Neue Bücher - BIOspektrum

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Neue Bücher - BIOspektrum
Buchbesprechungen
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Neue Bücher
gesichtet von Lothar Jaenicke
kation, transponierbaren Elementen sowie Mitochondrien –
eine bunte Mixtur, welche die
gesamte Spannbreite der gegenwärtigen S. pombe-Forschung widerspiegelt. Die Abbildungen
sind bis auf zwei Mikroskopiebilder konsequent in Schwarz/
Weiß gehalten und teilweise
etwas schlicht. Die einzelnen
Beiträge sind überwiegend detailliert und aktuell einschließlich der Referenzen.
Das Buch ist ein Muss für jeden heutigen und zukünftigen
S. pombe-Forscher, aber aufgrund
des Modellcharakters dieser
Hefe auch interessant für For-
scher, die an verwandten biologischen Fragestellungen in anderen Systemen arbeiten. Bedauerlicherweise wird der Preis
von 199 Euro der – verdienten –
Verbreitung des Buches nicht
förderlich sein.
Ursula Fleig, Düsseldorf
The Molecular Biology of
Schizosaccharomyces pombe
Richard Egel (Ed.). XXVIII,
450 p., 72 figs., 15 tabs.. Springer,
Heidelberg 2004. Kart., € 199,95
(Netto). ISBN 3-540-00693-1
Die Spalthefe Schizosaccharomyces pombe hat sich längst von
einem Nischendasein zu einem
eukaryotischen Modellorganismus für das Studium vieler
grundlegender biologischer Fragestellungen in Laboren auf der
ganzen Welt entwickelt. Ein
Buch, das einen aktuellen
Überblick über die wichtigsten
Bereiche der gegenwärtigen genetischen, zellbiologischen und
biochemischen Forschung der
Spalthefe gibt, war also mehr als
überfällig. Die einzelnen Kapitel des Buches, beginnend mit
einer Einführung in die klassische S. pombe-Genetik und endend mit der phylogenetischen
Analyse dieses Organismus, wurden von den auf den unterschiedlichen Themengebieten
tätigen Wissenschaftlern geschrieben. Sie bieten unter anderem detaillierte, aktuelle Informationen über das sequenzierte S. pombe-Genom, Determinanten und Regulatoren des
vegetativen Zellzyklus und der
Meiose sowie damit verwandten
Aspekten. Weitere Kapitel befassen sich mit Transkription
und Translation, ProteinmodifiBIOspektrum · 3/05 · 11. Jahrgang
Praktikum der Molekulargenetik.
Ulrich Kück (Hrsg.). XVI, 432 S., 83 Abb., 40 Tab.. Springer, Heidelberg, New York, 2005. € 34,95. ISBN 3-540-21166-7
Mit dem ausführlichen Band
„Praktikum der Molekulargenetik“ füllt der Springer-Verlag eine offensichtliche Marktlücke
zwischen einem Lehrbuch und
den reinen „Kochrezepten“. Der
Herausgeber und seine Autoren
verstehen es hervorragend, diesen Spagat auszuhalten und das
Buch zu einem großen Gewinn
für den Leser werden zu lassen.
In diesem Buch werden beispielhaft molekulargenetische
Experimente mit pro- und eukaryotischen Modellorganismen
dargestellt; die Zielgruppe sind
Studierende des Grund- und
Hauptstudiums verschiedener
biowissenschaftlicher Disziplinen. Ich könnte mir aber auch
vorstellen, dass Lehrer an Gymnasien und Dozenten an den
Universitäten, die ihre jeweiligen Praktika planen, dieses
Buch mit großem Nutzen verwenden können.
Das Buch beginnt in seinem
ersten von 10 Kapiteln mit der
Vorstellung der wichtigsten einfachen Modellsysteme der Genetik wie Bakterien, Pilzen, Algen, Arabidopsis und dem Hausund Hoftierchen der Genetiker,
der Taufliege Drosophila. Dabei
werden jeweils historische Bemerkungen mit der Darstellung
des Lebenszyklus, technischen
Entwicklungen, biologischen
Fragestellungen und genetischen Ressourcen verknüpft. In
den folgenden Kapiteln wird
dann die praktische Klärung einiger wichtiger biologischer Fragestellungen erläutert und die
Durchführung basaler Experimente in genauen Laborvorschriften dargestellt; dazu gehören dann auch Hinweise zur
Auswertung. Die besprochenen
Themen umfassen genetische
Kreuzungen, DNA-Transformation, PCR-Analytik mit ihren diversen Verästelungen, die Analyse von DNA-Protein-Wechselwirkungen, heterologe Genexpression und Reportergene. Die
Schlusskapitel beschäftigen sich
mit der Bioinformatik (wo finde
ich was im Netz?) und den
Grundtechniken der molekularen Genetik.
Bei all’ den lobenden Worten
bleibt am Ende doch ein Wehrmutstropfen: das „Praktikum
der Molekulargenetik“ beschränkt sich leider auf „besonders geeignete“ – höhere
Modellorganismen, wie den Fadenwurm C. elegans, der Zebrafisch oder gar die Maus, fehlen
dagegen vollständig. Das ist
schade, weil damit eine Chance
verpasst wurde, diese etwas
komplexeren Systeme im Gesamtzusammenhang mit anderen etablierten Modellsystemen
der Genetik darzustellen, auch
wenn einzelne Anwendungen in
einem Grundpraktikum für Genetik aufgrund der Komplexität
nicht zum Zuge kommen können. Allerdings könnten bei einer Neuauflage in einigen Jahren sicherlich Anregungen für
Vertiefungskurse von Kollegen
aufgenommen werden, die an
diesen Modellorganismen arbeiten, so dass dieses wertvolle
Buch sich noch einem weiteren
Leserkreis würde erschließen
können.
Jochen Graw, GSF-Forschungszentrum für Umwelt- und Gesundheit, Neuherberg
Buchbesprechungen
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Adolf Butenandt und die
Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft.
Wissenschaft, Industrie und
Politik im „Dritten Reich“
W. Schieder und Achim Trunk
(Hrsg.). Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus, Bd. 7. Hrsg. der Reihe:
Reinhard Rürup und Wolfgang
Schieder im Auftrag der Präsidentenkommision der Max-PlanckGesellschaft. 456 S.. Wallstein
Verlag, Göttingen, 2004. Brosch.
€ 34,00. ISBN 3-89244-752-7
Sage mir Deine Freunde, und ich
sage Dir, wer Du bist.
Adolf Butenandt (1903–1995)
war wohl der bekannteste und
höchstdekorierte Chemiker im
restaurativen Deutschland des
vorigen Jahrhunderts, das er tatsächlich wie kaum
ein anderer Wissenschaftler in Haltung,
Person und Perspektive verkörperte. Er
war das, was heute
ein „Leuchtturm der
Spitzenforschung“
genannt wird, dazu
ein hervorragender
Manager mit „politischer“ Begabung,
„strategischer“ Perspektive,
„taktischem“ Fingerspitzengefühl und „bestrickender“ Kombinationskunst, ein Magnet für
eine bestimmte Art von Menschen und ein Repräsentant der
Institution Kaiser-Wilhelm-/
Max-Planck-Gesellschaft, die er
nach Otto Hahn zehn Jahre lang
als Präsident leitete und gespürsicher sehr wesentlich ausrichtend in die und in der Nach-NSZeit führte. Diese hat er, als Aufsteiger und Anpasser, gut überstanden, aber sie holte ihn im
Lauf der achtziger Jahre ein. Er
ließ deshalb von seinem Hierodulen eine Ikone auf Goldgrund in glättendem Öl malen,
die so über-zweidimensional verschönend aus der reichhaltigen
Akten- und Memorienlage ausgewählt war, dass sie, zunächst
inneren, dann äußeren Widerspruch hervorrief. Wodurch der
Untergrund sich verdunkelte
und blätterte, wenn auch das
Standardbild bleibt: Ein mit allen Drittmittelgebern kollaborierender vespasianischer „non
olet“-Patriot. Man darf ihn nicht
mit der tragischen Parallele Fritz
Habers vergleichen, dessen heilloser Patriotismus aus ganz anderen historischen und menschlichen Wurzeln stammte.
Den nun vorgelegten Studien
aus dem von Hubert Markl, Butenandts dritten Nachfolger, inaugurierten Projekt, der „Geschichte der KWG im NS“ nachzugehen, ist lesenswert. Sie machen durchaus keine Mohrenwäsche, denn dazu gibt es zu wenig Anlass und zu viele Unterlagen, auch persönlichster (wenn
vielleicht auch gefilterter) Art in
Briefen und Äußerungen, die
die Unentwicklung vom kleinbürgerlich- antiproletarischen,
jungdeutsch-verquasten Ordensmann zum Gefolgschaft
führenden Pflichtdurchhalter mit noblem Schliff, emphatischen Schwulst und
obligater Frauenmissachtung dokumentieren, aber auf Gerechtigkeit unter der
Perspektive der Milieu- und Zeitumstände bedacht, insbesondere gegen die
Anwürfe der Mittäter-, nicht
Mitwisserschaft an wissenschaftlichen Verbrechen der Rassen- und Inhumanmedizin. Die
Darstellung der „kriegswichtigen“ Forscherei mancher seiner
Mitarbeiter, aber auch die nibelungentreuen Wechselkontakte
zu gefährlicheren Ideologen der
Anthropologie und die nützlichen Gegen- und Dreiseitigkeiten mit verschiedenen Pharmaunternehmen sowie die Versuche, sich in der Nach-NS-Zeit
glatt zu verhalten, charakterisieren hervorragend. Vergangenheiten bewältigt der Überlebenskünstler ohne Verlegenheiten. Die Aufsätze sind natürlich
umfassend mit Fußnoten offen
gelegt, sie sind auch geistreich
und wägend, oft etwas gedeckt
argumentierend, geschrieben.
Diese Historiker, auch wenn sie
von der Seite einsteigen, kennen
die Materie aus naher Nähe und
können alles Geschriebene belegen, nur – fast alle scheuen
sich, im Seelengestrüpp Staub
aufzuwirbeln. Das ist nicht ihr
Metier, aber gibt der Person
plastische Form. Wer Feodor
Lynen gekannt hat, weiß, weshalb diese von geistigem und
körperlichem Habitus so ungleichen, in der Forschung komplementären Typen Abstand wahr-
ten, wie die Pole einer Ellipse
der Lebenswissenschaft, auch
wenn sie geographisch nur einen
knappen Kilometer auseinander
lagen. Das war ein Mann!
HEXAL-Taschenlexikon Medizin.
deutschter Begriffe (mit „k“ und
„z“). Man kann halt nicht stur
systematisch sein und soll auch
nicht allen Herren dienen wollen. Es ist ein gescheiter und
sympathischer Kompromiss zwischen Herkommen und Gebrauch. Natürlich bedingen das
Format und die Fülle einen sehr
kleinen Druck, und die konventionelle Times-Type macht ihn
nicht lesbarer. Man muss das fürs
allgemeine Beste in Kauf nehmen, hält sich zumindest an den
Gebrauch. Notwendige chemische Formeln sind auf ein Minimum, aber korrekt, reduziert,
klinisch wichtige Syndrome und
diagnostische Hilfen sind kleinräumig tabelliert, die
Zeichnungen klar
und die Buntbilder,
auf die für den medizinischen Augenmenschen großer
Wert gelegt wird, gut
erkennbar reproduziert. Da Mediziner
zudem noch ein liebenswertes Stilgefühl für ihre Vorväter
haben, benutzen sie Eponyme,
die hier in Versalien hervorgehoben werden. Ein AkronymenVerzeichnis (z.B. der vielen unter „Syndrom“ (= „xxxS“) hilflos zusammengefassten multiplen Krankheitserscheinungen)
wäre ein hilfreicher Entwirrungsbeitrag – oder eine kurze
Auflistung der griechischen und
lateinischen Wurzelwörter ein
aufklärender Beitrag zur Allgemeinbildung. Das Ganze aber ist
auch ohne das ein sehr brauchbares informatives Taschenbuch.
Es besticht durch die saubere
Aufmachung, die Fülle, das
Preis-Leistungsverhältnis und
besteht dadurch sicher neben
analogen, lange bewährten Medizinwörterbüchern.
3. neubearb., erw. Aufl., bearb. v.
d. Lexikonredaktion. II, 934 S.
zahlr., z. Großteil farb. Abb..
Elsevier/Urban & Fischer, München/Jena, 2004. Kart. € 19,95.
ISBN 3-437-15011-1
Sobald unsere gebündelten
Wissenschaften in die Anwendung gehen, haben wir es mit
der Medizin und den Medizinern zu tun, sei es diagnostisch
analysierend oder therapeutisch
helfend. Da ist es gut, wenn man
schon nicht von Beginn in der
gleichen Sprache trainiert wurde, sich über ein Lexikon zu verständigen. Und im Übrigen ist es
immer belehrendes
Abenteuer, in einem
solchen Nach- und
Überschlagebuch
Neugier zu befriedigen, die uns notorisch
beschäftigt und aus
ihm Wissen zu mehren, das uns tagtäglich abgefordert wird.
Durch die generöse
Sponsorschaft des
Pharma-Unternehmens HEXAL
AG war des dem Verlagskombinat mit Hilfe einer kleinen, aber
offensichtlich tüchtigen Redaktion, Layouterei und Datenverarbeitung möglich, ein umfassendes und zugleich erschwingliches alphabetisches Wörterbuch der Medizinbegriffe in
abermalig kontrollierter und erweiteter Auflage vorzulegen.
Auf knapp tausend Seiten findet
man kurze, sich gegenseitig bündelnde und stützende Definitionen von, wie die Redaktion angibt, über 23.000 Eintragungen
aus der grundlegenden, klinischen und Labormedizin, aus
Praxis und Forschung. Die
Schreibweise ist bevorzugt das
internationale „c“ bei lateinischem, „k“ bei griechischem Ursprung – mit Ausnahmen einge-
Lothar Jaenicke, Köln
Lothar Jaenicke, Köln
BIOspektrum · 3/05 · 11. Jahrgang