwie auch gut so. Obwohl ich mittlerweile denke, ich sollte lieber manches mit mir selbst ausmachen, zumal wenn ich merke, dass es so Sachen sind, bei denen ich ihn für eine Unbehaglichkeit in mir verantwortlich mache. Früher, als ich alleine lebte, hatte ich doch auch hin und wieder solche Befindlichkeiten, war an manchen Tagen verzweifelt oder traurig oder sorgte mich wegen irgendetwas. Wenn das heute so ist, warte ich manchmal darauf, dass Dirk mich „rettet“, tröstet, mit mir scherzt, mich lieb-hält. Manchmal tut er es. Und wenn er es nicht tut, kann es passieren, dass ich anfange nach ihm zu treten, mit Worten und mit meinem Verhalten, mein inneres Kind übernimmt dann. Und ich lasse es und sehe ihm zu. Und Dirks inneres Kind tritt dann zurück (nicht immer, aber schon), mir ans Schienbein. Ja. So ist das hier manchmal. Kaum zu glauben, aber so ist es. Zwei erwachsene Menschen. Aber da sieht man mal, wie sehr wir noch Kind sind. Oder wie sehr unsere inneren, ungehaltenen Kinder (ungehalten in zweifacher Hinsicht) der Liebe bedürfen. Wir haben es gestern nicht hingekriegt, uns zu versöhnen. Heute Morgen ganz früh, Dirk war schon weg zur Frühschicht, so gegen 5.00 Uhr, wurde ich wach und sorgte mich. In solchen Streitsituationen sorge ich mich dann auch z.B. deswegen, weil wir diesen Antrag auf Lohnsteuerermäßigung nicht schon im Januar abgegeben haben, um diesen Geldverlust, und mache das Dirk zum Vorwurf. Er schiebt solche Sachen gern hinaus und ich habe nicht an den Antrag gedacht. Aber vielleicht hat er ja auch nicht dran gedacht. Und auch wenn er es bewusst verdrängt hat – was soll ich mich darüber grämen? Ich kann’s nicht rückgängig machen. Wenn wir uns nicht streiten und ich im Vertrauen bin, dann verschwende ich an solche Sachen keinen Gedanken. Eckhart Tolle schreibt in seinem Büchlein über Beziehungen im Jetzt, das ich dieser Tage gelesen habe, man könne auch süchtig sein nach diesem Streit-VersöhnungsMuster und ich empfinde es auch so, dass z.B. unser Sex, wenn es Versöhnungs-Sex ist, oft prickelnder ist als sonst, irgendwie anders und es gefällt mir. Oweia! Süchtig nach solchen Spielchen? Aber wenn es mir bewusst ist und ich gestehe es mir ein, ist erfahrungsgemäß das Durchbrechen des Suchtverhaltens nicht weit. So war es damals mit dem Trinken. Jedenfalls ist mir Eckhart Tolle heute Morgen eingefallen und ich habe versucht, mich nicht mit meinen Gedanken, schon gar nicht mit den Sorgen!, zu identifizieren und ich habe auch versucht, den Schmerz abzufangen, ihn mich nicht übernehmen zu lassen und ich konnte den „Schmerzkörper“, von dem er schreibt, hinter den Sorgen fühlen. Das hat mich ruhiger gemacht und ich konnte noch ein Stück schlafen. 49 Jetzt ist Michel aus seinem Mittagsschlaf erwacht und jetzt ist mein Kind dran. Der kleine, süße Butz! Er ist wirklich „süß“! Einfach ein Sonnenschein!! Borsdorfer Apfel Am Wochenende soll in Nidda, der Kernstadt unserer Großgemeinde, eine Olympiade stattfinden. Die einzelnen Ortsteile sollen sich daran mit einem Sternlauf zum Marktplatz unter einem bestimmten Motto beteiligen. Meine Schwester ist im Ortsbeirat und engagiert sich deshalb für diese Aktion. Für Borsdorf, unser Dorf, sind zwei Dinge repräsentativ: der Borsdorfer Henkel, ein Gefäß aus der Bronzezeit, auf dem zwei Ringer abgebildet sind, und der Borsdorfer Apfel. Beides soll beim olympischen Lauf in Nidda dargestellt werden. Ich weiß nicht, was diesen Ausdruck „Borsdorfer Apfel“ geprägt hat, ob es dazu eine Geschichte gibt. Viele Apfelbäume hat es hier schon und ich z.B. habe oft rosige Backen, Wangen. Was so weit führt, dass ich, wenn ich schwitze, z.B. beim Steppen im Fitness-Studio, immer einen knallroten Kopf kriege. Früher wurde ich auch aus jedem gegebenen oder nicht gegebenen Anlass rot. Das hat sich mittlerweile gelegt, aber ich neige immer noch dazu. Ich will nicht behaupten, dass das daran liegt, dass ich in Borsdorf lebe. … Aber wer weiß? … Weil ich doch auch dazu neige, mir alles, was so an Energien durch die Luft schwirrt, einzufangen. Dani, meine Schwester, hat uns eine E-Mail geschickt und angefragt, ob wir Lust hätten mitzulaufen. Thomas, ihr Mann, hat aus einer Apfelkiste einen Wagen gebaut, da könnten wir Michel reinsetzen und ich könnte ihn ziehen. Ich schrieb ihr spontan zurück, dass ich dazu Lust hätte und Dirk noch fragen würde. Der sagt Folgendes (Dani ist Michels Patentante): „Da hat sie das ganze Jahr über keine Zeit und sieht nicht nach dem Michel, sieht ihn nur mal, wenn wir runtergehen (zu meinen Eltern, Oma und Opa. Dani wohnt im gleichen Haus). Wenn man sie fragt, ob sie auf ihn aufpassen kann, hat sie schon was vor. Nicht 1x ist gesagt worden: „Wir nehmen den Kleinen mal mit.“ Und jetzt braucht sie Leute für ihren Umzug. Da ist der Michel gut genug! Da wird mal schnell eine Mail geschickt – noch nicht mal da kann sie herkommen und fragen! Und wir sollen springen. Nee! Da geh‘ ich nicht mit!“ Naja, stimmt schon. Dani ist immer beschäftigt. Und ich finde, Dirk hat nicht unrecht. Aber warum soll ich, wenn sie nun mal Zeit hat und uns miteinbeziehen will, auch wenn es eines ihrer Projekte ist, und ich noch dazu auch Lust darauf habe und meine, dass es mir und Michel Spaß macht, Nein sagen? Aus Trotz und verletzter Eitelkeit? Das wäre so ähnlich, wie das Muster, wenn Kinder, die einen emotionalen Mangel haben, 50 eine angebotene Süßigkeit ausschlagen. – Ich denke dabei jetzt an Erfahrungen mit Kindern bei meiner Arbeit im Kindergarten, aber ich glaube, ich war als Kind selbst so. Ich habe mich nicht getraut, etwas anzunehmen, oder es mir nicht zugestanden, weil ich das Muster hatte „Ich komme eh zu kurz“, unbewusst wahrscheinlich. – Un – ge-wusst, hatte ich eben geschrieben. – … Hängt mir davon noch was an? Jedenfalls kam das zu unserem Es-hat-sich-hochgeschaukelt noch hinzu. Ich habe mir gewünscht, dass Dirk mitkommt, mit mir und Michel. Aber natürlich muss er das nicht. Ich finde es eh besser, wenn er authentisch ist und das macht, was er für richtig hält. Und meines Empfindens regt er sich über Dani auch deshalb so auf, weil sie ihm etwas vormacht, was er sich selbst nicht zugesteht: Sie sagt Nein zu anderen, die was von ihr wollen, für das, was sie selbst vorhat. Damit tut Dirk sich nämlich schwer. Er macht immer was für die anderen, will deren (vermeintliche) Erwartungen erfüllen, und übergeht sich dabei selbst. Michel hatte großen Spaß bei der Probefahrt in der Apfelkiste; Dani, Thomas, Oma, Opa und ich auch. Und wir beide, Michel und ich, gehen da am Sonntag mit, so es das Wetter will. Ich habe mir einen Bügelbrettbezug mit Apfelaufdruck gekauft, den hänge ich mir als Umhang um. Schröder E-Mail vom 7.August 2008 an unsere Freunde und Verwandten: Vor der Geburt und nach dem Tod sind alle Lebewesen unsichtbar. Zwischen zwei Nicht-Sichtbaren sieht man sie. Warum ob dieser Wahrheit traurig sein? Aus dem Bhagavad Gita (1.-2.Jh.), Indien Ihr Lieben! Wir sind doch traurig: Schröder ist tot. Er hat nichts mehr gefressen und konnte kein Häufi mehr machen, er hat abgenommen und sein Bauch war dick. Er 51 konnte nicht mehr richtig laufen und hat schwer geatmet. Dabei kommt es mir vor, als sei es noch gar nicht so lange her, dass er klein war und seine Ohren gingen vorne in der Mitte zusammen wie eine Schildkappe. Heute Abend war Melanie, die Tierärztin, hier und wir haben ihn hinüber begleitet, soweit wir konnten. Und wo wir hierbleiben mussten, da waren Engel, Sister, Moritz, Wilma und wer alles schon dort ist. „Wouw-wouw“, hat Michel gemacht. Schröder macht jetzt Wau-wau im Himmel. Lieber Schröder! Danke für Deine Liebe, Deine Treue und Deine Anhänglichkeit! Schröder hat sich jedesmal gefreut, wenn wir nachhause kamen. Oft denk‘ ich, sie sind nur ausgegangen, bald werden sie wieder nach Hause gelangen, der Tag ist schön, o sei nicht bang, sie machen nur einen weiten Gang. Sie sind uns nur vorausgegangen, und werden nicht hier nach Haus verlangen, wir holen sie ein auf jenen Höhn im Sonnenschein, der Tag ist schön. Friedrich Rückert (1788-1866), Deutschland Schröder ist gestorben. Mein treuer Freund! Wir haben ihn neben Sister begraben, seiner Mama. Vor drei Tagen. Wenn ich morgens die Treppe runterkomme, denke ich noch, dass er im Flur liegt. Oder ich meine, ich müsste die Haustür aufmachen und ihn hereinlassen, weil er draußen war. Am Donnerstagabend, als wir wussten, Melanie, die Tierärztin, kommt zwischen sieben und halb acht, habe ich mit Schröder einen Abschiedsspaziergang gemacht. Seit 18 Jahren bin ich jeden Tag 3x Gassi gegangen. Zuerst mit Sister, dann, nach 5 Jahren, mit Sister und Schröder zusammen und die letzen 3 Jahre nur noch mit Schröder. Als Sister starb, hatte ich, genau wie bei Michels Geburt, das Gefühl himmlischer Begleitung. Wir waren ganz eingebettet. Sister hat ein hohes Alter erreicht, sie wäre im Mai 16 geworden und ist Anfang Januar gestorben. Sie war immer gesund, nur war sie die letzten Jahre ihres Lebens blind. Damit kam sie gut zurecht, sie kannte die Abzweigungen auf unseren Wegen und wenn das jemand nicht wusste, dass sie blind ist, hat man es ihr kaum angemerkt. Ihr Gehör lies auch nach im Alter, sie hörte schlecht. Aber sie hat auch in jungen Jahren nicht so gut „gehört“, auf meine Anweisungen nämlich. Ich hatte sie nicht konsequent erzogen, das habe ich bei 52 Sister versäumt (wegen sex & drugs & rock’n’roll). Mit Schröder war ich seinerzeit in der Hundeschule. Aus aktuellem Anlass: Er hatte mich einmal angeknurrt als er auf dem Sofa lag und ich ihn von dort herunterschickte. Danach schlichen wir ein paar Tage jeder um den anderen herum und es war nicht klar, wer der Herr im Haus war. Ich hatte damals eine Kollegin, die mit ihrem Hund Agility-Training in einer Hundeschule machte und viel davon schwärmte und erzählte. Durch sie kam ich in die Hundeschule. Wir besuchten die Familienhund-Kurse 1 und 2 und haben dabei viel gelernt, ich mehr als Schröder. Das Allerwichtigste war, dass die Fronten geklärt wurden, ich lernte mich als „Leittier“ zu sehen und zu benehmen, den Hunden gegenüber. Und Schröder lernte „Komm!“ und „Sitz!“, das reichte uns. Als Sister älter wurde, musste sie nachts manchmal raus. Sie meldete sich dann immer, damit ich sie raus lassen konnte. Eines Sonntagnachts machte sie Häufchen in den Flur, ohne etwas „gesagt“ zu haben. Da ahnte ich, dass etwas nicht stimmte. Im Lauf des Tages wurde sie immer schwächer und am Abend musste ich sie zum Pipimachen in den Garten tragen. Wir hatten Zeit und Ruhe und auch das Wissen, dass der Zeitpunkt gekommen ist, um uns voneinander zu verabschieden, Danke zu sagen für die gemeinsame Zeit, einander zu danken, für die Liebe, die eine der anderen so großzügig und ohne Wenn-und-aber geschenkt hat. Am nächsten Tag, als ich mittags von der Arbeit kam, war Sister gestorben. Mein Vater hatte schon nach ihr gesehen und ihren toten Körper hinausgetragen in den Schuppen und sie dort auf ihr Sofa gelegt, das da für die Hunde stand, denn wenn die Witterung es erlaubte, waren Sister und Schröder draußen im Hof, während ich weg war. Und auch das empfand ich als „genau richtig“, dass ich nicht dabei war, als sie starb. Ich hätte womöglich noch Stress gemacht, hätte sie nicht sterben sehen können, wäre womöglich verzweifelt gewesen, hätte laut geheult oder irgendwas tun wollen, wo ich nichts mehr hätte tun können. So ist sie gestorben und nur Schröder und die Katzen waren dabei. Mein Vater hat sie damals begraben, das Grab gegraben, in das wir sie betteten, und wieder zugeschaufelt. Und ein Kreuz hat er auch noch für sie gezimmert, das steht heute noch, jetzt in der Mitte, zwischen Sister und Schröder. Mein Vater hat die beiden sehr geliebt, er hat sie oft versorgt – Gassi-gehen, füttern und auch nachts bei ihnen hier im Haus geschlafen, wenn ich einmal verreist war (ganze 9 ½ Wochen am Stück hat er das gemacht, als ich zur stationären Therapie war). Ich glaube, er trauert viel mehr als ich, denn ich bin, trotz der Traurigkeit des Abschied-Nehmens, mit den Geschehnissen im Frieden. Vielleicht ist für meinen Vater Tod irgendwie anders als für mich. Ich glaube nicht an den Tod. Wir sehen uns alle wieder, die, die wir so sehr lieben, dessen bin ich gewiss. Auch die, die es uns im Leben schwer machen, sehen wir wieder, vermute ich, und dann umarmen wir uns und danken einander für den Freundschaftsdienst, den wir uns erwiesen haben, beglückwünschen uns dafür, dass wir die Rollen so perfekt gespielt 53 haben und lachen und freuen uns darüber, was einer am anderen erfahren und gelernt hat. Von Wilma will ich noch erzählen. Wilma war die erste meiner Katzen hier im Haus, das an der Bundesstraße liegt, die nicht überfahren wurde, sondern aufgrund ihres Alters starb. Sie kam eines Morgens aus dem Keller hoch, in dem sie zu der Zeit ihren Liegeplatz gewählt hatte, und pinkelte auf den Küchentisch. Sie konnte es nicht mehr halten. Es roch komisch und auch aus dem Mund roch sie komisch. Sie sah nach „sterben“ aus. Wir schmusten, nahmen Abschied. Sie wollte nichts mehr trinken. Der Tod war immer deutlicher zu sehen. Als sie nachmittags noch nicht gestorben war und es auf Feierabend der Tierärzte zuging, beschloss ich, einen dieser Zunft anzurufen, ob er käme, ihr eine Spritze zu geben, damit sie die kommende Nacht nicht leiden musste an ihren nicht mehr arbeitenden Nieren. Der einzige, den ich erreichte, wollte nicht kommen, wir sollten zu ihm fahren und ich fasste den Entschluss, das zu tun. Ich packte Wilma in das Katzenkörbchen und wir fuhren los. Unterwegs weinte ich. Auf halber Strecke fing Wilma an zu miauen und mich befielen Zweifel, ob ich nicht gerade „alles falsch“ machte, ob ich lieber zuhause bleiben und sie ihrem eigenen Prozess hätte überlassen sollen. Der Tierarzt war auch nicht besonders freundlich und mitfühlend, aber ich ging dann doch diesen Weg. Als Wilma betäubt war und er ihr die Giftspritze gab, genau in diesem Moment, fiel ein Sonnenstrahl durch die grauen Wolken und durch die Fensterscheibe genau auf Wilma. Das Licht tanzte auf ihr, mit ihr, als tanze ihre Seele, abgeholt von himmlischen Gesandten, auf diesem Lichtstrahl in den Himmel. Das war mir Trost und in diesem Augenblick Gewissheit, dass „alles richtig“ und gut war. Später zuhause befielen mich doch wieder Zweifel, ob das nicht verkehrt gewesen war, diese Fahrt zu dem blöden Tierarzt. Ein paar Tage später war ich abends zum spirituellen Singen in Bad Nauheim. Während zwei Liedern, die wir sangen, sah ich Wilma vor meinem inneren Auge, wie sie mit dem namenlosen schwarzen Kater, der eine Zeitlang bei uns lebte und der überfahren worden war, im Himmel tanzte. Es war die pure Liebe, Licht, Freude und Glückseligkeit! Diese Wahrnehmung, dieses Bild, kann seither durch nichts mehr bedroht werden. Ich weiß: Alles ist gut. Um die, die gegangen sind, brauche ich mich nicht zu sorgen. Im Gegenteil, ich kann mich freuen, wie gut es ihnen geht. – Während ich das schreibe, steigt die Vermutung in mir auf, dass es sich mit uns Lebenden, die wir hier sind, genauso verhält: Ich brauche mich nicht zu sorgen, alles ist gut, wir sind bestens versorgt. Die Sorge ist nur in unserem Hirn und wir sollten ihr nicht erlauben, an uns zu nagen. Weil die Wirklichkeit ganz anders ist! Aber was ist mit unserer Wahr-Nehmung? Dirk und ich haben seit Tagen Stress, überhaupt und miteinander, und im Grunde ist es, weil wir uns sorgen, wegen seines Jobs und unserer Finanzen. Aber das ist ein anderes Kapitel. Schröder, mein Freund, mach’s gut! Danke für Deine Liebe! Es war soo schön mit Dir! 54 Geschehnisse am Tag und Träume in der Nacht Ja, also: Die letzten paar Tage waren nicht besonders spaßig. Gestern war ich kurz davor, Dirk anzupflaumen: „Das macht alles gerade überhaupt keinen Spaß!“ Ihm zum Vorwurf natürlich. Dann habe ich es aber doch – Gott sei Dank – gelassen. Ich hatte ihn gebeten, Michel seinen Abendbrei zu geben, damit ich aufräumen konnte: Michels Sachen wegräumen vom Duschen und das Geschirr abtrocknen. Dirk sah mich an … nicht alles, dass er die Augen verdrehte … und ich bin daraufhin beinahe ausgeflippt. Ich kam mir so verachtet vor. Auch vorher, als wir zusammen Michel duschten, war es nicht „schön“. Sowas kann doch auch Spaß machen. Dirk ist mürrisch, seit Tagen, und nur am Klagen über die Umstände seiner Arbeit. Er fährt jeden Tag mit einem Kloß im Hals zur Arbeit, sagt er. Und ich weiß das ja, dass es um seine Arbeit geht, und dass das mit mir eigentlich nichts zu tun hat. Aber wenn sich seine schlechte Laune über Tage hinzieht, dann lasse ich mich erstens mit hineinziehen, fange auch an, mich zu sorgen, und nehme es zweitens persönlich und verstärke durch meine Reaktionen die eh schon vorhandene Negativität, füge ihr noch ein paar Aspekte bei: zu den Geldsorgen kommt dann z.B. noch Eifersucht und so ein Scheiß - will ich jetzt nicht ausbreiten, kann glaube ich jeder nachvollziehen: Ich denke dann - nicht wirklich, aber in mir läuft ein Film ab - dass er, wenn er mit mir nicht redet, scherzt und schmust, das vielleicht mit jemand anderem macht. Dann war Judith hier, zu Besuch bei ihrer Mutter, und hat im Zuge dessen auch uns besucht. Meine alte Kindheitsfreundin, die jetzt in Hamburg lebt. Sie hat Horrorgeschichten erzählt aus Sankt-Pauli, wo sie schon seit vielen Jahren wohnt – wohnte. Davon, dass ihr elfjähriger Sohn in der Schule wiederholt zusammengeschlagen wurde, mit der Androhung, er würde das nächste Mal „totgemacht“, von aggressiv bettelnden Punks, die sie auf Schritt und Tritt blöd anmachten, menschlichen Scheißhaufen vor ihrer Haustür und einer halbnackten Frau, die Ende Oktober in der Kälte vor dem Eingang zum Penny-Markt auf der Reeperbahn inmitten einer Versammlung von Obdachlosen von einem ihrer Genossen zusammengetreten wurde, während die Leute vorbeigingen als sei nichts, weil das ja „normale Härte“ ist. Das sei ihr Schlüsselerlebnis gewesen, sagt Judith. Da dachte sie sich: „Hier schicke ich mein Kind zum Milchholen hin – hab‘ ich sie noch alle?“ Und sie hat sich nach einer anderen Wohngegend in Hamburg umgesehen und ist umgezogen. In der neuen Wohnung hat sie Schimmel und ist auch wieder am Kämpfen und außerdem ist ihr Kater weggelaufen und ihr Freund hat im Frühling mit ihr Schluss gemacht, der Depp! Ja, Entschuldigung, ich weiß … du bist kein Depp. Jedenfalls dachte ich mir: „Oh Mann, muss das jetzt alles sein?! Zu dem, was wir schon haben/was ich schon habe, erzählt mir jetzt Judith noch all diese schrecklichen Sachen!“ und auch: „Angesichts dessen, womit Judith kämpft, geht’s 55 uns doch prima! Wir leben in einem Idyll!“ (Was wir auch tun! Vor lauter Hirnen nehme ich das nur manchmal nicht wahr.) Auch: „Mensch, was sind die am Kämpfen (Judith, Dirk, die anderen)! Warum lasse ich mich da so reinziehen?“ Aber: Gleich am nächsten Morgen, nach Judiths Besuch und nach einer weiteren sorgengeladenen Diskussion mit Dirk, las ich im Internet einen Text, in dem das alles drinstand, wie es mir gerade ging, und der besagte, dass das alles Meins ist. Nicht die anderen stecken fest, sondern ich stecke fest und die anderen zeigen mir etwas auf. Und im Grunde weiß ich das auch. Es ist immer so. Alles, was mir im Außen begegnet, ist meins. Und wenn ich am leidenschaftlichsten einem anderen etwas erkläre, z.B.Dirk, wie er mit seinen Nöten umgehen könnte, so ist das alles viel eher und viel mehr für mich, was ich ihm da erzähle. Ich bin ja eine begeisterte Leserin der Webseite www.esoterium.de. Die letzten Wochen und Monate habe ich da alles gelesen. Und ganz oft, eigentlich immer, ist genau das beschrieben, was ich gerade erlebe, und immer finde ich Antworten auf aktuelle Geschehnisse und Gegebenheiten meines Lebens. Stets genau zur rechten Zeit. So wie gestern Morgen. Das war direkt für mich geschrieben, könnte man meinen. Vor einigen Tagen wurde auch angekündigt – ich weiß nicht, ob auf der Esoterium-Seite oder in den Schriften, die Uta mir geschickt hat zum Event 8.8.’08. –, dass durch die Öffnung des himmlischen Tores der Glorie am 8. August 2008 einiges „in Wallung“ kommt. Im Sinne von Eckhart Tolle: „Freu Dich, wenn sich der Wahnsinn zeigt, weil das Unbewusste ans Licht kommt.“ So gesehen kann ich vor Freude frohlocken: jede Menge Wahnsinn, der ans Licht kommt! Juch-hu! - Nein, der Juchzer ist nicht echt, es beutelt mich z.Zt. Aber wenn ich an diesen Artikel denke, dann kann ich ins Vertrauen gehen, ich weiß, alles ist gut. Das sind Reinigungs- und Umbruchprozesse, Angleichungen, das Alte geht und das Neue ist noch nicht ganz da oder wir sind/ich bin noch nicht ganz da, noch nicht ganz angekommen im Neuen. Aber ich bin zu jeder Zeit am rechten Ort, innen und außen, das weiß ich, auch, wenn es mir gerade nicht so behagt. Außerdem bekomme ich wieder jeden Tag Aufmunterung und Unterstützung. Gestern habe ich bei www.shouds.de noch einen Text von Tobias gelesen: „Vier Männer in der Wüste“ (12). Wieder absolut passend, wie für mich geschrieben, mir geschickt genau zur rechten Stunde! Ich war seit Wochen nicht auf dieser Webseite, weiß auch nicht, warum ich sie gestern angeklickt habe. Fazit dieses Textes ist: Was uns wie eine Wüste erscheint, ist nur ein Sandloch des Lebens und schon auf dem nächsten, nahegelegenen Hügel können wir erkennen, dass dieses Sandloch zu einem wunderschönen Golfplatz gehört, auf dem sich Menschen und Engel tummeln und es ihnen wohlergeht! Meine (vielleicht nicht nur meine) Herausforderung ist die Negativität. Das vermeintlich Negative. Zum Beginn des neuen Maya-Jahres, immer Ende Juli, fahre ich zu Uta zum Jahreskarten-ziehen. Wir ziehen für jeden Monat eine Karte, welche 56 das vorherrschende Thema für den jeweiligen Maya-Monat/Mond aufzeigt. Was kann ich in diesem Monat lernen oder integrieren? Für den zweiten lunaren Mond der Herausforderung, in dem wir uns gerade befinden (23. August bis 19. September), habe ich die „Negativität“ gezogen. Dieses Jahr war ich auch im Januar bei Uta zum Jahreskarten-ziehen für die gregorianischen Monate. Und welche Karte habe ich da für den August gezogen? Richtig: die „Negativität“! Wenn es mir gelänge, einfach alles anzunehmen, ohne herum zu „hirnen“, dann hätte ich es, glaube ich, geschafft. Also: Wenn ich einfach alles nehme, wie es ist, ohne zu beurteilen und zu bewerten, ohne mich zu sorgen, dann ist die Negativität nicht länger negativ. Dann ist das, was ist, einfach gerade da. Sonst nichts. Und vielleicht ist all diese Negativität, die zum Vorschein kommt, ja wirklich im Grunde ein Segen, deswegen, weil sie ans Licht kommt, weil sie sich zeigt und vom Sturm der Erneuerung, Reinigung und Veränderung transformiert werden kann. Außerdem meine ich immer mehr zu erkennen, dass das „Negative“ überhaupt nicht negativ ist. Was uns/mir auf den ersten Blick als negativ erscheint, in der ersten Begegnung, entpuppt sich als eine Bereicherung, als etwas schönes Neues, eine erfreuliche Veränderung. Nicht nur in mir wird z.Zt. das Unterste zuoberst gekehrt, auch draußen ist Sturm. Heute weht ein so starker Wind, dass die Katzenklappe in der Tür zum Keller hinund-her-schaukelt, obwohl alle Fenster geschlossen sind, irgendwo zieht es durch. Ha!! That’s it!! Cauac, der blaue Sturm, kriegt uns alle! Auch wenn wir unsere Fenster verschließen. Cauac, mit seiner Kraft, findet eine Ritze, und dann kriegt er uns und weht uns seinen frischen Wind ins Haus. Und das ist gut so! Wir werden alle erfasst, ob wir wollen oder nicht. Und wir werden auch alle ins Licht geweht, ob wir nun meinen, wir machen etwas falsch, hängen irgendwo fest oder wir könnten „es“ nicht. Wir können es und uns wird geholfen. Und es gibt kein Zurück mehr! Heute Nacht träumte ich von einem Wirbelsturm, einem Tornado, riesengroß, gewaltig und gigantisch. Ich befand mich in einem Hochhaus, ein modernes, neues Haus, rote Stahlkonstruktion mit Elementen aus Holz, vielen Fenstern rundherum und vielen Etagen. Ich sah durch die Fenster den Tornado herankommen. So einen großen Sturmtrichter hatte ich zuvor noch nie gesehen. Ich fuhr mit dem Aufzug ins oberste Stockwerk, um ihn ganz sehen zu können. Dann fuhr ich wieder hinunter ins Erdgeschoß. Dort war eine Schulklasse. Der riesige, graue Trichter war fast am Gebäude, kam direkt auf uns zu, der kreisende und wirbelnde Sturm-Schlauch würde das Haus geradewegs erfassen. Außer der großen Schulklasse waren in allen Stockwerken viele Menschen, junge, alte, verschieden-sprachige, bunt gemischt. Ich fing an, in dem Klassenzimmer die Fenster zu schließen, schon wehten uns die Haare. Wir kriegten nicht alle Fenster zu und als der Sturm da war, als ich dachte, jetzt kann sich keiner mehr halten, jetzt bricht die Katastrophe los, jetzt wird alles zerfetzt – war Stille, alles ruhig. Nichts. Kein Chaos, keine Katastrophe. Ruhe. Und 57 mit einem Mal war alles verwandelt. Wie soll ich das sagen? Es gab keine zwischenund inner-menschlichen Hemmnisse und Begrenzungen mehr. Der Raum war nun ein Tanz-Klassenzimmer. Ich hatte einen Tanzpartner und Schüler, denen wir diesen Tanz des Lebens (?) zeigen und beibringen wollten. Der Tanz war sehr erotisch und leidenschaftlich, sehr rein, lustvoll, kraftvoll, leicht und sanft. Ich selbst war auf einmal wunderschön, schlank, geschmeidig und ich liebte mich selbst und das, was ich tat, ohne Ende, es war einfach so. …-…-…In der Nacht davor träumte ich: Ich fuhr auf einem Fahrrad eine Straße entlang. Auf der Straße stand der Förster, in den ich mal verliebt war, und schnitt mit einer an Seilen aufgehängten Kettensäge Äste von einem hohen Alleebaum ab. Gerade fiel ein großer Ast herab und ich blieb mit meinem Fahrrad am Straßenrand stehen, damit er nicht auf mich fiele. Der Förster beachtete mich gar nicht. Als der Ast am Boden lag, saß ich auf und fuhr weiter. Ich kam zu einer Scheune, deren großes Tor offenstand. Ich stieg vom Rad ab und ging hinein. In der Scheune waren viele kleine Tiere, Hasen und Geflügel, in großen, niedrigumzäunten Ställen mit Stroh auf dem Boden. Durch eine Tür in der hinteren Wand kam ein Mann, der Bauer. Er hielt die Tiere, um sie zu schlachten und sich von ihnen zu ernähren. Er schenkte mir ein halbes Suppenhuhn, so wie sie in der Gefriertruhe im Supermarkt liegen, nur war dieses Huhn nur halb, nur der Oberkörper, der untere Teil fehlte. Ich ging hinaus und legte das halbe Huhn in meinen Fahrradkorb, da war draußen noch ein anderer Mann, der öffnete eine große Gefriertruhe, die dort vor der Scheune im Freien stand, und holte ein Riesen-Riesen-Suppenhuhn heraus, eher wie ein geschlachtetes Nilpferd. Dieser geschlachtete Leib war komplett, nicht nur halb, rosa-fleischfarben mit weißer Haut überzogen. Nur der Kopf fehlte, wie das bei geschlachteten Leibern so ist. Aber plötzlich bewegte sich der Leib, als würde er noch leben. Da, wo der Kopf fehlte, bewegte sich etwas wie Lippen und der Leib sprach. Ich weiß nicht, was genau er sagte, ich glaube, er bat um Gnade, um Erlösung. Es war eine Frau! Und dann kam etwas, wie ein Kopf, aus diesem Leib heraus, begann sich aus diesem fehlenden Hals heraus zu formen. Völlig entsetzt wachte ich auf. Ich verzichte jetzt auf Interpretation und Analyse. Allein, dass ich das aufgeschrieben habe, hat etwas in mir freigesetzt. Mit einem Mal fühle ich mich befreiter und stärker. Außerdem wird Michel gerade wach von seinem Mittagsschlaf und – jetzt ist mein Kind dran. 58 Me and Michel Mc Gee Als ich anfing zu schreiben … dachte ich da, dass es ein Buch über Michel wird? Zumindest nahm ich an, dass Michel mehr vorkommen würde. Aber mit Michel ist irgendwie alles gut. So schön und selbstverständlich, unkompliziert und im Fluss – was soll ich da schreiben? Dieses Buch ist durch Michel inspiriert. Ohne ihn hätte ich nicht angefangen zu schreiben. Jetzt geht es aber mehr um mich als um ihn. Mit Michel habe ich keine Probleme, da muss ich nichts klären. Wir haben unseren Spaß zusammen. Mit Michel kann man schön Ulk machen, da lacht er immer. „Hä hä!“ macht er. Man könnte ihn fressen, den Gesichtsausdruck, den er hat, wenn er sich freut! Klar, manchmal nervt er auch, so wie kleine Kinder manchmal quengelig sind, aber nie lange und sowieso meistens dann, wenn ich auch schräg drauf bin. Michel bringt mich dazu, meine Grenzen zu überschreiten. Manchmal stößt er so hohe Schreie aus, wie um seine Stimme auszuprobieren. Dadurch hat er mich schon zum Mitmachen inspiriert, ich fange dann z.B. an zu singen, laut und kraftvoll, was ich mich früher nie getraut habe, ich singe dann Arien – naja, Sonja-Arien eben. Oder ich kreische mit: er einen Schrei, ich einen Schrei, er einen, ich einen, er einen, ich einen … dann lachen wir. Das macht Spaß! Michel ist so herzlich und natürlich, so freundlich und unkompliziert. Ich kenne ja kein anderes Kind so intensiv, war noch mit keinem so ununterbrochen zusammen. Manchmal, durch das, was Leute sagen, dass er so lieb sei, oder wenn ich andere Kinder erlebe, aus unserer Geburtsvorbereitungsgruppe z.B., die echt anstrengend sein können, wird mir bewusst, wie gut ich es mit Michel habe. Es ist nur in den bald 16 Monaten seines Lebens schon so zum Alltag geworden. Aber ich weiß auch, dass ich es sehr gut habe in meinem Alltag! Ich habe wundervolle Gegebenheiten und ein wunderbares Umfeld. Ich bin zuhause und muss nicht arbeiten gehen, habe die ganzen Tage für Michel und mich. Ich habe das beste Kind der Welt (für mich ist er das!) und den besten Mann (für mich ist er das!), liebe, drollige, herzensgute Tierfreunde, ich bin sozial eingebettet, habe Familie – etliche haben das nicht, die stehen ganz alleine da -, jede Menge Bekannte und ein paar gute Freunde. Ich kann zur Uta fahren, ab und an in die Sauna gehen und zwei bis dreimal die Woche ins Fitness-Studio, wenn ich das möchte. Manchmal nehme ich Michel dorthin mit, wenn Kinderbetreuung ist, oder er bleibt bei Dirk oder meine Mutter nimmt ihn. Die vergangenen Wochen finde ich regelmäßig Zeit, an diesem Buch zu schreiben. Mit am besten ist vielleicht mein innerer Frieden, der immer da ist, weil ich ihn nach jedem Sturm wiederfinde, er ist einfach da, wenn sich die aufgewirbelten Wolken wieder gelegt haben. Und mein Vertrauen ins Leben und seine Geschehnisse und die innere Gewissheit, dass alles gut wird, ja, gut ist, ich weiß es nur nicht immer. Wenn sich mein Verstand, mein Hirn, 59 für andere Dinge zuständig fühlt als es ist, dann fängt es an und wird ungemütlich. Aber das kriege ich auch noch hin, bzw. gehört das ja auch wieder zu den Prozessen und diese Vorgänge haben im Grunde mein absolutes Vertrauen. Es beutelt mich nur manchmal so sehr, dass „die Beutelung“ zeitweise den Zustand des Im-Vertrauenseins überdeckt. Abgesehen von dem Spaß, den wir zusammen haben, macht Michel mir eine tiefe Herzensfreude. Neulich sagte ich zu Dirk, wie das wohl für Michel sei, bei uns Kind zu sein, ob wir „alles richtig“ machen oder ob wir etwas grundlegend anders machen sollten. Ob Michel sich bei uns wohlfühlt? Dirk sagte, er glaube schon, dass wir alles richtig machen würden. Er sagte: „Michel gedeiht doch prächtig. Er hat Spaß, ist lustig und kommt an die frische Luft!“ Ja. So einfach ist das. Dirk ist manchmal sehr weise. Man kann Michel prima mitnehmen. Er ist gerne mit Leuten zusammen und hat gerne Besuch. Wenn wir in Gesellschaft sind, blüht er fast noch mehr auf, dann ist er das bravste Kind, noch unkomplizierter als sonst. Er ist gesellig und er holt in anderen Menschen Licht, Liebe, Frohsinn und Freundlichkeit hervor. Manchmal, wenn wir unterwegs sind, lacht Michel auf der Straße jemanden an oder hebt den Arm zum Gruß und zur Kontaktaufnahme und macht „Mm!“, so spricht er andere an. So kommen wir mit fremden Menschen ins Gespräch. Die strahlen immer und sind ganz fröhlich und freundlich. Michel hat in seinem erst kurzen Leben schon eine Spur der Freundlichkeit gesät. Michel hat mich zu neuen Sichtweisen gebracht. In der ersten Zeit seines Lebens, als ich erkannt hatte, was für ein besonderes Kind er ist, so besonders wunderbar, weckte er in mir den Gedanken: „ … - … - sollte ich vielleicht auch?“ Irgendwie wunderbar sein? Ich hielt mich doch immer für so unzulänglich. Michel hat mich in meiner Selbstannahme und -liebe viel weiter gebracht als sämtliche Theorien, die ich gelesen oder Therapien die ich gemacht habe. Einfach dadurch, dass er da ist und dass er so ist, wie er ist. Und wenn auch ich ein besonderes, ein „heiliges“ Kind bin, dann ist das jeder andere auch: alle Kinder, meine Mutter, mein Vater, meine Schwester, Dirk, meine Nachbarn, Adolf Hitler, die Rapper und jeder Mensch. Im Grunde weiß ich, dass es so ist, auch wenn mein Verstand hirnt und das Schwert schwingt und Argumente anbringt, was wer hat, was gegen Heiligkeit spräche. Aber ich weiß, es ist so: Each child is a holy child. Und wir sind alle Kinder scheint mir. Die Menschheit an sich befindet sich im Kindheitsstadium. Vielleicht kommen wir entwicklungsmäßig gerade in die Pubertät und werden erwachsen, reifer, reif, wachsen in unsere Verantwortungen. Und in die Freiheit! 60 Michel ist auch von seinem Tempo her, in dem er sich entwickelt, genau richtig für mich. Mir ist es ganz recht, dass er z.B. jetzt erst krabbelt und dass er noch nicht läuft. Das wäre mir zu anstrengend. Wobei: Wenn er schon laufen würde, dann würde er halt schon laufen, das ginge dann auch, aber so, wie es ist, ist es gut. Wir passen sehr gut zusammen und ich bin zutiefst dankbar für diese Kombination! Dirk noch dazu – das ist perfekt. Es ist perfekt! Mit Streit und Stress manchmal – es ist perfekt! Da gibt es z.Zt. ein Lied von „Ich & Ich“: „So soll es ein, so soll es bleiben. Alles passt perfekt zusammen“, singen sie. Mir geht es so in meinem Leben. Alles passt perfekt zusammen. Das empfinde ich immer wieder. Es wird nicht so bleiben, weil, wie Hannes Wader in einem anderen Lied sagt: „nichts bleibt, wie es war.“ Aber wie immer es wird, wie es sich entwickelt, es ist immer perfekt, vollkommen. Als Michel ein paar Wochen alt war, vielleicht ein viertel Jahr alt, waren wir das erste Mal bei der Lebenshilfe, um darüber zu reden, was man zur Unterstützung und Förderung für ihn tun kann. Die Frau, mit der wir diesen Termin hatten, machte u.a. den Vorschlag, für ihn eine Gymnastikmatte auf den Boden zu legen, damit er nicht wegrutscht, sondern Widerstand hat und sich abdrücken kann, vorwärtsbewegen, schon zum rumrutschen auf dem Boden. Dann sah sie mich an und fragte mich nach einer kurzen Weile, ob mir das zu viel sei. Ich sagte: „Nein“, so auf die Schnelle und weil es mir selbst nicht klar war. Aber sie hatte recht. Sie sah mir etwas an, was ich für mich selbst noch nicht klar hatte, aber es wäre mir zu viel gewesen. Ich war noch total eingespannt in Stillen (was nicht klappte), Milch abpumpen, Fläschchen geben, Flaschen sterilisieren, unterbrochene Schlafrhythmen und so. Michel machte ja auch noch keine Anstalten, sich über den Boden zu bewegen. Und da sollte ich mit ihm etwas üben, was noch gar nicht anstand? Ja, das war mir zu viel! Ich hatte gerade genug Stress, mich in die neue Rolle als Mutter einzufinden. Ich finde, die Natur hat das sehr weise eingerichtet mit der Entwicklung der Menschen-Kinder. Die Babys kommen auf die Welt, schlafen erstmal sehr viel, sind ganz klein und bleiben die ersten Wochen und Monate da liegen, wo man sie hinlegt. Man hat Zeit, sich aneinander zu gewöhnen. Den Eltern sind sehr gut annehmbare Bedingungen gegeben, in ihre neue Rolle hineinzuwachsen. Wenn Menschenbabys wie Giraffenkinder z.B. sich kurz nach ihrer Geburt auf die Beine stellen und herumlaufen würden oder wenn sie wie kleine Schwäne gleich nach der Geburt ab ins Wasser und schwimmen wollten - oweia! Da wären die Eltern aber ganz schön überfordert! Aber so, wie es ist, ist es gut. Und wir, Michel und ich, harmonieren wunderbar miteinander. Ich achte auch darauf, dass das mit seinen Therapien nicht überhand nimmt. Eine Weile hatten wir drei Therapien pro Woche gleichzeitig – das war mir auch zu viel! Dabei kommt das „normale“ alltägliche, einfache Leben zu kurz und man kommt zu 61 sonst nichts, Besuche machen oder empfangen z.B., dann ist das Ganze unausgewogen und somit auch nicht mehr gesund. Deshalb setze ich jetzt immer mal aus, mit dem Einen oder dem Anderen und sehe zu, dass wir in der Regel nur zwei Termine pro Woche haben. Das kommt uns allen zugute, jedenfalls Michel und mir. Ich glaube, dass Pausen-machen und zwischendurch aussetzen dem gesamten Prozess förderlicher ist, als etwas straight durchzuziehen. Das kann man auf alles anwenden. Pausen-machen gehört auch zum Rhythmus. Michel ist z.B. während unserer therapeutischen Sommerpause, in der wir gar keine Therapien hatten, eines Mittags von seinem Schläfchen aufgewacht, hat sich auf die Knie erhoben und ist gekrabbelt! Vorher legte er seine Wege auf dem Bauch robbend zurück. Das ganze Timing ist perfekt. Damit meine ich auch Gegebenheiten, die auf den ersten Blick wie äußere Zwänge erscheinen: alles vollkommenstes Lebens-Timing. Ich glaube ja sowieso, dass ich immer zur rechten Zeit am rechten Ort bin. Immer, in meinem ganzen Leben war ich das, auch wenn es nicht so schien, der Suff und so, das gehört alles dazu. Und seit Dirk und Michel bei mir sind, empfinde ich das noch intensiver. Die kurze Spanne Zeit, die wir erst beisammen sind, mit Dirk 2 Jahre und Michel ist seit 16 Monaten auf der Welt, zeigt mir das im Rückblick. In den ersten Monaten von Michels Leben hatte ich noch die Myome in der Gebärmutter und war schlapp und nicht so fit wie sonst. Vielleicht auch durch die Schwangerschaft und die Geburt und die neue Lebenssituation. Dirk war in dieser Zeit zuhause, weil der keine Arbeit hatte, d.h. Arbeit hatte er genug, hier zuhause, aber keinen bezahlten Arbeitsplatz. Er ist ganz oft mit Michel aufgestanden, hat ihn versorgt, war bei ihm und ließ mich schlafen. Dabei kam mir das Nicht-Stillen auch zugute. Nach der Myom-OP im Dezember kam ich wieder zu Kräften. Ich merkte den Unterschied zu vorher ganz deutlich. Im Januar trat Dirk seine neue Stelle an. Was wir damals manchmal als Einschränkung betrachteten, keinen Job zu haben, war doch eigentlich ein Geschenk, das uns das Leben machte. Zumal unsere Beziehung auch noch so jung war – da waren wir zusammen, lernten uns kennen und kamen zueinander. Wir haben uns nicht gesucht, aber gefunden, alle drei. Der Fluss des Lebens hat uns zusammengebracht. Michel war nicht geplant, kein „Wunschkind“, aber zutiefst willkommen! Mit ihm ist mir ein Wunsch erfüllt worden, von dem ich gar nichts wusste. Das herrlichste Geschenk, aus heiterem Himmel! Von selbst wäre ich überhaupt nicht darauf gekommen, mir so was Schönes zu wünschen. Ich hätte gar kein Wort dafür gehabt. 62 Olympiade in Nidda Olympische Spiele in Peking 2008. Zeitgleich Olympiade in Nidda. Ja! We are the world! Das Kleine ist im Großen und das Große ist im Kleinen, du bist ich und ich bin du, wir sind alle miteinander verbunden, wir sind eins. „In lake’ch“, sagen die Maya: „Ich bin ein anderes Du-Selbst.“ Letzten Freitag war ich im Fitness-Studio und Michel war derweil bei seiner Oma. Gegen acht Uhr abends kam ich ihn abholen. Da saß er in seinem Laufstall, den sie dort unten für ihn haben, in der offenen Schiebetür zwischen Küche und Waschküche, kaute auf einem Spielzeug und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Oma war in der Küche am rumwerkeln und seine Tante Dani saß in der Waschküche vor einem Plakat und malte gerade an einem Apfel. Auf dem Plakat stand: „Borsdorfer Apfel, lecker und gesund“ oder so was ähnliches. Außerdem stand noch ein zweites großes Schild da, auf dem stand: „Die Ringer vom Borsdorfer Henkel“. (Zwei junge Männer sollten in Nidda bei unserer Präsentation wie die beiden Ringer auf dem antiken „Henkel“ ringen.) Volle Vorbereitung für den Sternlauf am Wochenende! Sonntag, dachte ich. Während des Gesprächs stellte sich heraus, dass der Sternlauf am nächsten Tag, Samstag, stattfinden sollte. – Das ist typisch meine Schwester: macht alles auf den letzten Drücker! Am nächsten Tag, während wir nach Nidda liefen, und ich meinem Weggefährten, der gerade neben mir lief, erzählte, wie das am Freitagabend war, antwortete der: „Ja, das ist auch gut so, man darf nicht zu lange planen, da verhunzt man es wieder.“ – Fand ich gut die Antwort! Hat mich prompt aus meiner Bewertung und der engen Sichtweise rausgebracht! Wenn das Buch einmal fertig ist, würde ich gern an dieser Stelle ein Fenster in die Seite schneiden, wenn das möglich wäre, ein Fenster zum Aufklappen, hinter dem dann ein „Buch im Buch“ zum Vorschein käme. Eine und mehr weitere Geschichten, die durch das, was ich hier geschrieben habe, in mein Bewusstsein gekommen sind. Weil das Buch aber kein Pop-up-Bilderbuch wird: Stellt es Euch vor: Hier kann man einen Vorhang zur Seite ziehen, eine Pappe wegklappen oder eine Tür öffnen. Dahinter ist ein „Buch im Buch“. Ihr findet es auf Seite 121. Samstagvormittag schmissen wir uns also in Schale, Michel und ich: altertümliche Klamotten, Hüte und mein Bügelbrettbezug als Umhang – passte farblich exzellent zu 63 dem grünen Kleid, das meine Uroma schon getragen hatte! – und gingen um 13.00 Uhr zum Dorfplatz. Dort war der Treffpunkt. Es kamen gut 30 Dorfbewohner zusammen. Wir hatten verschiedene Wagen dabei: auf einem stand der große PappmascheeApfel des Dorfes, ein Handwagen war mit echten Äpfeln gefüllt, die wollten wir in Nidda verteilen, dann ein weiterer Wagen, auf dem ein kurios geformter dicker Ast stand, das war „der Borsdorfer Henkel aus Holz“. Wir waren ein bunt zusammengewürfelter Haufen, Junge und Ältere, Alteingesessene und Neuzugezogene, eine Familie aus dem ehemaligen Osten und Abstämmige anderer Nationalitäten. Einer lief mit, er ist eigentlich noch Kind, 11 oder vielleicht 12, der ist auch ein „Zugezogener“, den treffe ich oft, wenn ich durch’s Dorf laufe. Er grüßt nie. Die, die ihn begleiten tun das schon. Er trägt so riesengroße, dicke Turnschuhe und ich weiß nicht, wie ich seinen Blick deuten soll. Er hat für mich Rapper-Potential und ich hatte schon den Gedanken, dass der vielleicht mal Michel was tun und seine Kumpels gegen Michel aufstacheln könnte. Er ist mir nicht geheuer und in mir ist ein Potential für Angst wegen ihm. Der ist also mitgelaufen. Er trug ein Schild für den Borsdorfer Jugend-Club. - Und er gehört also auch dazu! Each child is a holy child. Er auch. Ich fand es gut, dass er bei dieser Olympia-Gruppe mitgemacht hat, dass er dabei war und ich. Vielleicht sollte ich einfach mal von mir aus „Hallo“ sagen, wenn ich ihm begegne und von dem Trip runterkommen Die-Jüngeren-müssen-die-Älterengrüßen. Ich baue mir meine Angst ja selbst auf. Ich traue mich was nicht einfach locker leicht und verschanze mich hinter „Der sollte aber!“ Mir ging es als Kind und Jugendlicher selber so: Ich habe zwar die Leute gegrüßt, weil es mir so beigebracht wurde, aber wenn einer mal aus sich rausgegangen ist und von sich aus herzlich zu mir war, das hat mir gut getan, das kam mir entgegen, ich selbst hätte mich nicht getraut. Ich war unheimlich schüchtern. Verstockt-sein ist irgendwie auch eine Form von Schüchternheit – nicht aus sich heraus können. Dieser Junge hat einen Mangel, vermute ich, so wie ich einen Mangel hatte als Kind. Einen Mangel an entgegengebrachter Emotionalität und Körperlichkeit. Zumindest sehe ich ihn so an. Vielleicht sollte ich hier aufschreiben, wie er heißt, das weiß ich nämlich. Dann müsste ich ihn vor der Veröffentlichung des Buches fragen, ob sein Name bleiben darf oder ob ich ihn ändern soll, und dann könnte ich ihm die Textpassage zu lesen geben, in der es um ihn geht. - Er heißt Dennis. Nach Nidda zu laufen war eine ganz neue Erfahrung. Sonst fahre ich diese Strecke, ca. fünf Kilometer, nur mit dem Auto. Ich habe Dinge gesehen, die ich im Auto nicht sehe und hatte eine ganz andere Wahrnehmung. So könnte man es öfters machen! Das erdet und gleicht aus, da kann man sich nicht vorstellen, dass es so was wie Stress überhaupt gibt und kommt nicht auf dumme Gedanken. 64 Wir fanden unsere Gruppe so gut, dass wir uns sicher waren, einen der drei ersten Plätze zu machen. Haben wir aber nicht. Aber das ist wurscht. Die Sache hat Spaß gemacht. „To sing an opera“ Vorhin habe ich mit Michel die Werbung gesehen - von der Telekom oder von wem? – in der dieser Mann in einer Talent-Show singt und viele verschiedene Menschen werden gezeigt, die ihn über ihr jeweiliges Kommunikationsgerät, Handy, PC etc., sehen und hören können. Er ist nicht besonders hübsch, seine Zähne sind schief, er ist eher unscheinbar, aber er tritt in dieser Show unter den Augen von tausenden, millionen Zuschauern diesen gestylten, äußerlich perfekten Mitgliedern der Jury gegenüber, die ihn belächeln und er weiß, warum er da steht: „To sing an opera!“ Man kann manche Zuschauer an ihren Bildschirmen kichern sehen. Dann fängt er an zu singen. Er singt. So schön. So schön! Die Menschen werden gezeigt, die ihn sehen und hören, was mit ihnen geschieht. Er verwandelt sie. Mit seinem Gesang verwandelt er sie. Er geht direkt in ihr Herz, berührt es und die Herzen öffnen sich. Es geht gar nicht anders. Die, die vorher gekichert haben, weinen, alle sind völlig in seinem Bann. Auch vor dem Fernseher muss man weinen. Ich musste weinen; mir kommen jetzt die Tränen, wenn ich darüber schreibe. Als er endet mit seinem Gesang, bricht tosender Beifall los, die Menschen erheben sich von ihren Plätzen und applaudieren ihm begeistert. Einen alten Mann sieht man, irgendwo draußen in seiner Werkstatt, für den wird der Sinn seines Lebens bestätigt durch diesen Gesang, der strahlt. Jetzt kann er sterben, will ich fast sagen. Ja, wenn man das fühlt, dann kann man sterben, dann hat sich alles erfüllt. So einfach und so schön, so großartig und so vollkommen. Oder erst richtig leben!! Dieser Spot war in einer Werbepause während einer Doppelsendung von „Das Quiz“ mit Jörg Pilawa. Das sehe ich ganz gern. Ja, und ich weiß, dass so kleine Kinder wie Michel nicht fernsehen sollten. Nichtsdestotrotz saß er vor’m Fernseher, Kopf im Nacken, und hat hingeschaut. – Wir machen das nicht oft, vielleicht einmal in drei Wochen. – Bei Jörg Pilawa saß Michel nur ruhig da und schaute. Als der Mann sang, hob Michel seinen Arm zu ihm hoch und machte sein: „Mm!“, wiederholt. Das hat mich noch mehr berührt! Michel hat ein Gespür für die essentiellen Dinge des Lebens. Und er wird seinen Weg genauso unbeirrt gehen wie der Opera-Sänger, auch wenn es welche geben sollte, die ihn belächeln oder sich lustig machen. Er wird es allen 65 zeigen! Er wird ihre Herzen berühren, sie öffnen und er wird die Menschen mit der Essenz des Lebens in Kontakt bringen. Das tut er ja jetzt schon. Ich finde diese Werbung wunderbar! Das ist die neue Zeit, die neue Energie! Jeder wird das tun, was seine Leidenschaft ist. Jeder wird an seinem Platz sein und keiner kann den Platz eines anderen einnehmen. Es kann auch niemand einen anderen an einen Platz zwingen oder manipulieren, wo der nicht hingehört, sich nicht wohlfühlt, wo nicht dessen Erfüllung ist. Jeder ist einzigartig und wertvoll in dem, was er ist. Mancher ist vielleicht auffallender und ein anderer unauffälliger. Aber das ist – richtig!!: Wurscht! Jeder ist wertvoll durch das, was er ist. Sturm (am Tag der Mondfinsternis) Mann, Mann, Mann!! Gestern war Samstag (der 16. August, Vollmond und totale Mondfinsternis!). Dirk hatte endlich wieder mal ein durchgängig freies Wochenende. „Schön“, dachte ich. Freitag hatte er seine letzte Nachtschicht. Als er Samstagmittag aufgestanden war … ich kann gar nicht sagen, wie es begann: Wir hatten gleich Streit. Ich will hier nicht beschreiben, wie und was da alles war – das wäre so mühselig! Wörter über Wörter, viele Worte um schwere Dinge zu beschreiben – es ging um‘s Einkaufen und um Dirks Umbaumaßnahmen – letztlich ist das egal, wir haben unsere Themen, andere haben andere, und im Grunde geht es um Mann und Frau. Um das Unverständnis füreinander und dass einer dem anderen was klarmachen will, eher die Frau dem Mann (aus meiner Sicht), der Mann reagiert darauf, fühlt sich angegriffen, mauert, die Frau hämmert noch mehr dagegen: „Der muss das doch kapieren!“ Aber er kapiert es nicht, weil das, was die Frau meint, gar nicht zu ihm durchdringt vor lauter Abwehr, weil er meint, er müsse sich verteidigen. Oder umgekehrt. Ich kann nicht behaupten, dass ich schon alles kapiert habe, was Dirk mir sagt, verinnerlicht, begriffen. Nein, habe ich nicht. Dirk sagt mir z.B. immer wieder, dass er mich liebt oder dass er mich aufregend findet, schön. Ich glaube ihm das nicht wirklich. … - Oh Mann - wie gut, dass ich das niederschreibe! Denn während ich es aufschreibe, sickert es in mich ein, da entdecke ich einen Teil in mir, der es besser weiß und der ihm glaubt. Der weiß, dass er die Wahrheit sagt, seine Wahrheit, dass er mich nicht anlügt. Ich muss mich erstmal zurücklehnen und diese Erkenntnis in mich einsickern lassen. …-…-…- 66 Eigentlich will ich auch nicht aufschreiben, dass das so ist, mit dem Nicht-glaubenund-annehmen-können, weil ich doch immer andere Erfahrungen gemacht habe, hintergangen und betrogen wurde, nicht beachtet und fallengelassen – das sind die Erfahrungen, die ich mit Männern gemacht habe in meinen Beziehungen. … Interessiert mich das noch? Das Alte. Interessiert uns das? Will das irgendjemand hören? Nein. Deshalb schreibe ich auch den ganzen Kampf/Krampf von gestern nicht ausführlich auf. Ich bekomme jetzt schon Kopfschmerzen, wenn ich nur dran denke, das will ich nicht noch ausbauen. Das war gestern schlimm genug. Zwischendurch hatte ich immer wieder den Gedanken: „Es ist absolut sinnlos. Das Gerede bringt nichts.“ Dirk hat nicht begriffen, was ich ihm sagen wollte und ich konnte nicht begreifen, was er sagt. Bei mir war das meistens im Sinne von: „Wie kann der das jetzt sagen?! Das ist völlig unkonstruktiv und dient nicht der Klärung, sondern ist einfach nur Streit, Schlagabtausch.“ Irgendwann fragte ich Dirk, was für ihn der Kernsatz sei, von dem, was ich rede, und überlegte, was für mich sein Kernsatz ist. Er sagte mir dauernd, er könne nichts sagen, ohne dass ich mich angegriffen fühle. Und er meinte, ich würde ihm im Grunde dauernd sagen, er hätte keine Zeit für mich und Michel. Ich bin dann auf den Dreh gekommen, dass das, mit dem keine Zeit haben, wahrscheinlich genau das ist, was ich mir selbst vorwerfe. - Jetzt erkläre ich es doch genauer: Dirk baut uns einen neuen Freisitz. Das ist sein aktuelles Projekt. Er hat schon jede Menge andere Ecken draußen und drinnen gestaltet. Er verbringt viel Zeit mit diesem kreativen Handwerk. Ich finde das alles klasse, was er macht. Aber wenn vor lauter Arbeit die Zweisamkeit und das Familienleben zu kurz kommen, dann ist das unausgewogen und darüber beschwere ich mich bei ihm. Dirk neigt dann dazu, das Kind mit dem Bade auszuschütten: „Dann mache ich gar nichts mehr! Wenn‘s nach Dir ginge, würde hier alles so bleiben, wie es ist!“ (Schwachsinn!!!) „Soll ich mich den ganzen Tag zu Dir auf’s Sofa setzen?!“ Nun sitze ich mitnichten den ganzen Tag auf dem Sofa. Und ich habe Dirk schon bestimmt hundert Mal gesagt, dass ich es toll finde, was er schon alles gemacht hat und was er macht. Wie schön das alles ist! Und dass er meine ganze Bewunderung hat, wie er aus wenig wunderschöne Dinge zaubert. Das tut er wirklich. Er ist enorm kreativ. Ich sage ihm dann oft, dass es mir nicht darum geht, dass wir ständig beisammen hängen, sondern dass er mich mal kurz, im Vorübergehen, oder dass er vielleicht auch mal extra dafür reinkommt, schmust. Mal öfters zwischendurch zärtlich mit mir ist. Da würde ich mich voll freuen, das würde mir guttun. Ich brauche nicht viel, aber wenn eine Zeitlang gar nichts da ist, fange ich an, zu darben. Das fehlt mir dann, die Körperlichkeit, die Zuwendung. Dirk antwortet darauf meistens: „Du kommst ja auch nicht zu mir!“ Und ich sage: „Ja. Aber ich denke, dass das Ganze von Dir ausgeht (damit meine ich die Verweigerung) und ich will, dass Du zu mir kommst.“ So. Und genau das könnte ich mir sparen. Spätestens das! Eigentlich könnte ich mir den ganzen Streit er-sparen und einfach genau das tun: zu ihm gehen. Ihn von mir aus schmusen. Da hat er nämlich recht. So einfach ist das. Ja, ich weiß. Warum macht 67 man das dann? Warum mache ich das, diese Streitereien und: „Ich will was von Dir haben und Du gibst es mir nicht!“? Dieses Muster, meine unbefriedigten Bedürfnisse einem anderen zur Last zu legen. Blödsinn eigentlich. Wenn ich etwas haben will, muss ich das sagen, mir holen oder es einfach machen, mir selber geben. Ich kann den Anderen darum bitten oder fragen. Wenn er’s mir gibt, prima. Wenn er’s mir nicht gibt, – und das ist die Kunst – brauche ich das auch nicht persönlich zu nehmen. Er ist nicht dazu da, meine Bedürfnisse zu befriedigen. Davon mal abgesehen, war ich ja bei meiner Idee mit dem Kernsatz darauf gekommen, zu überlegen, ob ich mir das vielleicht selber antue: zuviel das Eine und zu wenig das Andere, zu viel Arbeit und zu wenig Zärtlichkeit. Als ich soweit gediehen war, wurde mir auch gleich bewusst, dass es so war: Ich hatte über Tage hinweg in jeder freien Minute geschrieben. Dabei kam sogar Michel manchmal zu kurz. Anstatt mit ihm zu spielen, saß ich am Computer. Von mir selbst ganz zu schweigen. Mal nichts-tun, die Füße hochlegen oder ein Fußbad nehmen und mir selbst die Füße salben – lange nicht gemacht. Mich selber schmusen. – Manchmal küsse ich mich selbst, auf die Hände, auf die Arme, auf die Schultern, gebe mir Küsse auf die Hände und streichele sie mir ins Gesicht. Das tut gut! Wenn ich das mache, komme ich auch wieder mehr in Fluss, bin ausgeglichener, genährt und nicht mehr so auf andere, auf Dirk, angewiesen. Dann bin ich bei mir und kann von mir aus mit anderen in Austausch gehen. Der ganze Streit führte nur dazu, dass wir feststeckten. Mit Reden war da nichts mehr zu retten am Samstag. Ich fühlte mich wie eingemauert. Irgendwann am Nachmittag gab Dirk Michel etwas zu essen, Michels Nachmittagsjoghurt. – Dirk ist so, dass, wenn wir durch Reden absolut nicht weiterkommen, an gewissen Punkten, er dann aber immer irgendetwas tut, von dem er denkt, dass es das ist, was ich mir von ihm wünsche oder womit er mich entlasten kann. - Der Süße!!!! - Ich hockte mich dann einfach zu den beiden, neben Dirk, mit meinen Mauern im Kopf, und strich ihm über’s Knie. Wir nahmen uns dann in die Arme und küssten uns. Und damit war es „wieder gut“. – Vorher stundenlang hunderte oder tausende von Worten gemacht, (die ich eh alle schon genauso oft vorher, bei vorherigen Gefechten, gesagt hatte) Energie verschleudert, Krieg geführt … - dabei hätte es gleich so einfach sein können. Ganz schön bescheuert ist man manchmal. Am Abend war Mondfinsternis. Ich habe sie beobachtet, man konnte sie sehr schön sehen, der Himmel war ganz klar. Nur den Höhepunkt, den habe ich verpasst. Da haben Dirk und ich zusammen geschlafen. – Ich glaube, ich lasse gerade diese „Sucht“ los. Der „Versöhnungssex“ war nicht anders, nicht prickelnder, es war so schön, wie jedes Mal mit Dirk. Wir hatten unseren Höhepunkt wohl alle zusammen, der Mond mit seiner Finsternis, Dirk und ich. 68 Und dieses jahrhundertealte Unverständnis zwischen Mann und Frau ist z. Zt. so am Aufkochen, weil es sich auflöst, meine ich. Wir heilen. Wir werden in Liebe verschmelzen. Wir tun es ja schon dann und wann. Manchmal, wenn ich mit Dirk Streit hatte, höre ich hinterher im Radio oder Fernseher, was anderswo passiert ist, dass Paare einander umbrachten, entweder einer den anderen oder erst einer den anderen und anschließend sich selbst. Oder ich bekomme von Freunden und Bekannten mit, dass sie auch Stress hatten. Dann denke ich, es ist wieder eine globale Reinigungswelle über die Erde gegangen, Verkrustungen sind aufgeweicht, Dreck kommt hoch und wird weggefegt und im Grunde bringt uns das alles einander näher. Im Familienstellen wurde gesagt, dass die Bindung zwischen Mörder und Getötetem beinahe enger ist, als eine Mutter-Kind-Beziehung. Damit will ich das nicht gutheißen, dass einer den anderen umbringt, ist ja klar, aber im Grunde kann ich alles verstehen, was geschieht, und ich plädiere dafür, nichts zu be- oder verurteilen, sondern allem, was ist, in Akzeptanz zu begegnen. Dieses Plädoyer ist natürlich in erster Linie für mich. Ja, Sonja, üb‘ das mal: Akzeptanz. Okay. Mach ich. Herbst im August Heute ist der 25. August, KW 35. Der Herbst ist schon da. Schon seit einigen Tagen. Der Mond ist am Abnehmen. Seit der Mondfinsternis beim letzten Vollmond, am 16. Ich putze das Haus in diesen zwei Wochen des abnehmenden Mondes. Inklusive Fenster diesmal. Ich mache das schon seit einigen Jahren, dass ich nur in den abnehmenden Mondphasen putze, seit ich in einem Buch über den Mond las, dass man, was reduziert werden soll, im abnehmenden Mond angehen soll. Wenn man da putzt, würde es länger sauber bleiben. Ich weiß nicht, ob das so ist, aber da ich nur noch im abnehmenden Mond putze, mache ich mir wenigstens während der zwei Wochen, in denen der Mond zunimmt, keinen Kopf um Staubwedel und Putztuch. Ich hatte schon Zeiten, in denen dachte ich: „Hei! Mein Haus bleibt von selbst sauber! Ich muss nicht mehr putzen!“ Aber das konnte ich nicht wirklich glauben. Deshalb ist es nicht geblieben. Jetzt putze ich wieder. Ich glaube auch, dass, wenn ich es wirklich glauben könnte, für möglich halten würde, z.B. meine Zähne nachwachsen würden, die mir fehlen. Weil ich es nicht wirklich glauben kann, kann es nicht geschehen. … Vielleicht noch nicht. 69 Ich selbst bin auch am Abnehmen. Seit Februar mache ich, während der abnehmenden Mondphasen, regelmäßig Obsttage, drei oder vier hintereinander, in jeder der beiden mondabnehmenden Wochen. (Manchmal nicht ganz so viele, wenn etwas dazwischenkommt, wo es was Gutes zu essen gibt – ich nehme es nicht ganz so streng.) Dabei verliere ich immer schön die Kilos, das hat richtig geflutscht von März bis Juli. Seit März gehe ich auch wieder ins Fitness-Studio, was das seine hinzutut. Sechs Kilo ungefähr sind runter laut meiner Waage. Ich war so in AbnehmEuphorie, dass ich dachte, im Juli, vor unserem Urlaub, knacke ich die 70-Kilo-Marke! Das ist aber nicht gelungen. Auch jetzt stagniere ich noch. Immer noch über 70 Kilo. Letzte Woche, an meinem vierten Obsttag in Folge, wurde mir flau, schwach und mulmig. Von mir aus hätte ich mir das wahrscheinlich zugemutet und den vierten Tag einfach (kompliziert, aufgedrückt) durchgezogen, aber Dirk sagte: „Iss doch was Ordentliches“. Und ich nahm das von ihm an und brachte die Hälfte meiner Schüssel voll Obstsalat für diesen Tag meinen Eltern zum Nachtisch und bereitete mir selbst noch etwas Deftigeres zu. Jetzt nimmt der Mond immer noch ab, am Samstag dem 30. ist Neumond. Diese Woche werde ich die Obst- auf Rohkost-Tage ausdehnen. Und vielleicht am Tag des Neumondes fasten. – Aber mal sehen, was mein Körper dazu sagt. Denn ich habe das Gefühl, diese 70-Kilo-Marke ist möglicherweise deshalb so zäh, weil ich etwas anderes daran lernen soll: nämlich mich und meinen Körper, so zu lieben, wie ich bin. Mich anzunehmen! Ganz und gar! Und mich nicht dauernd zu geißeln: „Du musst erstmal schlanker werden!“ Zumal ich mich wohlfühle. Mein Kopf will erst zufrieden sein bei sagen wir mal 63 Kilo. Aber: Ich bin manchmal ganz schön bescheuert! Diese Erkenntnis hatte ich ja schon bei anderer Gelegenheit und hier verhält es sich wohl auch so. Mein Kopf meint, er sei für etwas zuständig, wofür er gar nicht zuständig ist. Und durch diese Fehleinschätzung bescheren wir uns, mein Kopf und ich, nur Kummer und Stress, Druck. Das ist mit so vielem so! Das wird mir immer bewusster! Ich mache mir um irgendetwas Sorgen, aber es ist nur in meinem Kopf! Und wenn ich aufhöre, das zu tun, dann ist es auch nicht mehr, dann ist alles gut. Mir wird aber auch immer bewusster, wie vieles gar nicht mehr an mich ran kommt. Die Dramen der Außenwelt. Ich kann sie da sein lassen, ohne dass es mich berührt. Nicht, dass ich kalt dagegen bin – wie soll ich das sagen? – ich akzeptiere sie, die Dramen, die manche Menschen spielen: entführte Kinder, abgestürzte Flugzeuge, Kriege. Aber es bedrückt mich nicht. Ich bin innerlich ganz ruhig und weit. Wer das braucht, um bewusst zu werden, der braucht es. Die Flugzeuge stürzen vielleicht deshalb gerade gehäuft ab, weil wir aufhören sollen, so abartig viel zu fliegen. Und wie sonst kann man die Menschen dazu bringen, mit dem Fliegen aufzuhören? Dieses übersteigerte Fliegen und Urlaub-machen ist äußere Ablenkung der Spitzenklasse. Ablenkung von den eigenen Themen, von uns selbst, von dem, was ansteht und von der 70 Wirklichkeit. Lieber Spielchen spielen, statt das pralle Leben, Seichtigkeit statt Tiefgang. – Ich war mal über Weihnachten in der Türkei. Das war ein ganzer Flieger voller Menschen, die einen absolut unnötigen, überflüssigen Urlaub verbrachten. Stress hoch zehn. Jeden Tag eine Busreise mit Besichtigung und wir sollten irgendetwas kaufen, Teppiche, Klamotten etc. Außerdem Beziehungsspielchen erster Kajüte bis zum Abwinken mit Kellnern, Reiseleiter und anderen männlichen Figuren, die dort irgendeinen Job machten. Als wir wieder zuhause waren, wurde ich gefragt, ob ich mich in meinem Urlaub schön erholt hätte. Da wurde mir klar, dass ich nach diesem Urlaub so fertig war wie fast noch nie und dass ich mich zuhause erstmal vom Urlaub erholen musste. Zum Glück hatte ich noch ein paar Tage frei. - Wer fliegen will, kann das auch auf andere Art und Weise tun. Flug in die innere Freiheit. Das wird sich in uns ausbilden. Die entführten, missbrauchten und getöteten Kinder im Außen, in den Nachrichten – das ist dieses Potential in uns selbst, wie wir mit uns selbst umgehen, unseren eigenen inneren Kindern. Solange sich im Außen diese Dramen ereignen, ist es in unserem Inneren nicht geheilt. Aber das Thema ist präsent und weil es präsent ist, kann es heilen. Und das wird es über kurz oder lang. Die Heilungsphase ist. Es ist jetzt. Und manche sind schon da, angekommen im Heil, in ihrer eigenen Heiligkeit, sich ihrer bewusst, und die anderen folgen. Im Grunde sind wir alle gleich weit. Voll im Umbruch. Zeiten(w)ende. Das Ende der Zeit. Kein gestern und kein morgen mehr, nur jetzt, wundervolles Jetzt. Die Dinge kommen hoch bei allen. Und das ist gut so. Der, der in seinen Themen ist, hat jede Menge Hilfe und Unterstützung, himmlische, menschliche, therapeutische. Er/sie braucht sich nur zu öffnen und anzunehmen, bewusst-werden, bearbeiten (? vielleicht gar nicht mehr nötig), gehen lassen. Oder integrieren. Zeit der Reinigung und Annahme. Nicht mehr kämpfen. Alles sein lassen. Karen Bishop sagt in ihren Energy-Alerts auf www.esoterium.de immer wieder, man soll sich aus dem „mainstream“ raushalten und in seinen eigenen heiligen Räumen bleiben, im eigenen heiligen Space. Und genau das ist es. Meine Sorgen im Kopf sind auch Mainstream. Was heißt das, „mainstream“? Massenbewusstsein? Kopf-Fluss? Sich zu viele Gedanken machen? Nichts gegen meinen Kopf und seine Gedanken. Es ist nur manchmal so, dass, wenn ich zu sehr bei meinen Gedanken bin, nur in ihnen, das einen Druck erzeugt, Druck im Kopf, Kopfweh und inneren Druck, Kummer. Der Kopf muss in Relation gestellt werden. Er ist nicht alles und z.Zt. trägt er ein Übergewicht. Z.B. will man mit dem Kopf Dinge lösen, in denen man nur vertrauen kann. Das kann der Kopf gar nicht leisten! Wir müssen uns also unsere Köpfe zurechtrücken, zurechtrücken lassen durch die Herausforderungen des Lebens, dahin, wo sie hingehören, und sie auch nur ihren Job machen lassen und nicht noch 71 zehn oder zwanzig andere. Nicht alles mit dem Kopf lösen wollen. Wenn wir das tun, hat auch wieder jeder Arbeit im Außen. Wir brauchen uns gar nicht zu wundern, dass das Verhältnis im Moment so ist, dass diejenigen, die einen Job haben, von ihrer Arbeit erdrückt werden, weil es zu viel für einen allein ist, während viele andere ohne Job sind, ohne eine bezahlte Arbeit. Das ist, weil wir selbst nur unsere Köpfe gelten lassen und sie zudem maßlos überfordern, während wir andere Qualitäten an uns nicht achten, schätzen und nicht nutzen. Es liegt alles an uns. In uns. Dabei glaube ich, dass sich das mit den Jobs grundlegend ändern wird. Wir müssen nicht mehr arbeiten gehen. In mir ist eine unbändige Freude! Die sprengt alles, alles an Sorge, Gedanken ums Geld, um Dirks Job … - das hat da gar keinen Platz! Von dem, was eine Waage anzeigt und schmutzigen Fenstern ganz zu schweigen. Ich bin voller Vertrauen, dass wir alle dahin kommen, in diesen Space der Freude! In dieses weite Land. Vielleicht ist der Herbst so früh da, um uns zu zeigen, dass das Überflüssige, Alte, Verbrauchte abfällt und wir vor unserer überreichen Ernte stehen! – Es gibt dieses Jahr sehr viele Äpfel – die paradiesische Frucht. Weil wir am Eingang des Paradieses stehen. Wir sind da, wir sind angekommen! Wir stehen am Tor, glaubt mir Leute!! ☺ Rapper, Punker, Prinz Albert und was ich damit zu tun habe Ich gehöre ja nun quasi zur Elterngeneration, auch wenn ich spät in diesen Status gekommen bin, aber so vom Alter her, Anfang/Mitte 40, voll das mittlere Alter. Wir sind das Establishment. Vielleicht kommt man da einfach irgendwie hin, auch wenn man meint, das könnte einem nicht passieren. Davon abgesehen gibt es Leute, die sind schon mit 14 establishment-like. Harald Schmidt sagte zu seinem 50. Geburtstag, er fühle sich schon sein ganzes Leben lang wie Mitte 50. Auf diesen seinen Ausspruch hin, den ich sehr treffend fand, denn er wirkt auf mich auch schon immer wie Mitte 50, fühlte ich in mich hinein. Wie alt fühle ich mich? Aber ich kann da kein Alter feststellen. Ich glaube, ich bin ewig alt und ewig jung. Mein Geist schwebte schon über den Wassern, ganz am Anfang, als die Erde entstand. Und da kam ich auch irgendwo her. Das weiß ich. Und ich werde immer (da) sein. Ich kann keine Alterung feststellen in mir. Etwas in mir ist immer gleich. Mit 39 hatte ich ein graues Haar und manchmal knirschen meine Knie, aber innerlich bin ich alterslos. Ich fühle mich auch schon immer ganz. Als Kind fühlte ich mich ganz, mit 12 fühlte ich mich ganz, mit 17. Trotz meiner Schüchternheit, meiner Unsicherheit im Umgang mit anderen Menschen und meiner ganzen Prozesse (und Exzesse), durch die ich 72 gegangen bin. Vielleicht ist das ein Paradoxon, aber es ist so. Ich bin schon mein ganzes Leben lang ich. Als Kind fühlte ich mich vollkommen, ich hatte nicht das Empfinden, ich müsse erst „noch groß“ werden, wie ich das manchmal gesagt bekam. So ein Quatsch! Ich bin schon immer die, die ich bin, egal, wie alt ich bin. Vielleicht habe ich mich zwischenzeitlich manchmal etwas, oder sehr, aus den Augen verloren. Aber ich habe mich immer mit mir getragen, hatte mich stets bei mir. Vielleicht ist das so, dass man sich selbst nicht mehr sieht, wenn man sucht, wenn man sich auf die Suche begibt, wenn man Sinn sucht, im Außen, wenn man außen etwas sucht, das man nur in sich selbst finden kann, im Innen. Wenn man außen sucht, was man stets mit sich trägt. Und vor lauter Suchen, sieht man es nicht, erkennt es nicht, weil man ganz woanders hinsieht, in die verkehrte Richtung. Und irgendwie scheint das zum Leben dazu zu gehören, oder? Die Jungen suchen. Und irgendwann findet man es. Oder es findet einen. Wenn man stehen bleibt und sich einfach sich selbst sein lässt. Nun liegt es aber vielleicht doch mit an meinem momentanen Alter, diesem mittleren, dass ich Angst habe vor Rappern oder besser gesagt, dass dieses Angstpotential in mir ist. Es ist nicht immer aktiviert, aber latent vorhanden: Unbehagen vor dieser Scene, diesem vermeintlichen Space, was ich da hinein interpretiere. Und warum machen mir die Rapper und auch die Schwarzgekleideten, Haar-schwarz-gefärbten, Gepiercten – haben die eigentlich auch einen Namen? – Unbehagen und Beklemmung? Die Großelterngeneration, der meine Eltern nun angehören, hatten möglicherweise Angst und Unbehagen wegen mir und meinesgleichen. Ich bin eher ein später Hippie. Aber in meinem Freundes- und Bekanntenkreis waren auch Punker und andere Zerrupfte, für die es keine speziellen Bezeichnungen gab. Sie waren halt auf Protest und sich selbst am suchen. Ich glaube, manche suchen heute noch. In dem Sommer bevor ich mit Dirk zusammen kam, war ich auf eine Party eingeladen. Ein alter Freund von mir feierte seinen Geburtstag. Wir standen uns einmal sehr nahe, deshalb fuhr ich auch hin. Obwohl ich vorher überlegt hatte, ob ich überhaupt fahren sollte, denn er lebt schon seit ich ihn kenne sehr am Rand - der Gesellschaft, des Lebens … immer voll auf Protest und Abwehr und am Suchen. Und voll auf Drogen, alles, was es so gibt. Alkoholabhängig sowieso, ständig am kiffen, LSD, Pilze, Speed, Koks … was es halt (gerade) gibt. Und die Leute in seinem Umfeld eben auch, wenn manche von ihnen auch etwas … ja, wie denn? … etablierter sind, ganz leicht, er ist wirklich der absolute Extremfall. Und seit ich trocken bin, habe ich mich von dieser Scene ferngehalten. Wir trafen uns in den Sommern hin und wieder zufällig am See und lagen dann zusammen in der Sonne und redeten. Aber auf ihren Partys war ich nicht mehr und besucht haben wir uns auch nicht. Auf dieser Party habe ich mich dazu hinreißen lassen, wieder zu kiffen. Zum ersten Mal seit ewigen Zeiten. Es war schrecklich! Aber – irgendwie war es auch fällig. Ich brauchte diese Lektion, denn ich spielte zu der Zeit schon seit längerem mit dem 73 Gedanken: „Ob ich mal was trinken sollte? Um zu sehen, ob ich es noch habe, die Sucht. Oder was rauchen? Zum Spaß?“ Es war absolut kein Spaß! Ich war nicht mehr ich. Vorher war ich ich und es ging mir gut, auch in dieser Scene, in Gesellschaft derer, die tranken und kifften. Da konnte ich noch mit ihnen reden. Als ich was geraucht hatte, konnte ich nicht mehr mit ihnen reden. Weil ich nicht mehr ich war. Wie soll ich das erklären? Ich hatte die Erwartung, das Kiffen würde mich vielleicht frei machen, frei im Kopf. Mir mehr gedankliche Freiheiten schenken, Grenzen durchbrechen, an die ich in meinem Alltagsbewusstsein immer wieder stieß. Ich dachte, ich hätte das so in Erinnerung, dass das so sein kann beim Kiffen, Erleuchtungen werden einem zuteil und vor allem: Man hat Spaß. Nun, das mag früher auch gelegentlich so gewesen sein, aber dieses Mal hatte ich weder Spaß noch einen geistigen Durchbruch. Im Gegenteil: Ich fühlte mich einfach nur bedröhnt, weit und zu zugleich im Kopf. Kennt das jemand? Mit – ich sage nicht, wie er heißt – konnte ich auch nicht reden. Früher bewunderte ich ihn immer für seine Weisheit, die er trotz allem oder wegen allem, was er so erfahren hatte, für mich ausstrahlte. Ich war mit der Hoffnung hingefahren, dass auch er inzwischen gereift war und mir vielleicht mit meiner Eifersucht helfen konnte, weil das gerade ein solches Dilemma für mich gewesen war in der Beziehung mit Ralf. Ich wollte ihn fragen, wie er mit sowas umgeht, mit Nähe und Vertrauen bzw. Misstrauen und Ängsten. Er sagte mir, dass er so etwas gar nicht zulasse, Nähe. „Immer wenn’s nah wird, mach‘ ich zu, hau‘ ich ab“, sowas in der Art sagte er. Und außerdem würde er mich noch lieben, ich sei seine letzte Liebe gewesen. Na prima! Tolles Alibi! Ja, wir waren mal ineinander verliebt, aber „richtig“ zusammen waren wir nicht. Wir hatten keinen Sex, das ging nicht mit ihm. Er hat „keinen hoch gebracht“, wahrscheinlich wegen der vielen Drogen. Und der miserablen Ernährung. – Manche Leute sind wirklich zäh wie Juchte. „Ich kann jeden verstehen, der es nicht schafft, mit dem Trinken aufzuhören“, sagte ich früher immer, in den ersten Jahren nach meinem Trockenwerden. Weil ich wusste, wie stark das ist, Sucht. Das war einfach stärker als ich selbst. Vom Alkohol hatte ich ein Bild, das kam während meiner stationären Therapie zu mir: Er ist ein Monster; wenn ich ihm den kleinen Finger reiche, schnappt er mich, reißt mich zu sich und verschlingt mich mit Haut und Haaren. Ich bin dann völlig hilflos und muss abwarten, ob er meiner überdrüssig wird und mich wieder ausspuckt. Und so liege ich dann da: ausgespuckt. Aber noch am Leben. Meine Schwester sagte einmal, als ich mit meinem Suff in den Endzügen lag und es auch in der Familie durchgesickert war, dass ich soff, dass ich am Ende war und dass ich aufhören wollte, eine Therapie machen wollte: „Wenn Du nicht trinken willst, dann lass‘ es doch einfach.“ Sie hat das überhaupt nicht verstanden. Sie konnte es nicht nachvollziehen. Genau das ging ja nicht, es einfach lassen. Das stand nicht in meiner Macht. Auf dieser Party waren jedenfalls noch andere alte Bekannte. Ich hatte alle seit Jahren nicht gesehen. Und alle, die dort waren, waren noch „voll drauf“. Beim Einen 74 war die Suchtdroge Alkohol, beim anderen Haschisch und sowieso konsumierten sie die Drogen querbeet. Mein alter Freund hatte mir auch Rotwein angeboten, obwohl er wusste, dass ich trocken bin. Das ist mir erst später so recht bewusst geworden. Da hätte ich eigentlich mal zuschnappen können, von wegen: „Was soll das?!“ Er sagte auch, er mache auch „ein bisschen Therapie“, weil er tagsüber, wenn er bei einem Freund mit zum Arbeiten war, nichts oder wenig trank. Der hat es andersrum nicht kapiert. Er weiß nicht, wie das Aufhören geht, dass es gehen kann. Aber wie soll man das auch wissen, wenn man es nicht erlebt hat? Ich konnte mir damals, als ich aufhörte, auch nicht vorstellen „nie wieder“ Alkohol zu trinken. Ich dachte: „Ich muss mal bisschen langsam tun. Ich bin völlig im Arsch. Wenn ich mich wieder erholt habe, kann ich auch wieder was trinken.“ Pustekuchen. Nein. Das sollte man nicht tun. Ich hab’s bisher noch nicht ausprobiert. Jeder, der von Rückfall erzählt hat, z.B. in den Selbsthilfegruppen, die ich besuchte, sagte, dass man gleich oder über kurz oder lang wieder da lande, wo man aufgehört hat oder noch eine Stufe tiefer. Und da will ich weiß-Gott nicht wieder hin! Ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich das selbst gemacht habe, mit dem Trinken aufgehört. Das kann man nicht machen. Das kann man nicht erkämpfen, meines Empfindens, dazu braucht es Hingabe, Fallenlassen, geschehen lassen. Bei diesem Prozess hatte ich auch das Gefühl von höherer Fügung, himmlischer Begleitung und Hilfe, da hat mich jemand durchgezogen, meine Schutzengel, manche in Menschengestalt und die unsichtbaren, mit aller Kraft. Währendem es passierte, hatte ich dieses Gefühl nicht, da war ich einfach auf Entzug, nachts am Schwitzen und mir ging es sauschlecht, aber hinterher, als es überstanden war und ich begriff, dass ich wirklich draußen war aus dem tödlichen Sumpf. – Ich danke Euch allen!!!!!!! … – … - Aber mir danke ich auch! Dafür, dass ich offen und empfänglich für diese Verwandlung war. Dass ich Hilfe angenommen und dass ich durchgehalten habe, dass ich diesen Prozess mitgemacht habe, dass ich mich eingelassen habe. Dass ich im Wind der Veränderung Windmühlen baute und keine Mauern. Ja, mir gebührt auch meine Anerkennung. Hast Du gut gemacht, Sonja! Mein alter Freund erzählte auch immer noch die gleichen Sachen wie vor zwanzig Jahren, die Geschichten von der Marine, bei der er mit 18/19 war, jetzt ist er bald 50, und ich meine, er ist irgendwie hängen geblieben. Er und die anderen, die sind irgendwo hängengeblieben. Und ich habe den Eindruck, das Hängenbleiben ist bei den Menschen sehr beliebt, eine weit verbreitete Art, sein Leben zuzubringen. Man macht sich ein Bild, von sich selbst, vom Leben und von den anderen und hängt es auf, hängt sich selbst hinein. Da hängt das Bild dann, da hängt man. Und hängt und hängt. Und staubt ein. Ich kenne auch Leute, die trocken sind und dennoch auch hängen. Die haben aufgehört zu trinken, entwickeln sich aber sonst nicht weiter, bleiben lieber starr (und stur). Die haben die Pulle aus ihrem Bild ausradiert, das ist alles. Und noch nicht mal das haben sie, denn sie reden noch nach zwanzig Jahren davon, wie das war 75 als sie tranken. Pulle ausgekippt, vergoldet und auf einen Sockel gestellt. Die Selbsthilfegruppen der Anonymen Alkoholiker sind voll von solchen Leuten. Immer schön weiterschimpfen auf’s Außen (auf die „hochgradig bekloppten Arschlöcher“) und bloß nicht bei sich selbst nachsehen. Schlimm, ja verlogen, finde ich das bei den AAs weil sie so edle Grundsätze haben, die bei jedem Meeting vorgelesen werden, aber sie setzen sie nicht wirklich um, sondern reden nur Stund‘ um Stund‘ darüber. Vielleicht ist das, weil manche das Trockensein doch erkämpft haben und dann einfach weiterkämpfen und sich nicht fallen lassen, in ihr Selbst, in ihr Leben, ins Vertrauen, weil sie nicht loslassen, sondern sich weiterhin an etwas festhalten, an den äußerlichen Rahmen. - Aber: Das habe ich bei den AA auch erstmal gelernt: reden (und Zuhören). Das traute ich mich nämlich vorher oft nicht, ohne rot zu werden und Druck auf den Ohren. Und dafür bin ich ihnen auch dankbar. Trocken wurde ich auch mit ihrer Hilfe, nach dem ersten Abend, an dem ich eines ihrer Meetings besucht hatte. Dafür bin ich wirklich aus ganzem Herzen zutiefst dankbar!!!!! Aber irgendwann musste ich die Meetings verlassen, das war nichts mehr für mich. Ich kam mir vor wie in der Muppet-Show: Ich zeige meine Integrität auf der Bühne und da sitzen ein paar alte Lästerer im Balkon, die wissen alles besser, sind über alles erhaben, sind zynisch, selbstgefällig und ironisch, machen sich lustig und lassen nichts an sich heran. Sie verharren hartnäckig in ihren alten Mustern und wollen sich nicht ändern, predigen Toleranz, haben aber für all ihre Probleme einen Sündenbock zur Hand. Als ich sagte, dass ich nicht mehr komme und meine Gründe nannte, wurde mir gesagt, dass das im Grunde niemanden interessiere und ich könne doch einfach weg bleiben. Was ich dann auch tat. …-…-…Als mein Drogen-Selbstversuch also so erbärmlich gescheitert war, verließ ich die Party und machte mich auf den Heimweg. Seit 10 Jahren wieder bedröhnt Auto gefahren. Ich meine fast, mir sei auf der ganzen Heimfahrt kein Mensch begegnet. Aber ungefähr in der Mitte der Strecke lag ein toter Dachs auf der Straße. Am nächsten Morgen, das „Zeug“ hing mir noch in Körper und Gemüt, schlug ich in meinem Kraft-Tiere-Buch nach, welche Kräfte der Dachs vertritt (13). Es ist die Angriffslust. Und ich hätte ruhig mal um mich schnappen können auf dieser Party und nicht immer nur lächeln und still sein und dann verschwinden. Und: Früher war das auch so! Damals, vor bald zwanzig Jahren. Mein alter Freund und seinesgleichen hatten sich eine ganze Weile bei mir im Haus einquartiert. Und, bei allem, was noch war, war es auch einfach so: Sie lebten auf meine Kosten, mietfrei, ich kaufte das Essen, bezahlte die Rechnungen. Und ich war voll dazwischen, zwischen dieser Wirsind-gegen- die-Gesellschaft-Scene und meinen Eltern, die ja nun kaum überzeugender „die Gesellschaft“ hätten darstellen können. Und denen das Haus gehörte. Ich wäre damals beinahe rausgeflogen, mitsamt meinen „Freunden“. – Ich 76 glaube, ich komme gerade an eine sehr reale Quelle meiner Wut auf und Enttäuschung durch Männer und angebliche Freunde. Mein armer innerer Dachs! Ich bin ins Auto gerannt. Der See, an dem wir uns manchmal zufällig im Sommer trafen, ist mittlerweile Naturschutzgebiet und eingezäunt. Man kann sich dort nicht mehr ans Ufer legen. Ich bin froh, dass ich bei meinem Selbstversuch gekifft und nicht mein Suchtmittel Alkohol angewandt habe. So bin ich dann doch so weit bei mir geblieben bzw. bald wieder „zu mir gekommen“, um die Lektion dieses Abends, die meine zerrupften Weggenossen mir bescherten, aufzunehmen: keine Rauschmittel konsumieren! Mich abgrenzen. Vergangenes vergangen sein lassen. Meinen Weg in Zuversicht gehen. Früher waren wir also Hippies und Punks. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren wir meinen Großeltern, Eltern und Angehörigen ihrer Generationen zumindest nicht ganz geheuer. Vielleicht gab es welche, die Angst vor uns hatten oder vor unserem vermeintlichen Potential. „Wo soll das noch hinführen?!“ Anarchie. Chaos. Und jetzt habe ich Angst vor dem vermeintlichen Rapper- und dunkle-gepiercte-LeutePotential. Dabei sind die vielleicht auch in erster Linie einfach auf Protest, erstmal des Protestes wegen, und auf der Suche nach einem ihrer Meinung nach besseren Sinn. Erst mal bisschen schocken. Auch um das „Establishment“ aufzurütteln. Um es dazu zu bewegen, seinen Kreis zu verlassen, seinen starren Rahmen. … - Ist doch an sich nichts Schlechtes. Hm. So gesehen. … - Das kenne ich doch. – Was habe ich gerade ein paar Zeilen weiter oben über die „Muppet-Show“ geschrieben? … - Nur meine ich, ist das bei den Rappern und den Dunklen mit so viel Gewalt und Verachtung verbunden. … - Aber … - dachten das meine Eltern und Großeltern von uns vielleicht auch? Von mir? Ich, als die Jüngere, hatte die Rolle der Rebellin inne. Meine Schwester, als die Ältere von uns beiden Geschwistern, war angepasster und hat den Erwartungen meiner Eltern mehr entsprochen. Jetzt ist sie im Ortsbeirat und CDUMitglied. Ich bin zwar ganz und gar keine CDU-Wählerin, aber ich finde es gut, dass sie sich engagiert und mitredet; und wenn sie manchmal Interna ihrer politischen Treffen erzählt, dann finde ich es sogar gut, was die in ihrer Partei machen. Diese Rollen sind bei uns beiden also typisch verteilt: sie, die Erstgeborene, traditionsbewusst und ehrgeizig, und ich, die Zweite, falle aus dem Rahmen und rebelliere gegen den Status Quo. Ja, das stimmt, das habe ich gemacht, innerlich durch meine Einstellung und meine Sicht der Dinge und äußerlich mit Klamotten und 77 hennagefärbten Haaren. Dennoch wollte ich immer ein liebes Mädchen sein, geliebt und verstanden werden, so, wie ich bin. Dani hat das auf ihre Art versucht und ich auf meine, jede in ihrer Wahrhaftigkeit, jede hat versucht, die Werte zu leben, an die sie glaubt, ganz aufrichtig - und wollte dafür geliebt werden. Bitte Mama, bitte Papa, hab‘ mich doch lieb. So wie ich bin. Ich gebe doch mein Bestes. – Aber sie haben es uns nicht gegeben. Es ist nie über ihre Lippen gekommen. Körperlich, mit Zärtlichkeiten, sind wir auch sehr kurz gehalten worden. Nicht nur kurz. Es gab kaum Berührungen. Dennoch glaube ich, dass unsere Eltern uns lieben. Und ich glaube auch, dass sie stolz auf uns sind, stolz wie Oskar, auf jede in ihrer ihr eigenen Art. Ich glaube, die meinen, jemandem etwas vorenthalten, spornt ihn zu noch Besserem an. Aber das ist Scheiße. Liebe und Bestätigung holt das Allerbeste im Menschen hervor. Ich fiel also aus dem familiären und gesellschaftlichen Rahmen. Und ich suchte Halt. – Und ich habe Halt in mir selbst gefunden, in meinem Vertrauen in alles, was das Leben hat. Ich habe grenzenloses Gottvertrauen und ich weiß, dass wir alle gehalten sind. Nur so, meine ich, kann man wirklichen Halt finden: sich fallen lassen, sich aus den äußerlichen Rahmen stürzen, ins Ungewisse, in sich selbst hinein, um sich von den großen, gesegneten Händen des eigenen Vertrauens auffangen zu lassen, des eigenen inneren Wissens darum, dass alles gut ist. … - … - … - Irgendwie komme ich immer wieder zum Gleichen. – Warum schreibe ich eigentlich? – Vielleicht genau deswegen: um immer wieder dahin zu kommen. Schreiben ist mein Werkzeug. Das Werkzeug meiner Weisheit. Eines der Werkzeuge meiner Weisheit. Tanzen z.B. ist ein anderes. – Vielleicht sind unsere Eltern deshalb so, wie sie sind: damit wir uns selbst finden. Und das mit der Gewalt? Mit den Aggressionen? Piercen ist meines Empfindens eine Form der Selbstverstümmelung. Eine legalisierte, mit der Geld verdient wird. Ein Borderline-Symptom, das zur Mode gemacht wird. Für mich hat Piercen eine ähnliche Energie, wie wenn Leute sich ritzen, in die Arme schneiden und solche Sachen. So geht die Gewalt doch sehr gegen einen selbst. Man tut sich selbst weh. … - Ich habe auch lieber mir selbst weh getan anstatt anderen. Mir weh tun lassen, anstatt zurückzubeißen. Meinen inneren Dachs überfahren lassen. … - Ach je! …- Vielleicht ist die Essenz einfach: Anstatt Angst zu empfinden, kann ich auch ins Mitgefühl gehen, denn ich habe die Zusammenhänge für mich erkannt, oder einfach erstmal ins Anschauen und sein-lassen, in die Akzeptanz. Ist es so einfach? Im Fitness-Studio ist seit einiger Zeit ein Pärchen, ungefähr in meinem Alter, ein paar Jahre jünger vielleicht, die sind beide reichlich tätowiert und gepierct. Wir saßen neulich zusammen in der Sauna. Die beiden unterhielten sich und so, wie sie redeten, hätten sich auch meine Nachbarn von gegenüber sein können (1-a- 78 Establishment). Als ich mich duschte, kam der Mann und wollte unter den Kaltwassereimer. Wir sahen uns an, weil ich direkt daneben stand, und er sagte zu mir: „Hau ab.“ Das erzählte ich zuhause Dirk, auch von den vielen Piercings der beiden, und der fragte mich: „Hat er auch einen Prinz Albert?“ Diese Bezeichnung hatte ich noch nie gehört, aber ich bin „ja nicht blöd“ (nur manchmal bekloppt) und sagte: „Wenn ein Prinz Albert ein Piercing vorne am Penis ist, ja, so eins hat er“ und dass ich mich fragen würde, wo das Ding hängt, wenn der Penis erigiert, und ob das da nicht weh tut, und an den Brustwarzen und wo überall. Dirk sagte, das Piercing hänge dann vorne an der Spitze und das mit dem „hau ab“ habe der nicht böse gemeint. „Ja“, sagte ich, „das war für ihn Klarheit, klare Kommunikation.“ Das ist jetzt wirklich so einfach. Vielleicht muss man die Leute auch einfach so nehmen, wie sie sind. Und sich keine Angst machen lassen. Jeder, der mir Angst einflössen könnte, sucht noch was. Sich selbst. Davor muss ich keine Angst haben. Oma Meine Oma hat sich verabschiedet. Noch nicht ganz, nicht körperlich, mit dem Körper ist sie noch anwesend, aber sie ist nicht mehr ganz da. Sie ist nicht mehr die, die sie war. Als ich sie das letze Mal besuchte, sagte sie: „Ich bin ja gar nicht mehr ganz hier.“ Sie ist körperlich zusammengefallen, elend geworden, und geistig … ja, was ist mit ihr passiert? Geistig ist sie auch elend geworden. Sie weiß nicht mehr, wer sie ist. Sie weiß nichts mit sich anzufangen, ist ruhelos, will nirgends bleiben, schon gar nicht alleine. Zum einen merkt sie, was mit ihr ist, ihr Elend. Und zum Anderen weiß sie es nicht, weiß nichts mehr, weiß sich nicht zu helfen. Sie kennt sich selbst und die Leute nicht mehr. Sie beschimpft ihre Kinder und schlägt sogar manchmal nach ihnen, wenn meine Mutter sie waschen will z.B. oder sie sagt zu ihrem Sohn, meinem Onkel, er sei ein „Ochs‘“. Das kennt man nicht von meiner Oma! Sie war immer so sanft und duldsam. Sie nahm sich zurück wegen der Anderen. Und die Anderen, mein Onkel und sein Sohn, mein Cousin, haben sich gern auf Omas Kosten amüsiert. Die haben sie oft veräppelt. Das ist mir immer wieder aufgefallen, wenn ich dort war, und ich sprach es auch mal an - da wurde auch wieder ein Scherz drüber gemacht. Ich sagte Oma, sie solle sich das nicht gefallen lassen. … Da hat ihr die Richtige einen guten Rat gegeben … der war mal wieder bestens für mich selbst geeignet! 79 Oma hatte Angst davor, dass genau das passieren könnte. Sie sagte manchmal: „Wenn ich einmal nur nicht den anderen zur Last falle im Alter!“ Aber so ist es jetzt gekommen. – Mir fällt gerade ein: Eine Nachbarin meiner Eltern äußerte manchmal den Wunsch, wenn sie sterben würde, dann wolle sie nicht alleine sein und es solle schnell gehen. Und so ist es gekommen. Ihr Enkel und ihre Schwiegertochter brachten sie abends zu Bett und dabei ist sie gestorben. Es ging schnell und sie war nicht allein, ihre Lieben waren bei ihr. – Meine Oma ist jetzt die volle Herausforderung für ihr familiäres Umfeld. Es war schon seit längerem so, dass sie manche Leute nicht mehr kannte. Aber ich fand das nicht so schlimm. Dass sie so ruhelos und ganz verwirrt wurde, geschah schlagartig, innerhalb von zwei/drei Wochen. Als ich sie das erste Mal in diesem Zustand sah, sah ich es ihr auf den ersten Blick an. Sie sieht jetzt ganz anders aus. Ich glaube wirklich, ein Teil von ihr ist schon gegangen. Sie tat mir so leid, als ich bei ihr war. Ich hatte Michel dabei. Der beäugte sie auch dauernd ganz aufmerksam, der merkte auch, dass mit Oma etwas geschehen war, dass sie anders war, nicht mehr die Oma vom letzten Mal, als wir uns gesehen hatten. Auf der Heimfahrt von diesem Besuch war ich traurig und ich wollte darum bitten, dass Oma bald sterben darf/kann. Weil es so elend ist, für sie selbst auch. Als ich den Wunsch innerlich formulierte, kam mir der Gedanke: „Warum soll ich das wünschen? Habe ich den Überblick, warum was wie ist? Ich kann es doch auch einfach so sein lassen, loslassen, vertrauen. Vielleicht ist es auch ein bisschen so: Jetzt, wo Oma keine Kontrolle mehr hat, kommt all das raus, was sie sich nie zugestanden hat, sich vielleicht nicht hätte träumen können, so zu sein. Jetzt kriegen die anderen bisschen was von dem zurück, was sie ihr gegenüber immer ausgeteilt haben und was Oma stets geschluckt hat. Also: Lass‘ sie einfach. Es ist okay, wie es ist.“ Und ich finde, das ist es auch. Wer weiß, welche Geschenke Oma mit ihrem So-sein für ihr enges familiäres Umfeld noch bereithält? Vielleicht kommen sie darauf, nicht mehr so viel zu arbeiten, sondern sich auf was anderes zu besinnen. Vielleicht zwingt Oma sie zur Kapitulation und beschert ihnen somit den Durchbruch in die Freiheit. Wer weiß. Das mit der Suche Ich habe Post bekommen von einem Psychosynthese-Institut am Bodensee. Ich hatte dort vor einigen Jahren wegen einer psychologischen Ausbildung angefragt, die ich eventuell machen wollte und seitdem schicken sie mir ihre aktuellen Kursangebote zu. Dieses Mal wird u.a. ein Seminar mit dem Titel „Sucht sucht Sinn“ angeboten und ich habe überlegt, ob ich das mitmachen will. Drei Tage für mich, wegfahren, ins Allgäu, 80 an den Bodensee, wieder mal ein bisschen psychologische Selbsterfahrung. Zum Einen hätte ich dazu Lust. Zum Anderen geht mir z.Zt. anderes durch den Sinn. Das hat mit Suche zu tun. Was sollte ich denn suchen? Warum soll ich weiter suchen?! Gebe ich damit nicht weiter meine Macht ab? Meine Befugnis, meine SelbstVerantwortung, meinen Frieden und erwarte etwas von anderen, Antworten, von außen. Von Uta kamen per E-Mail die Tarot-Termine für den September. Das Thema dieses Mal ist „Heilung - was in mir braucht Heilung?“ Es kostet jetzt 25,- €. Mit der Euro-Umstellung kostete ein Tarot-Abend 23,- € (früher 40,- DM), dann ein paar Monate lang 24,- und jetzt 25,- €. Ich finde das teuer. 23,- € war okay, aber 25,- € finde ich jetzt zu teuer. Schade. Und: Es tut mir echt immer voll gut bei Uta! Aber: Gebe ich da nicht auch irgendwie meine Selbst-Befugnis ab? Durch die Regelmäßigkeit, durch das jeden-Monat-hinfahren. Hat Uta mit allem recht, für mich, was sie sagt? Und geht es nicht auch um den Verkauf von Produkten? Okay, das ist ihr Job. Sie verdient ihr Geld damit. Aber ich muss ihr ja nicht alles abkaufen. – Bin ich jetzt gerade im Widerstand gegen die Fülle? Es geht aber auch um … um Sucht? „Sucht sucht Sinn“? Ich hatte in den letzten Monaten bei den Tarotsitzungen oft das Gefühl von Bestätigung, Bestätigung dessen, wo ich bin, bzw. dass ich genau richtig bin, wo ich bin, wie ich bin. Als ich das Thema „Heilung“ las, hatte ich das Empfinden: Nichts in mir braucht Heilung. Ich bin heil. Bei mir geht es jetzt „nur“ darum, alles, was sich zeigt, an Gefühlen, Erfahrungen und Gegebenheiten, anzunehmen, damit umzugehen ohne es zu bewerten. Nicht, das Eine haben wollen und das Andere nicht. Und es geht darum, dass ich mal damit aufhören will, etwas von anderen haben zu wollen. Man kriegt es doch eh nicht von den anderen! Die Essenz, das, was wirklich zählt. Oder? Manchmal doch. Und: Von Uta, bei Uta, habe ich immer sehr viel bekommen. Das muss ich einfach sagen, weil’s so ist. Eigentlich ist das mit Geld gar nicht zu bezahlen. Und ich bin für alles sehr dankbar und froh. Dennoch regt sich in mir ein Widerstand, angeregt durch diese 25,- €. Ich will endlich bei mir bleiben und die Verantwortung für das eigene Befinden nicht ans Außen abgeben, irgendwie so. Ich meine hier nicht, dass ich nicht andere um etwas bitten kann, z.B. meine Mutter fragen, ob sie Michel nimmt, wenn ich was ohne ihn machen will, oder Dirk fragen, ob er Michel füttert oder mich mal in den Arm nimmt. Ich meine die eigene Verantwortung für mein eigenes Sein. Mal nur meine ureigenen Antworten hören und nicht die anderer. Wenn Uta jetzt so viel Geld verlangt für ihr Mir-gut-tun, dann tut mir das im Moment gerade nicht gut. Dann fahre ich da diesen Monat nicht hin. Und löse mich damit vielleicht von einer Art Abhängigkeit. – Ist das jetzt Trotz oder Reinheit? Ist auch schnurz, es ist mein Prozess gerade. Oder Walli und das Familienstellen: Ich war sehr oft bei Walli zum Familienstellen. Sei bietet das jeden Monat an einem Samstagnachmittag an und ich war über Jahre mehr oder weniger regelmäßig dort. Ich bin davon überzeugt, dass wir dort viel erlöst haben und auch für mich und meine Prozesse war die Aufstellungsarbeit sehr dienlich und hilfreich. Aber … wie soll ich das sagen? Und 81 wie ist es wirklich?! Irgendwie ist es wie mit dem Alkohol: Irgendwann wirkt die Droge nicht mehr. Weil man was ans Außen abgibt und darin Befriedigung sucht. Weil man es wiederholt und wiederholt, aber irgendwann reicht es. Dann ist es eher zuviel. Da wirkt es nicht mehr oder schlägt ins Gegenteil um, bzw. gibt es keine Befriedigung, keine Erlösung mehr, sondern dann verwirrt es und man verheddert sich darin. – Ich verheddere mich hier auch gerade irgendwie. Das Korrektursystem des Schreibprogrammes funktioniert heute nicht. Die automatische Silbentrennung auch nicht. Was hat das zu bedeuten? Dass ich aufhören soll zu schreiben? Lieber was anderes machen? Rausgehen, Inlinerlaufen? Oder ist das die Bestätigung, mich nicht auf’s Außen zu verlassen? Wobei das Außen, diesmal in Gestalt meines PC, wieder mal in drolliger Weise illustriert, was in mir selbst abgeht. Ich bin wütend. Enttäuscht. Weil mir das Außen - Uta mit ihrer Preiserhöhung, Dirk, der keinen Sonntagsausflug mit uns machen will - mir nicht gibt, was ich will. Damit werfen sie mich wieder auf mich selbst zurück. Wo ich wahrscheinlich auch am besten aufgehoben bin. Und wo die Ursache von allem ist. Ich habe mich verheddert. Ich wollte eigentlich schreiben: Das mit dem Alkohol … aber das kriege ich jetzt glaube ich auch nicht hin. Und das mit den Paradoxen. Aber da weiß ich überhaupt nicht, wie ich das klarkriegen soll. Bevor ich den PC ausmache, doch das noch: Ich war alkoholsüchtig. Das stimmt. Abhängig. Alkohol zu trinken hat mein Leben bestimmt. Aber gilt das immer noch? Jetzt? Wie ist das mit dem Alkohol? Es ist mir zu gefährlich, es auszuprobieren, weil ich, wie gesagt, nicht wieder dahin will, wo ich durch den Suff war. Ich glaube aber auch, dass ich mir da ein ziemliches Gedankenkonstrukt aufgebaut habe. Ich meine, so wäre es, aber vielleicht ist es gar nicht so. Vielleicht habe ich das nicht mehr, die Sucht. Und vielleicht wäre ich freier, wenn ich es einmal ausprobieren würde, dann wüsste ich es. Ich weiß aber nicht, ob ich das einfach ausprobieren kann, ohne dass es ein „Spielchen“ ist. Außerdem geht es bei der Aufrechterhaltung meines Ich-bin-süchtig mitunter auch um Etwas-von-anderen-haben-wollen. Wenn ich die Sucht nicht einfach bei mir behalte, sondern sie anderen gegenüber zum Einsatz bringe, ist es schon Scheiße. Mit Dirk z.B., wenn der Bier trinkt. Aber wie ist das mit den Beziehungen? Warum lebt man dann überhaupt zusammen? Ich brauche eine Pause. Computer aus. 82 Mittwochabend Anfang September Dieses letzte Kapitel erschien mir völlig chaotisch und ich wollte es löschen. Aber ich lasse es. Es drückt aus, was gerade „abgeht“. In mir. Außerdem geht noch was ab: Was ist das? Ist das die Kernfrage, die da in mir hochkommt? Kann ich mir die Geschichten mit dem Alkohol und mit Dirk alle sparen? Heute Nacht in meinen Träumen oder während des Einschlafens oder schon gestern in meinem Tagesbewusstsein, ich weiß nicht wann, kam Folgendes: meine Mutter, meine Mutter „verrät“ mich. Mir kamen innere Bilder von Erwachsenen, die (ihre) Kinder maßregeln, ihnen eins überbügeln, wobei die Seele des Kindes verknittert, Schaden nimmt. Manche Kinder vertragen vielleicht einiges, bevor sie ernsthaft Schaden nehmen, bei anderen geht es ganz schnell, da braucht es nicht viel. Und im Grunde hat das jeder abgekriegt, glaube ich. Auch heutzutage läuft es trotz aller Aufklärung und Entwicklung oft noch so zwischen Eltern und Kindern, so ungerecht. Ich sah heute mehrfach Leute, die ihre Kinder schlecht behandelten, unachtsam, gemein, ungerecht. Und, wie ich annehme, das noch nicht einmal unbedingt in böser Absicht, sondern weil sie es (noch) nicht anders können. Weil sie es selbst nicht anders erfahren haben, und solche Sachen hängen tief. Man muss sich dessen erstmal bewusst werden, seiner Verhaltensweisen bewusst werden. Und dann braucht es annehmbare Alternativen. Dann muss man sich das Neue trauen, es ausprobieren, anwenden, machen. Dann braucht es Wiederholung und Übung. Ich sehe es ja an mir: Ich könnte doch z.B. einfach froh, dankbar und glücklich Dirk glauben, wenn er sagt, dass er mich sexy findet. Ich könnte das für mich annehmen, mich selbst sexy finden und aufhören, zu vergleichen. Aber es braucht Wiederholung und wieder und wieder … aber ich glaube, so langsam weiche ich auf und werde empfänglich für diese seine Botschaft. Ich weiß nicht, woher oder warum das mit meiner Mutter auf einmal in mir hoch kam, es bestand kein aktueller Anlass. Die gemeinen Großen im Außen sah ich erst, nachdem diese Gedanken in mir aufgetaucht waren. Ich dachte: Man muss ein Kind einfach nur bloßstellen und schlecht behandeln, ungerecht, dann geht es kaputt. Bei mir hast Du das nur einmal machen brauchen, das hat gereicht. – Wie kam ich nur darauf?! – Jedenfalls war es da. Ich litt als Kind – nein, ist das das richtige Wort? – ich konnte es nicht fassen, aber es war so, dass Erwachsene edle Grundsätze in den Raum stellten, die ich sowieso für selbstverständlich hielt, und sich dann selbst nicht daran hielten, z.B.: „Was man verspricht muss man auch halten.“ Einmal hatte ich versprochen bekommen, dass ich bei meiner Großtante bleiben durfte und durfte dann doch nicht. Aus nicht vorhandenem Grund, aus Willkür. Darüber war ich total traurig und verzweifelt. Ich konnte das nicht 83 begreifen. Welches Wort gab es für dieses Verhalten der Großen? Unaufrichtigkeit, Vertrauensbruch, Gleichgültigkeit. Ich konnte es nicht fassen. Und keiner sorgte für Ordnung, für Einhaltung der menschlichen Werte. Dabei waren verschiedene Erwachsene anwesend. Das konnte ich nie begreifen, dass keiner eingriff und half, wenn Unrecht geschah. Es hätte doch nur ein klares Wort gebraucht. Das ist das Eine, was war, in meiner Familie. (Von fehlender Körperlichkeit und Wärme rede ich jetzt gar nicht.) Das andere ist eine Geschichte. Nachdem dieses Thema in mir aufgetaucht ist, lese ich im Internet den aktuellen Newsletter für den Monat September von Chuck Spezzano (14). Er schreibt darin u.a. von einer Kerngeschichte, die es im Leben eines Jeden gäbe. Unsere persönliche Geschichte der Verletzung, des Verrats, des Verlassenwordenseins. Er schreibt, dass wir, unser Ego, diese Geschichte dazu hernehmen, um unseren Rückzug zu rechtfertigen, unseren Trotz dem Leben und anderen Menschen gegenüber. Ich zitiere: „Wir alle erzählen diese Geschichten, wie meistens unsere Eltern uns als Kind verkannt haben und uns ungeschützt bestraften. Eine dieser Geschichten wurde dann zur Kerngeschichte, die uns letztendlich in die abgeschnittene Unabhängigkeit des Egos geführt und unseren bewussten Geist gespalten hat. Aus diesem Grund stehen wir heutzutage der Liebe und dem Erfolg sehr zwiespältig gegenüber. Ein Teil möchte sich der Liebe und dem Erfolg öffnen, was zur Folge hätte, dass einige Aspekte des Egos (zum Beispiel die Unabhängigkeit) sich zu völlig neuen Ausmaßen der Verbundenheit umwandeln würden. Ein anderer Teil beharrt jedoch auf der unveränderbaren Rolle von Opfer – Aufopferung – Rebell, die sich aus dem ursprünglich erlebten Trauma heraus aufgebaut hat. Einigen unerschrockenen Seelen wird es in diesem Monat gelingen die Kerngeschichte zu erkennen und sie gegen die Liebe und Fülle des Himmels einzutauschen. Die Heilung der Kerngeschichte unseres Lebens erneuert unsere Verbindung zum Himmel und öffnet den Zugang zur Gnade und zu Wundern in großem Maße. In dem Moment, in dem wir uns einst von unseren Eltern lossagten, haben wir auch das Gefühl für den Himmel verloren. Seitdem stecken wir in einem immensen Wutanfall, beschuldigen unterbewusst sowohl unsere Eltern als auch den Himmel für das Elend in unserem Leben und rechtfertigen damit unsere Unabhängigkeit und Rechthaberei.“ (aus: Chuck Spezzano: September 2008 Nightlight Newsletter) 84 Dies ist meine Kerngeschichte: Wir hatten einen Bauernhof. Zu den Arbeiten gehörte, dass im Frühling die Rübenfelder durchgehackt wurden. Wir fuhren dann immer mit der ganzen Familie, außer meinem Vater, der meistens noch mit dem Milchauto, das er fuhr, unterwegs war, den ganzen Nachmittag über auf’s Feld. In einem Jahr waren die Rüben auf einem Acker, der neben einem von Bäumen umgebenen Teich liegt. Während der Kaffeepause ging ich mit meiner Mutter an diesen Teich. – Dass wir überhaupt dort hin gingen wundert mich jetzt. Und nur sie und ich? Sowas machten wir normalerweise nicht. Sie machte nichts mit mir. – Auf dem Teich schwamm ein Schwan. Dieser Schwan kam, während wir dort am Ufer standen, aus dem Wasser. Er begann, einen langen Hals zu machen und zu fauchen und kam auf mich zugerannt. Ich lief weg, fiel hin, rappelte mich wieder hoch und lief weiter. Ich hatte Angst vor dem Schwan. Todesangst. Meine Mutter lachte. Das erschütterte mich schon genug. Und begreifen konnte ich es auch nicht. Wir gingen zurück zu den anderen. Denen erzählte meine Mutter die Geschichte und lachte wieder und die anderen lachten mit. – Und das sind dann die Menschen, denen ein kleines Kind auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. … - … - Oder? … - Perfekt inszeniert? Ein „raffiniert ausgetüftelter Schabernack“ meiner eigenen Seele? Abgesprochen mit allen Beteiligten bevor wir inkarnierten? Damit ich mich in meine Unabhängigkeit verschanzen kann? Hier könntet Ihr wieder den Vorhang zur Seite ziehen für das „Buch im Buch“, Kapitel „Mama“. …-…-…Dieser Tage parkt auch wieder mein Nachbar ständig vor unserem Grundstück. Das triggert mich. Da kocht was in mir hoch: Bedrohung meiner Unabhängigkeit? Mich ärgert das, dass er nicht vor seinem Haus parkt, wo genug Platz ist. Ich fühle mich provoziert. Aber: Kann ich ihm sagen, dass er das nicht tun soll? Mit welcher Begründung? Weil es mich ärgert? – Er hat mich jahrelang mit Techno terrorisiert, das war schlimm, weil’s so laut war, dass mein Herz einen aufgezwungenen Takt annahm. Irgendwann traute ich mich, dagegen anzugehen und jetzt ist er auch ruhig(er). (Viel!) - Aber wenn ich ihn nur in seinem Auto vorfahren höre, dann regt sich dieses Angst-vor-Unterdrückung-und-ich-muss-mich-gegen-ihn-behaupten- Muster schon in mir. Und im Grunde möchte ich ihm sagen, er soll nicht vor meinem Haus parken und am besten gleich ganz aus meinem Leben verschwinden. Er ist aber mit Sicherheit einer von denen, der, da wo Schröder jetzt ist, auch dort stehen wird, wenn ich ankomme und wir werden uns lachend in die Arme fallen, weil wir für ein paar Jahre so ein dickes Ding im Leben zusammen hatten. Ich vermute, wir sind im Grunde gute Freunde. Der hält sehr hartnäckig eine Lektion für mich bereit. Und ich glaube, es handelt sich um eine grundlegende Lektion in Sachen Liebe, 85 letztendlich, und es geht um Akzeptanz und Freiheit. Wahre Freiheit, die man nur in der Anerkennung von allem was ist finden kann. Solange man gegen etwas ankämpft oder etwas hinterher läuft, ist man nicht frei. Mit dem Techno konnte ich aber auch nicht frei sein. Das war für mich Terror. Aber da war meine Lektion auch eine andere, nämlich: für mich einzustehen und Grenzen zu setzen. Annehmen, was ist, bedeutet nicht unbedingt, immer alles so sein zu lassen, es bedeutet, anzunehmen, was das Leben bringt. Dazu gehören auch Herausforderungen und gelegentlich Handlungsbedarf. Sollte ich es einfach annehmen, dass er vor unserem Garten parkt? Denken: „Okay, da parkt er eben.“ Erstmal nur das. Nur das. Ohne mich zu ärgern. Ohne zu versuchen, ihn zu lieben, als Mensch. Nur annehmen, dass er da parkt. Das akzeptieren. – Das übe ich mal. – Oder meinen Ärger akzeptieren. Einfach meinen Ärger akzeptieren. Wenn ich mich freue, akzeptiere ich das ja auch ohne Mühe. Dann akzeptiere ich eben auch mal einfach meinen Ärger. Ohne mich zu sehr damit zu identifizieren. Die Gefühle nicht bewerten. Ich sehe auch gerade in völliger Gelassenheit ganz klar, welche Spiele, besser gesagt Anstrengungen, welchen Hick-Hack mein Ego betreibt, z.B. in dieser Sache mit dem Alkohol. Meine Güte! Als ich Dirk am Anfang unserer Beziehung erklären wollte … was denn? Im Grunde: Er soll keinen Alkohol trinken. Denn wenn er Alkohol trinkt, bin ich ihm nicht wichtig, er versteht mich nicht und verarscht mich. Ja. Das meint mein Ego im Ernst. Dabei hat Dirk mit meinem Suff überhaupt nichts zu tun. Auch „Dingsbums“, der seine Party feierte und selbst noch drauf ist und mir Rotwein anbot, der hat auch nichts damit zu tun. Mein Ego will gepinselt werden. Nee, nee! Ich entscheide mich lieber für Heilung und Frieden! Und ihr dürft alle sein, wie ihr seid. Ich lasse diese alten Muster jetzt los und danke dem September für seine unterstützenden Energien! Und ich lasse mich auf die Verbundenheit in meinen Beziehungen ein: Mama, Familie, Freunde, Menschen, die mir begegnen, Dirk, Michel … danke, dass Ihr alle da seid! Es ist mir eine große Freude und eine Ehre, mit Euch zu leben. Ich fühle mich sehr wohl mit Euch, bei Euch, ich bin mit Euch verbunden und das fühlt sich behaglich an. Ich bin mit Euch verbunden und außerdem bin ich total frei! Frei und leicht. Das ist voll gut. 86 Alles passt perfekt zusammen – Lucy Lucy, meine schwarze Katze, ist gestorben. Das zweite Familienmitglied nach Schröder in kurzer Zeit. Lucy war für mich was ganz Besonderes. Ja, jeder ist besonders, in dem, wie er/sie ist, auch die Katzen, jede hat ihren eigenen Charakter, das ihr eigene, besondere Wesen. Aber mit Lucy … sie war so zauberhaft! Ich hab‘ sie so geliebt. Vielleicht war das auch so besonders, weil wir beide am längsten von allen hier im Haus zusammen leben, lebten. Lucys Mutter wurde mir gebracht, ein paar Monate nachdem ich hier eingezogen war, 1989. Sie war verletzt und die Frau, die sie brachte – ich kannte die gar nicht und habe sie auch seitdem nicht wiedergesehen, sie hat wohl nur kurz irgendwo hier gewohnt – hatte sie bei sich im Keller gefunden, wollte oder konnte sie nicht behalten und fragte mich, ob die Katze mir gehöre, weil ich doch Katzen habe. Sie gehörte mir nicht, aber weil auch kein anderer Besitzer auszumachen war, behielt ich sie. Ich nannte sie Pepsi. Die Tierärztin, bei der wir wegen ihrer Verletzung am Bein waren, stellte mich vor die Entscheidung: Bein ab oder nicht und, wegen des komplizierten Bruches: Nichtwieder-von-der Narkose-aufwachen-lassen oder doch. Pepsi blieb natürlich am Leben und das Bein dran. Ach ja – und dann war noch die Frage zu klären: Sollen wir sie kastrieren und dabei abtreiben, denn sie ist schwanger. – Keine Abtreibung. (Sterilisation nach der Niederkunft.) – Pepsi gebar fünf Katzenkinder, hier, bei mir zuhause. Ich war bei der Geburt dabei. Pepsi hatte einen Gehfehler beibehalten und hinkte, aber die Geburt hat sie prima hingekriegt. Manchmal hechelte sie während der Wehen, aber zwischendurch schnurrte sie auch immer. Sie zog die Kleinen, wenn sie herausgekommen waren, zu sich, leckte sie ab und knabberte die Nabelschnur durch. Später fraß sie die Nachgeburt auf. Das fünfte, ein kleines Graugetigertes, blieb nach seiner Geburt einfach an ihrem Hinterteil liegen, da waren Pepsis Kräfte wohl erschöpft. Ich nahm es nach einer Weile, zog es vorsichtig hervor und legte es Pepsi vor ihr Schnäuzchen. Da versorgte sie es auch noch und leckte es trocken. So war aus plus eins plus sechs geworden. Und Lucy ist nun die zweite Katze nach Wilma, die aufgrund ihres Alters gestorben ist und nicht überfahren wurde oder einfach verschwunden ist. Und sie hat ein hohes Alter erreicht. Ein Geschenk! Sie hatte ein gesegnetes Leben. Achtzehn Jahre an der Bundesstraße überlebt! Mit Lucy konnte man sich gut unterhalten, sie gab immer Antwort oder fing von sich aus ein Gespräch an. Und auch bei ihr habe ich die letzten Tage gesehen, dass es zuende geht und wir konnten in Ruhe Abschied nehmen. Sie ist schon seit einigen Tagen hier herumgeschlichen und ich habe jeden Morgen damit gerechnet, dass sie tot ist. Dirk und ich hatten beschlossen, sie in ihrem Rhythmus sterben zu lassen und nicht noch an ihr herumzudoktern. Heute Morgen fand sie eine Nachbarin beim Gassi-gehen auf der Straße, auf dem Feldweg, da konnte Lucy nicht mehr. Ihre Finderin verfrachtete sie in einen Katzenkorb und brachte sie zu uns. 87 Daraufhin, weil Lucy ihr Köpfchen nur noch hängen ließ und röchelte, sind wir dann doch zu unserer Tierärztin gefahren und ließen ihr eine Spritze geben. Jetzt liegt sie draußen in einem ihrer geliebten Kistchen – immer, wenn irgendwo ein Karton herumstand, und war er auch noch so klein, hat Lucy sich hineingelegt, auch in Eierkartons, und im Brotkorb lag sie auch einmal. Heute ist ein wunderschöner Spätsommertag, klare Luft und Sonnenschein. Der Morgen heute war besonders schön und rein. Extra für Lucy, zum Hinübergehen. (Eigentlich hat es diesen Monat bisher fast nur geregnet.) Ich habe Lucy mit ihrem Karton draußen im Garten unter einen Strauch gestellt. Da kann sie heute liegen bleiben. Heute Nacht hole ich sie ins Haus, in den Keller, und morgen beerdigen wir sie. Schröder haben wir auch eine Nacht liegen gelassen. Ich meine, man soll einen Körper nicht gleich begraben, er soll einen Tag liegen, damit die Seele genug Zeit hat, heraus zu kommen. Weiß ja nicht. Auf der Heimfahrt von der Tierärztin heute morgen sagte ich zu Dirk, wie himmlisch doch wieder alles getimt ist: Michel war heute Morgen früher wach als sonst. Wir wären sonst womöglich noch gar nicht auf gewesen, als die Gassi-Gängerin Lucy brachte. Dirk sagte, ihm sei das unangenehm, weil die Frau nun vielleicht dächte, wir würden uns nicht um unsere Tiere kümmern. Ich aber sehe das so: Dadurch, dass diese Frau Lucy fand und zu uns brachte, gab Lucy uns zu verstehen, dass sie tierärztliche Hilfe braucht/möchte beim Ablegen ihres Körpers. Hätte sie heute Morgen einfach in ihrem Körbchen gelegen, wären wir wahrscheinlich nicht zur Tierärztin gefahren. So einfach ist das. So einfach und schön. Irgendwie hat dieser Tag heute eine große Schönheit. So wie Lucy. Lucy hatte das auch, so eine natürliche Würde, Schönheit, Einfachheit … so entzückend war sie! Verspielt, noch in ihrem hohen Alter. E-Mail von heute: Hallo Ihr Lieben! Unsere Lucy hat auch ihr Erdenkleid abgelegt. Meine goldige, verspielte, drollige, anhängliche, herzensliebe Lucy! Auch sie ist in Frieden gestorben, an ihrem Alter, in harmonischer Fügung. Somit ist Lucy die zweite Katze nach Wilma, die wegen ihres Alters gestorben ist und nicht überfahren wurde, bei uns hier oben. Sie hatte schon seit ein paar Jahren keine Zähne mehr im Mäulchen und sie ist ziemlich alt geworden, hat aber immer noch gespielt, bis vor Kurzem. Lucy war ein kleines Schleckermaul und hat zwischendurch gerne etwas schnabuliert. Wegen ihr habe ich das mit dem Quark eingeführt, dass die Katzen zwischendurch mal einen Schlag Quark bekommen. Ja. Im Internet, bei www.esoterium.de, habe ich das gelesen: Während dieser Zeit, in der wir uns in das Neue bewegen, wählen es einige unserer tierischen Begleiter, die viel von unserer alten Energie verkörpern, uns zu verlassen. Auch wenn sie uns nicht in ihrer derzeitigen Form begleiten werden, sie haben 88 bereits Pläne über ihr Zurückkommen in anderen Situationen gemacht und sind sehr aufgeregt über ihre Rückkehr... ob sie nun zu uns zurückkehren oder zu unseren Lieben. Karen Bishop, Energy Alert vom 28. August 2008 Geschrieben am Sonntag, 31.August.2008 @ 23:54:06 CEST by Regina Ja, das glaube ich ja sowieso, dass wir uns alle wiedersehen. Weil wir uns so liebhaben, dass wir immer wieder zusammen sein wollen, und weil wir einfach zusammen gehören. Wir können nicht ohne einander. Im Angesicht des Todes Wenn du stirbst, dann nicht, weil du krank warst, sondern weil du gelebt hast. Seneca (um 4 v. – 65 n. Chr.), Rom Lucy hatte ein schönes Leben. Wir zusammen. War wunderschön. liche Grüße an Euch! Von Sonja. In der lichtergewordenen Wetteraustraße. We will meet again. Don‘t know where, don‘t know when. … some sunny day … Cauac Cauac ist wieder ordentlich am Pusten und die Dinge am aufwirbeln. In Haiti war ein schlimmer Wirbelsturm. Auch hier war es gestern sehr windig und ich fragte mich beim Spaziergang mit Michel, ob der Wind, der hier weht, etwas mit dem Sturm an der amerikanischen Küste zu tun hat, ein Ausläufer dessen ist. Ein Flugzeug ist auch wieder abgestürzt, diesmal in Russland und es gab 88 Tote. Dirk – ich weiß nicht, ob ich mit ihm zusammen leben soll, nein: will!, oder ob es besser wäre, sich zu trennen. Dabei – ich weiß es schon: Ich will mich nicht trennen. Aber so, wie es gerade am abgehen ist, will ich auch nicht mit ihm zusammen leben. „Ich will mich nicht trennen“ heißt aber: „Ich will mit ihm zusammen leben“. Ja, will ich auch. 89 Was geschieht hier? Innerlich bin ich ganz ruhig, in Zuversicht und Gelassenheit. Es war so: Wir hatten gestern einen solchen Krach, dass Dirk irgendwann seinen Ring auszog und sagte, es sei wohl besser, wenn jeder seiner Wege ginge und sein Ding mache, so was in der Art. Ich hatte einen Wutanfall, weil ich nachmittags ins Fitness-Studio wollte, das hatten wir abgesprochen, um 15.00 Uhr wollte ich in einen Rückenkurs gehen. Dirk war draußen am Basteln, er sägte an einem neuen Vogelhäuschen. – Hej! – Mein Korrekturprogramm geht wieder! – Ehrlich gesagt wartete ich darauf, dass er reinkommen und „übernehmen“ würde, Michel. Ehrlich gesagt, hatte ich den ganzen Tag über und auch schon ein paar Tage vorher Erwartungen, die er nicht erfüllt hat. Gestern z.B. erwartete ich, dass er gar nicht rausginge, sondern mir drin mit der Hausarbeit helfen würde, damit abends alles gemacht sei, gespült, staubgesaugt, Wäsche gewaschen und aufgehängt, Michel versorgt, geduscht, gefüttert, bespielt und wir es uns gemütlich machen könnten, zu dritt und später zu zweit. War doch schließlich Samstag! Aber ich hab’s nicht klar gesagt. Und er hatte wohl ganz andere Vorstellungen. Er war die ganze Woche zuhause. Und er war jeden Tag draußen am Arbeiten. Und das klappte auch gut. – Ich weiß auch nicht, aber irgendwann kippt das immer um. Zum Einen ist das mit den Erwartungen. Dass ich erwarte, dass er staubsaugt oder spült und dass er es nicht tut. Früher hat er das öfters gemacht, aber jetzt macht er es immer weniger, was ja bestimmt auch deshalb so ist, weil er jetzt arbeiten geht, und dann ist das auch okay so. Aber wenn er nicht arbeiten geht und zuhause ist, dann ... will ich auch was davon haben, letztendlich. Dann erwarte ich irgendwie, dass er spült oder Michel füttert, ihn windelt oder ins Bett bringt. Manchmal spreche ich es an, frage ihn, ob er dies oder jenes macht. Dann sagt er in der Regel „Ja“, verdreht dabei aber wirklich oder stimmlich die Augen. Da geht mir dann wieder der Hut hoch. Deshalb warte ich jetzt lieber ab, ob er vielleicht von sich aus etwas von dem macht, was anliegt. Aber da muss ich ja auch eine Weile warten, um zu sehen, was geschieht, und wenn nichts geschieht, das dann ansprechen, wenn es mir wichtig ist. Gestern habe ich also wieder gewartet, ob er kommt. Er kam nicht. Um 14.30 Uhr stellte ich Michels Mittagessen in den Wärmer, drehte den an, ging raus zu Dirk und fragte ihn, ob er in zehn Minuten reinkäme, dass ich dann fahren könnte und er Michel füttern. - Michel hatte vorher solange geschlafen, sonst hätte er um diese Zeit längst zu Mittag gegessen und ich hätte ihn rausbringen und in seinen Kinderwagen setzen können. – Ich bleibe jetzt bei diesem einen Beispiel – und das mit dem Alkohol erwähne ich noch - . Denn alles, was noch auf’s Tapet kam, ist mir zu mühselig und zu anstrengend zu erzählen, zu viel. Und ich glaube, dieses eine Beispiel illustriert gut, um was es geht, denn es ist im Grunde dauernd das Gleiche: Wahrheit, Wahrhaftigkeit und nicht geglaubt bekommen/Abwehr, ja: Verleumdungen. – Dirk antwortete auf meine Frage: „Sonst noch was?“ Das versetzte mir einen Stich und ich sagte: „Ja, du sollst lieb zu mir 90 sein.“ Ich weiß nicht, ob er darauf etwas sagte. Das nächste, was ich hörte war: „Wie oft warst Du dann diese Woche im Fitness-Studio?“ Da bin ich ausgerastet. Das ist es nämlich, womit ich nicht kann! Wenn er ein Problem damit hat, dass ich ins Fitness-Studio gehe, weil ihn die Eifersucht plagt z.B., was ich nachvollziehen kann, weil es mir seinerzeit mit Ralf selbst so ging, dann erwarte ich von ihm, dass er mit mir darüber redet, ernsthaft, und nicht auf solche ironischen Sticheleien ausweicht und Sprüche klopft, die nur dazu da sind, Kleinkrieg zu führen, aber nicht, um sich unter Liebenden zu verständigen. Außerdem war das Ganze vorher klar abgesprochen! Absatz, Pause. Das strengt mich an, das so in Worte zu kriegen. Ich fragte ihn, warum er das jetzt sage, für mich sei das klar abgesprochen gewesen. Und er mache doch auch die ganze Woche draußen sein Ding. – Das hätte ich wahrscheinlich nicht sagen sollen. Ich vermute, bei dem Satz hat er die Schotten dicht gemacht, da kam nichts mehr von mir durch und er hat sich hinter seinen Sprüchen verschanzt. – Ich sagte auch noch, dass er verdammt nochmal endlich damit aufhören soll, dass er mich ins Fitness-Studio gehen lassen soll, dass ich da so gerne hingehe, weil es mir Spaß macht und gut tut und dass ich das Gefühl habe, dabei gerade so schön abzunehmen und dass da keine, absolut keine Spielchen irgendwelcher Art laufen, von wegen Hei-tei-tei-ich-flirte-mit-dir. Ich hätte in dem Moment einfach meine Tasche nehmen und gehen können. Aber ich regte mich so auf und heulte – er hat auch noch etwas darauf geantwortet, ich weiß nicht mehr was, es schaukelte sich hoch – dass ich nicht mehr konnte. Es war dann schon kurz vor drei und ich war ganz außer mir. Irgendwann wurde ich aber wieder ganz ruhig. Erstaunlich ruhig. Das hat mich gewundert. Früher, als ich schwanger war z.B. und wir hatten solche Dispute, war ich stunden- und tagelang völlig verzweifelt, lag nächtelang, völlig verzweifelt und schlaflos im Bett. – Ja, was ist nun die Essenz dieses Beispiels? Mir geht es um Klarheit und Wahrheit und Praktikabilität, und ich meine auch, dass ich mich dauernd am Ausdehnen und am Anpassen an die Gegebenheiten bin. Ich handele aus meiner Integrität heraus, teile meine Wahrheit mit – und Dirk glaubt mir nicht. Er stellt stattdessen Behauptungen in den Raum, die überhaupt nicht meiner Wahrheit entsprechen und klopft Sprüche. Dabei habe ich noch den Eindruck, er steht sich selbst im Weg. Ich glaube nicht, dass er das mit der Trennung wirklich so meint oder gemeint hat. Er kommt mit Sprüchen und Phrasen, gegen die ich absolut machtlos bin. Da habe ich aufgegeben. Es hat keinen Sinn, seine eigene Wahrheit mitzuteilen und der andere sagt, nein, das stimmt nicht, es ist so und so. Deshalb dachte ich gestern: „Okay, vielleicht ist eine Trennung wirklich das Beste. Das muss ich mir nicht antun hier.“ Dirk lag im Gästebett und schnarchte. – Jetzt muss ich das mit dem Alkohol noch aufschreiben. – Herrje! Schon wieder so was Anstrengendes! – Wie anstrengend 91 das ist, solche Dispute in Worte zu fassen! – Ich fühle mich hintergangen. Dirk trinkt. Er hat jeden Tag, den er draußen gearbeitet hat, ganz gut was weggebechert. Ich weiß nicht, wie viel. Er sagt dazu auch nichts. Er hatte jeden Tag eine Fahne. Jeden Abend lag er auf dem Sofa und schnarchte. Wenn wir zusammen im Bett lagen, war der Geruch für mich unangenehm. Ich habe es angesprochen und er wich aus. Und gestern sagte er, das würde er jetzt an meiner Stelle auch sagen, das mit dem Alkohol, da hätte ich ja wieder was. Ja, da hatte ich wieder was, aber ich sprach es an, weil ich es hatte und nicht, um irgendwas vom Zaun zu brechen. Das ist mir ein ernsthaftes Anliegen. Für mich geht es da um Leben und Tod, um Leben und Tod unserer Beziehung, wenn Dirk trinkt. Ich habe ihm das an unserem ersten gemeinsamen Abend klipp und klar gesagt, und deshalb fühle ich mich auch hintergangen, unehrlich behandelt. Und das ist irgendwie das Paradox. Ich habe im Lexikon nachgeschlagen, wie dort „Paradox“ definiert wird, denn ich dachte, paradox sind zwei sich gegenseitig ausschließende Wahrheiten. Dort aber steht: „Paradoxon (…) scheinbar falsche Aussage, die aber bei genauerer Analyse auf eine höhere Wahrheit hinweist.“ (15) Dirk hat mit meinem Suff nichts zu tun. Wenn er aber ungewöhnlich viel trinkt, regelmäßig, jeden Tag, dann kann ich mit ihm nicht leben. - Als vor vier Jahren die Beziehung mit Ralf zuende war, hatte ich das gehäuft: Einsichten in höhere Wahrheiten durch Paradoxe. Mensch – was habe ich gelitten, an dieser Beziehung und ihren beiden Trennungen. Und jetzt, im Nachhinein, ist einfach alles gut. Es ist gut, dass wir auseinander sind. Wenn ich es einfach so hätte nehmen können, das Geschenk, das er für mich hatte, und fertig. Heute Nacht im Bett dachte ich: „Wenn das mit Dirk nun auch so ist?“ Diese Metapher vom schalen Kaffee, den man auskippt und somit einfach sein Gefäß leert für was Frisches, Duftendes, Warmes. Das Paradoxe also ist jetzt vielleicht, dass ich möglicherweise doch mit ihm leben kann, weil sein Trinken wirklich nichts mit mir zu tun hat, nichts mit meinem Trinken. – Und wie „schlimm“ ist das eigentlich mit seinem Trinken? Wir hatten dieses Thema schon öfters. Hintergeht er mich wirklich? Oder ist da einfach nur Unsicherheit, auf beiden Seiten? Ich bin mir nicht klar, wie ich damit umgehen soll und er auch nicht. Und eigentlich kann er doch sein, wie er will, wenn ich in mir ruhe. Mir bereitet sein Trinken Unbehagen. Aber warum eigentlich wirklich? Warum? Er trinkt nicht abhängig. Und wenn ich seine Fahne nicht riechen mag, was ist das? Ich kann ja auch im Gästebett schlafen. Um was geht’s da eigentlich? Das ist im Grunde das Gleiche wie mit meinem Nachbar, oder? Wie viel „Hardcor-Anderssein“, für meine Begriffe, kann ich akzeptieren? Sind das Ego-Spiele? … - … - Aber eigentlich will ich das einfach nicht: jeden Tag eine Fahne an Dirk. Mir geht es schon seit einigen Tagen so … es gab vermehrt Situationen, in denen ich innerlich mein Ego wahrnahm, wie es aufgeplustert da stand und vor Selbstgefälligkeit bald platzte. „Haha!“, lachte es. Habe ich jetzt ein konkretes Beispiel dafür? – Nein, mir fällt gerade keines ein, obwohl einige waren. Das ist jetzt so, wie wenn sich die Erkenntnisse durch Paradoxe ankündigen: Das ist so diffus, nicht greifbar, und doch ist es da, es ist wie im Nebel und doch ist es ganz klar, 92 machtvoll … ich kann das nicht beschreiben. Ich nehme den Alkohol als Beispiel: wenn ich Dirk darum bitten würde, nichts mehr zu trinken, und er würde das tun. … - Es waren doch etliche Begebenheiten … das ist echt verflixt! Mir fällt nichts Konkretes ein, doch … es war in so Situationen, wenn ich Dirk bat, Michel zu füttern z.B. oder ins Bett zu bringen, er sagte „Ja“ und tat es, verdrehte aber darüber die Augen, es nervte ihn eigentlich und er tat es nur mir zuliebe. Da plusterte sich mein Ego auf, wenn ich das registrierte und einfach so geschehen ließ, ohne mit Dirk darüber zu reden. Denn das ist es ja nicht, was ich will! Und das sage ich Dirk auch immer wieder! Dass er sich nicht verbiegen soll und mir (oder jemand anderem) zuliebe etwas tut, dabei aber nicht auf sich und seine Bedürfnisse hört und diese auch nicht zum Ausdruck bringt. Dass er sagen soll, was er hat und denkt, klar, nicht ironisch verpackt, weil ich’s dann nicht verstehe, sondern eher denke, er mache einen Spaß oder weil ich mich durch genervte Äußerungen angegriffen fühle. Und das mit dem Alkohol? Ich muss für mich klar sein. Manche Leute sagten zu mir: „Och, das war doch bestimmt nicht so schlimm mit Deinem Trinken.“ Aber es war schlimm. Der Ausdruck beschissen ist nicht beschissen genug. Aber muss ich mich rechtfertigen und das beweisen? Geht doch gar nicht. – Und was soll ich da machen mit Dirk? Mit seinem absoluten Unverständnis, ja, sich gar nicht erst drauf einlassen? Mich trennen? Wäre das besser? Gehe ich faule Kompromisse ein? Mein Verstand sagt: „Ja, das tust du, du solltest dich trennen.“ In mir ist diese höhere Wahrheit, aber die weiß ich noch nicht. – Oder habe ich sie mir gerade erarbeitet? Rausgepult aus der Unklarheit? - Das Gute ist, dass sowieso das Richtige passiert. Wenn meine höhere Wahrheit weiß, was sie will, dann passiert im Außen das Entsprechende. Wenn ich nicht entsprechend handele, dann tut es jemand anders. Damals mit Ralf versuchte mein Verstand die Beziehung aufrecht zu erhalten, aber meine höhere Wahrheit wusste schon längst, dass der Käse gegessen war und da hat eben er Schluss gemacht. Das war gut. Diese höhere Wahrheit hat das Ruder in der Hand, nicht der Verstand. Vielleicht ist es das, was mich so ruhig und gelassen macht. …-…-…Was vor dem Krach war: Vor einigen Tagen verspürte ich eine tiefe Dankbarkeit, dass „die Neuen“ alle da sind, Zugezogene wie Dirk und Flöckchen, und Vom-HimmelGefallene wie Findus und Michel, dass sie bei mir sind in dieser Zeit, in der sich meine alten Weggefährten so gehäuft verabschieden. In der alten Konstellation wären jetzt nur noch Miezi und ich da und dann hätte ich vielleicht doch an Schröders und Lucys Übergang zu knabbern. So bin ich einfach im Frieden. Und dankbar für die neu Hinzugekommenen. Erstaunlicherweise sind das lauter Männer. Früher herrschte hier die weibliche Energie vor, Schröder war der einzige Mann. Jetzt sind hier so viele Männer, zwei menschliche und zwei Kater. Miezi und ich sind die einzigen Weibchen. Aber das ist auch okay so. Wir können das gut hinnehmen. Ja, nicht nur das – die Männer haben ja richtige Geschenke für uns! So viel Liebe und Verspieltheit und Großartigkeit! 93 Und: Ich lese nicht mehr alles bei Esoterium. Nachdem ich über einige Wochen alles las, stellte ich fest, dass ich mit manchem nicht so im Einklang bin, das lasse ich jetzt aus. Jesus sagte: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“ Ich bin das auch, für mich. Ich bin die Reise und das Gefährt, der Weg und das Ziel. Und der Ursprung. Alles ist in mir. Ich habe alles bei mir. Eigentlich brauche ich gar nicht weiter zu reisen. Komisch, ich weiß, dass ich da bin, angekommen … und doch bin ich noch nicht angekommen. Was steht mir da im Weg? Vielleicht ist das so, weil ich mich noch schocken und beeinträchtigen lasse, von leeren Konten oder Langeweile oder Erschütterungen im Außen, weil ich den „mainstream“ zu ernst und meine innere Wahrnehmung zu leicht nehme. Über kurz oder lang Vielleicht bin ich viel mehr ich, als ich das glaube. Nicht so, wie manches Mal die Inkarnationslehren interpretiert werden, dass man in jedem Leben jemand völlig anderes ist. Oder doch so und doch bin ich immer gleich. Ich glaube, dass ich schon alles gewesen bin: Mann, Frau, Opfer, Täter, Tier, Pflanze, Stein, Engel, Gott … dass ich sämtliche … „dass ich sämtliche Erfahrungen durch habe“, wollte ich gerade schreiben. Aber da muss in mir etwas lachen und das heißt vielleicht, dass das nicht stimmt und dass das längst nicht alles ist. Da gibt’s noch ganz viel Neues, noch nie Da-Gewesenes. Das Beste kommt noch. Dabei ist schon ganz viel Gutes da und es war auch immer ganz viel Gutes da. Wie gut die Stille tut. Michel ist erkältet und hat heute Morgen um sieben eine Weile gehustet. Ich stand auf, putze ihm die Nase, machte sein Fläschchen warm und – er war wieder eingeschlafen, als ich damit kam. Er schlief bis kurz vor neun. Ich legte mich auch nochmal hin, konnte aber nicht mehr schlafen. Also stand ich auf, kochte Kaffee, fütterte die Katzen; Dirk dusselte noch so vor sich hin, stand dann auch auf, ging raus, rauchen oder im Partyraum die Wettervorhersage hören. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und sah aus dem Fenster. Ruhe. Zeit für mich. Wie gut das tat!! Einfach da sitzen. Ins Morgenlicht sehen. Die Geschenke des Lebens annehmen. … – Wie fühlen sich die anderen von innen an? Fühlen die sich im Inneren genauso an wie ich? Dieses eine Sein, die Essenz, die immer gleich ist. Ist das bei jedem so? Dann bin ich doch sowieso jeder, oder? In jedem ist etwas von mir, bzw. das, was in mir ist, ist in jedem. Das Leben, dieser Puls des Lebens, das Feeling – wie soll man das nennen? Das Tao, das man nicht benennen kann, weil kein Ausdruck es beschreiben kann und sobald man es mit einem Begriff festlegt, stimmt es schon nicht mehr, weil, egal, wie man es nennen oder beschreiben will, das mit Worten nicht geht. 94 Unser Desaster, von dem ich im letzen Kapitel erzählt habe, war vor einer Woche. Wir haben danach noch manchmal darüber gesprochen, was da eigentlich los war, wer was wie gesehen hat. Dirk sagte, er habe das Vogelhäuschen fertig sägen wollen als ich kam. Er habe sich etwas vorgenommen, was er zuende kriegen wollte, und dann kam ich und wollte, dass er rein kommt. Ich sagte ihm, dass seine Reaktion aber ungerecht gewesen sei, zumal die Uhrzeit abgesprochen war, dieses „Sonst noch was?!“, dass er hätte sagen sollen, wie es ihm geht. Und dass er sich da ja auch wieder mal zu viel vorgenommen hatte. – Das sind halt seine Themen und Muster: sich zu viel vornehmen, sich selbst nicht anerkennen, was er er-schafft, jemandem zuliebe etwas tun, um Diskussionen aus dem Weg zu gehen oder rumzicken, um sich (unbewusst) auf die Art Freiräume zu verschaffen, weil dann jeder sauer ist und man sich aus dem Weg geht. … Er war letzte Woche beim Arzt und der hat ihn weiterhin krankgeschrieben, weil er „irgendwas hat“, erhöhte Cholesterinwerte, hohen Blutdruck, Kopfschmerzen … und seine Nasenscheidewand ist total schief und soll operiert werden. Ja, das ist ganz gut, dass da jetzt auch mal andere hinzukommen mit denen er redet, die Thematik offenbart sich auch da. Mit seinem neuen Hausarzt scheint Dirk ganz gute Gespräche zu führen. Es wird alles gut werden. Ich denke, wir sollen das mit seiner Krankschreibung jetzt einfach laufen lassen, sich entwickeln, entfalten, geschehen lassen, ohne groß was dazuzutun oder wegzulassen, also uns dem Prozess nicht widersetzen und andererseits nicht versuchen, irgendwas zu machen, hinzudrehen, zu manipulieren. Ich meine das auch in Bezug auf Dirks Job bei der Zeitarbeitsfirma. Ich habe das Gefühl, das balanciert sich in diesem Prozess mit aus. Es gehört ja auch mit zu seinen Themen, sich seine Arbeit nicht anerkennen. Unsere Streits gehören wohl irgendwie auch (noch) dazu. Wir haben es noch nicht gelernt, uns anders zu verhalten. Aber wir sind am lernen. Und vor allem setzen wir uns miteinander auseinander. Das ist ja schon mal gut, dass er mir standhält. Ja. Sehr gut ist das. Danke Dirk! Vielleicht kann ich für mich noch lernen, mich nicht so ins Drama zu verstricken, wenn was ist, sondern einfach das zu tun, was ich tun wollte. Meine Harmonie aufrechterhalten, auch wenn es im Außen rumpelt. Lass es ruhig rumpeln. Hinterher, wenn es sich wieder beruhigt hat, können wir besser darüber reden als währendem. Währendem sollte man nicht so viele Worte machen. Das ist reine Energieverschleuderung. Ich merke es ja beim Schreiben, wie anstrengend es ist, so einen Streit im Nachhinein zu beschreiben. Und der Streit selbst ist ja noch viel kräftezehrender und –raubender!! – Außerdem haben wir auch schon viel gelernt, fällt mir gerade ein! Manches dauert vielleicht etwas länger als man das gerne hätte. – Ich habe die 70-Kilo-Marke geknackt! Heute morgen! 69,5 kg sagt meine Waage!!! 3 Rohkosttage im abnehmenden Mond. Nächste Woche mache ich noch einmal drei. Und jetzt ist es eben September anstatt Juli. Na und. Hat es halt zwei Monate länger gedauert. In einem halben Jahr werden mir meine Hosen wieder passen. Und manches dauert noch länger. Ich bin eine Generation später Mama geworden als andere in meinem Alter. Die beiden Enkel eines meiner Freunde sind älter als mein Kind. Aber auch das ist eben so. Das ist mein Weg, der sich entfaltet. Das ist alles genau richtig. Jeder erreicht seine Ziele und wird noch dazu vom Himmel beschenkt. Nicht erreichte Ziele waren eh der Holzweg! Es gibt einen Film, der heißt „Babettes 95 Fest“. In diesem Film sagt ein alter Offizier oder Major oder Leutnant (ich kenne mich da nicht aus, mit militärischen Rangordnungen) sinngemäß: „Eines Tages erkennen wir, dass wir unsere Ziele vom Leben geschenkt bekommen und das, was wir einst verworfen hatten, weil wir dachten, es sei unerreichbar, bekommen wir noch obendrein.“ Jeder hat seinen eigenen Rhythmus. – Ich kann es gar nicht oft genug sagen: Vertraut Eurem Rhythmus! Dem Herzschlag des Lebens! Geht mit! Widersetzt Euch nicht! Lauft nicht davon! Zieht nicht die Decke über den Kopf. Stellt Euch dem, was ist, Euren Themen. Das sind die Türen, die Tore, die sich öffnen, direkt in Euer Herz hinein, in die Liebe, in den tiefen Frieden hinein, in die Erfüllung all unserer Sehnsüchte. Das Glück und die Lösungen, die Er-Lösung sind nicht irgendwo da draußen, nicht im Himmel, weit im Kosmos, sie sind in uns. Wenn ich sage, wir sind im Himmel, dann ist das ein innerer Zustand. Was in unserem Inneren ist, sehen wir im Außen. Schon gar nicht liegt die Er-Lösung bei irgend so einem Gott mit grauem Bart und wallendem Gewand! Das ist so ein beklopptes, tief eingemeißeltes Bild, das uns so gefangen hält! Gott ist Leichtigkeit, Freude, Liebe, Weite, Schönheit, Kindlichkeit, Lachen, Großartigkeit, Einfachheit! Niemals würde Gott einen verstoßen! Mich hält dieses alte Gottesbild gefangen. Das macht mir immer noch zu schaffen. Diese Strenge, dieses Männerbild. – Sprengung! Ich schlage Sprengung vor. – Als diese riesengroßen, in Fels gemeißelten Buddha-Statuen, ich weiß nicht, in welchem Land, gesprengt wurden, war ich zuerst entsetzt. Wie schrecklich! Welch ein Frevel! Aber vielleicht ist das auch so eine scheinbare Negativität, von „Bösewichtern“ ausgeführt, die aus einem anderen Blickwinkel eine ganz andere Bedeutung haben kann: Es gibt nicht nur einen Gott oder einen Buddha. Das Buddha-Bewusstsein, das Gottes-Bewusstsein ist in uns allen, in jedem und durch die Sprengungen wurde das verbildlicht, in die Tat umgesetzt und für alle in die Welt gebracht. Ein riesiger Fels wurde in Millionen und Milliarden kleine Stücke gesprengt. Du bist Gott und ich bin Gott. Gott ist in jedem und in allem. Es gibt nichts, was nicht göttlich ist. Dirk kam gerade herein und sagte mir, dass er meinem Vater eine Absage erteilt hat, der hier war und ihn zum Holzschneiden mitnehmen wollte. Dirk hat ihm gesagt, dass er heute das machen will, was hier bei uns anliegt. Sie haben gestern den ganzen Tag zusammen Holz geschnitten. Na bitte, wer sagt’s denn?! Wir lernen! Wir lernen, für uns selbst zu sorgen. „Oh Mann, jetzt ist er sauer!“ sagt Dirk. Tja, so ist das eben: Wenn man für die eigene Harmonie sorgt, kann das im Außen schon mal zu Disharmonien führen. Wir müssen die anderen nicht befriedigen. „Fürchte Dich nicht“, heißt es in der Bibel. Warum fürchten wir uns eigentlich? Wie ist das gekommen? Warum vertrauen wir nicht und leben einfach? In Glückseligkeit und Hingabe. Wenn man Angst hat, kann man gar nicht mehr leben, möchte ich fast behaupten. Angst lähmt das Leben. Wir glauben, wir leben und tuckern nur so vor uns hin, weil wir uns irgendwelchen Zwängen unterwerfen und Angst haben. Wieso ist das so? Woher kommt das? Warum habe ich immer noch Angst, wenn mein Konto im Soll ist? Das war es schon oft. Naja, kein Soll mehr wäre schon angenehm, nur im Haben zu sein, wäre schön. Aber vielleicht soll ich an meinem leeren Konto lernen, dass es keine Sicherheit gibt, nicht innen und schon gar nicht außen, und dennoch soll ich 96 vertrauen und Spaß am Leben haben. „Wie die Kinder.“ Ja. Genau das ist es. Alles nehmen wie die Kinder, ohne Vorbehalt. Und über kurz oder lang wird mein Vertrauen größer sein als die Angst, für immer. Die Angst wird verschwinden. Wovor, jetzt mal im Ernst, wovor sollte man sich eigentlich fürchten? Und warum? Uns kann nichts Schlimmes geschehen. Alles geht gut aus. Alles ist gut. Mit dieser Gewissheit bin ich geboren. Mainstream, Träume, Filme Das mit dem Mainstream – das ist alles Veräppelung! Wir verarschen uns selbst und glauben daran. Das ist, wie wenn man zu oft ins Kino geht. Nein – o weh! – das ist nicht, wie wenn man zu oft ins Kino geht, das ist, weil man zu oft ins Kino geht: Fernsehen, Zeitungen etc. Wir glauben den ganzen Scheiß. Die ganze Unwirklichkeit. Aber auf unsere innere Stimme, die die Wahrheit sagt, hören wir nicht. Wir hören nicht nur nicht auf sie, wir nehmen sie oft gar nicht wahr. Weil das Außen zu laut ist und zu heftig und weil wir auf unseren plappernden Verstand hören und dem Glauben schenken, anstatt innezuhalten, um die leisen Töne wahrzunehmen. Und wenn wir sie wahrnehmen, vertrauen wir ihnen oft nicht und hören lieber auf das, was unser Verstand sagt. Aber – Gott sei Dank! – wer nicht hören will, muss fühlen. Ja, ich weiß, das ist ein 1A-blöder-Erziehungsspruch-von-früher, aber der ist gerade in mir aufgestiegen und deshalb schreibe ich ihn nieder. Möglicherweise hat er eine höhere Weisheit. Wer sich partout jahrelang weigert auf seine innere Stimme zu hören, seine Gefühle und Sehnsüchte ignoriert, der wird sich dennoch selbst das Richtige schenken. Vielleicht kriegt er offene Beine oder wird herzkrank, seine Frau verlässt ihn oder er bricht einfach von sich aus innerlich zusammen. - Das ist auch eine Qualität von Cauac: Zusammenbrüche in Durchbrüche zu verwandeln. – Irgendetwas geschieht, was einen auf sich selbst zurückwirft und die Möglichkeit bietet, sich dem Wesentlichen zu öffnen. Vielleicht geht das Ganze ja auch sanft, ohne große Erschütterungen. Das Famose an den Zeiten, in denen wir leben, ist, dass jeder mit einbezogen wird. Keiner kann mehr seine Anliegen unter den Teppich kehren. Es ist Groß-Reinemachen. Groß-Reinemachen der Seelen, und Großes-Annehmen. Was wir nicht brauchen, können wir ausmisten, aber es gibt auch ganz viel anzunehmen, meine ich, es will ja alles mit, in die inneren Himmel, ins Paradies. Illusionen über Bord und alles, was wir wirklich sind, annehmen. Und den Segen erkennen im vermeintlich Negativen. Mein Freund, der die zwei Enkelkinder hat, erzählt manchmal, dass er vor zwanzig Jahren beim Zelten am See ein UFO gesehen hat. Damit ist es ihm ernst. Sonst kann ich ihm mit solchen Sachen nicht kommen, er sagt dann, ich sei blauäugig und unrealistisch. Er selbst bezeichnet sich als Realist. Ich meine aber, er ist voll im Mainstream und kann deshalb von der Wirklichkeit kaum etwas sehen. Jedenfalls überlegt er manchmal, wenn er von dem UFO erzählt, weiter, was wäre, wenn hier Außerirdische landen würden. Ich habe seine Überlegungen stets mit meinen eigenen 97 inneren Bildern zu diesem Thema dekoriert und war in dem Glauben, er würde sich über diese Vorstellung freuen. Irgendwann fügte er seinen Überlegungen an: „Vielleicht würden sie uns ja gar nichts tun.“ Da merkte ich, dass er Angst hat vor einer eventuellen Landung von Außerirdischen. Auf den Gedanken war ich noch nie gekommen! Aber vielleicht sind das auch die ganzen Filme und Fernsehsendungen, die er sich reinzieht. Der glaubt das alles. Diese Filme über Invasionen Außerirdischer: Ich dachte, als die Filme neu rauskamen, „Independence Day“ z.B., da würde eine große intergalaktische Feier stattfinden, Big-Kosmos-Party, aber dann waren das so Kampf-Filme, die guten Erdlinge gegen die bösen Aliens, die kamen, um anzugreifen. So ein Schwachsinn! Wie kann man so Filme drehen und so etwas glauben nach ichweiß-nicht-wie-vielen Jahren Kornkreisen und all der Liebe und Brillanz, die da rüber kommt? Das verstehe ich nicht. Warum werden überhaupt solche Filme gemacht? „Das Schweigen der Lämmer“ z.B. Ich sah den Film damals im Kino als er rauskam. Ich fragte mich hinterher, und andere fragte ich auch, warum um alles in der Welt so ein Film gedreht wird? Wer will so was sehen? Und am Ende bringt der Film noch jemanden auf die Idee, das auch mal auszuprobieren, was dieser Hannibal fabriziert hat. Die anderen fanden den Film geil. Und nee, auf die Idee wird schon keiner kommen. Ich finde das abartig, grauenhaft und bekloppt und kann nicht verstehen, wie man sich sowas, wenn man dann auch schon weiß, was da auf einen zukommt, auch noch zwei- oder dreimal! als Freizeitbeschäftigung ansehen kann. Und so gibt es noch einen ganzen Haufen mehr Filme. Warum reiten wir uns da selbst so hinein, in die Angst? Ist die so geil? Sind wir lauter Masochisten? Ich glaube, im Grunde sind das lauter Ablenkungsmanöver. Lieber Horror im Außen als sich den eigenen Lebensthemen zuwenden. Sich solche Filme nicht anzusehen ist Eines. Die ganzen Nachrichten und andere subtil untergeschobenen Sachen nicht für bare Münze zu nehmen ist schon etwas schwieriger. Aber irgendwie wird das auch immer offensichtlicher meine ich, was da wirklich dahinter steckt, dass das Manipulationsversuche der groß angelegten Art sind. Aber damit ist jetzt immer mehr Schluss. Wir lassen uns nicht mehr manipulieren. Wir sehen immer mehr die Wirklichkeit. Ich habe wiederholt von einem Haus geträumt, auch letzte Nacht. Es ist immer das gleiche Haus. Seit einiger Zeit. Es ist ein neues Haus. Als ich zum ersten Mal von diesem Haus träumte, lief ich darauf zu. Es war mein „echtes“ Grundstück, auf dem auch mein „echtes“ Haus steht, im „wirklichen“ Leben, und da stand dieses neue Haus. Es ist neu gebaut, komplett eingerichtet, ziemlich gut situiert, stabil, solide, sehr aufgeräumt, es ist alles da. Ich träume immer, dass ich es irgendwie noch gar nicht bewohne. Da sind all die schönen Räume, aber ich benutze sie nicht. Heute Nacht träumte ich: Ich kam aus dem Keller, den hinteren Räumen, einer Waschküche oder Einliegerwohnung, die aber auch sehr gemütlich, solide und großzügig ist und alles hat, ich war um das Haus herum gelaufen und stand an der vorderen Haustür. Ich öffnete diese Tür und trat ein. Da war zunächst eine Art Wintergarten und ich dachte: „Das ist schön hier. Das könnte ich doch auch mal nutzen. Ich könnte eine Liege hier hereinstellen und mich drauflegen, vielleicht Tee trinken und lesen.“ Außerdem war nebenan ein hübsches Esszimmer und ich dachte: „Hier können wir doch auch einmal essen.“ Als ich das letze Mal von dem Haus träumte, stand ich im 98 noch nie benutzten Wohnzimmer. Der Garten war in einem der Träume auch völlig umgegraben und neu am entstehen. … Ja. Da steht also ein neues Haus. In einem brachliegenden Garten mit schwerer Erde, bereit, alle Potenziale aufzunehmen und wachsen und gedeihen zu lassen. Ein reiches Haus. Gut. Lass uns einziehen. – Meine Katzen waren letzte Nacht auch mit dabei, die kamen über die Straße gelaufen und gingen mit ins Haus hinein. Mir fällt ein, dass ich früher, vor einigen Jahren, jedenfalls zu der Zeit als ich noch trank, immer wieder von Häusern und Wohnungen träumte, die waren in allen Räumen bis unter die Decke vollgestopft mit Zeug, völlig chaotisch und unaufgeräumt, kein Durchkommen. Manchmal träumte ich, dass ich mich im Traum daran zu erinnern meinte, dass die Wohnung noch um die Ecke weitergehen müsste, dass da noch mehr Räume seien, leer oder nur spärlich eingerichtet. Da war aber keine Tür mehr. Ich konnte nicht hinein, in die leeren Räume. Als ich noch trank träumte ich auch immer wieder, dass ich mir Schnüre von Dreck aus der Nase ziehen würde. Solche Schnüre, wie sie in meiner Kindheit zur Beschwerung unten durch die Vorhänge gezogen waren, kleine Würste aus Blei, Klumpen an Klumpen. Ohne Ende. Während meiner stationären Therapie kam der Traum auch zu mir. Ich zog und zog – und auf einmal war die Schnur zuende. Ich hatte das Ende aus meiner Nase gezogen. Das war’s. Seither habe ich nie wieder so etwas geträumt. Primitiv, aber glücklich Gestern war ich mit Michel bei meiner Freundin Claire zur Feier ihres Geburtstages. Ihr Bruder ist 3 Jahre jünger als sie, auf den Tag genau, und er wurde gestern 40. Sie feierten gemeinsam bei ihm zuhause. Er wohnt auf einem großen Hof, einer Staats-Domäne, außerhalb der Dörfer, inmitten der zum Hof gehörenden Äcker und Weiden. Sein Vater bewirtschaftete den Hof seinerzeit schon und Claire wohnte früher auch dort. Claire und ich lernten uns kennen, als ich 18 war und wir zusammen ein hauswirtschaftliches Schuljahr machten. Seitdem sind wir gute Freundinnen. Um das Wohnen auf dem Hof habe ich Claire immer beneidet und um ihre Familie. Das ist so eine Nestwärme-Familie, die sind sich so nah, berühren einander, küssen sich und können „ganz normal“ über alles reden. Lauter Sachen, die ich zuhause nicht kennengelernt habe und vermiss(t)e. Und es fällt mir auch schwer, das von mir aus in meiner Familie einzuführen, jetzt, wo ich meine, dass ich die Verantwortung habe für alles, was mich betrifft. Vielleicht nehme ich mir auch zu viel vor und es ist gut damit, wenn ich mich in meiner eigenen, kleinen Familie um diese Qualitäten kümmere, mit meinem Mann und meinem Kind. Mittlerweile ist Claires Familienclan weiter angewachsen, um ihre Kinder und die Kinder ihrer beiden Geschwister. Lauter fabelhafte Menschen! Claire erzählt mir 99 immer von den Problemen, die sie mit ihrem Ältesten hat wegen der Schule, dass das so schlimm wäre, dass sie so was keinem wünscht. Und sie hat auch Themen mit ihrer Mutter. Aber das, was sie von ihrem pubertären Sohn erzählt, ist irgendwie alles ganz normal, meine ich. Ich erkenne mich jedenfalls sehr gut in ihm wieder. Ich war in dem Alter auch so drauf. Und auch, wenn Claire und ihre Mutter „ein Ding“ miteinander haben seit einiger Zeit, so ist die Liebe und Wärme in dieser Familie doch etwas ganz besonderes. Ich sage das in Anerkennung, ohne dass ich mir selbst leid tun würde, dass mir das abgeht, auch wenn ich Liebe und Wärme in meiner Kindheit und Jugend schmerzlich vermisst habe. Vielleicht trage ich diese Qualitäten ja in mir, weil ich sie dort, in Claires Familie, immer so deutlich sehe und so bewundere. Und ich will mich nicht niedermachen, wenn es mir nicht gelingt, das in meine Ursprungsfamilie einzubringen. Ich lasse es jetzt einfach erblühen und aus mir raus, hier in meiner eigenen Familie, der neuen. Möglicherweise sickert es auch immer mehr in die alte hinein. Es ist ja noch nicht aller Tage Abend. Wenn Claire und ich uns sehen oder wenn wir telefonieren und ich erzähle ihr von meinen Streits mit Dirk, dann ist es oft so, dass sie zu diesen Zeiten auch Differenzen mit ihrem Mann Uli hatte. (Was mich nicht weiter wundert, weil ich eh den Eindruck habe, dass sowas jedes Mal global oder jedenfalls sehr weiträumig in der Luft liegt.) Und die Thematik ist auch immer das gleiche in grün, des Pudels Kern ist stets der gleiche, wenn wir uns gegenseitig erzählen, was gewesen ist. Ich glaube, ganz oft sind es auch einfach Missverständnisse zwischen Mann und Frau, der eine meint, dass der andere ihn nicht anerkennt, was aber gar nicht stimmt, sondern daraus resultiert, dass der eine des anderen Sprache nicht versteht, des anderen Ausdruck. Wenn Dirk draußen am machen ist, macht er das „für uns“, sagt er immer, und ich denke, er „zieht sein Ding durch“, um ein Beispiel zu nennen. Aber man muss doch dann darüber reden, um sich anzunähern! Oder? Männer machen oft zu, wenn Frauen reden wollen. Ich glaube, das machen sie, weil sie befürchten, dass die Frau wer-weiß-was Kompliziertes oder Anstrengendes von ihnen will. Aber das wollen wir doch gar nicht!! Mir geht es immer einzig um Praktizierbarkeit, um klare Absprachen, aber, im Grunde, weil wir wahrscheinlich Dinge unterschiedlich auffassen und bewerten, um Bescheid-wissen, um Akzeptanz, um Annäherung. Und um das Miteinander!! Um Austausch, zusammen reden, lieber noch Körperlichkeit, in-denArm-nehmen, mal-kurz-schmusen, ein liebes Wort. Herrje! Ist das denn so viel verlangt oder so abartig, dass das dauernd so kurz kommt?! Wobei: Ganz oft kommt es auch nicht zu kurz. Nur, ich sprach schon davon: Wenn es zwei, drei Tage nicht auftaucht, geht es mir sehr ab, dann fordere ich es ein und dann … dann denkt Dirk gleich, ich wolle Gott-weiß-was von ihm und ich würde all das, was er tut, nicht anerkennen. … Dabei achte ich es hoch!! Und er glaubt mir das nicht. Meint, ich wolle von ihm die Sterne vom Himmel geholt bekommen. Dabei will ich nur einen kleinen Schmuser. Oder zehn Minuten reden. Gestern, als ich mit Claire sprach, ist mir das so aufgegangen, dass das wahrscheinlich ein ganz grundlegendes Ding zwischen Männern und Frauen ist. Claire sagt, ihr Mann Ulrich würde manchmal sagen, er sei primitiv, aber glücklich. Als Mann. Männer wären so. Gestern sagte sie, er habe gesagt, er wäre gern primitiv und glücklich, als sie mit ihm etwas bereden wollte. Das heißt doch: „Lass mich mit Deinen 100 Kompliziertheiten in Ruhe, mit Deinen Überforderungen.“ Oder? - Dabei will ich das doch auch sein, als Frau: einfach glücklich. Einfach und glücklich. Primitiv meinetwegen. Aber tiefgründig, mit Tiefgang, kein oberflächliches Larifari, sondern Verbundenheit, Echtheit, Wahrhaftigkeit. Und die Frauen rennen den Männern hinterher und wollen was von ihnen und die Männer verweigern sich, weil sie denken, es wäre ein Riesending, nicht zu bewältigen, dabei … ja, was? – Im Grunde denke ich immer, es liegt daran, weil ich selbst falsch kommuniziere, wenn der Andere dicht macht. Ich neige ja selbst dazu, mich zu verweigern, sobald ich beim Gegenüber den leisesten Hauch von Anspruchshaltung vermute. Und dann bin ich auch noch zu empfindlich gegenüber schlechter Laune. Dirk ist oft so mürrisch. Und ich will mich so nicht behandeln lassen. Und dann sage ich was … und dann …. - Aber vielleicht ist es eben auch einfach so, dass es mal besser klappt und an manchen Tagen halt schlechter. Ach Mann! Und ach Frau! Kann das nicht mal aufhören, dieser Kampf zwischen männlich und weiblich?! Komm, lasst es uns beenden. Ich mag nicht mehr kämpfen. So ein blöder Schwachsinn!! …-…-…Manchmal sind wir es aber auch einfach, Dirk und ich: primitiv und glücklich. Wir haben da so ein Code-Wort. Wenn einer dem anderen mitteilen will, dass er ihn sexy findet und dass er Lust auf den anderen hat: „ Miau “, machen wir dann. Das heißt nicht, dass wir dann gleich zusammen in die Kiste hüpfen, einfach so, um es dem anderen kund zu tun. – Na also, geht doch! Wir fangen ja auch irgendwie gerade erst an. Stücke im Ganzen Was jetzt kommt sind zum Einen Überschriften, die ich mir schon notiert habe, weil mir dazu eine Thematik im Kopf herumgeht, zum Anderen schon entworfene oder aus einem bereits geschriebenen Kapitel herausgenommene Textpassagen und ein Zitat aus Karen Bishops neuem Energy-Alert (14): Aus: Karen Bishop, Energy Alert vom 29. September 2008: UNSERE NEUEN UND KRAFTVOLLEN VERBINDUNGEN Unsere Bedürfnisse werden normalerweise erfüllt und oft wissen wir das gar nicht, weil wir es so gewohnt sind, uns kraftlos zu fühlen, feststeckend und unfähig, zu erschaffen. Manchmal kann uns dieses Gewohnt-sein an diesen Seins-Zustand erlauben, die Dinge zu akzeptieren ohne zu sehen, was direkt vor uns liegt. Wir müssen uns einfach mit einem neuen und anderen Weg des Denkens und des Seins verbinden und wissen, dass alle Lösungen da sind... alles, was wir tun müssen, ist, uns mit ihnen zu verbinden und uns selbst und jedem Glaubenssatz, dass die Dinge auf eine bestimmte Art und Weise hereinkommen müssen, aus dem Weg zu gehen. 101 Abrechnung am Church Hill - Der Tod Sowohl als auch Manchmal ist es da, dieses Gefühl der Verbundenheit und der Freiheit, und manchmal ist es nicht da. Das hört sich jetzt vielleicht nicht besonders geistreich an, aber ich glaube, dahinter verbirgt sich noch etwas sehr Wichtiges, nämlich: Sowohl das Eine als auch das Andere anzunehmen und wertzuschätzen. Und nicht: das Eine willkommen-heißen und sich damit wohlfühlen und das Andere nicht haben wollen und sich verdammen, wenn man gerade in diesem Zustand ist. Einer meiner Saufkumpane, der so alt war wie ich, ist letztes Jahr gestorben. Aber auch er hat alles richtig gemacht und sein Bestes gegeben. Ich empfinde das so. Ich bin damit im Frieden. Als ich damals die Zeitung aufschlug, „wusste“ ich beim Umblättern der Seite auf die Todesanzeigen, dass das jetzt da steht, seine Todesanzeige, noch bevor ich sie las. Ich kann auch nicht sagen: „Der arme Kerl“, weil er kein „armer Kerl“ ist. Er, sein Leben, so wie er war, gehört zur Harmonie und zur Fülle, zum Er-füllt-sein der Leben aller, die ihn kannten, dazu. Auch er war „genau richtig“. Die Wut und das Lachen - Kapitel aus der Zukunft Borsdorfer Apfel und das Paradies Ich könnte noch eine weitere Überschrift machen: Mein erster (und hoffentlich letzter!) Zahnersatz. Ich war diese Woche bei meinem Zahnarzt. Der hat eine hübsche Prothese mit zwei künstlichen Zähnen für mich gebastelt und mir vermacht. Während er sie mir anpasste, kam sein Kollege ins Zimmer und probierte am Computer, ein neues Programm in Gang zu bringen, das wollte noch nicht so richtig funktionieren. Mein Zahnarzt sagte zu mir: „So ist das, da stellt man um auf ein neues Programm und hat damit mehr Probleme als vorher. Kennen Sie das?“ Ich machte: „Hm“ und wollte ihm noch sagen, dass ich mittlerweile mit meinem neuen PC ganz gut zurecht komme und dass ich für Anfangs- und sonst anfallende Schwierigkeiten meinen Neffen habe, der mir in PC-Angelegenheiten hilft. Aber er hatte aufgehört, an der Prothese zu feilen und sie mir wieder in den Mund geschoben und damit war für ihn das Gespräch mit der Patientin über das neue Computer-Programm offensichtlich beendet. …-…-…- 102 Bei dem Kapitel aus der Zukunft ging mir durch den Sinn, ich könnte doch einfach mal drauflos schreiben, was ich mir wünsche, und so tun, als sei alles schon so eingetreten. Z.B.: „30. Oktober 2011: Gestern wurde mein millionstes Buch verkauft! Hätte ich mir das vor drei Jahren träumen können, so erfolgreich zu sein?! Wie wunderbar! Michel geht jetzt in den Kindergarten. Er ist dort sehr glücklich. Was Claire einst prophezeite, ist wirklich eingetreten: Alle sind ganz verliebt in ihn. Er ist auch einfach ein ganz besonderer Mensch. Er bringt jeden, dem er begegnet, direkt mit seinem Herzen in Verbindung. Dann ist alles gut. Alles ist, wie es ist, und das ist wundervoll! Mit Dirk bin ich sehr glücklich. Unsere Partnerschaft hat sich vertieft. Sie ist tief und ruhig, kraftvoll, unendlich und voller Liebe und Leben, wie der Ozean. Den Katzen geht es prächtig, sie sind so verspielt und goldig und lieb! Unser Hund hat sich gut eingelebt. Er ist sehr drollig und anhänglich, ein prima Kerl! Das Haus gehört jetzt uns, meine Eltern haben es mir überschrieben, nachdem sie sahen, über wie viel Geld wir nun verfügen. Der Anbau ist sehr schön geworden! Im Sommer fahren wir für drei Wochen nach Skandinavien. Und vorher mache ich noch ein Wellness-Wochenende im Allgäu mit Claire und Agnes.“ Hej! Ja! Das hört sich gut an!! Das Kapitel Abrechnung am Church-Hill beträfe meinen Vater. Über den habe ich mich geärgert und wollte sein Verhalten mir und uns gegenüber nicht dauernd widerstandslos dulden. Die Abrechnung erfolgte letztendlich bei uns am Küchentisch und war kurz und schmerzlos. Aber um mich nicht zu wiederholen, muss ich das Kapitel vom Tod vorziehen. Danach kam Papa. Der Tod war bei uns. Schon wieder, fällt mir jetzt ein. Und – sollte das „der Dritte“ gewesen sein?! … - Mensch! Jetzt, beim Schreiben, offenbart es sich mir! Seit Schröder und Lucy gestorben sind, trage ich nämlich in mir eine Angst, so einen übernommenen, dummen Glaubenssatz, der aber durch Mir-selbst-gut-zureden nicht wegzukriegen ist. Ein paar Monate bevor ich mit Dirk zusammen kam, war ich mit einer Freundin bei einer Wahrsagerin. Die prägte den Spruch: „Es gehen immer drei.“ Also, wenn einer im Umfeld stürbe, zöge der stets zwei weitere mit sich, und das hat sich mir angehangen. Bekloppterweise. Ich krieg’s nicht wirklich los. Bisher. Ich dachte schon an meine Oma. Und dann sehe ich nachts ein paar Mal aus dem Fenster auf die Straße, dass da keiner von den Katzen überfahren wurde. Jetzt ist einer vor unserer Haustür zu Tode gekommen. Ein Mensch. Ein Mann um die fünfzig. Er knallte mit seinem Auto morgens um neun bei unseren Nachbarn direkt in die Eingangstür zum Grundstück hinein und gegen die Mauer. Ich hörte das schleifende Unfallgeräusch und den Knall des Aufpralls, rannte sogleich ans Fenster und sah das zusammengedrückte Autowrack an der Wand, keine zehn Meter vor unserem Gartentor. Dirk war schon am hinrennen und rief: „Schnell! Ruf den Krankenwagen!“ Was ich tat. Es waren auch gleich noch mehr Menschen da, wir wohnen ja an der 103 Bundesstraße, da kommen andauernd Autos vorbei. Sie versuchten, den Mann aus dem Auto zu holen, aber das ging nicht. Er war eingeklemmt, nirgends war eine Autotür aufzubekommen. Dirk sagte, er hätte noch geatmet, aber als der Krankenwagen da war und die Feuerwehr ihn herausgeschnitten hatte, war er tot. Ich hörte jemanden von den Rettungskräften sagen, er habe wahrscheinlich schon ein Stück vorher einen Infarkt erlitten, sei dann durch den Straßengraben gerast und in das Törchen und gegen die Wand geprallt. Auf dem Rücksitz saß ein Hund. Der musste auch erst herausgeschnitten werden. Er war äußerlich unverletzt und blieb dann einige Stunden bei uns, bis der Pfarrer mit der Ehefrau des Verunglückten kam und sie ihn abholten. Er war sehr traurig, der Hund. So traurig. Und bestimmt tat ihm auch alles weh nach dem Aufprall. Unser anderer Nachbar, der vom Tierschutz, kam mit ein paar homöopathischen Kügelchen gegen Schock und Schwellungen. Die gaben wir ihm und er nahm sie auch, sie, sie heißt Marie, sagte mir ihr Frauchen später. Da war also der Tod zum dritten Mal. Oh Mann! Unbekannter Mann, ich bin sehr berührt und ich bin Dir sehr dankbar, dass Du das hier gemacht hast und somit der Dritte bist. Ich weiß, er hat das wohl nicht absichtlich gemacht, aber auf einer anderen Ebene hat er sich mit uns verbunden und uns gedient und das berührt mich sehr. Seinem Hund sagte ich, als der so trauerte, dass alles in Ordnung sei, auch seine Trauer und die Traurigkeit. Es war jetzt einfach der Zeitpunkt für sein Herrchen und so ist es geschehen. Da muss auch keiner „von Glück“ sagen, dass es ihn nicht mit erwischt hat. Dirk sagte: „Stell Dir mal vor, wenn ich gerade an der Straße Rasen gemäht hätte.“ Aber das hat er nicht, weil er es nicht gewählt hat, jetzt zu sterben, zu gehen, zu wechseln. Es passiert nichts einfach so, zufällig. Danke, lieber Mann. Mit unserer Nachbarin, der er ins Hoftor geknallt ist, habe ich durch diesen Anlass auch wieder gesprochen. Das haben wir seit Jahren nicht getan. Sie tut immer so, als würde sie mich nicht sehen, wenn wir uns begegnen, guckt weg und erwidert meinen Gruß nicht. Das tut sie, seit ich mich gegen die Techno-Attacken ihres Sohnes zur Wehr gesetzt habe, die meine Privatsphäre zunichte machten. Jetzt, bei diesem Unfall, haben wir ganz normal miteinander geredet. Noch ein Liebesdienst dieses unbekannten Mannes. Außerdem hatten Dirk und ich auch dicke Luft an diesem Morgen. Die wurde durch den Unfall ratz-fatz auf das Wesentliche beschnitten und wir kamen wieder zur Besinnung. Ich danke Dir. Und ich wünsche Dir eine gute, gute Reise. 104 Mein Vater tauchte mit seinem Fahrrad natürlich auch irgendwann am Ort des Geschehens auf, um zu sehen, was passiert sei. Er kam wohl gerade von der Tankstelle, auf dem Gepäckträger war die Bild-Zeitung eingeklemmt, die holt er sich dort immer. Mit dieser Bild-Zeitung fange ich meine „Abrechnung am Church Hill“ jetzt an. Alles raus-lassen. Ich gestatte mir jetzt, alles raus zu lassen, ohne mich selbst zu zensieren. „Church Hill“ deshalb: Ich wohne am Ortsrand und sehe durch die hinteren Fenster des Hauses und vom Hof aus direkt auf den Kirchwald. Das ist ein Hügel, auf dem der Wald wächst. Die Fläche davor, bis zum Kirchwald hin, ist bedeckt mit Äckern und, da wo das Gelände sanft anzusteigen beginnt, mit dem Baumstück meines Vaters. Die Felder gehören auch fast alle ihm. Sie sind nun aber, verpachtet an Einen, der noch Landwirtschaft betreibt und sie bewirtschaftet. Meine Eltern machen schon lange keine gewerbsmäßige Landwirtschaft mehr. Dort oben, vor dem Baumstück, am Fuße des Kirchwaldes, planten sie in den 70er Jahren auszusiedeln. Es ist aber nicht dazu gekommen. Da diese ganzen Ländereien hinter unserem Haus meinem Vater gehören, stellte ich mir vor, als ich mich neulich über ihn ärgerte, wir würden uns dort oben entgegen treten, „High Noon“, in Wild-West-Klamotten, er mit Hut und Sporen und ich in Cow-Girl-Rock und Stiefeln, den Hut auf meinem Rücken hängend. Der Wind verweht unsere Haare und die Sonne scheint uns ins Gesicht. Wir stehen auf dem staubigen Feldweg, ein paar Meter voneinander und es ist Zeit, ihm alles zu sagen. Er kann nicht weg. Die Atmosphäre ist klar und er muss mich anhören. Nur er und ich. Die Anderen haben sich hinter Strohballen versteckt, die auf dem Feld aufgestapelt sind, mucksmäuschenstill. So stellte ich mir das vor. Aber mit der Bild-Zeitung – was soll ich ihm da sagen? Er liest sie eben. Ich kann es noch so unglaublich finden, dass Menschen das tun, er liest sie. Seit ich denken kann. Täglich. Wenn er sie nicht hat, wird er unausstehlich. Aber es kommt eigentlich auch nicht vor, dass er sie nicht hat, weil er alles dransetzt, sie täglich zu bekommen. Und, ehrlich gesagt, ich rege mich gar nicht mehr darüber auf. Ich gestehe es ihm zu. Es gab Zeiten, da fand ich das ganz schrecklich, dass mein Vater so ein BildZeitung-Fetischist ist. Aber jetzt … es ist halt so. Ich glaube nicht, dass ich da irgendetwas dran ändern kann, wenn er nicht von sich aus drauf kommt. Ich könnte natürlich kämpfen. Aber das würde nur bezwecken, dass er sich in seiner Haltung noch mehr verhärtet. Vielleicht würde er sich dann zwei Bild-Zeitungen am Tag kaufen. Das traue ich ihm auch zu. Außerdem, das muss ich hier mal einfügen: Wenn mein Vater sich so stur und uneinsichtig zeigt … und Dirk manchmal auch … und selbst Michel, der sich manchmal so benimmt … dann denke ich wieder daran, dass alle und alles, was sich mir zeigt, mein Spiegel ist. Wenn Papa und Dirk sich also über äußere Umstände aufregen, und ich sehe, wie sie angesichts solcher Gegebenheiten doch auch ganz ruhig und gelassen bleiben könnten und keines ihrer beschwerenden Worte darüber zu äußern brauchten, dann erkenne ich mich selbst in diesem Verhalten. Ich mache das auch noch so … mit Dirk z.B. Ich gehe in den Widerstand, wenn er sich so und so verhält. 105 Ich bin beleidigt, wenn er mürrisch ist. Ich beschwere mich. Mich beschwere ich. Wo ich es mir auch leicht machen könnte. Dabei: Vielleicht ist es doch auch zweierlei. Nicht alles zu schlucken und auf schlechte Behandlung aufmerksam zu machen, ist Eines. Daraus einen Staatsakt zu machen, ein, zwei, drei Tage beleidigt und betrübt zu sein, etwas Anderes. Das muss nicht sein. Überhaupt, mich vom Mürrisch-Sein anderer abhängig zu machen, das muss auch nicht sein. Als Papa also anlässlich dieses Unfalls bei uns vor dem Gartentor stand, fing er auf einmal damit an, warum Dirk nicht an unserem neuen Freisitz weiterbaue. Das Wetter sei doch die letzten Tage so schön gewesen. Was er denn getan hätte. Die Leute würden ihn, Papa, schon ansprechen, was hier oben bei uns los sei, ewige Baustelle oder was? Ihn würde das belasten und er könne nachts deswegen nicht ruhig schlafen. Ob er mal kommen und helfen solle. Dirk will aber nicht, dass Papa ihm hilft, weil Papa ständig nörgelt und alles besser weiß. Er kann einfach nicht sagen: „Das gefällt mir. Das hast Du gut gemacht.“ Geht nicht. Hat er noch nie über die Lippen gebracht. Ich hatte in meiner gesamten Grundschulzeit, vier Jahre lang, nur Einser und Zweier in den Arbeiten und im Zeugnis, nie eine schlechtere Note. Nie. Was mein Vater dazu sagte, war: „Die Zwei hätte aber auch noch eine Eins sein können.“ Also das, das!, finde ich absolute Ober-Scheiße, Papa! Weißt Du, was Du mir damit angetan hast? Nicht nur damals, sondern ganz nachhaltig für mein weiteres Leben. Ich war nie gut genug. Dabei war und bin ich gut! Das bin ich jetzt am erkennen, für mich selbst am entdecken. Ich finde mich gut. Aber ich hatte stets das Empfinden, den Glauben, nicht zu genügen, ein Nichts zu sein, nichts zu können, nichts zu bieten zu haben, nicht für andere und nicht für’s Leben. Mir selbst auch nicht. Ich hatte auch nie genug Geld. Auch als ich recht gut verdiente, reichte es nicht und ich war immer im Soll, denn ich kann ja nichts. Auch nicht mich selbst erhalten. … - Dabei: Was ich wirklich glaube ist, dass mir das niemand angetan hat, dass ich diesen Glaubensatz ausgebildet habe, sondern dass das mein mitgebrachtes Ding ist. Ich habe das in mir und deshalb habe ich mir die passenden Eltern ausgesucht, die mir das schön drastisch aufzeigen, damit ich es deutlich sehe und beheben kann. Also dann eigentlich: Danke! Hast Deinen Job sehr gut gemacht. Dass Du mich im Grunde Deines Herzens volle Kanne liebst, weiß ich. Ich Dich auch! Ich glaube, Du bist auch stolz auf mich. Ich bin es auf Dich auch! Trotzdem will ich das nicht immer alles so schlucken, was mein Vater gelegentlich an Vorwürfen von sich gibt. Mir ist in den akuten Situationen nur oft nicht klar, was ich dazu nun eigentlich sagen soll. Manchmal auch nicht, was mich da jetzt eigentlich am meisten ärgert, was alles hineinspielt. Mich rechtfertigen mag ich nicht. Und in einer akuten Situation mit ihm zu diskutieren ist irgendwie auch sinnlos. Das ist dann nur Schlagabtausch. „Die Leute“ z.B., die zu uns etwas über unsere Baustelle sagen, haben bisher alle nur bekundet, wie schön alles sei. „Ganz wunderbar!“ hat Papas Freund Konrad schon wiederholt gesagt, der ist ganz begeistert von dem, was Dirk macht. Nur mein Vater sagt: „Das hält doch nicht!“ oder: „Warum hast Du das so und nicht anders gemacht?“ und solchen Käse. Deshalb will Dirk ihn beim Arbeiten nicht dabei haben. Als Papa an diesem Vormittag so auf Dirk herumhackte, sagte ich ihm, dass wir auch nicht so viel Geld hätten, um dauernd Baumaterial zu kaufen, dass sich das, auch wenn die Kosten nicht hoch seien, doch summiere und unser Konto jetzt so 106 weit im Soll sei, dass nun eben mal Baustopp wäre und wir unser Konto erst wieder ins Plus bringen wollten. Ich solle ihm nicht so kommen, sagte Papa. …-… Mein Opa Heiner, Papas Vater, war wirklich ein alter Knochen. Der sorgte mit seinem Eigensinn des Öfteren für Furore. Einmal, als er schon sehr alt war, und mit seinem Stock im Dorf spazieren ging, hielt er den Zug an, weil er der Ansicht war, der Zug könne wegen ihm ruhig anhalten, wenn er bei geschlossenen Schranken den Bahnübergang überquerte. Er konnte ja nicht mehr schnell laufen. Aber die Zeit, die Eisenbahn vorüberfahren zu lassen, wollte er sich auch nicht nehmen. Er zockelte also an der heruntergelassenen Schranke vorbei und stellte sich mit erhobenem Spazierstock mitten auf die Schienen. Der Zug legte wegen Opa Heiner 30 Meter vor dem Bahnhof eine Vollbremsung hin. Er fuhr auch heimlich Traktor, wenn meine Eltern im Urlaub waren, obwohl er das offiziell seit Jahren nicht mehr tat. Er hatte auch gar keinen Führerschein mehr, den hatte er schon abgegeben. … – … - Bei Papa muss ich eben hin und wieder an Opa Heiner denken. … Ein paar Tage nach dem Unfall half Dirk meinen Eltern beim Äpfel-lesen. Es fing an diesem Nachmittag an zu regnen und die drei kamen hierher zu uns, um die auf das Baumstück mitgebrachten Stückchen und den Kaffee zu schmausen. Als wir zusammen am Küchentisch saßen, sagte ich spontan zu Papa, ich müsse ihm mal sagen, dass er das lassen solle, so auf uns herum zu hacken. Und wenn ich ihm eine redliche Erklärung gäbe, warum die Baumaßnahmen ruhen, solle er nicht so tun, als würde ich Mist reden. Er nahm das an und sagte nichts dagegen. Stattdessen schäkerte er (in seiner Verlegenheit?) mit Michel. Mama sagte, Papa würde halt manchmal Dinge sagen, die er nicht so meine. (So-so. Das macht Dirk auch, hat er mir gesagt.) Und damit war die Sache vom Tisch. War ganz einfach, ungeplant und leicht. Mir geht’s gut damit. Und was lerne ich daraus? Vielleicht soll man manches Ärgernis einfach erstmal so stehen lassen, ohne eine Front zu errichten und zu kämpfen, weil das die gegenseitigen Fronten eh nur erhärtet. Sich lieber zurückziehen, im eigenen Space bleiben, sein Ding machen, ohne über die Angelegenheit zu grübeln, im Vertrauen auf die Er-Lösung. Nur das: sich innerlich mit der Lösung verbinden, auch wenn man keine Ahnung davon hat, wie sie sich gestalten wird. Und nicht meinen, dass irgendetwas auf bestimmte Weise geschehen muss. Intermezzo: kleines, großes Geschenk zum Thema Tod und „Es gehen immer drei“. Ich war bei meiner Freundin Gabi zum Baby-Besuch. Sie hat im August ihr drittes 107 Kind bekommen, einen kleinen Jungen. Wir haben zusammen die Erzieher-Ausbildung gemacht und Gabi erzählte, dass sie sich mit einigen aus unserer Klasse getroffen habe. Eine der Anwesenden, deren Mutter schon seit langem tot ist, erzählte, dass die zweite Frau ihres Vaters nun auch gestorben sei. Sie habe dazu einen schönen Spruch gesagt, sagte Gabi: „Wenn einer stirbt, fallen drei Neue (Sterne) vom Himmel.“ !!!!!!!!!!!! Klasse, oder?!! So ist mein (dummerweise angenommener) Glaubenssatz „Es gehen immer drei“ nicht nur für dieses Mal zufrieden gestellt, sondern für immer erlöst!! Danke liebe Gabi, liebes Leben, für die neue Sichtweise! Ob Ihr’s glaubt oder nicht: Gerade jetzt fährt einer direkt vor unserem Haus und ruft durch ein Sprechrohr: „Alt-Eisen! Alten Schrott! Alte Waschmaschinen!“ Ganz laut! Das war noch nie der Fall! Die fahren sonst nur auf der Hauptstraße entlang und rufen auch nicht durch das verstärkende Sprechrohr, sondern nur so, mit ihrer Stimme und bimmeln mit ihrer Glocke. Ja! Weg mit dem alten Schrott! Braucht kein Mensch mehr, diese einengenden, bedrückenden Glaubensmuster!! Danke! Danke! Danke! Das Leben ist einfach klasse! Meine beiden fehlenden Zähne verlor ich dieses Frühjahr. Sie wurden mir gezogen. Den einen hatte ich mir locker gebissen und der andere wackelte auch arg und sie wären ohnehin beide bald von selbst herausgefallen. Der erste wurde mir am 2. April gezogen, am Geburtstag meiner Schwester, und der zweite am 23. Mai, dem Geburtstag meines Schwagers, ihres Mannes. Spontan, akut, ohne dass ich die Termine vorher gemacht hätte. Ich frage mich, ob, und wenn ja, was, das zu bedeuten hat, aber mir ist noch nichts eingefallen. Ich hörte, dass es früher hieß, nach jeder Geburt würde man mindestens einen Zahn verlieren. Na dann – für Michel gebe ich die zwei Zähne gerne her! 108 „Hattest Du keine Angst?!“ Goldener Oktober. Das Wetter ist so schön und ich war mit Michel im Dorf spazieren. Er im Kinderwagen. Er steht jetzt ganz oft auf seinen Füßen, zieht sich hoch am Couchtisch oder am Sofa. In der letzten Physio-Therapie-Stunde ist er auch ein paar Schritte seitwärts gelaufen. Das waren seine ersten eigenen Schritte! Wenn wir, hauptsächlich sein Opa, mit ihm laufen üben, ihn unter den Achseln halten, dann wirft er schwuppdiwupp! seine Füße hoch in die Luft, wie die Marionetten in der Augsburger Puppenkiste. Der kleine König Kallewirsch ist ein Scheiß gegen Michel! In der Physio-Therapie-Praxis haben sie so eine Sportbank, wie sie in den Turnhallen stehen. Die ist nicht sehr hoch und Michel kann sich darauf gut mit seinem Oberkörper abstützen und in dieser Position selbstständige Schritte machen, seitwärts erstmal, immer dem Spielzeug hinterher, mit dem ihn die Therapeutin lockt. Es ist so wunderbar mit Michel! Jetzt sitzt da so ein kleiner Kerl unter dem Küchentisch und reicht mir sein Spielzeug hoch, Ringe, Bälle und Töpfchen, und freut sich, wenn ich sie ihm abnehme und ihm dann wiedergebe. Oder er kommt angekrabbelt, schmiegt sein Köpfchen an mein Bein und macht „ai“ mit einem hohen, feinen Stimmchen. Oder er kommt mit einem Bilderbuch und möchte das mit mir zusammen betrachten. Wenn ich morgens im Bad bin, sitzt er manchmal vor der umfunktionierten Gartentür, die Dirk in den Türrahmen der Küche eingebaut hat, damit Michel nicht in den Flur krabbelt wegen des heißen Ofens, der Treppe und der Tierhaare, und wartet auf mich. Er spielt derweil, z.B. wirft er sein Spielzeug durch die Freiräume zwischen den Holzlatten, oder er streichelt eine unserer Katzen, die vor der Tür im Flur liegt – „ai!“. Wenn ich aus der Badezimmertür schaue, mal kurz um die Ecke sehe zu meinem Michel, und ich winke ihm, dann winkt er mir zurück und lacht! Das ist so schön! Da geht mir jedesmal das Herz auf! Wir haben gerade eine sehr gute Zeit. Auch Dirk und ich. Es ist ruhig und schön. Dirk hat bei der Zeitarbeitsfirma einen Auflösungsvertrag unterschrieben und ist nun wieder arbeitslos gemeldet. Wir dachten, das sei besser, als von knapp 900 Euro 60 % Krankengeld zu bekommen. Mal sehen, wie sich das mit dem Geld nun gestaltet. Es ist sowieso alles am zusammenbrechen. Die Banken krachen zusammen. Heute steht zwar in den Nachrichten im Internet, dass die Börsianer aufgrund eines Rettungspaketes wieder jubeln, aber ich vermute, das ist nur eine Aufschiebung. Das geht vielleicht ein, zwei Wochen, wenn überhaupt, dann wird der Zusammenbruch weiter voran schreiten. Das Alte zerfällt. Es ist ins Rollen gekommen. Das ist jetzt einfach so. Und ich bin sehr froh darum! Der Kapitalismus zerfällt. Ist doch wunderbar!! Und das ist nicht der einzige alte, einengende, beklemmende, kleinmachende Scheiß, der wegfällt! Ich habe gar keine Angst. Jetzt nicht wegen der 109 Banken-Crashs, deswegen sowieso nicht. Auch nicht wegen unserer persönlichen Lage. Als Dirk den Aufhebungsvertrag unterschrieben hatte, an einem Freitag, dachte ich, obwohl ich dem Ganzen zugestimmt hatte, dass ich möglicherweise im Laufe des Wochenendes von Sorgen befallen werden könnte, ob er denn aufgrund dieses Aufhebungsvertrages überhaupt gleich Geld vom Arbeitsamt bzw. von der Job-KOMM erhält. Am Montag hatte er dort einen Termin. Aber nichts war! Kein Aufwachen des Nachts und Kopf-Kino am losrattern. Ich habe gar nicht daran gedacht. Und überhaupt mache ich mir keine Sorgen mehr. Mir ist aufgefallen, dass das verschwunden ist. Das ist prima! Morgen hat Dirk wieder einen Termin bei seinem Hausarzt. Wenn die Entzündung in seinen Stirnhöhlen (oder wo? Vielleicht auch in der Nase. Ich weiß es nicht genau.) abgeklungen ist, soll er ins Krankenhaus und seine Nasenscheidewand operiert bekommen. Die Sonne kommt durch, durch den Herbstnebel. Ich hätte Lust, einfach locker weiter zu erzählen, vom Äpfel-lesen letzte Woche, von unserem Sonntags-Ausflug gestern und von meiner eigenen Tarot-Session. Aber: Michel erwacht aus seinem Mittagschlaf. Das heißt: Schreib-Pause machen. Und dann werde ich mich zuerst dem Thema der Überschrift zu diesem Kapitel zuwenden. See you later, alligator. – In a while, crocodile! Nächster Tag, gleiche Zeit, Michel schläft. – Das Wetter war also so schön und wir waren spazieren, mit dem Kinderwagen unterwegs, Michel und ich. Wir waren auf dem Spielplatz schaukeln, haben Leute getroffen und geplaudert, waren bei Oma/Mama, die auf dem Friedhof die Gräber herbstlich bepflanzte. Auf dem Nachhauseweg trafen wir Nachbarn, die ein paar Häuser weit weg wohnen und sich gerade in ihrem Garten aufhielten. Wir grüßen uns meistens nur im Vorübergehen, ohne dass wir zum Gespräch beieinander stehen bleiben. Der Mann, als er uns kommen sah, kam an den Gartenzaun gelaufen und rief mir zu, ob der Hund wieder abgeholt sei. Der Hund aus dem Unfallwagen. Ich sagte ihm, dass unser Gemeindepfarrer mit der Frau des Verunglückten den Hund nachmittags abgeholt hätte. Er sprach noch etwas über den Unfall, sagte, dass er den Hergang dieses Unfalles nicht hätte glauben können, wenn es ihm jemand erzählt und er es nicht selbst gesehen hätte. Währendem kam seine Frau hinzu, die uns da hatte stehen 110 sehen. Sie fragte mich das Gleiche, ob der Hund abgeholt worden sei, und ich gab noch mal die gleiche Antwort. Dann fragte sie: „Hattest Du denn gar keine Angst?“ Ich sagte „Nein“ und dass der Hund so traurig gewesen sei und so geschockt. … - … - … - Während ich das schreibe, bekomme ich einen Kloß in den Hals und Tränen hinter die Augen, über die Nase. Was haben die Leute?! Angst, wenn jemand Hilfe braucht? Die schauen noch durch ihre Brille „größerer Hund = Angst“, wenn dieser Hund eine Stunde im Unfallwagen eingeklemmt war, sein Herrchen tot und der Hund selbst völlig verschreckt und verschüchtert ist. Selbst Dirk, als der Hund schon eine Stunde bei uns im Hof gelegen und wir ihn gestreichelt hatten! Findus, unser Kater schmuste um den Hund herum und legte sich zu ihm und Dirk rief plötzlich: „Findus, lass das!“ und jagte ihn weg. Ich war ganz erschrocken und fragte, was Findus denn gemacht habe. Dirk antwortete: „Du weißt doch nicht, wie der Hund auf Katzen reagiert! Nicht dass er Findus beißt!“ Eigentlich ist es ja witzig, oder? Wie kleine Kinder, die fünf Minuten lang einen Hund streicheln und dann den Besitzer fragen: „Beißt der?“ Findus hat die Lage gecheckt und sich angemessen und liebevoll verhalten, er hat dem fremden Hund seinen Beistand und Trost geschenkt, während Dirk sich von seinen „Hallus“ hat leiten lassen. Halluzinationen. Der Mensch stellt sich etwas vor und meint es sei so. Aber wie ist es wirklich? Für den Menschen jedenfalls so, wie er es sich erschafft. Folgendes Gedicht habe ich im Internet gefunden: Helga Kurowski Das Krokodil und der Dachs Es war einmal ein Krokodil das war uralt und wusste viel. Den Tieren allen, nah und fern, erzählte es sein Wissen gern. Da kam ein junger Dachs daher und schrie: ,,Dein Hirn ist mir zu leer! Ich weiß es besser, hab' studiert! Mach Dich vom Acker! Los!! - Kapiert!!!" 111 Das Krokodil jedoch war weise, es schliff die Zähne sich ganz leise. Und ohne noch mal was zu sagen, verschwand der Dachs in dessen Magen! © Helga Kurowski Tja! Wenn man einfach alles auffressen würde, was einem nicht passt. In bestem Wissen und Gewissen natürlich, nicht aus Willkür. Fressen, Verdauen, kleiner Rülpser, Ausscheiden. Fertig. Das war’s. – Jetzt mal wirklich! Vielleicht sollte ich das symbolisch so machen! Alles, was mir ein Ärgernis oder Hemmnis ist oder was mir Angst macht, schmiere ich mir auf’s Brot, mache mir ein Schnittchen daraus, garniere es mit Petersilie und verspeise es. Damit ist die Sache gegessen. Vor ein paar Jahren war ich auf dem Hessentag in Bad Arolsen. Dort gab es an einem Stand viele, viele Buddhas, große, kleine, in vielen verschiedenen Positionen, alle fröhlich lachend. Ich betrachtete sie mir, in der Absicht, einen zu kaufen. Plötzlich stand ein kleiner Junge hinter mir und fragte mich: „Weißt Du, warum Buddha so dick ist?“ Er gab auch gleich die Antwort: „Weil er das ganze Leid der Welt aufgegessen hat.“ „Dafür sieht er aber ganz schön fröhlich aus“, erwiderte ich, aber als ich mich zu dem Jungen umdrehte, war er schon wieder verschwunden. – Ich habe mehrere kleine Buddhas gekauft. Die stehen jetzt bei mir in der Wohnung und jedesmal, wenn ich sie ansehe, steckt mich ihre Fröhlichkeit an. Und der Dachs? – Vielleicht kann man den Dachs aus der Nacht meines DrogenSelbstversuches ja auch anders deuten. Was ist der Segen dieser scheinbaren Negativität? Vielleicht war das nicht meine Angriffslust, die ich mir nicht zugestehe, die da überfahren auf der Straße lag, sondern eine andere Angriffslust, die Angriffslust der Sucht. Sie ist tot. Meine Sucht ist tot. Das ist gut. So long – farewell – good byyyyeeee 112 Die Wut und das Lachen Kann es sein, dass ich mein „Liebes-Kind-Sein“ dermaßen anerzogen bekommen habe, dass sich die Konditionierung „Du-darfst-nicht-böse-sein“ in meinen Zellen so verankert hat, dass ich meine Wut gar nicht mehr spüre? Verzweiflung schon, Hoffnungslosigkeit, angesichts mancher Gegebenheiten, aber Wut? Hoffnungslosigkeit gegenüber Willkür, Verzweiflung gegenüber Verrat, aber Wut? Ich habe früher immer gelächelt und gelacht, und mache das manchmal immer noch, wenn ich meinem Gegenüber lieber sagen würde: „Halt die Klappe!“ Ja. Manchmal würde ich einfach das gerne sagen. In einem Film mit John Cleese sagt er in MonthyPyton-Manier: „Ach halt doch die Klappe“ und wendet sich ab. Und genau das würde ich angesichts, besser gesagt angehörs, dessen, was manche Menschen gelegentlich von sich geben, auch tun. Stattdessen lächele ich und lasse sie reden und höre es mir an. Den akustischen Müll, den manche absondern. - Aber: Es hat sich schon gewandelt. Drastisch, möchte ich sogar sagen. Ich möchte hier nur noch mal darüber schreiben, weil noch Reste dieses Verhaltensmusters vorhanden sind und die will ich nicht mehr haben!! Das kann natürlich Trennung mit sich bringen. Ich habe mich von FreundInnen und Bekannten getrennt, von denen ich mich zugemüllt fühlte. Bzw. sie haben sich von mir getrennt, nachdem ich gesagt hatte: „Ich will es nicht mehr hören.“ Klagen, Jammern, Sich-im-Elend-suhlen-und-überhaupt-nicht-da-raus-wollen. Wie im Hamsterrad, immer die gleiche Tretmühle. Ich kenne Frauen, die sind seit zehn Jahren und länger von ihren Ex-Männern getrennt. In meinem Beisein haben sie zwei, drei oder vier Jahre dieses Schicksal beklagt und zeitgleich Horrorgeschichten vom Ex erzählt. Sollten sie doch froh sein, dass sie ihn los waren! Bemerkungen meinerseits wie: „Nutz‘ doch das Potential der Veränderung! Sieh, welchen Nutzen Du daraus ziehst, ist doch auch ein Geschenk. Guck, was Du daraus lernen kannst, und auch, was Deine Muster dabei sind.“ Das haben sie sich ja noch angehört. Aber als ich verschiedene Muster benannte, war es aus. Zum Beispiel: „Du bist total in der Opfer-Rolle. Opfer wollen nicht hinsehen, die wollen nur Aufmerksamkeit und Mitleid.“ oder: „Was man im Außen kritisiert, hat man in sich selbst nicht gelöst. Da muss man sich mal an die eigene Nase fassen.“ Sowas wollten sie nicht hören und damit war’s das dann mit unseren Freundschaftsbeziehungen (bis jetzt). Und das ist auch gut so, denn sie haben immer noch die gleiche Leier drauf, wie ich durch gemeinsame Bekannte weiß. Manchmal sage ich auch gar nichts dazu, wenn jemand in meinem Beisein mal wieder in seinem zwanzig Jahre alten, mitgeschleppten inneren Müll wühlt. Weil ich keine Lust mehr habe, zu versuchen zu helfen oder etwas zu bereinigen. Die wollen das ohnehin nicht. Ich werde dann für meine Bemühungen auch noch angegriffen. Die 113 wollen lieber auf ihrer inneren Müllhalde sitzen bleiben. Es macht keinen Sinn, zu missionieren. Jedenfalls schüre ich nicht mehr das Feuer indem ich meine, ich müsste andere in dem, was sie sagen, bestätigen. Dieses Verhalten hatte ich nämlich auch mal. Wahrscheinlich auch eine Folgeerscheinung meines Liebes-Mädchen-Syndroms. Wie schrecklich! Aber wenn ich daran denke, wird mir auch bewusst, dass ich doch schon ganz schön viele Befreiungsschritte gegangen bin. Gott sei Dank! Und dieser Wunsch, anderen zu sagen: „Halt die Klappe!“ Bin ich das? Oder ist das eher etwas Übernommenes, dass ich meine, so muss man es machen! Oder ein Ideal, dass ich Menschen, die so direkt sein können, bewundere. Das entspricht vielleicht gar nicht meinem Naturell, oder? Vielleicht sollte ich einfach mich anerkennen, die Art und Weise, wie ich mit den Dingen umgehe. Das erscheint mir immer wieder das Allerwichtigste zu sein. Es ergeben sich dennoch gelegentlich Begegnungen und Konstellationen, in denen einer oder mehrere den ganzen Abend lang Mist reden. Jammern und sich beschweren (sich beschweren!) über „die Umstände“, die „Gesellschaft“ (das ist man doch selbst! Das sind wir! Ich und du.), die Politiker, über Ausländer, Männer, Frauen, Jugendliche, Terroristen … - by the way: meine Vermutung ist: Osama Bin Laden ist keine reale Person. Den gibt es gar nicht. Er wurde erfunden, kreiert, als Feindbild. Auch die Terroranschläge in den USA, auf’s World-Trade-Center und was sonst noch war, empfinde ich irgendwie als selbstgemacht, um wieder ein dickes, fettes AngstFeindbild zu haben gegen das man Krieg führen kann. So sehe ich das. … - Aber: Dabei kann ich mir auch die eigene Nase halten. Ich habe auch Feindbilder. AngstFeindbilder. Angst vor anderen Menschen. Selbstgemacht? - Und was ist es sonst, was hinter dem „Mist-reden“ dahinter steckt, als Angst? Also muss ich mich jetzt gar nicht weiter darüber auslassen, über die anderen, sondern bleibe bei mir. Bei meiner Angst. Angst vor Mangel? Vor Bedrohung? … Wovor? Wovor habe ich Angst? Ich hatte immer Angst vor Menschen. Sonst eigentlich vor nichts. Nein. Sonst vor nichts. Wovor soll man Angst haben? Es ist alles in bester Ordnung. Aber vor den Menschen hatte ich Angst. Früher schlug ich beim Gassi-gehen immer einen anderen Weg ein, wenn ich jemanden kommen sah, um dem nicht zu begegnen. Ja, das stimmt. Im Grunde habe ich vor nichts Angst. Nur vor den Menschen. Das macht mich gerade ganz traurig. Jetzt, in erster Linie, wegen dem, was Menschen auch alles für eine Scheiße fabriziert haben. Was sie den Tieren antun, ihrer Umwelt, der Natur und sich untereinander. Aber auch um die Menschen selbst reißt es mir gerade im Herzen. Warum tun wir das? Warum sind wir so? Lieblos, 114 achtlos, ängstlich. Woher kommen Neid und Eifersucht, Niedertracht und Gewalt? Sind wir so geworden, um das Schlimme zu erlösen? Um das Böse kennenzulernen, uns selbst, wenn wir selbst so sind, um uns lieb zu gewinnen, alles mit einzubeziehen, damit es durch (Selbst-) Erfahrung und (Selbst-) Liebe erlöst wird. Irgendwie so? Aber was macht das für einen Sinn, das Schlimme, warum gibt es das? Das kann ich nicht wirklich verstehen. …-…-… Es wandelt sich. Nachdem mir aufgefallen ist, dass ich mich nicht mehr sorge, wird mir neuerdings gewahr, dass mein Widerstand gegenüber anderen Menschen zu schwinden scheint. Vorbehalte, Bilder aus vergangenen Begegnungen, Verweigerung – löst sich auf, während der aktuellen Begegnung, während des Gesprächs. Ich lasse sie in mein Herz. Oder vielleicht eher: Ich bin einfach aus meinem Herzen heraus. Offen. Integer. Einfach. In der vergangenen Woche ist mir das bei zwei Leuten aufgefallen, gegen die ich Vorbehalte hatte. Ich bin ihnen begegnet, einem persönlich und mit dem anderen habe ich telefoniert, und ich merkte, wie die Vorbehalte weg waren. Ich habe mich ganz auf sie eingelassen. Und mir ging es gut mit ihnen. Das waren schöne Begegnungen. Nachhaltig und dennoch vorbei, als sie vorbei waren. Da hängt nichts nach. Trotzdem war es bereichernd. – Wie soll ich das sagen? – Es ist dann vorbei und so ist es gut. … Das ist noch so etwas, was mir z. Zt. gewahr wird: Ich sehe etwas, das ist wunderschön und dann ist es vorbei und es ist gut so. Es hängt nichts nach. Ich will es nicht wieder haben, freue mich nicht auf ein nächstes Mal und denke nicht: „Schade, dass es vorbei ist.“ Michel ist wach. Er lacht, mit seinem Papa, der gerade hereingekommen ist. Michel zeigt seine Wut. Wenn etwas nicht klappt, wird er zornig oder quengelig. Ich lasse mich jetzt ein bisschen von Michel inspirieren. Von Dirk auch! Der schimpft auch, wenn ihm was nicht passt. Ich will ihn dann immer beschwichtigen. Ich Depp! – Erkenntnis des Tages: Wut braucht auch ihre Daseinsberechtigung. Ich gestehe Dir Deinen Platz jetzt zu, Wut, im Leben. Du darfst sein. 115 Der Borsdorfer Apfel und das Paradies Wie ist das denn nun mit dem Baum der Erkenntnis? Mit der Geschichte vom Paradies? Vertreibung durch Gott ist Schwachsinn. „Ihr dürft Euch alles nehmen, von allem essen, nur von diesem einen Baum nicht.“ Das ist ja wie: „Denke jetzt bloß nicht an einen rosa Elefanten!“ Vielleicht haben wir uns selbst ein Bein gestellt, vielleicht war da der Coyote am Werk, das indianische Krafttier, der kosmische Trickser, der andere hinter’s Licht führt und dabei selbst immer wieder in seine ausgehobenen Gruben fällt. Aber genau das bringt ihn letztendlich auch zu seiner inneren Weisheit und Wahrheit. „Hinter das Licht führen“, das ist auch etwas, was ich nicht verstehe, was ich nicht nachvollziehen kann. Wie kann man jemanden „hinter das Licht“ führen? „Wo Licht ist, ist auch Schatten.“ Wo Licht ist, ist kein Schatten. Wo Licht ist, ist Licht, sonst nichts. Ich weiß das, weil ich weiß, dass ich woher komme, wo nur Licht ist. Daran konnte ich mich als Kind erinnern. Weißes Licht, sonst nichts. Und was ist an der Dunkelheit eigentlich schlimm? Ich habe ein schwarzes Loch in mir. Vor einigen Jahren habe ich davon geträumt. Ich bin im Traum hineingefallen. Ich ging im Traum durch einen Wald, herbstlicher Wald, viele Blätter auf dem Boden. Plötzlich machte es plumps, ich war durch den Boden gefallen, durch die Blätter und befand mich im schwarzen Raum. Kein Boden unter mir, keine Wände, nichts zu tasten, alles schwarz. Ich fiel aber auch nicht, ich war einfach in diesem Raum. Zur Zeit dieses Traumes machte ich in einer Frauengruppe Gestalttherapie, wir trafen uns mit der leitenden Psychologin jeden Mittwochabend. Dieses schwarze Loch hatte mich so beeindruckt, dass ich in der Therapie damit arbeitete. Dabei wurde mir bewusst, dass ich keine Angst in dem Loch hatte und dass ich es auch nicht mit irgendetwas auffüllen will. Das Ur-Loch, das Nichts, darin alles (und nichts) enthalten ist, das Potential, das Vertrauen. Dieses schwarze Loch ist mein Vertrauen. Nicht wissen, absolut nichts, und doch vertrauen und irgendwie geborgen sein. Ich bin froh, dass ich weiß, dass ich es habe, dass es in mir ist. Vielleicht verhält es sich so mit dem Schlimmen: Wir haben uns selbst eine Aufgabe gestellt, von der wir wissen, dass wir sie nicht lösen können: „Denke jetzt an keinen rosa Elefanten!“ „Wenn Du es tust, fliegst Du raus, aus zuhause, aus dem Paradies!“ Das war der Witz. Es ist so absurd, rauszufliegen, aus dem Paradies – es ist, wie lebend den eigenen Körper zu verlassen, es geht nicht. Das Beispiel ist vielleicht schlecht, weil das ja geht. Irgendetwas, was nicht geht. Was für uns klar war, dass es nicht geht. Das war das Augenzwinkern, das: „He, stimmt doch gar nicht!“ Aber dann haben wir unseren eigenen Schabernack geglaubt. Wir haben geglaubt, wir hätten eine Missetat begangen und müssten dafür bestraft werden. Oder wir haben noch eins draufgesetzt und wollten sehen, ob wir uns dann immer noch lieb haben, wir 116 uns selbst, wir untereinander. Z.B. haben wir dann noch unseren Bruder umgebracht. Wenn ich so böse bin, liebst Du mich dann auch noch? Ein Selbstversuch dieser Art. Aber wir haben uns verheddert. Wir haben es mit der Angst bekommen und sind davon gelaufen. – Jetzt sind wir uns am Wiederfinden. Untereinander und uns selbst. „Der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“. Vielleicht war das ja schon der brüllende Witz: „Gut und Böse! Ich lach‘ mich tot! Der ist gut! Gut und Böse!“ Weil es kein Gut und kein Böse gibt, keine Unterscheidung zwischen besser und schlechter. – Und dann sind wir uns in die eigene Falle getappt. Die gar keine war. Aber wir haben trotz allem so ein schönes Spiel daraus gemacht, dass alle, die bisher nur zusahen, Engel, das jetzt auch spielen wollen. Die wollen alle mal Mensch werden. Weil wir es eben auch geschafft haben: uns da herauszulieben. Uns anzunehmen. Alles. Wir können stolpern, straucheln, fallen – deshalb sind wir nicht schlecht, wir machen keine Fehler. Oder so gesagt: Wir dürfen Fehler machen, deshalb sind wir nicht schlecht. Strafen bringt gar nichts. Nur lieben hilft. Das wissen wir jetzt. Vielleicht haben wir es vorher nur geahnt, aber jetzt wissen wir es. Deshalb die Inszenierung. …-…-…- Komm, komm, wo immer du gerade bist! Wanderer, Andächtiger, Liebhaber des Abschieds. Es spielt keine Rolle. Unsere Karawane ist kein Ort der Verzweiflung. Komm, komm, selbst wenn du deine Gelübde schon tausendmal gebrochen hast. Komm, komm trotzdem wieder, komm! Inschrift auf dem Grab von Jellaladin Rumi …-…-…Borsdorf ist mittendrin im Geschehen, in der göttlichen, dramatischen Komödie. Der Borsdorfer Apfel, die paradiesische Frucht. Vielleicht war genau hier der Garten 117 Eden. Und ist es noch. Die ganze Erde ist der Garten Eden. Und wir erkennen einander wieder als das, was wir sind. Das Spiel von Gut und Böse ist für uns zuende. Wenn Du es nicht mehr spielen willst, dann beende es. So weit, so gut Gestern, als ich das vorhergehende Kapitel zuende geschrieben hatte, regte sich in mir eine Empfindung, dass dieses Buch hier zuende geht. Ist es fertig? Halb-fertig? Ich könnte noch Wochen und Monate weitererzählen, aus unserem Leben und meiner inneren Welt. Aber wann ist es dann zuende? Fertig? … - Dirk sagt immer: „Wenn ich hier fertig bin … dann ….“ Dann machen wir all die schönen Sachen, die wir jetzt nicht machen, so in dem Sinne. Ich finde, das ist Blödsinn, denn jetzt ist das Leben. Ich will jetzt alles machen. Und deshalb muss/will/tu ich’s einfach: aufhören, es auf den Weg bringen und dann weitermachen. Punkte setzen, Pausen machen. Rhythmen. Dieses Lied klingt hier aus. Möglicherweise ist es eine Überlappung und ich schreibe nach diesem Abschlusskapitel gleich weiter, weil’s so schön ist. Kann sein. Vielleicht schreibe ich auch eine Weile nicht und koche stattdessen jeden Tag was Leckeres, wenn Michel schläft, oder mache Fußbäder und tanze. Vielleicht schreibe ich auch ein Kinderbuch. Mir geht da schon was im Kopf rum, aber es ist nur der absolut äußere Rahmen. Wer weiß. Oder ein Drehbuch. Ich wollte immer einen Film machen. Ja. Meine Träume. Und Sehnsüchte. Das, was mich im Innern so berührt, so anrührt. Ich habe mich auf den Weg gemacht. Ich will jetzt auch einfach wissen, ob ich es zuende bringen kann. Ob ich das, was ich hier geschrieben habe, zur Veröffentlichung bringen kann. Ob es jemand kaufen und lesen will. Jedenfalls: Wenn Du, der Du träumst/die Du träumst, selbst zu schreiben, das hier liest, am Ende eines Buches, das Du in der Hand hältst, dann schreib‘! Mach’s! Du siehst, es geht! Dir wird es auch gelingen. Oder was sonst Dein Traum ist – mach’s! Wag‘ Dich! Probiere die neue Rolle einfach aus. Du wirst sehr gut darin sein! Wenn es Dein Herzenswunsch ist, dann wirst Du es sehr gut machen. Dessen bin ich gewiss. Und Dir selbst wird es unendlich gut tun. Dirk sagt auch, dass er mit fünfzig nichts mehr bauen will. Da will er „fertig“ sein. Er wird nicht aufhören zu bauen, dessen bin ich auch gewiss. Wenn er es, bis er fünfzig ist, wirklich geschafft haben sollte, hier am und um’s Haus alles nach seinen Vorstellungen zu gestalten, dann wird er irgendetwas anders anfangen, woran er basteln kann, weil er das braucht. Alles ist jetzt. „Wenn wir fünfzig sind“, das gibt 118 es in Wirklichkeit nicht. Wenn wir fünfzig sind, dann sind wir es auch jetzt. Vielleicht ist auch nie der perfekte Zeitpunkt, etwas zu beginnen oder etwas zu beenden. Aber wenn man es tut, dann ist es der richtige Zeitpunkt dafür. Als ich schwanger war und Dirk hier einzog, als ich im Bett liegen musste, nichts tun konnte, als Flur und Bad in Schutt und Asche lagen, alles weggehauen war, weil alles neu werden sollte, selbst die Kloschüssel war zwei Tage lang nicht vorhanden, stand an einem dieser Tage in meinem Mond-Kalender: „Lieber unvollkommen beginnen als immer vollkommen zögern.“ Der richtige Zeitpunkt ist nie, aber wenn wir es tun, dann ist es der richtige Zeitpunkt. Die perfekten Umstände wird es nie geben. Und dennoch ist alles perfekt, vollkommen. Wir sind immer und überall zur rechten Zeit am rechten Ort, ganz bestimmt. Draußen, Dirks Baustelle, ist auch nicht fertig, d.h. manches ist fertig und manches noch nicht. Hier drin im Haus eigentlich auch, manches ist neu und manches ist alt. Aber schön aufgeräumt haben wir alles. Ganz viel alten Krempel, den ich über Jahre in irgendwelchen Ecken verstaute, haben wir entsorgt. Ent-sorgt. Dirk hat sich bei seinem Umzug auch von sehr vielem getrennt. Und ich glaube, so ist es überhaupt gerade auf der Welt. Ent-Sorgung. Das Ende der Sorgen. Wir brauchen uns nicht mehr zu sorgen, weil eine neue, wunderbare Zeit anbricht, bzw. die Zeit aufhört. Wir sind am Ende der Zeit angelangt. Das Alte zerfällt. Angefangen beim Kapitalismus. Das wird alles mit sich reißen, was uns gefangen hielt. Der Anfang des Neuen ist da und das Ende des Alten auch noch. Es überlappt sich. Damit nichts offen bleibt: Letzten Sonntag, vorletzten, habe ich meine eigene Tarot-Session gemacht. Utas Einladung für den Oktober war per E-Mail gekommen. Immer noch 25,- € pro Sitzung. Vielleicht sollte ich ihr sagen, dass mir das zu teuer ist und sie fragen, ob sie wieder auf 23,- € geht? Vielleicht ist das mit dem Preis auch einfach ein äußerer Anstoß für eine Entwicklung, die bei mir ohnehin gerade anstand. Ich habe meine eigene Tarot-Sitzung gemacht und das war sehr schön. Bei Uta, das ist auch immer sehr schön und tut mir sehr gut. Das jetzt war einfach nur ich. Meine Weisheit. Das Thema diesen Monat war „Zielsetzung“. Ich habe über die Jahre alle Unterlagen von Uta aufbewahrt und ich holte alles heraus, was ich von ihr zum Thema Zielsetzung, Vision, Absicht, Samen-setzen habe. Es war interessant, nachzuvollziehen, was ich im Laufe der Jahre für Karten gezogen hatte und wie sich die Dinge in meinem Leben entwickelt haben. Voll interessant! An diesem Sonntagnachmittag sagte ich Dirk, dass ich mich gerne eine Weile zum Tarot zurückziehen möchte. Ich schrieb mir meine eigene Legeweise, hatte Musik und Kerzen an, zog meine Karten und lauschte meiner inneren Weisheit. Die sprach klar und deutlich, in leisen Tönen, aber ganz kraftvoll. Das war ein schöner Nachmittag. Im Laufe meiner Sitzung wurde es dunkel. Vorher, am frühen Nachmittag, waren wir drei unterwegs gewesen. Es war ein nebliger Tag und der Dunst hielt sich zäh. Wir 119 wollten eine Glückwunschkarte wegbringen. An einer Straßenkreuzung bogen wir spontan in die entgegengesetzte Richtung ab, die wir eigentlich fahren wollten, und fuhren in den Vogelsberg, Richtung Hoherodskopf. Ich wollte sehen, ob dort vielleicht die Sonne schien. Es sah nicht so aus. Kurz unterhalb des Gipfels war immer noch Nebel. Aber dann, als wir ganz oben waren: Die Spitze lag im strahlenden Sonnenschein! Jede Menge Leute waren da! Wir wunderten uns, wo die alle herkamen, denn unterwegs hatten wir kaum jemanden getroffen. Zum Glück hatten wir den Kinderwagen im Auto. Den packten wir aus und gingen spazieren. Und das war total schön. Michel schaukelte da oben auf dem Spielplatz zum ersten Mal alleine in einer Klein-Kinder-Schaukel und wir aßen Pommes und Curry-Wurst. Vielleicht fahre ich im November mal wieder zu Uta. Und frage sie auch nicht, ob sie ihren Preis senkt. Ist okay. Beim Korrekturlesen hatte ich bei verschiedenen Textpassagen das Gefühl, dass sich die Thematik, dadurch, dass ich darüber geschrieben habe, verwandelt hat. Mein Männerthema z.B., ich glaube, ich habe nichts mehr gegen Männer. Meine innere Kritik an ihnen schweigt. Ich sehe sie nur. Keine Stimme in mir, die anfängt: „Sieh dir den bloß an, was der hat, tut oder nicht tut!“ Vielleicht hat alles, worüber ich geschrieben habe, Erlösung gefunden. In mir … und in meiner Welt. Unser Konto ist im Plus. Wisst Ihr was? Ich glaube, das bleibt es jetzt auch. Macht’s gut, Leute. Vielleicht treffen wir uns mal wieder. See you later, alligator. – In a while, crocodile. 120 Das Buch im Buch Die folgenden Kapitel schreibe ich in der Reihenfolge, in der sie beim Schreiben und nach Beendigung des Buches in mir auftauchten, in meinem Leben und in meinem Bewusstsein. Deshalb verzichte ich bei der Erwähnung der sieben Raben im Kapitel „Drei Wege“ oder wenn ich über Michel oder vom Down-Syndrom schreibe auf einen Verweis auf dieses „Buch im Buch“, um Verwirrungen vorzubeugen, weil meine Schwester und meine Mutter im Text später erscheinen. Zwei Schwestern Als das Buch fertig war und ich die verschiedenen Kapitel an die Menschen, die darin vorkommen, verschickt hatte, mit der Frage, ob ich ihre Namen lassen darf, antwortete mir meine Schwester, dass das, was ich geschrieben habe, sehr direkt und offen sei, dass sie beim Lesen einige Male zusammengezuckt sei und dass sie noch nicht wisse, ob sie ihren Namen derart in einem Buch veröffentlicht sehen wolle. Sie wollte das nochmal überdenken. Diese Kommunikation zwischen uns fand per E-Mail statt. Ich hatte meinerseits ein Antwortschreiben für sie verfasst und wollte es losschicken, mit abschließenden Sätzen im Sinne von: „Ja, schlaf‘ nochmal drüber. Und lies es auch noch mal durch. Vielleicht ist Dir das, was Dich betroffen hat, so in die Glieder gefahren, dass Du die Lösungen überlesen hast.“ Aber bevor ich fertig geschrieben hatte, weinte Michel und ich ging in die Küche und gab ihm Brei. Wie gut! Denn während ich da mit Michel saß und ihn fütterte, sickerte in mir der Gedanke durch, dass Daniela gar nicht so unrecht hatte. Manche Stellen, an denen ich von ihr geschrieben hatte, brachten Trotz und Widerstand gegen sie zum Ausdruck. Das hätte ich von jemand anderem geschrieben auf mich gemünzt auch nicht gerne gelesen. Da war irgendeine Barriere, eine Blockade, die nicht meine Liebe zu ihr zum Ausdruck brachte, 121 sondern mein anerzogenes Konkurrenzdenken. (Dass ich das überhaupt hatte, wurde mir auch erst im Zuge dieses Briefwechsels bewusst. Das war mir vorher gar nicht klar.) Nicht sie sollte das Ganze noch einmal überdenken, sondern ich. Der Rat mit dem „Schlaf‘ noch mal drüber“ war also für mich selbst am geeignetsten. Mir wurde auch bewusst, dass ich mich schon beim Schreiben dieser einen Textstelle unwohl gefühlt hatte, unfrei, im Widerstand. Und mir war die Befreiung nicht gelungen, wie beim Schreiben über andere Themen im Buch. Als Michel zuende gegessen hatte, schrieb ich Dani, dass ihr Unbehagen begründet sei und dass ich das Ganze nochmal überarbeiten wolle. An dieser Stelle hier wollte ich nun diese erste Version des Textes, in dem es um Dani geht, aus dem Kapitel mit „Prinz Albert“ einfügen, aber gelöschte Textpassagen finden sich im Papierkorb des PC nicht wieder. Also abhaken. Das Alte nicht rekonstruieren. Warum auch. Warum sollten wir zurückgehen ins Enge, wenn es uns gerade gelungen ist, eine Tür zu öffnen und hinaus zu treten ins Weite, Befreite. Es tut so gut hier. Deshalb lasse ich mich jetzt auch nicht mehr groß aus über die alten Konditionierungen, über das Verhalten unserer Eltern, das bewirkt hat, dass wir beide jede den Eindruck hatten, die Andere sei die Bevorzugte, der Anderen würden Freiräume und Chancen gewährt und man selbst sei die Ungeliebte und käme zu kurz. Vielleicht haben unsere Eltern gedacht, wenn sie uns Anerkennung und Lob vorenthielten, würden sie uns zu größeren Leistungen anspornen. Vielleicht haben sie sich auch gar nichts gedacht. Vielleicht sind sie einfach nur in einem vorgegebenen Hamsterrad weitergelaufen, ohne innezuhalten und sich ihre Kinder zu betrachten. Ihre zwei Mädchen. Vielleicht haben sie uns schon deshalb nicht richtig angesehen, weil wir Mädchen waren und keine Buben. Sie hätten so gerne einen Stammhalter gehabt! Sie schnitten uns die Haare kurz. Und vielleicht schnitten sie sich damit selbst von etwas ab. Sie nahmen uns nicht vollends an, als die, die wir waren. Sie haben uns gar nicht richtig angesehen. … Jetzt bin ich doch drin, im Alten. Sie haben uns nicht vorbehalt- und grenzenlos in ihr Herz geschlossen. Sie enthielten uns etwas vor: volle Kanne Elternliebe, Begeisterung über ihre wunderbaren Kinder. Aber, jetzt mal im 122 Ernst: Wenn wir Jungens gewesen wären, hätten wir es dann bekommen? Hätten wir, geboren in den 60er Jahren, bedingungslose Liebe bekommen, wären wir freudig willkommen gewesen einfach für das, was wir sind? Vielleicht wäre ein Penis auch kein Garant für Liebe und Anerkennung gewesen. Er wäre es nicht gewesen. Ich weiß es. Auch mit Penis hätte man Erwartungen der Eltern erfüllen sollen. Dann vielleicht noch viel mehr. Als Kind habe ich meine Schwester heiß und innig geliebt, abgöttisch. Diese Liebe verschwand mit dem Größerwerden im Untergrund; Liebe wurde in unserer Familie nicht gepflegt, eher eine Ideologie des Ansporns: Andere wurden mir zum Vorbild gehalten. Das hat in mir bewirkt, dass ich mich als falsch und nicht gut genug befand. Und vielleicht ging es meiner Schwester ähnlich. Auch sie wurde mir zum Vorbild gehalten … - … - Als meine Mutter mir vor einigen Jahren einmal sagte, meine Schwester meine immer, sie sei zu kurz gekommen, fiel ich innerlich aus allen Wolken. Sie??! Das war doch mein Part! Sie war die privilegierte Tochter und ich das schwarze Schaf. Aber nun hat meine Schwester bestätigt, dass sie das so empfindet. Genauso wie ich. Aber ich höre jetzt damit auf, in unserer Erziehung zu wühlen. Mit meinem inneren Kind habe ich schon vor Jahren intensiv gearbeitet. Ich werde kein Buch mehr darüber schreiben. Wir sind jetzt beide über vierzig. Das heißt: Wir werden langsam erwachsen. „Mit 52 ist man erwachsen“, sagen die Indianer. Meine Schwester studiert jetzt berufsbegleitend. Sie will mehr werden und sie traut es sich jetzt auch zu, sagt sie. Ich habe dieses Buch geschrieben. Ich zeige mich. Das habe ich mich früher nicht getraut. Ich habe mich immer versteckt. Jetzt zeige ich mich. Ich gehöre auch dazu, zum Leben. Ich habe etwas zu teilen, mitzuteilen, zum Teilen. Mir hat das Schreiben dieses Buches Spaß gemacht und gut getan. Ich glaube, ich entdecke gerade etwas von mir selbst, was sehr Meines ist. Ich decke mich selbst auf, ich stülpe mich von innen nach außen. Ich erblühe. Und ich genieße das. Ich genieße mich selbst. Wir gehen beide unseren Weg. Und irgendwie sind unsere Eltern genau die Richtigen für uns. Mama und Papa, Ihr seid genau die richtigen Eltern für mich! Danke! 123 Dani, und Du bist meine allerliebste Schwester! Mama Ich meine auch, dass meine Mutter im Text zu kurz und zu einseitig kommt. Auch der „Durchbruch“ ist nicht da. … - Was kann oder will ich hier noch schreiben? Was will ich einfach auch bei mir behalten? Alles will ich nicht abhandeln in diesem Buch. Manches kann ich auch nicht abhandeln, weil ich es noch nicht erlebt habe. Früher habe ich unter fehlender Nestwärme gelitten. Auch schon, bevor ich sieben Jahre alt war und mein Bruder starb, einen Tag nach seiner Geburt. Vielleicht war meine Mutter schon vorher mit einem Teil ihres Herzens woanders und suchte nach etwas. Ich habe die Menschen, von denen ich geschrieben habe, um Erlaubnis gefragt, ob ich ihre Namen lassen darf. Nur meine Eltern, die frage ich nicht. Ich will, was dieses Buch betrifft, mit Euch nichts ausdiskutieren. Es handelt sich hier um mein Empfinden, um meine Sicht der Dinge, um mein Erleben. Wahrscheinlich seht Ihr manches anders. Auch Dani sieht bestimmt manches anders. Dafür ist jeder er selbst. Und auch die „Abrechnung am Church Hill“ ist ja nicht wirklich eine Abrechnung, denn es gibt nichts abzurechnen. Im Grunde ist alles in Ordnung, so wie es ist. Ich bin im Reinen. Ich liebe Euch. Und ich danke Euch für alles. Vor ca. 20 Jahren hatte ich einen Traum. Ich träumte, dass ich mit meiner Mutter auf einer Straße unterwegs war. Wir konnten nicht miteinander reden, es war so eine „Watte“-Stille, der Raum zwischen uns verschluckte alle Worte. Wir konnten uns auch nicht berühren. Ich streckte die Arme nach ihr aus, aber der Raum trennte uns auch körperlich, ließ keine Annäherung zu. Jede war an ihrem Platz, da war ein gewisser Abstand zwischen uns, aber wir bewegten uns nebeneinander auf der Straße voran. Da war ein riesiger Fernseher am Horizont. Wie die untergehende Sonne spannte sich der Bildschirm über die Straße. Ich wollte nicht dort hinein. Ich wehrte mich 124 mit Händen und Füssen. Ich weinte und sträubte mich und irgendwann lagen wir einander in den Armen, der Fernseher war weg und wir waren beieinander. Alles Trennende war verschwunden und das Einzige, was wirklich war, waren unsere Herzen, voller Liebe. Ich vertraue darauf, dass wir uns von diesem Film, von den Geschichten, die wir in diesem Leben miteinander erlebt haben, nicht verschlucken lassen. Wir werden wieder zueinander finden. Wir finden uns. Die Essenz ist Liebe. … - … - Außerdem: Vielleicht haben es Mütter in Sachen Beziehung auch ziemlich schwer. Von ihnen wird so viel erwartet. So viel bedingungslose Liebe. Dabei sind sie auch „nur“ Menschen, mit ihrer jeweiligen Geschichte, und eine Mutter-Kind-Beziehung ist auch „nur“ eine Beziehung, all dem unterworfen, dem andere zwischenmenschliche Beziehungen auch unterworfen sind. Vielleicht ist die größte Liebe, die es auf Erden gibt, die eines Kindes zu seinen Eltern. Und nicht umgekehrt. Weil ein Kind noch so frisch und rein ist und die Eltern haben schon so viele Jahre Leben gelebt und dabei vergessen, woher sie kommen und wer sie sind und sie meinen, kämpfen zu müssen, wofür oder womit auch immer, anstatt dass sie einfach im Vertrauen sind. Mir fallen auch nach und nach Dinge ein, die wir doch zusammen gemacht haben, z.B. dass Mama mich an ihrem Gobelin hat sticken lassen, oder dass wir, Dani und ich, Montagabends zu ihr ins Bett durften. Wir hörten dann zusammen Radio und wenn Papa kam, legten wir uns „löffelchesweis‘“ hintereinander. Es gab also doch Berührungen. Und auch Mama gibt ihr Bestes. Jedenfalls tut sie es jetzt und bestimmt hat sie es früher auch getan. Und was in meiner Pubertät und wann sonst noch alles schief lief … - es ist auch nicht mehr Sache. Ja, ich wünsche mir mehr Körperlichkeit und Liebe. Ich wünsche mir dieses Miteinander-leben, wie es am Ende des Traumes mit dem Fernseher war und nach dem Wirbelsturm im Tanz-Klassenzimmer: keine Trennungen, keine Hemmnisse mehr, sondern Verbundenheit und Ekstase. Aber dafür ist keiner verantwortlich. Es entsteht in mir. Und es fließt von innen nach außen. Wie alles. 125 … - Und außerdem: weil ich doch so eine Schlafmütze bin, gern lange schlafe und den Schlaf für mein Wohlergehen auch richtig brauche, und weil meine Träume für mich manchmal so real sind: Sie sind es auch! Das ist auch die Wirklichkeit! Sieben Raben oder lauter Ungeheuer? Was ist mit den Männern in meinem Leben? Bin ich mit denen auch im Reinen? Als das eigentliche Buch zum Ende kam, schrieb ich, dass ich mit Dirk eine gute Zeit habe, ruhig und schön. So war es auch. Das war im September und im Oktober. Jetzt ist es November und wir hatten wieder einige Tage am Stück, die waren nicht so schön. Wir haben uns schwer miteinander getan. Schwer getan, den anderen zu verstehen oder zu akzeptieren und einfach sein zu lassen. Eines Nachts wurde ich wach und mir kam der Gedanke: Ich schreibe über meine Männer. Ein Kapitel für jeden, mit dem ich zusammen war, eine Abhandlung. Vielleicht bringt mir das Aufschlüsse und Klärung. Ich gehe der Sache auf den Grund. Warum finde ich nicht endlich Frieden in einer Beziehung? Es sind doch immer die gleichen Muster. Das hat doch was mit mir zu tun. Vielleicht kann ich es lösen, wenn ich darüber schreibe. Vielleicht knacke ich es. Kann doch nicht sein, dass das lauter Unholde waren. Oder? Bei allem, was da zwischen Dirk und mir wieder aufgetaucht ist, in diesen „nicht so schönen“ zwei Wochen, dachte ich mir jedesmal irgendwann: „Ich hätte jetzt auch ganz anders damit umgehen können.“ Nicht so ins Drama gehen. Ja. Hätte ich. Dann fällt mir wieder Eckhart Tolle ein mit seiner Aussage: „Eine Beziehung ist nicht dazu da, um mich zu befriedigen, sondern um mich bewusst zu machen.“ … Während ich hier sitze und schreibe: Ich habe Michel zum Schlafen hingelegt. Er hatte ein paar Mal gegähnt. Jetzt höre ich ihn erzählen und an den Stäben seines Ställchens rütteln, in dem er immer seinen Mittagsschlaf 126 hält. Er schläft nicht mehr so viel. Aber währendem ich das schreibe, wird er wieder ruhig. Vielleicht schläft er doch noch ein Stück und ich kann mein Buch zuende schreiben. Heute Nachmittag. Es ist Sonntag. So ein richtiger Novembertag heute, trüb, nass, windig. In unserem Ofen prasselt das Feuer. Miezi liegt an der Ecke des Schreibtisches, zu meinen Füßen. Sie liegt immer hier, wenn ich hier sitze und schreibe. Flöckchen kommt gerade durch die Katzenklappe aus dem Keller hoch, steht in der Tür, gähnt und leckt sich sein Mäulchen. Findus sitzt mitten im Zimmer und putzt sich. – Hier, in mein Bücherzimmer dürfen die Katzen aus ihrem Flur noch rein, wenn die Tür offen steht. - Jetzt fängt Michel mit seinem Einschlaf-Sing-Sang an. Ich gehe zu im und gebe ihm sein Fläschchen. … - … - Mit dem Ergebnis, dass er nichts trinken wollte und jetzt wieder erzählt und kräht. Ich warte einfach noch ein bisschen. Das ist so eine Eigenart von Michel: Oft, wenn wir ihm sein Fläschchen geben wollen, will er nichts trinken. Da ist nichts zu machen. Aber zehn oder fünfzehn Minuten später, wenn er schon im Halbschlaf ist, pumpt er das ganze Fläschchen ab. Heute ist der letzte „normale“ Sonntag in diesem Jahr. Dann kommen die zwei novembrigen Sonntage für die Toten, Volkstrauertag und Totensonntag. Und dann ist der erste Advent! Dann wird es Weihnachten. Stille, Ruhe, Einkehr. – Ich habe viele Leute sich beschweren hören nach der Umstellung der Uhr von der Sommer- auf die Winterzeit, dass es jetzt so früh dunkel würde, das brauche kein Mensch. Doch, ich brauch‘ das. Ich bin dafür dankbar. Ich brauche diesen Rückzug. Mir gefällt das: lange Abende, Kerzenlicht, früh ins Bett gehen, lesen, Tee trinken, kuschelig. Orakeln in den Raunächten. Dunkle Zeit. Ich liebe den Winter! Ich liebe auch den Frühling und den Sommer und den Herbst! Ich finde jede Jahreszeit wunderschön und bin von Herzen dankbar, dass ich hier lebe, an einem Ort, wo das so ausgewogen ist, wo alles da ist, jede Jahreszeit. Ich war auch immer froh darüber, dass ich als Erzieherin jedes Jahr zwischen den Jahren Urlaub hatte. Da hatten alle Kindergärten geschlossen. Letztes Jahr war eine ganz besondere Ruhezeit zwischen Weihnachten und Neujahr. Das weiß ich noch. Da war so richtig Pause. Pause von allem. Dirk hatte seine Mutter über Weihnachten geholt und wir fuhren sie am zweiten 127 Feiertag wieder nach Hause, Ganztagesausflug nach Wuppertal und zurück. Zwischen Weihnachten und Sylvester besuchten wir auch noch Onkel Rainer in Bayern. Und obwohl wir so viel unterwegs waren, war das richtig Pause. Energetisch. Pause von allem. Ich war irgendwie zurückgefahren, in mir, völlig ruhig, in einem anderen Raum als sonst irgendwie. Das war sehr schön! Es war alles in Ordnung. Ich hatte keinerlei Stress mit irgendjemand, ob ich nun alleine im Bett lag und las, ob wir in Regensburg durch belebte Gassen und Läden bummelten oder ob über Weihnachten Familie im größeren Kreis angesagt war. Ich fühlte mich niemandem verpflichtet, irgendwie zu sein, z.B. meine Schwiegermutter in spe zu unterhalten, das war alles völlig in Harmonie. …-…Was ist mit den Männern? Ihr seid keine Unholde. Weiß ich. Obwohl ihr manchmal schon ein bisschen bis arg blöd gewesen seid. Vielleicht schreibe ich mir doch noch mal was von der Seele. - Mit Dirk jedenfalls: Er gibt sich die größte Mühe, dass das mit uns klappt. Das sehe ich schon. Manchmal bin ich dennoch absolut gekränkt. Ich gehe aber einfach davon aus, dass das mit ihm klappt, gelingen kann. Und wie es wirklich ist, sehe ich erst, wenn es rum ist. Ich muss mich darauf einlassen. Ich lasse mich darauf ein. Wahrscheinlich werde ich jetzt keine Lösung für immer erarbeiten können. Das lasse ich einfach los und lasse mich ein, auf unsere Beziehung. Mit allem, was ist oder nicht ist. Ja. Gut. So offen lasse ich das jetzt. Und so verbindlich. … - … - Die toughe Anästhesistin, die mir im Kreissaal die Wange streichelte, sagte, sie wolle kein Kind, denn dann müsse man mit dem Mann, dem Vater des Kindes, ja immer zusammenbleiben. Nun, das muss man wohl nicht. Aber irgendwie ist ein Kind schon sehr verbindlich, finde ich. Und obwohl ich meine große Angst, alleinerziehend zu sein, mittlerweile abgelegt habe (ich habe schon damit geliebäugelt, als das mit Dirk neulich so schief lief), ist Michel, dadurch, dass er da ist, doch irgendwie auch eine Hilfe für Dirk und mich in unserer Beziehung. Jedenfalls für mich. 128 Das mit dem Down-Syndrom Im Zuge der Nachfragen wegen der genannten Namen, entstand eine Korrespondenz mit Dr. Raab aus der Klinik, in der Michel geboren wurde. Wir tauschten uns darüber aus, wie emotional ich alles wahrgenommen habe und er stellte die Frage, ob eine „objektive“ Information von Seiten des Arztes an Eltern in emotionalen Belastungssituationen überhaupt möglich sei. Er schrieb auch, dass 90 % der Trisomie-21-Kinder abgetrieben werden, wenn die Eltern vorher wissen, dass ihr Kind das hat. Das treibt mir die Tränen in Augen und Nase. Ich meine ja, dass „Objektivität“ überhaupt nicht möglich ist, weil jeder er selbst ist und alles, absolut alles, durch „seine“ Brille sieht, durch seine Filter wahrnimmt und über seine Erfahrungswerte und Ansichten verarbeitet. Das ist meines Erachtens nicht nur in emotionalen Belastungssituationen so. Auch wenn man meint, man sei sich einig, hat doch jeder seine eigene Version. Aber das mit dem Down-Syndrom. Ich könnte heulen und um mich schlagen, wenn ich höre, dass 90 % der Trisomie-21-Kinder abgetrieben werden. Zum Teil kann ich es auch verstehen bzw. nachvollziehen. Wenn ich gewusst hätte, dass Michel das Down-Syndrom hat, wäre mein Kopf-Kino mit Sicherheit auch angesprungen. Ich weiß nicht, ob ich an Abtreibung gedacht hätte. Ich habe keine Fruchtwasseruntersuchung durchführen lassen mit dieser Intention: „Wenn was festgestellt wird - ich will das gar nicht wissen! Wenn was anders ist – man weiß dennoch nie, welcher Mensch da heraus kommt, bevor er nicht da ist.“ Und auch dann weiß man es nicht gleich. Dann muss man warten und ihn kennenlernen, ihn wachsen lassen. Aber Sorgen hätte ich mir gemacht. Ganz bestimmt. Gott sei Dank wusste ich es nicht vorher! Ich habe während der Schwangerschaft auch nie gedacht, dass er „etwas“ hätte. Er kam raus und dann war er da. Dann war’s halt so, dass er das Down-Syndrom hatte. Ich habe keine Fruchtwasseruntersuchung machen lassen, weil ich mich nicht in die höheren Gegebenheiten des Lebens einmischen wollte. Vielleicht ein Geschenk des Lebens nicht hätte annehmen wollen. Aber ich hätte sowieso nicht über Leben und Tod entschieden. Alles, was uns das Leben schenkt, sind Geschenke in Liebe. Davon bin ich 129 überzeugt. Und ich kenne Menschen mit Down-Syndrom, die finde ich einfach klasse! Gerade, weil sie anders sind. Nicht den Zwängen und Einschränkungen der „normalen“ Gehirne unterworfen, offen, freundlich und liebevoll, Liebe gebend, einfach so, jemandem, der vorbeikommt, auch wenn sie ihn gar nicht kennen. Aber das kann man potentiellen DownSyndrom-Eltern nicht anpreisen, zumal manche Menschen ja gerade damit Probleme haben, mit „Distanzlosigkeit“, und nicht jeder Mensch mit DownSyndrom ist durch sein Down-Syndrom automatisch ein Sonnenschein. Ich kenne auch eine, aus der Werkstatt, in der ich Praktikum machte, die war jeden Tag stinksauer, man sah es ihr von Weitem an und sie sagte es mir, wenn wir uns begegneten: „Ich bin so sauer!“ Ich habe sie nie anders erlebt. Eine andere junge Frau mit Down-Syndrom in diesen Werkstätten, verbrachte ihre Tage in der Abteilung, in der nicht gearbeitet wurde, weil sie dazu nicht in der Lage war. Sie lag meistens mit dem Oberkörper auf dem Boden, zwischen ihren gespreizten Beinen, wie eine Balletttänzerin. Dabei rollte sie ihre Zunge immer rundherum im offenen Mund. Sie konnte auch nicht sprechen. Das gibt es alles auch. Noch viel schlimmer mehrfach behinderte Menschen gibt es. Das kann auch bei der Geburt geschehen, obwohl das Kind vorher gesund war. Wer weiß das schon. Oder später im Leben. Aber das soll hier keine Angst-Mache werden. Ich meine nur, manches kann man nicht abwenden. - Aber wenn man es vorher weiß? Ich meine halt, man weiß es vorher nie! Auch nicht, wenn irgendeine Diagnose vorliegt. Vielleicht treibt man den wunderbarsten Menschen ab! Vielleicht treibt man auch jemanden ab, mit dem man nicht klargekommen wäre. Aber das glaube ich nicht: dass das Leben einem etwas bringt, womit man nicht klar kommt. Ich glaube, dass alles, was das Leben bringt, Liebe ist. Lauter Lektionen der Liebe. Wir erkennen es nur nicht immer, oder ganz schön oft erkennen wir es nicht, und meinen, kämpfen zu müssen. Ich glaube, ein Kind mit DownSyndrom abzutreiben, ist eher so, wie wenn man ein ganz wunderbares Geschenk ausschlägt, weil man meint, man habe es nicht verdient oder es wäre zu groß für einen. Und in vielen Fällen geschieht eine Abtreibung vielleicht auch einfach deshalb, weil man nicht weiß, was das eigentlich ist, was das bedeutet, wie es sein wird, und dann radiert man es aus, weil man es nicht kennt, weil es zu anders sein könnte, weil man nicht aus der Norm fallen will. – Ganz schön angstbeladen und eingeengt sowas! 130 Es macht mich auch wütend, dieser Fakt, dass 90 % der Down-SyndromKinder abgetrieben werden! Ich plädiere natürlich dafür: Lasst die Kinder zu Euch kommen, die zu Euch kommen wollen!!!! Alle! Jeden! Lasst Euch darauf ein. Ohne irgendwelche Garantien auf irgendwas. Vielleicht ist auch eine Abtreibung in Ordnung, wenn es die Entscheidung des eigenen Herzens ist. Frage Dein Herz. Dein Herz weiß die Antwort. Die für Dich richtige Antwort. Nimm Dir Zeit und Raum für Dich und frage Dein Herz. Nur Dich. Lass Dich nicht durch irgendwelche Klischees beeinflussen. Was mich wütend macht, ist die Beobachtung, dass Eltern ihren Kindern auch ganz schön selbstverliebte Anspruchshaltungen entgegenbringen können. Das Kind als Prestige-Objekt, das natürlich so funktionieren soll, wie die Eltern sich das vorstellen. Wenn man dann vorher weiß, dass das Kind das Down-Syndrom hat – oh Gott oh Gott! – das passt da natürlich gar nicht rein. Dabei wäre wahrscheinlich gerade dieses Kind für seine Eltern ein unglaublicher, glaublicher!, Segen. Wenn sie es denn annehmen würden. Es könnte ihnen zeigen, wie das Leben auch ist. Es könnte ihnen neue, unentdeckte Facetten des Daseins nahe bringen: Geduld z.B. oder Demut, den Mut, zum eigenen, individuellen Sein, mehr Herz- statt Verstandesorientierung. Aber da sie es nicht wollen, nicht annehmen wollen, dieses Kind, das aus Liebe zu ihnen kommt, ist es am Ende vielleicht sogar für das Kind besser, weggeschickt, als geboren zu werden. Vielleicht bleibt ihm damit Lieblosigkeit erspart. … - Es macht mich wütend! Diese Selbstgefälligkeit und Arroganz, Ignoranz und Feigheit! Aber es ist wie mit allem: Man kann es keinem aufzwingen. Wer nicht von selbst drauf kommt, dem ist solange nicht zu helfen. Das Beste ist dann wohl, man lebt einfach so, wie man es für richtig hält. Das sickert auch durch und wirkt in der Welt. Michels Down-Syndrom ist irgendwie gar kein Thema. Für mich nicht. Es ist selbstverständlich. Eigentlich „hat“ Michel gar nichts in meinen Augen. Oder er „hat“ doch was, aber es ist nochmal was extra Schönes, was er „hat“. Michel ist mein Kind. Das ist Thema. 131 Ende Das ist nicht das Ende, das ist klar. Es ist der Schluss dieses Buches. – Noch ein Kapitel - Ich kann irgendwie nicht aufhören – hm? Es tut mir so gut, das Schreiben. Ich will aber wirklich auch noch was sagen: In Utas Maya-Kalender ist das Thema des gegenwärtigen Mondes vom 15. 11. bis zum 12.12. das Loslassen. Ich wollte heute ins Fitness-Studio gehen, aber das hat nicht geklappt, weil Dirk nachmittags mit Papa unterwegs war und ihm etwas half. Ich konnte also nicht weg. Und im Studio war heute Nachmittag keine Kinderbetreuung. Heute Abend, vorhin gegen halb sieben, fragte ich Dirk, ob ich mich mal eine halbe Stunde zurückziehen könne, um ein bisschen Yoga zu machen. Das habe ich seit Monaten nicht gemacht und vorhin hatte ich Lust dazu. Ihm war es recht. Ich ging in Michels Zimmer, machte mir Musik an und holte mein Yoga-Buch hervor, das dort im Regal bei Michels Bilderbüchern steht. Das ist ein wundervolles Buch von Gertrud Hirschi (16). Ich habe es schon seit vielen Jahren und es erweist mir immer wieder treue Dienste. Es ist ganz zauberhaft: Ich schlage es auf, nachdem ich es seit Monaten oder Jahren nicht in der Hand hatte, und dann steht da genau das, was gerade passt. Ich hatte also das Buch in der Hand und rief zu Dirk herunter, er solle mir aus dem Kalender bitte die aktuelle Kalenderwoche sagen. Das Buch ist nämlich in 52 Wochen aufgeteilt. Aktuell ist gerade KW 47. Und was steht da? „Loslassen“ steht da. Und ich las den Text, der den Übungen vorangeht, und wusste, dass ich wieder genau zur rechten Zeit am rechten Ort bin. … - Ich fühle mich dann immer so magisch verbunden. So berührt. Verbunden mit allem, was ist, was je war und allem, was sein wird. Und noch mehr. Oder weniger, einfach nur die Essenz. Die leisen Töne, das Nicht-greifbare. Mit Hermann Hesse war ich auch verbunden. Da steht ein Gedicht von ihm. In dem Text wird zur Illustration des Loslassens der Herbst beschrieben, wie sich die Blätter verfärben, abfallen und zu Kompost werden, zur neuen Lebensgrundlage. „(…) Und Hermann Hesse sagt zu den fallenden Blättern so schön: Spiel dein Spiel und wehr dich nicht, lass es still geschehn. Lass vom Winde, der dich bricht, dich nach Hause wehn.“ Ich würde diese vier Seiten aus meinem Yoga-Buch mit dem Text und den Übungen der 47. KW am liebsten einscannen und hier mit ausdrucken, damit Ihr das auch lesen und machen, erfahren könnt. – Ich liste das Buch im Literaturverzeichnis auf. – Eine halbe Stunde mit sich selbst verbracht, mit solch einem Zauber-Buch und ein paar Yoga-Übungen … und schon ist man wieder voll im Wesentlichen. Klarer Geist, großes Herz, keine Ablenkungen mehr, leicht und frei. Danke, liebes Leben, für all die Hilfe! Für all die zauberhafte Hilfe! Danke, liebes Leben, für dieses wunderbare Leben! 132 Heute ist der einstmalige Buß- und Bettag. Dass er abgeschafft wurde, ist okay. Wir müssen keine Buße tun. Gott bewahre!! Göttin!! Dirk war mit Papa auf dem Baumstück, am Kirchwald. Sie haben vier oder fünf alte Apfelbäume gefällt. Ich war mit Michel mit dem Kinderwagen unterwegs und habe aus der Ferne gesehen, wie einer von den Bäumen umfiel. Sie zogen ihn um, mit dem Traktor und einem Drahtseil. In der Abenddämmerung. Ich musste weinen, als er fiel. Es ist traurig. … - … - Aber … - … - Gibt es einen Segen im vermeintlich Negativen? … - … „Spiel dein Spiel und wehr dich nicht …“ – Das ist doch genau die Philosophie meines ganzen Buches, wovon ich dauernd geschrieben habe; diese vier Zeilen! Die Apfelbäume sind gefällt. Die alten Apfelbäume. – Der eine wollte nicht. Der hat meinem Vater noch ordentlich die Schaufel seines Traktors verbeult. Die letzten Monate hat es hier rundum noch viel mehr Freiräume gegeben. Die Stadt kam auf die Idee, einigen Garten- und Grundstücksbesitzern die Auflage zu machen, Zäune und Gebäude entfernen zu müssen, Gartenhütten und Ställe. Das war für die, die es betraf, traurig oder ärgerlich, auch für mich und andere, die Anteil nahmen. Aber jetzt, wo das alles weg ist: Es sieht richtig gut aus. Aufgeräumt und frei. Das alte Gerümpel ist fort und der Platz, wo es stand, sieht jetzt irgendwie so jungfräulich aus. Da ist nichts und doch schwebt das ganze Potential in der Luft. Vielleicht: So langsam hat die Geschichte mit diesem (Apfel-)Baum der Versuchung keine Gültigkeit mehr. So kann’s doch auch echt nicht sein! Ich könnte jetzt noch voller Enthusiasmus sagen: Und hier in Borsdorf kommt das Ganze ins Rollen!! Ha! Papa fällt die alten Apfelbäume! Nein, es geschieht überall. Das Alte vergeht und das Neue kommt. Ein neues Zeitalter beginnt, das des Wassermanns. Die alte UnGleichberechtigung der Geschlechter, Rassen, Klassen, Arten … Kampf und Unterdrückung, Ausbeutung und Leid, das alles geht jetzt zuende. Das ist nicht Wassermann-like. Wassermann ist Freiheit, Originalität, Individualität, Kreativität, Gemeinschaft und auch Rückzug, All-eine-sein, die eigene tiefe Weisheit, Frohsinn und Lebenslust, Ruhe und Lebendigkeit, Ernsthaftigkeit und Spaß. Wir fangen neu an. Wir machen es jetzt so, wie es uns gefällt. Wie es jedem gefällt, nicht nur manchen. Und natürlich will man manchmal am Alten festhalten und es tut einem leid um irgendwas. Das ist menschlich. Oder das Alte wehrt sich und will nicht gehen. Aber es passiert sowieso. Es passiert sowieso. Und es ist jetzt. Es hat angefangen: Himmel – Erde – Paradies … - es ist alles eins: die neue Erde. Das Alte stirbt ja auch nicht. Es geht auf im Neuen. Es kommt mit. Jeder und alles kommt mit nachhause. Über kurz oder lang. Let’s dance together! Come on! Come on! 133 Zweiter Teil Advent bis Ostern 134 Wir sollten auf unsere Seele hören, wenn wir gesund werden wollen. Letztlich sind wir hier, weil es kein Entrinnen von uns selbst gibt. Solange der Mensch sich nicht selbst in den Augen und im Herzen seiner Mitmenschen begegnet, ist er auf der Flucht. Solange er nicht zulässt, dass seine Mitmenschen an seinem Innersten teilhaben, gibt es keine Geborgenheit. Solange er sich fürchtet, durchschaut zu werden, kann er weder sich noch andere erkennen. Alles ist mit allem verbunden. Verfasser unbekannt Das stand am 1. Dezember in meinem Adventskalender (17). 135 Quinten Die Unerschütterten, die Sicheren brachten nie etwas Großes zustande. Verlegene sind’s, die die Verlegenheiten lösen; Stammelnde sprechen besser als Redegewandte. Robert Walser Dezember. In 23 Tagen ist Weihnachten. Gestern und auch schon vergangene Woche versuchte ich stundenlang vergeblich, über’s Internet Druckerpatronen zu bestellen, weil ich mein Manuskript ausdrucken und an Verlage schicken wollte und die alten Patronen leer sind. Es ging nicht. Es war absolut nichts zu machen, in keinem der Shops gelangte ich bis zur Kasse. Während der Suche nach einem Zettel, auf dem ich meinte, meine Zugangsdaten für einen Internetshop notiert zu haben, fiel mir ein Buchzeichen in die Hände, das ich schon im Sommer für meinen Freund und Michels Patenonkel Rainer gekauft hatte. Auf dem Buchzeichen ist ein kleiner Eisbär zu sehen und wenn man es in der Hand hin und her bewegt, dann sieht es sieht aus, als würde er laufen. (Einen Zettel mit Daten fand ich natürlich nicht.) Ich hielt mit meiner Sucherei und meinen vergeblichen Bestellungsversuchen inne und schrieb einen Brief an Rainer: „Lieber Rainer! Das ist mir heute in die Hände gefallen. Es ist für Dich! Noch vom Sommer, als wir Oma Erna in Wuppertal besuchten, und zusammen im Zoo waren. Ich bin schon seit 2 Stunden am Druckerpatronen bestellen (am PC). Und es klappt und klappt nicht. Nicht ums Verrecken sozusagen. In Nidda war ich auch und wollte die Patronen im Geschäft kaufen. Hatten sie natürlich nicht. Ich möchte mein Manuskript ausdrucken und an Verlage schicken. Meine innere Weisheit weiß ja, dass, wenn etwas nicht gelingen will, es das jetzt nicht sein soll. Jetzt, nach 2 Stunden und schon vorangegangenen Bemühungen letzte Woche, ist mir das wieder eingefallen. Ha ha! Witzisch, witzisch! Es soll also jetzt nicht sein. … - Warum auch immer. Aber am Samstag kam das Hamburger Magazin zum Down-Syndrom „Kids“ mit der Post. In der Herbst-Ausgabe sind ein Foto von Michel mit seinem Papa und mein 136 Artikel abgedruckt! Und heute Morgen kam Frau Dornbusch, Michels FrühförderFrau, mit der Frankfurter Rundschau und ihrem Artikel über uns darin!“ (Frau Dornbusch ist die Frau, die jede Woche zu uns nachhause kommt und mit Michel die Frühförderung macht. Außer ihrer pädagogischen Arbeit ist sie auch als Journalistin aktiv-kreativ. Sie fragte uns neulich, ob sie uns als Beispielfamilie nehmen dürfe, um anhand von uns einen Artikel zu schreiben, in dem sie das hessische Modell der Frühförderung darstellt.) „Das sind für mich keine Zufälle, sondern Aufmunterung und Bestätigung des Himmels, mein Schreibprojekt betreffend. (Gerade jetzt!) … und Michel schläft schon die ganze Zeit. Und ich wette, er schläft solange, bis die Botschaft zu mir durchgesickert ist. Ich glaube, ich schreibe weiter. … - Gerade eben ist eine Spinne auf den Tisch gehüpft. Ganz schön dick. Hier sitzt sie. Direkt vor mir. – Jetzt habe ich sie erstmal rausgebracht. – Die Spinne steht für das Vertrauen. Sie gehört zu Imix im MayaKalender: das Ur-Vertrauen, empfänglich sein. Natürlich habe ich auch Zweifel: … ich kann das nicht, das Buch zur Veröffentlichung bringen, bei dem Wust an Verlagen und was da alles dranhängt. Ich veröffentliche es nicht. Es will keiner lesen … Rainer, aber weißt Du was? Ich find’s gut. Ich find’s voll gut mein Buch. Ich glaube, es ist gut, und vielleicht ist es noch nicht fertig. Jetzt könnte Michel wach werden. Ich schreibe weiter.“ (…) (Noch ein paar persönliche Sätze.) „Alles Liebe! Siehste – gerade fertig, da muckst sich Michel. Tschüßi! Bussis! Sonja mit Dirk und Michel“ 137 Vorhin habe ich es mit der Patronenbestellung noch einmal probiert. Und es hat – flutschi-flutsch – geklappt. Ja, ich habe Zweifel. …-…-…Ich glaube, ich mache jetzt sowohl, als auch: Ich schicke das, was ich schon habe, an Verlage und ich schreibe weiter. Und die Frage lautet wahrscheinlich nicht „Soll ich weiterschreiben?“, sondern „Will ich weiterschreiben?“ … - Ich setze mich schon wieder unter Druck. Ich meine, ich müsste etwas machen. Verbessern. Oder einfach mehr. … - Auch: „Ich muss das jetzt veröffentlichen, um zu sehen, ob ich damit Geld verdienen kann, dann muss ich vielleicht nach meiner Elternzeit nicht wieder arbeiten gehen.“ … …-…-…Es macht mir Kopfschmerzen, dieses Mich-unter-Druck-setzen. Ich frage mich auch, ob die Verzögerung vielleicht war, weil ich die genannten Namen und die Ortsangaben ändern soll? Aber es haben sich alle einverstanden erklärt! (Bis auf „Ralf“, den habe ich von vornherein selbst umbenannt und deshalb „in echt“ nicht gefragt.) Und einige haben mir auch sehr positive und anrührende Resonanz gegeben. Ich war aufgeregt, als ich meine Anfragen verschickt hatte, die ganzen Textpassagen, in denen die Leute vorkommen, mit der Frage, ob ich ihre Namen lassen darf, während ich auf die Antworten wartete. Auch hier regten sich meine (Selbst-)Zweifel. Ich bin froh und dankbar, dass ich jetzt von allen positive Antworten und Bestätigung erfahren habe! Aber ich glaube, eine meiner nächsten Übungen ist es, mich von Bestätigung durchs Außen frei zu machen. … Dennis - als ich bei ihm klingelte, um ihm das Kapitel zum Lesen zu bringen, in dem er vorkommt, hatte ich ganz schön Herzklopfen! Als ich ihm gegenüberstand ging mein Herz auf! Ich sah ihm in die Augen. Das war sehr schön. Heilsam für mich. Seine Augen leuchteten. … Ich hatte ja darüber geschrieben, dass er mir (potentiell) Angst macht und dass ich nicht weiß, wie ich seinen Blick deuten soll. Jetzt stand ich ihm gegenüber - und es war gut. Dieser Tage bin ich ihm auf der Straße begegnet. Ich war allein unterwegs, zu Fuß, und er kam mir alleine entgegen, wahrscheinlich nach der Schule, ohne Kumpels. Als ich ihn von Weitem sah, durchzuckte mich kurz der Impuls stehenzubleiben und 138 umzudrehen. Flucht! Angst, Verlegenheit. Dann kam mir der Gedanke, dass das nicht geht und dass das lächerlich ist. Ich ging weiter und wollte gerade „Hallo“ sagen, als er es tat. Er lächelte mir sogar zu und ich musste auch lachen und grüßte zurück. Und in dem Moment war alles zurechtgerückt. Er ist ein Junge. Einfach ein Junge. Unschuldig und wundervoll. Mit soviel Potential. Wie die Menschen in der Pubertät halt sind. Außerdem beeindruckt es mich, dass er zugestimmt hat und ich seinen Namen lassen darf. Danke. Danke Euch allen, die Ihr in meinem Geschriebenen vorkommt, für Euer Vertrauen und Eure Unterstützung, dass Ihr in meiner absolut individuellen Sicht der Dinge mit Euren Namen steht und mit euren Geschichten! Ja, ich habe von allen Antwort, außer von Judith. Die antwortet nicht und ist partout nicht zu erreichen. Ich habe zig-mal probiert, sie anzurufen. Das erste Mal war der Anrufbeantworter dran. Dem habe ich mein Anliegen mitgeteilt. Sie rief nicht zurück und die darauffolgenden Male, die ich versuchte anzurufen, ging weder der AB an, noch jemand ans Telefon. Ein paar E-Mails habe ich auch geschickt. – Keine Antwort. – Durch Judith hat doch alles angefangen! Mit ihrer Antwort würde sich der Kreis schließen. Tut er aber nicht. Er ist also noch offen. Okay. Ich freue mich! Auf’s Weiterschreiben und auf die Winke des Himmels oder meiner Seele. Dass sie mir so deutlich und hartnäckig sagt, was sie will! Ja! Hier ist meine Freude! Ganz deutlich. Das ist der Wegweiser. Irgendwo habe ich einmal eine sehr schöne Definition für „Quinte“ gelesen. Im Duden steht sie aber nicht. Dort steht nur: „Musik: fünfter Ton (vom Grundton an).“ (18) Die Erinnerung an diese Definition schwingt in mir, seit dieses Ich-schreibe-weiter in mir schwingt. … - Die Erläuterungen in Meyers großem Taschenlexikon nähern sich 139 dem, was ich meine, ein Stückchen mehr an: „Quinte (Quint) (…) Intervall, das ein Ton mit einem 5 diaton. Stufen entfernt gelegenen Ton bildet (z.B. c-g). Die Qu. (…) gilt im Abendland seit der Antike als vollkommene Konsonanz.“ Dann heißt es noch, dass die Quinte „als Rahmenintervall des Dreiklangs grundlegende Bedeutung“ hat. (19) Eine Konsonanz ist „ (…) in der überlieferten Harmonielehre ein Zusammenklang, der keine Auflösung erfordert. (…)“ (20) Diese Definition in meiner Erinnerung – vielleicht finde ich sie irgendwo?! - bezog sich darauf, dass die Quinte als fünfter Ton z.B. einen 4/4 Takt ergänzen, bzw. zum Abschluss bringen kann. Sie ist dann der letzte Ton eines Stückes. Zwangsläufig müsste sie nicht da sein, das Stück wäre auch ohne sie fertig, aber sie rundet es noch einmal pfiffig ab und sie trägt das Potential eines neuen Liedes in sich, für das sie den Auftakt bietet. Sie wäre dann zugleich Ende und Anfang oder eher eine Art Verbindungsstück, noch dazu ein sehr schwungvolles, das neue Akzente setzt und auf größere, weitere, tiefere, bisher unentdeckte oder noch nicht zum Ausdruck gebrachte Räume und Spielweisen (Spielwiesen?! ☺☺) hinweist. Sie bereichert das vorhergehende Stück und ist der heitere, kraftvolle Impuls für das Neue. Und dadurch, dass sie beides verbindet, stehen die Dinge nicht getrennt da, sind nicht voneinander isoliert, sondern werden quasi miteinander bekanntgemacht, zum gemeinsamen kennengelernt, Tanz geladen. sozusagen. Ganz Ohne die verschiedene Quinte hätten Aspekte sie können sich durch nicht sie zusammenkommen. Manchmal lese ich Texte und muss während des Lesens weinen, weil sie mich so berühren. Ich glaube das ist so, wenn ich mit Teilen meiner selbst in Berührung komme, mit der Weisheit und Liebe, die tief in mir drin sind und die ich oft durch all die Betriebsamkeit des Alltags nicht wahrnehme. Diese Definition der Quinte, des fünften Tones, berührte mich auch in meinen Tiefen. Ich habe diese Fünf in mir. Als Qualität, die in ganz vielen Bereichen und Facetten des Lebens mitschwingt, sich einbringt, einfach da ist. – Und jetzt, wo ich es niedergeschrieben habe und lese, muss ich wieder weinen. Ja. Weil‘s die Wahrheit ist. Wenn ich so berührt bin, weiß ich, dass die reine Wahrheit bei mir ist. Meine Wahrheit. Ich hatte ein paar Tage lang vergessen, meinen Mondkalender umzublättern. Heute habe ich’s nachgeholt. Und was steht da als Tagesmotto für Donnerstag, den 27. 140 November, als Neumond im Schützen war? Ein Zitat von William Shakespeare: „Zweifel sind Verräter, sie rauben uns, was wir gewinnen können, wenn wir nur einen Versuch wagen.“ Ha! Und das heutige Motto lautet: „Machen Sie sich bewusst, es heißt „Er-folg“ und nicht „Er-kämpft“ oder „Er-zwing“ oder „Er-renn“ und auch nicht „Er-bitte“ oder „Er-rede“, nicht einmal „Er-handle“. Mit anderen Worten: Um Erfolg zu haben, muss ich nicht kämpfen, nicht bitten, nicht handeln. Allein ein Gedanke hat schon Folgen.“ (Kurt Tepperwein). Ich habe jetzt ein ganz anderes Gefühl zu diesem An-die-Verlage-schreiben. Der Druck ist weg. Ich mache es einfach. Uta, die Sprüche und Geschichten liebt, sagt zum Thema Erfolg: „Erfolg ist was folgt, wenn du dir selbst folgst.“ „Es ist und es ist nicht“ Ich war und bin immer noch ein Suchender, aber ich habe aufgehört, Sterne oder Bücher zu befragen, ich habe angefangen, auf die Lehre zu lauschen, die mein Blut mir zuflüstert. Hermann Hesse Ich war im November bei Uta zum Tarot. Das war sehr schön. Jedesmal, wenn ich von Uta komme, habe ich das Gefühl, ganz in meiner Essenz zu sein, in meiner Göttlichkeit, meiner Glückseligkeit, meinem Vertrauen, meiner Präsenz. Ich bin verbunden mit allem was ist und alles ist gut. Ich bin dann vollkommen in meinem Herzen und weiß alle Antworten und habe keinerlei Zweifel mehr. Das ist kein Verstandeswissen, sondern das Wissen im Herzen, dass alles gut ist. Es gibt nichts zu tun, außer zu sein und die Glückseligkeit ist einfach da. Uta hat letztes Jahr eine schamanische Ausbildung begonnen, die sie jetzt bei einem Lehrer ihres Lehrers noch vertieft. Im Schamanismus gibt es die vier Sichtweisen von Schlange, Jaguar, Kolibri und Adler. Die Schlange sagt: „Es ist wie es scheint.“ Der Jaguar fragt: „Was fühle ich?“ Der Kolibri steht für den mystischen Anteil, Musik, Poesie etc. Und der Adler sagt: „Es ist und es ist nicht.“ 141 Diese Thematik der Vierheit, der Zyklen, der verschiedenen Perspektiven und Qualitäten tauchte an diesem Tarot-Abend einige Male auf. Und dabei geht es um alles im Leben, im Großen wie im Kleinen. Die vier Jahreszeiten z.B., die immer und immer wieder aufeinanderfolgen, eines folgt dem anderen. Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Alle sind da. Die Qualitäten der vier Jahreszeiten gibt es auch in jedem Tag: Morgen, Mittag, Abend und Nacht. Und ich kann nicht sagen: „Frühling und Sommer sind okay, aber den Winter mag ich nicht.“ (Ich ja sowieso nicht! Ich liebe sie alle vier!) Man kann es schon sagen, aber man verschließt sich dadurch der Ganzheit, der heilsamen Ganzheit. Ausschließen kann man ja sowieso nichts. Höchstens energetisch, indem man sich keine Ruhephasen gönnt z.B. oder meint, nicht warten zu können und die Dinge nicht von alleine wachsen und sich entwickeln zu lassen. Wenn man selbst alles machen will. Das ist unvernünftig und außerdem ungesund. Das ganze System hat dann eine Unwucht und läuft nicht rund, wie geschmiert. Zum Glück merkt man das gleich. Durch irgendwelches Unwohlsein. Dann kann man es beheben. Manchmal vielleicht am besten dadurch, dass man alles sein lässt und abwartet. Vieles ergibt sich ohnehin von selbst. Uta sagte, es sei interessant, diese vier schamanischen Sichtweisen auf die Geschehnisse unseres Lebens anzuwenden. Ich habe es natürlich gleich ausprobiert, in folgender Situation: Ich hatte gleich morgens nach dem Aufstehen einen Zwist mir Dirk. Ich weiß gar nicht mehr, um was es ging. Kann sein, dass er einfach nur mürrisch war und ich war deswegen beleidigt: dass er schon wieder so mürrisch ist und sich nicht freut, wenn er mich sieht und mich freundlich und liebevoll begrüßt: „Guten Morgen, mein Schatz! Hast Du gut geschlafen? Wie geht es Dir, mein Liebling?“ Küsschen, Küsschen. Kann auch sein, dass ich Michel gewickelt und angezogen hatte und mich darüber ärgerte, dass Dirk das nicht gemacht hatte, denn bei Dirk bleibt Michel ruhig liegen wie ein Lämmchen und alles läuft wie am Schnürchen, und bei mir dreht und wendet er sich, egal, was ich mache, hangelt nach der Box mit den feuchten Tüchern und holt seine Pullis vom Haken, wenn er nicht ganz und gar versucht, dauernd aufzustehen, um seine Cremes und Windeln vom Regal zu feuern. Das ist jedesmal eine schweißtreibende Angelegenheit für mich, Michel morgens an- und abends auszuziehen. Wenn Dirk das macht, sind beide völlig entspannt. Michel hat einen Mordsrespekt vor seinem Papa. Vor mir nicht so. Egal, wie ich mich verhalte. … (Warum ist das so? – Morgen früh wende ich die Sichtweisen der vier schamanischen Tiere an, wenn ich Michel aus dem Bett hole!) 142 Jedenfalls hatten wir Streit. Dirk pflaumte irgendwas, z.B.: „Soll ich hier morgens schon mit einem Lächeln rumrennen oder was?!“ Ich könnte dann gesagt haben: „Ja. Warum nicht?“ Und er: „Und jetzt muss ich mich mit Dir darüber streiten?! Seh‘ ich nicht ein!“ und verlässt die Küche, lässt mich stehen, geht raus, stellt sich vor die Haustür und raucht. Ich rufe ihm noch hinterher: „Ja, da haste keinen Bock drauf! Da gehste lieber weg!“ Dann stand ich am Küchenfenster, sah ihn dort stehen und rauchen, trank selbst heißen Kaffee und dachte an die vier schamanischen Tiere: „Es ist, wie es scheint.“ … Als ich mich fragte: „Was fühle ich?“ dachte ich im ersten Moment noch, ich wäre wütend oder enttäuscht. Aber das war ich nicht. Ich merkte, dass ich eine Anspruchshaltung empfand. Das war alles. … Und die mystische Seite? Da fiel mir sofort die Geschichte vom „Fischer un sin Fru“ ein. … Ja. Ich habe ganz schön hohe Ansprüche. Wahrscheinlich sind deshalb (unter anderem) auch meine ganzen Männer bisher alle irgendwann auf und davongelaufen. Geflüchtet. Nix wie weg. Ich habe sie nicht einfach so sein lassen, wie sie sind. Abgesehen davon, ist es okay, dass sie weg sind. Aber Dirk? Manchmal spüre ich die Liebe. Auch wenn er mürrisch ist. Ich vertraue ihm. Er hat mein Vertrauen. …-…-…Gott sei Dank, habe ich an diesem Morgen an die Schlange, den Jaguar und den Kolibri gedacht! – Mit dem Adler kann ich mich sowieso immer gut verbinden! „Es ist und es ist nicht.“ Lauter Geschichten. – Der Zwist löste sich in Luft auf und ich konnte einfach von mir aus wieder lieb sein. Es gibt nichts zu tun. Nur sein. Die Präsenz halten. Sein ist mehr als tun. Viel mehr. Unendlich ewig viel mehr. Das Leben lehrt uns die Dinge, auf die es ankommt, ganz von selbst … Uns selbst lieben, dazu gehört auch unsere Bedürfnisse kennen – um die des Anderen achten zu können. Unsere Ängste konfrontieren – die des Anderen tolerieren. Ganz bei uns zu sein – ganz bei den Anderen zu sein. Erwartungen loslassen – den Anderen hundertprozentige Freiheit geben. Erkennen, dass das Wohl unserer Mitmenschen unser Wohl ist. Frieden mit unseren Eltern und unserer Kindheit schließen – um sie nicht mit unserem 143 Partner zu wiederholen. Frieden mit der Welt machen – Vorwürfe aufgeben. Uns selbst unsere Fehler verzeihen – damit wir dem Anderen seine nachsehen können –einmal nicht recht zu haben. Starre Verhaltensmuster aufgeben – flexibel reagieren. Selbstbewusstsein entwickeln – den Anderen nicht zur Bestätigung des eigenen Wertes missbrauchen. Das Wunder der eigenen Persönlichkeit achten und lieben – damit wir das Wunder der Persönlichkeit des Anderen wahrnehmen können. Hingabe ohne Selbstaufgabe. Loslassen in der Verpflichtung. Unser Leben geben und es dadurch bekommen. Von uns aus Liebe geben und nicht erwarten, dass sie uns entgegengebracht wird. Verfasser unbekannt (17) Ich war immer jung. In vielen Gruppen, die ich besuchte, seien das Rückengymnastikoder Yoga-Kurse oder Fortbildungen war ich oft die Jüngste. Eine junge Frau unter älteren. Ich wurde auch oft um Jahre jünger geschätzt, als ich es war. Als ich mit 30 die Erzieherausbildung begann war ich, trotzdem die meisten anderen in der Klasse 18 waren, einfach nur jung. Seit Michel auf der Welt ist, weiß ich nicht mehr, wie alt ich aktuell bin. Ich muss überlegen oder nachrechnen. Und das Ergebnis erscheint mir so unwirklich. Nichtssagend. – Aber ich habe ein Thema mit dem Älterwerden. Ich merke es seit einiger Zeit, wenn ich in den Spiegel sehe, manchmal. Ich krieg‘ Falten. Und manchmal will ich sie nicht sehen. Aber sie sind da. So kleine Fältchen, hintereinander gestaffelt, auf der Wange, die auftauchen, wenn ich meinen Kopf zur Seite drehe. Oder am Hals und auf meinem Dekolleté. Die jungen Männer gucken mir nicht mehr nach. Oder? … - … - Ja. – Es fängt an, dass nicht mehr alle gucken. – Alle gucken sowieso nicht. Aber die, die früher geguckt haben: Es gucken nicht mehr alle. Und das Leben lehrt mich: Wie-ich-mich-von-Bestätigung-im-Außenbefreie. Ganz toll. … featering Verzweiflung am dritten Advent ... Ich versuche gerade, ein bisschen witzig zu sein. … Es war aber nicht witzig. Überhaupt nicht. Kein Stück. Jetzt ist Montagabend. Der Montag danach, nach dem dritten Advent. Der war folglich gestern. Und dass ich die beiden vorherigen Absätze unter der ursprünglichen Überschrift geschrieben habe, ist schon ein paar 144 Tage her. … Gestern war ich völlig verzweifelt. Ich wollte Liebe. Und Unterstützung. Von Dirk. Und ich hatte nur das Gefühl, dass er mich weder sieht, noch überhaupt irgendwie will. Dass er einfach nur böse mit mir ist und mich nicht leiden kann. … Da wollte ich nicht mehr hin, innerlich. Aber gestern war nichts zu machen. Ich habe geweint und geweint, verzweifelt, im Bett abends. Wie früher, in der Schwangerschaft. … Und wer oder was war das jetzt, die da so geweint hat und so abgrundtief verzweifelt war? Ich konnte in dem Moment nicht anders, das war echt. Kam aus mir hoch. Dennoch hatte ich die ganze Zeit auch irgendwie die Empfindung, dass ich gerade voll im Opfer-Spiel drin bin und dass Dirk eigentlich ganz normal, menschlich reagiert mit seiner Verweigerung und seinem sauer-sein. Ich habe ihn unter Druck gesetzt, schon mit dem, was ich sagte und tat, und hatte noch höhere unausgesprochene Erwartungen. - Die er ja wahrscheinlich sowieso schwingungsmäßig abgekriegt hat. – Ich selbst ja auch, den Druck. – Oh Mann! – Völlig verpeilt gestern. … Ich wollte Plätzchen backen, d.h. ich habe Plätzchen gebacken. Ich habe seit zwanzig Jahren keine Plätzchen mehr gebacken zu Weihnachten. Meine Mutter backt jedes Jahr reichlich und von denen habe ich immer mitgegessen. Nun dachte ich: „Mit dem kleinen Michel – da backe ich Plätzchen: eine vorweihnachtliche Erfahrung mit allen Sinnen für das Kind!“ Ha ha! Ich sag’s gleich vorweg: Michel wollte weder den Teig, noch die fertigen Plätzchen probieren. Er hat bis jetzt keines gegessen, dreht den Kopf weg, bei jeder Sorte. (Vier Sorten habe ich gemacht.) Ich habe extra die Rührschüssel auf seinen kleinen Kindertisch gestellt, damit er während des Rührens hineinsehen kann, wie die Butter mit dem Zucker schaumig wird und die Eier dazukommen. … Das hat ihn nicht interessiert. Er zog nur mal kurz die Mundwinkel nach unten, weil ihm das Handrührgerät zu laut war. Und ich habe alle vier Sorten auf einmal gemacht und es dauerte viel länger, als ich dachte. Als ich am Vormittag anfing, dachte ich noch, dass ich nach getaner Arbeit, vielleicht gegen 16.00 Uhr, nach Bad Salzhausen in die Sauna und ins Thermalbad fahren wolle, bisschen für mich sein und relaxen. … Als es dunkel wurde, war ich gerade dabei, den Küchenboden feucht zu wischen, wegen des Mehlstaubs und so. Dann tauchte ich die Nussstäbchen mit beiden Enden in Schokoladenkuvertüre und weil die übrige Kuvertüre ja nicht zukommen kann, bestrich ich damit noch das Buttergebäck. Danach kochte ich Rosenkohl, weil ich am Samstag zwei Netze davon im Sonderangebot gekauft hatte. Dirk sagte: „Wegen mir brauchst Du gar nichts zu kochen.“ Und obwohl ich wusste, wie er das meint, sagte ich: „Ja, wegen Dir brauche ich gar nichts zu machen!“ und fühlte mich mit meiner ganzen geleisteten Arbeit nicht anerkannt. – Heute Vormittag telefonierte Dirk mit seiner Mutter in Wuppertal und erwähnte ihr gegenüber, dass ich gestern Plätzchen gebacken habe und ich dachte: „Naja, kann ich wenigstens noch bei meiner Schwiegermutter ein bisschen punkten mit dem ganzen Akt.“ … 145 Was war das jetzt? Ich erspare es mir, tiefer in die gestrigen Ereignisse einzutauchen. Das wird mir zu mühselig und gestern war es mühselig genug. Habe ich mir einfach nicht die Zeit und mir meine Wichtigkeit genommen, in mich hinein zu hören? Was ich wirklich will? Oder habe ich mich einfach verschätzt? Mit dem Zeitmanagement? Oder wollte ich eigentlich gar keine Plätzchen backen? Wirklich? War das eher so ein verkleideter Pflichtteil: Das macht man doch gern für sein Kind. … Ich mach‘ das auch für mich, für mein inneres Kind. … Einer muss sich doch kümmern. … - So in der Art. … - Mein inneres Kind wollte in die Sauna. Im warmen Wasser schwimmen. Oder sich zum Yoga zurückziehen. So was in der Art! Ich habe mir ein kleines rotes Buch gekauft. Es heißt „Josef, es ist ein Mädchen! Weihnachten mal anders“ (21). Darin ist auf Seite 53 auch ein „Rezept für Weihnachtsgebäck“. Man braucht dabei u.a. eine Flache schottischen Whisky. Das Rezept endet mit den Worten: „Schmeißen Sie die Schüssel aus dem Fenster. Trinken Sie den Rest Whisky und gehen Sie zu Bett.“ Das ging mir gestern kurz durch den Sinn als ich eine Schüssel am Auskratzen war, aber ich habe es natürlich nicht befolgt. Schon wegen des Whiskys. … Den hätte ich ja weglassen können. Einfach die Schüssel wegschmeißen, alles stehen und liegen lassen. … - Freitag war ich auf einem Geburtstag. Dort gab es alkoholfreien Sekt und ich habe davon getrunken. War gut. … Und natürlich hätte ich am liebsten die ganze Flasche ausgetrunken. … In der Nacht träumte ich davon, echten Sekt zu trinken. Zwei Flaschen. … Ob das auch was mit gestern zu tun hat? Abhängigkeitsmuster? … Sinnlosigkeit? Leere. Etwas füllen wollen. … Jedenfalls renne ich manchmal hinter etwas her, so wie ich gestern hinter Dirks Zuneigung her gerannt bin, will etwas einfordern, was durch hinterherrennen nicht zu kriegen ist und was man nicht einfordern kann. Ich weiß das und tue es trotzdem und werde, indem dass ich’s tue, immer verzweifelter. Ich weiß es und weiß mir dennoch in den Momenten, wenn es so schlimm ist wie gestern, nicht zu helfen. Im Grunde suche ich da nach Liebe. Nach absoluter Zugehörigkeit. Ich will nicht alleine sein. Und fühle mich unendlich allein, in diesem Zustand. Noch eher ist es dann so: Ich will gehalten werden. Ich sehne mich danach, dass sich jemand um mich kümmert. Ich hätte sagen können: „Nimmst Du mich mal in den Arm?“ Das hätte er wahrscheinlich gemacht. Stattdessen sagte ich: „Warum nimmst Du mich nicht in den Arm?“ Und Dirk fühlte sich angegriffen oder unter Druck gesetzt oder manipuliert und war sauer und abweisend und ich kommunizierte dauernd weiter so um die Ecke und wurde immer verzweifelter. Das war schrecklich! 146 Heute Mittag habe ich es hingekriegt, es so zu sagen dass er mich umarmt hat. Wir haben lange so gestanden, in der Umarmung, und ich hätte noch viel länger so stehen können. Da ist etwas geflossen und das habe ich so gebraucht. Das hat mir so gut getan. … … - … Als ich diesen Text des unbekannten Verfassers „Uns selbst lieben …“ in meinem Adventskalender las, machte mich das innerlich ganz frei und leicht: „ … den Anderen hundertprozentige Freiheit geben … Frieden mit unseren Eltern und unserer Kindheit schließen – um sie nicht mit unserem Partner zu wiederholen … Vorwürfe aufgeben … einmal nicht recht zu haben … den Anderen nicht zur Bestätigung des eigenen Wertes missbrauchen … Von uns aus Liebe geben und nicht erwarten, dass sie uns entgegengebracht wird.“ … - Und dann das! Dieser dritte Advent! Das krasse Gegenteil dieses Textes! „Hab‘ ich ja wohl wieder mal voll Scheiße gebaut! Nix gelernt. Oder noch schlimmer: das Gelernte nicht angewandt, mich trotz besseren Wissens einen ganzen Tag lang so verhalten, dass ich erstens mich selbst und vielleicht auch noch Dirk gequält habe“, will ein Teil in mir sagen. Ich schenke ihm aber kein Gehör. Ich bin es nämlich leid, alles, was geschieht, zu analysieren. Und noch viel mehr bin ich es leid, mich für „Schlechtes“ niederzumachen. Ja, ich habe mich so verhalten, ja, das war grausam, für mich selbst und Dirk gegenüber vielleicht auch. Aber dann ist es halt so. Es ist okay. Ich hab’s gemacht, ich war so und ich nehme mich in Liebe so an. Fertig. Und am Ende kann ich wahrscheinlich noch dankbar für alles sein: dass da etwas mit Macht aus meinem Schatten ans Licht gekommen ist, weil es gesehen, erkannt und ausbalanciert werden will. Morgen ist der vierte Advent. Im Laufe der vergangenen Woche habe ich gemerkt und dann beobachtet, wie grausam mein Verstand sein kann, mein Denken. Das ist ganz subtil. Ständig treibt es mich an: Das musst du noch machen und das und das und das. Es vergleicht und es will mir Angst machen. Es lässt mir keine Ruhe. Es sitzt mir im Nacken. Mein Nacken ist seit einer Woche ganz verspannt. Aber heute Nacht hatte ich folgenden Traum: Viele Raubkatzen kamen auf mich zu. Sie sahen alle gleich aus. Ich kann nicht sagen, ob es Tiger oder Jaguare waren, eine Mischung aus beiden. Es waren 15 oder 16 Tiere und einer von ihnen hatte zwei 147 Köpfe. Sie kamen auf mich zu gelaufen, über eine Wiese, einen Hügel hinab und sprangen durch’s offene Fenster zu mir ins Zimmer. Ich saß auf einem Stuhl am Tisch und sie streiften unter dem Tisch um meine Beine. Uta war dabei. Sie saß mit am Tisch. Ich wusste, dass ich keine Angst zu haben brauchte, obwohl etwas in mir panisch werden wollte. Es ist nichts geschehen. Sie haben uns nicht angegriffen. Sie gingen dann wieder weg. … – Ich stelle mich meinen Ängsten. Und meiner Kraft. So interpretiere ich das. Danach war ich auf einem Schiff. Auf einem großen alten Holzschiff, mit vielen anderen Wesen, alle oder hauptsächlich männlich. Es waren Menschen und auch noch anderes als Menschen, zauberhafte Wesen … - wie soll ich das sagen? Kraftvoll, bedrohlich, roh, archetypisch, ein bisschen wie die Orks in „Herr der Ringe“, aber nicht ganz so heftig. Diese Gestalten befanden sich in einem tieferliegenden Raum. Ich war mit den menschlichen (Helden) auf einer etwas höheren Ebene. Dann begann eine Provokation, einer von unten „suchte Stunk“, einer von oben reagierte darauf, der von unten stieg die Treppe hoch und kam herauf, um anzugreifen, in seiner ganzen Gewalt, oben die waren aber auch sehr stark und kraftvoll. Ich saß nahe der Treppe, ich hätte den ersten Angriff abkriegen können, aber auch hier wusste ich, dass ich keine Angst zu haben brauchte. Ich ging einfach ins Vertrauen, anstatt in die Angst. Ich weiß nicht, ob ein Kampf ausbrach. Jedenfalls lag ich dann am Boden und ein schwarzer Zauberer beugte sich über mich. Er sagte: „Ich zieh‘ es Dir raus.“ Ein Teil von mir dachte: „Der will mir Angst machen“, aber wieder wusste ich, dass er mir nichts Böses tun kann, dass ich mich nicht fürchten muss, weil ich nichts habe, wogegen er kämpfen kann. Und er zog etwas aus mir heraus. Er fuhr mit seiner Hand (?) über mich, von oben nach unten, und zog etwas aus mir heraus, aus meinem Inneren. Ich weiß aber, dass er mir nichts nehmen kann, was mir dann fehlt, um das es mir leid täte, weil ich mit allen Wesen und mit allem, was ist, auf einer Ebene bin, auf der keiner dem anderen etwas antun kann. Wir sind unangreifbar und ganz. Im Grunde ist das so. Das weiß ich immer mehr. In meinem Inneren spielen sich die Kämpfe ab. In mir sind die Grenzen, sonst nirgends. Wenn ich kämpfe, dann ist der Kampf da und wenn ich vertraue, dann ist Vertrauen da. Und dieser schwarze Zauberer hat mir, glaube ich, einen großen Dienst erwiesen. 148 20. Dezember 2008 Vergiss, vergiss, und lass uns jetzt nur dies erleben, wie die Sterne durch geklärten Nachthimmel dringen, wie der Mond die Gärten voll übersteigt. Rainer Maria Rilke Morgen ist der vierte Advent … Jetzt ist es zehn nach acht, abends. Michel liegt im Bett und jetzt ist es still. Er ist wohl eingeschlafen. Seinen Papa hat er heute den ganzen Tag über nicht gesehen. Ich glaube, das erste Mal in seinem Leben. Dirk war schon weg, als Michel heute Morgen wach wurde, und jetzt ist er noch nicht da. Er ist heute Morgen mit Thomas weg, ihm bei einer Arbeit helfen. Jetzt kippen sie sich vermutlich noch irgendwo einen hinter die Binde. Gegen 18.00 Uhr bekam ich Bauchweh und mir wurde schlecht. Er hätte im Laufe des Tages doch mal anrufen können, wenn ihm was an mir liegt, spätestens, als sie Feierabend machten und in die Kneipe gingen, um mir Bescheid zu sagen. Der Verrat durch frühere Freunde steigt in mir auf. Die Gleichgültigkeit, die da auf einmal war, das Ich-liebe-dich-nicht-mehr, obwohl das vorher hieß Egal-waspassiert-ich-werde-dich–immer-lieben. … - Die Sehnsucht nach dem Geliebten. Glaube ich noch daran? … - Im Moment glaube ich, dass Dirk nicht wirklich etwas an mir liegt. Er will meine Nähe nicht, mich nicht. Gestern waren wir zusammen in Frankfurt auf dem Weihnachtsmarkt. Wir beide, Michel war bei Oma. Als wir mit dem Zug zurückfuhren, sah er auf seinem Handy nach, ob jemand angerufen habe. Thomas hatte angerufen. Er war auf dem Weg zu der Arbeit, zu der Dirk hätte mitfahren können, und Dirk ärgerte sich, dass er nicht mitfahren konnte. Das verletzt mich und macht irgendwie alles kaputt, was wir zusammen gemacht haben. Einmal machen wir zwei etwas zusammen, ohne Michel, nur für uns, und dann bedauert er, dass er darüber Thomas verpasst hat. Gestern Abend war ich noch mal mit dem Auto unterwegs und sah einen Freund vorbeifahren. Er hat vor Kurzem geheiratet. Seine Frau saß mit im Auto auf dem Beifahrersitz. Sie haben mich nicht gesehen. Als wir aneinander vorbeigefahren waren, dachte ich mir, dass wir uns oft in bestimmten Bahnen begegnen, es ist irgendwie festgelegt: „Hallo, wie geht’s?!“ „Gut!“ Ha-ha. Lächel-lächel. Winke-winke. Auf einmal war ich froh, dass sie mich nicht gesehen hatten. Dass ich mit meinen Empfindungen bei mir bleiben konnte. Tief in mir spürte ich, wie berührt ich bin, dass die beiden jetzt zusammen sind, dass sie sich gefunden haben, dass sie nicht mehr alleine sind, wie schön ich das finde und wie dankbar ich dafür bin. 149 Zuhause wollte ich das mit Dirk teilen, dieses Empfinden, und erzählte ihm davon. Er sagte darauf: „Ja und?“ Dann nannte er die Namen eines anderen befreundeten Ehepaares: „Schau Dir die an. Jetzt sind sie sich nach elf Jahren nicht mehr sicher.“ – Die Frau will ausziehen. Weil der Mann „intimen“ E-Mail-Kontakt mit einer anderen Frau pflegt. Und weil ein dickes Thema der beiden hochgekommen ist. – Ich antwortete nicht auf Dirks Einwand. Aber es schnürte mir den Hals zu. …-…-…Vielleicht passt das doch nicht so gut, Dirk und ich. Wir sind uns nie einig. Wenn ich etwas sage, nimmt er automatisch die Gegenposition ein. Er sucht meine Nähe nicht. Er nimmt mich nicht ernst. Ich interessiere ihn nicht. …-…-…Ist das wirklich so? Oder sind meine Muster gerade auferstanden und sitzen auf den Barrikaden, schwenken ihre Fahnen und erzählen mir lauthals, was wir, sie und ich, alles schon erlebt haben und wie infolgedessen das Leben ist, immer wieder. …-…-…Wie geht das, vergessen? Sich nicht einlassen auf den Schmerz. Wie macht man das? …-…-…Es ist gleich neun. Morgen woll(t?)en wir nach Wuppertal fahren, die Oma, Dirks Mutter besuchen. Denkt der im Ernst, dass ich das noch will? Noch kann, leichten Herzens? Wahrscheinlich denkt er gar nichts. Und ich weiß nicht, wie ich mit ihm reden kann, weil er bestimmt wieder böse wird, wenn ich was sage. Warum lebe ich überhaupt mit ihm? Warum tu ich das? Liebe – das ist alles nur ein Deal, was wir Liebe nennen. Warum suche ich das bei ihm? Ich kann ihn nicht dazu bringen, mich zu lieben. Manchmal liebe ich ihn. Ich habe es schon gespürt, tiefes Vertrauen und so. Liebe ich ihn jetzt? Eigentlich ist es egal, er kann doch ruhig den ganzen Tag weg sein. Ist doch egal, bzw. an sich nichts Schlimmes, ist in Ordnung, wenn es mal so ist. Oder? Ich habe aber Angst vor Verrat. Vor Gleichgültigkeit seitens des Geliebten. Aber dann ist es doch auch nicht der Geliebte, wenn er mir gegenüber gleichgültig ist. Was will ich eigentlich von ihm? Warum lasse ich ihn nicht einfach los? 150 Hör‘ auf, Sonni. Hör‘ auf, Menschen nachzulaufen. Bleib‘ bei Dir. Bleib‘ bei Dir. Bleib‘ einfach bei Dir. Da ist es doch auch immer am Schönsten. Besinne Dich auf Dein Vertrauen! Ich weiß, ich darf vertrauen. Für mich ist gesorgt. Es geschieht nichts Schlimmes mehr. Ich glaube im Grunde auch, dass Dirk mich auf seine Art liebhat. … - Ach je! … - Der Schmerz ist in mir. „Es-ist-und-es-ist-nicht“ auch. Die Freiheit und die Liebe sind auch in mir. Die sind weit - das ist ein weites, freies Land! Der Schmerz sitzt verknotet im Hals, im Bauch und in der Brust. Das muss doch zu lösen sein! Jeder Knoten löst sich irgendwann. Und wenn er es durch Zeit und Verwitterung tut. Irgendwann löst er sich. …-…-…- Vergiss, vergiss, und lass uns jetzt nur dies erleben, wie die Sterne durch geklärten Nachthimmel dringen, wie der Mond die Gärten voll übersteigt. Wir fühlten längst schon, wie’s spiegelnder wird im Dunkeln; wie ein Schein entsteht, ein weißer Schatten in dem Glanz der Dunkelheit. Nun aber lass uns ganz hinübertreten in die Welt hinein, die monden ist – Rilke 151 Vierter Advent Bitte Wir werden eingetaucht und mit dem Wasser der Sintflut gewaschen, wir werden durchnässt bis auf die Herzhaut. Der Wunsch nach der Landschaft diesseits der Tränengrenze taugt nicht, der Wunsch, den Blütenfrühling zu halten, der Wunsch, verschont zu bleiben, taugt nicht. Es taugt die Bitte, dass bei Sonnenaufgang die Taube den Zweig vom Ölbaum bringe. Dass die Frucht so bunt wie die Blüte sei, dass noch die Blätter der Rose am Boden eine leuchtende Krone bilden. Und dass wir aus der Flut, dass wir aus der Löwengrube und dem feurigen Ofen immer versehrter und immer heiler stets von neuem zu uns selbst entlassen werden. Hilde Domin Gegen 23.00 Uhr kam Dirk nachhause. Ich habe an dem Abend nicht mehr mit ihm gesprochen, denn Ich gehe nicht zu ihm! Er soll zu mir kommen, „Hallo“ sagen, sagen, dass es ihm leid tut, dass er nicht angerufen hat, sagen, dass es ihm leid tut, dass er so spät kommt und warum es so gekommen ist. Er kam aber nicht zu mir. Gelegentlich griff in der Nacht die Panik nach meinem Herzen. Ich durchlebte alte Qualen. Schon vorher, als Dirk noch nicht daheim war: die Erinnerung an meinen letzten langjährigen Freund, der auch immer weg war, tagelang am Stück manchmal. Wenn er nachhause kam, war er in der Regel betrunken. (Ich trank ja zu der Zeit auch noch. Wir beide hatten u.a. das Thema „Suff“ miteinander.) … Andere Frauen … Ich glaube, ich habe mich von ihm mächtig verarschen lassen. Manches habe ich mitbekommen und manches wollte ich vielleicht auch einfach nicht wahrhaben. Einmal trafen wir beim Einkaufen eine Bekannte und die beiden blitzten sich vielsagend an. 152 Das wollte ich auch nicht wahrhaben. Nicht schon wieder diskutieren, fragen, die Eifersüchtige spielen. Nicht schon wieder. Als unsere Beziehung schon zwei oder drei Jahre zuende war, bekam ich erst mit, dass er nach mir eine Weile mit dieser Frau zusammen war. … - Das lief Samstagnacht alles in mir ab: „ … Dirk in der Kneipe … wer weiß, wen er da so trifft … was sich da so ergibt … er wird stinkbesoffen sein, wenn er nachhause kommt … Wuppertal, die Oma … ich fahre mit Michel alleine hin … Dirk wird nicht aufstehen können … nicht autofahren können … mir ist schlecht … ich fahre nicht mit … ich kann doch Michel nicht alleine mit ihm fahren lassen … - … - ….“ So lag ich mit meinem Kopf-Kino im Bett. … - Als ich gehört hatte, dass Dirk gekommen war, stand ich auf, um aufs Klo zu gehen, obwohl ich eigentlich nicht musste (um ihm die Chance zu geben, mir über den Weg zu laufen) und registrierte, dass ich in Bad und Flur keinen Alkoholdunst wahrnahm. … Sollte er möglicherweise doch nicht so sturzbesoffen sein? … Er saß in der Küche und stand nicht auf, um mir über den Weg zu laufen, und ich ging wieder ins Bett, ohne dass einer von uns beiden etwas gesagt hätte. Gelegentlich griff die Panik nach meinem Herzen, der Schmerz und die Qual. Aber: Wenn es so war, atmete ich ein paar Mal tief durch … vergiss, vergiss … und … erstaunlicherweise: Dieser tiefe Frieden breitete sich in mir aus. Ich war ganz ruhig. Ich dachte an den schwarzen Zauberer, was es wohl gewesen sein mag, das er aus mir herausgezogen hat. Es muss etwas mit Männern zu tun haben. Am Sonntagmorgen: als ich aufgestanden war: Ich wollte Dirk sagen, dass ich Bauchweh habe, dass mir schlecht sei und dass ich nicht mitfahre nach Wuppertal. Sonst wollte ich gar nichts sagen. Ich sage diesmal nichts! Er soll was sagen. … Ich zog eine Tarot-Tageskarte: die sechs Schwerter, mit dem Titel „Wissenschaft“. Ihre Bedeutung „beschränkt sich jedoch keineswegs auf die Welt der Wissenschaft.“ Und meine „persönlichen Angelegenheiten (…) sollten (…) auf eine Weise kommuniziert werden, die von allen Beteiligten gehört, verstanden und angenommen werden kann.“ (22) … So so. … Das nahm ich erstmal nicht so wörtlich. Ich nahm mir einen Kaffee, setzte mich an den Küchentisch und schlug die Seite an meinem Adventskalender (17) um. Da stand auf der einen Blatthälfte: Die Sterne fürchten sich nicht wie Leuchtkäfer zu erscheinen. Rabindranâth Tagore … Vielleicht sollte ich doch was sagen? … Und auf der anderen Hälfte des Blattes stand: 153 Wie möchtet ihr denn euren Tee? Ein Weiser ist in tiefer Meditation. Da erscheinen am Eingang seiner Höhle drei kriegslüsterne Dämonen. Sie lassen ihre blutigen Schwerter rasseln, klappern mit Totenschädeln und dringen unter Gebrüll und Heulen, mit wüsten Beschimpfungen in die Höhle ein. Der Weise aber lädt sie mit einem liebenswürdigen Lächeln ein, an seinem Feuer Platz zu nehmen und mit ihm Tee zu trinken. „Versetzt dich denn unser Anblick nicht in Angst und Schrecken?“ fragen die Dämonen. „In keinster Weise“, antwortet der Weise. „Ich bin dankbar, dass ihr gekommen seid, denn ich befinde mich auf dem Pfad der Heilung, und euer Erscheinen gibt mir die Möglichkeit, meine Angst und meine Zweifel zu untersuchen. Kommt her und trinkt Tee mit mir, macht es euch bequem. Wie möchtet ihr denn euren Tee?“ Sufi-Geschichte …-…-…Na gut. Ich sage: „Warum hast Du nicht angerufen?“ Dirk sagt: „Warum hast Du mir keine sms geschickt? Das machst Du doch sonst auch manchmal.“ Schon steigen in mir der Widerstand und die Wut hoch. Ich frag‘ ihn was und er schiebt die Frage auf mich ab! Es lag bei ihm (dreimal unterstrichen!!!), Bescheid zu sagen! … Aber ich sage: „Weil ich Dir nicht hinterher telefonieren will: Wo bist Du? Wann kommst Du?“ Weil das auch stimmt. Er dachte, es würde nicht so lange dauern, antwortete er, und das solle ihm eine Lehre sein. Und ich will das mit „eine Lehre sein“ gleich wieder auf mich beziehen, im Sinne von wenn die sich so anstellt, werde ich es nicht mehr wagen, nicht anzurufen, weil sie sonst zur Furie wird. Aber ich frage: „Inwiefern eine Lehre?“ „Na, wenn der Thomas einmal sitzt, dann sitzt er. Das kann dann dauern. Ich hatte gesagt: eine Stunde, länger nicht. Aber dann haben wir Fahrrad-Freunde von Thomas getroffen und dann war es zu spät.“ Ich erzählte ihm, wie es mir ergangen war. – Eine Fahne hatte er übrigens nicht und er machte auch keinen verkaterten Eindruck. – Er fragte mich, was ich denn dächte, 154 was er gemacht hätte. Und ich antwortete ihm, dass ich denke, dass er mit Thomas, wenn es schon mal elf Uhr wird, auch im Puff gewesen sein könnte. …-…-…Jedenfalls haben wir in kurzer Zeit viel geklärt. Und ich danke den Dämonen fürs Rasseln mit den alten, blutigen Schwertern! Danke für die ganze wundervolle Hilfe! Und für die freie Autobahn nach Wuppertal und zurück, für den schönen Nachmittag und für das leckere Essen, das Oma für uns gekocht hat! Der Zauberer: Vielleicht war das, was er entfernt hat, meine Angst vor Männern, mein Misstrauen und meine Vorbehalte ihnen gegenüber, meine alten Erfahrungen und Muster. Er hat eine Grenze entfernt, ein Abgetrenntsein, die trennende Wand. – Ich brauchte nicht böse und verletzt zu sein. Wir haben es geklärt und gut war’s. So, jetzt ist aber Schicht im Schacht! Joy to the world! And so this is Christmas … Draußen, jenseits der Vorstellungen von Fehlverhalten und Wohlverhalten, liegt ein Feld. Dort werd‘ ich mit dir zusammentreffen. Wenn die Seele sich in jenes Grasland niederlegt, ist die Welt zu sehr erfüllt, um darüber zu reden. Vorstellungen, Sprache, selbst der Ausdruck „der Andere“, ergeben keinerlei Sinn mehr. Jellaladin Rumi Zweiter Feiertag. Wir hatten heute Morgen Krach. Im Grunde ging es wohl darum, wer nachts aufsteht, wenn Michel wach wird, ihm sein Fläschchen gibt und nachsieht, ob er eine frische Windel braucht, und wer liegenbleiben darf. Um es gleich vorwegzunehmen: Wir haben uns wieder versöhnt. 155 Dirk telefonierte vorhin mit seiner Mutter, Frohe-Weihnachten-wünschen, weil wir sie gestern nicht erreicht hatten. Sie erzählte ihm, dass seine beiden Geschwister, seine Schwester und sein Bruder, auch Krach hätten. Sie werfen sich gegenseitig vor, sich nicht genug um sie, ihre Mutter, zu kümmern, und so haben sie das Gleiche in grün wie wir. Als der Krach mit Dirk am Laufen war, setzte ich mich währendem, ich weiß nicht warum, innerlich mit meiner Schwester auseinander. Da wusste ich noch nichts von dem Streit von Dirks Geschwistern. Ist es das Geschwister-Thema, das diese Weihnachten hochkommt? Oder ist es etwas anderes? Mir ging durch den Sinn, dass ich meine, dass meine Schwester immer am rennen ist, dauernd am machen und dass sie damit viel verdrängt. Das ist meine oberflächliche Meinung. Und mein Weg ist mit Sicherheit nicht der einzig selig-machende. Vielleicht ist das einfach ihre Art, mit den Dingen umzugehen, ihre Aufrichtigkeit, denn ich glaube nicht, dass sie nicht ehrlich mit sich selbst ist. Ich habe nur den Eindruck, dass sie dazu neigt, Dinge zu verdrängen, mit denen sie nicht konfrontiert werden will. … - Aber vielleicht ist das auch eine Gabe und ich konfrontiere mich zu viel und allzu bereitwillig und sollte mir vielleicht auch lieber einiges am Ar… vorbeigehen lassen. … – Ich finde, sie hat einen prima Job, absolut beneidenswert: Sie arbeitet in der Grundschule als Schulsekretärin. Aber sie studiert und will höher hinaus. Sie hat einen Ehrgeiz, der mir abgeht. Und ihr ganzes politisches Engagement und ihre sonstigen gesellschaftlichen und sportlichen Aktivitäten – sie ist dauernd mit irgendwas beschäftigt und hat keine Zeit für sich. Und ich meine, sie tut es, weil sie Anerkennung will und letztendlich Liebe. Von Papa, und Mama, von ihrem Mann, den Männern, der Gesellschaft, den Anderen. … Ja und? – Wenn ich das so sehe, was sehe ich da? – Die Welt ist ein Spiegel. Wie ich hineinschaue, so schaut es heraus. Ich will das auch: Anerkennung und Bestätigung, für das, was ich tue und bin. Das liegt diesem ganzen Streit zugrunde. Ich versorge Michel und will Anerkennung, stattdessen ist Dirk mürrisch und in sich gekehrt und sagt nicht mal „richtig“ Guten Morgen. Dirk versorgt Michel und will Anerkennung, stattdessen will ich auch noch in den Arm genommen werden und beschwere mich, wenn er es nicht tut. Und möglicherweise ist meine bisherige Sichtweise, dass solch überaus aktive, ehrgeizige Menschen Anerkennung wollen auch längst nicht die ganze Wahrheit, vielleicht ist es überhaupt keine Wahrheit. Dirk hat mir diesbezüglich eine Tür geöffnet. Anhand von Thomas, Danis Mann. Der fährt nämlich exzessiv Fahrrad. Wir gaben dazu stets freimütig das Urteil ab: „Er tut das um der Selbstbestätigung willen.“ Aber nachdem Dirk mit Thomas ein paar Mal in der Kneipe war, weiß er, dass dem nicht so ist. Es geht nicht um Selbstbestätigung. Oder, wenn doch, dann längst nicht nur. Es ist ein Hobby, Freiheit … Thomas kennt Plätze, die sonst keiner kennt. Mit seinem Fahrrad sucht er Orte auf, an denen viele andere Menschen sehr selten oder vielleicht nie sind, die Nidda-Quelle z.B. Sein Fahrradfahren verbindet ihn mit 156 der Erde, mit seiner Umgebung, seiner Heimat, mit dem Land. So habe ich das noch nie gesehen. Was weiß man also schon vom äußeren Drauf-schauen und was bedeutet eine bestimmte Meinung? Die Dinge sind oft anders, als es scheint. Um was geht es bei besagten Krächen? Dass das Baby, die Oma oder wer oder was sonst nur vorgeschoben sind und dass man im Grunde selbst möchte, dass jemand für einen sorgt? Dass sich die große kosmische Mutter und der himmlische Vater um mich kümmern? Bei Vielen ist es, glaube ich, ein unendliches Ruhebedürfnis. Und weil die Menschen von sich aus nicht für Ruhe sorgen, kommt ein himmlischer Schneesturm, schneit alle ein und zwingt sie zu der ersehnten Pause. Wie kurz vor Weihnachten in den USA. Thomas, fällt mir gerade ein, ist sich mit seiner Schwester auch nicht grün. Die beiden haben überhaupt keinen Kontakt mehr. Dirk und sein Bruder auch nicht. Ich kenne den Bruder nur von Fotos. Die Gründe, die Dirk vorgibt, warum er mit seinem Bruder nicht verkehrt, sind meines Erachtens irrelevant. Was haben die? … Herrscht bei allen erwachsenen Geschwistern Konkurrenz oder was das ist? Wann ist das bei Dani und mir aufgetaucht? Als Kind, wie gesagt, habe ich sie abgöttisch geliebt. Meine große Schwester! Im Vorschulalter war das. Machen Schule und Gesellschaft mit ihrem Leistungs- und Konkurrenzgetrimme Geschwisterliebe kaputt? … - Die Eltern? Gibt es Kinder, Geschwister, die mit Elternliebe und deren Anerkennung so durchtränkt sind, dass später keine Konkurrenz aufkommt? … - … Mein Schultergürtel ist immer noch verspannt. Vielleicht wachsen mir Flügel. Engelsflügel. Außerdem habe ich das Gefühl, ich sei schwanger. Vielleicht bin ich’s wirklich. Vielleicht bin ich aber auch schwanger mit mir selbst. „Wir sind die, auf die wir warten“, sagen die Hopi-Indianer. Es ist Weihnachten! Unsere eigene innere Heiligkeit wird geboren! Sie liegt bei keinem anderen. Bei den Krächen habe ich immer mehr das Gefühl, es geht um gar nichts mehr. Das löst sich alles auf. Es geht nur darum, mit mir selbst zu sein. Es ist irgendwie egal, was ich tue, gleich-gültig. Es geht um meine Sichtweise auf die Dinge. Das steht für gestern und heute, die beiden Weihnachtsfeiertage, als Motto in meinem Mondkalender ein Zitat von William Shakespeare: Was Macht hat, mich zu verletzen, ist nicht halb so stark wie mein Gefühl, verletzt werden zu können. 157 Des Weiteren fegte Flöckchen, einer unserer beiden Kater, gestern Morgen eine Figur von der Treppe, die dort als Deko steht. Es hat ihr den Kopf abgeschlagen und ich finde das wunderbar! Joy to the world! Den Kopf verlieren Und es will Vieles werden. Wir gehen immer verloren, wenn uns das Denken befällt, und werden wiedergeboren, wenn wir uns ahnend der Welt anvertrauen und treiben, wie Wolken in hellem Wind. Und alle Grenzen, die bleiben, sind ferner, als Himmel sind. Und es will Vieles werden, doch wir ergreifen es kaum. Wie lange sind wir der Erden Ängstliche noch im Traum? Fragwürdige noch wie lange, jetzt, da sich schon alles besinnt, da das, was einstens so bange, schon klarer vorüberrinnt? Dass uns ein Sanftes geschähe, wenn uns der Himmel berührt, wenn seine atmende Nähe uns ganz zum Hiersein verführt. Jean Gebser 27. Dezember, Samstag. Ich finde, heute ist der dritte Feiertag, immer noch Weihnachten. Mein Nachbar ist draußen mit seinem Laubsauger zugange: Öööhhnnöööhhnn-öööhhnn-dröhn-brumm-nerv! Dirk kam vom Einkaufen, zog sich um und 158 wollte rausgehen, was „schaffe“. Ich rief ihm nach: „Sag‘ dem, dass er mich nervt!“ Da kam Dirk nochmal von der Haustür zurück zu mir, stützte seine Arme auf den Schreibtisch auf und sagte: „Das sag‘ ich ihm nicht. Der hat recht! Muss doch was geschafft werden! Alles saubergemacht!“ Ja ja. „Es ist Weihnachten“, sagte ich, „dritter Feiertag.“ „Das meinst Du“, sagt Dirk. „Jetzt gibt‘s noch einen Feiertag: Das ist Neujahr. Dann kommen noch die heiligen drei Könige, aber die sind für’n Arsch, und dann geht’s rund!“ Dann klickte er noch mal auf die Maus vom PC, um sein Gefoppe noch zu untermauern und ich verdrehte die Augen und grinste und fragte ihn, ob er nicht rausgehen wollte. Wir haben eine Küche geschenkt bekommen! Und ein riesiges Sofa. Naja, für 700,- € beides zusammen, aber das ist so gut wie geschenkt. Ein Geschenk des Lebens. Meine Güte! – Lauter Wunder! Denn Dirk hat außerdem noch jede Menge Modelleisenbahnen und Zubehör gekauft. Alles gebraucht, aber doch für mehrere hundert Euro. Dabei dachte ich schon, bevor er damit angefangen hat, wir müssten mal ein bisschen sparen, aber wir haben jetzt komischerweise immer hinterher, nach dem Geldausgeben, mehr Geld als davor. Das mit der Küche kam so: Unser Nachbar von gegenüber, der vom Tierschutz, stand vor ein paar Tagen mit Dirk am Gartentor und erzählte ihm von einer Bekannten, die umzieht und händeringend jemanden sucht, der ihr ihre Küche abnimmt, weil sie die nicht mitnehmen kann. In einer Woche müsse sie aus ihrer Wohnung draußen sein. Sie hätte auch noch Wohnzimmermöbel, ob wir was haben wollten. Ich war auf Abwehr und dachte, der will uns was andrehen, weil ich meine, dass er ein Schlitzohr ist. … - Kurz nach Weihnachten klingelte er abends wieder bei uns, kam rein und zeigte uns auf seinem Handy Fotos von der Küche. Ich war immer noch im Widerstand, zumal am nächsten Tag Rainer, unser bayrischer Freund, zu Besuch kommen und ich nicht noch kurz vorher irgendwelche Aktionen mit Möbeln starten wollte. Ich ließ mich aber darauf ein, für den nächsten Vormittag einen Termin mit der Frau zu vereinbaren, um uns die Sachen vor Ort anzusehen. Rainer wollte erst nachmittags eintreffen. … Später im Bett fiel mir ein: Meine Tarot-Karte für den momentanen Maya-Mond (-Monat), die ich im Sommer bei Uta für das ganze Jahr gezogen hatte und die ich in einem Kalender aufgeklebt habe, ist „Der Stern“. Uta sagte dazu: „Lass es fließen in diesem Monat, nimm an, auch von dort, woher Du es 159 vielleicht nicht haben willst.“ ... Aha. … - Welche Instanz das immer schon so weiß, Monate vorher. … Am nächsten Tag um 11.00 Uhr waren wir bei der Frau. Sie war längere Zeit krank, hat ihren Job verloren, ist jetzt arbeitslos und kann deshalb die Haushälfte, in der sie wohnt, nicht mehr bezahlen. Sie zieht aus, in eine Einzimmerwohnung, und muss sich deshalb vom Großteil ihrer Möbel trennen. Wenn es ihr niemand abnimmt, muss sie sie entsorgen lassen. Für die Küche wollte sie 400,- € und für das Sofa 300,-. … Eine prima, dufte, schöne, neue, klasse Küche! Mit allen Elektrogeräten! Inklusive Spülmaschine. Wir haben nämlich keine und Dirk spricht schon seit er hier ist davon, dass wir eine bräuchten. Ich meinte die ganze Zeit, dass wir keine brauchen. Jetzt kriegen wir eine für 400,- €, mit Küche drum herum! Die Küche sagten wir dann auch gleich zu, zumal wir schon seit Dirk bei mir ist, wiederholt davon redeten, dass eine neue Küche fällig wäre. Die, die wir haben, stand schon drin als ich hier einzog. Sie ist noch von den Vorbesitzern und Erbauern des Häuschens und stammt wohl aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Glatte weiße Fronten, die ich vor ein paar Jahren mit farbiger Folie beklebt habe. … Mensch! Und jetzt kommt das Universum, geht ganz pragmatisch irdische Wege und schenkt uns eine schöne neue Küche. Holz mit blauen Türen. Und jede Menge Platz! Wegen des Sofas fuhren wir erst nachhause, um auszumessen, weil es ein Riesenteil ist. Aber es passt, wenn wir umräumen. Und das ist jetzt beschlossene Sache: renovieren, umräumen, neue Möbel! Meine Güte! Halleluja! Das ist klasse! Wunder über Wunder! – Schon vor Weihnachten, nachdem Dirk die erste Ladung Modelleisenbahn gekauft hatte, die uns um 350 unvorhergesehene Euro erleichterte, bemerkte ich ihm gegenüber, dass mir das wie ein Wunder erscheine, weil wir hinterher, nach dem Kauf, irgendwie mehr Geld hatten als vorher. Dirk sagte, das sei kein Wunder und brachte unsere Finanzen mit der Bezahlung seiner Arbeit bei Thomas in Zusammenhang. Aber es geht dauernd so weiter. Das Füllhorn ist weit geöffnet und überschüttet uns mit seinen himmlischen Gaben. „DANKE!“ kann ich da nur sagen! – Jetzt könnte man meinen, unser Glück gründet sich auf das Unglück der Frau, von der wir die Möbel bekommen. Aber ich sehe das anders. Erstens müsste sie die schönen Sachen für Geld entsorgen und die schönen Möbel würden weggeworfen, was ein Frevel wäre. Und zweitens bin ich in dem unerschütterlichen Glauben, dass alles, was derzeit geschieht, an Trennungen, vermeintlichen Verlusten und solchen Sachen, dazu führt, dass jeder genau dahin kommt, wo er hingehört. Dass sich die tiefsten Herzenswünsche und Sehnsüchte eines jeden erfüllen. Aller Ballast, alles Falsche fallen weg. Ich verstehe nicht – oder ich verstehe es schon, aber wir müssen nicht mehr so reagieren! – warum Leute traurig, ja verzweifelt sind, wenn sie ihren Job verlieren oder – und das 160 verstehe ich wirklich nicht! – sich beklagen, wenn sie anstatt 40 Stunden nur noch 20 in der Woche arbeiten müssen. Vielleicht haben manche immer noch Angst vor Stille und Nichtstun und dem Wagnis, sich auf sich selbst einzulassen. Wir müssen alle lernen, uns selbst zu vertrauen. Und furchtlos zu sein. Das ist ganz wichtig! Wo Furcht ist, wird alles im Keim erstickt. Uns selbst vertrauen, den anderen und dem Leben, das ist die Devise! Annehmen und genießen. Und alles, was dem im Wege steht, loslassen. Auch Partner, die nicht wirklich die eine, große Liebe sind, gilt es loszulassen, damit der Platz frei wird. Falsche Freunde fallen weg, falsche Jobs. Es geschieht ja sowieso. Es geschieht. Ganz bestimmt. Das Alte zerfällt und das Neue flutet herein in gigantischen, grandiosen Wellen. Sich dabei am Alten festhalten zu wollen tut nur weh, ist furchtbar anstrengend und funktioniert sowieso nicht. Sich dem Neuen anvertrauen, hingeben, mitgehen, auf den Wellen reiten – Wow! Das macht Spaß! Bringt Anmut, Leichtigkeit und befreit! Im Internet steht, dass die Wege sich nun drastisch trennen würden, der Weg derer, die sich weiterhin lieber auf ihren Verstand verlassen und der Weg derer, die auf die Weisheit und die Liebe ihres Herzens hören, der Weg der Dualität und der Weg der Einheit. Vielleicht trennen sie sich in dem, was jeder erfährt, wie jeder die Geschehnisse wahrnimmt und bewertet bzw. nicht bewertet. Ich glaube aber, dass beide Wege zum gleichen Ziel führen: Echtheit, Wahrheit, Liebe und das Paradies auf Erden. Ganz bestimmt! – Vielleicht brauchen die, die immer lieber noch auf ihren Verstand hören, ein paar Leben länger. Die Figur, die Flöckchen bei seinem Herumtollen geköpft hat, stellt ein schmusendes Hundepärchen dar. Flöckchen hat gleich beiden den Kopf abgeschlagen. - Ich beziehe das auf Dirk und mich, dass wir aufhören, uns zu sorgen, uns „einen Kopf zu machen“, zumal die schmusenden Hunde, wie sie jetzt auf der Treppe stehen, die abgeschlagenen Köpfe zu ihren Füßen, ohne dieselben aussehen wie ein Herz. Ein auf dem Kopf stehendes Herz. Wir lassen uns von unseren Herzen leiten. Wenn der Kopf sich meldet, in Belangen, für die er keine Kompetenz hat, wird er gleich dem Herzen einverleibt. Herz ist Chef!! 161 Sich keinen Stress machen Du kannst das Leben und seine Geheimnisse nicht verstehen, solange du es zu fassen suchst. Ja, du kannst es gar nicht ergreifen, ebenso wenig wie du einen Fluss im Eimer davontragen kannst. Wenn du versuchst, fließendes Wasser in einem Eimer einzufangen, so zeigt das, dass du es nicht verstehst und dass du immer enttäuscht sein wirst, denn im Eimer fließt das Wasser nicht. Um fließendes Wasser zu haben, musst du es loslassen, musst du es fließen lassen. Dasselbe gilt für das Leben und Gott. Alan Watts Heute Mittag, als ich Michel hingelegt hatte, und er eingeschlummert war, überlegte ich, was ich machen könnte. Wollte. An den Computer setzen und schreiben. Das war das Erste, wozu es mich trieb. Aber dann dachte ich, dass ich doch eigentlich gerade alles aufgeschrieben habe, was ich aufschreiben wollte. Was jetzt noch in mir rumschwirrt, worüber ich schreiben möchte, das ist alles noch nicht fertig, ist noch diffus, bruchstückhaft, und im Grunde ist es das hier, was am Greifbarsten ist und anliegt: mir keinen Stress machen und mich nicht unter Druck setzen. Mit gar nichts. Sondern im Augenblick sein, und wenn etwas zu tun ist, wenn ich etwas tun möchte, dann das Naheliegende zuerst. Der Impuls zu schreiben war heute Mittag wieder ein bisschen so, dass ich dachte: „Ich muss schreiben. Damit es was wird.“ … – Ich muss aber nicht. Eines habe ich im Dezember schon ganz gut hingekriegt, finde ich: Ich war kaum im Fitness-Studio und war dabei innerlich ganz ruhig. Die erste Hälfte des Dezembers war ich ein bisschen grippig. Nicht krank, aber auch nicht fit. Und nach körperlichem Powern war mir überhaupt nicht. Als ich dann ein paar Tage am Stück nicht im Studio war, meldete sich meine innere Antreiberin: „Ej! Was ist los?! Du müsstest mal wieder gehen!“ Ein anderer Teil in mir sagte aber: „Mir ist nicht danach. Außerdem soll es ja auch Spaß machen und ich brauche jetzt einfach Ruhe. Der Sport ist eine Freizeitbeschäftigung. Ich mache das zum Ausgleich und weil’s mir Spaß macht. Wenn ich mich jetzt unter Druck setze, weil ich gerade nicht hingehe, dann stimmt da doch auch was nicht.“ „Du willst abnehmen, du willst fit bleiben und schließlich kostet das Ganze auch Geld!“ sagte meine Antreiberin. „Ja. Aber das ist auch kein Grund, mich unter Druck zu setzen“, antwortete der andere Teil. „Wenn ich es mir nicht leisten kann, zuhause zu bleiben, das wäre doch arm.“ … Meine innere 162 Antreiberin hat sich dann auch entspannt und mit mir Tee getrunken und Plätzchen gegessen, die selbstgebackenen - mit denen ich mich im Zuge dieses Prozesses ebenfalls versöhnte. Außerdem haben wir noch, meine Antreiberin und ich, die Waage weggepackt. Bis März, dachte ich mir, dann hole ich sie vielleicht wieder mal raus. Mein Jahresziel an abgenommenen Kilos, das ich mir vergangenen März gesteckt hatte, habe ich erreicht. Es reicht aber noch nicht, dass mir meine Hosen von vor der Schwangerschaft wieder passen. Auf 2 x vier oder 3 x drei Tage Rohkost-essen im abnehmenden Mond habe ich keine Lust mehr. Meine Selbstdisziplin diesbezüglich ist erschöpft. Das will ich nicht mehr. Also war ich, um weiterhin abzunehmen, vor meiner Auszeit im Fitness-Studio in „der Rührschüssel“. Das ist ein Gerät, das mit Unterdruck arbeitet, ein Laufband mit Überbau. Man steigt hinein, eine Tür wird geschlossen, so dass man nur noch mit dem Oberkörper herausschaut, das Laufband wird eingeschaltet und während man läuft, saugt an Beinen, Bauch und Po das Vakuum. Das soll die Fettpolster an diesen Stellen (drastisch!) reduzieren und ein schönes Hautbild erzeugen. Ich war einmal (eine halbe Stunde) drin und hatte danach 1 Kilo abgenommen! Das ist zum Einen sehr verführerisch: ratz-fatz! Wenn ich den achtwöchigen Kurs absolviere, bin ich rank und schlank und all meine Hosen passen mir wieder! Zum Andern geht mir das aber auch irgendwie zu schnell. Ob das gut ist, so schnell so viel abzunehmen? Und ich hätte mich so festlegen und verplanen müssen, denn ich hätte acht Wochen lang drei Mal pro Woche in diese Schüssel gehen müssen. – Jetzt, wo ich das niederschreibe, erscheint es mir noch viel aufgezwungener! Waren das wirklich acht Wochen?! – Kann ich mir gar nicht vorstellen. – Gut, dass ich es nicht gemacht habe. Jetzt nicht. - Man sollte, wenn man in diese Schüssel geht, am gleichen Tag hinterher keine Kohlehydrate mehr essen, also kein Brot, keine Kartoffeln, Nudeln, Reis und so, sondern nur noch Gemüse, mageres Fleisch, Fisch oder Magerquark, eiweißhaltige Nahrung, weil die Fettverbrennung angeregt ist und, wenn man Kohlehydrate essen würde, dieser Prozess wieder auf Null heruntergefahren würde. Das werde ich jetzt nach meinem normalen Training immer machen: keine Kohlehydrate mehr essen. Ich warte einfach mal ab bis März oder April und probiere dann ein paar Hosen aus meinem Schrank an. Wenn ich mir dann nicht gefalle, kann ich ja immer noch in die Schüssel gehen. – Aber ich gefalle mir ja jetzt schon! Heute Mittag setzte ich mich an meinen Schreibtisch, lies den Computer erstmal aus, sah aus dem Fenster in die strahlendweise Winterlandschaft und fragte mein Herz und mein inneres Kind: „Was willst du machen?“ „Schreiben“, sagte mein inneres Kind. Aber auch: „Aber nicht, wenn’s Dir Druck macht und Dich von was abhält, was Du jetzt eigentlich eher tun willst. Es läuft ja nicht davon.“ 163 „Bügeln? Hier, im sonnigen Bücherzimmer?“ „Au ja! Auch schön!“ Ich bügelte also. Das ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen: im Bücherzimmer bügeln! Oder im Flur vor‘m Ofen, und die Katzen liegen drum herum. Das ist irgendwie meditativ, dann bin ich ganz bei mir. Dann bin ich rundum glücklich. Danach brachte ich den Müll raus. Anfang der Woche hat es geschneit, dicke 20 cm, und jetzt ist es knacke-kalt und über die Schneedecke scheint tagsüber die Sonne. Als ich am Kompost war, sah ich ein paar größere Kinder auf Papas Baumstück Schlitten fahren und hörte sie juchzen und schreien, wenn sie den Hügel herunterfuhren. Dann kochte ich. Chili con carne, eiweißhaltiges Essen ohne Kohlehydrate, schon für nach dem Training … Und die ganze Zeit über war ich bei mir. In Frieden und Glückseligkeit. Den Kopf verlieren, Teil 2 Den äußeren Verstand durch stichhaltige Erklärungen befriedigen ist gänzlich unmöglich. St. Germain Wie ist es eigentlich wirklich mit Dirk und mir? Die meiste Zeit über ist es doch so, dass alles perfekt ist. Wir leben hier zusammen mit Michel; eine kleine Familie mit drei Katzen. Wir sind bestens versorgt, haben es kuschelig warm; jeder hat Zeit, das zu tun, was er möchte und außerdem haben wir uns in den nunmehr bald drei Jahren, die wir zusammen sind, kontinuierlich und kraftvoll entwickelt, sind zusammen gewachsen und haben jede Menge ausgemistet und aufgeräumt, im Haus, auf dem Grundstück und in uns selbst. Wir vertrauen uns einander an und schaufeln die Liebe frei. Wir haben jede Menge neu gestaltet, Reichtümer fließen uns zu und die meiste Zeit leben wir hier in Frieden und Schönheit. So ist es. Und das, was immer wieder hochkommt, an Verzweiflung und alten Mustern? Wenn ich irgendwie bin, wenn ich in den Arm genommen werden will und das Gefühl habe, dass ich gerade alles falsch mache und dadurch, wie ich es mache andauernd alles nur schlimmer und schlimmer wird, einen ganzen Tag lang oder länger … wenn ich weiß, dass ich doch einfach hingehen könnte zu Dirk, ihn in den Arm nehmen, dass er mich 164 dann auch halten wird, aber ich bin nur am klagen und leiden und will, dass er mich in den Arm nimmt. Von sich aus. Und er tut es nicht und ich denke, dass er mich nicht will und sich nichts um mich schert. … Und ich mache ihm Vorwürfe und er verteidigt sich und ich fühle mich abgeschmettert und bekämpft. Und will doch nur Liebe. – Was’n Scheiß! Mein Verstand ist dann am plappern und erzählt mir lauter Scheiß: „Der liebt Dich nicht. Der kümmert sich nicht um Dich usw. usf.“ Und ich glaube ihm und lass mich volllabern und folge nicht dem Weg meines Herzens, ja ich höre es gar nicht. – Das Beste wäre dann, glaube ich immer, wenn ich mich einfach nur um mich kümmern würde, in meinem Space bleiben würde. Ja! Ich mich um mich kümmern, wenn er sich nicht um mich kümmert, etwas tun, was mit gut tut, und aufhören zu jammern. Aber ich bin dann immer so abgrundtief verzweifelt und weiß nicht, wo ich hin soll. … - Ich hätte das natürlich liebend gerne los! … - Aber wenn das so ist, dass der plappernde Verstand nicht zu befriedigen oder eines Besseren zu belehren ist … dass er immer wieder die alten Muster durchkaut …. - Vielleicht muss ich lernen, anders damit umzugehen. Vielleicht ist es auch ein verkleideter Lehrmeister. … Ein Segen, der als vermeintlich Negatives daherkommt. … … - Es ist verdammt hartnäckig! Herrjeminee! Mein Nacken ist seit … ? sechs Wochen? total verspannt. Was sitzt mir denn da im Nacken? Wachsen die Flügel? Soll ich mich davon befreien, mich von irgendjemandem abhängig zu machen? Ob mich jemand sieht oder braucht, mich will oder gut behandelt? Sollte ich alles Mürrisch-sein der Welt an mir abperlen lassen? Alles, in jeder Form, die schlechten Nachrichten im Fernsehen und den fiese Möpp zuhause? – Das mit den Nachrichten klappt in der Regel. Aber zuhause, mein Partner – an dem will ich doch meine Freude haben!! Seit es Januar ist, und der ist nun zur Hälfte um, ist dauernd irgendetwas. Dauernd bin ich enttäuscht und finde, dass Dirk gemein zu mir ist. Und wenn ich was sage, wird es immer nur noch schlimmer. Erst nach ein, zwei Tagen, können wir ruhig miteinander reden, nähern uns wieder an, klären. Aber dann kommt kurz darauf gleich das Nächste. Und läuft wieder nach dem gleichen Muster ab. … - Also mache ich etwas falsch. Dirk kann nichts dafür. Der ist nur Mitspieler und folgt bereitwillig und liebevoll meinen Regeln. Er reagiert auf mein Bewusstsein. … - Liebevoll!!! - Das ist das Wort, was mir dabei immer im Kopf herumgeht: „Ich wünsche mir einen Partner, der liebevoll ist!“ …-…-…Mit Michel ist es ähnlich. Der kommt anscheinend ins Trotzalter und kann ganz schön zornig werden, wenn ihm etwas nicht passt. Oder er macht Spielchen beim Essen, streckt die Zunge mit dem ganzen Essen darauf raus oder steckt seine kleinen 165 Fäuste in den vollen Mund. Wenn ich dann schimpfe und mich aufrege, treibt er’s nur noch doller. Mich aufregen bringt gar nichts. Manchmal schreit er dann auch. Kräftemessen, mich nachahmen. Schimpfen, mit ruhiger Konsequenz, hilft manchmal, aber auch nicht immer. Bei seinem Papa funktioniert das immer, dem folgt Michel wie ein Lämmchen, wenn er schimpft - bei mir nicht. Aber das ist eben so. Dirk ist anders als ich und mit der Mama ist es anders als mit dem Papa. Wenn ich Michel von seinem Zorn ablenke und freundlich und liebevoll mit ihm bin, ihm etwas zeige, die Vögel im Vogelhäuschen oder etwas mit ihm spiele, dann ist am ehesten alles wieder gut. Wenn ich mich aufrege und schimpfe, schaukele ich’s nur hoch. … Und so ist mir Michel ein Lehrmeister für das mit Dirk. … Mein Kopf sagt hundert- und tausendmal: „Dirk ist ein erwachsener Mann! Der muss doch in der Lage sein, von sich aus auf mich zuzukommen und mich in die Arme zu nehmen!“ Mein Herz sieht aber, dass es so nicht läuft und dass da auch nichts Schlimmes bei ist. Und dass Dirk genau das wahrscheinlich extra für mich hat, damit ich das für mich Wichtige daran lerne. Und davon abgesehen tut er es ja auch oft: auf mich zukommen und mich in den Arm nehmen. Nur eben in aller Konsequenz gerade dann partout nicht, wenn ich meine, dass er es jetzt aber unbedingt tun müsste! So einfach ist das. Und so schwer tu ich mir damit. Vielleicht haben wir auch einfach gerade eine nicht so gute Zeit und ich will das fließende Wohlbehagen der vergangenen Wochen in meinem Eimerchen aufbewahren. …-… Sich selbst und andere liebhaben, glücklich und zufrieden sein, wenn alles im Lot ist, wenn alles gut ist, das ist einfach. Sich nicht verrücktmachen lassen, wenn die Dinge verquer laufen, ist die Herausforderung. „ In guten wie in schlechten Zeiten.“ „Wollt Ihr Euch lieben und ehren“ oder wie heißt es? – Ich kann und will aber auch nicht dauernd an unserer Beziehung arbeiten! (Dirk, vermute ich, auch nicht.) Manchmal habe ich die Nase einfach voll, bin sauer wegen seines wieder und wieder Mürrischund abweisend-Seins und habe keine Lust mehr, mich zu ärgern oder zu streiten. Dann sage ich nichts mehr, gebe keine Antwort auf irgendein Angeblaff … - vielleicht hat er einfach Stress wegen unserer Renoviererei, da hängt wieder mal viel mehr Arbeit dran, als wir so locker leicht im Vorfeld dachten - … ziehe mich innerlich zurück, dreh‘ mich runter bzw. gehe weg vom Kampfherd oder wie soll ich das ausdrücken? Und schaffe mir Ruhe- und Rückzugsräume für mich selbst. Dann mache ich das, was ich auch wirklich machen wollte. Und das weiß ich dieser Tage ganz genau. Meine innere Stimme spricht sehr deutlich, ruhig und zart, aber unmissverständlich. - Wenn es nicht um Dirk geht. Vielleicht, weil ich mich da zu sehr reinsteigere und sie nicht höre … oder nicht auf sie höre. - Und ich merke – 166 eigentlich genau in dem Augenblick, in dem ich’s tue – wenn ich dem, was sie sagt, zuwiderhandle. Durch ein inneres Gefühl, und im Außen zeigt sich die Konsequenz sogleich indem es komplizierter wird oder arbeitsaufwendiger oder es mir selbst nicht mehr gut geht, mit dem, was ich mache, wie ich’s mache. Also loslassen und mitgehen, mit dem was ist. Mich nicht widersetzen. Anerkennen, was ist. Meinen kleinen Eimer nur zum Putzen verwenden. …-… Von wegen „erwachsener Mann“ habe ich gestern zwei Anekdoten gehört: Dirk fuhr nachmittags in den Baumarkt, um noch Sachen für’s Renovieren zu besorgen. Unser Wohnzimmer ist schon ganz leergeräumt und weil Michel in der Küche quengelig wurde, zog ich ihm und mir die Jacken an und lies uns von Dirk mitnehmen zu Oma und Opa. Er setzte uns dort ab und später nahm er uns wieder mit. Opa-Papa wird im Februar 70. Er will das groß feiern und als wir gestern ankamen, war der Koch da, um die Speisen für die Feier abzusprechen. Vorher wurde aber noch Kaffee getrunken und über Gott und die Welt geredet. Den Aufhänger für die beiden folgenden Geschichten stellt die Gegebenheit dar, dass der Koch ursprünglich aus Bisses stammt, einem Dorf hier in der Gegend. Die Rede war auf Bisses gekommen. Papa erzählte von einem Gedicht, das er kürzlich gelesen hatte, in dem Bisses vorkam. Er stand auf, um eines seiner zig Bücher in oberhessischer Mundart zu holen. Als er damit zurück kam, schlug er das an seinem Rücken mehrfach mit Tesafilm geflickte Buch auf und las dem Koch besagtes Gedicht vor. Über manche Redewendungen und über die Story an sich lachten sich beide währendem kringelig. Das Gedicht handelte, soweit ich das verstanden habe, von einem Mann während der Heuernte. Er hatte einen Hut. Dieser Hut war, glaube ich, in Bisses geflochten worden, erzählte das Gedicht, und er setzte ihn nur zur Heuernte auf. Wenn der Mann also jenen Hut trug, wussten alle, dass er nun ins Heu ging. An diesem Tag aber wehte eine frische Brise, die wollte ihm den Hut beständig vom Kopf wehen. Der gute Mann musste allerlei Verrenkungen seines Kopfes vollführen, damit der Hut auf demselben blieb. Darüber kam er kaum zum Arbeiten. Zuerst mochte er das noch ganz possierlich gefunden haben, aber mit der Zeit regte er sich darüber auf und geriet letztendlich so in Rage, dass er sich den Hut vom Kopf riss, auf ihm herum trampelte wie Rumpelstilzchen ums Feuer und ihn kurz und klein riss. … - Danach ging es dem Mann besser und er hatte Kraft zum Arbeiten. Der Koch gab daraufhin zum Besten, dass ein „echter Mann“ (aus Bisses?) einst während der Heuernte seine Heugabel auf der Pressmaschine zerschlagen hatte, weil diese keine ordentlichen Heuballen produzierte. Auf die Frage, ob es danach besser gegangen sei, antwortete der Mann: „Nein, die Presse nicht, aber mir ging’s besser!“ 167 … - … - … Offensichtlich gehen Männer mit ihrer Wut anders um als Frauen, jedenfalls als ich. – Das Thema hatte ich doch schon! Die Erkenntnis war: Ich muss keine Angst haben. Und so, wie die Thematik jetzt daherkommt, in diese witzigen Geschichten verpackt, hat sich in mir anscheinend auch schon was gewandelt! … Schubidu … ☺ Kurz nachdem ich hier eingezogen war, vor nunmehr zwanzig Jahren, hatte ich einen Traum. Ich träumte von einem Mann, einem dunkelhaarigen, dunkel behaarten Mann. Zuerst war er nackt, später trug er einen Tarnanzug der Bundeswehr. Dann war da noch ein anderer Mann, ein blonder. Waren die beiden im Krieg? … Es war eher so ein „Krieg auf Erden“, so in der Art, wie es ist … (- es ist und es ist nicht …). In dieser Art, dass das Leben so verquer läuft, der Kampf des Lebens, dass vieles so ist, wie wir es doch gar nicht haben wollten, wir kämpfen und haben „keine Zeit“ und dabei sind wir hier doch auf einem so wunderbaren Planeten! Wir hasten herum und nehmen seine Wunder nicht wahr. Wir verstümmeln uns selbst und unser Leben. Wir trennen uns voneinander ab. Dabei ist dies doch ein Planet der Freuden, der Liebe, des Lachens und Spielens, der Planet versorgt uns! Und wir machen irgendwie alles kaputt, indem wir das alles nicht annehmen, ja verleugnen. Männer in Militäruniformen – Sinnbild eines völlig verpatzten Daseins. Ich weiß nicht mehr, ob der Blonde dem Dunklen den Kopf abschlug. Jedenfalls wurde der geköpft und sein Kopf flog davon, in den Weltraum hinein. Er wurde zu einem Mond oder zu einem neuen Planeten und ich hörte im Traum die Stille des Universums. Ja, ich glaube, der Kopf wurde zu einem Mond, denn dann sah ich zwei Marienkäferchen. Die liebten sich. Sie kopulierten und hoben sich als Silhouette ab vor diesem großen neuen Mond und dabei hörte ich die Musik des Universums und das war wunderschön und alles war gut. …-…-…Was heißt das denn? …-…-…Dass die Männer (die aus dem Ruder gelaufenen männlichen Muster) von sich aus, ganz alleine und zu ihrer Zeit dorthin kommen? In den Frieden, in die Balance; die 168 Liebe und den Zauber des Daseins finden. Ich muss, kann und brauche nicht mit ihnen kämpfen und nichts für sie erkämpfen. Mir keinen Kopf machen. Mir keinen Stress machen. Nur vertrauen. Bei mir bleiben. Ich selbst sein. „Gesunde“ Zwänge – Hinsehen, was wirklich ist Letztendlich führen alle Flüsse und Seen zu dem Ozean, in dem der Planet schwimmt und existiert. (…) Die Schönheit des Ganzen liegt darin, dass alles von selbst geschieht. Wir müssen nichts tun, um dorthin zu gelangen. Tatsächlich ist es so, dass der Prozess um so schwieriger wird, je mehr wir versuchen, ihn zu kontrollieren. Paul Ferrini Ich überlege, ob ich mir selbst einen Schreibstop verhängen soll für die Zeit des Renovierens. Aber ich glaube, ich kann eher auf den Fluss der Dinge vertrauen und darauf, dass alles zur rechten Zeit seinen Raum hat. Jetzt sitze ich ja auch hier und schreibe, während Michel in seinem Bettchen liegt und schläft. Dabei dachte ich, dass wir hier, zuhause, heute gar nicht sein können und hatte mich schon bei OmaMama angemeldet, dass wir uns dort aufhalten könnten, denn Dirk will im Wohnzimmer Löcher bohren für neue Steckdosen und Kabelschlitze ziehen. Das gibt Krach und Staub. Aber nun war er erst im Baumarkt und macht jetzt noch Vorbereitungsarbeiten. Michel war früh wach und von Anfang an unausgeschlafen und knorzelig heute Morgen. Frau Dornbusch von der Frühförderung war da, die kommt jeden Montagmorgen um 9.30 Uhr, und als sie wieder weg war, habe ich Michel gleich wieder zum Schlafen hingelegt. Für heute Nachmittag habe ich mich mit einer ehemaligen Arbeitskollegin, die auch ein kleines Kind hat, verabredet. Michel und ich fahren zum Kaffeetrinken hin. Das Leben wird immer mehr so, dass ich den Eindruck habe, dass man gar nichts mehr planen muss. Jedenfalls nichts Großartiges. Sowas wie die Verabredung treffen für heute Mittag, ja. Das habe ich aber auch eben erst gemacht und nicht schon vorgestern. Und ansonsten ergibt sich alles, wenn es soweit ist. Und zwar so, wie es 169 am allerbesten ist. Wenn man das vorher planen wollte, würde man sich erstens Stress machen, „einen Kopf“, und etwas festlegen wollen, womit man die Vollkommenheit begrenzen würde. Und dann klappt es nicht mehr, mit dem Fluss der Dinge. Das Leben selbst macht alles bestens und wir wohnen dem bei. Außerdem ist es so, dass, wenn etwas nicht klappt, es deshalb nicht klappt, weil etwas Besseres kommt. Und mit Dirk ist es, seitdem ich akzeptiert habe, dass wir eine schlechte Zeit haben, wieder gut. Das ist auch so ein Ding! Da versucht man und macht und tut, irgendetwas wieder hin zu bekommen, irgendwie mit den Dingen umzugehen … und sobald man das, was ist, einfach vorbehaltlos annimmt, ist es wieder gut, dann löst es sich. Es muss halt nur echt sein, die Annahme. So. Jetzt werde ich mich den „gesunden Zwängen“ widmen: renovieren, Essen vorbereiten und so weiter. – Über Norddeutschland waren „mysteriöse Lichter“ am Himmel. Es wird vermutet, dass ein Meteorit in die Ostsee gestürzt ist. Aber wer weiß, was das wirklich war? Wir beginnen zu leuchten! Vielleicht kommen auch andere Leuchtende unseres Universums, um mit uns zu tanzen, zu essen, zu spielen … Joy to the world! Auch wenn Weihnachten vorbei ist! … Oder ich vertraue darauf, dass eh nichts zu schreiben ist dieser Tage. … Ich weiß nicht … mir war nicht nach Schreiben, einige Tage lang. Aber in mir arbeitet etwas … ich kann das nicht in Worte fassen. Ich kann es überhaupt kaum fassen. … Vielleicht ist es so ähnlich, wie das, was hier im Haus geschieht: völlige Erneuerung verschiedener Räume, Wohnzimmer und Küche, wo man sich aufhält und wo die Speisen zubereitet werden. … Alles, aber wirklich alles, wird herausgerissen, wobei Risse, Abnutzungen und Mängel zutage treten. – So fühle ich mich. Zurück kann ich nicht. Will ich auch nicht. Und das Neue? Ich weiß noch nicht wirklich, wie’s geht. Und ob ich das kann, hinbekomme, die Umsetzung (einfacher) Erkenntnisse im Alltag. … In dieser Befindlichkeit möchte ich jetzt gar nicht darüber schreiben, was hier tagsüber geschieht. Ich möchte meinen Traum von letzter Nacht aufschreiben. Zumal ich zweimal im passenden Moment wach wurde, damit er mir im Bewusstsein blieb: Ich war in diesem neuen Haus, dieses große, geräumige, gut eingeräumte Haus. 170 Es stand wieder, oder immer noch, an dem Ort, an dem mein „wirkliches“ Haus auch steht. Im „richtigen“ Leben. Am Ortsrand. Ich näherte mich dem Haus vom Ort her. Das Haus ist zum Dorf hin durch Bäume und Büsche abgeschirmt. Da hingen viele Wäschestücke in den Büschen, 60°-Grad-Wäsche, Geschirrtücher und Unterhosen, Männerunterhosen, von Dirk. Eigentlich waren sie alle sauber, nur manches sah aus, als solle es noch gewaschen werden. Ich hängte von der sauberen Wäsche soviel ich tragen konnte ab und nahm es mit ins Haus. Dieses betrat ich wieder von hinten, durch die absolut eigenständige und sehr komfortable Einliegerwohnung, oder was das da hinten für ein Anhang ist. Diesmal sah es aus wie ein Tonstudio. Ich blieb in einem Kabel hängen und zog eine Kompaktanlage vom Regal, die fiel halb herunter, blieb dann aber hängen und am Stück zusammen und blieb heil. Ich öffnete die Verbindungstür zum Haupthaus. Und merkte, dass da „etwas war“. Da war etwas, was mir Angst machte. Dennoch trat ich ein in diese sehr geräumige Eingangshalle, großzügig und sehr schön eingerichtet, mit Türen links und rechts, aber unbewohnt. Hinter mir, linkerhand, das „weiß“ ich und ich spürte es, obwohl ich es nicht einsehen konnte, geht es in ein oberes Stockwerk, in obere Räume, die auch sehr geräumig, vielseitig, originell und genial sind, und die haben etwas mit meiner Schwester zu tun. Sie hat da mal gewohnt … oder hat sie für sich in Anspruch genommen, obwohl es mein Haus ist. … Die Rollläden in der Eingangshalle waren herunter gelassen. Dennoch war genügend Licht da, dass ich vorne vor der Haustür ein Regal stehen sah, auf dem viele (Brett- bzw. Gesellschafts-)Spiele standen. – Ich habe mir, im Wachbewusstsein gewünscht, zu spielen. Dass es wieder Menschen und Freunde in meinem Leben gibt, mit denen ich nach Herzenslust spielen kann. – Ich machte mich auf den Weg durch die Eingangshalle, um die Tür zu öffnen und die Rollläden hochzufahren. Und ich merkte, dass von hinten jemand auf mich zukam. Das war ein kleiner Mann, er hatte normale Proportionen, Kopf und Hände, war aber kleinwüchsig. Ich nahm ihn bei der Hand und zog ihn zur Haustür hinaus. Ich wachte auf und mir war ganz unheimlich zumute, wie nach einem Alptraum. Der Mann hat mir Angst gemacht. … Er sah aber so aus, wie einer, den ich dieser Tage im Trailer eines Films über neues menschliches Bewusstsein und den Aufstieg der Erde in die fünfte Dimension gesehen habe, und der mir in diesem Film sehr sympathisch war. Und warum war er so klein? Michel war im Schlaf unruhig gewesen und lag quer im Bett. Ich legte ihn wieder gerade hin und deckte ihn zu. Bei mir im Schlafzimmer ließ ich noch eine Weile das Licht an, um mich zu beruhigen, hielt mein inneres Kind und bat um Hilfe, um Unterstützung zur Klärung meiner Ängste oder um Annahme derselben und um die Möglichkeit und den Mut, das Haus zu erkunden, zu entdecken, darin zu wohnen. … Als Michel das nächste Mal greinte und ich wach wurde, hatte ich noch das Bild der sonnendurchfluteten Eingangshalle in mir. Der Raum schien kleiner geworden, noch immer geräumig, aber nicht mehr so großzügig eingerichtet, eher „nur“ Diele, nicht 171 schon Wohnraum. An den Fenstern, die die Haustür umrahmten, hingen weiße Stores, durch die hell das Licht strahlte. Ich hatte das Gefühl von „Leben im Haus“ und von Weiblichkeit, ganz geerdet. Das Regal mit den Spielen war weg (von der Haustür), weil benutzt, vermute ich. Eine Frau stand an der Haustür, die Klinke noch in der Hand, weil sie anscheinend gerade liebe, fröhliche Freunde verabschiedet hatte. Ich stand mitten im Raum und wir sahen und lachten uns an. Sie trug einen Rock - und eine Schürze? War sie meine Haushälterin? Freundin? Mitbewohnerin? Angezogen war sie wie die Mutter von den Waltons. „Die Waltons“! Inbegriff für Geborgenheit, Großfamilie, Zuhause, Zugehörigkeit, Alle für einen – Einer für alle, Liebe – und jeder hat seine Individualität! Wertvoll und einfach. … Das war schön! Mir ging’s gut. Ich war geheilt. Wer wirklich unter’m Bett liegt Was wir am nötigsten brauchen, ist ein Mensch, (… oder ein Tier …) der uns zwingt, das zu tun, was wir können. Ralph Waldo Emerson Manchmal habe ich nachts so irrationale Ängste. Manchmal werden sie durch äußere Gegebenheiten ausgelöst und manchmal kommen sie einfach in mir hoch, indem dass ich Alpträume habe. Neulich z.B. las ich einen Krimi, in dem auch von Jack the Ripper die Rede war und davon, dass diese Fälle nie aufgeklärt wurden. Das wusste ich vorher nicht und es weckte mein Interesse und meine Neugier. Ich recherchierte im Internet und las Informationen nach. Dort war auch ein Foto eines seiner Opfer abgedruckt: The long Liz. – Vor dieser langen Liz hatte ich dann einige Nächte lang Angst. Ich dachte, sie läge unter meinem Bett und stünde hinter Michels Tür, wenn ich nachts zu ihm ging, weil er unruhig war. Ein, zwei Mal musste ich Dirk wecken, weil ich dachte, meine Angst nicht aushalten zu können und ich lies mich von ihm in die Arme nehmen und beschützen. Als ich den vorhergehenden Traum niedergeschrieben hatte, war es bald Mitternacht und ich ging zu Bett. Ich überlegte – weil ich doch gerade in der Nacht zuvor so mutig gewesen war, trotz bzw. mit meiner Angst, die Eingangshalle meines neuen Hauses zu betreten – ob ich mich selbst, meine Seele, darum bitten sollte, 172 einer weiteren Angst gegenüberzutreten, an die ich mich erinnerte. Oder ob diese erinnerte Angst im Grunde die gleiche war, der ich mich im neuen Haus gestellt hatte. Ob überhaupt noch die Notwendigkeit bestand, diese alte Angst erneut heraufzubeschwören: Vor einiger Zeit hatte ich von einem anderen Haus geträumt, ein altes Gasthaus oder Hotel, das ich aus einem anderen früheren Traum her kannte. Damals bargen seine Räume das blanke Entsetzen für mich. Schlimmer als jeder Horrorfilm. Als ich nun wieder von diesem Haus träumte, meinte ich im Traum, ich müsste in seine Räume vordringen, um nachzusehen, was wirklich dort ist, weil ich mich nicht von meinen Ängsten beherrschen lassen will, sondern wissen will, was dort wirklich ist. Aber ich brachte es vor lauter Grauen nicht über mich, die leere Gaststube zu verlassen und den Flur zu betreten, geschweige denn die Zimmer. Ich wachte auf und fürchtete mich wieder so sehr, dass ich mich kaum traute, aufzustehen und zur Toilette zu gehen, obwohl ich dringend musste. … – Sollte ich noch einmal in dieses Haus gehen? Oder löst es sich auf leichtere Weise? Habe ich schon einen Teil gelöst, bin ich dabei, es zu (er-)lösen, indem ich mich meiner Angst im neuen Haus stellte? … - Mit diesen Gedanken ging ich zu Bett und ein bisschen war diese Angst dadurch bei mir. … Ich zog die Möglichkeit in Betracht, dass eine Hand unter dem Bett hervorkommen und mich am Fußgelenk packen könnte. So schlimm, dass ich mich auf den Boden legen und nachsehen musste, war es jedoch nicht. … Als ich das Licht ausknipsen wollte, raschelte es unter dem Bett. „Das kann nur eine Katze sein …“, dachte ich, und als es wieder raschelte: „… oder?“ … Huah … ganz dicht hinter meiner Hirnrinde hockten zahlreiche Ideen, bereit hervorzukommen, um mir zu erzählen, was es noch alles sein könnte. … Man bedenke, dass auch gerade Mitternacht war. … „Hallo, wer ist da?!“ fragte ich und wagte mich, über den Bettrand zu spähen. Es raschelte noch einmal und dann streckte Flöckchen seinen Kopf unter dem Bett hervor, unser schwarz-weißer Kater. Er kniff voller Wohlbehagen seine Augen zusammen und machte: „Murr“. Dann legte er sich schnurrend vor’s Bett und später, als ich schon am Einschlafen war, kam er ins Bett, und ich lies ihn und war froh über die Lektion, die er mir beschert hatte. - Und dankbar und begeistert über die spontane und liebevolle Antwort, die das Leben mir wieder mal geschenkt hatte! Die Angst ist nur meine Angst. Wenn ich hingehe und sie annehme, sehe ich, dass sie nicht schlimm ist. Alles, was mir Angst macht, ist nur in meinem Kopf. In der Wirklichkeit gibt es nichts Furchterregendes. In der Wirklichkeit gibt es nur Wesen voller Liebe. Weil da jeder um die Liebe weiß. In der Wirklichkeit. …-… 173 Ich bin übrigens nicht schwanger. Obwohl einiges dafür sprach. Aber meine Periode kam so zeitgenau, im ersten Drittel des Monats, dass es wohl nicht so gewesen ist. Nun habe ich aber an meinem Geburtstag, am 28. Januar, schon wieder meine Tage bekommen. Ganz azyklisch. – Vielleicht ist das die Weisheit meines Körpers, die mir damit etwas sagen will: ein azyklischer Zyklus, mein Zyklus macht einen Sprung. Das heißt: Ein Zyklus geht zuende! Etwas ganz Neues beginnt! In mir, in Dir, für die ganze Erde. Es hört völlig auf. Und fängt völlig neu an. Das ist die einfache Wahrheit. – Ich kann dazu nicht mehr sagen. Das macht mich ruhig, glücklich … es berührt mich und macht mich völlig weit und frei. Alles spirituelle Erwachen besteht aus der Hingabe an das, was ist. Wir erwachen zu der Schönheit dessen, was bereits da ist. Unserer eigenen tiefen Schönheit. Der vollkommenen Schönheit des Geliebten. Der grundlegenden Vollkommenheit des Lebens, wie es sich entfaltet. Paul Ferrini „Gesunde“ Zwänge, Teil 2 „Du bist immer noch zu ungeduldig. Hast du inzwischen nicht begriffen, dass man nie das bekommt, was man sich nimmt, sondern nur das, was einem geschenkt wird? Alles kommt zu dem, der warten kann.“ Hans Bemmann Wir haben wieder mal Geldsorgen. - Scheiße! Ich dachte echt, wir bleiben nun dauerhaft im Plus. Und jetzt … - Irgendwie fühle ich mich, als würde ich feststecken. Oder eher so, als wäre gar kein Raum da. Ich hänge. Mein Nachbar, der mich früher mit Techno terrorisiert hat, ist auch wieder präsent. Ich dachte schon, er sei ausgezogen, weil ich ihn überhaupt nicht mehr wahrgenommen habe über Wochen und Monate. Vergangenes Wochenende lag er wieder den ganzen Tag unter und vor seinem und anderen Autos: hämmern, klopfen, Kompressorengebrumm. Immer auf der Straße, vor seiner Garage, direkt unter unserem Wohnzimmerfenster. Und ich stehe wieder vor der Frage: „Soll ich Akzeptanz und Toleranz üben oder soll ich mich wehren und abgrenzen?“ Ich bin wütend. Und traue mich nicht, was zu machen. Darf der das überhaupt? Muss man sich das gefallen lassen oder kann ich mal auf der Stadt anrufen, beim Ordnungsamt, fragen, ob ihm 174 die Auflage gemacht werden kann, sich eine Werkstatt zu suchen? … - … - Wie früher. – So ein Scheiß! Ich dachte, ich hätte das hinter mir gelassen. … - Wer setzt da wen unter Druck? Er mich? Ich mich selbst? Oder was ist? Kosmische „Zwänge“? Oder gehe ich durch’s Nadelöhr? … Bin ich ein Kamel? Verstehe ich was nicht? Jedenfalls ist es schon komisch, dass er gerade jetzt wieder auftaucht, wo ich selbst nicht besonders ausgeglichen bin. … Sollte ich das einfach so hinnehmen, zur Kenntnis nehmen? Ohne mich großartig zu echauffieren. … Desgleichen unseren Kontostand? Samstagabend habe ich, weil ich zu Sylvester nicht orakelt habe, anlässlich meines Geburtstages letzte Woche, ein keltisches Kreuz gelegt. Für mein neues Lebensjahr und für 2009. An meinem Geburtstag war eine so schöne Energie für mich. Das ist immer so. An meinen Geburtstagen bin ich immer so behütet, in einem ganz besonderen Space. Alles hat sich ganz leicht und ruhig auf natürliche Art und Weise auf das Vollkommenste ergeben. Den ganzen Tag über. Ich habe gar nichts dazugetan. Auf diese Energie hoffte ich auch in meinem keltischen Kreuz. Aber das kam irgendwie ganz anders rüber. Seine Botschaft setzte mich unter Druck und engte mich ein. Ich kann es auch irgendwie nicht ganz greifen, es ist irgendwie konfus, unklar. Obwohl ich als zweite Karte, welche die Energien anzeigt, die die Ausgangssituation kreuzen, das As der Kristalle liegen hatte, die „Klarheit“ (5). Aber auch das Bild auf dieser Karte wirkte auf mich eher verworren als klar. Das Gesamtbild des Kreuzes war überhaupt so: so viel, so vieles, aber tot irgendwie, sinnlos oder erstarrt: Stierkampf, Achterbahn, Steinformationen, in denen nichts zu erkennen ist. Dabei hatte ich so auf Leichtigkeit, Fließen, auf Wärme gehofft. Mit der ersten Karte, die die Ausgangssituation zeigt, fing es schon an: Fünf der Welten „Rückschlag“. Die wollte ich schon nicht. Aber da lag sie dann halt. Und dann ging es so weiter, dass ich das Empfinden bekam … wie soll ich das ausdrücken? … Dass es in 3D nichts mehr zu finden gibt. In der äußeren Welt ist das nicht, worauf es ankommt. … - Aber was ist dann mit: Man soll das Leben genießen? … - Oder stehe ich gerade auf dem Schlauch? – Mir erschien das alles leblos, starr. … - Für mein Selbst lag die „Fülle“. Da ist diese schwarze Frau in der Mitte. Ist das Kali, die schwarze Göttin? Zerstörerin der Illusionen? Na, wenn’s so ist, das käme mir sehr gelegen, denn auf dieser Karte ist dieses Viele, Sinnlose: Stierkampf, ein abstürzendes Flugzeug, Achterbahn, Chaos …. Aber sie ist auch eine Karte der großen Arkana und trägt die römische Ziffer X, was bedeutet, dass ein Zyklus zuende geht. Na dann … vielleicht doch nicht so schlecht. Zumal ich als zehnte Karte, die das Ergebnis, den Ausgang und/oder Schlüssel anzeigt die XX. Karte der großen Arkana liegen hatte: „Raum und Zeit“. Diese Karte sagt mir, dass ich immer zur rechten Zeit am rechten Ort bin, dass alles gut und richtig ist und vollkommen im göttlichen Plan. Sie sagt mir auch, dass sich meine Visionen erfüllen werden, dass ich an meine Vision glauben soll. Eigentlich ist schon alles geschehen. Wir sind schon am Ziel, wir leben es nur 175 nochmal durch. … Diesen Eindruck habe ich manchmal beim Orakeln. Irgendeine Instanz weiß schon Monate vorher, was geschieht. Und warum soll das nicht auch für viel längere Zeiträume gelten? Auf dem Platz der größten Hoffnungen und/oder Befürchtungen lag die „Negativität“, die Fünf der Kristalle. Die hat dieses Gefühl des Unbewegten, Leblosen, Festgefahrenen und Starren noch verstärkt. Das macht mir Angst: dass sich nichts mehr bewegt: immer der gleiche Kreis: Da ist schon wieder mein dreister Nachbar, da ist schon wieder der Geldmangel. Aber! Jetzt kommt das Aber! Erst das kleine, dann das große: Das Rumgewerkel meines Nachbarn an den Autos hat mich am Samstag im Grunde überhaupt nicht gestört. Das war eher meine alte Wut. … - … Ich weiß nicht, ob das stimmt. Es stimmt und es stimmt nicht. … - Ich weiß immer noch nicht, wie ich damit umgehen soll. Und ich verurteile mich immer noch dafür, dass ich nicht handele, dass ich mich nicht traue und mich nicht wehre. Das große Aber verlässt diesen Kreis: Ich habe heute eine E-Mail bekommen. Sie erzählt von einem Sohn, der seinen Vater eines Tages fragte, ob er einen Marathon mit ihm laufen würde. Der Vater sagte: „Ja“. Einige Zeit darauf fragte der Sohn seinen Vater ein zweites Mal, ob er einen Marathon mit ihm laufen würde. Der Vater sagte wieder: „Ja“. Und dann fragte der Sohn seinen Vater irgendwann, ob er einen Iron-Man mit ihm bestreiten wolle. Der Vater antwortete wieder mit „Ja“. Dann ist ein Link in der Mail zu einem youtube-Video. Das Lied heißt „My redeemer lives“ und gezeigt werden der Sohn und der Vater, wie sie zusammen an dem Iron-Man teilnehmen. Der Sohn ist spastisch gelähmt und der Vater läuft und fährt ihn dabei im Rollstuhl vor sich her. Er schwimmt und zieht ihn im Schlauchboot mit. Dann trägt er ihn zu ihrem Fahrrad, setzt ihn vorne hinein und fährt los. Und der Sohn ist total glücklich. Die Menschen applaudieren ihnen, feuern sie an und manche beachten sie auch gar nicht. Die zwei heißen Dick und Rick Hoyt. „Redeemer“ – ich habe es nachgeschlagen – heißt „Erlöser“ und am Ende des Videos wird eine Bibelstelle zitiert, Philipper 4, 13: „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus.“ (23) … - … - … - Das kam wieder vom Himmel, diese Mail. Ein Wunder kommt den irdischen Weg daher. Angesichts dessen hat der Stand unseres Kontos all seine Schrecken für mich verloren. Und das, was jemanden ausmacht, ist nicht unbedingt das, … - … - wie soll ich das sagen? … – Auf mich angewandt: Vielleicht soll ich meine Behinderung, mich nicht wehren zu können, einfach annehmen. Ich kann nicht anders. Und doch kann ich alles erreichen. …-…-…Auf der Karte „Rückschlag“ sind diese leeren Felsenhäuser abgebildet. Ich weiß im Moment nicht, wie das Volk heißt, das dort gelebt hat. Sie haben ihre Häuser 176 verlassen. Sie sind aufgestiegen. Mir kam beim Anblick dieser leeren Häuser der Gedanke, dass auch wir 3D verlassen. Wir verlassen die dritte Dimension. Deshalb gibt es da auch nichts mehr zu finden, keine Erfüllung mehr, keinen Sinn. … - Die drei Karten, die ich zur Ergänzung des keltischen Kreuzes zog, für das, was neu hinzu kommen will, waren: As der Kelche „Ekstase“, die große Arkana Nummer VIII „Ausgleich“ und die Fünf der Stäbe „Unterdrückung“. – „Ekstase“ - ja! „Unterdrückung“ – wie schrecklich! Nein! – Sagt mein Verstand. Aber dahinter verbirgt sich womöglich eine tiefere Weisheit. Wieder im Sinne von: Das Schwere gehört auch dazu. Es will auch mit. Es will nicht zurückgelassen werden. Die Karte des Ausgleichs in der Mitte erzeugt in mir folgendes Bild: Das Schwere ist schwer, ja. Es hat uns lange Zeit auf einer Seite gehalten. Aber jetzt kommt die Leichtigkeit ins Fließen und wiegt die Schwere auf. Es ist in Balance und: Auf einmal macht es SCHWUPP – und wir sind auf der anderen Seite! „Ekstase“! Vielleicht ist es sogar so, dass die Ekstase die Schwere braucht, so wie das Wasser den Felsen, um sich ekstatisch über ihn als Wasserfall in die Tiefe zu stürzen. Je gewaltiger der Felsen, umso größer die Freude, die Lust und das Entzücken! Ja! So könnte es sein. …-…-…Heute, nachdem ich mir gestern Vorhergehendes erarbeitet habe, kam noch ein Wunder durch meinen Computer als E-Mail herangeswitscht: Uta hat ihre Maya-Post zur beginnenden Eb-Welle geschickt und die enthält folgende beduinische Weisheit: „Die Wege der Weisheit führen durch die Wüste.“ Aha! Die Wüste ist sowohl auf der Karte des „Rückschlags“ als auch auf der Karte der „Klarheit“ abgebildet. Ich bin ohnehin schon ganz versöhnt mit meinem Keltischen-Kreuz-Orakel. Schon seit gestern. Nach dieser E-Mail erscheint es mir geradezu ein Geschenk und eine besondere Ehrerbietung meiner inneren Weisheit zu sein. Zumal der Mail dieses anhing: Quellen entdecken Immer aus dem Vollen schöpfen? Geht das? Wenn der Brunnen leer ist, was dann? Dann geh durch die Wüste zum nächsten Brunnen. Oder grabe mit deinen eigenen Händen. Grabe dich durch, bis du wieder auf Quellen stößt. Da sind Quellen. 177 In dir, in deiner Umgebung, unter dem Geröll. Gib dich nicht geschlagen. Aber bleib nicht stehn mit leeren Händen. Nur einer braucht dich mit leeren Händen: Gott. Die anderen brauchen deine Fülle. Michael Graff Vor zwei Wochen ungefähr war ich bei meinem Arbeitgeber zum Frühstück eingeladen. Der Kindergarten, in dem ich kurz bevor ich mit Michel schwanger wurde, neu angefangen hatte, ist eine Elterninitiative und die vier Frauen vom Vorstand hatten mich eingeladen. Zum Jahresanfang hatte ich ihnen einen Brief geschickt und darum gebeten, meine Elternzeit bis zu Michels drittem Geburtstag ausdehnen zu dürfen. Ursprünglich wollte ich mir ein paar Monate davon aufheben für die Zeit, wenn Michel in die Schule kommt. Nach Weihnachten aber fing meine Mutter bei einem Kaffeplausch damit an, wann ich denn wieder arbeiten gehen wolle bzw. ich müsste dann ja auch wieder mal arbeiten gehen. Sie wäre ja auch noch da, sie könnte dann ja Michel nehmen … - … - … - Z.Zt. sagt sie ganz schön oft „ Nein“, wenn ich sie diesbezüglich frage, da hat sie immer was anderes zu tun. Ist ja auch in Ordnung, wenn sie sich abgrenzt und auf ihre Bedürfnisse achtet. Bei dem Gespräch über meine Arbeit fühlte ich mich aber unbehaglich, fast schon wieder fremdbestimmt, da wollten andere mir sagen, was ich wie zu machen hatte. Aber – von wegen „gesunde Zwänge“! – dieses Gespräch regte mich dazu an, selbst die Verantwortung für meine Belange zu übernehmen. Ich lauschte auf mein Unbehagen und das sagte mir, dass mich die Vorstellung, diesen Sommer wieder arbeiten zu gehen, unter Druck setzt. Nee! Das will ich nicht. Also schrieb ich besagten Brief an meine Arbeitgeber und wurde daraufhin von ihnen eingeladen. Die fanden es gut, dass ich diese Sache zum Jahresbeginn angesprochen und geklärt hatte. So wissen die jetzigen Erzieherinnen, die in Vertretung da sind, dass sie ein Jahr länger bleiben, und können gezielter planen. Wir redeten während des Frühstücks einfach darüber, was sein könnte, ohne irgendetwas fest zu machen, und das eröffnete auch mir ganz neue Perspektiven. Ich muss da nicht wieder mit 30 Stunden einsteigen. Ich könnte auch 20, lieber 15 178 Stunden die Woche arbeiten. Ich wäre dann auch nicht mehr die erste Ansprechpartnerin für die Eltern, diese Position könnte die Vertretung behalten, so sie das möchte, die zwei, welche die 30-Stunden-Stellen inne haben. - Das würde mir viel mehr entsprechen. Die Rolle der Leitung war nicht mein Ding. Das setzte mich auch unter Druck. … - Schön. Ja. Das kann ich mir gut vorstellen. Dann kann arbeiten richtig Spaß machen. Danke für diese Entwicklung! Chaos in Laos – äh, in Borsdorf Habe Geduld gegen alles Ungelöste in deinem Herzen und versuche, die Fragen selbst lieb zuhaben, wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Forsche jetzt nicht nach den Antworten, die dir nicht gegeben werden können, weil du sie nicht leben kannst. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Lebe jetzt die Fragen. Vielleicht lebst du dann allmählich, eines fernen Tages, in die Antwort hinein. Rainer Maria Rilke Jetzt ist es Februar. Papa wird am 15. siebzig Jahre alt. Das wird ein großes Fest, er hat mehr als hundert Leute eingeladen. Wir, seine Kinder, Enkel- und Schwiegerkinder haben an runden Geburtstagen, wenn sie so groß gefeiert wurden, die letzten Jahre immer etwas aufgeführt, manchmal auch noch mit Verstärkung aus der weiteren Verwandtschaft. Irgendetwas mit Musik und wir haben dann was Lustiges dazu gemacht. Das hat Spaß gemacht und ist bei den Jubilaren und Gästen immer gut angekommen. Diesmal hängt es irgendwie. Es will nicht klappen. Ja, heute, als wir uns zum Proben treffen wollten, kam es regelrecht zur Eskalation. Schon neulich, vor zwei Wochen, als wir in einem Kostümverleih nach geeigneten Kostümen sahen, eskalierte es zwischen Dirk und mir. Inwieweit die anderen Beteiligten an diesem Tag auch Stress untereinander hatten kann ich nur ahnen, weil Dani, meine Schwester, die mit uns im Auto mitfuhr, auf unser Uns-gegenseitig-anschreien sagte: „Bei Euch herrscht ja genauso eine Stimmung wie bei uns.“ – Dirk war mit über hundert Sachen in einen Ort reingebrettert, weil er Thomas im Wagen vor uns einholen wollte und machte keine Anstalten, abzubremsen. Ich sagte: „Wir sind hier in einem Ort.“ Ein paar Kilometer weiter preschte er in einem Waldstück mit einem Affenzahn auf eine enge Kurve zu. 179 Und er kannte die Strecke überhaupt nicht. Ich bekam Angst, sah uns schon aus der Kurve fliegen und rief: „Brems‘ doch ab! Du kennst doch die Strecke gar nicht!“ Da schrie er mich an, was ich eigentlich von ihm wolle. Und ich schrie zurück, dass ich Angst hätte und dass er nicht fahren solle wie eine gesengte Sau. Diese Worte benutzte ich, glaube ich, nicht, aber wir haben uns voll angeblafft, und als er kurz darauf auch noch ungebremst und ohne zu schauen über eine Kreuzung heizte, war überhaupt nichts mehr zu retten. … - Das war aber auch blöd von ihm! Oder? … - … Und wir hätten in diesem Verleih gar keine Kostüme mehr anzuprobieren brauchen, denn wenn etwas im Vorfeld schon so schiefläuft, dann soll doch da irgendwas nicht sein, oder? Heute hatten wir uns um 17.00 Uhr verabredet um zu proben. Wir wollten Can Can tanzen auf dem Geburtstag und vorher in Mönchskutten einlaufen. Dani hatte mir nachmittags schon eine sms geschickt, dass Sven, mein Neffe, noch nicht wisse, ob er um 17.00 Uhr zuhause sei und sie wolle uns anrufen, wenn er da wäre. Wir fuhren dann aber trotzdem zur vereinbarten Zeit hin, einfach um auch mal Oma und Opa zu besuchen, und weil wir dachten: „Sven wird dann schon bald kommen. Wir sind ja verabredet.“ … Er kam aber nicht. Ich saß bei Dani und wir redeten darüber, dass dieses Mal irgendwie keine besondere Inspiration dahintersteckt. Keiner hatte so richtig Lust, wir folgten eher einer Erwartung, vielleicht auch unseren eigenen Ansprüchen, und Dani sagte, sie wolle nicht mehr das tun was von ihr erwartet würde, das habe sie lange genug gemacht. … Finde ich gut, dass sie das sagt. Sven war um 18.00 Uhr immer noch nicht da und sein Vater Thomas rief ihn an, um zu hören, wo er sei und wann er komme. Sven war bei Freunden, Computer-Spielen. Da wurde Thomas wütend. Er ging dann zu Marie, Svens Schwester, und fragte, ob sie für uns die Can-Can-Musik auf ihren Laptop laden und abspielen könne. Sven und Marie wollen/sollen doch auch mittanzen und Svens Freundin Leila auch. … - Leila ist aber heute sowieso auch krank. … - … - Das Nächste war, dass wir, Dani, Thomas, Dirk und ich, im Büro der beiden standen und Dani Thomas fragte, warum Marie in ihrem Zimmer säße und heule. Thomas erzählte von seiner Anfrage, die er wohl zweimal an Marie gerichtet hat, und dass Marie in keinster Weise darauf reagiert habe. Da hat er sie dann wohl zusammengeschissen. … - Daraufhin wurde Dani sauer, er müsse auf Marie ein bisschen Rücksicht nehmen, sie schreibe doch gerade an einem Sportreferat. Und dann verteidigte sich Thomas wieder, immer sei er „der Depp“. Dani wollte dann mit Thomas „überhaupt nichts mehr machen“- „Mit Dir mach‘ ich nichts!“ … - … - … - Naja. Die Sache wurde irgendwie nicht besser. Sie fuhr sich ziemlich fest. Wir verblieben dann so, dass wir keinen Can Can tanzen und dem Kostümverleih wieder absagen und dass wir uns Samstagabend nochmal treffen – vielleicht. Wir wollen vorher nochmal telefonieren. Dann könnten wir ja Pizza bestellen und erstmal zusammen essen, das erdet und stimmt vielleicht versöhnlich 180 und ausgleichend, und wir können dann noch mal bereden, was oder ob wir überhaupt etwas machen wollen. „Gut“, dachte ich, und ging zu Oma und Opa, bei denen Michel derweil geblieben war. (Dani, Thomas, Sven, Marie, Opa und Oma wohnen alle im gleichen Haus, in getrennten Etagen.) Ich sagte, dass es diesmal vielleicht nichts würde mit unserem Auftritt, und dass sie nicht enttäuscht sein sollten. Oma sagte: „Ooch! Das könnt ihr doch nicht machen. Macht doch was!“ Und Opa sagte (aufgebracht): „Dann mache ich für Euch auch nichts mehr! Nie wieder!“ … - … - Toll, oder?! Familie Hesselbach live. … - … - Das mit dem „Nie wieder!“ kenne ich. Das haben wir früher als Kinder gesagt, wenn wir Streit hatten: „Du bist ja so gemein! Mit dir spiele ich nie wieder!“ Dann ist die Beleidigte abgerauscht, nachhause, tief gekränkt. Aber am nächsten Tag war’s meistens wieder gut und vergessen. Hoffentlich muss ich dieses Kapitel hier nicht wieder löschen, weil die Benannten das so nicht lesen wollen. Eij! – Das könnten auch Dirk und ich sein! Und jeder beliebige andere auch. Dirk und ich sind oft so, siehe Fahrt zum Kostümverleih. Diesmal seid’s eben Ihr. Es ist so schön illustrativ! So sind wir Menschen eben. Dabei will doch jeder nur Liebe. Und so verhalten sich dann unsere inneren Kinder, wenn sie sich nicht anerkannt und geliebt fühlen. Ich selbst war während der ganzen beschriebenen Vorkommnisse innerlich im Bewerten und am Position-beziehen. Ich schlug mich auf Thomas‘ Seite. Ich finde, er hat keinen leichten Stand und für ihn hatte ich Verständnis, für die anderen eher nicht. Ich fand, dass Thomas recht hat und konnte seinen Unmut durchaus verstehen. … Und auf Papas Reaktion hin verging dann auch mir noch die Lust auf Auftritt. Ich habe im Internet ein Orakel befragt, wegen dieses ganzen KrempelKrams, ob wir noch was machen sollen oder lieber nicht. Das Orakel sagte, es sei alles im Fluss und ich könne mich entspannen. Desweiteren wies es mich darauf hin, dass ich zunächst einmal Mitgefühl entwickeln solle. … - Gerade da fing Michel an zu weinen. Der sollte eigentlich schlafen und ich ging hoch und er trank noch einmal eine Viertelstunde lang an seinem Fläschchen. … Diese Viertelstunde bei meinem Kind am Bett war sehr heilsam für mich. Ich gab meinen Widerstand auf und konnte Mitgefühl für alle Beteiligten empfinden. Das hat mich losgelöst und frei gemacht. Und ein Satz aus Utas Maya-Post fiel mir ein: mir erlauben, nichts zu wissen, leer zu sein. … - Das Orakel, das ich als Michel wieder eingeschlafen war, noch einmal fragte, sagte zum zweiten Mal: „Es ist alles im Fluss. Du kannst dich entspannen.“ 181 Und dann hat man’s auch noch eilig Über die Rennerei Sieh deine Getriebenheit mit Gelassenheit an, Und du erkennst die Nutzlosigkeit der ganzen Rennerei. Lass alle Sorgen in innerer Stille los, Und du merkst, wie im Genuss dieser Stille alles andere unwichtig wird. Hung Ying-Ming „Familie Hesselbach“ war gestern. Heute Morgen hatte ich einen Arzt-Termin. Und danach war ich mit Michel zum Frühstücken eingeladen. Ich bekomme diese Woche jeden Tag Reizstrom auf meinen verspannten Engels-Flügel-Nacken und danach Spritzen. Wegen der Einladung zum Frühstück habe ich heute Morgen extra einen frühen Termin genommen in der Arztpraxis. Ich nehme es gleich vorweg: Ich musste ewig warten und zu besagtem Frühstück kamen wir um halb zwölf. Aber ich möchte hier etwas anderes erzählen: Auf der Hinfahrt zur Praxis zuckelte ich auf dem letzten Kilometer hinter einem Pkw her und wurde dabei ungeduldig. Der fuhr so, dass ich nicht wusste, ob ich im dritten oder im vierten Gang fahren sollte, außerorts, bzw. im zweiten oder dritten im Ort. Kurz vor der Straße, in die ich nach links abbiegen musste, lenkte der Fahrer vor mir seinen Wagen ganz an den rechten Fahrbahnrand und fuhr nur noch in Schrittgeschwindigkeit. Ich wollte gerade den Blinker setzen und links an ihm vorbei abbiegen, als er wieder in die Straßenmitte rollte und seinerseits blinkte und abbog. Ich zockelte hinterher. Da blieb er plötzlich stehen. Einfach so, mitten auf der Straße. Ich musste auch stehenbleiben. Dann lies er sich zurückrollen, wieder einfach so, und mich ergriff Panik, ich hörte schon das Geräusch von Autoblech, das auf Autoblech trifft. In dem Wagen vor mir saß ein alter Mann und er blickte einfach geradeaus, er sah mich nicht. Ich fummelte über’s Lenkrad, um die Hupe zu betätigen, aber die erwischte ich in meiner Aufregung nicht. Ich lies mich meinerseits ein Stück zurückrollen und stand schon fast wieder auf der Bundesstraße. Ich schrie und rief, irgendwas von: „Hej! Achtung! Pass auf! Hast Du sie noch alle?!“ und fuchtelte mit meiner Hand vor meinem Gesicht auf und ab. Diese Gefuchtele drang dann wohl in das Gesichtsfeld des Mannes. Er drehte den Kopf und sah mich an, rollte noch ein Stück und kam zum Stehen. Puh! Haarscharf. Mein Adrenalinhaushalt war in Wallung. Ich setzte mein Auto in Bewegung, um von der Bundesstraße runterzukommen, fuhr die paar verbleibenden Meter und parkte 182 vor der Arztpraxis. Der Mann fuhr mir hinterher, parkte auf der gegenüberliegenden Straßenseite und stieg ebenfalls aus. „Is‘ ja nix passiert“, sagte er. Und ich: „Ja, Gott sei Dank! - Sie müssen mal besser gucken!“ fügte ich noch hinzu, ein bisschen ärgerlich, weil ich meinte, so müsse ich ja nun auftreten. Aber eigentlich hatte ich den vagen Impuls, zu ihm rüberzugehen, über die Straße, und ihn zu umarmen oder sowas. Zu lachen, ihm auf die Schulter zu klopfen. Ich fand ihn so liebenswert, wie er da stand. Er sagte noch, dass er nicht geschaut habe, weil ja nichts hinter ihm gewesen sei. Und ich machte „Hm“ und nickte leicht und ging dann zur Praxis. Während ich die Treppe zum Garten hochstieg, fiel mir ein: „Ich war da doch, hinter Dir!“ – Mir fallen so Antworten nie ein, wenn das Thema aktuell ist, immer erst später. – Dann musste ich im Wartezimmer ewig lange warten. Als Leute drankamen, die nach mir gekommen waren, fragte ich mal nach. Das Stromgerät würde gleich frei werden, bekam ich zur Antwort. Als ich mich wieder ins Wartezimmer setzte, diesmal auf die andere Seite des Raumes, sah ich an der Pinnwand einen Zettel hängen, auf dem um Verständnis dafür gebeten wurde, wenn Leute, die später gekommen waren, eher drankamen, weil die Behandlung auch organisatorischen Gesichtspunkten folge. Auf der Heimfahrt überlegte ich, was die Geschehnisse des Vormittags für mich bedeuten könnten. Vielleicht ist es so: Da fährt das Alte vor mir her, die alte Energie, und ich will unbedingt vorbei, ins Neue! Ich will da jetzt endlich sein und das Alte hinter mir lassen! Ich sollte dem Alten aber seine Zeit lassen, die Zeit, die es braucht, es auf seine Art und Weise zu tun, und in seinem Tempo anzukommen, es nicht drängen, weil es dadurch auch nicht schneller geht, im Gegenteil schwöre ich dadurch noch Karambolagen und Gefahren herauf. Ich sollte auch nicht überholen und einfach davonpreschen, weil, wenn man das Alte trifft, das zu einer angenehmen Begegnung werden kann. – Ich habe darum gebeten, die Engel, dass ich diesen alten Mann noch einmal treffen darf, um mich bei ihm zu entschuldigen, dass ich so kurz angebunden war, als er anhielt und mit mir über den Vorfall reden wollte, und dass ich ihm vorher das Balla-balla-Zeichen an den Kopf geschmissen habe. … Dennoch ist alles in Ordnung, so wie es war, denn wenn ich nicht so herumgefuchtelt hätte, wäre er mir vielleicht doch noch ins Auto gerollt. 183 Ich wollte die Tarotkarten von meinem Keltischen-Kreuz-Orakel wieder ins Kartendeck einmischen. Dabei lachte mich dieses As der Kristalle so an, dass ich die 13 Karten noch einmal vor mir ausbreitete. Sie sehen jetzt ganz anderes aus als vor einigen Tagen! So vielversprechend und freundlich. Selbst die Negativität sieht freundlich aus. Es ist auch nichts Sinnloses mehr dabei. Alles gehört dazu und das Eine baut auf dem Anderen auf. Es ist total kraftvoll und klar. Es geht darum, bei mir zu bleiben. Das ist alles. Endzeit Sich mitten in der Endzeit zu befinden würde fast jeden einschüchtern! Karen Bishop Die letzten Tage waren schrecklich. Einfach nur schrecklich! Heute ist alles anders. Aber über etliche Tage war ich … - ja – wo war ich? In der Hölle, am kämpfen, im Krieg. Ich habe auch, zufällig (?), auf youtube Videos aus „Hair“ gesehen und gehört: „Let the sunshine in“, in dem gezeigt wird, wie der Hippie Berger anstelle seines Freundes in den Krieg zieht und dort sein Leben lässt. … - Ich hatte auch irgendwie Angst um mein Leben, in gewisser Weise, … - dass ich es nicht schaffe, dass ich irgendetwas so entscheidend falsch mache, dass ich es einfach nicht schaffe. Auf ewig bleibe ich im Alten hängen. Alle steigen auf, nur ich nicht. Weil ich’s nicht raffe. Weil ich mich nicht vom Alten lösen kann und grolle und grolle und leide und leide und mir immer wieder das Gleiche inszeniere. … - Mit Dirk: die Hölle letzte Woche. Er: „Ich ziehe aus! Und Michel nehme ich mit! “ … - Da hatte er getrunken. Und ich habe ihm das alles auch nicht wirklich geglaubt, aber ich bin dennoch drauf gesprungen und wir haben gekämpft … - und ich habe gelitten … – bestialisch. … Immer wissend, dass ich etwas falsch mache. Aber ich konnte nicht anders. … - Ich fragte mich auch, ob ich masochistische Züge an mir habe, dass ich mir das antue, mir von Dirk sowas anzuhören. Und immer wieder war die Frage in mir: Was soll ich tun? Im Sinne von: Soll ich mich trennen? Wäre das besser? … - Zwischendurch kamen Tag für Tag stetig und beharrlich die absolut passenden Texte über’s Internet zu mir. Das half mir auch über das Gröbste hinweg. Aber raus aus dem Schmerz kam ich nicht wirklich. Tagelang nicht. Ich fühlte mich, als sei ich gegen einen Zug gelaufen. Total zu im Kopf. Und im Körper. Ganzkörperliche Stauung. … - … - Mein Spiegelbild war Dirk, der hielt mir das schön deutlich vor Augen. Der war genauso … - Und es ging dauernd weiter mit ihm, mit uns, der Kampf. Totale Patt- 184 Situation. Wenn es mal ein bisschen besser war, wurde es am nächsten Tag wieder schlimm. Papas Geburtstag war zwischenzeitlich auch. Wir hatten – vielleicht habt Ihr es Euch schon gedacht – keinen Auftritt. Aber von wegen Negativität: Auch hier war ja großer Krach und Aufruhr, während wir uns bemühten, einen Auftritt zu organisieren. Und wir haben es einfach nicht hinbekommen, das Alte, es so zu machen wie sonst immer, wie früher. Ich habe für Papa eine Karte geschrieben, die ich an sein Geschenk klebte, herzliche Glückwünsche und ein Gedicht mit Fotos von Michel. Unter die Glückwünsche schrieb ich noch, dass es mir leid tut, dass wir dieses Mal keinen Auftritt hingekriegt haben und dass das einzig an uns lag und mit ihm nichts zu tun hat. Ich habe geschrieben, dass wir ihn gern haben und ihn schätzen: „Das ist so. Auch ohne Auftritt.“ Und dass ich es schön finde, dass er mein Papa ist. … - Gestern brachte ich Michel über Mittag zu meinen Eltern. Da hatte Papa die Karte gerade gelesen. Ich glaube, er war sehr berührt und ich habe gemerkt, wie sehr er sich gefreut hat. … - Und so ist das Resultat dieses ganzen Prozesses am Ende nur Liebe und Einfachheit. Und Schönheit. Ohne Stress und Schnickschnack. … – Das muss nun nicht heißen, dass wir nie wieder auftreten. Wenn uns danach ist, machen wir vielleicht was, wenn Mama 70 wird, nächstes Jahr im Sommer. Oder zu Thomas‘ 50tem. Macht ja auch Spaß. Aber so, wie es diesmal war, ist es auch gut, zumal dieses schöne Geschenk daraus wurde für mich und Papa, schlicht und doch grandios. Wer hätte das gedacht, neulich – in Laos – äh, in Borsdorf. Und Papa hatte auch ohne unseren Auftritt einen echten Knaller-Geburtstag. Da waren viele Andere, die schöne Sachen gemacht haben. Genial waren die! Manche haben so schön und schlicht gesprochen. Und manche haben fabelhafte Dinge vorgeführt. Superklasse! Was alles in den Leuten steckt ist beachtlich! Papa war ganz aus dem Häuschen vor lauter Glück und Rührung. Hat er auch verdient. Meiner Mutter möchte ich das auch mal sagen, dass ich sie schätze und lieb habe. Bei meinem Vater tu ich mir damit irgendwie leichter. By the way, da fällt mir ein: Etwas ist anders, mit Mama und mir, verändert sich. Sie hat am Telefon „Schatz“ zu mir gesagt. Ich glaube, das war das erste Mal. Und als sie mir zum Geburtstag gratulierte, hielt sie mich lange im Arm. Außerdem verändert sich etwas an unserer Kommunikation. Ich kann „normaler“ mit ihr reden. Ich bin nicht mehr dauernd so in Hab-acht-Stellung, dass ich mich ständig fremdbestimmt und kleingemacht von ihr fühle. Ich erzähle ihr mittlerweile ganz normale Dinge, was wir machen z.B., das habe ich über lange, lange Zeit nicht getan. Ich hatte das irgendwann im Teenie-Alter aufgegeben, weil meine Mutter bei allem, was ich ihr erzählte, z.B. Begebenheiten mit anderen Menschen in der Schule, mich jedesmal dazu aufforderte, die Anderen zu verstehen. Sie vertrat stets die Anderen und deren Standpunkte und meine Sichtweisen waren die, welche von ihr in Frage gestellt wurden. Sei hielt mir immer 185 Andere zum Vorbild. Aber das erzählte ich ja bereits. Auf mich wirkte das lähmend und beschämend. … - … - Ich lass‘ das jetzt so stehen, ohne weitere Analysen oder Auseinandersetzung. Zwischendurch Abends. Ich lese ein bisschen Korrektur, weil ich das Gefühl habe, dass ich gerade nicht kreativ schreiben kann. … - Ist ja witzig, wie ich mir oft selbst die ganzen Antworten gebe! Dauernd geschieht das, scheint mir. Ich schreibe meine Gedanken und Erkenntnisse auf und dann, in der Zeit, die folgt, spielt sich etwas ab, in dem ich genau das, was ich vorher aufgeschrieben habe, wunderbar anwenden könnte. Nur kann ich dann (komischerweise) mit meinen vorherigen Einsichten nicht viel anfangen. Ich muss sie erst wiederfinden irgendwie, auf einer anderen Ebene. Im täglichen Leben. Wenn ich im Drama bin. Es anwenden. … - Gar nicht so einfach. … - „Es ist einfach, aber nicht leicht.“ Wer das gesagt hat, erzähle ich dann. Ja, so ist es wohl mit der Umsetzung vieler universaler Weisheiten. Sie sind so einfach! Und wir tun uns oft so schwer damit. Aber manchmal es ist auch ganz leicht! Und vor allem ist das Leben einfach genial! Ach ja: Da war ein Dachs in unserem Hof, nachts. Ich wurde wach durch Geräusche im Hof, stand auf und sah aus dem Fenster. Da lief ein recht großes Tier quer durch den Hof, niedrig und breit war es, und es watschelte ziemlich schnell zum hinteren Garten. Als ich zum anderen Fenster lief, um es vielleicht noch einmal zu sehen, war es aber weg. Ich begrüßte den Dachs innerlich und hieß ihn willkommen. Am nächsten Tag stellte ich ihm Wasser und was zu Fressen vor die Tür, aber ich weiß nicht, ob er nochmal gekommen ist. Vielleicht ist er nicht sonderlich fixiert auf unseren Komposthaufen und hat ein viel größeres Revier. Ich freue mich aber, dass er bei uns war! - Auferstehung! Nichts ist auf ewig verloren. … Die Schatten wahrscheinlich auch nicht, man geht halt nur irgendwann anders mit ihnen um. … - Und dann sind sie nicht mehr furchteinflößend, sondern liebenswerte Schatten, die durch den Hof huschen und uns an unsere überwundenen Ängste erinnern, an die besiegte Verzweiflung. …-… 186 Michel war gestern über Mittag bei meinen Eltern, weil Dirk und ich ein Beratungsgespräch beim Diakonischen Werk hatten. Partnerberatung. Ein Mann hat uns beraten. Eigentlich hat er lauter Dinge gesagt, die ich meinte, schon zu wissen. Und dennoch wäre ich, und wir beide wären es erstrecht nicht, ohne ihn dorthin gekommen, wohin er uns geführt hat. Aus dem Schutthaufen raus. Das war so gut, dieses aus dem Gewohnten rauszugehen, aus den eingefahrenen Bahnen, und mit einem Dritten zu reden! Schon rein dinglich: unser Haus verlassen, dorthin fahren, uns mit diesem Menschen zum Gespräch zu treffen, um uns Hilfe und Inspiration geben zu lassen. Er zeigte uns sehr deutlich unsere Muster auf und formulierte Vorschläge, wie wir es stattdessen mal probieren könnten. Auch Vorschläge für anderes Denken hat er uns gegeben. Mir sagte er z.B., wenn ich verzweifelt bin und mich (von Dirk) alleingelassen fühle, könne ich denken: „Der kommt schon.“ Ja. Und er wird kommen. Das weiß ich. Ich beiße mich – biss mich! – stets so an meiner abgrundtiefen Verzweiflung fest. … - … - Es ist nicht mehr lebensbedrohlich für mich, wenn mich jemand alleine lässt. Die ersten acht Wochen meines Lebens in der Kinderklinik war es das, und möglicherweise ist es diese alte Verzweiflung, Todesangst, die jetzt immer noch in solchen Situationen in mir aufsteigt. … So habe ich das noch nicht gesehen, da hat er mir doch etwas Neues gesagt. Auch der Gedanke „der kommt schon, irgendwann kommt er“ ist ganz neu und stellt eine rettende Tür für mich dar. Danke! Allein das Hingehen war heilsam und er hat uns viele gute Tipps gegeben, z.B. indem er unser beider Fokus mehr auf uns selbst ausgerichtet hat, weg vom anderen. Was kann ich selbst tun, nicht, was erwarte ich vom anderen. In zwei Wochen haben wir wieder einen Termin. Ich fühlte mich nach dieser Beratung sehr erleichtert und befreit. Dirk gab er den Impuls, erstmal „zum Drauf-rum-kauen“, ob er eine Therapie machen möchte, um seine Vergangenheit zu bearbeiten. All die Mechanismen, die darauf aufbauen, wie sein Vater mit ihm umgegangen ist. … - … Über das Internet oder durch Bücher, die ich gerade „zufällig“ lese, kommen wieder all die passenden Texte, z.B. heute eine astrologische Erläuterung der Zeitqualität, in der genau das drinsteht, was bei uns abgeht. Oder gestern Abend im FitnessStudio auf dem Fahrrad las ich in dem Buch „Rückkehr nach Eden“ von Paul Ferrini eine bereichernde Zusammenfassung unseres Beratungsgesprächs vom Nachmittag. „Es ist einfach, aber nicht leicht“, sagte unser Berater nicht nur einmal. „Es gibt eine universale Weisheit“, sagte er zu mir: „Was ich haben möchte, soll ich einem anderen geben. Aber es muss von Herzen kommen.“ Ja. Und genau damit tu ich mir verdammt schwer, wenn ich hier mit Dirk im Clinch liege. Ich möchte, dass er „lieb“ zu mir ist. Er ist mürrisch und unfreundlich. Und ich, wohlwissend um diese universale Weisheit, kriege es nicht hin, freundlich und liebevoll auf ihn zuzugehen. … - Oder noch 187 schlimmer: Er ist betrunken und absolut ätzend. Wie an diesem ausschlaggebenden Abend… - Das war schlimm. … – Aber habe ich es da nicht doch gemacht? Bin freundlich auf ihn zugegangen? Ich habe mich schrecken lassen, ja, aber nicht abschrecken. Ich gehe wieder und wieder mit meiner Wahrheit zu ihm. … - Es ist unheimlich kräftezehrend. Und ich habe auch keine Lust mehr. Ich will es jetzt leicht haben. Aber … vielleicht … ist es das doch wert. „Das ist alles andere nicht wert“, waren meine Worte an Dirk nach dieser Eskalation. Und, ja, das braucht kein Mensch. … - Aber alles hinschmeißen aufgrund eines Trugbildes? – Wäre ja auch dumm. … - Oder? … - Wie lange soll ich warten? Und auf was? Dass alles gut ist? Oder soll ich mich einfach nicht schrecken lassen? … - Hatte ich das nicht schon mal, diese Fragestellung? Diese Erkenntnis? Vielleicht ist es jetzt am ehesten einfach das: mich nicht schrecken lassen von diesen (Hirn-) Gespinsten. … - Dirk war wie vom Teufel besessen an diesem beschissenen Abend. Das war nicht wirklich er. Das war nicht sein Herz. Hier in Oberhessen gibt es den Leibhaftigen nicht, da sagt man eher: „Der ist vom wilden Watz gebissen.“ Was in besagtem Fall nicht minder schrecklich war. … - … - Oder war es doch nicht nur ein Trugbild? – Es war nicht sein Herz! Dessen bin ich gewiss! – Aber sind die Differenzen vielleicht doch zu groß? Haben wir zu wenig oder essentiell wichtige Sachen nicht gemeinsam? … - Warum ist es so anstrengend? Weil ich ihn verändern will? Weil ich etwas falsch mache? Oder hat es auch noch andere Gründe? Sowas „Halbgares“ ist nicht schön, so eine unerfüllende Partnerschaft, da wäre ich lieber alleine. Aber ich habe jetzt ein Kind. Michel braucht seinen Papa. Hier, täglich. Nicht eine Woche Mama, eine Woche Papa, oder welche Trennungsmodelle vorstellbar sind. Ich brauche Dirk als Papa in dieser Familienbeziehung auch. Wenn Michel und ich alleine wären, begänne ein Desaster, vermute ich, denn Michel hört ohne mit der Wimper zu zucken auf seinen Papa, wenn er bei mir den Mogo macht. Wir ergänzen uns hier schon sehr gut, wenn alles glatt läuft. Und manchmal läuft es wie geschmiert. Aber in letzter Zeit nicht. Ob wir das wieder hinkriegen? Und was ist mit Dirk und mir? Mich darin üben, ihn nicht verändern zu wollen, keine Erwartungen zu hegen, ist eins, mich dauernd nicht verstanden und nicht gehört zu fühlen, mich nach Nähe und Zweisamkeit zu sehnen, ist ein anderes. …-…-…Ich bin irgendwie zerrissen und hänge fest. Nicht ganz hier und nicht ganz dort. … Was ist mit Dirk und seiner Art, Alkohol zu konsumieren? Mir schrillen dabei die Alarmglocken. Was ist mit dem Rauchen? Ist das auch schon Suchtverhalten (des Partners), das ich mir nicht antun muss? Rauchen ist sowas von out, meine ich. Dirk will, ich glaube seit wir uns kennen, damit aufhören. Aber er tut es nicht. … - Ja, ja, ich weiß: Solange das für mich ein Thema ist und ich darauf warte, dass er’s tut, wird er es wahrscheinlich nicht tun. Loslassen, gleich-gültig sein – und er wird’s lassen. - 188 Könnte ich wetten. … - Aber der Alkohol! Diese entscheidende Sache des ersten Abends, an dem ich ihm das ganz klar gesagt habe („Ich will keinen Alkohol im Haus. Und ich kann nicht mit einem Mann zusammen leben, der regelmäßig Alkohol trinkt.“), in der er mich einfach übergeht. Jedesmal, wenn ich mit ihm darüber reden will, bricht das Inferno los. Das bringt mich dazu, dass ich nicht mehr weiß, was ich tun soll und mir die Trennungsfrage stelle. Ich will aber nicht in diese Maschinerie der Familientrennung geraten! Und vor kurzer Zeit war mein Herz auch noch ganz klar: „Ja, ich will mit Dirk zusammen leben!“ Jetzt, nach diesem besagten beschissenen Abend ist es das nicht mehr. Manchmal gehe ich davon aus, dass sich die Dinge, Probleme, über Nacht verändern und auf einmal alles anders ist, geheilt, gut, befreit, erlöst. Ganz von selbst, aus heiterem Himmel und einfach so. … - Vielleicht bin ich da zu sehr „Adler“: „Es ist und es ist nicht.“ Ich tue mir manchmal schwer mit alltäglichen Entscheidungen und auch mit dem alltäglichen Leben. Zu anderen Zeiten, wenn alles gut ist, ist das alltägliche Leben total bereichernd, erdend und wunderschön. Dann finde ich alles prima und die alltäglich anfallenden Arbeiten machen mir Freude. Es macht Spaß zu kochen, zu bügeln, Wäsche zu waschen, den Abwasch zu machen … - und was sonst noch ist: mit Michel spielen, andere Menschen treffen, an meinem PC sitzen und schreiben oder lesen, ins Fitness-Studio gehen … – einfach herrlich! Und vielleicht braucht es das jetzt, auch in schweren Zeiten, wenn nicht alles gut ist: was machen. Tun, was zu tun ist. Tun, was man für richtig hält. Es ins Irdische bringen. Nicht aufgeben. Mit Dirk reden. Vorschläge machen, meine Wahrheiten anbringen. Zur Beratung gehen. Uns helfen lassen. Vielleicht liegt darin das Wunder, das, einfach so, im heiteren Himmel herumschwirrt: Wir müssen es tun, es einfangen, es auf die Erde bringen. „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, hat schon Erich Kästner gesagt, und den schätze ich sehr, weil er sich, als er erwachsen war, seine Kindlichkeit erhalten konnte. Glauben reicht nicht, man muss es auch leben. Ich denke oft, wenn ich es glaube, verändert es sich von selbst. … - Und ich bemühe mich, Kraft meiner Gedanken, die Welt zu verändern, wenigstens und erstmal meine Welt. Und das klappt nicht. Nicht nachhaltig. … - Wieder mit dem Konto im Soll. Wieder Beziehungsdesaster. … Dabei: Während des Korrekturlesens musste ich schmunzeln, als ich das von Dirks Eisenbahnkauf las. Da haben wir so viel Geld ausgegeben, und bei den vermehrten Abbuchungen zum Jahresbeginn mit Nachzahlungen hie und da: Ist es da groß erstaunlich, dass wir nun mal wieder im Soll sind? Wenn ich nur mal aufhören könnte, mich deswegen zu sorgen! Oder: aufhören mich wegen der Sorgen zu grämen, weil ich dann denke: Ich gräme mich und kann nicht anders, verstärke damit diese Energie und erschaffe dauernd das Gleiche: noch mehr Mangel. Selbst schuld! Da beißt sich bei mir die Katze immer in den eigenen Schwanz. Auch bei der Thematik mit Dirk. … Von wegen Visualisieren: Wenn ich versuche, mir meine Wunschwelt vorzustellen, das 189 Paradies, auf dass es sich – Kraft meiner Gedanken und Gefühle – erfülle, dann schleichen sich stets Angstbilder und ein Gefühl des Versagens ein. Ich kann das nicht, visualisieren, gute Gedanken denken, jedenfalls nicht auf Kommando, wenn ich es jetzt aber will. Selbst schuld. Ein Text, den ich dieser Tage gelesen habe, hat das Thema „Du erschaffst Dir die Welt, in der Du lebst, selbst“ mit den folgenden Worten auf den Punkt gebracht: „Glaubt oder fürchtet“ (Channeling mit Seth vom 22.02.2009 bei www.sternenkraft.at). … - Na, und das weiß ich ganz klar: Ich glaube!! Ich glaube. Tief in meinem Herzen, in meiner Wahrheit, ist keine Furcht. … Vielleicht soll ich mich auch von allen Bemühungen lösen. Was mir Mühe macht, sein lassen. So aufgesetzte Sachen, mit denen ich mir schwer tue, Visualisationsübungen und so, die Welt kraft meiner Gedanken umgestalten. … - Mich vor meinen eigenen Ängsten nicht fürchten. … - Wenn Dirk nicht so abgrundtief bescheuert gewesen wäre, wären wir nicht zur Beratung gegangen. … - Und das mit dem Geld, oder mit der Fülle: Es ist doch schon die ganze Zeit so, dass wir nicht besonders viel Geld haben. Wenn ich mich aber umsehe, hier, in meiner unmittelbaren häuslichen Umgebung: Was da alles ist! Aus dem Nichts entstanden! Alles neu. Dabei hatten wir doch die ganze Zeit kein Geld. Und wir sind noch mittendrin in diesem Prozess. … Auch jetzt: diese Dürre, diese Leere … oder das Viele, mit dem ich nicht mehr umgehen kann, will … - Ich habe gegraben, um mich herum, in mir, und siehe da: Die Quellen sind da! Da sind sie! Jetzt grabe ich lieber noch ein bisschen in mir, anstatt an Dirk rumzubaggern, sehe mir meine erschrecklichen (Hirn☺)-Gespinste an. - Dieser Smilie hat sich eben ganz von selbst wie von Zauberhand dorthin gemalt. Einfach so, aus heiterem PC. Ich wollte eigentlich einen Bindestrich schreiben. „Don’t worry!“ sagt er. Ich werde es schaffen! Wir sind alle krank. Grippe. Michel hat das erste Mal über Tage hinweg Fieber. Er schläft schlecht, wacht öfters auf und weint. … Es ist aber gut, dann hingehen zu können und ihn im Arm zu halten, zu trösten und ihm zu zeigen, dass wir da sind. … Hausputz habe ich auch gemacht. Im Zuge des Neues-Wohnzimmer-einräumen-unddie-ganzen-im-Haus-verteilten-Sachen-aufräumen. Ich habe auch dort geputzt, wo ich sonst nicht immer putze, z.B. hinter den Betten. – War gar nicht so dreckig, wie ich vermutet hätte. Hinter meinem Bett war es sogar fast sauber, da sauge ich aber auch immer mal hinter lang, da kommt man besser dran als hinter Dirks Bett. Aber 190 auch hinter seinem Bett war es nicht soo schlimm, wie es „normalerweise noch einer solchen Zeitspanne hätte sein müssen“. … Was soll mir das sagen? Hoffnung machen: „Da ist gar nicht so viel Dreck!“? … - Es waren nur Reste von Blutflecken unter seinem Nachtisch auf dem Fussboden, die ich nicht wegbekommen habe, wohl Überbleibsel einer massakrierten Maus aus der Zeit, als mein Singlebett noch an dieser Stelle stand und die Katzen freien Zugang zu sämtlichen Räumen des Hauses hatten. Des Sommers brachten sie nachts gelegentlich eine Maus mit hoch und fraßen sie unter meinem Bett auf. – Hua! – Ich erwachte dann vom Geräusch der knackenden Knochen. … - Wenn ich mal ordentlich schrubbe, geht der Blutfleck vielleicht auch noch weg. - Oder das Schlafzimmer bekommt bei Gelegenheit gleich einen neuen Fussboden. Heute geht es Michel besser, er hat auch mittags wieder durchgeschlafen. Dafür hat es mich niedergehauen, hab‘ die meiste Zeit des Tages im Bett verbracht. Irgendwie war das heute aber genau das Richtige und Beste für mich, mal ausgeschaltet zu sein. Heute Morgen wollte ich mit Dirk die Dinge besprechen, über die ich in den vorigen Absätzen geschrieben habe. Aber es war nichts zu machen. Wieder nur Desaster und Chaos. – Das mit dem Alkohol. … – Das blockt er völlig ab und ich frage mich wieder: Warum ist es so schwer? Warum geht es nicht? Ich will nicht mehr! Ich kann nicht mehr! … - Bin trotzdem irgendwann zu Dirk und habe ihn geküsst. Da war die schlimmste Trennung vorüber. … - Dann las ich heute Abend Shoud Nr. 7 aus der Rückkehr-Serie des Crimson Circle mit dem Titel „Den Elefanten ganz aufessen“ (auf www.shouds.de), welcher besagt, dass ich dort, wo ich meine, ich kann nicht mehr, alles in mich hineinlassen soll, alles fühlen soll und mich dem Ganzen nicht verschließen. Von wegen: Halb drin ist es ja eh schon, der Elefant. Iss es ganz auf. Damit kommt auch das Neue herein. … - Ei wei Backe!! … Aber eigentlich ist das ja das, was ich irgendwie schon ahnte, und was ich auch schon geschrieben habe: Alles will mit. Und ich kann mich den Dingen eh nicht verschließen, den schrecklichen, die ich lieber nicht sehen und hören will. Sie klopfen doch bei mir an und schieben sich vor mein inneres Auge, sobald ich die äußeren schließe. 191 Vielleicht sollte ich, während ich so drinhänge, nicht so viel darüber schreiben. Dadurch wird’s nicht unbedingt besser, wenn ich es wälze und durchkaue und darüber brüte. Heute ist ein neuer Tag. Ich bin immer noch krank. Per E-Mail sind ein paar schöne Sachen angekommen, sehr passende und heilsame Texte für mich. Einen davon möchte ich jedem interessierten Menschen ganz besonders ans Herz legen: „Unsere ewige Verbindung“ von Karen Bishop. Im Internet kann man das finden. Behindert? – Oder begnadet! Sie verändern die Dinge nie durch ein Ankämpfen gegen die existierende Realität. Wenn Sie etwas ändern wollen, dann bauen Sie ein neues Modell auf, das das existierende Modell überflüssig macht. R. Buckminster Fuller Ich lag fünf Tage im Bett. Absolut ausgeschaltet. … - … - Und ich glaube, das war das einzig Richtige und das Allerbeste, was jetzt sein konnte, für mich. … - Da ist noch ein Film per E-Mail angekommen, nach diesem berührenden Film mit dem Vater, der mit seinem Sohn einen Marathon läuft. Der neue Film beginnt und man sieht einen hübschen jungen Mann, der von sich erzählt, was er gerne macht und der sagt, dass er sein Leben genießt und dass er glücklich sei. Dann fährt die Kamera ein Stück zurück für eine Ganzkörperaufnahme und man sieht, dass der Mann keine Arme und keine Beine hat. … - Der Film geht nur wenige Minuten, es werden Bilder aus seiner Kindheit gezeigt, aus seinem jetzigen Leben und eine Sequenz, in der er in einer Schule vor jungen Menschen spricht. Ich verstehe nur wenig von dem, was er da sagt, denn er spricht Englisch, aber die Botschaft kommt dennoch rüber. Dieser Mensch ist so selbstverständlich und hat so eine wundervolle und charismatische Ausstrahlung, völlig frei von jeglichem Selbstmitleid und tief und dankbar liebt … „lebt“ wollte ich schreiben … - liebt und lebt er sein Leben. Und berührt so sehr seine Mitmenschen! Sie wären/wir wären ohne ihn viel ärmer. Er ist eine Gnade für die Welt. Im Internet könnt Ihr ihn Euch ansehen. Er heißt Nick Vujicic. 192 Und dann seht Euch bei Gelegenheit doch auch auf www.youtube.de noch „Christian the Lion“ an. … - … - Ich habe das Gefühl, dass soviel Neues hereinkommt. … - So viel. – Deshalb hat es mich vielleicht auch erstmal umgehauen, Auszeit, Integration und - die alte Haut abstreifen. Das auch. … - Ich will jetzt gar nicht wieder viel reden und erklären … - die Sache mit Dirk … Ich muss es einfach anders machen! Das Schlechte ignorieren und in meiner Hoffnung bleiben! So tun, als sei morgen – oder jetzt! - schon alles so, wie ich es mir wünsche, als lebten wir morgen schon, ganz bestimmt!, im Paradies. Und ich wollte doch sowieso üben, mich von Bestätigung im Außen zu befreien. Das ist doch jetzt eine gute Gelegenheit. So lange es nicht besser ist, muss ich einfach anders damit umgehen, dann habe ich etwas noch nicht gelernt. Da kann ich mich auf den Kopf stellen. Bei all dem, was ich gelesen habe, als ich im Bett lag, an esoterischen Schriften zum aktuellen Zeitgeschehen, wurde ganz klar, dass mein keltisches Kreuz für dieses Jahr das schon alles auf den Punkt gebracht hat. Und, auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Ich kann darauf vertrauen, dass ich immer zur rechten Zeit am rechten Ort bin und dass alles in göttlicher Ordnung ist. Auch der Kampf mit Dirk an der Beziehungsfront. – Weiß ich denn, was da wirklich abgeht? Vielleicht werden wir neu strukturiert, vielleicht werden die letzten Schlacken und Verkrustungen abgeschrubbt, die in den verborgensten Winkeln sitzende Negativität, die immer noch vorhanden ist, herausgepresst … - „All das Negative wird den ersehnten Wandel bringen“, habe ich gelesen. Ja! Ich gebe nicht auf. Es darf geschehen, was geschieht. Ich höre aber jetzt auf zu kämpfen. Das reicht. Dicke reicht das. … - Jetzt mal im Ernst: Stellt Euch nur einmal vor wir, die Menschen, würden aufhören zu kämpfen. Ganz plastisch: Wir würden aufhören, Waffen zu produzieren und zu vertreiben. Was da für Unsummen!!!!!! von Geld frei würden! Was kostet ein Panzer?! Ein Überschallflugzeug? Ein Kriegsschiff?! … - Ja sind wir denn vollkommen bescheuert, dass so etwas noch praktiziert wird? … - … - Das ist leicht, auf die anderen zu zeigen, auf Die Gesellschaft, Das Militär, Die Politiker, Geldhaie, Machtbesessene, skrupellose Waffenhändler. … - Wenn ich mit Dirk kämpfe, bin ich genauso dumm – und machtbesessen?! Welche Energien ich da binde und sinnlos zum Herzerbarmen vergeude. – Es ist traurig. Das ist traurig, das zu erkennen. Und doch: Alles spielt sich in mir ab. Ich danke für die ganze Hilfe, die uns zur Verfügung steht, und dass ich in dieser großartigen Zeit des Wandels leben darf. Ich träume eben viele Träume, die ich lieber nicht träumen würde, von Verrat und Trennung oder von Menschen, die sterben. Dann aber denke ich mir: „Leiste keinen Widerstand.“ Und auch: Vielleicht ist das, was ich träume, das ganze auch vorhandene Potential und dadurch, dass ich es träume, muss es hier nicht geschehen. 193 Oder es sind letzte Attacken, des sogenannten Bösen, um mich einzuschüchtern. NÖ! Jetzt bin ich so weit! Ich geb‘ nicht auf! Ich weiß, dass die neue Welt schon da ist. Wir stehen schon am Ufer. Oder so: „Blockaden sind wie Wasserdampf auf dem Badezimmerspiegel… Sie hindern Dich daran, Dich selbst klar zu sehen. Das Bild ist verzerrt, und die vernebelte Gestalt wird zu einem furchterregenden Monster, vor dem Du wegläufst, anstatt den Spiegel zu säubern. Hasst du Dich wegen des beschlagenen Spiegels? Warum hasst Du Dich dann wegen des geistigen Nebels? Säubere den Spiegel und entdecke Dich selbst.“ Lazarus Wir sind mittendrin, in diesem Prozess. Wenn ich selbst aufhöre zu kämpfen, wird auch der Kampf im Außen aufhören. Ich habe mir selbst noch Einiges zu verzeihen. Unsere Behinderungen werden sich noch als die größte Gnade erweisen. Luna Einen Tautropfen betrachtend, entdeckte ich das Geheimnis des Meeres. Khalil Gibran Ich fühle mich immer noch, als sei ich durch eine große Trommel mit Steinen gedreht worden. Bei all dem Schweren und Negativen, das ich gewälzt habe, das mich gewälzt hat, ist am Ende eines wieder hochgekommen, und weil ich das schon immer habe, sehe ich mir das jetzt an, vielleicht finde ich darin die Erlösung. Es geht um die Tiere. Luna ist es, die hochgekommen ist. Sie war Schröders Schwester und auch sie ist schon gestorben. Es waren sieben Geschwister, Sister hatte sieben Kinder. Und alle haben wir gut untergebracht. Wir, mein damaliger 194 Freund und ich, hätten sowieso alle Welpen am liebsten selbst behalten, aber das wäre too much gewesen. … Wir haben unsere kleinen Hunde später dann bei ihren neuen Menschen noch ein, zwei Mal besucht. Bei allen hatte ich ein gutes Gefühl – außer bei Luna. Sie hatte es nicht gut und ich habe das ihr ganzes Leben lang mitbekommen, weil sie bei entfernten Verwandten von mir lebte, und ich hatte über Jahre ein schlechtes Gewissen und habe es noch, weil ich meine, ich hätte sie retten müssen. Jetzt, wo ich das schreibe, zieht sich mir die Brust zusammen. Sie hatte es nicht gut, sie war oft angebunden und musste immer alleine draußen im Hof sein, niemand ging mir ihr Gassi, sie durfte nicht ins Haus. Sie hat sich zum Angst-Kläffer und –Schnapper entwickelt. Einmal, als sie noch klein war, wollte ich sie holen. Ich hatte das Geld, das ihre neuen Besitzer uns für sie gegeben hatten, dabei und wollte sie loskaufen. Aber sie haben sie mir nicht gegeben. Sie sagten mir, dass sie sich gut um sie kümmern würden und sie behalten wollten. Und ich … - konnte mich nicht durchsetzen. So lange sie lebte, trug ich das mit mir herum, dieses: Ich müsste sie retten. Dagegen sprach: Ich hatte schon zwei große Hunde. Und die Katzen – wie kann Luna mit Katzen? Wenn sie die jagt oder tot beißt?! Meine Eltern sagten, auf drei Hunde würden sie nicht aufpassen, wenn ich mal weg sei. Und dann: … Hatte ich überhaupt den Durchblick, den Überblick, warum es so war, wie es war, mit Luna. … Vielleicht war ja doch „alles richtig“. … -Aber: Ich habe mir das noch immer nicht verziehen. Ich werfe mir vor, dass ich sie hätte retten müssen. Sie lebt nicht mehr. …-…Als ich Kind war, hatten wir mehrmals im Jahr Katzennachwuchs auf unserem Bauernhof. Mein Opa brachte die kleinen Katzen immer um und erzählte uns, der Kater habe sie gefressen. Ab und zu ließ er mal eins oder zwei am Leben. Mir war das, glaube ich, schon bald klar, dass der Opa die Katzen umbrachte, aber auch wenn sie wirklich der Kater gefressen hätte: Ich hätte sie doch retten müssen! Die armen, kleinen, hilflosen Kätzchen! … - … - Auf einmal, jetzt, hier, beim Schreiben, ist der Druck weg. – Warum? … – Weil ich weiß, dass das kleine Mädchen all die kleinen, hilflosen Katzen nicht hätte retten können? Es gibt immer irgendwo Tiere, von denen ich weiß, oder meine zu wissen, dass es ihnen nicht gut geht. Kann ich die alle retten? Nein, das kann ich nicht. …-…-…Wir hatten heute unseren zweiten Beratungstermin beim Diakonischen Werk. Mir wurde heute klar, dass ich Dirk am besten ganz in Ruhe lasse, mit Reden über Therapie, er solle doch, könne doch, wolle doch bitte eine Therapie machen. Ich muss ihm sein eigenes Tempo oder seine Langsamkeit und überhaupt seinen eigenen 195 Prozess zugestehen. Vielleicht macht er ja überhaupt keine Therapie. Weil das für ihn nicht dazugehört. Was weiß ich. Alles was ich forcieren will und meine machen zu müssen … - was weiß ich schon? Und wenn ich es probiere und es geht nicht, dann soll ich es sein lassen! Und nehmen was da ist und was von alleine zu mir kommt. Es ist ganz einfach. Ganz einfach. Und weil ich jetzt weinen muss, weiß ich, dass das die Wahrheit ist. Mua And I think to myself, what a wonderful world. Louis Armstrong Ich habe das Gefühl, dass ich in (mindestens!) zwei Welten lebe. In der einen geht das mit Dirk, entwickelt sich einfach, wächst und gedeiht, strukturiert sich vielleicht anders und neu. Wir lernen uns ja auch quasi gerade erst kennen, wir sind ja noch am Anfang! – Und in der anderen Welt geht es nicht. Gestern Abend hatte Dirk wieder leicht einen im Tee. Ich war seit zwei Wochen mal wieder im FitnessStudio und als ich nachhause kam … - er spricht dann langsamer, und spätestens, wenn es ihm beim Essen aufstößt – so ein ganz bestimmter Hickser – dann ist es irgendwie zu spät. Dann hat es keinen Sinn mehr, mit ihm zu reden, jedenfalls nichts Ernsthaftes, und auf gar keinen Fall, die Situation betreffend, denn dann ist die Ausrastung vorprogrammiert … meine ich. Deshalb habe ich mich lieber zurückgezogen. … - Irgendwie mag ich ihn dann aber auch nicht und will nicht mit ihm zusammenleben. – Aber darüber zu reden, haben wir letzte Woche per Handschlag abgemacht, lassen wir bleiben, während wir uns streiten. Wenn wir uns streiten, streiten wir eben, wir wollen dann nicht jedesmal die ganze Beziehung in Frage stellen. „Löcher in den Schiffsboden schießen“ nannte das unser Berater vom Diakonischen Werk während unseres Gespräches diese Woche. … - Heute Morgen ist es auch wieder gut, mit Dirk. Er hat Michel aus dem Bett geholt und mich ausschlafen lassen und ich bin ihm dafür dankbar, das hat mir gut getan und ich sage nichts mehr wegen gestern. Vielleicht beim nächsten Beratungsgespräch. Oder soll ich es einfach ignorieren? Ihn so sein lassen? – Wie geht man damit um? Wie soll ich damit umgehen? Furchtlos sein, auch wenn die Liebe mal nicht spürbar ist? – Brauche 196 ich ihm also gar nicht vorzuwerfen: Du liebst mich nicht. Ich liebe ihn ja selbst manchmal nicht. … - Jedenfalls glaube ich, dass, wenn wir uns trennen würden, wir einen Fehler begehen würden. Das wäre eine Kurzschlussreaktion. Ich habe für mich beschlossen, mich nur zu trennen, wenn ich mir dessen absolut sicher bin. Und das bin ich absolut nicht. Hier geht es um was anderes. „Wir schaufeln die Liebe frei“ habe ich neulich geschrieben. Vielleicht ist es einfach das. Da gibt es schon mal Dreck und aufgewirbelten Staub und viel alter Unrat tritt zutage, den es zu entsorgen gilt. – Mir fällt jetzt ein Text ein, von Anne Morrow Lindbergh, „Gezeiten der Liebe“: Wenn man jemanden liebt, so liebt man ihn nicht die ganze Zeit, nicht Stunde um Stunde auf die gleiche Weise. Das ist unmöglich. Es wäre sogar eine Lüge, wollte man diesen Eindruck erwecken. Und doch ist es genau das, was die meisten von uns fordern. Wir haben so wenig Vertrauen in die Gezeiten des Lebens, der Liebe, der Beziehungen. Wir jubeln der steigenden Flut entgegen und wehren uns erschrocken gegen die Ebbe. Wir haben Angst, die Flut würde nie zurückkehren. Wir verlangen Beständigkeit, Haltbarkeit und Fortdauer; und die einzig mögliche Fortdauer des Lebens wie der Liebe liegt im Wachstum, im täglichen Auf und Ab - in der Freiheit; einer Freiheit im Sinne von Tänzern, die sich kaum berühren und doch Partner in der gleichen Bewegung sind. Danke für diese Worte! Wie gut die mir jetzt tun! Auf meinen esoterischen Streifzügen durch’s Internet, habe ich neulich einen Text gelesen, in dem das Wort Mua erwähnt wurde. Mua ist eine Art Übergangszeit, ein Abschluss und das Nichts. Jetzt ist Mua. In vorherigen Muas wurden Sonne und Mond geboren oder neue Zeitalter begannen, wie z.B. nach der Sintflut. Das Mua, das 2009 beginnt und ca. drei Jahre andauern soll – wobei solche Zeitangaben überhaupt nicht mehr wörtlich zu nehmen sind, meine ich, vielleicht sind die drei Jahre morgen schon vorbei oder zu Weihnachten – bringt die Geburt der neuen Matrix und der einen wahren Liebe. Jetzt muss ich wieder weinen. Ja. Aber irgendwie habe ich doch auch schon die ganze Zeit das Gefühl: Da passiert was ganz Grundlegendes, was riesig Großes Wunderbares. Die ganze Welt betreffend. Und dann ja auch wahrscheinlich bei Dirk und mir im Kleinen. Ich kann z.Zt. auch gar 197 nicht sagen, was ich wirklich will, vieles betreffend: ob ich mit Dirk zusammenleben will, ob ich wieder im Kindergarten arbeiten möchte, ob ich dieses Buch veröffentlichen soll, ob ich mir vorstellen kann, noch ein Kind zu haben … ja, das ist alles okay … – jetzt, wo ich es aufschreibe, erfüllt es mich mit Zufriedenheit … auf einmal lande ich bei mir, im Kleinen. … - Das ist schön. … - Ich wollte eigentlich meine Vision aufschreiben in diesem Kapitel, die große, die für die ganze Erde. – Das mache ich später. Ich gieße mir jetzt noch eine Tasse Tee ein … - vielleicht wird Michel bald wach. – Ich würde gerne eine kleine Filmsequenz von Michel drehen und in das Buch einbringen, wenn das ginge. Weil er soo goldig ist! Z.B. macht er „Du-du“ mir seinem kleinen Zeigefinger. Und die Situationen, in denen er das macht und wie er dann guckt – das müsstet Ihr sehen! Er ist so herzerfrischend kleines Kind, mit großem Zauber! So fröhlich und freundlich! … Mmh! – Gaaanz viel Liebe! Der Samen I see trees of green, red roses too I see them bloom for me and you And I think to myself what a wonderful world. I see skies of blue and clouds of white The bright blessed day, the dark say good night And I think to myself what a wonderful world. The colors of the rainbow so pretty in the sky Are also on the faces of people going by I see friends shaking hands saying how do you do They're really saying I love you. I hear babies cry, I watch them grow They'll learn much more than I'll ever know And I think to myself what a wonderful world Yes I think to myself what a wonderful world. Oh yeah. Louis Armstrong 198 Das ist meine Vision: Eine geheilte, heilige Erde. Alles, was uns jetzt noch Kummer und Gram verursacht, ist verschwunden, ausgeheilt und kann nie mehr zurückkommen. Das gilt für jeden: Mensch, Tier, Naturwesen, Pflanzen, die Erde selbst …. Wir leben zusammen in gegenseitigem Respekt, in Liebe und dankbarer Anerkennung. Wir hören auf, einander aufzuessen, auch die Tiere, auch Raubtiere, zu dem sich der Mensch ja eigentlich auch entwickelt hat, stellen sich um auf Pflanzennahrung. Die Tiere laufen frei umher, als unsere Freunde, wilde Tiere auch in den Städten. Es gibt von nichts zu viel und von nichts zu wenig. Das gilt auch für die Bevölkerungsdichte (von Mensch und Tier und allen anderen). Wir vernetzen uns: Menschen, Tiere, Elfen, Feen und andere Naturwesen, Außer-Irdische kommen zu Besuch und vielleicht können wir selbst auch außerirdisch reisen. Vielleicht stellen wir fest, dass wir sowieso selbst zum Teil außerirdisch sind. Die Städte und das Land erstrahlen in Schönheit und Anmut. Es gibt keine Autobahnkreuze mehr, die vor aus dem Fenster geworfenem Abfall erstarren, vielleicht gibt es überhaupt keine Autobahnkreuze mehr, weil wir lieber wieder reiten oder wir beamen uns oder wir bleiben sowieso am liebsten da, wo wir sind, oder wir reisen irgendwie grundlegend anders, innerlich. Unsere Lebensräume sind einfach nur schön, kein Dreck und Unrat mehr, keine Hässlichkeiten, weil es keine Deppen mehr gibt, die ihren Dreck wegwerfen oder irgendwas verkommen lassen. Alle sind einsichtig geworden und es ist uns eine Herzensfreude, Schönheit zu schaffen. Wir werden sehr kreativ sein und außerdem unterstützen uns die Naturwesen. Von den Tieren können wir auch viel lernen – die Freuden, das Genießen, die Verspieltheit, das Vertrauen – aber das haben wir dann sowieso auch schon in uns entwickelt! Jeder lebt, wie es ihm Freude macht, jeder lebt seine Leidenschaft. Wir leben im Wohlstand, aber das hat nichts mit Sachen-anhäufen zu tun. Wir leben im Miteinander und im Austausch. Jeder gibt, was er hat und trägt somit zum großen Ganzen bei. Sinnlosigkeit und Langeweile gibt es weder vom Wort noch von der Bedeutung her mehr, sowie viele andere Wörter samt dem, wofür sie stehen, verschwinden (Hass, Neid, Gier …). Dafür werden neue Worte und Inhalte geboren. Wir sprechen die Sprache des Herzens. Die Gesichter erstrahlen und wir werden viel lachen! Frieden herrscht sowieso. Aber nicht nur dieser Frieden, der bedeutet, dass kein Krieg mehr ist, sondern dieser tiefe Frieden, der uns mit dem Mysterium und dem Zauber allen Seins verbindet. Wir werden auch ewig lange leben, tausende von Jahren, in schönen, frischen Körpern. So was wie körperliche oder geistige Gebrechen gibt es nicht mehr, weil 199 alles ausgeheilt ist, auch die Wunden und Verunreinigungen der Erde sind geheilt. Wir bleiben so lange hier, wie wir möchten. Die Erde ist ein Juwel und unser Leben hier ein Geschenk. Wir werden sooo viel entdecken und aus dem Staunen und Freuen nicht mehr herauskommen. Das ist das Paradies, zweite Ausgabe. Kommt! Let’s go! Das Tor ist weit offen … Durchbruch No matter what they tell us, no matter what they do, no matter what they teach us, what we believe is true. No matter what they call us, however they attack, no matter where they take us, we’ll find our own way back. Boyzone / Lyrics by Jim Steinmann „Durchbruch“, „Was alles hochkommt“, „Stasis“ – wie soll ich dieses Kapitel nennen? … - Auf einmal ist alles anders. Ich gehe nicht mehr in Resonanz mit Dirks MürrischSein und dem, was ich vor … wann war das? … ist noch nicht lange her, oder? … - Es ist gerade alles so zeitlos. - … was ich als himmelschreiende Ungerechtigkeiten seinerseits und gemeine Angriffe mir gegenüber empfand. … – Das macht das (Zusammen-) Leben viel leichter. … - Es regt mich auch nicht mehr auf und schürt meinen Widerstand, wenn er sich Negativ-Scheiß im Fernsehen ansieht. Ich erkläre erstmal das mit der Stasis. Ich habe z.Zt. im Internet die Kosmische Tagesschau abonniert und in deren Schreiben ist des Öfteren die Rede von der „Stasis“. Ich verstehe das bisher so, dass eine Zeit des Stillstands eintritt, in der sich nichts oder auch gleichzeitig ganz viel bewegt. Ja – komischerweise saß ich vorhin (einfach nur) da, habe (entspannende) Musik gehört und hatte währenddessen die Wahrnehmung, ich säße in einer Art Wirbelwind, einem sich drehenden Schlauch, der sich immer schneller und schneller drehte und als er eine sehr hohe 200 Geschwindigkeit erreicht hatte, einen Affenzahn, war das quasi Stillstand, absolute Ruhe und Stabilität. So, wie von dieser Stasis in der Kosmischen Tagesschau gesprochen wird, verstehe ich es als Möglichkeit, die global eintreten könnte: Stillstand aller Aktivitäten, Stillstand der Wahrnehmung, des Bewusstseins, Evakuierung oder wie auch immer, jedenfalls ist nach dem Aufwachen aus der Stasis der Durchbruch (in die fünfte Dimension, in die neue Zeit, ins Paradies …) geschehen und wir sind heil hindurch gekommen, gebracht worden. Vielleicht ist es so. Vielleicht erlebt auch jeder seine ganz persönliche Stasis, so wie auch jeder seinen ganz individuellen und persönlichen Aufstieg durchmacht. Es geschieht global und bei jedem einzeln und vielleicht ist ohnehin jeder die ganze Welt, irgendwie, im Grunde. Vielleicht bin ich alles, was es gibt, das, was ich erlebe, ist die Welt. Jedenfalls bin ich mit allem in dieser Welt verbunden. Und meines Erachtens ist da was dran, an dieser „Stasis“. Ich hatte so was wie Stasis als ich … wann war das? … letzte Woche? … die fünf Tage im Bett lag. Ich konnte nichts tun, war völlig ausgeschaltet und gleichzeitig ist ganz viel geschehen. Vorher und nachher auch noch, ich bin immer noch verschleimt und nicht ganz wach und vorher hing ich ja richtig fest. … - Auf einmal ist alles anders. … Vielleicht bin ich durch. Und ich muss nur noch die Augen öffnen, zu mir kommen. … Jedenfalls habe ich etwas hinter mir gelassen. … Außerdem schreiben in der Kosmischen Tagesschau dieser Tage etliche Menschen, woran sie sich erinnern, dass sie wissen, woher sie kommen und wer sie wirklich sind, dass sie von den Sternen kommen und weit entwickelte Meister-Seelen sind, viel mehr, als nur die 3-D-Realität hier. Und ich glaube ihnen. Bei dem Zweiten, der sich outete, dachte ich zunächst: „Der hat zu viel ‚World of warcraft‘ gespielt.“ Aber jetzt glaube ich ihm auch. Die Menschen erinnern sich und entdecken ihr wahres Potential und das ist – ja: irgendwie gigantisch, wunderbar! – Ich muss hier für Skeptiker noch hinzufügen: ohne Protz und Pomp. Es geht nicht darum, sich in die Brust zu werfen: „Hier, seht alle her wie toll ich bin!“ Sondern es geht darum, seine eigene Größe und Wunderbarkeit anzunehmen. Die eigene Göttlichkeit. In aller Demut. Dabei vermute ich, dass wir im Grunde noch gar nicht wissen, was Demut eigentlich ist. Einen entscheidenden Satz, eine universelle Wahrheit, will ich hier zitieren, sinngemäß: „Wahrhaft Großes könnt ihr vollbringen, wenn ihr euch selbst dabei nicht wichtig nehmt. Ihr könnt alles erreichen, wenn ihr euch selbst dabei ausklinkt.“ Und so ist es. …-…-…- 201 Und ich erinnere mich nicht. Außer an das weiße Licht, aus dem ich komme. Vielleicht bin ich Gott selbst. Und obwohl ich davon überzeugt bin, dass das im Grunde so ist, traue ich mich nicht, das zu denken. Außerdem habe ich mit dem Wort ‚Gott‘ noch ein Hühnchen zu rupfen. Aber das mache ich später, jetzt brennt mir anderes unter den Nägeln. Z.B. dass Findus und Flöckchen, unsere beiden Kater, in der letzten Zeit dauernd das Wort an mich richten, als wollten sie mir etwas sagen. Und Miezi klopft sowieso immer an die Badetür, wenn ich im Bad bin, und kommt herein. Oder dass Dirk, nachdem ich im vorigen Kapitel Louis Armstrong zitiert habe, heute mit Inbrunst dieses Lied gesungen hat! (Dabei wusste er gar nichts von dem, was ich hier geschrieben habe.) Und wie er gesungen hat! Wie Satchmo höchstpersönlich, tiefe Stimme, volles Rohr, der kann das wirklich gut! Und Michel sitzt in der Küche und staunt mit offenem Mund seinen singenden Papa an, dann lacht er und freut sich. Und ich finde es einfach nur klasse! Des Weiteren scheint mir, dass mein Ja-Nein-Groschen nicht mehr funktioniert, besser gesagt: Er will nicht mehr. Ich soll das selbst machen, die kleinen und großen Entscheidungen treffen, die „richtigen“ Formulierungen finden, vielleicht einfach drauflos-schreiben, ohne dauernd nachzufragen. Und: wenn ich aufhöre, mich darüber aufzuregen: „Hu! Du musst mir aber helfen! Ich weiß nicht, was ich machen soll!“ – dann geht das auch ganz leicht, dann weiß ich intuitiv, was ich will, was „das Beste“ ist. Und das mache ich dann einfach. Es ist ganz klar. Die Intuition ist ganz zart und fein und klar und kraftvoll zugleich. … - Wahrscheinlich weil ich mich nicht erinnere, an meine Großartigkeiten, und stattdessen so im Negativen festhing, kam Folgendes hoch: Ich denke wieder, dass ich es nicht schaffe: Alle steigen auf, die Leute erinnern sich, vernetzen sich, legen los, mit Freudengeheul sozusagen, und ich hocke hier und komm‘ nicht mit. Dabei war ich schon so nah dran! Ich war ja schon manchmal da, im Paradies! Und jetzt? Jetzt weiß ich wieder gar nichts mehr, nicht, was ich will, nicht, wozu ich hier bin. … … - Zum Glück schreibe ich darüber, denn jetzt, wo ich es niederschreibe, regt sich in meiner Brust das Lachen: Ich gehe nicht verloren! … - … In meiner Verzweiflung dachte ich Folgendes, was dann auch irgendwie mein Trost war: Vielleicht gehe ich als Letzte, erst alle anderen, und wenn wirklich alle angekommen sind, im Paradies, dann gehe ich auch. Als Letzte. Und mache hier die Tür zu und das Licht aus sozusagen. Und dann werfen wir die alte 3-D-Welt mit all ihrem Leid ins Feuer der Transformation. Dann ist sie leer und keiner mehr drin und vielleicht gibt es noch ein schönes Feuerwerk. Wenn Eine als Letzte gehen muss, dann tu ich das gern, dann warte ich, bis wirklich alle angekommen sind. … - … - Aber vielleicht ist das auch einfach meine Selbstbeschränkung, ein Gedanken-Spielchen meines Egos, um mich zurückzuhalten. Ich muss mich nicht sorgen. Es werden alle ankommen, früher oder 202 später, das weiß ich. Darauf kann ich vertrauen und ich darf jeden seinem eigenen Prozess anvertrauen. Noch was: Ich dachte wieder, dass ich schwanger sei. Jetzt habe ich meine Tage bekommen. Vielleicht komme ich auch einfach in die Wechseljahre, dass meine Periode unregelmäßiger wird. Kann ja auch sein. Im Zuge dieser vermuteten Schwangerschaft wurde mir einiges bewusst: z.B. dass ich irgendwo in meinem Hirn den Anspruch formulierte, dass dieses Kind dann doch bitte „gesund“ sein soll. … Als ich um Weihnachten herum annahm, ich sei schwanger, hatte ich eines Abends vor dem Schlafengehen aber die ganz deutliche Herzensbotschaft: „Das Kind dürfte auch das Down-Syndrom haben, und egal wie, einfach so sein, wie es ist.“ … – Bei diesen widersprüchlichen Gedanken, die mir da durch den Kopf gehen, wird mir klar, dass ich mich von jeglicher Form des Urteils und der Bewertung, warum wer was wie macht, verabschieden kann. Eltern, die ihre (vermutlich) „behinderten“ Kinder abtreiben, sind wahrscheinlich keine Monster. Und ich kann es niemandem ankreiden, in dieser manipulierten, kranken und lebensfeindlichen Gesellschaft gut angepasst zu sein. Jeder hat seine Träume und sehnt sich danach, geliebt zu werden. And I will keep you safe and strong and sheltered from the storm. No matter where it’s barren a dream is being born. Jim Steinmann Wir müssen uns alle nur selbst retten, unsere eigenen inneren Kinder, sonst niemanden. Das ist alles. Dann ist die Welt gerettet. Wenn wir uns selbst lieben und halten können. 203 Das mit Gott Lass Dir immer genug Zeit in Deinem Leben, um etwas zu tun, das Dich glücklich macht, zufrieden, sogar freudig. Das hat einen größeren Einfluss auf das ökonomische Wohlergehen als irgendein anderer Faktor. Paul Hawken Das, was ich „mit Gott“ habe, ist ein dicker Brocken und ich weiß nicht, wie ich mich ihm nähern soll. Das Kapitel könnte auch die Überschrift tragen „Abrechnung am Church Hill II“ oder „Das mit den Männern“ - es hängt alles zusammen. Absolut alles. Ich glaube, dass nicht nur unsere inneren Kinder gerettet werden müssen, sondern auch unsere inneren Männer und Frauen. Die sind auch ziemlich verkorkst. „Gott“ … - welch ein Dilemma!! So, wie ich „Gott“ kennengelernt habe, wie ich „ihn“ vorgestellt bekam … - … - das war keine Erlösung. Im Gegenteil, das belastet mich noch heute: Der allgegenwärtige Gott, der alles sieht, aber nicht liebend, gnädig und mitfühlend, sondern mit erhobenem Zeigefinger: Pass bloß auf, sei immer schön artig! … Und dieses Männerbild! Dieser nur männliche Gott mit seiner Ernsthaftigkeit, seiner Strenge und Allmacht, dem Liebe und Sanftmut total abgehen! Gut, vielleicht haben die Großen um mich herum mir das als Kind schlecht rübergebracht. Letztendlich ist es egal, woher es kommt und warum es so ist, denn jetzt ist es so und ich muss damit umgehen. Geschichten wie – wie heißen die beiden? Der sein Kind opfern soll? Abraham und Isaak? Das verstehe ich bis heute nicht. Wie man das liebevoll deuten könnte. … Weiter: Das Leben als Last, bestenfalls findet man Erfüllung in der alltäglichen Arbeit. Aber was ist mit Leichtigkeit und Verspieltheit, wo bleiben Ausgelassenheit und Freude? Sei bloß nicht zu ausgelassen, das kann ganz schnell ins Unheil führen! Immer schön fleißig sein, ordentlich und gehorsam! Faul? Das geht gar nicht! Sünde! Sexualität? Owei … nur, wenn man verheiratet ist und abends im dunklen Schlafzimmer. Bloß nix ausprobieren! Männer haben da natürlich mehr Freiräume … ho ho ho, hinter vorgehaltener Hand natürlich – ist ja nicht schlimm, ist ganz natürlich, der Mann braucht das, Männer sind so. Aber die Frauen – lauter Huren, wenn sie nicht züchtig sind. Zucht und Ordnung – das passt gut auf den Gott meiner Kindheit. Furchtbar. Dieses Männerbild (wie gesagt)! Die fehlende Weiblichkeit! Das ist so schrecklich! Und die vorhandene Weiblichkeit, der „Weiblichkeit“ irgendwie selbst abgeht, die unter der Herrschaft der Männer verformt ist und innerhalb dieses Systems funktioniert, fällt ihrem eigenen Kind in den Rücken, verrät es und bietet es den Männern an. – So habe ich es erlebt. Ich 204 möchte dabei nicht ins Detail gehen, weil ich dann wieder eine „schlechte“ Geschichte von meiner Mutter erzählen müsste. Es geht hier nicht darum, dass ich deswegen noch mit ihr hadere, das tu ich nicht. Letztendlich rupfe ich das Hühnchen mit mir selbst. Mama bin ich. Es geht um das ganze System, um das innerliche System, das lediglich im Außen seine Spiegelung findet. Ich will die Lösung in mir selbst finden. Mir fehlt doch da selbst etwas und ich gestehe mir was nicht zu, ist ja egal, woher es kommt. In mir selbst herrscht oft noch das männliche Regime. Was ist mit meiner Weiblichkeit? Was ist mit meiner Männlichkeit? Was ist mit meiner Wertung, sprich: Welchen Dingen, Eigenschaften messe ich Wert bei? Was, finde ich, soll zuerst gemacht werden, und was kommt bei mir zum Schluss dran? – Von wegen, wenn ich Dirk vorwerfe, ich käme bei ihm immer als Letztes dran oder im Vorbeigehen. Vielleicht komme ich mit meinen Belangen bei mir selbst ja auch zuletzt dran. Erst alles andere und alle anderen, dann ich. Wenn dann noch Zeit ist. – Ich verrate auch mich selbst. Jetzt kann man wieder sagen: Wir sind so erzogen worden. Ja, wir sind so erzogen worden. Aber: Es ist, wie es ist, und jetzt gilt es eine Lösung zu finden. Meinetwegen zu er-finden, wenn es sein muss. Ich glaube aber, dass sie schon in mir ist. Sie ist da. Ich weiß es. – In letzter Zeit, wenn ich ein Problem habe, kommt mir dieser Gedanke meistens: ich denke: Das Problem, überhaupt dadurch, dass es ist, trägt seine Lösung schon bei sich. Weil ja alles zwei Seiten hat. Dadurch, dass es in der Dualität existiert, enthält es auch seine Lösung. Genau die passende Lösung für jegliches Problem, ist im Problem selbst enthalten. Und wenn ich dann denke: „Danke, dass das Problem seine Lösung schon enthält und dass ich die jetzt entdecken darf“, dann kommt sie meistens auch hurtig hervor und es ist ganz einfach und leicht. Ich strenge mich dann nicht mehr an und will es nicht partout und jetzt aber sofort selbst lösen. Ich lasse die Lösung einfach kommen - und sie kommt. „Das mit den Männern“ … - wie fange ich’s an? - Eva Herman … - da ist eine Frau, öffentlich, im Fernsehen, populär, die spricht von weiblichen Werten, plädiert dafür, diese wieder anzuerkennen und wertzuschätzen – und verliert dafür ihre öffentliche Stellung! Die Frauen … - kriegen Kinder, gehen arbeiten, machen Spagat, zerreißen sich – und kommen (nicht nur) (bei sich) selbst immer zum Schluss (dran). Wenn überhaupt. Wahrscheinlich oft auch gar nicht. Und das über Wochen, Monate und Jahre. – Das ist alles „ganz normal“, da kräht kein Hahn danach. - Wir sind total verhärtet. Dabei ist das doch zum Himmel schreiend und zum Haare ausraufen!! Wann hören wir endlich auf? Wann hören wir auf damit? Uns selbst so zu übergehen. 205 Verhungerte Kinder … - „Mutter lässt ihr Kind sterben …“ Das sind ja auch immer die Mütter. Welche Verantwortung tragen die Väter? Ihren Kindern gegenüber? Ihren Frauen? Geld verdienen, aber nie da sein? Wir sind total verhärtet. Diese ganze verzerrte, ungesunde, Menschen-, Tier- und lebensfeindliche Lebensweise erscheint uns ganz normal. Dabei ist das zum Weinen und zum Herz erbarmen! In meinem Bekanntenkreis gibt es eine Frau, deren Kollegin wurde in die Psychiatrie eingeliefert und ihr jüngstes Kind, ein drei Jahre altes Mädchen, durch das Jugendamt abgeholt und in eine Klinik gebracht. Das Mädchen wog noch sechs Kilo. Die Mutter hat ihr von Anfang an, seit ihrer Geburt, Abführtropfen gegeben, so dass sie ständig Durchfall hatte und in ärztlicher Behandlung war. Früher versuchte die Mutter selbst, durch angeblich lebensbedrohliche Krankheiten … - Aufmerksamkeit zu bekommen, Auszeiten, Zuwendung und Fürsorge. … - Warum lässt eine Mutter ihr Kind verhungern? Das hat nichts mit „asozial“ zu tun, außer dass das ganze System, in dem so etwas geschehen kann, “asozial“ ist, das sind Hilferufe! Unbewusste, denn wenn es klarer im Bewusstsein wäre, könnte es wahrscheinlich auch adäquater artikuliert und ganz anders damit umgegangen werden. Als diese Frau die Krankheiten noch bei sich selbst hervorrief, reagierte niemand. Da nahm sie den Nächst-Schwächeren, ihr Kind. Nach außen hin schien in dieser Familie alles bestens zu sein: verheiratet, drei Kinder, eigenes Haus, beide gehen arbeiten, sprich: sind nicht arbeitslos und haben einen Job, der Mann sogar einen sehr guten, verdient richtig dickes Geld, ist den ganzen Tag weg, die Frau arbeitet „halbe Tage“. – „Halbe Tage arbeiten gehen“ – geht doch. Ist doch okay. Drei Kinder haben und einen Mann, der „nie“ da ist. Das brauche ich gar nicht in Anführungszeichen zu setzen. Ich kenne genug Familien, in denen das wirklich so ist. Und ich will auch nicht sagen, dass die Männer „blöd“ sind, an denen hängt auch genug. Die kommen genauso zu kurz. Das System ist von Grund auf krank. Wir lassen uns manipulieren und versklaven. – Wenn wir nur einmal inne halten und auf unsere Bedürfnisse hören würden, auf unser Herz. Einmal hinsetzen und auf das eigene Herz hören. Was sagt das? Vielleicht muss das alles so passieren, Kinder, die verhungern, Jugendliche, die Amok laufen, weil wir so verhärtet sind und das alles „normal“ finden, unser lebensfeindliches Leben. Ich plädiere nicht dafür, dass Frauen grundsätzlich zu Hause bleiben sollten, bewahre! Wer gerne arbeiten geht, soll das tun. Wer etwas macht, was ihm Spaß macht und ihn/sie erfüllt – prima! Ich plädiere dafür, dass niemand mehr etwas macht, weil er/sie meint, er/sie müsste es machen oder weil er/sie mittels Aktivismus vor den Schreien des eigenen Herzens davonläuft. Oder vor dessen Wimmern. Oder einfach nur vor den eigenen Themen. Lasst uns aufhören, zu funktionieren! Lasst uns leben! 206 Ich will auch im Grunde nicht „die Gesellschaft“ ankreiden, denn „die Gesellschaft“ entspricht unserem eigenen Bewusstsein, und ich meine das alles auch in erster Linie innerlich: meine männlichen Attribute – Verstandesdenken, leistungsorientiert sein, der Macher … meine weiblichen Attribute - Gefühle, Hingabe, Herzensweisheit … meine kindlichen Attribute – spielen, Spontanität, nörgelig-sein, ganz authentisch sein …. … - Ich glaube andererseits aber auch, dass wir von „irgendeiner bösen Macht“ versklavt, manipuliert und verarscht werden. Aber irgendwie ist das ist niemand „Wirkliches“ zum Greifen. Und die wenigen Menschen, bei denen das Geld und die Macht sitzen, glauben vielleicht am Ende sogar noch an das, was sie tun. Vielleicht denken sie, sie müssten uns steuern, weil wir zu dumm seien. Die meinen es vielleicht sogar irgendwie gut, kann ja sein. – Aber das sind Mutmaßungen und entzieht sich zudem meinem Einflussbereich. – Und auch wieder nicht! – An mir muss ich arbeiten! Alle Lösungen liegen in mir. Wenn ich es in mir erlöst habe, dann ist es erlöst. Mir muss ich die Liebe, die Aufmerksamkeit, die Zuwendung und die Fürsorge geben, die ich ersehne, und auch: sie vom Außen annehmen, wenn sie zu mir kommt. Ich muss im Frieden sein. Mit mir. Dann ist alles gut. Ich muss mir selbst alles erlauben und alles in mir zulassen – nein, nicht zu lassen, sondern lassen, öffnen, da sein lassen. Ich muss mir selbst die Zeit nehmen, geben, die ich brauche, meine Freiräume. Jemand anderes gibt sie mir nicht. Da erübrigt sich auch Gott. Ich muss die Göttin in mir entdecken. Die Weiblichkeit. Die fehlt noch. Mann, Kind und Frau! – Na ja, das Kind fehlt auch noch. Es ist alles so männlich dominiert. Dabei meine ich nicht unbedingt, dass die Männer die Frauen und Kinder dominieren, die Männer selbst sind auch von den vorherrschenden männlichen Werten versklavt. Die haben ja auch weibliche und kindliche Anteile in sich, die zu kurz kommen. Warum also ist dieser Gott meiner Kindheit so ungenügend? Und warum lässt Gott das ganze Elend in der Welt zu? Ganz klar: Ihm fehlt die Frau! Der packt das nicht alleine. Höchste Zeit für Weiblichkeit! Mann und Frau, dann kann auch das Kind hervorkommen und spielen. 207 Die Geburt der Göttin Ich werde die Frau, die ich sein will, grau an den Schläfen, weicher Körper, heiter, zerfetzt durch ein Leben, mit einem Lachen, das Bitterkeit kennt, aber besser wurde danach, die weiß, sie ist eine Überlebende – die durchhalten kann, egal was kommt. Ich werde ein tiefer, verwitterter Korb. Ich werde die Frau meiner Träume, die mütterlich Liebende mit Armen, stark und zärtlich, die fast erwachsene Tochter, die überraschend errötet. Ich werde zu Vollmonden und Sonnenaufgängen. Ich finde sie reizvoll, die Frau, die ich sein will, die weiß, sie ist umfassend, die weiß, sie genügt, weiß, wohin sie geht, und reist mit Leidenschaft. Die nie vergisst, dass sie kostbar ist, und dennoch weiß, sie ist nicht klein und schwach – die weiß, sie ist FÜLLE, hat FÜLLE zu geben. Jayne Relaford Brown Sie muss nicht geboren werden, sie ist schon immer da. Aber wo bist Du? Schläfst Du? Hundert(tausend) Jahre Dornröschenschlaf? Die hundert Jahre sind um! Die Dornenhecke öffnet sich. Wir können hindurch. Und wer erwacht da? Das ist nicht nur Dornröschen, das junge Mädchen, mit ihrer Leichtigkeit, ihrem Zutrauen und ihrer Lebensfreude, es ist auch die reife Frau, die Mütterliche, die liebend für sich selbst und andere sorgt, voller Zärtlichkeit, die auch ihre befreite Sexualität lebt, genießt und teilt, und es ist die weise Alte, die die ganze Tiefe weiblichen Wissens in sich trägt, der ganze Zyklus. Du hast uns so gefehlt! Ah! Wie gut, dass Du da bist! 208 Oma und die Liebe Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen. 1. Korinther 13. 13 Meine Oma ist im Krankenhaus. Sie hat sich den Oberschenkelhals gebrochen. Sie ist hingefallen und ihre Pflegerin über sie drüber, als sie sie im Fallen nicht mehr halten konnte. Michel und ich haben sie heute besucht. Sie liegt wie eine Spitzmaus in ihrem Bett, schläft meistens, und wenn sie wach ist, kann ich an ihrem Blick nicht erkennen, was sie „begreift“ und was nicht, ob sie mich erkennt oder nicht. Ist vielleicht auch nicht so wichtig. Über Michel hat sie sich jedenfalls gefreut. Sie hatte die ganze Zeit den Blick auf ihm und strahlte. Wir hatten Mama mitgenommen, die jeden Tag zu ihr hin fährt und heute kein eigenes Auto hatte, weil Papa es brauchte. Später kamen auch noch Omas Schwiegertochter und die neue Pflegerin, die seit zwei Tagen da ist. Dass eine neue Pflegerin da ist, hat nichts mit Omas Sturz zu tun. Die Frauen müssen nach einigen Monaten, die sie hier waren, immer wieder für eine Weile zurück in ihr Heimatland, wegen Aufenthaltsregelungen, und die Zeit von Omas erster Pflegerin war um. Ich habe diese Frau bewundert, wie sie das mit Oma gemacht hat. Die letzten Wochen und Monate liegt Oma zuhause ja die meiste Zeit auf dem Sofa und schläft. Davor aber war sie total unruhig, blieb nirgends sitzen, war unstet, getrieben und durcheinander. Sie wusste ja überhaupt nicht, wo sie hin wollte, aber eben immer woanders hin, als wo sie gerade war: „Ich muss hier mal weg!“ Und ihre Pflegerin hatte absolut die Ruhe weg und hat das meisterlich geschafft mit Oma. Egal wie Oma drauf war. Die neue Pflegerin scheint auch eine Seele von Mensch zu sein. Oma kriegt jetzt ganz viel Liebe. Alle sind einfach nur lieb zu ihr, zärtlich und fürsorglich. Oma bringt mit ihrem So-sein, wie sie jetzt ist, an den Menschen um sie herum Seiten ans Licht, die ich noch nie gesehen habe! Ich war ganz erstaunt, wie meine Tante Omas Hand streichelte und ihr Gesicht, wie sie mit ihr sprach, ruhig und liebevoll, und wie ihre Augen dabei strahlten! Das ist echt ein Ding! Na, und mir zeigt Oma, dass Läuterung nicht immer Gott-weiß-wie heftig geschehen muss, sondern dass Wandlung und Hervortreten von Neuem, (vielleicht) noch nie Da-gewesenem, auch ganz sanft erfolgen kann, natürliche Art und Weise. 209 ruhig, in Schönheit und Anmut und auf ganz Außerdem kommt die ganze (weitläufige) Familie an Omas Bett zusammen. Das ist irgendwie schön. – Oma macht uns ein Geschenk, mit dem, dass sie jetzt so hilflos ist. Ein kostbares. Danke, Oma! „Michel ist ein kleiner Promi!“ Wäre es uns möglich, weiter zu sehen, als unser Wissen reicht, und noch ein wenig über die Vorwerke unseres Ahnens hinaus, vielleicht würden wir dann unsere Traurigkeiten mit größerem Vertrauen ertragen als unsere Freuden. Denn sie sind die Augenblicke, da etwas Neues in uns eingetreten ist, etwas Unbekanntes; unsere Gefühle verstummen in scheuer Befangenheit, alles in uns tritt zurück, es entsteht eine Stille, und das Neue, das niemand kennt, steht mitten darin und schweigt. Rainer Maria Rilke 21. März. Heute ist weltweit der Tag des Down-Syndroms. Letztes Jahr wusste ich das noch nicht, aber das ist jedes Jahr am 21. 3. Dieser Tag wurde bewusst ausgewählt, weil die Menschen mit dem Down-Syndrom das 21. Chromosom 3 x haben. Es heißt ja auch Trisomie 21. (Was mir die liebste Bezeichnung ist.) Und Michel ist anlässlich dieses weltweiten Tages des Down-Syndroms in unserer lokalen Zeitung! Ein Foto von ihm und mir vor unserer Pin-Wand in der Küche mit der Bildunterschrift: „Schon bei Babys mit Down-Syndrom ist die Pinnwand der Familien oft voll mit Terminen. Ob Arzt, Krankengymnastik, Ergotherapie, Frühförderung – die Kinder brauchen Entwicklungsförderung auf etlichen Gebieten.“ (24) Frau Dornbusch von der Lebenshilfe, die mit Michel jeden Montag bei uns zuhause die Frühförderung macht, und auch für die Zeitung schreibt, rief gestern Abend an und fragte, ob sie das Foto von neulich noch einmal verwenden darf. Dirk war am Telefon und sagte ihr, dass sie das natürlich tun darf. Sie hat den Bericht, der heute in der Zeitung ist, über Familien mit Kindern mit Trisomie 21 in der Region und deren Verbindungen zum „Draußen“ geschrieben. Der Ausspruch „Michel ist ein kleiner Promi!“ stammt von Frau Dornbusch. Sie kam damals, als ihr Artikel über uns 210 in der Frankfurter Rundschau abgedruckt war, mit diesen Worten montagmorgens zur Tür herein. - Und heute ist Michel nochmal ein kleiner Regional-Promi! Als ich das las, dass der Tag des Down-Syndroms jedes Jahr am 21. März ist, war ich ganz berührt. Frühlingsanfang, Tag- und Nachtgleiche. Heute ist ein wunderschöner Tag! Sonnenschein, Leichtigkeit, neues Leben! … - Der „kleine Promi“ hat mich heute Vormittag, als ich noch gar nichts wusste vom Tag des Down-Syndroms und dass wir in der Zeitung sind, dazu gebracht, meine Routine zu durchbrechen. Ich war im Bad beim Zähneputzen, wollte Staubsaugen und dann mein Bücherzimmer abstauben. Dachte ich. Michel spielte in der Küche. Dann war es verdächtig still: weil Michel im Wohnzimmer den Schrank ausräumte. Als ich um die Ecke lugte, sah ich, wie er den Übungsbogen für die Wirbelsäule zerknitterte, den ich vom Orthopäden bekommen habe. – Der hat mir nämlich keine Massagen verschrieben, sondern diesen Bogen mitgegeben, und ich soll die Übungen darauf sechs Wochen lang alle zwei Tage durchführen. Dann müssten meine Nackenbeschwerden weg sein, sagt er. Diese Übungen und Wärme. Ich mache das auch, seitdem ich bei ihm war, und es tut mir gut. Aber mein Nacken schmerzt trotzdem noch oft. – Nun denn. - Erst habe ich mit Michel geschimpft. Da hat er aber nur noch mehr Scheiß gemacht, Knöpfe an der Stereoanlage gedrückt und noch mehr Schranktüren geöffnet. … - Grrr!!!!! … - Also nahm ich eine CD, legte Musik auf und dachte: „Pfeif‘ auf’s Staubwischen, kann ich auch heute Nachmittag noch machen.“ Ich machte ein paar Aufwärmübungen und übte meinen Übungsbogen durch. Michel gab ich einen Schneebesen und eine Plastikschüssel – und wir hatten unseren Spaß! … - „Das vermeintlich Negative wird den Wandel bringen.“ … Ich glaube, es ist ein ganz besonderer Frühlingsanfang. Es wird nicht nur, wieder einmal, Frühling. (Was an sich ja schon voller Zauber ist.) Es ist der Frühling einer neuen Zeit. Schon dass alle so selbstverständlich und natürlich Michel begegnen! … Wäre das vor 10 oder 20 Jahren auch so gewesen? … - Irgendetwas ist anders. Und es wird nie wieder so sein, wie es war. Ich bin voller Lebensfreude, Zutrauen und Gelassenheit. Das Leben ist herrlich und die Welt ist wunderschön. 211 Wer hat Angst vor’m schwarzen Mann … Da alles nur eine Erscheinung ist, vollkommen im Sein was es ist, nichts mit Gut und Böse zu tun hat, mit Anerkennung oder Ablehnung, tut man gut daran, laut aufzulachen! Longchenpa, tib. Mönch Es ist wieder passiert. Dirk ist alkoholisiert und so sadistisch drauf wie neulich. Jetzt, hier, heute. Ich bin seit Stunden am Heulen. Jetzt hat er sich Kissen und Decke genommen und ist im Keller verschwunden. Gott sei Dank! Wenigstens das. Vorher saß er auf dem Sofa und roch mit roten Augen vor sich hin. Erfüllte das ganze Zimmer mit Alkoholdunst. Das Schlimmste aber ist, dass er absolut unerreichbar ist und nur Scheiße erzählt. „Seine Meinung“. Und das wiederholt er auch dauernd, dass ich „seine Meinung“ nicht vertragen könnte. Und im Grunde hat er damit sogar recht. Das kann ich auch nicht vertragen. Das ist so schrecklich heute … - dass es mir aber auch ganz deutlich zeigt: Nein! Nicht mehr. Das ist wirklich alles andere nicht wert. Das hätte nicht noch einmal passieren dürfen. Aber da es passiert ist, zeigt es mir, dass ich eine Wiederholung vermeiden will. Das muss ich mir nicht antun. Dirk schlägt nicht mit Fäusten wie sein Vater, er tut es mit Worten und indem, dass er zu macht, sich „blöd“ stellt, ignorant ist und keinen Zentimeter von seinen Behauptungen abweicht. Ich kann das immer gar nicht fassen. Aber wenn ich mich dem weiterhin potentiell aussetze, ist es doch das Gleiche, als würde ich körperliche Schläge in Kauf nehmen. Oder? Er ist nicht bei Sinnen. Ich habe das Gefühl, er kennt sich manchmal selbst nicht. Es geht ihm einfach nur um „sich behaupten“ und dabei achtet er darauf, dass er die Kontraseite zu dem einnimmt, wovon er meint, der andere würde das vertreten. Ich muss ihm auch „das mit dem Alkohol“ nicht vorwerfen. „Selbst schuld“, sagt Dirk immer. Und hier hat er damit recht: Ich bin „selbst schuld“. Ich habe die offene Bierflasche gesehen, damals, als wir nach dem Mittagessen bei Oma zu ihm rübergingen. Sie stand in einer Ecke seiner Werkstatt. Mittags um eins. Noch ein schwarzer Mann. In der Reihe meiner dunklen Männer. Der Dritte. Ich kann das gar nicht beschreiben, was hier heute abgeht. Wir sind auf völlig verschiedenen Ebenen. Reden geht gar nicht. Über nichts. Jedes Wort mündet in was, das weh tut. Er sagt nur Dinge, von denen ich das Gefühl habe, er sagt das jetzt nur, um mir weh zu tun, um mich anzugreifen, zu provozieren und zu verletzen. Und 212 er behauptet Sachen, wie ich sei, was ich meinen würde, was alles überhaupt nicht stimmt. Sage ich was, antworte ich, fällt er mir sofort ins Wort, hört also null zu, hin. Und es ist auch egal, was ich sage, er dreht alles in „seine Meinung“ ein und erstickt es darin. Ich weiß, dass er ein gutes Herz hat, und ich habe wieder das Empfinden, dass er irgendwie „besessen“ ist. Und hoffe irgendwo auch immer noch auf ein gemeinsames Leben. Aber vielleicht ist das auch nur meine Bequemlichkeit. Ist doch ganz bequem mit Mann, wenn’s halbwegs läuft. … - Nein! Das heute ist alles andere nicht wert! Und das mit der Bequemlichkeit ein fauler Kompromiss. … - Oder? Könnte das gehen? WG statt Partnerschaft? … - Mit Dirk? Papa, Mama, Kind als WG? … - Ja, warum eigentlich nicht. Aber die Liebesbeziehung ist im A…. Im Arsch! Jetzt ist sie es. Ich hatte schon die ganze Zeit das Empfinden, dass wir uns nicht besonders nahe sind. Es hat halt jeder so sein Ding gemacht. Schade. … - … Ich denke natürlich schon daran, wozu das alles gut sein könnte. Vielleicht gehe ich mit Michel in eine Lebensgemeinschaft. Nach Bingenheim ins Schloss zu den Anthroposophen. Was ich ansonsten nicht gemacht hätte. Und dort werden wir sehr glücklich leben und es wird eine Bereicherung für unser Leben sein. … - Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Scheiße! Vorhin hätte ich Dirk am liebsten ins Gesicht geschlagen. Ich bekam eine Mordswut, als er eine Provokation rausranzte. Ich sagte ihm das und er meinte, ich könnte es ja mal probieren. Dann hätte er mir wahrscheinlich einen Kinnhaken verpassen wollen. Und das ist mein Muster: Ich darf und kann meine Wut nicht rauslassen. Weil sonst nämlich ich vom (männlichen Gegenüber – dem „Schwarzen Mann“, einem meiner schwarzen Männer) zu Boden geschlagen werde. Wenn ich sie überhaupt schon mal spüre, die Wut. Meistens merke ich ja nur die Enttäuschung. … - Damit fing das, was jetzt ist, vielleicht auch an – ich kann das nicht mehr klar zurückverfolgen. Das, worum es eigentlich ging, geht in diesen Stürmen mittlerweile immer unter. Ich hätte Michel Samstagabend gerne gebadet. Wir machen das immer zusammen, zu dritt. Dirk war aber bis ultimo draußen im Garten, arbeiten. Die ganze Woche über war er von früh bis spät im Keller. Und ich meine, dass es in so einer kleinen Familie doch möglich sein sollte, das Kind Samstagabends zu baden. 213 Wenn schon sonst nichts. … - … Es ist ja nicht „sonst nichts“. Es war eigentlich ganz okay die letzen zwei-drei Wochen. … - Wann kippt es? Wann ist dann über zu lange Zeit zu wenig Nähe dagewesen, dass es kippt? Oder was ist das? Woran liegt es? … - Das Fernsehprogramm geht heute Abend auch nicht. Ganz grünes Bild. … - Laut Wetterbericht soll es Tornados geben und heftige Schneeschauer. - Bei uns sind sie schon da. Zwischenmenschlich. Ich bringe Michel ins Bett. Der Geduldige. Er spielt in der Küche. – Was der wohl von uns denkt? Wie er das empfindet? Wie wird das noch werden mit ihm und uns? …-… Außerdem … irgendwie … meine ich, dass es im Grunde gar nichts zur Sache tut, ob ich mit Dirk weiterlebe oder nicht. Es geht so oder so. Zum Lachen, wie der tibetische Mönch empfiehlt, ist mir nicht. Aber dass ich beschützt bin und nicht allein, das glaube ich. Draußen prasselt immer wieder in Böen der Regen ans Fenster. Michel ist ruhig. Er schläft wohl schon. Er war müde. Und ich esse jetzt Tiefkühlpizza. Mit Mozzarella. …-… … Niemand!! Und wenn die Welt voll Teufel wär‘ und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht zu sehr, es wird uns doch gelingen! Martin Luther Drei Tage später. – Wir brauchen immer ein paar Tage, bis wir so einen Sturm verwunden haben. 214 Was ist die Essenz? Die Schläge, die auf mich eingeprasselt sind, haben mein Ego weichgeklopft. … - Dirk sagte im Laufe unserer (stundenlangen) Auf-Klärungs-Arbeit am Vormittag, es stelle ein Problem dar, wie man/er mir etwas sagen könne, weil ich immer meine, der Andere wolle mir etwas Böses. Das habe ich nun zum ersten Mal wirklich gehört. Er hat sowas wohl schon des Öfteren gesagt, aber ich steckte das stets sofort in meine Schublade mit der Aufschrift „Unverständnis, Ignoranz und absichtliche Provokation“. … - Ich meine, Dirk ist oft barsch und nicht gerade der Meister in Sachen liebevolle und einfühlsame Kommunikation. … - Aber er meint das scheinbar nicht böse. Er kann nicht anders. … - Während der Sturm in unseren Hallen wütete, dachte ich einmal: „Ich fühle mich wie die Erde: missbraucht, von (einem) skrupellosen, gefühllosen, unverständigen Wesen. Und ich muss das alles über mich ergehen lassen und kann zu diesem Wesen nicht in Kontakt treten, weil es mich überhaupt nicht versteht. Es hat keine Wahrnehmung für mich. Es fegt in seiner Rohheit über mich hinweg und verletzt und schändet dabei nicht nur mich, sondern auch sich selbst.“ … - Oder die Naturreiche, die Elfen und Feen und alle, denen wurde genauso Gewalt angetan, und sie konnten sich nur schützen, indem sie sich zurückgezogen haben. … - … - Und ich glaube, an dieser Empfindung ist etwas dran. Nicht nur, dass ich der Empfindung als solcher glaube und traue, sondern auch die Erkenntnis oder die Ahnung, dass die „rohen Wesen“ nicht unbedingt in böser Absicht handelten, sondern eher aus einer Art Unvermögen. Irgendwann im Laufe dieses Vormittags spürte ich auf einmal auch wieder die Liebe zu Dirk. … - Als wir beide soweit alles geklärt hatten, fragte ich ihn noch, was er von mir denken würde, wenn ich jetzt einfach „wieder weitermachen“ würde, angesichts der potentiellen Möglichkeit, dass „sowas“ noch mal passiert. Ich sei doch dann genauso … ja – wie? … „blöd“, unfähig, schwach, bequem, abhängig? … wie seine Mutter, die es nicht geschafft hat, ihren gewalttätigen Mann zu verlassen, die sich immer wieder hat schlagen lassen. Dirk sagte, das sei ein Prozess, dass wir uns immer wieder mit den anfallenden Situationen auseinandersetzten, und er fände es gerade gut, wenn ich zu ihm halten würde und mit ihm diesen Weg ginge, der vielleicht dahin führt, dass es immer besser wird und „irgendwann gut ist“. Puh! …-…-…- 215 Das glaube ich auch. Und außerdem glaube ich, dass ich für alles die Verantwortung übernehmen muss, was in meinem Dunstkreis passiert. Alles, was in mein Gesichtsfeld tritt, ist von mir geschaffen, letztendlich. Alles. Für alles habe ich die Verantwortung. Und wenn ich mit manchem nichts mehr zu tun haben will, dann muss ich es ent-schaffen. Durch Nicht-beachten und Mich-nicht-darauf-einlassen. Nicht mehr damit oder dagegen kämpfen, denn dann hat es meine Aufmerksamkeit, meine Energie und gewinnt Kraft. So war es während des Sturms. Ich habe meinen Platz im Zentrum des Sturmes verlassen und habe gegen ihn angekämpft. Ich bin hinaus getreten und es hat mich umgehauen. – „Selbst schuld!“ … - Es gibt keine Schuld, nur Erfahrungen. Und: Schlussendlich bin ich nun dankbar für diese Erfahrung, weil sie mein enges, forderndes, nicht-an-sich-glaubendes Ego soweit weichgeklopft hat, dass es sich mehr und mehr auflösen kann, sprich: im Großen aufgehen, im Glauben an mich selbst, an die Göttlichkeit, die Heiligkeit, im Vertrauen und in der Freude. Alles vollzieht sich in Kreisläufen. Und vielleicht macht es ab und zu einen Sprung. Schwupps! – Und auf einmal haben wir es geschafft und sind auf einer neuen Ebene. Wochenende. Dirk ist wieder am Räumen. In unserem Hof türmen sich die Schutthaufen. … - Meine Güte! So viel entrümpelt! In unserer Küche sieht es z.Zt. aus wie irgendwo in Polen nach dem zweiten Weltkrieg. Oder irgendwo in Deutschland. Aufgerissen und zusammengestückelt. Halb ausgeräumt und noch nicht mit dem Renovieren angefangen. Einen Teil der alten Küchenschränke haben wir schon in den Keller geräumt. Dirk hat seine EisenbahnSachen hineingestellt. Er leistet erst mal Vorarbeit, bevor die Küche dran ist. Und wir warten auch auf besseres Wetter, damit ich mit Michel mehr raus kann und es nicht ganz so haarig hier wird, ohne Küche. Habe ich’s schon geschrieben? Ich habe eine Mutter-Kind-Kur beantragt. Kann sein, dass Michel und ich Ende April drei Wochen wegfahren. Dann kann Dirk die Küche aufreißen. Das wäre natürlich ganz gut. Prima wäre das! … – Bei dieser Ausdrucksweise der letzten beiden Sätze, fällt mir eine Begebenheit ein, betreffs: Kommunikation in Deutschland: Gestern war ich im Fitness-Studio und nach dem Training in der Sauna. Ein junger Mann kam herein und setzte sich auf die untere Bank am Ofen. Gleich darauf betrat auch noch ein älterer Mann die Sauna. Währendem er sich einen Platz suchte, sagte der junge Mann, dass gleich noch mehr Leute kämen und sie einen Aufguss machen wollten. „Dann bleibe 216 ich lieber weiter unten“, sagte der ältere Mann. „Soll ich ein bisschen rücken?“ fragte der Jüngere. Achtung! Und jetzt kommt’s! Der Ältere antwortete: „Das wäre vielleicht nicht ganz falsch.“ – Ist doch krass! – Jedenfalls saßen die beiden dann einträchtig nebeneinander auf dem Bänkchen. …-… Jetzt überlege ich, ob ich der „Kommunikation in Deutschland“ ein eigenes Kapitel widmen soll. Eigentlich wollte ich, bevor mir die Begebenheit aus der Sauna einfiel, schreiben, dass ich wieder an dem Punkt angelangt bin, an dem alles gesagt ist, was ich sagen wollte. Ich muss nichts mehr aufschreiben, Gedanken, die ich noch im Kopf habe, ich habe alles geschrieben, was ich schreiben wollte. Ich bin bei. Auch mit der Hausarbeit: keine Wäsche im Wäschekorb, alles gebügelt, das Haus ist sauber, noch nicht mal nennenswertes schmutziges Geschirr zum Spülen. Wir haben sogar Kleider und Stofftiere für die Altkleidersammlung aussortiert. Die Säcke werden morgen abgeholt. … - Soll ich mich jetzt mit dem maroden Kommunikationsstil auseinandersetzen, der hierzulande grassiert? Weil: Mittwochmorgen in der Krabbelgruppe: auffällig: (jetzt überspitzt, aber nur ein bisschen) Jeder meint, sich immer für alles entschuldigen zu müssen, und bringt rüber: „Wir kommen gut allein zurecht.“ Praktisches Beispiel: Mutter gibt Kind Apfelschnitze. Kind nicht ihr eigenes. Mutter des Kindes sagt: „Danke. Würden ja sonst auch verhungern.“ – Ist doch schrecklich! Oder? – Noch auffällig: Welchen Müll sich (schon die allerkleinsten) Kinder anhören müssen! Praktisches Beispiel: kleiner Junge: spielt die ganze Zeit schön, quengelt dann kurz, weil: kann ja noch nicht reden, will vielleicht ein bestimmtes Spielzeug, wer weiß. Mutter: „Sei doch nicht so nervig. Sei doch nicht wie ein Mädchen!“ – Kann ich nicht fassen! – Auch noch auffällig: nett erzählte Geschichten aus dem alltäglichen Leben, Begebenheiten mit (Ehe-)Männern, Eltern und anderen Mitmenschen oder über zu bewältigende Aufgaben, bisschen Ha ha ha, und ich kann mich die ganze Zeit nicht des Gefühls erwehren, dass den Erzählerinnen eher zum Heulen ist oder zum Bombe-werfen. … - … … - Kein extra Kapitel, weil sonst Nähren durch Zuwendung und Auseinandersetzung. Lieber ignorieren und anders machen. Bisschen darauf achten, dass ich selbst aufrichtig und integer kommuniziere. Ich bin bei. Es ist Wochenende! 217 Schutthaufen Arbeite, als ob du kein Geld brauchst. Singe, als würde keiner zuhören. Tanze, als würde niemand hinsehen. Liebe, als wärest du noch niemals verletzt worden. Lebe, als ob dies hier das Paradies auf Erden wäre. Unbekannt Samstag. Dieses Thema von gestern geht doch mit etwas in mir in Resonanz. Diese Art der Kommunikation, wie sie mir vergangene Woche aufgefallen ist, hat ja auch etwas mit Unvermögen zu tun. … - Ist alle Böswilligkeit am Ende nur Unvermögen? Wir können es (noch) nicht besser und finden keinen anderen Weg? Ärger auszudrücken, Frustration. – Der Junge bei Stuttgart, der 15 Menschen erschossen hat. - Liebe auszudrücken, Liebesbedürftigkeit. – Dieser Mann, der seine Tochter im Keller gefangen hielt und wie viele Kinder mit ihr gezeugt hat. – Warum machen Menschen das? Was steckt wirklich dahinter? – Was steckt hinter Sadismus? Ich glaube nicht, dass es Sadismus in der Wirklichkeit gibt. Das ist nichts Wahres. Es ist verzerrt. Hinter jedem Sadisten steckt ein verletztes Kind, irgendeine Verletzung, irgendeine Kränkung. Der Mensch nimmt es persönlich und kann nicht verzeihen, er ist der Meinung, seiner Seele könne etwas angetan werden, was in Wahrheit, glaube ich, gar nicht geht. Die Seele ist rein und unschuldig. Ihr kann nichts angetan werden. Sie kann nicht missbraucht werden. Sie ist heilig. Sie ist voller Glorie. Wir wissen überhaupt nicht, was das ist: Glorie. Wenn wir uns nur mit unserer Seele verbinden würden. Einfach in unseren heiligen Raum gehen. … Ich habe das neulich auch gespürt, dieses: einem eins auswischen wollen. Jemand hat mir die Vorfahrt genommen. Ich bin einfach weitergefahren und es war ganz schön knapp. Der Andere hat dann noch gehupt – und in mir stieg die Rache hoch. Plötzlich habe ich den jugendlichen Amokläufer verstanden. Seine Gefühle, seinen Ärger auf „die Deppen“, die ignoranten, unverschämten, dreisten. Einmal zurückhauen. Einmal zurückhauen! … - … - Als Kind hatte ich das auch: Phantasien von Macht. Ich stellte mir vor, jemand anderen gefangen zu halten, ein noch kleineres Kind, geheim, irgendwo in einem Schuppen, und keiner wusste es. Die Motivation zu dieser Phantasie war die Angst vor größeren Kindern. Ich fürchtete mich vor ihnen und dachte, die wollten das mit mir machen, mich als Geisel nehmen. … - … - Alles nur Phantasie. … - ? - Alles nur Phantasie? Vielleicht ist das mit Vielem so. Wir haben 218 Ängste und projizieren sie nach draußen. Und Zack – wohnt der Feind vor unserer Haustür. … - Und das mit den Kränkungen: Kann sein, dass es böswillige, intrigante Menschen gibt. Ich meine, ein paar zu kennen. Aber … - … - Das sind doch alles selbst Gekränkte. Oft ist es auch die Sorte Mensch, die gehetzt und getrieben durch’s Leben rennt auf der Jagd nach Anerkennung und Bestätigung. Null innere Ruhe. Warum also soll ich mich auf den Kampf einlassen? Es ist doch viel besser, in meinen heiligen Space zu gehen und es mir mit mir selbst gut gehen zu lassen. …-…-…So viel entrümpelt! Klar – da sieht es eine Zeitlang wüst aus, bis alles weggeräumt ist, weg-geschafft. Ent-schaffen. Ich will nicht mehr kämpfen. Wenn ich nicht mehr kämpfe, wird es auch keine Deppen mehr geben. Jedenfalls nicht für mich. Weil ich weiß, dass jeder eine reine und unschuldige Seele hat, voller Glorie. Ich habe gelesen, dass wir hier als Menschen mit nur ca. 6% unseren ganzen Seins anwesend sind. Das ist auch der Grund dafür, warum die größten Teile unseres Gehirns brachliegen. Da wir unsere Gehirne mit den ungenutzten 90% aber schon mal bei uns haben, sollte es mich nicht wundern, wenn wir die uns dann auch mal so langsam erschließen. – Vielleicht bedeutet erschließen dabei ja noch nicht mal aktivieren, sondern einfach entdecken: den ganzen Müll im Hirn ausmisten – und siehe da: Da ist sie! Die Glorie! Direkt in unseren Köpfen! All unser glorreiches Potential! Wie sieht der Müll aus? – Hirnmüll: jeder Gedanke, der uns klein macht, der uns Angst macht, der andere beschuldigt oder uns selbst, Gedanken des Mangels, alles, was unser Vertrauen untergräbt. Und dann ganz viel, von dem wir meinen, es lesen oder lernen oder leisten zu müssen. Wir wissen schon alles. Ja – und natürlich wissen wir bestimmt ganz Vieles nicht, aber die Antworten, die wir brauchen, tragen wir in uns, unser Herz weiß. Und wir sollten nur das lesen, lernen und tun, wobei unser Herz … singt. Was uns nicht gut tut, das sollen wir lassen. Einfache Regel. Vielleicht macht es dann auf einmal auch SCHWUPPS. Wart’s ab. … - Ich meine jetzt natürlich nicht: Vermeide Unbehagen, welches deine eigenen Themen dir vielleicht verursachen. Aber das ist ja klar, gelle?! 219 - Jetzt hat es draußen geblitzt und gedonnert – KRAWUMM!! - und sofort bricht der Schutt los und dahinten wird es schon wieder hell. Genial. Das Leben ist genial! – Hui! Wie das prasselt! Vorhin ist etwas Schönes passiert: Wie ich hier sitzt und schreibe, klingelt es an der Haustür. Michel machte Mittagschlaf und er ist schon manchmal durch die Türklingel wachgeworden. Die Frau vom Hermes-Versand stand vor der Tür mit einem Paket für meine Nachbarin. Ich hab’s angenommen und während ich es ihr quittiert habe, kamen mir die Worte: „Wenn Sie wiedermal um diese Zeit kommen, können Sie dann bitte an die Haustür kommen und mit der Glocke klingeln? Die ist nicht so laut, weil“ Michel schläft. Sie sah mir klar in die Augen und sagte „Ja“ und wünschte mir ein schönes Wochenende, und während ich von der Gartentür ins Haus ging, dachte ich: Wie das passt! Anliegen geäußert, spontan und ungeplant, nette Begegnung und gut. Ich hätte ja auch nichts sagen können und denken: „Die blöde Kuh! Muss die immer klingeln, wenn Michel schläft?!“ Und irgendwann hätte ich sie vielleicht erschossen. Jetzt ist aber gut. Weltpremiere Der Himmel ist ein weiter blauer Ozean, die Sterne sind die Fische, die schwimmen. Die Planeten sind die weißen Wale, auf denen ich manchmal reite, und die Sonne und alles Licht haben sich für immer verbunden mit meinem Herzen und meiner Haut. Es gibt nur eine Regel auf diesem wilden Spielfeld, denn jeder Hinweis, den Hafiz je gesehen, sagt das gleiche. Sie alle sagen: „Hab Spaß meine Liebe, mein Lieber hab Spaß in des Geliebten göttlichen Spiel, O in des Geliebten wunderbaren Spiel.“ Hafiz Michel kann alleine laufen! Seit gestern! Nach diesem Blitz und Donnerschlag am Mittag und dem Prasseln des Regens an die Fenster, wurde er oben im Kinderzimmer 220 wach, und als wir unten waren, stolperte er auf einmal drei Schritte vom Wohnzimmer in die Küche! Ich sah es aus den Augenwinkeln und drehte mich um und sah ihn laufen! Hab‘ ich mich natürlich gefreut! „Michel! Das waren Deine ersten Schritte ganz allein!“ Er hat es dann immer wieder gemacht und es macht richtig Spaß! Die Arme aufhalten und Michel kommt angelaufen! Und freut sich wie ein Schneekönig! Zwei Tage später, Dienstag, letzter Tag im Monat März. Jetzt muss ich noch was erzählen: Freud‘ und Leid, dicht beieinander … - Oder? … - Vielleicht alles nur Freude? Erstmal: Seit gestern ist der Frühling da!! Strahlender Sonnenschein! Und gestern Abend im Fernsehen beim Wetterfrosch in hr 3 die Schautafeln für die nächsten Tage: alle gleich: eine strahlende Sonne am blauen Himmel mit ein paar hübschen, bauschigen, weißen Wölkchen und steigende Temperaturen zum Wochenende hin. Der Moderator war rein glückselig. Er verstummte angesichts dieser Bilder und kommentierte sie gar nicht, sie sprächen für sich, meinte er und schwieg einen Moment lang. Richtig erhaben war das. - Da war sie, die Glorie! – Im Fernsehen! Beim hr 3 Wetterfrosch. Und Michel: Am Sonntag hatte er noch Fan-Besuch von Oma, Opa und Tante Dani, die sich über seine ersten Schritte freuten, und Sonntagnacht, um halb zwölf, fing er an, sich zu übergeben. Die ganze Nacht lang und vier, fünf Schlafanzüge und Schlafsäcke voll, bis wir wirklich bei den letzten angekommen waren. Die ersten zwei, drei Mal wurden wir noch mit vollgekübelt, erst ich, dann Dirk. Dann hatten wir uns soweit eingespielt, dass wir begriffen, dass Michel vor jedem erneuten Brechen weinte, und wir hielten ihm dann vorsorglich ein Gefäß unter. Kein Tropfen blieb bei ihm und ich befürchtete schon, dass wir am nächsten Tag ins Krankenhaus müssten und Michel Infusionen haben müsse. Als wir morgens dann gleich zum Kinderarzt fuhren, beruhigte der uns aber, sagte uns, das „gehe um“, verschrieb Michel Zäpfchen gegen das Brechen und gab uns einen Diätplan mit. Erst mal sollte Michel aber noch gar nichts essen, nur trinken. Er will auch überhaupt nichts kauen und nimmt nur Flüssiges zu sich, was Gott-sei-Dank jetzt auch drin bleibt. Er ist total schlapp und lag gestern den ganzen Tag nur auf dem Sofa, bzw. im 221 Reisebett, das wir im Wohnzimmer aufgestellt haben. Heute Morgen hatte er nochmal ordentlich Durchfall, im Laufe des Tages aber nicht mehr. Jetzt ist er „nur noch“ müde, weinerlich und krank. … Und wir – haben alles über den Haufen geschmissen gestern und heute an „normalem Tagesablauf“ und widmen uns unserem Kind. Und wisst Ihr was?! Das ist eine richtig schöne Erfahrung! Die Waschmaschine läuft mehrmals am Tag. …-…-…Dann hatte ich wieder Zoff mit Dirk. Schon am Sonntag. Weiß gar nicht mehr, warum. Ich war ganz schön sauer auf ihn und lastete ihm sein … - naja … - kennt Ihr ja alles schon: mürrisch-sein, gemein-sein usw. an. Ich fühlte mich wieder mal zutiefst unverstanden und noch dazu mutwillig geringschätzig, böswillig, gleichgültig … wie-auch-immer … behandelt. … - Im Grunde war ich auch sauer mit mir selbst, weil ich mich so schwer und schlapp und lethargisch fühlte. Da war‘s ganz gut, ein bisschen einen Sündenbock zu haben. … - Den Streit habe ich angefangen. Naja – nachdem Dirk eine blöde Bemerkung gemacht hatte. Mein Dilemma ist, mich einerseits darin zu üben, die Dinge anzunehmen, wie sie sind, aber andererseits die Dinge, wie sie sind, manchmal so unerträglich finde, dass ich meine, das nicht ertragen zu können. Dann sehe ich das einzige Heil darin, mich von dem Alten – dem Alten auch, meinem Macker (ha ha) – abzuwenden. Dann will ich was Neues erschaffen … - und zweifle gleichzeitig an mir selbst, dass es immer und immer wieder auf die gleiche alte Weise daherkommt. … - … - Vielleicht ist es wie mit dem Frosch, der in den Milcheimer gefallen ist. Er paddelt und paddelt und kurz bevor er meint, jetzt kann er nicht mehr, jetzt säuft er ab, hat er die Milch zu Butter gepaddelt, der Boden unter ihm wird fest, er ist gerettet und hüpft aus dem Eimer in die Freiheit. – Das fällt mir gerade ein. – Danke, schreibende Kreativität in mir, liebes Werkzeug, liebe Hilfe! Da ist aber noch viel mehr: Unterstützung, Erklärungen, Hilfen, Neues aus allen Ecken! Zunächst befragte ich in meiner Verzweiflung am Sonntag das Orakel (25): „Was geht hier (wieder und wieder) vor? Was soll ich tun?“ Das ist des Orakels Antwort: „Ozean, Nektarmeer, Ausdehnung. „Die ruhende Kraft des Wassers“. Stell‘ dir vor, Du bist der ganze Ozean, nicht die Welle auf seiner aufgewühlten Oberfläche. Diese erquickende Ruhe im Herzen ist Dein innerer Nektarquell, der Dich mit kraftvoller Weite nährt. Wenn Du Dich mit dieser Weite verbindest, sehen die Dinge gleich ganz anders aus: Statt von den Emotionen hin- und hergeworfen zu 222 werden, kannst Du mit tiefer Ruhe beobachten, wie sie sich in Dir bewegen - und sich ganz von selbst wieder auflösen.“ –Tja – sowas Ähnliches hatte ich mir auch schon gedacht. … Immer, wenn ich mit Dirk streite, in all meiner (echten) Verzweiflung, spüre ich auch immer dieses Es-ist-und-es-ist-nicht-Feeling in mir. … - Nur: So, wie ich am Sonntag drauf war, war das Meer, in das ich hätte abtauchen können, leergefischt und vergiftet. … - … - Ich habe auch über Tage keine körperlichen Übungen gemacht, nicht Fitness-Studio und kein Rückentraining zuhause, was mir doch immer gut tut, mich ausgleicht und erdet. … - … - Habe „die Schuld“ ein bisschen Dirk in die Schuhe geschoben, weil der „es mir nicht ermöglicht hat“, weil er seinerseits dauernd mit irgendwelchen Sachen beschäftigt und unterwegs war und ich dadurch keinen Freiraum hatte. … - Ja ja. Schön blöd. Bin ich da gewesen. Ich weiß. … - Immer, wenn ich schwer und lethargisch bin, laste ich mir das an. … Immer nicht, aber oft. … - Dann, als ich mir wieder den Freiraum für meine Rückenübungen nahm, mir organisierte, nahm ich auch mein Yoga-Buch mit (16). KW 14: Ich rechnete mit einem Wochenthema, das voll zum Frühling in Bezug stünde: Power, Wachstum, Dynamik – und hatte deshalb auch Widerstände in mir, das Buch überhaupt zu öffnen, weil ich doch lieber noch meine Ruhe haben wollte. Ich schlug es dann aber doch auf. Und was stand da? „Nur die Ruhe kann es bringen“ stand da! Und unter dem Meditationstext ein Bild, auf dem ein Gesicht abgebildet ist, das sich über einen Wasserspiegel beugt und sich darin betrachtet. Von wegen: Nur wenn die Oberfläche ganz ruhig ist, können wir (uns) klar sehen. Schon die kleinsten Kräuselungen verzerren das Bild. … Die ruhende Kraft des Wassers … … - … - Haste da noch Worte? Und das ist noch längst nicht alles! Als ich das Internet anmachte, war dort im Esoterium ein neuer Text von Karen Bishop. Sie beschrieb die von mir durchlebten Situationen. Und: „ … wie immer, wenn wir uns in eine höhere Schwingung hinein bewegen, können wir lethargisch werden, schwach, schläfrig, müde, out-of-space, und absolut schlaff.“ … - … - Zu alle dem hat Dirk auch noch Kontoauszüge geholt: fast 200,- € im Soll obwohl das Geld für April vom Arbeitsamt schon da ist. – Du liebe Scheiße!! … - … - In Karen Bishops Text stand, es könne auch sein, dass das Geld alle ist, und dann, in Klammern, wie beiläufig: „Wenn es so ist, bist Du im Neuen angekommen.“ 223 Auf den Lahnbergen Der Test für den "richtigen" Weg: Lässt dein Tun deine Liebe wachsen, so bist du auf dem richtigen Weg, vermindert es sie, so entfernst du dich von ihm. nach einer indischen Weisen Break. Wir waren in Marburg in der Kinderklinik. – Alles stehen und liegen gelassen und uns den Geschehnissen hingegeben, mitgegangen. Nachdem Michels Durchfall am Dienstag nicht so schlimm war, mussten wir ihm am Mittwoch bestimmt zehn Mal die Kleidung wechseln, weil es ihm alle Nase lang aus der Windel rauslief. Abends hing er dann ganz schlapp in Dirks Arm und weil er nicht trinken wollte, fuhren wir nach Gießen in die Kinderklinik. Dort bekam er eine Infusion angehangen. Als die Blutwerte vorlagen, sagte uns die diensthabende Ärztin, dass ein Wert so im Keller sei, dass die eine Infusion nicht ausreiche und Michel stationär bleiben müsse. Sie hatten aber keinen Platz mehr für uns und sie telefonierte in anderen Kinderkliniken umher – die auch belegt waren: Gelnhausen, Hanau … – und so sind wir in Marburg auf den Lahnbergen gelandet. Wegen der anhängenden Infusion wurden Michel und ich mit dem Rettungswagen dorthin gefahren, in der Nacht. Tja. Und dann waren wir zwei Tage lang (wieder mal, völlig) out of space. … - Das hat was von einer Weltraumstation, diese Uniklinik da oben: auf dem Berg gelegen, hypermodern, eine Welt für sich, geschäftig, freundlich, offen, kompetent … - ja, sehr offen … jung. … - … - Ich war froh, dass wir dort waren und dass Michel geholfen wurde. Nur Ruhe gibt es in so einer Klinik keine. … - Als wir angekommen waren und als die Nachtschwester gegangen war und wir alleine im Zimmer waren, bat ich um Schutz und Einbettung und darum, dass sich dieser Aufenthalt so harmonisch wie möglich gestalten möge. Und das tat er. In der Nacht kam noch ein weiteres Kind mit seinen Eltern zu uns ins Zimmer. Ein größerer Junge, vielleicht fünf, der mit seiner Mama das zweite Bett belegte. Die beiden waren sehr angenehme Zimmergenossen. Er war auch mit Bauchschmerzen eingeliefert worden, aber bei ihm war es eher Verstopfung und Verdacht auf Blinddarm, und nachdem er am nächsten Morgen einen Einlauf bekommen hatte, fuhren die zwei wieder nachhause. 224 Am Nachmittag wurde das Bett gleich wieder belegt. Dieses Mal war es ein kleines Mädchen, vielleicht ein Jahr älter als Michel, die die gleichen Beschwerden hatte wie er, nicht enden wollendes Erbrechen und Durchfall mit Fieber. Eine Schwester sagte uns, dass sie auf der Kinderstation schon seit November täglich vier, fünf Einlieferungen mit diesen Magen-Darm-Symptomen hätten, es wolle dieses Jahr gar nicht aufhören. – Große Reinigungswelle. - Dirk unterlag ihr auch, er bekam auch Durchfall. Mir wurde schlecht, ein paar Tage lang, ich hatte keinen Appetit, bzw. wenn ich etwas aß, hob es mir. Ist aber alles drin geblieben. Ich habe es wohl innerlich verwandelt. Und: Jetzt passen mir wieder ein paar meiner Hosen, die mir vorher nicht passten! Das ist ein angenehmer Nebeneffekt. Ein anderes Resultat dieses Procedere sind Michel und ich als Mama und Sohn. Das hat uns nochmal auf eine tiefere, weitere Ebene gebracht, dass ich einfach für Michel da sein konnte, ihm Halt geben, ihn trösten, wenn er weinte, ihn beruhigen durfte, bei ihm sein. Dass er und ich, wir beide, da alleine waren, ohne Dirk. Das war gut. Das hat die Liebe vertieft und unsere Beziehung. …- … - Außerdem habe ich das Gefühl, dass er in den zwei Tagen zehn Zentimeter gewachsen ist. Und auf jeden Fall hat er sich entwickelt, er ist gewachsen, in seiner Persönlichkeit, in dem, was er tut. Auch er ist weiter und offener geworden, da oben auf den Lahnbergen, kompetenter. Als wir heimkamen, war die Bewilligung für die Mutter-Kind-Kur da. Nun fahren wir also am 29. April ins Saarland zu Kur. … - Und nach dieser Erfahrung des Klinikaufenthaltes kann ich das jetzt ganz entspannt angehen. … - Denn ich bin auch gewachsen, weiter und offener geworden, kompetenter. Ich bin jetzt eine sicherere Mutter. Vorher war mir etwas bange: ich, drei Wochen allein mit Michel. – Jetzt freue ich mich drauf. … - Das scheinbar Negative wird den ersehnten Segen bringen. … - Vermeintliche äußere Zwänge haben uns Tiefe und Liebe beschert. Wir waren wieder mal genau richtig. Zur rechten Zeit am rechten Ort durch die für uns absolut angebrachtesten Umstände. Ein Geschenk des Himmels! 225 Das mit Dirk Es geht nicht darum, das Richtige zu tun, sondern das Falsche zu lassen, damit sich das Richtige von selbst tun kann. F. M. Alexander … Eigentlich müsste ich dazu gar nicht mehr zu schreiben. Das Zitat da oben bringt es auf den Punkt. … - Ich füge auch noch das zweite Zitat ein, das für dieses Kapitel zur Wahl stand, und erzähle dann … das mit Dirk: Wir wollen Wege, weil wir ständig in Furcht sind, in die Irre zu gehen. ... Da ist eine Stelle in uns, die hat a priori Angst vor dem falschen Weg und rechnet mit ihm. Obwohl wir doch wissen müssten, seit uralten Zeiten, dass sogar die "falschen" Wege ... uns weitergebracht haben. Joachim-Ernst Behrendt …-…Wir kamen aus der Klinik nachhause … und zack! Ging’s wieder los. Oder weiter. Wieder Enttäuschungen, wieder Erwartungen. Natürlich muss ich das umgekehrt schreiben: erst die Erwartungen, dann die Enttäuschungen. Dann das Aussprechen dessen, dann der Krach, das Chaos, der Kampf … dann das Gefühl, gegen einen Zug gelaufen zu sein. … - Ich habe keinen Nerv, das jetzt zu illustrieren. - Will nicht wieder einen Brummschädel bekommen! … - … - Wir haben dann von uns aus schon mal innegehalten. Es einfach so sein lassen. Das war das eine, unser Missklang … aber da war ja auch noch ganz viel anderes. … Schönheit, Ruhe, Einfachheit, Spaß und Freude mit Michel z.B. … - So habe ich es gemacht. Weiß nicht, wie Dirk es für sich geregelt hat. Dann waren wir diese Woche wieder bei unserem Berater beim Diakonischen Werk. Und: Es ist immer noch so: Er erzählt nichts Neues, und doch öffnet er uns die Türen und hilft uns, unsere Last hinter uns zu lassen. … - Ich meine, Dirk schon so oft so viel von dem, was wir dort reden, gesagt zu haben, aber erst da, im Beratungszimmer, kommt es bei Dirk an. … „Ich wusste doch nichts von Deinem kleinen Mädchen!“ sagte er in der letzten Sitzung. Und ich weiß nicht, wie oft ich ihm, wenn wir streiten, schon gesagt habe, dass sich da unsere inneren Kinder 226 austoben und dass er mich, sprich mein inneres Kind, doch mal in den Arm nehmen soll. Er erzählt dann fünf Tage lang, dass das auch nichts ändern würde, wenn er mich umarmen würde und tut es auch nicht. Woraufhin mein inneres Kind verzweifelt und tobt … - … So ist es gewesen. Unser Berater legt hin und wieder einen trockenen und sehr treffenden Humor an den Tag. Er sagte: „Blöder Spruch, aber: ‚Gut, dass wir drüber gesprochen haben!‘“ Ja! Da hat er recht! Wie gut, dass wir nochmal darüber gesprochen haben! Auch für mich, die ich meine, das alles schon zu wissen. Ich habe das Drübersprechen auch noch mal gebraucht. … - … - „Es wird nie gut sein“, sagte er zu mir. „Die Bedürfnisse des kleinen Mädchens können nicht mehr gestillt werden. Weil die Situation vorbei ist. Das ist wie ein Loch, das nicht gefüllt werden kann.“ – Das Warten auf Mama. Die Sehnsucht, dass sie mich in ihre Arme nimmt und lieb-hält. – „Er (Dirk) kann dieses Bedürfnis nicht befriedigen, auch kein anderer potentieller Partner dieser Welt.“ Ja. Da hat er recht. Gut, dass wir drüber gesprochen haben. …-…-…Mama. …-…-…Dirk. … - Es ist schon vorher in mir aufgestiegen, vor unserer Beratung: Er tut wirklich alles für mich und uns. Er ist halt manchmal etwas barsch und düster. Und dann tut er es vielleicht zwei Zacken abweichend davon, wie ich es mir vorstelle … und daran hänge ich mich auf, beschwere mich … und ihn … und unsere Beziehung. … - … - Mein kleines Mädchen ist so verletzt, gekränkt und beleidigt … Dirk hat da keine Chance. Selbst wenn er es fertig bringen sollte, mich im Streit in den Arm zu nehmen, kann es gut sein, dass ich ihm gegen das Schienbein trete, denn in mir ist eine Instanz, die reizt es immer so weit aus, bis sie jeden in die Flucht geschlagen hat. … - Um in ihrer alten Erfahrung bestätigt zu werden: „Siehste, der auch!“ … - … „Manches macht man so lange, bis man es lässt“, sagt unser Berater. 227 Das mit Gott, Teil 2 „Das wahre Wunder besteht nicht darin, auf dem Wasser zu wandeln, sondern auf der Erde zu gehen.“ Thich Nhat Hanh Ich bin die Göttin und das Kind. Ich bin die Mama. Ich kann mich nur selbst halten. Ja, klar, ich kann auch zu meiner Mutter gehen, sagen: „Bitte, Mama, halte mich.“ Das könnte ich tun. Wenn ich’s mich mal traue. Einmal habe ich’s gemacht. Das war schön. Als ich 17 oder 18 war, habe ich’s auch mal gemacht. Da hat sie mich abgewiesen. … - Und ob das Loch von damals zu füllen ist, das von ganz früher, das des alleingelassenen Kindes? … - … - Ich nehme es einfach zu mir, wie du bist, so verletzt und bedürftig. Lass‘ dich bei mir sein. Weiß, dass du da bist. Bin bei dir. Liebe dich. Halte dich. Ich weiß nicht, ob es gut ist. … Es ist, wie es ist. Ich trage dich und wir gehen ins Neue. Und da werden wir auch hingetragen. … Und auf dem Weg … vergessen wir … unser altes Leid. … Etwas Größeres ist da, das uns führt … und wir gehen darin auf. … Hab‘ keine Angst, mein Kind, hab‘ keine Angst mehr. …-…-…Gott ist Mann und Frau in einem. Mehr und mehr spüre ich die liebende Göttin, den mütterlichen, femininen Teil, mit seiner Sanftmut, seiner Empfänglichkeit, seiner Kraft, seinem Zauber! Aber der liebende, männliche, väterliche, partnerschaftliche Anteil steht da irgendwie auch noch hintenan und möchte hervorkommen und endlich sein. Der alte Gott meiner Kindheit, der aus der Bibel, aus dem Alten Testament, und dem neuen, … der war kein liebender Vater oder verlässlicher Partner! Der war einfach nur dogmatisch: du musst, du sollst, du darfst nicht! Und pass auf, ich sehe alles! – Nein! Nein! Nein! – Schluss! Aus! Vorbei! – Schwuppdiwupp! Schwuppdiwupp! Schwuppdiwupp! Raus aus der Enge! …-…-…- 228 Die alten Schutthaufen in unserem Hof sind weg. Papa hat sie entsorgt. Und es liegt schon wieder ein neuer da, weil Dirk eine Wand für den neuen Partyraum rausgehauen hat. Noch eine. Die wievielte ist das? Neue Türen hat er auch gehauen. Er verbindet und schafft neue Räume. Wie innen so außen. … - Ob das dem Partyraum auch weh tut, wenn so an ihm gearbeitet wird? … - Und ob er sich dann freut, wenn er gewahr wird, was Neues entsteht? Wie schön er sein kann? Ob er das für möglich gehalten hätte, nochmal so schön zu werden? Ganz jung und ganz was anderes. Früher war er ein dunkler Geräteschuppen und jetzt wird es ein heller, freundlicher Raum. Er hat jetzt ein großes Fenster und bekommt ein neues Dach und wir werden unsere Geburtstage in ihm feiern. … Oder unser Keller, der jahrelang mir allem möglichen Krempelkram vollstand, den ich wahrscheinlich die nächsten 20 Jahre auch noch von einer Ecke in die andere geräumt hätte: Dirk hat alles weggeschmissen, streicht die Wände hell-aprikot und baut seine Modellbahnanlage hinein. – Welche Ehre für den Keller!! - Der freut sich bestimmt! …-…-…Wahrscheinlich hat es Gott-Göttin selbst nicht besonders gut gefallen und mit Sicherheit keinen Spaß gemacht, so verunglimpft zu werden. Diese Strenge, diese Härte, die fehlende Leichtigkeit und Freude. Der Dogmatismus … und dann auch noch die verschiedenen Religionen, bzw. ihre verbissenen Anhänger: „Ich hab‘ recht!“ „Nein, ich!“ bla bla bla. … - … - Das mit dem freien Willen ist ja schön und gut. … Aber wenn es so viel Leid verursacht … nur, weil die trotzigen Kinder keine Einsicht zeigen … . Ich würde meine Kinder zusammenrufen und ihnen sagen: „Hier, kommt, jetzt habt Ihr gesehen, wie das ist. Lasst uns jetzt wieder in die Liebe gehen.“ Wer partout nicht will, kann ja auf dem Spielplatz bleiben. Aber die anderen sollen die Chance haben, mit nachhause zu kommen. Und für die, die noch ein bisschen spielen wollen, legen wir eine dicke, rote Kordel auf den Heimweg, dass sie nachkommen können. Mir reicht’s. … - „Leid ist das Verleugnen der Liebe“ habe ich irgendwo gelesen. Und seit ich diesen Satz gelesen habe, sehe ich in jedem menschlichen Leid, sei es meines oder das von Freunden und Bekannten, die Wahrheit dieser Aussage. – Wenn ich wegen Dirk leide, gebe ich ihm und seiner Liebe zu mir keine Chance. Ich verleugne sie. Dabei ist sie da. - Ganz einfach. …-…-…- 229 … - Und das mit Jesus! … - Es ist Ostern. Michel hat ein Bilderbuch mit der Ostergeschichte geschenkt bekommen. In dem Buch wurde auf ein Bild von Jesus am Kreuz verzichtet und das finde ich in aller Schlichtheit bahnbrechend! Schluss mit dem Leid! Kein Jesus am Kreuz mehr! Er ist auferstanden! Das ist doch die Botschaft, Mensch! Die frohe! Stattdessen wurde er 2000 Jahre lang in den Kirchen und an jedem dicken Baum am Kreuz hängend gezeigt. Wie bekloppt sind wir eigentlich? Wie leidenssüchtig? … Mir reicht’s. Jesus ist auferstanden. Er hat es geschafft. Und wir schaffen es auch! Wollen, Schuld und Freiheit “Es ist schon eine Last mit euch Menschen! Immer treibt es euch weiter, weil ihr meint, ihr müsstet euch das aus eigener Kraft zusammenraffen, was man nur geschenkt bekommen kann.“ Der Zirbel, Hans Bemmann Ein paar Dinge schwirren in mir herum, die ich gerne noch aufschreiben würde, bevor wir in Kur fahren. … Zwischen Fensterputzen, Fliegennetze aufhängen, Küche ausräumen und Michels zweiten Geburtstag feiern. … … Kinder trauern nicht. Es tut ihnen nicht leid, wenn jemand stirbt. Und sie können auch Trauer bei Erwachsenen nicht nachvollziehen. Sie sehen nur, dass es so ist, dass die Großen trauern. Bei mir war es so, als mein Bruder starb, mein Opa und meine Tante; bei den Kindern meiner Schwester war es so, als ihr Opa väterlicherseits starb und kürzlich habe ich in einem Buch einen Satz dazu gelesen. Seitdem muss ich daran denken. Außerdem habe ich im Internet einen Channel gelesen, in dem es hieß, der größte Irrtum, dem wir erlegen seien, sei unser Glaube an Schuld. (26) Scham gehört da auch noch dazu, meine ich. … - … - Ja. Das hält uns klein, eng und gefangen. Vieles machen wir gar nicht erst, aus Angst, uns irgendwie schuldig zu machen, wird in dem Channel gesagt, und dass wir mal überlegen sollten, wessen Überzeugungen das eigentlich sind, ob wir selbst das glauben, oder ob wir einfach noch an alten Erzählungen festhalten, an dem, was uns unsere Eltern, Großeltern und wer noch erzählt haben. Was glauben wir? Glauben wir das alles? … - Prompt traf ich beim 230 Spazierengehen eine Bekannte aus dem Dorf. Ich erzählte ihr, dass Michel und ich in Mutter-Kind-Kur fahren, worauf sie mir sagte, sie wolle auch eine Kur beantragen – sie hat eine körperliche Behinderung - , aber sie habe Hemmungen, weil das doch immer zu Lasten ihrer Arbeitskollegen ginge. Ich antwortete ihr, dass die Kollegen ein anderes Mal dran wären und dass man sich solche Freiräume selbst schaffen muss. Wenn sie darauf wartet, dass es am Arbeitsplatz mal passt oder dass gar ein anderer sie fragt, ob sie sich mal erholen wolle, wird sie wahrscheinlich in Rente gehen, ohne in Kur gewesen zu sein. Die Anderen haben immer etwas, was man für sie tun kann. … Einfach für sich selbst sorgen. …-…Es ist jetzt so ein einfacher, leichter Flow da … irgendwie …. … Alles ist zur rechten Zeit da. Wir sind mit allem versorgt. Im Fluss. – Und nicht nur mit dem Nötigsten! Auch Extras und Luxus: Die Straße vor unserem Haus wird auf eine Strecke von vielen Kilometern neu asphaltiert, d.h. sie ist gesperrt: herrliche Ruhe! Als wir an Ostern bei diesem strahlendem Sonnenschein grillten. Nichts los auf der Bundesstraße. … – Und unsere Kur ist doch auch Luxus. Das Geld für die eigene Zuzahlung von 210,- € für die drei Wochen und noch etwas Taschengeld nehme ich von Michels Sparbuch. … Subtile Falle: Bei dem Gedanken hatte ich zunächst auch Skrupel. Schuldgefühle. Michels Sparbuch soll unangetastet bleiben. … Warum aber? Das alte Geldsystem löst sich wahrscheinlich eh auf. Da geben wir das, was wir noch haben, doch lieber vorher aus. Ach! Und auch ohne Erklärungen: Wir machen es einfach so. Wüsste auch nicht, wie es z.Zt. anders gehen sollte. Ja, „Geld“ haben wir keines, aber wenn wir was brauchen, ist es doch da. Und sonst haben wir alles! Ich habe so ein VWErtrauen in mir – das sich schon verkehrt schreibt, weil ich eigentlich auch gar nicht darüber reden will, kann, … weil es im Grunde kein Vertrauen mehr ist, sondern nochmal was anderes. Ruhe, Gelassenheit, Abwarten. (Vor-)Freuden. Irgendwie. Glaube, Hingabe, geschehen-lassen , mitgehen. … Und das auch alles nicht mehr. Einfach sein. … Zusehen. Wissen …. Ich kann es nicht wirklich beschreiben. … Ich will auch nichts mehr. Z.Zt. will ich nichts. … Das Thema „Wollen“ ist mir dieser Tage auch nochmal begegnet: Wenn man etwas partout will, macht man sich damit für das, was man will, eher zu. Bzw.: Es geschieht sowieso das, was das Beste für einen ist. Und das ist oft etwas anderes als das, was man unbedingt will. Siehe: Ich wollte sooo gerne stillen. War mein großes Ideal. … Hat nicht geklappt. 231 Fazit ist aber: Im Nichtgelingen des Stillens war ein Geschenk für mich eingewickelt. … - Ich wollte einmal sooo gerne einen Esoterik-Laden aufmachen. Unabhängig sein, selbstständig und frei. – Ist nichts draus geworden. Gott sei Dank. Viel zu lange Arbeitszeiten für jemanden wie mich, ein eigener Laden in Selbstständigkeit. … - Ich wollte ein Profi werden in Haltgebender Erziehung, selbst Vorträge und Seminare geben zu diesem Thema, oder auch sooo gerne selbst Tarotsitzungen veranstalten. Und bevor ich mit Michel schwanger wurde, hatte ich mich zu einer mehrjährigen, berufsbegleitenden, psychologischen Ausbildung angemeldet, wollte Familienaufstellungen machen, NLP und solche Sachen. – Njet. Is nischt. … … - Jetzt überlege ich, ob ich von alle dem noch einmal etwas angehen sollte. … … - … - … - Bei diesen Vorhaben hatte ich stets Vorbilder. Menschen, die mich beeindruckten, und die diese Dinge praktizierten. Ja. Und das sind lauter prima Menschen. Ich bewundere sie. Ja, verehre sie. Sie bringen viele wunderbare Sachen in die Welt. … - Aber was ist meins? … - … - … - Offen sein. Mitgehen. Ich komme von selbst dahin. … Und ich bin auch immer schon da. Das Naheliegende tun und alles für möglich halten. Das ist die Freiheit! Sich nicht verzetteln, im Augenblick sein und offen. Mehr braucht es nicht. Dann ist hier, wo ich gerade bin, ein kleiner Punkt, ein bisschen Raum und gleichzeitig alles, das Ganze. Das ist so einfach, dass man es kaum sagen kann. Ostern ist vorbei. Am Montag wird Michel zwei Jahre alt! Ende des Monats fahren wir in Kur. Drei Wochen. Wenn wir wiederkommen ist Sommer. Der erste Sommer im goldenen Zeitalter vielleicht. 232 Dritter Teil Mai … 233 In den grünen Wäldern des Saarlands Jetzt sind wir, natürlich, wieder zuhause, sonst könnte ich nicht schreiben. Dort gab es keinen PC. Jedenfalls keinen, zu dem ich Zugang gehabt hätte. Nur die Geräte in der Verwaltung, und Auto hatte ich keines dabei, um in ein Internet-Café zu fahren. Dirk hat uns hingebracht und auch wieder abgeholt. … Es war klasse! Mensch bin ich froh, dass wir diese Mutter-Kind-Kur gemacht haben!! Eines nehme ich gleich vorweg: Wir kamen dort an und: Es war Baustelle. Und wie! Rund um‘s Haus und im Haus, alles neu. Neu gebaut, neu eingerichtet und nun waren sie am Isolieren und Verputzen. Ein Rundumschlag. Wegen der Umbaumaßnahmen war die Klinik nicht voll belegt. Wir waren in diesen drei Wochen zwischen 10 und 15 Frauen mit ihren Kindern. Mehr waren es nicht. Mittwochs war An- und Abreisetag, das brachte neue Mischungen, wodurch sich zwischenmenschliche Begebenheiten immer wieder relativierten. - Und das, was die ganze Zeit vorher hier zuhause „Sache“ war, hat sich total relativiert in diesen drei Wochen. Dirk war so weit weg … - ich dachte manches Mal: „Ich kenne ihn gar nicht mehr.“ Ich habe auch niemanden vermisst, weder Dirk, noch die Katzen. Obwohl ich Heimweh hatte. Aber es war einfach gut. Eine runde Sache. Am ersten Tag, als ich Michel ins Kinderhaus gebracht hatte – die Betreuungszeiten waren von 8.30 bis 16.00 Uhr und sollten auch verbindlich eingehalten werden zweifelte ich das Ganze zunächst von Grund auf an. Ich hatte Michel weinend dort gelassen, weinte selbst und dachte, wir hätten zuhause bleiben sollen, in unserem Nest, Michel ist noch viel zu klein, um in einen Kindergarten zu gehen, dieses System ist ungesund, in dem so kleine Kinder unter dem Vorwand der „Bildung“ in Kindertagestätten geschickt werden … ! In dieser Verfassung traf ich auf meinem Weg vom Kindergarten auf die Leiterin der Hauswirtschaft des Hauses. Der klagte ich mein Leid und sie sprach mir Trost und Mut zu. Während wir beisammen standen, kam eine andere Mama aus dem Kinderhaus, die fragte ich nach Michel. Sie sagte, es sei alles in Ordnung, er habe nicht mehr geweint und befände sich auf dem Arm einer Erzieherin. … Schluck … - wirklich? … Nach ein paar weiteren Sätzen zum Thema Unsere-Kinder-im-Kinderhaus, wechselte sie abrupt das Thema und sagte zur Hauswirtschafterin: „Ich möchte einen Fußabtreter für meine Eingangstür!“ „Ich auch!“ fiel mir ein. Dann bedankte ich mich für Trost und offene Ohren und wir gingen jede unseres Weges für diesen Tag. Mit Michel im Kinderhaus, das hat sich prima entwickelt! Er hat zwar jeden Morgen, wenn ich ging, geweint, aber wenn ich die Eingangstür erreicht hatte, hörte ich schon, dass er damit aufhörte. Ich habe auch Vertrauen zum Haus und den 234 ErzieherInnen gefasst. Ich habe Michel ruhigen Gewissens dagelassen. Die ersten Tage wartete ich immer auf nach mir aus dem Kindergarten kommende Mütter, die mir stets versicherten, Michel spiele schon oder sitze bei einer Erzieherin. Später bin ich dann einfach gegangen und wusste: Alles ist gut. Ich habe diese Zeit für mich sehr genossen. Und außerdem hat Michel der Kindergarten richtig gut getan, seiner Entwicklung war das Ganze förderlich, das Zusammensein mit anderen Menschen, sich auf diese einzustellen, und das Spielen mit anderen Kindern. Wir haben beide von dieser Erfahrung sehr profitiert! Und Michel macht das mit anderen Menschen einfach klasse! Die Leute sind immer fröhlich, wenn sie Michel treffen oder nur sehen. Sie blühen auf. … - Für mich war es ja auch das erste Mal zusammen mit Michel, in diesem Umfang, alle Tage mit anderen Menschen konfrontiert zu sein. Z.B. war dort ein Junge, der mit seiner Mutter da war, im Teeniealter, pubertär, sehr auf Abwehr und Sabotage, der nie lächelte und … ich hatte ein bisschen Angst vor ihm. … ? Jedenfalls hatte ich um mein Michelchen ein bisschen Angst … - der Kerl wird ihn doch im Kinderhaus nicht pisacken!? … Bis mir eine andere Frau erzählte, sie habe diesen großen Jungen gesehen, als sie ihre Tochter abholte, wie er Michel an den Händen gehalten habe und mit ihm gelaufen sei. Und sie und die ErzieherInnen sagten noch zueinander, schade dass sie gerade keinen Foto zur Hand hätten, um ein Bild davon zu machen: der Größte mit dem Kleinsten. … Und ich war ganz berührt, als ich das hörte, wegen Michel, wegen dieses großen Jungen und wegen … des Zaubers … wegen der Menschlichkeit. … - Über die Wirklichkeit, die Weite, die sich da meinen kleinlichen Ängsten gegenübergestellt hat. Wie es wirklich ist. …-…-…- Wie es wirklich ist. Davon hat mich dort manchmal eine Ahnung angeweht. … - Weil ich meine, dass wir immer noch … sehr … in falschen Rollen gefangen sind? Nicht wirklich wir selbst sind. Uns nicht trauen, einfach wir selbst zu sein. Vermeintliche Erwartungen erfüllen und nicht einfach nur das machen, was unser Herz will, was unser Herz für richtig und gut befindet. … - Gut für uns. … - Manchmal habe ich dort in der Kur für einen Augenblick deutlich gesehen, warum was wie ist. Warum ein Mensch tut, was er gerade tut, was sich dahinter verbirgt, welchem Muster er folgt, was die Ursache ist. Welches Problem er hat. … - Manchmal ist es so klar. … - Und auch so leicht, es sein zu lassen. So einfach. … - Es kostet nur ein bisschen Überwindung, es anders zu machen. …-…-…Am 1. Mai war auch Kinderbetreuung, bis 13.00 Uhr. Michel war im Kinderhaus und ich saß vormittags in der Sonne auf dem Balkon und las, weil am Feiertag keine Anwendungen waren. Direkt über dem Balkon stieg das schiefergedeckte Dach auf 235 und irgendwann saß ich dort, hatte mein Buch sinken lassen und blickte die schwarzen Schieferplatten hinauf. Wie kunstvoll die gelegt waren! Wie schön das aussah! … Wer machte sowas? Wo kommen die Platten her? Wer hat sie so schmal zurechtgeschnitten? Wer so fachmännisch und noch dazu in so einem hübschen Muster verlegt? Diese runde Ecke, an der die Dächer im rechten Winkel zusammenlaufen! Dass das Dach jedem Wetter standhält. … Und dann das ganze Drumherum! Die Holzkonstruktion des Hausbaues, die Stabilität, die Feinheiten. … … - Während meines Schauens kam mir ein noch nie gedachter Gedanke, ja, eine Erkenntnis, die ich trotz ihrer Offensichtlichkeit noch nie hatte: Die Männer machen das! Das machen alles die Männer: den Schiefer abbauen, ihn in Form bringen, all die anderen Rohstoffe abbauen und die Materialien herstellen, die Pläne, die Arbeit, das Bauen! … - Mit dieser Erkenntnis brach etwas in mir auf … - oder ich brach in etwas ein, das in mir ist und wovon ich bisher nichts wusste … - auf einmal war da Weite, Liebe, Dankbarkeit, Achtung, ja, mehr noch: Ehrung! Ich achtete und ehrte die Männer und sah zum ersten Mal offenen Auges ihr Werk. – Das machen alles die Männer. Und wir können drin wohnen und uns darin aufhalten. Überhaupt war das Mann-Frau-Verhältnis in der Kur ausgewogen. Man hätte ja meinen können, dort seien hauptsächlich Frauen und Kinder beisammen. Aber durch den Trupp Bauarbeiter, die dort von früh bis spät zugange waren, war die männliche Energie auch präsent, wenn auch die beiden Geschlechter doch die meiste Zeit eher unter sich waren. …-…-…In der ersten Woche war ich durch die ganzen körperlichen Anwendungen – Massage, Fango, Sport, Yoga, Bäder und Entspannungstechniken wie PMR und Autogenes Training – nach ein/zwei Tagen so entspannt, dass ich förmlich dahin schwebte. Auch mein Geist war total entspannt. Alles easy. Ein Kurs, der angeboten wurde, war „Selbstverteidigung für Frauen“. Das war überhaupt nicht mein Ding! Zum Einen, weil ich an die Methode an sich nicht glaube. Das ist vom Prinzip her wie „Versicherung“, sich gegen etwas versichern, gegen eventuell eintretende Schäden. Was heißt, dass man etwas befürchtet und sich für den Fall der Fälle durch Training oder Versicherung absichern möchte. Das bindet einen Teil meiner Energie an das jeweils Befürchtete. Und ich möchte nichts befürchten. Ich will vertrauen. Und genießen. Außerdem hätte ich in diesem Kurs, wenn schon, diese ganzen Übungen dann auch gerne mal „richtig“ ausgeführt! Also dem angreifenden Typen richtig den Arm hochgehebelt und ihn zu Boden gezwungen und ihm volles Rohr mein Knie in die Eier gerammt. Wir durften ja alles nur andeuten, damit es niemandem weh tut. … - Das mit der Ehre den Männern gegenüber ist sich 236 scheint’s noch am Ausbalancieren in mir. … - Da sind auch noch alte Verletzungen gespeichert, die Wut und Rachegelüste in mir auslösen. … - … - Wie dem auch sei: Als ich den Selbstverteidigungs-Trainer zum ersten Mal sah, stutzte ich. Denn der sah aus wie mein junger Nachbarssohn, der mich so lange mit Techno bombardiert hat … und auf den ja dieser Satz mit den Verletzungen, der Wut und den Rachegelüsten für mich genau zutrifft! Ich habe immer noch Angst vor ihm und gehe nicht einfach so, leichten Herzens, auf die Straße, wenn ich weiß, dass er sich dort aufhält. - Und jetzt kam da einer, der aussah wie er, und wollte mir „Selbstverteidigung“ beibringen!! … - Ich nahm das mit Staunen, Belustigung und Dankbarkeit zur Kenntnis. … - … - Und: Ich bin ja nun, wo ich dies schreibe, schon bald zwei Wochen wieder zuhause: Wir waren letztes Wochenende eingeladen, bei unseren Nachbarn. Die Mutter besagten Sohnes hatte einen runden Geburtstag und feierte eine größere Party im Garten. Durch Dirk ist unser verhärtetes nachbarschaftliches Verhältnis aufgeweicht, der hält immer ganz unverkrampften nachbarschaftlichen Smalltalk, wenn sie sich begegnen. Dennoch war ich sehr überrascht, als sie mich auf ihre Feier einlud. Ich ziehe meinen Hut vor ihr und rechne ihr das hoch an, denn das ist ein Schritt der Friedensschließung, den sie auf mich zugegangen ist. Ihr Sohn hat an diesem Abend nur mit Dirk gesprochen und mir überhaupt keine Beachtung geschenkt. Aber gestern, als ich vorm Haus in unser Auto einstieg, kam er über die Straße gelaufen, und … hob drei Finger seiner Hand, mir zum Gruß!! … - … - Ich bin echt beeindruckt! Von Euren Fähigkeiten, von Eurem Verhalten und von den Dingen, wie sie sich entwickeln. DANKE! … - Ich habe mich den Schritt auf Euch zu noch nicht getraut, obwohl ich gedanklich die Verbindung ein paar Mal aufgenommen hatte: Hand ausstrecken und sagen: „Komm, lass uns Frieden schließen.“ … - Vielleicht war das auch schon ein zu hoher Anspruch (an mich) oder zu kompliziert und jetzt hat es mein männlich-jugendlicher Nachbar einfach(er) gelöst: kurz die Hand gehoben und gegrinst. In der Kur habe ich beobachtet, dass, wenn ich eine Sache, die für mich „Thema“ ist, angehe, diese Sache mit einem Mal eine eigene Dynamik entwickelt. Andere Menschen mischen sich ein, sagen auch etwas dazu, und es geschehen Dinge, aus „heiterem Himmel“, die absolut meinem Anliegen und meinen Bedürfnissen entgegenkommen, in einer Art und Weise und einem Ausmaß, das mich einfach nur staunen lässt. Und ich vermute, dass diese Dinge nicht passiert wären, wenn ich mich gedrückt, nicht getraut und darauf gehofft hätte, dass sich mein Problem von selbst löst. Mein Problem in der Kur war Folgendes: Einige der Mütter ließen ihre Kinder während der Mahlzeiten, die morgens und abends gemeinsam mit den Kindern im Speisesaal stattfanden, währendem um die Tische laufen. Das störte mich. Zum Einen, weil ich finde, dass man während des Essens sitzenbleibt, und zum Anderen, 237 weil die Kinder, besonders zwei kleine Mädchen, das Ganze auch noch schreiend und rennend praktizierten, was mich nervte. Ich wollte in Ruhe essen. Außerdem fing Michel auch bald an, nach den herumlaufenden Kindern zu zeigen und stellte sich in seinem Stühlchen auf. Ich traute mich aber nicht, etwas zu sagen. … - … - Nach einer Woche, als wieder Abreisetag gewesen war, wurden die beiden kleinen Mädchen mit ihren Müttern an meinen Tisch gesetzt. – So ein Zufall aber auch! – Die Mütter fingen bei unserer ersten gemeinsamen Mahlzeit dann auch gleich noch an, sich über alles Mögliche zu beschweren: das sei eine Unverschämtheit mit dem Essen und wasweiß-ich-nicht-alles. Bla bla bla. Sie zogen lauthals vom Riemen. Ich fand das Essen okay und fand einfach nur die beiden unverschämt. Ihre Mädchen aßen übrigens beide kaum etwas. Damit hatten die zwei Frauen wieder ein Problem. … - Meines aber war: Ich traute mich nicht, etwas zu sagen, meine Bedürfnisse zum Ausdruck zu bringen, oder einfach nur meine Meinung zu sagen. … Ich bat um ein Einzelgespräch bei der Psychologin und konnte auch gleich am nächsten Tag zu ihr kommen. Sie fragte mich, wie es mir ginge, und ich fing an zu weinen und klagte ihr mein Leid. – Überhaupt war mir dort manches Mal zum Heulen, und ich weinte manchmal, einfach so, dann floss Druck ab. Der ganze angesammelte Druck der letzten Monate, und was-weiß-ich von wann alles, der sich auf meine Schultern gelegt und meinen Nacken steif gemacht hatte. – Ich berichtete der Psychologin von der aktuellen Situation und erzählte ihr auch noch, dass es für mich eigentlich immer und (fast? Oder wirklich??!) überall jemanden gäbe, vor dem ich Angst habe, der oder die mich einschüchterte und dem gegenüber ich mich nicht traute, meines zu sagen. Meine Eltern, meine Schwester, meine Nachbarn, Arbeitskolleginnen, Freunde …. … - Weil ich Angst habe, dass sie mir eins überbügeln, wenn ich mich einbringe. Das ist so oft geschehen: „Ach Du! Du hast aber komische Ansichten!“ „Du bist blauäugig.“ „Du bist unrealistisch.“ „Ha ha, die Sonja!“ Und wenn dann auch noch jemand so unverblümt und dreist vom Leder zieht, wie die beiden Frauen an meinem Tisch – dann traue ich mich erst recht nicht, weil ich Angst habe, angegriffen zu werden, wenn ich etwas sage. Die Psychologin sagte mir, dass ich das aber tun solle: meine Meinung sagen. Und die Anderen müssten das gar nicht gut finden. Aber ich solle es unbedingt machen, weil es ansonsten mir dauernd nicht gut ginge. Ich trage es die ganze Zeit mit mir herum, nicht die Anderen. … - Sie gab mir die Aufgabe, einmal am Tag meine Meinung zu sagen. … - … - Es ist nicht schwer. Es kostet nur ein bisschen Überwindung. … - „Nicht, weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer“, sagt Seneca. 238 … - Die nächste Mahlzeit nach meinem Gespräch mit der Psychologin war das Mittagessen, das ohne die Kinder stattfand, weil die im Kinderhaus zu Mittag aßen. Und auch die zwei besagten Frauen saßen bei dieser Mahlzeit nicht an meinem Tisch, denn mittags galt die Tischordnung nicht. Ich befand mich in neutraler Zone, in Gesellschaft von Menschen, die mir sympathisch waren oder die ich noch gar nicht kannte, weil sie gerade erst angekommen waren. Es entwickelte sich ein Gespräch, in dessen Verlauf ich gewahr wurde, dass da etwas besprochen wurde, das ich anders sah, als es die zum Ausdruck brachten, die darüber redeten. Und weil ich mir vorgenommen hatte, mich zu trauen und meine Meinung zu sagen, tat ich das. … Und: Es ist nichts passiert! Niemand hat mich angeblafft. Sie gingen auf mein Gesagtes ein - und redeten weiter. Und ich dachte: „Wow!! Nichts passiert!“ und sagte noch einmal etwas dazu. Ich wurde sogar ein bisschen leidenschaftlich in meinen Ausführungen, aber niemand hat mich angegriffen. … - … - … - Aber sonst war es doch immer … - … - … - Sollte das an meiner inneren Einstellung liegen?? … - … Nach dem Essen war ich jedenfalls … dankbar, erstaunt, erfreut, überrascht, was da geschehen war, wie einfach ich die Aufgabe umgesetzt hatte und wie viel das für mich bedeutete. Das eigentliche Phänomen kam aber erst noch. Beim Abendessen, das wieder mit den Kindern in der vorgegebenen Tischordnung stattfand, ergab es sich, dass die Mutter des einen Mädchens gerade zum Buffet gegangen war, und das Mädchen sich auf seinem Stuhl aufstellte, auf dem sie ausnahmsweise mal saß, und „Flugzeug“ spielte. „Jetzt bleib‘ doch mal sitzen!“ sagte ich zu ihr. „Das bringt so eine Unruhe hier an den Tisch!“ Und sie setzte sich weiß Gott wieder hin. Und ich war hin und her gerissen, freute mich zum Einen, dass ich mich trotz meines Herzklopfens getraut hatte etwas zu sagen, und haderte zum Anderen mit mir, dass ich es in Abwesenheit der Mutter getan hatte, denn eigentlich wollte ich es doch ihr sagen. Das Ganze war aber auch spontan aus der Situation heraus geschehen und die Mutter war nun mal nicht dabei gewesen. Und dass sich da gleich mein nächstes Thema zeigte, als Rattenschwanz am Ich-trau-mich-nicht-mich-zu-behaupten, am Ich–trau-mich-nichtich-selbst-zu-sein, das erkannte ich erst später. Iris, die schon vom ersten Tag an mit an diesem Tisch saß, fragte mich hinterher, was mit mir los sei, so kenne sie mich gar nicht, dass ich so direkt sei, und ich dachte: „Hä? Woher weiß die das?“ und erzählte ihr von der Aufgabe, die mir die Psychologin gegeben hatte. Jedenfalls: Auf einmal hatte sich etwas verändert. Ich vermute, dass das Küchenpersonal, das sich während der Mahlzeiten auch um den Speisesaal kümmerte, vielleicht etwas gesagt hatte, dass es zu unruhig sei, wenn die Kinder während des Essens herumrennen, denn mit einem Mal saßen die zwei Mädchen, die ja auch erst 239 drei Jahre alt waren, beim Essen in Hochstühlen. Da konnten sie nicht mehr einfach aufspringen und weglaufen. Und ihre Mütter kümmerten sich auch ein wenig um sie, anstatt wie vorher, wenn die Kinder sich verweigerten, zu seufzen, die Augen gen Himmel aufzuschlagen und mit den Schultern zu zucken. – Und Iris legte sich mächtig ins Zeug! Die war mit einem Mal nur noch am zurechtweisen und Grenzen setzen! Und was noch erstaunlicher war: Die zwei Mütter reagierten darauf zugänglich und freundlich. … - Ich wohnte dem Ganzen nur noch bei und staunte. … … - Und das ist noch längst nicht alles. Am nächsten Tag bekam eines der beiden Mädchen eine Blasenentzündung. Sie musste dauernd in die Hose machen und es wurde so schlimm, dass sie stationär ins Krankenhaus gebracht wurde. Natürlich mit Mama. Dann waren beide eine Woche lang weg. Und die zwei anderen, Mutter und Tochter, reisten im Laufe dieser Woche ab, weil ihre Zeit um war. Vorher durfte ich aber noch Einblick erhalten, warum was wie war. Ich war mit dieser Mutter zusammen in einem Erziehungs-Kurs und ich erkannte, dass sie nicht einfach nur „blöd“ und gleichgültig war, sondern dass alles seine Ursachen hat. Und ich erkannte auch, was für ein Glück es ist, dass Michel so ist, wie er ist, und dass Dirk so ist, wie er ist. … – Seit ich wieder zuhause bin, mische ich mich nicht mehr ein, wenn Dirk mit Michel was am Klären ist, auch nicht, wenn Michel darüber anfängt zu weinen. Ich weiß, dass ich Michel seinem Vater anvertrauen kann. Und ich bin dankbar für Dirks Hinsehen, wenn etwas schief läuft, seine Konsequenz und väterliche Strenge. Das kommt uns allen dreien zugute. Er erspart uns damit viel unklares und aufreibendes „Wischiwaschi“ in der Erziehung. Michel hat vor seinem Vater wirklich Respekt. Und ich glaube, dass er ihn gleichzeitig mächtig liebhat. …-…-…Und Michel und ich … während der Kur … mir ist das erst hinterher bewusst geworden, als ich jemandem von unserer Kur erzählte: Uns ging’s richtig gut miteinander. Ich hatte meine Freude an ihm. Klar, es lief nicht ständig alles rund, er war auch mal nörgelig und hat nicht immer nur das gemacht, was ich gerne gehabt hätte. Aber ich war alleine verantwortlich, habe die Dinge gehandhabt nach bestem Wissen und Gewissen, und das lief prima. Wir waren ein gutes Team. Es gab auch Situationen, in denen er sehr geweint hat, z.B. am ersten Abend in der neuen Umgebung oder ein paar Tage später, als er krank war. Ich habe ihn dann gehalten und getröstet, er ist in meinen Armen eingeschlafen und später habe ich ihn in sein Bettchen gelegt. Hier zuhause macht das oft Dirk. Wenn Michel bei mir schon so lange geweint hat, wenn mal was ist, wenn er krank ist, dann kommt Dirk und löst mich ab oder er ist eh schon die ganze Zeit dabei und übernimmt Michel und Michel schläft dann bei ihm ein. … - … - Drei Wochen lang nur zu zweit zu sein, hat unserer Mutter-Kind-Beziehung gut getan. Uns ging es gut miteinander. Wir hatten unseren 240 Spaß und unseren … Rhythmus … Ruhezeiten, Ausgleichszeiten, Spielen, Unterwegssein …. Und ich bin kompetenter geworden in meiner Erziehung. - Ich hatte das Gefühl, dass ich das richtig gut mache. Dass wir das richtig gut machen. …-…-…Rennen beim Essen, 2. Akt: Wenn ich gedacht hatte, dass durch die Abreise der einen und den Krankenhausaufenthalt der anderen Ruhe einkehren würde, hatte ich mich geschnitten: Die einen waren abgereist und die nächsten kamen an: Gleich Mittwochabends beim Essen rannten neue Kinder durch den Speisesaal. Vier Stück. (Sechs Kinder waren angekommen. Vier rannten herum, zwei blieben sitzen.) Und ich dachte: „Hier muss wohl immer die gleiche Energie sein, nur Ruhe geht scheinbar nicht, muss auch immer der Gegenpol präsent sein.“ … - Ich sagte erstmal nichts, aber ich merkte sehr wohl bald, dass das nicht aus Gründen des Lass-sie-erstmalankommen geschah, sondern dass ich mich wieder nicht traute. … Immer schlucken … ruhig sein … ducken. Mein altes Muster: Ich schlucke meine Wut herunter. Und mir geht es schlecht. … … - Jetzt kamen die Hinweise, die Hilfe und die Unterstützung von allen Seiten: Zuerst fiel mein Blick am nächsten Tag, als ich in der Fangopackung lag, auf ein Plakat, das dort an der Wand hing: Die menschliche Wirbelsäule war darauf abgebildet und zu jedem Wirbel zeigte ein Pfeil an dessen Ende ein kurzer Text stand, der erläuterte, welche geistigen Ursachen bei der Person zugrunde liegen können, die in diesem Bereich eine Blockade oder Beschwerden hat. Auf den Halswirbel, der mir Beschwerden bereitete, zeigte ein Pfeil auf dem stand: „Kann sich nicht wehren, leidet still.“ … - Im Anschluss an die Fango (und Massage) stand auf meinem Behandlungsplan eine Gesprächsgruppe unter der Leitung der Psychologin. Ich brachte mein Thema dort ein und sie forderte mich natürlich wieder dazu auf, mein Anliegen zu äußern. Zudem ging es den anderen Teilnehmerinnen der Gruppe ähnlich wie mir, die herumrennenden Kinder störten sie auch. – Aber dass es jemand anders für mich regelte, das ging in dem Fall natürlich überhaupt nicht!! … Nach dieser Gesprächsgruppe fand noch eine Yogastunde statt. – Spätestens da ging mir ein Licht auf, dass die Kräfte wieder am wirken waren. Denn wir waren nur zu zweit, mit der Kursleiterin zu dritt. Ich hatte erwartet, einige der neu angekommenen Frauen in diesem Kurs anzutreffen, aber es kam niemand mehr dazu. Die Kursleiterin fragte uns nach unserem Befinden und was wir uns wünschen würden für diese Stunde. Und es wurde, auf Anregung meiner Mitteilnehmerin hin, eine Stunde ganz für mich. Wir besprachen mein Thema, dass ich meine Stimme erheben möchte. Und nachdem wir ein paar Silben und Mantren getönt hatten, meinte die Kursleiterin, dass meine Stimme durchaus vorhanden, ich aber anscheinend blockiert sei. Wir klopften uns ab, nach einer von ihr angeleiteten Methode, wobei ich merkte, 241 dass sich in mir etwas löste und veränderte. Dann machte sie noch ein paar entsprechende Yogaübungen mit uns, zur Erdung, zum Ausgleich und zur Kräftigung: „Hier bin ich, ihr müsst mit mir rechnen!“ Was sie uns während der Ruhephase zum Abschluss der Stunde erzählte, weiß ich nicht mehr, aber danach war ich gelassen, gestärkt und dankbar und ging mit dem Vorsatz, mein Anliegen noch vor dem Essen an die Frau zu bringen zum Mittagessen. Damit ich es währendem nicht wieder mit kaue und schlucke. Zwei der drei Mütter der rennenden Kinder saßen schon zu Tisch, als ich den Speisesaal betrat. Ich holte mir ein Glas Wasser und bevor ich mein Essen abholte, setzte ich mich auf einen freien Stuhl neben die beiden und sagte, was ich zu sagen hatte. Etwa so: „Ich möchte euch etwas sagen: Könnt Ihr bitte Eure Kinder beim Essen eine Weile am Tisch sitzen lassen? Mich stört das, wenn die dauernd rumrennen. Ich würde gern in Ruhe essen. Und Michel guckt sich das ab und steht auch schon in seinem Stühlchen auf und will nicht sitzen bleiben.“ – Die beiden Frauen sehen mich an. „Die ist aber so hippelig“, sagt die Eine und meint ihre Tochter. „Es sind halt Kinder“, sagt die andere und schaut böse. Mir klopft das Herz und ich habe, glaube ich, Wahrnehmungsstörungen, sehe und höre nicht richtig, wie durch Watte. „Ja. Okay“, sage ich, „ich wollte Euch das mal sagen.“ Und dann lächele ich sie noch mal an und stehe auf und gehe mein Essen holen. „Hattest Du gerade ein Gespräch mit der Psychologin?!“ ruft Iris quer durch den Raum. Und ich denke:“ Oh nein!! Was sag‘ ich denn der jetzt?“ Und ich sage: „Nein. Yoga.“ Und dann habe ich mein Essen und setze mich hin und esse und denke - nein: meine innere Antreiberin spricht zu mir: - „Mensch, jetzt hast Du das gemacht und Dich getraut, was zu sagen, und hast es so versiebt! Die eine Mama, die es auch betrifft, war ja gar nicht da! Und dann hättest Du noch mal auf das, was die beiden gesagt haben, antworten sollen! Du warst ja viel zu aufgeregt und deshalb unklar!“ Aber Elisabeth, die vorher mit mir im Yoga war, sitzt mir gegenüber und hebt irgendwann ihren Daumen: „Das hast Du gut gemacht!“ Und nach dem Essen, als die anderen schon weg sind, sagt sie auch noch, dass sie meine Antwort an Iris klasse fand. Und ich erzähle ihr von meinen Zweifeln. Sie aber meint, das sei gerade gut gewesen so, wenn ich noch etwas darauf gesagt hätte, wären wir bloß ins Diskutieren gekommen und dann wäre mein Anliegen wahrscheinlich viel eher wieder verwaschen gewesen. … - Aha. Na gut. … Nach dem Essen bin ich auf mein Zimmer und habe mir ein Bonbon geholt. Das war zur Belohnung, einfach dafür, dass ich es gemacht hatte, dass ich was gesagt hatte. Dann geschah wieder das Phänomen: Ich stelle mich der Herausforderung und die Sache entwickelt eine Eigendynamik. Am darauffolgenden Tag landete mittags ein Rettungshubschrauber vor dem Klinikgelände. Es sprach sich gleich herum, dass der kleine Sohn der „Es-sind-halt-Kinder“-Mama gekrampft hatte und bewusstlos von der Schaukel gefallen war. Er war eine Weile nicht ansprechbar gewesen und der 242 Hubschrauber nahm ihn mit und brachte ihn, zusammen mit seiner Mutter, in eine Klinik. Die Mutter war, als er gekrampft hatte, gar nicht bei ihrem Kind gewesen, sondern hatte es in der Obhut eines größeren Kindes gelassen. Der Kleine war ungefähr so alt wie Michel, etwa zwei Jahre alt. … - Die beiden waren dann weg. Ich habe sie nicht mehr zu Gesicht bekommen. … Das entspannte die ganze Lage, es trug dazu bei, dass sich keine zwei Parteien bildeten. Ich kam sogar das eine und andere Mal noch ins Gespräch mit den beiden anderen Müttern der „Renn-Kinder“ und unsere Gespräche hatten dann auch andere Themen. Vielleicht ist dieses „zweite Mal Renn-Kinder“ für mich deshalb noch einmal gewesen, damit mir der weiter oben erwähnte Rattenschwanz auch noch bewusst wurde: mein himmelhoher Perfektionsanspruch. An mich. An andere. … - Ich will das nicht weiter analysieren. Ich hab’s gecheckt. … Ich werde es mir jetzt einfacher machen. … Es einfach machen. In der doppelten Bedeutung. …-…-…Als es wieder Mittwoch wurde, kam Dirk und holte uns ab. Nachhause. Ich ging umher und verabschiedete mich von allen. Zum Schluss sagte ich den Bauarbeitern Tschüss. Seit zwei Jahren ist überall, wo ich hinkomme, Baustelle: Bei Michels Geburt war Baustelle in der Frauenklinik, bei uns zuhause reicht eine Baustelle der nächsten die Hand, auf den Lahnbergen in Marburg: Großbaustelle, in der Kur: Großbaustelle, auf den Straßen, die ich entlangfahre ist eine Baustelle an der anderen und bei meinem Nachbar steht jetzt auch ein Gerüst am Haus. … - … - Und ich selbst, ich fühle mich auch so: als würde an mir gebaut, entrümpelt, als würde ich in meinem tiefsten Inneren umgepflügt. All das Alte wird abgetragen, damit hervorkommen kann, was hervorkommen will. Es wird alles neu und schön und noch nie dagewesen. Einfach, praktisch, verspielt und magisch. So, wie ich es mir baue, aber noch viel mehr: wie es sich mit viel Liebe fügt. 243 Wieder zuhause Jetzt sind wir schon seit ein paar Wochen wieder zuhause. Meine Mit-Kurenden der letzten Woche meiner Kur müssten auch alle wieder daheim sein, auch wenn sie verlängert hatten. … Die ersten Tage daheim war ich ganz euphorisch, in einer Jetzt-ist-alles-gutÜberzeugung. Und es war auch alles gut. Dirk war so einfühlsam und zuvorkommend. Ich bemerkte, wie er manches Mal bewusst freundlich war, wo er sonst immer mürrisch gewesen war. Und er hat auch alles gemacht, was er sonst nicht immer macht, und was mich zufrieden sein lies. Abends lagen wir zusammen im Bett und sahen fern oder redeten, wir aßen gemeinsam, er kümmerte sich viel um Michel. Wir schliefen oft miteinander. … Naja, nun bin ich fast vier Wochen wieder zuhause und mittlerweile hatten wir auch wieder Streit, weil wir das hohe Level nicht haben halten können. Und mich hat wieder die Wut gepackt. Wegen soviel Ignoranz und … was weiß ich. Ich meine, da sei Ignoranz und Unwillen, Verweigerung, aber: Weiß ich denn, was es wirklich ist? … - … - Ich glaube, dass es niemand böse mit mir meint. Dirk schon mal gar nicht. Und ich erkenne immer mehr, dass ich (einfach) anders damit umgehen muss, mit solchen Situationen. Ich weiß, ich wiederhole mich. Aber die braucht es auch, die Wiederholung. Von einem Mal habe ich es nicht gelernt. Dafür habe ich es zu oft und zu lange anders gemacht: andere verantwortlich gemacht, gejammert, mich verzweifelt als Opfer gebärdet. … - Aber das kann es nicht sein. Für mich und mein Leben, für meine Gefühle und Empfindungen, für das, was ich denke, ist niemand verantwortlich außer mir selbst. Ich übernehme jetzt die Verantwortung. Ich mache das einfach. Es betrifft ja nicht nur Dirk. Ich bin hier ein paar Tage lang von allen möglichen Leuten versetzt und enttäuscht worden. Vielleicht sollte mir das das Ganze noch mal drastisch klarmachen: dass niemand anders die Verantwortung hat, für das, was mich betrifft. Und dann zu jammern und um mich zu treten hilft mir auch nicht weiter. Im Gegenteil, es schwächt mich. … Das ist auch Entrümpelung, das so klar zu erkennen. Ja. Es sind lauter Prozesse, das Leben wächst und verändert sich langsam, nicht sprunghaft. … Aber auf einmal ist es dann doch da! Das Wunder. Dann haben wir es erkannt, freigeschaufelt und angenommen. Wir haben uns verändert. Aber auch während wir am Schaufeln sind und uns abmühen und meinen, dass wir vielleicht gar nichts bewirken können oder das Gefühl haben, alles sei irgendwie kleinlich, auch dann können wir vertrauen und liebevoll sein, mit dem was ist und mit 244 uns selbst. Das ist in dem Moment vielleicht das Großartigste, das wir tun können: einfach mit allem sein, in Liebe, in Gelassenheit, ohne Gegenwehr. Annehmen und vertrauen. So wie es ist, wird es gut sein, und so nehme ich es jetzt an. Finale mit happy open End Wir haben zwei neue, vierbeinige Weggenossen, Hundenasen, und wir haben sie Pepsi und Zoe genannt. Die beiden sind schon ausgewachsen, aber noch jung. Sie brauchen noch Erziehung und was zum Drauf-rum-Kauen, so wie Michel. … Es ist ein bisschen so, als hätten wir noch zwei Kinder im Haus. Puh! Das habe ich nicht bedacht. Es war eine Spontan-Annahme mit den Hunden und ich habe mich schon gefragt, ob ich da richtig gehandelt habe. Es ist anstrengend (aber nicht nur!) und mein Verstand sagt: „Ohne Hunde war es einfacher.“ Aber meine Seele und mein Herz meinen, dass es vielleicht Schröder und Sister sind, denn Zoe sieht aus wie Schröder als Welpe, als sich seine Ohren noch nicht aufgestellt hatten, und Pepsi ist genauso quirlig, wie es Sister in jungen Jahren war. … Wir sind Weltenwanderer und kommen immer wieder zusammen. … - Die Katzen brauchen etwas Zeit, sich an die zwei Rabauken zu gewöhnen. Findus und Miezi kommen schon von alleine wieder hoch in den Flur, wo nun auch die Hunde ihren Platz haben. Nur Flöckchen bleibt von sich aus noch lieber sicherheitshalber im Keller. An einem Tag habe ich ihn gar nicht gesehen und ich machte mir schon Sorgen, wo er abgeblieben sei. Mein (blödes) Kopf-Kino sabberte: „Vielleicht hat ihn der Jagdpächter erschossen“, denn das letzte Mal hatte ich Flöckchen gesehen, als ich mit den Hunden Gassi war: Er stand auf einem Feldweg am Ackerrand und der Jagdpächter kam angefahren und bog in diesen Weg ein, um zu seiner Hütte zu fahren, die auf Papas Baumstück steht. – Da sitzt er Gott-sei-Dank ohnehin meisten drin, mit Freunden beim Schoppen, anstatt auf die Pirsch zu gehen. - … Am nächsten Tag fragte ich Dirk, ob er Flöckchen gesehen habe, und der sagte Ja, Flöckchen sei gerade im Hof gewesen. Ich erzählte ihm von meiner Angst, dass ich befürchtet habe, der Jäger habe ihn erschossen. Dirk sah mich an, mit so einem Bist-du-balla-balla-Blick und sagte: „Warum sollte der eine Katze erschießen?“ „Weil er ein Jäger ist“, sagte ich – und dann mussten wir beide lachen. … Ich habe also immer noch Unrat im Kopf. Un-Rat. Aber es ist schon bedeutend besser geworden! Sehr bedeutend! Und wenn ich mir über den Mist, der da noch ist, 245 bewusst werde, dann ist es ja gut, dann kann ich ihn wegfegen. Und auf den anderen Rat hören. Den der weiß, dass alles gut ist. Dirk hat wieder Arbeit. Und auch ich werde ab August wieder 40 Stunden im Monat in der Kindergruppe arbeiten. Wir verlassen also die finanzielle Talsohle und ich muss schon sagen, dass mir das Sicherheit und Stabilität gibt. Ich merke das richtig als körperliches Empfinden im Bauch. Michel geht ab September in den Kindergarten! Halleluja! Was für Aussichten! Das wird uns gut tun! Es wird ihm hier langsam langweilig. Er scheint mir manchmal etwas unterfordert. Ich bringe es nicht, ihn andauernd zu beschäftigen und er braucht einfach auch mal andere Menschen zum zusammen-sein. Und ich brauche Zeiten ohne Michel, danach können wir auch wieder viel besser miteinander sein. Ich habe das gemerkt, als die Babysitterin das erste Mal da war. - Ja, wir haben jetzt eine Babysitterin! - Das ist so klasse! Als sie zum ersten Mal hier war, hat sie mit Michel gespielt, Michel war ganz vergnügt mit ihr und ich habe in aller Seelenruhe die im Haus verteilten Küchen-Sachen in die neuen Schränke eingeräumt. Drei Stunden lang. Und danach war ich ganz vergnügt und entspannt mit Michel und habe ihn beim InsBett-gehen sogar ein bisschen mit der Bürste, die uns der Ergotherapeut gegeben hat, massiert, was wir sonst in unserer Routine nicht tun. Das hat uns beiden gefallen und gut getan. Gestern war die Babysitterin zum zweiten Mal da und ich habe erst ein paar Bilder in der Küche aufgehangen und war dann im Fitness-Studio. Bis ich nachhause kam, lag Michel schon im Bett und schlief. Ich erlebe das als sehr angenehm und diese drei Stunden Babysitten schaffen mir einen Ausgleich, der mich die ganze Woche über entspannter sein lässt. Unsere neue Küche ist so gut wie fertig, es fehlen noch die Abschlussleisten zum Fußboden und ein paar Kindersicherungen an den Schubladen und Schranktüren. Das Haus ist wieder aufgeräumt und sauber. Keine außergewöhnlichen Belastungen mehr. Partyraum und Freisitz nehmen auch Gestalt an. Michel liegt in seinem Bettchen oben zum Mittagschlaf, aber ich höre ihn schon quaken, er ist wieder wach. Zu meinen Füßen, auf dem gelben Teppich, spielen Pepsi und Zoe miteinander. Dirk ist draußen und mauert am Partyraum. Am Montag tritt er seine neue Stelle an. Ich hole jetzt Michel aus dem Bett und mache uns was zu essen. Was Einfaches. Heute Nachmittag bekommen wir Besuch, dann gibt’s noch Kuchen. ☺ 246 Sommersonnenwende In drei Tagen ist Sommersonnenwende. Das Jahr ist um. Mein Buch ist fertig. Ich hab’s gemacht! Mein Herz jubelt. Es ist gut! Zum Schluss nehme ich mir noch die dichterische Freiheit und benenne alle um. Nur den engsten Kreis nicht, das heißt alle Zwei- und Vierbeiner, die mit mir hier im Haus wohnen. Wir heißen wirklich so. Die anderen heißen anders. Aber es gibt sie alle. … Lauter auf die Erde gekommene Kinder des Himmels 247 ☺ Mutter: „Bist du dir im Klaren, dass Gott anwesend war, als du den Keks in der Küche geklaut hast?“ Kind: „Ja.“ Mutter: „Und, dass er dich die ganze Zeit über angeschaut hat?" Kind: „Ja." Mutter: „Und was meinst du, hat er zu dir gesagt?" Kind: „Er sagte: Niemand ist hier, außer uns beiden - nimm zwei." ☺ 248 Literaturverzeichnis (1) „Das Manuskript der Magdalena“, Tom Kenyon und Judi Sion, KOHA (2) Shakti Loos-Welzenbach, Erläuterungen zum Tzolkin (3) „Grenzbereiche des Lebens“, Lyall Watson, S. Fischer Verlag (4) www.esoterium.de: Karen Bishops Energy-Alert vom 9. Juli 2008 (5) „Voyager Tarot“, James Wanless, Ken Knutson, Integral Verlag (6) „Engel – Himmlische Helfer“, Kimberly Marooney, Windpferd (7) Susanne Marschner, www.TanzderSeelen.eu (8) „Außergewöhnlich“, Conny Rapp, Paranus Verlag (9) „Das Leben ist schön.“, Simone Fürnschuß-Hofer, G&S Verlag (10) „Lipshitz“, T Cooper, marebuch, Fischer Taschenbuch Verlag (11) „Lebendige Beziehungen JETZT!“, Eckhart Tolle, J. Kamphausen (12) www.shouds.de: „Vier Männer in der Wüste“ (13) „Karten der Kraft“, Jamie Sams und David Carson, Windpferd (14) www.esoterium.de (15) Duden, Fremdwörterbuch, Band 5, Dudenverlag (16) „Yoga für Körper, Geist und Seele“, Gertrud Hirschi, Bauer (17) Adventskalender 2008 von Shakti Loos-Welzenbach (18) Duden, Rechtschreibung, Band 1, Dudenverlag (19) Meyers großes Taschenlexikon in 24 Bänden, Band 18, (20) ebd. Band 12 (21) „Josef, es ist ein Mädchen!“, Coppenrath 249 (22) „Tarot - Spiegel der Seele“, Gerd Ziegler, Urania Verlags AG (23) Die Bibel, 1972 by Württembergische Bibelanstalt Stuttgart (24) Kreis-Anzeiger für Wetterau und Vogelsberg, 21. März 2009, S. 33 (25) Neo- Orakel bei www.osorakel.de (26) Das Konzept Schuld (durch SaiJaRa), www.sternenkraft.at 250 Seite Inhaltsverzeichnis Erster Teil, Juni bis November 2 Einführung 3 19. Juni 2008 4 25. Juni 2008 5 24. Juli 2006, Tag X 7 Wie es weiterging … 11 … und die Feinheiten zwischendurch 14 9. Juli 2008 15 Drei Wege 17 Adolf Hitler im Raps 22 Die Krone des Königs 24 Etwas ganz Neues 27 Im Fluss sein 28 Michels Geburt 30 Holy child 32 Wir haben ein Kind mit Down-Syndrom 33 Freiheit / 4. August 2008 38 Rapper-Space 40 25. Juli 2008 40 5. und 6. August 2008 / Noch mehr Freiheit 45 Beziehungskiste 48 251 Borsdorfer Apfel 50 Schröder 51 Geschehnisse am Tag und Träume in der Nacht 55 Me and Michel Mc Gee 59 Olympiade in Nidda 63 To sing an opera 65 Sturm (am Tag der Mondfinsternis) 66 Herbst im August 69 Rapper, Punker, Prinz Albert und was ich damit zu tun habe 72 Oma 79 Das mit der Suche 80 Mittwochabend Anfang September 83 Alles passt perfekt zusammen – Lucy 87 Cauac 89 Über kurz oder lang 94 Mainstream, Träume, Filme 97 Primitiv, aber glücklich 99 Stücke im Ganzen 101 „Hattest Du keine Angst?!“ 109 Die Wut und das Lachen 113 Der Borsdorfer Apfel und das Paradies 116 So weit, so gut 118 252 Das Buch im Buch 121 Zwei Schwestern 121 Mama 124 Sieben Raben oder lauter Ungeheuer? 126 Das mit dem Down-Syndrom 129 Ende 132 Zweiter Teil, Advent bis Ostern 134 Quinten 136 „Es ist und es ist nicht“ 142 Das Leben lehrt uns die Dinge, auf die es ankommt, ganz von selbst … 143 … featering Verzweiflung am dritten Advent 144 20. Dezember 2008 149 Vierter Advent 152 And so this is Christmas … 155 Den Kopf verlieren 158 Sich keinen Stress machen 162 Den Kopf verlieren, Teil 2 164 „Gesunde“ Zwänge – Hinsehen, was wirklich ist 169 253 Wer wirklich unter’m Bett liegt 172 „Gesunde“ Zwänge, Teil 2 174 Chaos in Laos – äh, in Borsdorf 179 Und dann hat man’s auch noch eilig Endzeit 182 184 Zwischendurch 186 Behindert? – Oder begnadet! 192 Luna 194 Mua 196 Der Samen 198 Durchbruch 200 Das mit Gott 204 Die Geburt der Göttin 208 Oma und die Liebe 209 „Michel ist ein kleiner Promi!“ 210 Wer hat Angst vor’m schwarzen Mann … 212 Niemand!! 214 Schutthaufen 218 Weltpremiere 220 Auf den Lahnbergen 224 Das mit Dirk 226 Das mit Gott, Teil 2 228 Wollen, Schuld und Freiheit 230 254 Dritter Teil, Mai … 233 In den grünen Wäldern des Saarlands 234 Wieder zuhause 244 Finale mit happy open End 245 Sommersonnenwende 247 Literaturverzeichnis 249 255 www.sonjas-schreibkammer.de.tl e-Mail: [email protected] © Sonja Kammer 2009 Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt ISBN 978-3-8391-2345-4 256