Kapitel 7 - Informatik - FB3
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Kapitel 7 - Informatik - FB3
Komplexitätstheorie Kapitel 7: Orakel Einleitung Ein Gedankenexperiment: • Nimm an, Programm A rufe Unterprogramme B1,...,Bn auf • Wir haben ein Orakel, das wir nach den Bi befragen können • Orakelantwort kommt nach 1 Schritt zurück (ohne extra Speicherbedarf) Ermöglicht Analyse der Kosten für A relativ zu den Kosten der Bi Orakel erlauben feinere Komplexitätsanalyse mancher Probleme: • Struktur der Standard-Komplexitätsklassen wird verfeinert • Einige Orakelklassen haben natürliche vollständige Probleme Orakel haben wie Nichtdeterminismus theoretischen Charakter 2 Kapitel 7 Die Polynomielle Hierarchie (PH) 3 PH (N)LogSpace, NC, AC, etc: reiche Struktur innerhalb von P Die polynomielle Hierarchie liefert Struktur zwischen P und PSpace Wichtiges Problem für Schaltkreisentwurf: Definition Minimal Circuit (MC) Schaltkreis C ist minimal wenn |C | |C| für alle C , die äquivalent zu C sind, also gleiche Anzahl n von Eingabebits und C(w) = C (w) für alle w ⇥ {0, 1}n MC ist Menge aller minimalen Schaltkreise. Was ist die ”richtige” Komplexitätsklasse (Vollständigkeit!) für dieses Problem? 4 PH Offensichtliches “Teilproblem” ist CEQ := {(C, C ) | C äquivalent zu C } Lemma CEQ ist co-NP-vollständig. Betrachte wieder MC: • Ist in NP wenn wir einen CEQ-Algorithmus als Unterprozedur ohne Zeitverbrauch verwenden • Wir können beide Algorithmen nicht zu einem NP-Algorithmus vereinigen, weil der NP-Algorithmus einen co-NP-Algorithmus aufruft (⇤⇥-Charakteristik) Derartige Probleme sind offensichtlich in PSpace. Man kann deren Komplexität aber noch exakter bestimmen 5 Orakel Orakel: Unterprogramm, dessen Zeitverbrauch ausgeblendet wird, dargestellt als formale Sprache Definition Orakel-TM Eine Orakel-TM (OTM) M O ist eine (deterministische oder nicht-deterministische) TM M ausgestattet mit einem Orakel O ⇥ ⇥ . OTM hat • ein zusätzliches Orakelband • drei spezielle Zustände q? , q+ , q . Für q+ und q sind normale Transitionen definiert. Der Folgezustand von q? ist q+ wenn das momentane Wort auf dem Orakelband in O ist und q sonst. Kopfposition und Bandinhalte bleiben dabei unverändert. Also schon gesehen: MC wird von Polyzeit-beschränkter ONTM akzeptiert wenn O=CEQ 6 Orakel Orakel-TM ist ebensowenig realistisches Berechnungsmodell wie nicht-deterministische TMs Dennoch können mittels Orakel-TMs natürliche Komplexitätsklassen definiert werden (natürlich = erfassen viele natürliche Probleme) Orakel-TMs können auch verwendet werden, um komplexitätstheoretische Annahmen zu formalisieren, z.B.: • wenn SAT in konstanter Zeit lösbar wäre, welche anderen Probleme wären dann effizient lösbar (in Polyzeit mit SAT-Orakel)? • wenn das Halteproblem für Turingmaschinen H entscheidbar wäre, welche anderen Probleme wären dann entscheidbar (von TM mit H-Orakel) 7 Orakel Definition Orakel-Komplexitätsklassen Sei O ⇥ ein Orakel. Dann: • PO := {L | L wird von ODTM M O in poly-Zeit entschieden } • NPO := {L | L wird von ONTM M O in poly-Zeit entschieden } Sei C Komplexitätsklasse. Dann: P := C O P NP := O⇥C Schon gezeigt: MC C NPCEQ , also in MC NP O O⇥C NPco-NP Leicht zu sehen: NPco-NP = NP NP 8 PH Einige Beispiele: • PP = P, NPP = NP; (Integriere Orakel in OTM) • NP NP = NP ist hingegen nicht klar, denn co-NP ✓ P co-NP =P NP ✓ NP NP • PNP = PSAT und ebenso für jedes andere NP-vollständige Problem (Genügt zu zeigen: PO ✓ PSAT mit O 2 NP integriere dazu Reduktion O p SAT in OTM) co-NPC verwenden wir für NPC 9 PH: Definition Die polynomielle Hierarchie entsteht nun durch iteriertes Orakelanwenden Definition Polynomielle Hierarchie • p 1 = P, ⌃p1 = NP, ⇧p1 = co-NP, • Für k 1 sei – p k+1 – ⌃pk+1 ⇧pk+1 – =P ⌃p k = NP ⌃p k = co-⌃pk+1 10 PH: Bild und einfache Eigenschaften .. . p 3 p 2 = NP NP p 2 p 2 p 1 =P NP NP Echtheit der Inklusionen ist unbekannt. = PNP p 1 = NP p 1 = co-NP NP = co-NP =P Lemma Für alle k ⇥ 1 gilt: p k ⇤pk p k+1 und p k ⇥pk p k+1 11 Die Klasse PH Es gibt auch eine Klasse für die gesamte polynomielle Hierarchie: Definition Polynomielle Hierarchie PH = k 1 p k Die polynomielle Hierarchie liegt zwischen P und PSpace: Theorem PH PS PACE 12 Kollaps der PH Viele Resultate in der Komplexitätstheorie beziehen sich auf die Echtheit der Inklusionen in der polynomiellen Hierarchie Die polynomielle Hierarchie kollabiert wenn PH = p k für ein k 1 Lemma Wenn Also: p k = p k 1 = p k+1 , p k dann PH = p k. schwächere Annahme als p k = p k+1 und P = NP schwächste aller dieser Annahmen Anders formuliert: PH kollabiert am ehesten weit oben! Theorem Wenn PH = PS PACE, dann kollabiert PH. 13 Eine nützliche Eigenschaft Eine Aussage über eingeschränkte Interaktion mit dem Orakel Lemma Sei M O eine Polyzeit-ONTM mit Orakel O 2 ⌃pk mit q+ = qacc (d. h.: M O akzeptiert, sobald eine Orakelfrage positiv beantwortet wird). Dann gilt: L(M O ) 2 ⌃pk . Idee: • rate Orakelantworten im Voraus • integriere O-Berechnung – verwirf bei abweichenden Antworten sofort Analoge Aussage per Komplementierung: Lemma Sei M O eine Polyzeit-ONTM mit Orakel O 2 ⇧pk mit q = qrej . Dann gilt: L(M O ) 2 ⇧pk . 14 Kapitel 7 Logische Charakterisierung der Polynomiellen Hierarchie 15 Charakterisierung PH Zur Erinnerung: L 2 NP gdw. es gibt Polynom q und L0 2 P mit L = {w | 9u 2 {0, 1}q(|w|) : (w, u) 2 L0 }. Folgende Charakterisierung generalisiert Definition von NP Theorem L 2 ⌃pk gdw. es Polynom q und L0 2 P gibt, so dass L = {w | 9u1 2 A . 8u2 2 A . 9u3 2 A . . . Quk 2 A : (w, u1 , . . . , uk ) 2 L0 }, wobei A = {0, 1}q(|w|) und Q der sich durch Alternierung ergebende Quantor. Die Klassen der polynomiellen Hierarchie werden also mittels logischer Ausdrückbarkeit beschrieben Frage nach Echtheit der Inklusionen in PH: liefern zusätzliche Quantorenalternierungen zusätzliche Ausdrucksstärke? 16 Charakterisierung PH Lemma Für L ⇤ ⇤⇥ gilt L ⇧ ⇤pk gdw. es gibt Polynom p und Relation R ⇤ ⇤⇥ so dass ⇥ • (w, b) ⇧ R impliziert |b| ⌅ p(|w|) • R ⇧ ⇥pk 1 (wobei ⇥p0 := P) • L = {w | ⌃b : (w, b) ⇧ R} Idee: • Induktion über k • Der Fall k = 1 folgt direkt aus Definition NP • In ”⇥” ist der Beweis b eine Berechnung der NTM zusammen mit Beweisen für die ”ja”-Antworten des Orakels (induktiv) 17 Charakterisierung PH Korollar Für L ⇤ ⇤⇥ gilt L ⇧ ⇥pk gdw. es gibt Polynom p und Relation R ⇤ ⇤⇥ so dass ⇥ • (w, b) ⇧ R impliziert |b| ⌅ p(|w|) • R ⇧ ⇤pk 1 (wobei ⇤p0 := P) • L = {w | ⌃b ⇧ ⇥ mit |b| ⌅ p(|w|) : (w, b) ⇧ R} Beweis: Für L ⇤ ⇥pk gibt es R wie in vorigem Lemma, verwende für L: R := {(w, b) ⇤ ⇥ | (w, b) ⇤ / R und |b| ⇥ p(|w|)} Aus Lemma + Korollar folgt nun das ursprüngliche Theorem: Ersetze wiederholt ⇥pi und pi durch ihre Beweissysteme 18 Kapitel 7 Härte und Vollständigkeit in der polynomiellen Hierarchie 19 Vollständigkeit Um Probleme korrekt in die polynomielle Hierarchie "einzuordnen", brauchen wir Vollständigkeitsbegriff Definition Für k 1 ist Problem L • ⌃pk -hart wenn L0 p L für alle L0 2 ⌃pk ; • ⌃pk -vollständig wenn L sowohl ⌃pk -hart als auch in ⌃pk . Für ⇧pk , p k und PH analog (außer für p 1 = P) Aber PH hat wahrscheinlich keine vollständigen Probleme: Lemma Wenn für PH vollständige Probleme existieren, kollabiert die Hierarchie 20 Vollständigkeit QBF liefert uniforme Familie von „typischen“ vollständigen Problemen Für V = v1 , . . . , vn schreiben wir ⇥V als Abkürzung für ⇥v1 · · · ⇥vn ⇥V als Abkürzung für ⇥v1 · · · ⇥vn Definition k-QBF QBF Q1 V1 · · · Qn Vn ' heißt k-QBF, wenn • n=k • Q1 = 9, Q2 = 8, Q3 = 9 etc. (Quantoren alternieren) QBFk ist die Menge aller gültigen k-QBFs. Beispiel für 3-QBF: ⇥v1 ⇥v2 v3 ⇥v4 ⇥v5 . 21 Vollständigkeit Theorem Für alle k 1 ist QBFk p k -vollständig. Idee: • “in ⌃pk ”: benutze logische Charakterisierung • Härte: benutze logische Charakterisierung und Übersetzung von TM in AL-Formel analog zum Beweis von Cook’s Theorem Beginnt man die Quantorenalternierung mit “ ”, so ist k-QBF p k -vollständig. 22 Vollständigkeit In der Logik gibt es verschiedene natürliche Probleme, die vollständig für Klassen der polynomiellen Hierarchie sind. Definition MINSAT Für zwei WZen und schreiben wir ⇥ gdw. (v) = 1 impliziert (v) = 1 für alle Variablen V ist minimales Modell von AL-Formel ⇥ wenn • erfüllt ⇥ • für alle , die ⇥ erfüllen, gilt ⇥ MINSAT ist die Menge aller Tripel (⇥, v) mit ⇥ AL-Formel und v Variable so daß (v) = 0 in allen minimalen Modellen von ⇥. Theorem MINSAT ist p 2 -vollständig. 23 Vollständigkeit Weiteres natürliches vollständiges Problem z.B.: Äquivalenzproblem für kontextfreie Grammatiken über 1-elementigen (Terminal-)Alphabeten ist p2 -vollständig. Es wird vermutet, dass MC (Minimial Circuit) ebenfalls p2 -vollständig ist, die Härte konnte aber bisher nicht bewiesen werden! Für Klassen weit oben in der polynomiellen Hierarchie scheint es nur sehr wenig „natürliche“ vollständige Probleme zu geben 24 Kapitel 7 P versus NP und das Theorem von Baker, Gill und Solovay 25 Baker, Gill und Solovay (BGS) Warum ist P ≠ NP so schwer zu zeigen? Theorem von BGS bietet eine Erklärung dafür: Theorem (Baker, Gill, Solovay 1975) Es gibt Orakel A und B, so dass PA = NPA und PB 6= NPB . Das heißt: ein Beweis für P ≠ NP darf nicht relativierbar sein Das schließt die meisten (elementaren) Beweistechniken aus 26 BGS: der Fall PA = NPA Der einfachere Teil: Lemma Es gibt ein Orakel A, so dass PA = NPA . Idee: • Wählen als A ein beliebiges PS PACE-vollständiges Problem (1) A A • Zeigen: PS PACE ✓ P ✓ NP (2) ✓ PS PACE (1) Für L 2 PS PACE, berechne Reduktionsfunktion für L p A und befrage Orakel (2) Für L 2 NPA , integriere Orakelberechnung in Basis-ONTM NPS PACE-Maschine 27 BGS: der Fall PB ≠ NPB Der anspruchsvollere Teil: Lemma Es gibt ein Orakel B, so dass PB 6= NPB . Idee: • Eingabealphabet für alle TM sei {0, 1} (o. B. d. A.) • Ziel: konstruieren Orakel B und Problem LB 2 NPB \ PB • Wenn B konstruiert ist, können wir LB setzen als LB = {1n | 9w 2 B : |w| = n} 1. Leicht zu sehen: LB 2 NPB , unabhängig von B 2. Müssen noch B ✓ {0, 1}⇤ so konstruieren, dass LB 2 / PB , d. h.: für jede Polyzeit-ODTM M ? muss gelten: L(M B ) 6= LB (⇤) 28 BGS BGS’ Ansatz hat zu zahlreichen ähnlichen Resultaten geführt, z.B.: • Es gibt Orakel A und B, so dass NPA = co-NPA und NPB 6= co-NPB . • Es gibt ein Orakel A, so dass NPA = co-NPA und PA 6= NPA . • Es gibt Orakel A und B, so dass – für NPA \ co-NPA vollständige Probleme existieren und – für NPB \ co-NPB nicht Probabilistische Analyse liefert zudem: Für fast alle Orakel A gilt PA 6= NPA 29 Über BGS hinaus „Moderner Nachfahre“ von BGS für Schaltkreistheorie: Theorem von Razborov und Rudich (1997) schließt natürliche Beweise für super-polynomielle Schaltkreiskomplexität aus (EATCS-Gödelpreis 2007) Es gibt neue Ansätze zum Beweis von P ≠ NP, die weder von BGS noch RR ausgeschlossen werden: z.B. über algebraische Geometrie (Mulmuley 2012) 30 Abschließende Bemerkung Wie viele Komplexitätsklassen gibt es eigentlich? 31 Hierarchie der Komplexitätsklassen (Ausschnitt) ALL AH RE R PR ELEMENTARY NEEE P-Sel NEEXP EEE EEXP EESPACE MIP_{EXP} EXPSPACE IP_{EXP} SEH EXP^{NP} PEXP NEE AM_{EXP} NEXP/poly MA_{EXP} EXP/poly NEXP BPEE BPEXP EXP EXPH NEXP^{NP} EE +EXP QRG ESPACE RG Almost-PSPACE QPSPACE PSPACE Coh PL_{infty} CH MP^{#P} AvgE P^{PP} PP/poly EH P^{#P[1]} BP.PP MP PH Sigma_3P QMIP BQP/qpoly BQP/mpoly NE/poly BQP/poly (NP-cap-coNP)/poly XOR-MIP*[2,1] QSZK BPP/rlog NP/log BPP/log NE QMA NISZK MA MA_E WAPP NP RP Q RNC NC QCFL AL +L/poly NL/poly L/poly L^{DET} SAC^1 PL C_=L NL 1NAuxPDA^p SPL CFL AC^1 CSL BPL DCFL FOLL L NC^1 QACC^0 TALLY TC^0 QAC^0 MAC^0 AC^0/poly QNC^0 polyL R_HL QNC^1 AC^0 SAC^0 +SAC^0 NC^0 PARITY PBP REG ACC^0 AC^0[2] QNC_f^0 UAP UP LogFew TC^0/poly PL_1 FewP NT EP SC RL UL SPARSE QPLIN Mod_3P NT* NLINSPACE NLIN LIN FewUL PT_1 P^{FewP} Few +P SPP GCSL LFew FewL betaP beta_2P Mod_5P NC^2 +SAC^1 +L EQP ModP LWPP RP^{PromiseUP} QP HalfP P BH US SUBEXP ZPP WPP BH_2 ZQP ZBQP Check C_=P UE ZPE RQP RBQP QNC P-Close P^{NP[log]} E compNP SF_3 SF_2 APP AWPP BPQP BPP YP BPP_{path} BPE RPE TreeBQP PP A_0PP P^{NP[log^2]} AmpP-BQP FH AvgP QS_2P P^{QMA} Delta_2P SBP PZK P/log frIP ZPP^{NP} S_2P QCMA N.BPP AVBPP compIP AM SZK YPP BPP^{NP} RP^{NP} NISZK_h BQP HeurBPP Sigma_2P AM[polylog] CZK NIQSZK Delta_3P RG[1] IP QAM N.NISZK YQP MIP QIP[2] DQP BPP/mlog NP/one QMA(2) NP/poly BQP/log SQG QIP BQP/mlog BPP//log Nearly-P QMIP_{ne} BQP/qlog P/poly IC[log,poly] QMIP_{le} MIP* SF_4 AmpMP (k>=5)-PBP MAJORITY 4-PBP 3-PBP 2-PBP NONE 32 Mehr Komplexitätsklassen Abgesehen von den angegebenen Büchern: https://complexityzoo.uwaterloo.ca/Complexity_Zoo http://www.math.ucdavis.edu/~greg/zoology/ 33