Inhalt - Nordfriisk Instituut

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Kommentar�
Fiete Pingel: Auf die Menschen kommt es an
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Chronik
Biiken-Empfang 2007
Tånken am Momme J. Nommensen
Hans Hoeg 90
Nordfriesland-Seminare in Leck
Regionale Mehrsprachigkeit – eine Chance für Friesisch
Bundesverdienstkreuz für Renate Schnack
Friesisch an den Hochschulen
Üt da friiske feriine
Nordfriesland im Winter
3
4
5
6
6
7
7
8
9
Aufsätze
Karin Haug:
Zwischen Event-Management und Notnagel
MarktTreffs in Nordfriesland
Matthias Theodor Vogt:
in varietate concordia
Minderheiten als Elemente deutscher und europäischer Kultur
Thomas Steensen:
Die autochthonen Minderheiten in Deutschland
Manfred Wedemeyer:
Zwei Künstler auf Sylt
Magnus Weidemann und Siegward Sprotte 1946-1967
11
17
19
23
Ferteel iinjsen!
Björn Ketelsen: En selten Besäk
26
Bücher
Eala! / Heimat
Kein Land ohne Deich / Wasser für Eiderstedt
Der junge Storm
Sylter Originale / Städte in den Frieslanden
27
28
29
30
Reaktionen
Amt Südtondern
30
Gesamt-Inhaltsverzeichnis 2005 (Hefte 153-156)
Impressum
30
32
Titelbild
Im Markttreff in Witzwort (Foto: Karin Haug)
Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 27. Februar 2007
Nummer 157
von NORDFRIESLAND befasst
sich unter verschiedenen
Blickwinkeln mit der Entwicklung der Gesellschaft
insgesamt. Was wird aus
den ländlichen Gemeinden
in Nordfriesland und in
Schleswig-Holstein? Was ist
deutsche Kultur? Was macht
Europa aus? Wie passen
Gruppen wie die Friesen in
dieses Bild hinein? Das sind
Leitfragen von zwei der drei
Aufsätze.
Gegenstand des dritten
Textes sind Einzelpersonen.
Es handelt sich um zwei
Maler, zwei Künstler, die
einander auf Sylt begegneten. Auch die Werke und
Wirkungen von Einzelnen
sind nur zu verstehen vor
dem Hintergrund der Gesamtgesellschaft.
Das Gesamt-Inhaltsverzeichnis auf den Seiten
31 und 32 dokumentiert
Beiträge von 40 Autorinnen und Autoren zu den
NORDFRIESLAND-Heften des
Jahres 2006.
Kommentar
Auf die Menschen
kommt es an
Wohl nie zuvor in der Geschichte
hat sich das alltägliche Leben in
unseren Breiten so schnell und
zugleich so gründlich gewandelt
wie in den letzten Jahrzehnten.
In NORDFRIESLAND 113 schilderte
Ellin Nickelsen das ländliche Föhr
ihrer Kinderzeit um 1960. Damals
war es noch nicht soviel anders,
so arbeitete sie heraus, wie in den
1920er Jahren, von denen der Fahretofter Max Lorenzen in seinem
Buch „Eine Kindheit hinter den
Deichen Nordfrieslands“ berichtet.
Seither aber ist das gesellschaftliche Leben in Nordfriesland
– das gilt gewiss auch für andere
Regionen – von Grund auf anders
geworden. In der kürzlich erschienenen „Geschichte Nordfrieslands
von 1918 bis in die Gegenwart“
befasst sich der Abschnitt „Gesellschaft und Kultur im Wandel“ mit
diesen Entwicklungen.
Der Anteil der in der Landwirtschaft Tätigen an der Erwerbsbevölkerung ist inzwischen auf einen
niedrigen einstelligen Prozentsatz
geschrumpft. Heutige Bauern sind
auch in Nordfriesland Unternehmer. War noch bis in die 1980er
Jahre hinein vielleicht ein gewisser
Rückstand hinsichtlich der Teilhabe
Honi liirt köökin
en maaket üüs Rööraier.
ein Teilaspekt des ehrenamtlichen
Bereiches – über die zahlreichen
gerade in Nordfriesland wirkenden
Stiftungen. Ein weiteres Beispiel:
An manchen Orten – so in Niebüll und in Husum – sind aktive
Bürgerinnen und Bürger dabei,
Möglichkeiten für die Einrichtung
von Anlaufstellen auszuloten, bei
denen die Fäden von Verwaltung,
Ehrenamt und gemeinnützigen
Institutionen zusammenlaufen.
Einerseits ist vom traditionellen,
letztlich immer noch von bäuerlichen Formen geprägten Gemeinschaftsleben in den Dörfern fast
nichts geblieben. Eingekauft etwa
wird nicht mehr beim Höker, sondern im Supermarkt im nächsten
Gewerbegebiet. Dorthin fährt man
mit dem Auto. Andererseits finden
sich neue, zeitgemäßere Wege, die
ländlichen Gemeinden lebendig zu
erhalten. Karin Haug berichtet in
dieser Ausgabe (S. 11-16) über das
in diesem Zusammenhang stehende Projekt der MarktTreffs.
An diesem Punkt wird deutlich,
dass sich die Politik der Probleme
bewusst ist und zu handeln versucht. Das gilt auch für die anderen
genannten Beispiele Sprachpflege
und Ehrenamt. Ohne zentral
vermittelte Impulse und ohne Hilfe
durch die Öffentlichkeit sind die
notwendigen neuen Wege sehr viel
schwerer zu finden. Aber keine
staatliche Förderung kann zum
Beispiel den Spaß an der Sprache in
der friesischen Familie, die Freude
am Ausprobieren selbstverantwortlicher ehrenamtlicher Vorhaben
und die Pfiffigkeit der MarktTreffBetreiber ersetzen. Auf die Menschen kommt es an. Fiete Pingel
Mama, skel em bi Rööraier
di Skel fuarof ofnem?
Häägar
Wat jeft
et tu Kofi?
an der globalen Vernetzung spürbar,
gehören die elektronischen Verbindungen rund um die Welt heute
auch hier zur absoluten Normalität.
Vieles ehemals Selbstverständliche
ist verschwunden oder kann nur
erhalten werden, wenn sich neue
Formen dafür finden. Andererseits
gab es nie zuvor so viele technische
Möglichkeiten und so vielgestaltige Anknüpfungspunkte für soziale
Aktivitäten wie gerade heutzutage.
Einerseits ist das Friesische nicht
mehr die allgemeine Umgangssprache entlang der Küste und in den
Utlanden zwischen Husum und
der dänischen Grenze wie noch
vor wenigen Generationen. Auch
zur Erhaltung des Plattdeutschen
sind große Anstrengungen nötig.
Andererseits war nie zuvor so klar
und durch weltweite Forschungen
in solchem Maße gesichert, wie
wertvoll die kleinen Sprachen etwa
für die geistige Entwicklung von
Kindesbeinen an sein können. Nie
zuvor wurde – um nur ein Beispiel
aus dem weiten bunten Feld der
Sprachpflege zu nennen – eine
solche Vielfalt etwa von Lehr- und
Lernmitteln für die kleinen Sprachen angeboten.
Einerseits klagen viele Vereine
darüber, dass sich immer weniger
Menschen bereit erklären, durch
Arbeitsleistung zum Vereinsleben
beizutragen oder in den Vorständen Verantwortung zu übernehmen. Als eine Ursache dafür wird
andererseits angeführt, dass es
noch nie zuvor eine solche Fülle
von Zusammenschlüssen gab, in
denen Menschen mitwirken können. In NORDFRIESLAND 156 schrieb
Thomas Steensen – auch dies nur
2
Nordfriesland 157 � März 2007
Biike-Empfang 2007
Bei aller Anerkennung für die bisher greifenden Maßnahmen zur
Hilfe für das Friesische bilden diese
lediglich einen „Sommerdeich“,
der nur bei gutem Wetter Schutz
gewährt. Sprache und Kultur
müssen weiter gestärkt werden,
um der „Flut“ der Globalisierung
gewachsen zu bleiben. Mit diesem
Bild hieß Ingwer Nommensen,
Vorsitzender des Friesenrates, die
Gäste des Biike-Empfangs 2007
im Saal des Christian-Jensen-Kollegs in Breklum am 25. Februar
willkommen. Besonders begrüßte
er die Gruppe Klångspal, die unter
der Leitung von Christine Burkart
mit modernen friesischen Liedern
für den musikalischen Rahmen
sorgte. Der Friesenrat setzt sich, so
Nommensen, für den Erhalt des
Kreises Nordfriesland ein, der sich
als vernünftige Verwaltungseinheit
und als Ansprechpartner für die
Friesen bewährt habe.
Christian Jensen, Gründer der Breklumer Mission, war ein Friese und
ein Pastor des 19. Jahrhunderts.
Die von ihm begründete Tradition
lässt sich nur im Dialog fruchtbar
machen, so Dr. Kay-Ulrich Bronk,
Leiter des Christian-Jensen-Kollegs
in seinem Grußwort. Für das Friesische müssen, nicht viel anders als
für die Religion, Veränderungen
möglich sein, sonst werde es nicht
weiterleben.
Dr. Christoph Bergner, Beauftragter
der Bundesregierung für Minderheitenfragen, würdigte in seiner
Ansprache vor allem den ehrenamtlichen Einsatz von Friesinnen und
Friesen für ihre Sprache und Kultur.
Erfreulich sei, dass in Europa das
Grundbedürfnis vieler Menschen
nach Verwurzelung in regionaler
Identität eine wachsende AnerkenNordfriesland 157 � März 2007
waltungseinheiten. Bei den Mehrheitsverhältnissen eines Großkreises
unter Einbeziehung von Flensburg
und Schleswig nähme die Gewichtung des Friesischen erheblich ab.
Unter den guten Argumenten für
eine Erhaltung Nordfrieslands stehe
dies nicht an letzter Stelle.
Den Höhepunkt des Empfangs
bildete der Vortrag von Jakob
Tholund über „Spiegelbilder und
Projektionen. Innen- und Außenansichten von Friesen“. Mit einer
gewissen Häme berichtet Der Spiegel gelegentlich über die Friesen, als
seien sie eigentlich lächerlich. Im
19. Jahrhundert verwurzelt sind
„heroische“ Bilder vom „hohen,
harten Friesengewächs“, die rassistische Vorstellungen förderten. In
der Diskussion um die Aufnahme
der Friesen in die Sprachen-Charta
war in einer Stellungnahme aus
der Ministerialverwaltung von den
Friesen als einer „verschwindend“
kleinen Minderheit die Rede. Dies
sind nur einige der von Jakob Tholund in seinem hörenswerten, mit
lebhaftem Beifall aufgenommenen
Vortrag bezeichneten Etiketten,
mit denen die Friesen im Laufe der
Zeit versehen wurden. Die Friesen
können nur unabhängig davon,
so schloss der frühere langjährige
Vorsitzende des Friesenrates, mit
selbstständigem Denken ihr „Eigensein“ immer wieder neu leben.
fp
Foto: Harry Kunz
Chronik
nung erfahre. Das gelte ebenso für
die Politik der Bundesregierung.
Analog zum umweltpolitischen
Kampf für den Erhalt der biologischen Artenvielfalt, so Bergner
abschließend, muss der Erhalt von
Minderheitenkulturen als unverzichtbares Politikfeld in den Blick
genommen werden.
Das Biikebrennen, an das der
Empfang sich anschließt, steht als
Symbol für eine selbstbewusste
friesische Kultur, das hob Frauke Tengler, Vizepräsidentin des
Schleswig-Holsteinischen
Landtags, in ihrem Grußwort hervor.
Das Gemeinschaftsfeuer erinnere
an die althergebrachte Thingversammlung, bilde aber auch einen
„nichtakademischen“ Zugang zum
Friesischen.
Die Diskussion um die Kreisreform
müsse gelassen und ergebnisoffen
geführt werden, so Heinz Maurus,
Leiter der Kieler Staatskanzlei.
Ziel bleibe eine effizientere und
kostengünstigere Verwaltung. Die
Landesregierung ziehe die regionale
Identität dabei durchaus ins Kalkül.
Nur wer auf einem solchen festen
Fundament aufbauen kann, werde
die Herausforderungen der Globalisierung bestehen.
„Bei Ebbe ist der Kreis Nordfriesland größer als das Saarland.“ So
plakativ bezog Nordfrieslands Landrat Dr. Olaf Bastian Stellung gegen
eine Bildung noch größerer Ver-
Von links: Dr. Christoph Bergner, Jakob Tholund, Frauke Tengler, Ingwer
Nommensen, Heinz Maurus, Dr. Olaf Bastian und Nordfrieslands Kreispräsident Helmut Wree
3
Momme drååwed ik dåt jarst
tooch for 30 iir aw sin stää bai e
Deesbeldik. En dåt bil, wat ik deer
foon ham füng – dåt bliif. En böre
ma flänke än läämtie uugne, wat en
mase belaawed häi än ouer fooles
beschiis wust. En mansche ma
maning kreatiiwe talänte än goowe
bütefor sin iindlik wiirw as böre.
Momme hiird tu da manschne, wat
our e kånte foon e taler kiiked än
üüs latj wråål ma jü grut wråål önj
maning berike sanful ferbine köö.
Hi wus ham fåliwas seelew! Än jüst
üt dideere wäinkel heet hi ham uk
fort frasch inseet. – En deer ai ma
grute uurde eefter büten, ouers ma
klåår ätjhääw eefter banen.
Bai da Nommensen wörd än wård
tubai åål da oudere spräke uk nuch
frasch snååked. – Deer heet hi tu
en gruten pårt ma baidräägen. Än
dåt sü maning üt sin famiili nuch
diling än önj e tukamst en bil än
en stipe for fraschen oort än wise
san, dåt heet uk wat ma Mommen
tu douen.
Maning manschne heer önj üüsen hiimstoun hääwe jam döör
da tide inseet fort bewååren foon
spräke än kultuur. Arken aw san
oort än wise – ma da madle än da
möölikhäide, wat deer wjarn. Dåt
as gödj sü än schal uk sü bliwe.
Ouers et heet uk ålten en latjen
floose foon persöönlikhäide önj
Fraschlönj jääwen, weer et uugen
fort frasch, for üüsen spräke än üüs
identitäät as frasche mör wus as
en interäse, en entusiasmus än en
fritidswiirw. Gödj for åål üs – wat
dåt frasch for e tukamst bewååre
wan än hoowe än wansche, dåt
et uk made üüs bjarne ham nuch
wider fant.
Maning foon ja hääwe jam
tradisjonäl önj e Foriining soomeld. Än deertu hiird natörlik
Momme. Sunt 60 iir lasmoot foon e
Foriining, formoon önj wichtie tide
fort frasch, lasmoot önjt „loondäisgreemium“, aktiif bait böredrååwen
än ålten deer, wan’r brååk for heelp
wus.
Jörgen Jensen Hahn
4
Foon Carsten Boysen, weer Momme früne ma häi, hiird ik, dåt et
deer önj Lunham en jungen böre
ma sü maning talänte jäif än dåt et
såcht ån foon da junge manschne
weese köö, wat üüsen hiimstoun
än da manschne deer wider in önj
en bääder spoor bringe köö, eefter
krich än kaos. An dideere iine, weer
huum foole foon fermousen weese
köö, wus Momme.
Wat ik jütid nuch ai gliks tu waasen füng, wus, dåt dideere junge,
läämdie, wiikne gååst as blödjjunge
saldoot döör e heele foon di gruuie
krich gingen wus.
Deer wus uk ålt en grut stuk poesii
önj dideere ouers sü praktische,
fliitjie än realistische mansche. We
hiirden tu an wunerden üs, wan hi
ma en grut lung sååg köm, dåt diilj
biie än spåne däi än et dan ma en
gichelstunge tu schungen broocht,
unti we såchen sin härlike skitse
foon hiisie börehüsinge. We belaaweden ham as di fliitjie böre di
däi ouer, ouers am eenmen unti et
wäägiinje wus hi as båås unerwäägens ma en gruten fraschen teooterfloose än en musiik-kapäl. Önj
da prupefule soole wörd spaald,
doonsed, ouers uk diskutiird,
strääwed än snååked am e tukamst
än bäädere möölikhäide for lönj an
manschhäid.
Ik tånk am di luklike än junge
Momme, wat jüst sü‘n smuk,
halhäärd foomen, sin Hanne
Marie, fraid häi. Ik såch än sii
dåt jung påår aw e börewoin aw
e dik unerwäägens eefter Naibel.
Am Mommen köm deer nü en nai
uurd ap: di büüer. Hi wus san äine
architäkt, san tutiinster, möörmoon
än tamermoon.
Hanne Marie an Momme häin ålt
en ääm än wanlik hüs for waane än
besäk. An luklikerwise häi Mommens mam deer awt stää uner e dik
et uk bål „trååwel“ ma an lök eefter
har latje bjarnsbjarne.
Momme wörd aw maning wise en
wanst for san hiimstoun an sin amjeewing. Hi füng as böre tukamst-
Foto: Manfred Nissen
Tånken am Momme J. Nommensen
Am 15. Januar starb der friesische
Bauer Momme J. Nommensen aus
Deezbüll. Am 4. August 1925 geboren, setzte er sich zeitlebens für
das Friesische ein. In seiner Familie
ist frasch die erste Sprache. Sie
wird auch von seinen vier Kindern
in ihren Familien weitergetragen.
1983 sowie von 1990 bis 1995 war
Momme Nommensen Vorsitzender
der damaligen Foriining for nationale Friiske. NORDFRIESLAND bringt in
Auszügen die bei der Trauerfeier
am 23. Januar in Niebüll gehaltenen
Ansprachen des Vorsitzenden der
Friisk Foriining Jörgen Jensen Hahn
und von Marie Tångeberg.
wisene toochte an seet da am. An
ålweer hi haaneköm önj e wråål,
as baispal nååm ik bloot Ååst- än
Weestfraschlönj, deer wus hi gödj
laasen än wälj önjsänj as di räärie
än klöke böre än mansche. Ån foon
da maning båntjes, wat Momme
tubai sin bedrif häi, wus, dåt hi
en ra iirnge en düüchtien formoon
foon üüsen frasche feriin wus.
An sin grut an amfooten „Leidenschaft“ önj da leeste maning iirnge
wjarn sin maning sliiks ååpel-,
peere- än plöömebuume. Än sü as
ålt ouder wörd et ma liiwde, foole
ferstånd än koonen mååged.
Momme heet döör dåt, wat hi
toocht, wat hi däi an wus, en gruten schaame sman. An wat koone
we oudere seede as: foon harten
tunk.
Marie Tångeberg
Nordfriesland 157 � März 2007
Di 16. Janiwaari heer di Kairemböör
Hans Hoeg töhop me sin Familji en
fuul gur Frinjer fan nai an fiir sin
neegentigst Gibuursdai fiiret ön di
„Friesensaal“ ön Kairem. Sagaar fan
di Ministerpräsident fan SleeswigHolstiin kām en Lekwensk.
Jer, üs em jit döör Kairem suusi
maast üp Wai tö Weesterlön of üp
Wai tö Muasem jaav dit langsen
tau gur Grünen, om bi dit Hüs
Gurtstich 1 tö Bigen fan Tērp
öntuhualen: Jen wiar, wan‘t om
Bensiin ging, di üðer, wan‘t om
Sölring ging. Di Tankstair fan
Hans Hoeg es ek muar, en em mut
ek muar döör Tērp köör. Man dit
es blewen, dat Hans Hoeg jit en
iipen Hüs heer fuar ark, wat höm
fuar dit Sölring interesiaret. Hans
Hoeg es üp Söl ek wechtöteenken, wan‘t diarom gair, Sölring
Spraak en Sölring Aart en Wiis
āprochttöhualen.
Hi jert tö en Reeg fan Liren, wat sa
om 1970 bigent haa, ja faan Niien
en me frisk Taachter en nii Mur me
dit Sölring tö befaatin, jüst tö en
Tir, üs di Tir fan di ual Skuulmaistern, wat jer aliining aur di Spraak
dit Siien haa wil – sa üs Hermann
Schmidt üp Söl, Reinhard Arfsten
üp Feer en Albrecht Johannsen üp
Fastlön – sa bilitjen oflöpen wiar.
Diarbi es Hans Hoeg wes tö Gurs
kemen, dat hi üs Kfz-Mechaniker
dit praktisk Teenken liirt heer, ek
bluat aur Saaken tö snakin, man ja
uk ön Öngrip tö nemen. Holpen
heer höm wes uk, dat hi, ofwel hi
ek en Man es, wat höm ek lecht ön
foriiningen iinbinj leet, man leewer
sin ain Wai gungt, langsen weðer
Liren begeistri ken. Sa es ön dit
Hüs fan Hans Hoeg di Bigen maaket uuren fan di gurt dütsk-sölring
Uurterbok, üs Sölringen, diar det
Aurlewin fan dit Sölring bi Hart
lair, diar töhopkām, om – aaft bi
en gur Glees Win en en gur Mürfol Snak – Uurter tö saamlin, wat
ön di gurt Uurterbok fan Boy P.
Möller ek tö finjen wiar. Sa es di nii
Skriivwiis fan dit Sölring döörseet
uuren, om dit Sölring Skriiwen
Nordfriesland 157 � März 2007
Foto: Peter Sawallich
Hans Hoeg 90
Hans Hoeg – Träger des C.-P.-Hansen-Preises 1986 und seit 2002 Ehrenmitglied des Vereins Nordfriesisches Institut – am 16. Januar 2007 im Kreise
seiner Familie
wat leechter tö maakin, uk wan di
Sölring ja ek jens uur kür, of nü litj
of gurt skrewen uur skul.
Sa heer hi önreeget, Stiiner tö seeten ön di Tērpen tö dit Önteenken
fan Sölringen, wat Bidüüding her
fuar di Spraak. Önstumpet uuren
fan Hans Hoeg es uk dit „Snak üp
Sölring“, hur Sölringen jit bal ark
Muun fan di hiili Ailön töhopkum,
om wat aur Sölring tö hiiren en uk
Sölring tö snakin, aur dat dit üðers
knap jit Gileegenhair diartö jeft.
Hans Hoeg es ek treet uuren, langsen weðer diarüp hentöweegin, dat
di wichtigst Āpgaav fan di Sölring
ek di Küstenskuts, ek dit Muuseum
en ek di Drachten es, man fuaral
dit Pleegin fan di Sölring Spraak.
En hi heer höm me sin Kraawin,
langsen Sölring tö snakin, ek bluat
Frinjer maaket. Sa es dit niin Töfal,
dat hi höm fuaral me di Dechter
bifaatet heer, wat ön di Trer Rik
fuartoog, „ek me di Ker tö laapen“
en wat diarom sa skentlig ön di KZ
tö Duar kemen es, Jeens Mungard.
Me di Ütgaawen fan sin Dechtings
ön „Fuar di min hart heer slain“ en
„Ströntistel en Dünemruusen“ heer
Hans Hoeg diarfuar sörigt, dat
em di gurtst Sölring Dechter, wat
fuul Sölring aurhaur ek bikeent es,
tötmenst eeðerlees ken.
Man tö neemen sen uk di Ütgaawen fan „Der Friese Jan“, hur
di Koptain en Uurterbokmaaker
Nann Mungard sin Leewent biskrewen heer, di Dechtings fan
Wilhelm Siemens, dit Stek „Tame
Tamen von Sylt“ fan C. P. Christiansen en en nii Sölring Leedjibok.
Uk wan di Tiren fuar di Sölring
wes ek beeter uuren sen, sent dat
Hans Hoeg bigent heer, höm fuar
di Spraak iintöseeten, es dit tö
hööpin, dat hi jit lung fuar dit
Sölring aarberi ken eeðer di ual
Sölring Spröök: „Förter maaki!“
Ommo Wilts
Ged för‘t hood
Bliis
Hoker a fresken keent, kön was nooch ferstun, hü bliis‘m as, dat uun a fresk
beweeging uk freemen mäwerke.
Jakob Tholund
5
Nordfriesland-Seminare in Leck
Anspruchsvolle Nordfriesland-Seminare für Nordfriesen und alle Interessierten bieten die Nordsee-Akademie
in Leck und das Nordfriisk Instituut
an. Im Unterschied zu anderen
Minderheiten verfügt die friesische
Volksgruppe nicht über eine eigene
Tagungsstätte. In Zeiten knapper
öffentlicher Mittel wird eine solche
auch nicht angestrebt. Die Einrichtungen in Leck und Bredstedt
vereinbarten eine Kooperation auf
diesem Gebiet, um knappe Ressourcen zu bündeln und Synergieeffekte
zu nutzen.
An alle, die Nordfriesland als vielgestaltige Region näher kennenlernen
wollen, wendet sich ein Wochenendseminar vom 29. Juni bis 1. Juli,
bei dem namhafte Referenten einen
Überblick über Kultur, Sprache und
Geschichte der Landschaft geben
werden. Am ersten Abend ist ein
Vortrag von Prof. Dr. Ulrich SchulteWülwer, Flensburg, über Nordfriesland in der Kunst vorgesehen. Der
Sonnabend steht im Zeichen von
Sprache, Literatur und Geschichte.
Eine Exkursion mit mehreren Besichtigungen unter sachkundiger
Führung – u. a. im dann neu eröffneten Nissenhaus – führt nach
Husum. Am Sonntagvormittag stehen „klassische“ friesische Themen
auf dem Programm: der Kampf mit
dem Blanken Hans und die Seefahrt.
Die Teilnahme am Seminar mit
Vollpension in der ansprechend neu
gestalteten Nordsee-Akademie kostet
150 Euro. Anmeldungen nimmt ab
sofort die Nordsee-Akademie entgegen, die auch das detaillierte Pro-
gramm bereithält: Flensburger Str.
18, 25917 Leck, NF; Tel.: (04662)
87050; Fax: (04662) 870530;
E-Mail: [email protected].
Ein weiteres Wochenendseminar
ist für die Adventszeit geplant, und
zwar vom 7. bis 9. Dezember: „Friesisch im 21. Jahrhundert“. Es wendet
sich besonders an Menschen, die sich
für die Entwicklung der friesischen
Sprache interessieren. Fachreferate
zur nordfriesischen Sprach-Arbeit
und zu neuen Initiativen etwa in
Westfriesland und bei den Lausitzer
Sorben sollen die Grundlage bilden
für eine Auseinandersetzung mit
den wesentlichen Erfordernissen
und möglichen künftigen Schwerpunkten.
Auch mit dem Christian-Jensen-Kolleg in Breklum wirkt das Nordfriisk
Instituut zusammen; gemeinsam
gestaltete Seminare sind geplant. ts
Regionale Mehrsprachigkeit – eine Chance für Friesisch
Sprache ist Vielfalt. Mehrsprachigkeit weckt und verinnerlicht den
Respekt vor anderen Kulturen und
die Achtung ihrer Besonderheiten.
Mit diesen einleitenden Worten
hatte Gyde Köster, Senatsbeauftragte für Minderheitenangelegenheiten der Universität Flensburg,
gemeinsam mit dem Nordfriisk
Instituut zur Fachtagung „Regionale Mehrsprachigkeit – Eine Chance
für Friesisch in der vorschulischen
und schulischen Spracherziehung“
am 1. Dezember 2006 ins Bredstedter Bürgerhaus eingeladen. Im
Mittelpunkt stand die Frage nach
der Rolle der schulischen Spracherziehung.
In ihrem Grußwort betonte
Caroline Schwarz, Kultur- und
Minderheitenbeauftragte
des
Ministerpräsidenten des Landes
Schleswig-Holstein, dass es darum
gehe, Vorbehalte gegenüber früher
Mehrsprachigkeit abzubauen.
Den ersten Vortrag hielt Dr. Ulrike
Vogl von der Freien Universität
Berlin: „Mehrsprachiger Unterricht
für ein mehrsprachiges Europa? Zur
Rolle von Minderheitensprachen
bei der sprachlichen Ausbildung“.
6
Vogl stellte zunächst einige Hintergründe europäischer Sprachpolitik
vor und führte gegen die offizielle
EU-Politik des „English plus one“
ein Konzept von Wulf Oesterreicher ins Feld. Nach Oesterreicher
sollten drei Sprachen gelernt
werden: 1. Englisch, 2. eine europäische Kultursprache und 3. eine
Nachbarschaftssprache (hier würde
zum Beispiel Friesisch relevant).
Dabei müsse nicht jede Sprache
gleich gut beherrscht werden, so
Vogl. Auch passive Kenntnisse
seien sehr wichtig und hilfreich, sie
ersetzten manchmal das Radebrechen auf Englisch.
Dr. Alastair Walker, Nordfriesische
Wörterbuchstelle der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel,
sprach über „Das Kind, die Schule
und die Mehrsprachigkeit – Wie
lernen Kinder Sprachen?“
Walker zeichnete die einzelnen
Phasen des Kindes beim Spracherwerb nach und kam zu dem
Ergebnis, dass Mehrsprachigkeit
bereits im Kleinkindalter die kognitive Entwicklung fördert. Spracherwerb ändere sich etwa ab der
Schule dahingehend, dass er nicht
mehr gleichsam natürlich, sondern
zunehmend auch strukturell, über
das Lernen von Grammatik und
Vokabeln verlaufe. Dies unterstreiche die Wichtigkeit und die Notwendigkeit von Sprachunterricht.
Da bereite es natürlich Sorge,
wenn der Friesischunterricht möglicherweise zugunsten des Ausbaus
von Englisch in der Grundschule
zurückgefahren wird.
Hans de Haan, Holwert/Fryslân,
Schulleiter, stellte in seinem
Beitrag „Dreisprachigkeit in der
Grundschule,
Niederländisch
– Friesisch – Englisch“ ein seit
1998 laufendes Projekt an seiner
dreisprachigen Grundschule „de
Tsjelke“ vor. Der prozentuale Anteil
der drei Sprachen ist in den verschiedenen Altersgruppen unterschiedlich festgelegt, entsprechend
werden die Lehrkräfte konsequent
eingeteilt. Die bisherigen Erfahrungen des insgesamt achtjährigen
Projektes seien durchweg positiv,
so de Haan, dies gelte für alle drei
Sprachen. Die drei Vorträge werden demnächst von der Nordfriesischen Wörterbuchstelle in Kiel
veröffentlicht.
Christina Tadsen
Nordfriesland 157 � März 2007
Am 9. Januar erhielt Renate
Schnack aus Braderup im Rahmen
einer Feierstunde im Gästehaus
der Landesregierung in Kiel aus
den Händen von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen das
Verdienstkreuz am Bande des
Verdienstordens der Bundesrepulik
Deutschland. Die Sozialdemokratin engagiert sich seit mehr als drei
Jahrzehnten in der Kommunalund Landespolitik. So amtierte sie
von 1994 bis 1998 als erste Frau
als Kreispräsidentin des Kreises
Nordfriesland. Sie war seit der
Gründung der deutsch-dänischen
„Region Sønderjylland-Schleswig“
1997 bis 1998 auf deutscher Seite
deren Vorsitzende. Von 1996 bis
1998 hatte sie zudem den Vorsitz
der in Neumünster ansässigen Akademie für die Ländlichen Räume
Schleswig-Holsteins inne, die sich
um eine nachhaltige Landes- und
Regionalentwicklung bemüht.
Von 2000 bis 2005 war Renate
Schnack unter der Regierung von
Heide Simonis „Beauftragte der
Ministerpräsidentin des Landes
Schleswig-Holstein in Angelegenheiten nationaler Minderheiten
und Volksgruppen, Grenzlandarbeit und Niederdeutsch“ (vgl.
NORDFRIESLAND 143/144, S. 2022). Sie hatte die 1988 eingerichtete, zuerst bis zu seinem Tode 1991
von Kurt Hamer (SPD) wahrge-
Foto: Hans Kohrt
Bundesverdienstkreuz für Renate Schnack
Von links: Anne Kämper von der dänischen Minderheit, Minderheitenbeauftragte Caroline Schwarz, Matthäus Weiss vom Landesverband deutscher Sinti und Roma, Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, Renate
Schnack, Friesenratsvorsitzender Ingwer Nommensen und Prof. Dr. Henrik
Becker-Christensen, dänischer Generalkonsul
nommene Funktion von dessen
Nachfolger Kurt Schulz (SPD)
übernommen.
Eine Reihe von Organisationen
stattete in Kiel ihren Dank für
die gute und impulsreiche Zusammenarbeit mir der früheren
Minderheitenbeauftragten ab, so
der Bund Deutscher Nordschleswiger, die Föderalistische Union
Europäischer Volksgruppen, der
Gemeinsame Rat der dänischen
Minderheit und des dänischen
Jugendverbandes, der Landesverband deutscher Sinti und Roma in
Schleswig-Holstein sowie das Zen-
trum für Niederdeutsch in Leck.
Zu den Gratulanten gehörte auch
Caroline Schwarz (CDU), die seit
2005 als Beauftragte des Ministerpräsidenten für Minderheiten und
Kultur fungiert.
„Für uns Friesen ist Renate Schnack
ein Glücksfall.“ Das betonte Ingwer Nommensen, Vorsitzender des
Friesenrates, in seinem Grußwort.
Sie habe, so Nommensen weiter,
wesentlich dazu beigetragen, den
Minderheiten und nicht zuletzt
den Friesen in der Politik eine
Stimme zu geben im Land, im
Bund und in Europa.
NfI
Friesisch an den Hochschulen
An den Hochschulen in SchleswigHolstein werden im Sommersemester 2007 im Fach Friesisch folgende Veranstaltungen angeboten
(Angaben ohne Gewähr):
Kiel: Vorlesung: Das Bild der Friesen (Hoekstra) 2std. Proseminare:
Altfriesisch (Hoekstra) 2std. Europäische Regional- und Minderheitensprachen im Bildungswesen
(Walker) 2std. Methoden der
Feldforschung in Nordfriesland
(Walker) 2std. Hauptseminar:
Einführung in das Halligfriesische
Nordfriesland 157 � März 2007
(Hoekstra) 2std. Übung: Lektüre
nordfriesischer Texte (Hoekstra)
2std. Sprachkurse: Mooring II
(N.N.) 1std. Mooring für Fortgeschrittene (Walker) 2std. Fering
I (N.N.) 2std. Westfriesisch für
Anfänger II (Hoekstra) 2std.
Flensburg: Seminar: Friesen und
Dänen – Zwei Minderheiten und
ihr Verhältnis zueinander (Steensen) 2std. Übungen: Einführung
in das Friesische (BA) (Steensen)
2std. Einführung in das Friesische
(BA) (Bieber) 2std. Einführung in
die friesische Sprachwissenschaft
(BA) (Kellner) 2std. Grundzüge
der friesischen Landeskunde und
Geschichte (BA) (Steensen) 2std.
Friesische Literatur im Überblick
(BA) (Joldrichsen) 2std. Das
Gleichnis von verlorenen Sohn
in fünf verschiedenen nordfriesischen Dialekten (Århammar)
2std. Übungen zur helgoländischen Sprache und Literatur
(Århammar) 2std. Sprachkurse:
Fering-Öömrang (Arfsten) 2std.
Mooring (Petersen) 2std.
Red.
7
Üt da
friiske feriine
Nordfriesischer Verein
tagte auf Nordstrand
Der Kreis Nordfriesland in seiner
jetzigen Form hat sich nicht nur als
Verwaltungskörperschaft bewährt,
er bildet auch eine kulturelle Einheit, die erhalten werden muss.
Mit dieser grundsätzlichen Aussage
bezog Hans Otto Meier, Vorsitzender des Nordfriesischen Vereins,
auf dessen Jahresversammlung am
21. Oktober 2006 in der Gaststätte Kiefhuck auf Nordstrand
Stellung gegen die in der Politik
diskutierte Kreisreform. Berichtet
wurde zudem über das reichhaltige Programm des Vereins. Vakant
ist nach wie vor die Stelle eines
Jugendreferenten. Derzeit gebe es
keine Bewerber, die sowohl eine
pädagogische Vorbildung als auch
friesische Sprachkenntnisse aufwiesen, so hieß es. Die goldene Ehrennadel des Vereins erhielten Sönke
Namanny aus Lindholm für seinen
Einsatz für die friesische Sprache
und Uwe Sönnichsen aus Niebüll
insbesondere für sein Engagement
für den Küstenschutz. Hans Otto
Meier und sein Stellvertreter Harro
Muuss, die den Verein aufriefen,
sich um geeignete Nachfolger zu
bemühen, wurden jeweils für zwei
Jahre, die Hälfte einer regulären
Amtszeit, in ihren Funktionen
bestätigt.
Langenhorner Provisorium
Erstmals in seiner Geschichte hat
der Fräische Feriin fun ’e Hoorne,
der seine Gründung auf das Jahr
1906 zurückführt, keinen Vorsitzenden. Der 78-jährige Johann
Detlef Siewertsen, der den Verein
seit 1999 leitete, lehnte auf der Jahresversammlung am 21. November
2006 eine erneute Kandidatur
entschieden ab, nachdem er bereits
vor vier Jahren erstmals seinen
8
Rückzug angekündigt hatte. Er
habe trotz aller Mühe niemanden
gefunden, der die Nachfolge sofort
antreten würde; ab 2008 stehe ein
möglicher Kandidat für den Vorsitz
zur Verfügung, dessen Name aber
noch nicht genannt werden solle,
so Siewertsen. Bis dahin werden
Irma Petersen und Uwe Henken
als neu gewählte Beisitzerin und
Beisitzer den verbleibenden, aus
Christine Brinckmann (stellvertretende Vorsitzende), Petra Geyer
(Kassenwartin) und Malena Autzen (Schriftführerin) bestehenden
Vorstand verstärken. Unter dem
anhaltenden Beifall der Versammlung würdigte Magnus Feddersen,
Ehrenvorsitzender des Langenhorner Vereins und friesisches
Urgestein, die engagierte Arbeit
von Johann Detlef Siewertsen. Die
100-Jahr-Feier des Vereins 2006
habe den Höhepunkt seines Wirkens gebildet.
Hans-Adolf Oldsen geehrt
Das Kuratorium des vom Frasche
Feriin for e Ååstermååre getragenen
Andersen-Hauses ehrte den langjährigen Schatzmeister des Vereins
Hans-Adolf Oldsen mit seinem
Kulturpreis. Seit 23 Jahren führt
Oldsen effizient und erfolgreich die
Vereinskasse. Auch an der Beschaffung und Verwaltung der Mittel für
Erwerb, Umbau und Unterhaltung
des Andersen-Hauses in Klockries,
das weit über die Grenzen der
Bökingharde hinaus als attraktives
friesisches Zentrum wirkt, war
Oldsen maßgeblich beteiligt. Die
Auszeichnung überreichte Vorsitzender Hauke Friedrichsen in einer
Feierstunde im Andersen-Haus am
17. Dezember 2006. Hans-Adolf
Oldsens Verdienste würdigte der
Ehrenvorsitzende der Ostermooringer Friesen Thomas Heinsen.
Wiedingharde:
Neuer Vorsitzender
Der Wiedingharder Friesenverein
wählte auf seiner Mitgliederversammlung am 27. Januar in Emmelsbüll Peter Ewaldsen zu seinem
Helgoland-Fahrt
Die traditionell jeweils im Jahr
nach dem Friesenkongress
durchgeführte Fahrt aus allen
drei Frieslanden nach Helgoland findet statt vom 1. bis
zum 3. Juni 2007. Ausrichter
ist der Interfriesische Rat.
neuen Vorsitzenden. Der über die
Grenzen des lange Jahre von ihm
als Amtsvorsteher geführten Amtes
Wiedingharde hinaus bekannte
Bürgermeister von Neukirchen
wurde einstimmig zum Nachfolger von Karl-Nikolai Brodersen
gewählt, der dem Verein seit 1996
vorgestanden hatte. Als Höhepunkte seiner friesischen Arbeit
nannte Brodersen unter anderem
die regelmäßigen Besuche in Westfriesland und von westfriesischen
Gruppen in Nordfriesland und
insbesondere in der Wiedingharde.
Für sein langjähriges Engagement
erhielt er die Ehrennadel des Nordfriesischen Vereins, mit der bei der
Versammlung auch Sophie Hunger
für ihre Verdienste um die friesische Sprachpflege ausgezeichnet
wurde.
Böredraawen
Nach Westfriesland hatte der Friesenrat vom 7. bis zum 9. Februar
zum Bauerntreffen eingeladen.
20 Interessierte aus Nordfriesland
waren der Einladung gefolgt, zusammen mit ostfriesischen Gästen
und westfriesischen Gastgebern
aktuelle landwirtschaftliche Fragen
zu besprechen. Auf dem Programm
standen nach einer Begrüßung
durch Roel Kaastra, den Vorsitzenden des Fryske Rie, Besuche bei
Betrieben aus den Bereichen Gärtnerei, Ackerbau und Viehzucht.
Besondere Höhepunkte waren die
Besichtigung des technischen Service-Unternehmens „Bos Mech“ in
Easterein, der Bierbrauerei und des
dazugehörigen Museums „Us Heit“
in Boalsert/Bolsward und des Infozentrums „Terp Hogebeintum“ auf
der höchsten Warft in Fryslân. Red.
Nordfriesland 157 � März 2007
Nordfriesland
im Winter
5. Dezember 2006 26. Februar 2007
n Am 7. Dezember verstarb im
Alter von 85 Jahren Karl Heinz
Schütt ein Urgestein der Husumer
Kommunalpolitik. Den gebürtigen Altonaer hatte der Zweite
Weltkrieg 1940 in die Storm-Stadt
verschlagen. Bis 1958 arbeitete er
als Betriebsschlosser in der Husumer-Brauerei. 1962 begann seine
außergewöhnliche Karriere in der
Stadtpolitik. 28 Jahre lang gehörte
er dem Stadtverordnetenkollegium sowie vielen nachgeordneten
Gremien an. Sechs Jahre lang war
er Senator, acht Jahre lang Bürgervorsteher. Für seine Verdienste
wurde er mit der Freiherr-vomStein-Medaille, mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande und mit
der Ehrenbürgerwürde der Stadt
ausgezeichnet. Bei der Grundsteinlegung für das neue Rathaus 1987
wurde ein Hut des „grundehrlichen und vor allem menschlichen
Politikers“ mit eingemauert.
n Mit einer Stimme Mehrheit
im dritten Wahlgang wurde am
7. Dezember Heinz Lorenzen,
Kandidat der Kommunalen Gemeinschaft (KG), zum Bürgermeister von Wyk auf Föhr gewählt.
Der Lehrer im Ruhestand ist damit
Nachfolger von Heinz-Georg
Roth und erster ehrenamtlicher
Bürgermeister der Stadt nach der
beschlossenen Fusion mit den
Ämtern Föhr-Land und Amrum.
Nach dem Rückzug des SPD-Kandidaten Dr. Diderick Rotermund
war Paul Raffelhüschen von der
CDU als einziger Gegenpart verblieben. Die notwendige absolute
Mehrheit der Stimmen konnte
in den ersten beiden Wahlgängen
keiner der Kontrahenten erringen.
Nordfriesland 157 � März 2007
„Ich habe festgestellt, ich bin nur
dritte Wahl“, bemerkte der Sieger
schließlich. Lorenzen bat alle Wyker Stadtverordneten um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
n Eine seltene Ehrung erfuhr der
Kantor der evangelischen Kirchengemeinde Sankt Peter-Ording
Christoph Jensen. Landeskirchenmusikdirektor Dieter Frahm
überreichte ihm am 10. Dezember die Ernennungsurkunde zum
Kirchenmusikdirektor.
Jensen
wurde 1958 in Husum geboren,
studierte 1979-83 und 1996-98 an
der Hochschule für Kirchenmusik
in Herford und schloss mit der
höchsten
Ausbildungskategorie
ab. Propst Dr. Friedemann Green
betonte die große Bedeutung des
Kantors und Organisten für das
kirchenmusikalische Leben in
Eiderstedt und speziell im Nordseebad, wo er 1983 seinen Dienst
antrat. An Jensens Arbeit werde
deutlich, dass die Kirchenmusik
die zweite Säule der Verkündigung
des Wortes Gottes darstellt, unterstrich Pastorin Regine Boysen.
n Am 10. Dezember erhielt Johann
Frank im Rantumer Kursaal für
seine Übersetzung der vier Evangelien ins Sylter Friesisch den C.-P.Hansen-Preis. Der Westerländer
schaffte die Übersetzungsarbeit in
nur vier Monaten. Dabei stand
Frank häufig vor dem Problem, dass
es viele Begriffe auf Sölring nicht
gibt, er habe versucht „sie durch
Redewendungen zu umgehen“. Neben dem ehrwürdigen Wörterbuch
von Boy Peter Möller half vor allem
der Rantumer Erk-Uwe Schrahé
als Lektor. Kuratoriumsmitglied
Helmut Schwabe bezeichnete den
Geehrten in seiner Laudatio als
„friesischen Luther“. Denn auch der
habe bei seiner Bibelübersetzung
„dem Volk aufs Maul geschaut“.
Der C.-P.-Hansen-Preis wird seit
1960 im Andenken an den Sylter
Chronisten für besondere Verdienste um die friesische Kultur, Sprache
und Geschichte der Insel verliehen.
n Als einem der herausragenden
denkmalgeschützten
Gebäude
im Lande wurde dem Pynackerhof im Trendermarschkoog auf
Nordstrand am 22. Januar der
schleswig-holsteinische
Denkmalpflege-Preis 2006 verliehen.
Der Preis wird vom SchleswigHolsteinischen Denkmalfonds
ausgelobt, einer von der Kulturstiftung des Sparkassen- und
Giroverbandes
begründeten
Einrichtung zur Förderung der
Privatinitiative bei der Erhaltung
kulturgeschichtlich bedeutender
Bauten. Nach der großen Sturmflut von 1634 kaufte der Niederländer Willibrord Pynacker Teile
des neu eingedeichten Trendermarschkooges und baute auf
einer Warft ein Geesthardenhaus.
1896 wurde es nach einem Brand
wieder aufgebaut. 1989 erwarben
Ingrid und Heinz Peter Moseler
das marode Anwesen und renovierten es zum Vorzeigeobjekt
Nordstrander Baukultur.
n Der Schwabstedter Hans-Peter
Schweger wird ein entscheidendes
Wort bei der Verleihung des wichtigsten deutschen Fernsehpreises
mitsprechen. Er wurde in die Jury
berufen, die über die Vergabe des
„Adolf-Grimme-Preises“
2007
entscheidet. Als Leiter der Volkshochschule Husum ist Schweger
auch Mitglied des Landesvorstandes
der Volkshochschulen. In dieser
Funktion erkundigte er sich bereits
vor zehn Jahren nach den Modalitäten bei der Zusammensetzung
der Jury. Als späte Reaktion darauf
und vermutlich auch in seiner
Eigenschaft als Veranstalter der
„Husumer Filmtage“ durfte der 51Jährige im Februar im westfälischen
Marl zusammen mit Medienwissenschaftlern und Journalisten seinen
Sachverstand einbringen.
n Der Husumer Handwerkerverein feierte sein 150-jähriges Jubiläum. Zahlreiche Ehrengäste, darunter Ministerpräsident Peter Harry
Carstensen, folgten der Einladung
9
Foto: Ursula Konitzki
n Der Verein „Freunde des Richard-Haizmann-Museums“ (im Bild Vorsitzender Andreas Schönefeld) erhielt im Januar beim Wettbewerb „365 Orte
im Land der Ideen“ unter 1 500 Bewerbungen den Zuschlag. Damit gehört
Niebüll zu den ausgewählten Gemeinden, die im Jahr 2007 Deutschland
repräsentieren. Die Auszeichnung überreichten die Direktorin der Deutschen Bank Westerland, Petra Nies (links im Bild), als Vertreterin der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ und die Managerin des Projektes,
Stephanie Riefke aus Berlin. Der Verein habe mit 40 Partnern ein Sponsoring-Modell geschaffen, das eine Würdigung verdiene. Die Entwicklung
neuer Ideen, Technologien und Produkte sei die Basis der Lebensqualität
und die Grundlage für die Zukunft der Kinder, betonten die Laudatorinnen. Der Verein hatte u. a. eine Museums-Malschule ins Leben gerufen
und wird im April einen Fotoworkshop für Jugendliche veranstalten.
zum Stiftungsfest am 10. Februar.
Das Handwerk könne sich dynamisch auf Veränderungen einstellen, würdigte der Landesvater die
Innovationskraft des Vereins. Er
wurde 1857 als Interessenvertretung für die Handwerker ins Leben
gerufen. Mit der Gründung der
Kreishandwerkerschaft verlor er
zwar an Bedeutung, spricht aber als
Mitglied der Husumer Wirtschaftsgesellschaft bis heute ein gewichtiges Wort bei der Entwicklung der
Stadt mit. Besondere Verdienste
erwarb sich Ehrenvorsitzender
Karl-Johann Raudzus. Er setzte in
seiner Amtsperiode (1981-90) u. a.
eine Satzungsänderung durch, die
es „allen dem Handwerk nahe stehenden Menschen“ erlaubte, dem
Verein beizutreten.
10
n Die Kirche Sankt Dionysius in
Joldelund, zu der sich auch die
Gemeindeglieder aus Goldebek,
Goldelund und Kolkerheide wenden, besitzt seit dem 11. Februar
offiziell eine neue Orgel. Propst
Dr. Helmut Edelmann weihte
das Instrument, Professor Andrzej
Chorosinski aus Warschau, der
Schirmherr des Orgelbaus, übergab es mit Klängen von Antonio
Vivaldi seiner Bestimmung. Das
Instrument hat – wie das in der
Dresdner Frauenkirche – schwarze
Tasten für die ganzen und weiße
Tasten für die halben Töne. Das
hatte sich Christa Petersen – seit
einem halben Jahrhundert Organistin – für den Neubau wünschen
dürfen. Auf den 578 Pfeifen sind
auch kleine Konzerte möglich.
n Am 15. Februar schlossen sich
in Husum fünf Parteien auf Kreisebene zu dem Bündnis „Wir sind
Nordfriesland“ zusammen. CDU,
SPD, FDP, SSW und WG-NF
wollen möglichst viele Mitstreiter finden, die sich aktiv für den
Erhalt des Kreises Nordfriesland
einsetzen. In einem von der Landesregierung geplanten Großkreis
drohen wichtige nordfriesische
Interessen wie Tourismus, Küstenschutz, Verkehrsinfrastruktur
oder
Krankenhaus-Versorgung
unterzugehen. Bürokratie-Abbau
und Einsparungen ließen sich auch
durch aufgabenorientierte Kooperationen mit den Nachbarkreisen
erreichen, bekräftigte Bundestagsabgeordneter Ingbert Liebing
(CDU). Der SSW, der den Kreis
auch aus historisch-kulturellen
Gründen erhalten möchte, warnte
insbesondere vor dem Verlust eines
„Stückes Demokratie“ in zu großen
Strukturen.
n Mit dem Ziel, Schülerinnen und
Schüler auf die Berufswelt vorzubereiten, schlossen am 20. Februar
in Husum die Ferdinand-TönniesSchule und die Firma C. J. Schmidt
einen Kooperationsvertrag. „Viele
Wirtschaftsunternehmen beklagen
bei den Berufseinsteigern mangelnde Ausbildungsreife und fehlende
Berufswahlkompetenz“, erklärte
Sigrid Ahlers von der Industrieund
Handelskammer
(IHK)
Flensburg. Mit Betriebsführungen,
Referaten aus dem Berufsalltag und
gelegentlichen Kleinjobs solle dem
entgegengewirkt werden. Als Anerkennung für sein Bemühen, Schule
und Wirtschaft zusammenzuführen, erhielt in Niebüll der Leiter
der Beruflichen Schule Bernhard
Puschmann die „Denkmünze der
Arbeitsgemeinschaft Bildung und
Medien 1955-2005“. Die Ehrung
stehe für alle Lehrer, die sich mit
dem Thema „Wirtschaft“ beschäftigten und die ihnen Anvertrauten
auf den Berufsweg vorbereiteten,
erklärte Walter Braasch, Präsident
der IHK Flensburg. Harry Kunz
Nordfriesland 157 � März 2007
Karin Haug:
Zwischen Event-Management
und Notnagel
MarktTreffs in Nordfriesland
Die Dörfer in Nordfriesland verändern sich. Die ortsansässigen Betriebe machen
dicht. Viele Bäcker, Schlachter, Ladenbesitzer und Wirte haben für immer den
Schlüssel umgedreht. Die Entscheidungen der Konsumenten führen zum Ende dörflichen Einzelhandels und berauben damit der dörflichen Gemeinschaft einen ihrer
wichtigsten sozialen Orte. Die Politik versucht gegenzusteuern.
Sehr viele Schleswig-Holsteiner zieht es aufs Programm für den ländlichen Raum
Land. Über 40 Prozent der schleswig-holsteini- Seit 1999 versucht das Land Schleswig-Holstein
schen Bevölkerung leben in Gemeinden mit bis mit dem Förderprogramm „MarktTreff“, Nachzu 10 000, mehr als die Hälfte davon in Orten folger des Förderprogramms für „Ländliche
mit weniger als 2 000 Einwohnern. Abseits der Dienstleistungszentren“, ein Gegengewicht zu
hektischen Städte suchen die Menschen frische bilden. „MarktTreffs sichern Grundversorgung,
Luft und Ruhe. Sie arbeiten aber zumeist nicht fördern die dörfliche Gemeinschaft und schafim heimischen Dorf, ihre Kinder gehen vielfach fen Arbeitsplätze – alles unter einem Dach“,
nicht dort zur Schule, und eingekauft wird in lobt sich die Landesregierung im Internet
aller Regel auch woanders.
(www.marktreff-sh.de). Mit durchschnittlich
Beispiel Stadum (1 058 Einwohner): Groß- je 300 000 Euro in den letzten Jahren wurden
einkäufe erledigen die Stadumer überwiegend dörfliche Gemeinden bei der Gründung von
in Schafflund oder Leck, beides nur ein paar MarktTreffs unterstützt. Mittel aus LandeshausAuto- oder Busminuten entfernt. Da bleibe der halt und EU-Töpfen stellen bis zu 50 % der AnLaden im Dorf nur als „Notnagel“, bedauert schubfinanzierung. Die andere Hälfte muss die
Horst Grube. Seine
Gemeinde selbst aufFrau Dörte betreibt in
bringen. Dafür beNordfriesland-Reportage
dem Geestdorf einen
kommt sie, so heißt es,
schmucken EDEKAein maßgeschneidertes
Markt mit frischen Brötchen, Fleisch und Modell für ihre Gemeinde, das technisch auf
Waren des täglichen Bedarfs – einen von 22 dem höchsten Stand ist. Insgesamt vier Typen
MarktTreffs in Schleswig-Holstein. Kundin sieht das Projekt vor vom ehrenamtlich betrieManuela Brogmus-Iversen steht für viele: Sie benen Kiosk bis zum MarktTreff „XL“, der den
hat einen Joghurt und eine Tüte Brötchen in Betreibern eine Vollexistenz ermöglicht.
der Hand. Ihre Großfamilie kaufe „nicht sehr Jeden Freitag berichtet der Schleswig-Holsteinioft“ beim MarktTreff ein, obwohl dieser direkt sche Zeitungsverlag (shz) als offizieller Mediengegenüber liege. Sie könne sich das einfach partner des Projekts in einer eigens geschaffenen
nicht leisten. Dabei könne zumindest das halbe Rubrik aktuell über die MarktTreffs.
Sortiment preislich mit den großen Märkten Anlass, sich um die Förderung eines Treffs zu
mithalten, versichert Grube. Viele Neuzugezo- bemühen, ist meist das drohende Ende des Dorfgene, die vor allem dem Arbeitgeber Bundes- ladens: „Der Bürgermeister kommt und klagt
wehr den Umzug nach Stadum zu verdanken darüber, dass der Kaufmann zumacht“, erzählt
haben, kennen aber nicht einmal den Laden im Norbert Limberg, Projektleiter für Dorf- und
Spierling.
ländliche Regionalentwicklung des Amtes für
Nordfriesland 157 � März 2007
11
ländliche Räume in Husum. Der Förderexperte
ist Ansprechpartner der schleswig-holsteinischen
Gemeinden in der jeweiligen ersten Projektphase des MarktTreffs.
Voraussetzung für einen positiven Bescheid ist
eine erfolgreiche Standortanalyse durch externe
Gutachter. Dazu müssen die Gegebenheiten vor
Ort stimmen, also Einzugsgebiet und Kaufkraft.
Außerdem muss gewährleistet sein, dass keinesfalls ein bestehendes Geschäft durch die öffentliche Förderung gefährdet wird.
Ist das alles geklärt, kann es losgehen. Am Anfang stehen meist umfangreiche Erweiterungsoder Umbauarbeiten eines vorhandenden
Ladens. Diese können sich die Pächter ohne
Förderung nicht leisten. Sie kommen nicht
aus eigenen Kräften aus dem Teufelskreis von
fehlenden Investitionsmitteln und kleinem
Angebot auf kleiner Fläche heraus. Da kommt
die staatliche Förderung ins Spiel und greift den
Pächtern unter die Arme.
Die Umbauten haben aber noch einen anderen Grund: Der MarktTreff soll ausdrücklich
nicht nur ein Einkaufsladen sein, sondern
auch als dörfliche Begegnungsstätte dienen.
Die Landesregierung achtet ausdrücklich auf
die Multifunktionalität, betont Christina Pfeifer, zuständig für das Projekt MarktTreff im
Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und
ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein
(MLUR). Dieser Vorgabe entsprechend bunt ist
das Erscheinungsbild der Treffs, von denen die
meisten den örtlichen Vereinen einen Raum anbieten, einen Internetarbeitsplatz vorhalten und
eine Postfiliale beherbergen. Ob große Märkte
oder kleine Kioske, beide tragen das Label
„MarktTreff“. Neben der Größe spielt auch die
Anbindung von Dienstleistern eine Rolle, von
der Bank bis zum Versicherungsvertreter, alle
sollten den Treff zumindest für Sprechstunden
nutzen. Deren Kunden kaufen dann, so das Kalkül, anschließend noch beim Kaufmann ein.
Einbindung ins dörfliche Leben
Ein breites Angebot reicht für den Erfolg eines
MarktTreffs allerdings nicht aus. Zwar hat noch
kein Treff schließen müssen, aber die Wirtschaftsdaten sind sehr unterschiedlich. Woran
das liegt, meinen die Projektbetreiber genau
zu wissen. Die „Betreiberpersönlichkeit“ gibt
12
den Ausschlag, ist sich Agraringenieurin Pfeifer
sicher. In der Öffentlichkeit beschreibt sie es
folgendermaßen, zuletzt bei der MarktTreff-Bilanz des Jahres 2006: „Dort, wo wir engagierte
Kümmerer haben, werden die MarktTreffs zu
lebendigen und bunten Veranstaltungszentren.“
Alexandra Greger von der Firma „ews group“,
die für das Projektmanagement zuständig ist,
sieht ebenso den Pächter als wichtigen Faktor
für den Erfolg: „Es reicht nicht aus, dass er nur
ein Kaufmann ist.“ Sie ermuntert die Betreiber,
viele eigene Veranstaltungen auszurichten.
Die Pächter verlassen sich im Gegenzug für ihr
Engagement auf die Verpflichtung von Dorfgemeinschaft und Gemeindevertretung; schließlich sollen sie bei ihnen einkaufen. Das tun sie
nur, wenn die Dorfbewohner die oftmals höheren Preise des Dorfkaufmanns akzeptieren. „Bei
mir kostet ein handwerkliches Brötchen ohne
Konservierungsstoffe nun einmal 45 Cent“, sagt
Maik Schultze, der gemeinsam mit seiner Frau
Inge den Witzworter Treff betreibt. Letztlich
könne kein MarktTreff gegen die Preise der
Discounter bestehen. Deren Filialen finden sich
inzwischen auch auf dem flachen Land. Gegen
diese Mitbewerber haben die Dorfläden einen
schweren Stand.
Da die Ketten, denen sie sich angeschlossen haben, den kleinen Läden wegen der kleinen Abnahmemengen nur geringe Rabatte einräumen,
bleiben diese bei Werbeaktionen meist außen
vor. Horst Grube aus Stadum kann weder das
gesamte EDEKA-Sortiment vorhalten noch bei
den wöchentlichen Angeboten mitmachen. Bei
den Lockangeboten, bei denen die Ware sogar
kurzfristig knapp unter dem Einkaufspreis zu
haben ist, muss er gänzlich passen. So produziert
er „notgedrungen“, wie er sagt, eigene Werbezettel, um auf seine Spezialitäten hinzuweisen.
Die können mit den Hochglanzprospekten der
Branchenriesen allerdings kaum mithalten.
„Mein größter Konkurrent ist Geiz-ist-Geil“,
sagt der Witzworter Schultze, der sich entschieden hat, in sein Sortiment auch preiswertes
Mineralwasser oder Billig-Toastbrot aufzunehmen. Das sind aber die Ausnahmen unter seinen
2 400 Artikeln. In Witzwort kommt das Frische-Sortiment aus der Region. Da sind zum einen die Milchprodukte aus der nur wenige Meter entfernten Molkerei, aber auch Fleisch und
Nordfriesland 157 � März 2007
Foto: Karin Haug
Dörte Grube vom MarktTreff Stadum bedient eine Kundin. Nicht zuletzt für ältere Dorfbewohner können die
neuen Zentren einen erheblichen Zuwachs an Lebensqualität bedeuten.
Wurst liefern regionale Produzenten: „Ich weiß,
woher das Fleisch kommt“, versichert Schultze,
der die Marken „Eiderstedter Qualitätsrind“
und „Schleswig-holsteinisches Qualitätsrind aus
der Region Eiderstedt“ verkauft. Das regionale
Angebot kommt an. Am Sonnabend bilden sich
trotz höherer Preise lange Schlangen vor den
Kassen des MarktTreffs. Im 965 Einwohner
zählenden Witzwort wird durchaus auch der
Wochenendeinkauf im Ort abgewickelt. Der
MarktTreff im Herzen der Gemeinde hat sogar
eine Auszubildende eingestellt, die seit dem August 2006 Verkäuferin lernt.
Im Februar 2007 war Schultze ein Jahr Pächter
in Witzwort, was gebührend gefeiert wurde.
Sein Fazit fällt trotz fehlenden Urlaubs und Sieben-Tage-Woche positiv aus: „Wenn die Zahlen
auch in den nächsten Jahren stimmen“, wird er
weitermachen. Er profitiert davon, die Mitglieder der Gemeindevertretung als wichtige Multiplikatoren und zentrale Entscheider „komplett
als Stammkunden“ begrüßen zu können.
Sein MarktTreff kann vor allem in Sachen Gemütlichkeit und Nähe gegen die Discounter
Nordfriesland 157 � März 2007
punkten. Schultze kann sich auf die Anziehungskraft des Angebotes jenseits des Warenangebots verlassen. So lädt ein gemütlicher Raum
Touristen und Einheimische, unter ihnen viele
Besucher des gegenüber liegenden Kirchhofs,
zum Kaffee ein. Die Gäste, überwiegend Senioren, wollen von einem Lieferservice nach Hause
nichts wissen, erzählt Schultze. Zu gerne sitzen
sie im Ortszentrum zusammen und klönen. Darum kommen sie gerne zum Kaufmann, der ihnen die Waren bei Bedarf auch schon mal in den
Kofferraum trägt. Eine Kundin nennt als Gründe, warum sie im MarktTreff einkaufe: „Mal
einen Kaffee trinken“, und dass man „schnacken
und klönen“ könne. Die „nette Atmosphäre“
hat es ihr angetan.
Der Raum im Witzworter MarktTreff bietet
neben dem obligatorischen Internet-Platz und
einem Buchregal den ansässigen Vereinen einen
Treffpunkt. Hinter einer Glasscheibe ist darüber
hinaus die „gläserne Redaktion“ der Husumer
Nachrichten untergebracht, wo einmal die Woche eine Redakteurin anzutreffen ist. Die Witzworter Vereine nutzen diese Gelegenheit für ihre
13
Pressearbeit. Die Räumlichkeiten werden regelmäßig frequentiert und gut angenommen.
So wie in Witzwort soll es nach dem Willen der
Planer am liebsten in allen MarktTreffs ablaufen.
„Ein Betreiber wie aus dem Bilderbuch“, urteilt
Pfeifer über den pfiffigen Pächter, der sich viel
einfallen lasse und sich durchaus zum Vorbild
eigne. So habe Schultze einen Gospelchor eingeladen und gleichzeitig das Catering des Konzerts
übernommen. „Das ist sein zweites Standbein“,
meint Alexandra Greger vom Projektmanagement; Schultze beliefert auch private Feste.
Greger kennt die 22 MarktTreffs im Land aus
eigener Anschauung, denn sie besucht jeden
mindestens einmal im Jahr. Sie hat vor allem
im Auge, ob die Bürger den Markt gut annehmen und „ob sie sich wohlfühlen“. Vorteil der
Besuche: Unterstützungsbedarf der Pächter wird
ohne langes Vorgespräch geklärt. Das Projektmanagement vermittelt unter anderem Gespräche zur Einrichtung einer Lotto-Annahmestelle.
Die Stadumer Pächter haben allerdings die Erfahrung gemacht, dass die versprochene Unterstützung in Sachen Werbung nie realisiert wurde.
Auch in Sachen Postfiliale bewege sich nichts.
Eine Postfiliale steht – neben einem Bankautomaten – auch in Witzwort auf der Wunschliste.
Erreicht wurde allerdings, dass die Nord-Ostsee Sparkasse seit kurzem dort vertreten ist.
Die Lokalpresse meldete am 3. Februar: „Von
Donnerstag an wird die Nord-Ostsee-Sparkasse
einmal in der Woche, donnerstags von 15 bis 16
Uhr, eine Sprechstunde im MarktTreff anbieten.
Bürger können dann Bargeld abholen oder sich
in Bankangelegenheiten beraten lassen.“
Projektmanagement
Als „konkrete Hilfestellung“ ist seitens des Projektmanagements der regelmäßige Erfahrungsaustausch der Betreiber gedacht, der zweimal
im Jahr organisiert wird. Von den Erfahrungen
anderer zu profitieren, ist das Motto. So entstehen gemeinsame Aktionen wie ein „Käseabend“,
wo bei einem Glas Rotwein Wissenswertes über
Milch und Käse vermittelt wird. Neueste Idee:
eine „Bonuskarte“, faktisch eine Rabattkarte, die
treue Kunden mit einer Tasse Kaffee oder einem
Stück Kuchen belohnt. Ab März wird sie in einigen Treffs angeboten werden, bei Schultzes gibt
es die Tasse gleich draufzu.
14
Markttreffs sind keine normalen Läden. Ihre
Betreiber sind wie auch die Projektverantwortlichen ständig auf der Suche nach neuen Einfällen. Schnell wurde aber klar, dass sich nicht
jede Idee auch auszahlt. So dachte man noch
1999, dass „man mit dem Internet Geld verdienen könne“, erzählt Christina Pfeifer. Ein
Trugschluss, inzwischen mussten sich die Projektverantwortlichen wegen des fast flächendeckenden privaten Internet-Zugangs eines
Besseren belehren lassen. Pfeifer versteht den
MarktTreff nach solchen Fehleinschätzungen
als „lernendes Projekt“, das inzwischen anders
arbeite als am Beginn.
Umlernen musste man in Kiel auch, was die
Selbstorganisation vor Ort betrifft. Die Einbindung der örtlichen Akteure überließen die Planer anfangs dem Zufall. Überregionale Partner
wie das Deutsche Rote Kreuz, Landessportbund
oder der Landesfeuerwehrverband sind zwar als
Beiräte in die Projektbegleitung eingebunden,
aber daraus ergibt sich in den seltensten Fällen
eine verpflichtende Bindung vor Ort. Die Planer
haben ihre Lektion gelernt: Inzwischen empfiehlt die Landesregierung die Gründung eines
Vereins im Dorf, um den Treff auf eine stabile
Grundlage zu stellen. Das geschah in Witzwort
im Mai 2004.
In Stadum aber, wo bereits 16 Dorfvereine bestehen, wurde kein zusätzlicher lokaler MarktTreff-Verein gegründet. Eine entsprechende
Unterstützung fehlt. Das erklärt zum Teil den
Frust der Betreiber. Sie haben den Eindruck,
dass ihre Aktionen oft ins Leere laufen. „Versprochen haben wir uns alle mehr davon“, sagt
Horst Grube.
Nur drei, meistens verwaiste Sitzplätze bietet der
Treffpunkt in einem vom eigentlichen Laden
getrennten, kleinen Raum, der kaum zum Verweilen einlädt. „Damals waren wir darauf ganz
stolz“, erinnert sich Norbert Limberg in Husum
an den Start des MarktTreffs ins Stadum. Limberg ist unzufrieden mit der strikten regionalen
Begrenzung des Standortes Stadum, neben Ladelund einer der „Altstandorte“, noch aus den
Zeiten der ländlichen Dienstleitungszentren.
Solche „sehr lokalen“ Lösungen gebe es inzwischen nicht mehr. Jetzt sei das „völlig anders“.
Dörte Grube kämpft weiter. Kleinliches Hickhack drückt auf ihre Stimmung. So wurden
Nordfriesland 157 � März 2007
Foto: Karin Haug
Das Witzworter Team (von links): Inge Schultze, Maik Schultze, Auszubildende Janina Hecht, Angestellte Gesa
Kobarg.
Strom- und Reinigungskosten für den Bankautomaten erst nach langem Hin und Her von
der Gemeinde übernommen. Grube wünscht
sich konkrete Hilfe bei laufenden Kosten: „Die
Stromkosten fressen uns auf.“ Doch deren
Subventionierung ist bei dem Landesprojekt
ausdrücklich ausgeschlossen.
Grubes lassen sich einiges einfallen: So verteilten
sie über 400 Handzettel, um über einen neuen
Service im Bereich des Versandhandels zu informieren. Da den aber nur ein Kunde innerhalb
eines halben Jahres in Anspruch nahm, haben
Grubes inzwischen das Angebot gestrichen.
An Aktionen, die bei den Treffen der anderen
MarktTreff-Pächter vorgestellt werden, beteiligen sie sich meistens nicht: „Die lassen ihre
Katze ja doch nicht aus dem Sack“, mutmaßt
Horst Grube, der sich als Vertreter eines kleinen
MarktTreffs nicht ausreichend unterstützt fühlt.
Auch in der Presse fühlt er sich übergangen.
„Die Kleinen erscheinen doch so gut wie nie“,
meint Grube. Viele Neuigkeiten finden Interessierte nur im Internet.
Nordfriesland 157 � März 2007
Neue MarktTreffs in Nordfriesland
22 MarktTreffs gibt es inzwischen in Schleswig-Holstein, mit regionalen Schwerpunkten
im Norden, also in den Kreisen Nordfriesland
und Schleswig-Flensburg. Zu den jüngeren
MarktTreffs gehört neben Witzwort auch der in
Schwabstedt, der im August 2006 sein einjähriges
Bestehen feierte. Mit 800 Quadratmetern im ehemaligen Schwabstedter Kaufhaus, das nach einem
Leerstand wieder belebt werden konnte, gehört er
zu den großen Treffs. Der Medienpartner schrieb
am 4. August 2006: „In den Augen vieler ist er
sogar eine Ideallösung.“ 2004 wurde in Haselund
der Dorfladen zum MarktTreff umgebaut. Direkt
an der viel befahrenen B 200 findet man den
ca. 600 qm großen Markt, der unmittelbar vor
Umbauten steht, von denen sich die Betreiber
Frank und Friedrich Spingel wie auch Experte
Limberg viel versprechen. In Ladelund legt man
besonderen Wert auf Jugendarbeit. Der dortige
MarktTreff bietet außerdem gesundheitliche und
kosmetische Dienstleistungen an. Bis 2013 plant
die Landesregierung insgesamt 50 MarktTreffs.
15
Ein „ehrgeiziges Ziel“, meint Managerin Greger,
die es aber für erreichbar hält.
Neue Standorte würden inzwischen streng nach
den „tatsächlichen Bedarfen vor Ort“ geplant. In
Nordfriesland kommt zu den bestehenden fünf
Standorten vielleicht sogar noch in diesem Jahr
ein neuer hinzu: Rantrum. Daneben ist auch ein
Treff in der friesischen Gemeinde Neukirchen in
der Planung: „Irgendwann muss da etwas passieren“, prognostiziert Planer Limberg. Der Ort
erfüllt sowohl mit seiner Größe von fast 1 300
Einwohnern als auch seiner Lage die Voraussetzungen für die Gründung eines MarktTreffs.
Auf die Pächter kommt es an
Die MarktTreffs werden, kaum verwunderlich,
von ihren Erfindern und Trägern als Erfolgsmodell verkauft, zumindest, wenn man die
veröffentlichten Presseartikel und Internetseiten
liest. Bislang hat auch noch kein MarktTreff in
Schleswig-Holstein seine Türen schließen müssen. Ohne Zweifel belebt ein gut frequentierter
Treff das dörfliche Leben und bietet den Dorbewohnern eine attraktive Dienstleistung. Er gibt
bzw. erhält den Dörfern eine Funktion über das
reine Wohnen hinaus. Der MarktTreff macht vor
allem ältere Dorfbewohner unabhängiger vom
Verkehrsmittel Auto.
Für die Projektverantwortlichen stehen die Pächter als entscheidender Faktor fürs Gelingen oder
Scheitern des MarktTreffs im Mittelpunkt. Die
wirtschaftliche Situation des einzelnen MarktTreffs ist von ihrer Warte aus abhängig vom persönlichen Einsatz des Pächters; andere Faktoren
bleiben auf diese Weise allerdings ausgeblendet.
Der Strukturwandel des ländlichen Raumes
ist aber weiter in vollem Gang. Viele einstmals
lebendige Gemeinden entwickeln sich zu Schlafdörfern, in denen tagsüber wenig geschieht. Dies
können die MarktTreffs nicht aufhalten. Allerdings können sich anderenorts, wo dörfliche
Gemeinschaft noch existiert, MarktTreffs mit
einfallsreichen Pächtern durchaus behaupten.
Die Einbindung ins dörfliche Leben ist möglich.
Die zentralen Akteure des Dorfes sollten aber
unbedingt zu den Stammkunden gehören.
Wo sich hingegen der dörfliche Zusammenhang weitgehend aufgelöst hat, bestehen die
MarktTreffs oft nur durch wirtschaftliche Zugeständnisse ihrer Pächter. Diese werden durch die
16
Zwitterstellung ihrer Läden zerrieben, die einerseits soziale Einrichtungen, andererseits aber auch
Wirtschaftsbetriebe sein sollen. Trotz öffentlicher
Förderung trägt letztlich der Pächter das für ihn
nicht unerhebliche wirtschaftliche Risiko.
Das haben auch die Planer erkannt. Gezielt sollen die Betreiber für ihre Aufgabe ertüchtigt werden. Das wirtschaftliche Überleben wurde so im
Laufe des Projekts zum vorrangigen Ziel statt,
wie ursprünglich vorgesehen, die Stärkung der
sozialen Kompetenz. So hält man die Pächter bei
der Stange und damit das Projekt am Leben.
Es setzt sich bei den Verantwortlichen langsam
die Erkenntnis durch, dass das Coaching durch
versierte und praxiserfahrene Einzelhandelsexperten und die Unterstützung durch potente
Handelsketten unverzichtbar sind. Nur sie können die Pächter fit machen für die Führung eines
Ladens in ungünstiger Lage und mit begrenztem
Angebot. Auch ein Tausendsassa und erfahrener
Einzelhändler wie Maik Schultze zahlte anfangs
Lehrgeld an „Theoretiker“, wie er seine damaligen Berater im Nachhinein nennt, die völlig an
seinem Bedarf vorbeiplanten.
Es ist nur zu verständlich, dass sich die Projektverantwortlichen bei ihren Bemühungen, das
Projekt zu verbessern, auf die Pächter konzentrieren; sind sie doch das einzige Element des
Projekts, auf den sie durch Beratung, Weiterbildung oder gegenseitigen Austausch wirklich
Einfluss nehmen können.
Den Strukturwandel können die MarktTreffs
nicht aufhalten, günstigenfalls begleiten sie
ihn als zusätzliche, geförderte örtliche Dienstleistung. Die Entscheidung der Bürgermeister
und Gemeindevertretungen für einen MarktTreff unterscheidet sich nicht von der für ein
Schwimmbad, ein Jugendzentrum oder eine
andere soziale Einrichtung der Gemeinde.
Eine Antwort auf den Verlust der sozialen Kompetenzen und Funktionen in den Dörfern bleibt
die Politik jedoch bisher schuldig. Dem ländlichen Raum Perspektiven über eine Funktion als
rein rekreatives und touristisches Rückzugsgebiet
hinaus zu geben, bleibt weiterhin eine dringliche,
aber auch lohnende politische Aufgabe.
Dr. Karin Haug arbeitet in Flensburg als freiberufliche Journalistin. (Adresse: Am Burgfried 6,
24393 Flensburg.)
Nordfriesland 157 � März 2007
Matthias Theodor Vogt:
in varietate concordia
Minderheiten als Elemente
deutscher und europäischer Kultur
Millionen von Menschen in Europa gehören nationalen und kulturellen Minderheiten
an. Für die EU und ihre einzelnen Staaten stellt dieser Sachverhalt ein wichtiges Politikfeld dar. Der Rat der vier autochthonen Minderheiten in Deutschland hatte am 8.
März 2006 zu einem Parlamentarischen Abend in die Vertretung des Landes Schleswig-Holstein in Berlin geladen. In seinem Referat beleuchtete Prof. Dr. Matthias Theodor Vogt von der Universität Zittau/Görlitz zentrale Fragestellungen zu den Minderheiten aus verfassungspolitischer Perspektive. NORDFRIESLAND bringt Auszüge.
Innerhalb der deutschen Kultur ist das Hochdeutsche lediglich eine Übereinkunft, analog
übrigens zu einem Auftrag der Oberlausitzer
Stände aus dem Jahre 1691 an eine Kommission,
aus der Vielzahl der von Dorf zu Dorf und Tal zu
Tal differierenden sorbischen Lokalidiome eine
„durchgehends gebräuchliche wendische Sprache“ zu schaffen.1 Die Hannoversche Aussprache des Hochdeutschen als Modell korrekten
Sprechens hat sich gerade einmal seit 100 Jahren
durchgesetzt, zunächst im Ergebnis einer 1898
im Apollosaal des Königlichen Schauspielhauses
zu Berlin am Gendarmenmarkt abgehaltenen
„Konferenz zur deutschen Bühnenaussprache“2
und später im Ergebnis der vom Norddeutschen
Rundfunk deutschlandweit ausgestrahlten Fernsehnachrichten.
Was hochdeutsch aussieht, klingt allerdings in der
tatsächlichen Sprechpraxis regional höchst unterschiedlich. Richard Wagners Libretto zum „Ring
des Nibelungen“ erschließt seine Feinheiten erst,
wenn es von einem Sachsen vorgetragen wird.
Ähnliches gilt beispielsweise von Goethes Gedichten und dem Hessischen. Eine Allensbacher
Umfrage ergab 1998, zum hundertsten Jahrestag
der Aussprachekonferenz, dass im Bundesdurchschnitt 51 % der Befragten angaben, die Mundart
der Gegend, in der sie leben, sprechen zu können,
in Bayern 72 % (außer in München), und dass
jeder Dritte nur in Ausnahmefällen Hochdeutsch
spricht.3
Deutsche Kultur ist also weit mehr als die Kultur des Hochdeutschen. Die gängige Definition
jedoch, wie sie zum Beispiel der Förderpraxis
Nordfriesland 157 � März 2007
der Bundeskulturstiftung zugrunde liegt, lässt
urbane Kultur als die einzig wahre gelten. Dass
sich mit ländlich-dörflicher Kultur beispielsweise die Länder des Baltikums über Jahrhunderte
erfolgreich gegen die russische Überformung gestemmt haben und dass sie diese nun mit Witz
und Sachverstand in die europäische Debatte
einbringen, hat sich in den Hauptstädten der
alten EU noch nicht überall herumgesprochen.
Einheit – Einherzigkeit
Die Spannung zwischen den „feinen Unterschieden“, um mit Pierre Bourdieu4 zu sprechen, und
dem Raum einheitlicher politischer Aktion
prägt die beiden suprastaatlichen Ausformungen Europas, die seit dem Zweiten Weltkrieg
parallel zueinander aufgebaut wurden. Der am
5. Mai 1949 gegründete Europarat basiert auf
dem Prinzip der Ermöglichung von Vielfalt
und bezahlt dafür mit relativer Machtlosigkeit.
Empfehlungen wie die Europäische Charta für
Regional- oder Minderheitensprachen sind
weder von einem Finanzinstrument noch von
ernsthaften Sanktionsmechanismen untersetzt.
Die am 9. Mai 1950 ins Leben gerufene Europäische Union wiederum baut auf Einheitsräumen
auf und ist mit diesem Prinzip in den französischen und niederländischen Referenden 2005
gescheitert. Die vom Vatikan 1931 angesichts
der damaligen Vielzahl autoritärer Regime empfohlene Lösung einer „Subsidiarität“ („Oben“
ist zur Hilfe, zum „subsiduum“, verpflichtet, um
„Unten“ eigenständiges Handeln zu ermöglichen) ist leichter in (europäische) Verfassungs17
entwürfe hineingeschrieben als in (bundesdeutschen) Föderalismus-Revisionen realisiert.
Auf Englisch heißt das Europa-Motto „Unity
in diversity“, also „Einheit“ mit dem Unterton
der „Einheitlichkeit“ und „in der Vielfalt“ mit
dem Unterton der „Unterschiedlichkeit“. Im
lateinischen Original heißt es „in varietate concordia“, also „in Mannigfaltigkeit Einhelligkeit“
oder eigentlich sogar „Einherzigkeit“. Von dieser
Concordia ausgehend, hatte der Göttinger Bassam Tibi den Begriff der „Leitkultur“ erfunden,
wohlgemerkt für Europa; auf Deutschland haben ihn andere übertragen.
Eine Briefmarke zeigt diese Concordia, diesen
Willen zur Gemeinsamkeit, der regionale Unterschiedlichkeiten überwölbt. Sie wurde von der
Deutschen Post zum 50. Jahrestag des Friesenrates herausgegeben. Vor dem gemeinsamen Hinter- oder Bezugsgrund der in Windstärke sechs
mäßig-stürmisch bewegten Nordsee erscheint
dreimal der gleiche Begriff, nämlich „Friesenrat“
auf – von oben – Ostfriesisch, Nordfriesisch und
Westfriesisch, jeweils in drei Farben, abgeleitet
von den drei Fahnen der drei Sprachgruppen5.
Man liest unwillkürlich ein Schwarz-Rot-Gold
hinein, aber diese Trikolore gibt es auf der Marke natürlich nicht. Dennoch ist genau dies die
eigentliche Botschaft des Postwertzeichens: Die
deutsche Fahne ergibt sich auch, wenn man
die Farben der Friesen zusammenfügt. Anders
gesagt: Die Bundesrepublik Deutschland ist zunächst einmal die Summe ihrer Regionen, überformt zu einer gemeinsamen Symbolstruktur.
Autochthone Minderheiten
Eine besondere Rolle in dem Konzert der regionalen Vielfalt spielen die vier autochthonen Minderheiten, deren Ansprüche die Bundesrepublik
Deutschland durch ihren Beitritt zur Europäischen Charta für Regional- oder Minderheitensprachen und zum Rahmenübereinkommen
des Europarates für nationale Minderheiten
in geltendes Recht überführt hat, nämlich die
nationale dänische Minderheit, die friesische
Volksgruppe, die Lausitzer Sorben sowie die Sinti
und Roma. Das eigentlich brennende Problem
für diese Gruppen ist nun keine Verfassungsdiskussion, sondern die Sicherung der finanziellen
Förderung. Den Kernpunkt bildet hier wiederum
die Ebenenzuständigkeit. Artikel 3 des Grund18
gesetzes stellt ein Diskriminierungsverbot unter
anderem für die Minderheiten und ihre Sprachen
auf. Eine Zuständigkeit für etwaige finanzielle
Förderungen aber findet sich im Grundgesetz
nicht. Auf der Grundlage von Artikel 30 greift
damit die Zuständigkeitsvermutung zugunsten
bzw. zulasten der Länder.
Als Förderungsinstrument für die Minderheiten häufig zitiert werden die Bestimmungen
für die Sorben und das Sorbische im „Vertrag
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
der Deutschen Demokratischen Republik über
die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag)“. Doch auch hier finden sich
keine eigenständigen Regelungen. Im Gegenteil
heißt es in der entsprechenden Protokollnotiz
ausdrücklich: „Die grundgesetzliche Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern
bleibt unberührt.“ Somit könnte man schließen,
dass die Förderung der Sorben an sich eine Sache der beiden betroffenen Länder Sachsen und
Brandenburg wäre. Dies ist jedoch systematisch
außerordentlich unbefriedigend.
Es ist zu differenzieren zwischen einem gesamtstaatlichen Interesse daran, dass die Kultur
der autochthonen Minderheiten lebendiger
Bestandteil der Kultur Deutschlands ist und
bleibt, und einem regionalen Interesse, sprich
einer Verpflichtung der Sitzländer. Die erst spät
deutsch überformten Friesen ebenso wie die Sorben haben ältere Territorialrechte als die jeweilige deutsche Bevölkerungsgruppe. Die Sinti und
Roma können auf mehrhundertjährige gemeinsame Geschichte mit den Deutschen verweisen.
Die Dänen wurden zur Minderheit nicht zuletzt
aufgrund von Grenzverschiebungen. All dies
spricht klar für eine gesamtstaatliche und damit
Bundeszuständigkeit aus genuin politischen,
nicht aus kulturpolitischen Gründen.
In eben dieser für die autochthonen Minderheiten spezifischen Logik haben am 28. August
1998 – an Goethes Geburtstag – die Bundesrepublik Deutschland, der Freistaat Sachsen und
das Land Brandenburg die Finanzierung der am
selben Tag von Sachsen und Brandenburg begründeten Stiftung für das Sorbische Volk übernommen. Hierbei leistet der Bund einen Förderanteil von 50 % entsprechend einer hälftigen
Gesamtverantwortung; der Freistaat Sachsen
33,3 % Förderanteil entsprechend den 40 000
Nordfriesland 157 � März 2007
Die autochthonen Minderheiten in Deutschland6
Dänen
Die dänische Minderheit kann sich als einzige der vier Volksgruppen in Deutschland auf
einen benachbarten Staat beziehen. Dieser
Tatbestand sichert ihr nicht nur erhebliche
materielle Unterstützung, sondern verleiht
ihr auch eine gewisse Bedeutung in der
zwischenstaatlichen Politik. Etwa 50 000
Menschen mit deutschem Pass, aber dänischer Gesinnung rechnen sich im Norden
des Bundeslandes Schleswig-Holstein heute
zur dänischen Minderheit. Die persönliche
Entscheidung jedes Einzelnen ist das ausschlaggebende und einzige Kriterium für
die Zugehörigkeit: „Däne ist, wer Däne sein
will.“ Zahlreiche Einrichtungen – vom Kindergarten bis zum Altenheim – stehen der
Minderheit zur Verfügung. Ihre Veranstaltungen bereichern das kulturelle Angebot im
Landesteil Schleswig.
Sinti und Roma
Seit mindestens sechs Jahrhunderten leben in
Deutschland „Zigeuner“, wie sie landläufig genannt werden. Diese Bezeichnung lehnen die
meisten von ihnen jedoch ab. Denn mit ihr sind
romantische Klischees, vor allem aber schlimme
Vorurteile verbunden. Bei kaum einem anderen
Volk findet sich eine derartige Verbindung von
Faszination und Ablehnung. „Lustig ist das Zigeunerleben“ in Deutschland und vielen anderen
Ländern selten gewesen. Dem planmäßigen
Mord während der NS-Diktatur fielen annähernd 500 000 Sinti und Roma zum Opfer – was
jedoch lange verdrängt und verschleiert wurde.
In der Bundesrepublik leben mindestens 50 000
Sinti und 20 000 Roma als deutsche Staatsbürger.
Die allermeisten von ihnen sind sesshaft. Zu ihrer
Identität gehören wesentlich ihre Sprache Romanes, ihre Musik, ein reicher Schatz an Erzählungen und handwerkliche Traditionen.
Friesen
Die Friesen gehören zu den germanischen
Völkern, die als erste überhaupt genannt
wurden. Sie leben an der Nordseeküste der
Niederlande und Deutschlands. Die eigenständige Sprache beherrschen in den Niederlanden
mehr als 400 000 Menschen (Westfriesisch),
im Bundesland Niedersachsen knapp 2 000
(Saterfriesisch), in Schleswig-Holstein annähernd 10 000 (Nordfriesisch in mehreren
Dialekten). Viele mehr im nördlichsten Bundesland bezeichnen sich aufgrund Herkunft
und Gesinnung als Friese. Wie viele es genau
sind, ist unbekannt. Von der Politik wurden
die Nordfriesen erst recht spät „entdeckt“. Seit
1990 garantiert ihnen die Landesverfassung
„Schutz und Förderung“. Besonders in den
Grundschulen wird friesischer Unterricht angeboten. Trotz vieler Bemühungen liegen die
Nordfriesen im Vergleich mit vielen anderen
europäischen Minderheiten noch recht weit
zurück.
Sorben
Die Sorben sind heute das am weitesten im
Westen lebende slawische Volk. Das Siedlungsgebiet der „Surbi“ schrumpfte seit ihrer
ersten Erwähnung im Jahr 631 zusammen. In
der wald- und wasserreichen Landschaft an
der Spree südlich Berlins konnten sie sich dem
ansonsten herrschenden Anpassungsdruck
entziehen. Heute leben die Angehörigen des
kleinsten slawischen Volkes in zwei Bundesländern: im Südosten Brandenburgs, in der
Niederlausitz, etwa 20 000 „Niedersorben“,
im Osten Sachsens, in der Oberlausitz, etwa
40 000 „Obersorben“. Zu Zeiten der DDR
wurden sie erheblich gefördert. Vieles davon
konnte bei den Verhandlungen zur deutschen
Einheit festgeschrieben werden. Indes sehen
sich auch die Sorben mit den Sparzwängen
der öffentlichen Hände konfrontiert. Ein weiteres Problem bildet der fortgesetzte Abbau
von Braunkohle, der ganze Dörfer verschwinden ließ.
Thomas Steensen
sächsischen Staatsangehörigen sorbischer Zunge
und das Land Brandenburg 16,7 % Förderanteil entsprechend seinen 20 000 Sorben. Diese
Finanzierung läuft zum 31. Dezember 2007 aus.
Nun ist das Finanzierungsabkommen von 1998
für die Bundesseite in absoluten Beträgen klar
degressiv ausgelegt. Die derzeit auf Bundesebene
teilweise zu findende Interpretation sieht daher
Nordfriesland 157 � März 2007
19
Foto: Sorbisches Kulturarchiv Bautzen
im Hinblick auf die Förderung der Sorben sind
hier alle jeweils betroffenen Ebenen gefragt,
konkret Bund und Länder.
Osterreiter 1980 in Radibor in Sachsen. Das traditionelle Brauchtum ist ein wichtiger Teil der sorbischen
Kultur.
eine Verknüpfung mit dem 2019 auslaufenden
Solidarpakt. In dieser Logik könnte für die Jahre
2008 bis 2019 noch einmal ein Finanzierungsabkommen geschlossen werden. Anschließend
müssten die betroffenen Sitzländer alleine für
die Finanzierung der Stiftung aufkommen.
Dieser Logik ist klar zu widersprechen: Weder
im Abkommen von 1998 noch in den Protokollnotizen zum Einigungsvertrag ist eine solche Verbindung festgehalten. Sie verdankt sich
haushälterischen Überlegungen, aber keinen
politischen.
Aus systematischer Perspektive erscheint die
1998 zwischen dem Bund einerseits, den beiden
Ländern andererseits gefundene Lösung einer
Übernahme der Verantwortung je zur Hälfte
zugunsten der Sorben als stringentes Abbild der
Tatsache, dass aufgrund ihrer außenpolitischen
Alleinverantwortung es die Bundesregierung
war und nicht die 16 Länderregierungen, die
1998 die Sprachen-Charta und das Rahmenübereinkommen unterzeichnet hat, handelnd
im gesamtstaatlichen Interesse. Deutschlands
Kultur ist mehr als deutsche Kultur. Nicht nur
20
Verfassungsrang für Minderheitenrechte
Ein innerstaatliches Instrument für Schutz und
Förderung der Minderheiten könnte die Verankerung ihrer Rechte in der Verfassung sein.
In der „Verfassung des Deutschen Reiches“,
beschlossen vom Frankfurter Paulskirchen-Parlament am 28. März 1849, in Abschnitt VI „Die
Grundrechte des deutschen Volkes“, Artikel XIII
§ 188 hieß es: „Den nicht deutsch redenden
Volksstämmen Deutschlands ist ihre volkstümliche Entwicklung gewährleistet, namentlich
die Gleichberechtigung ihrer Sprachen, soweit
deren Gebiete reichen, in dem Kirchenwesen,
dem Unterrichte, der inneren Verwaltung und
der Rechtspflege.“ Wohlgemerkt: Deutschland
wird hier als Summe der nicht deutsch redenden
und natürlich der deutsch redenden Volksstämme gefasst.
Ganz anders die „Verfassung des Deutschen
Reichs“ vom 11. August 1919. Zweiter Hauptteil „Grundrechte und Grundpflichten der
Deutschen“ 1. Abschnitt „Die Einzelperson“,
Artikel 113: „Die fremdsprachigen Volksteile
des Reichs dürfen durch die Gesetzgebung und
Verwaltung nicht in ihrer freien, volkstümlichen
Entwicklung, besonders nicht im Gebrauch
ihrer Muttersprache beim Unterricht sowie bei
der inneren Verwaltung und der Rechtspflege
beeinträchtigt werden.“
Aus den „nicht deutschsprachigen Volksstämmen“ sind in der Weimarer Reichsverfassung
die „fremdsprachigen Volksteile“ geworden. Die
„Gewährleistung der Entwicklung“ ist nun geschrumpft auf die Nicht-Negativ-Formulierung
„dürfen nicht beeinträchtigt werden“.
Im Grundgesetz von 1949 tauchen Rechte und
Pflichten autochthoner Minderheiten dann gar
nicht mehr auf. Das Grundgesetz ist aufgrund
des Staatsfragment-Charakters der ursprünglichen Bundesrepublik in vielen Aspekten bewusst fragmentarisch gehalten worden. Es wurde
nicht, wie in seinem Artikel 146 vorgesehen und
wie von der Mehrzahl der Verfassungsexperten
vorgeschlagen, im Zusammenhang der Wiedervereinigung als Verfassung im eigentlichen Sinn
neu geschrieben.
Nordfriesland 157 � März 2007
Europäische Probleme
Derzeit sieht sich die Politik allerdings mit weit
tiefgreifenderen Minderheits-Problemen konfrontiert, als dass eine Beschränkung auf die autochthonen unter ihnen noch denkbar erscheint.
Artikel I-2, „Die Werte der Union“, des gescheiterten Verfassungsvertrages (nicht: Verfassung!)
der Europäischen Union, hätte lauten sollen:
„Die Werte, auf die sich die Union gründet,
sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit,
Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und
die Wahrung der Menschenrechte einschließlich
der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten
in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch
Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen
und Männern auszeichnet.“ Mit gutem Grund
fehlt im Verfassungsvertrag ein konkreter Passus
über die Rechte der nationalen Minderheiten in
Europa. Artikel II-81 „Nichtdiskriminierung“
aus der Grundrechtscharta, die als Teil II des
Verfassungsvertrages hätte in Kraft treten sollen,
entspricht wesentlich dem Artikel 3 des deutschen Grundgesetzes und nennt die nationalen
Minderheiten als eine von 17 Distinktionen,
andere sind etwa Geschlecht, Rasse, Sprache,
Religion, Vermögen oder sexuelle Ausrichtung.
Im Artikel II-82 „Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen“ heißt es unspezifisch und
unverbindlich: „Die Union achtet die Vielfalt
der Kulturen, Religionen und Sprachen.“
Grund für die fehlende Differenzierung zwischen autochthonen nationalen Minderheiten
einerseits und weiteren Minderheiten andererseits ist erstens, dass der freie Verkehr von
Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital,
die „vier Freizügigkeiten“ der Europäischen Gemeinschaften, in allen Mitgliedsstaaten zur Entstehung erheblicher Bevölkerungsanteile aus jeweils anderen Mitgliedsstaaten geführt hat. Geht
man von der in diesem Zusammenhang politisch
klugen Einteilung nach Muttersprachen aus, wie
sie dem jüngsten Eurobarometer7 zugrunde liegt,
so steht Luxemburg mit 14 % an der Spitze, und
selbst „Schlusslicht“ Portugal weist noch 0,6 %
auf. In Deutschland sind es 3 %, also mit rund
2,5 Millionen mehr als das Zehnfache der vom
Minderheitenrat vertretenen 200 000 Menschen
oder 0,25 % der Bevölkerung.
Nordfriesland 157 � März 2007
Seite aus „Min iirste duusend uurde“ (Wiringhiirder
Freesk): „Tag und Nacht“
Zweitens aber ist die Europäische Union attraktiv für Menschen aus Drittländern. Die Sondersituation der Baltischen Staaten mit ihren
russischen Minderheiten einmal beiseite gelassen – in Lettland beispielsweise 27 % –, sind
es in Großbritannien 5 % und in Deutschland
bereits 8 % der Wohnbevölkerung, die einer
allochthonen Minderheit zuzurechnen sind. Sie
stellen Staat und Gesellschaft vor beträchtliche
Integrationsanforderungen, und zwar überwiegend sozialpolitischer und nicht primär kulturpolitischer Natur.
Vom Minderheitenbeauftragten der Bundesregierung sind also – um den Sachverhalt an
einer politischen Funktion festzumachen – drei
Gruppen zu betreuen: erstens autochthone
Minderheiten mit 0,25 % Anteil an der Wohnbevölkerung, zweitens Staatsangehörige weiterer
EU-Mitglieder mit 3 % und drittens Angehörige von im eigentlichen Sinn allochthonen Gruppen mit 8 % und damit mehr als zwei Drittel
der Menschen mit nicht-deutschem kulturellem
Hintergrund in Deutschland. Es leuchtet ein,
21
dass ein in dieser Situation zu verhandelnder
Minderheiten-Artikel im Grundgesetz nicht nur
die Belange der autochthonen nationalen Minderheiten in den Blick nehmen kann.
Kleine Sprachen als Reichtum
Gleichwohl kommt den autochthonen Gruppen
eine besondere Bedeutung zu, und der Staat
sollte sie pfleglich behandeln. Die Menschen
mit regionaler Identität und die Angehörigen
von Minderheiten haben der Gesamtgesellschaft
einiges zu bieten, was diese Gesellschaft auch für
sich entdecken und wertschätzen sollte. „Dialekt
macht schlau“8 ist eines der zentralen Ergebnisse
der PISA-Studie. Der Gebrauch der regionalen
Sprache fördert systematisch den Sinn für die
„feinen Unterschiede“. Und so hat das Nordfriisk Instituut sein Bilderbuch für die Kleinsten,
„Meine ersten tausend Wörter“, eben nicht in
einem Standard-Friesisch vorgelegt, sondern auf
Fering, Frasch, Öömrang, Sölring, Wiringhiirder
Freesk und auf Plattdüütsch. Für die Mehrzahl
jener 51% deutsche Mundartsprecher wäre eine
analoge Arbeit noch zu leisten, für die Dialekte
der Deutschen im Baltikum und den anderen
früheren Siedlungsgebieten lässt sie sich nicht
mehr leisten.
Das globale Artensterben wird medienwirksam
beklagt. Dass damit ein Sprachensterben einhergeht, ist nicht vielen geläufig, wie akut die
Mannigfaltigkeit der deutschen Sprechkultur
vom Sprachensterben betroffen ist, den wenigsten. Wie wenig die Länder der Bundesrepublik
Deutschland in dieser Situation unternehmen,
die sprachliche Mannigfaltigkeit ihrer Territorien
zu entwickeln, und nach wie vor dem Modell der
normativen Unifizierung anhängen, verwundert.
Die Minderheiten sind hierbei in der Situation
des politisch Schwächeren, aber des kulturell
Stärkeren, was sich nutzen ließe.
Im sorbischen Witaj-Projekt, um ein prominentes Beispiel für den politisch-pädagogischen Ansatz der autochthonen Minderheiten zu nennen,
werden Kindergartenkinder in die Sprachen
„eingetaucht“, wie die nach der Yamaha-Methode Lernenden in die Musik. Von dem Umgang
mit Mehrsprachigkeit in den autochthonen
Gruppen können möglicherweise Impulse
ausgehen für die Bereitschaft in bestimmten
allochthonen Minderheiten, die deutsche
22
Sprache zu erwerben, aber auch Anregungen
für die Überwindung der Sprachträgheit in der
deutschen Mehrheitsbevölkerung. Ungeachtet
aller Erkenntnisse der Politik über die Anforderungen der globalen Wirtschaft an das künftige
Berufsleben hat sie die Kulturtechnik der Mehrsprachigkeit nicht wirklich verinnerlicht.
Nimmt man diese wirtschaftlichen und politischen Anforderungen an Staat und Gesellschaft mit den Erfahrungen der regionalen und
autochthonen Minderheiten zusammen, so
könnte unter Verwendung von Formulierungen des Artikels 5 der Sächsischen Verfassung
ein künftiger Minderheitenartikel des Grundgesetzes heißen: „Der Staat gewährleistet und
schützt das Recht regionaler und ethnischer
Minderheiten deutscher Staatsangehörigkeit
auf Bewahrung ihrer Identität und fördert
die Pflege ihrer Sprache, Religion, Kultur und
Überlieferung.“
Prof. Dr. Matthias Theodor Vogt ist Kultur- und
Sprachwissenschaftler. Er war zunächst im Kunstmanagement tätig, so als Dramaturg bei den Bayreuther Festspielen. Seit 1997 leitet er das seinerzeit
neu gegründete Institut für kulturelle Infrastruktur
Sachsen an der Universität Zittau/Görlitz. (Adresse: Klingewalde 40, 02828 Görlitz.)
Anmerkungen
1
Vgl. Edmund Pech, Dietrich Scholze (Hrsg.): Zwischen Zwang
und Beistand. Deutsche Politik gegenüber den Sorben vom Wiener Kongreß bis zur Gegenwart. Sächsische Landeszentrale für
politische Bildung, Dresden 2003, S. 14.
2
Vgl. Theodor Siebs: Deutsche Bühnenaussprache. Ergebnisse der
Beratungen zur ausgleichenden Regelung der deutschen Bühnenaussprache [14. bis 16. April 1898], Berlin 1898.
3
Vgl. Bayerisch hören viele gern. Allensbacher Berichte Nr. 22 /
Dezember 1998.
4
Vgl. Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt am Main 1982.
5
Vgl. Bundesministerium der Finanzen. Referat Postwertzeichen
(Hrsg.): Sonderpostwertzeichen 50. Jahrestag der Gründung des
Friesenrates 2006. Text: Thomas Steensen und Thomas Steensen:
Briefmarke: 50 Jahre Friesenrat. In: Nordfriesland Nr. 153, März
2006, S.4.
6
Vgl. Thomas Steensen: Vielfalt statt Einfalt. Nationale Minderheiten in Deutschland. In: Mut. Forum für Kultur, Politik und
Geschichte, Nr. 445, September 2004, S. 60-73.
7
Europeans and their Languages. Special Eurobarometer 243 /
Wave 64.3. European Commission, Brussels February 2006.
8
Vgl. Stephanie Geiger: Gut Wort will Weile haben. Das Bayerische Wörterbuch wird 2060 vollständig sei. In: Neue Zürcher
Zeitung, 6. März 2006.
Nordfriesland 157 � März 2007
Manfred Wedemeyer:
Zwei Künstler auf Sylt
Magnus Weidemann und Siegward Sprotte
1946-1967
Die ganz besondere Landschaft der Insel Sylt hat nicht zuletzt zahlreiche Maler in
ihren Bann geschlagen. Motive von einmaligem Reiz und Möglichkeiten, sich fern
großstädtischer Hektik in der Abgeschiedenheit auf das Wesentliche zu besinnen,
waren gerade für Künstler attraktiv. Insel-Kenner Dr. Manfred Wedemeyer stellt zwei
dieser Persönlichkeiten in ihrer Wechselwirkung vor.
„Ich muß dann den in Kampen ansässig gewordenen Maler Siegward Sprotte nennen. Er
selbst, seine Frau Iris und seine kleine Tochter
Silvia, alle ganz schwarzhaarig und von fast
indisch-braunem Teint. Seine Malerei hat auch
wohl etwas Fernöstliches im Stil und in der
Seele, schließt sich sonst aber gegenständlich
sehr an Sylt, besonders an die Vegetation der
Dünenwildnis an. Auch die Alpen, viele einzelne Blumen, Bildnisse gab es bei ihm. Ich schätze
seine Bilder als persönlich geprägte Kunstwerke
sehr hoch. Ihr Stil ist streng, musikalisch-lyrisch.
Und er ist sehr fleißig und produktiv. Später
bemühte er sich, auch modern, fast abstrakt
zu werden, aber führte das (zu meiner Freude)
nicht ganz durch.“
So lautet die frühe, kritische Charakteristik, die
Magnus Weidemann im Rückblick auf rund
20 Jahre der künstlerischen Beziehung in seinen
Erinnerungen festhielt. Die unveröffentlichte
Autobiographie „Mein Leben. Erkenntnis und
Gestaltung“ ist im Kieler Weidemann-Archiv
erhalten. Dort ist auch eine Mappe aufbewahrt,
Magnus
Weidemann
Nordfriesland 157 � März 2007
in der Briefe, Prospekte, Stellungnahmen und
andere Dokumente gesammelt wurden. Die
Aufzeichnungen geben Auskunft über die Kontakte und den Meinungsaustausch zwischen den
beiden Künstlern in den Jahren von 1946 bis
1967, bis zum Tod von Magnus Weidemann.
Insgesamt ist daraus ein Bild der gegenseitigen
Wertschätzung der Maler, aber auch ihrer unterschiedlichen Kunstauffassungen zu gewinnen.
Zugleich wird deutlich, wie das Sylter Kunstleben nach dem Zweiten Weltkrieg neu entstand
und sich entwickelte. Schon vor der Währungsreform von 1948 erwachten auf der Insel kulturelle Bemühungen wieder und bewiesen, wie
attraktiv Sylt für Künstler ist. Das Meer und die
einzigartige Landschaft bieten inspirierende Motive. Freiheit und Abgeschiedenheit verbinden
sich mit der Möglichkeit, intensive Kontakte zu
Gleichgesinnten aufzubauen. Die Maler Weidemann und Sprotte sind ein Beispiel dafür.
Weidemann und Sprotte hatten sich gleichermaßen für die Insel Sylt als Wahlheimat entschieden. Schon 1926 erwarb der 1880 in Hamburg
Siegward
Sprotte
23
geborene Weidemann ein Haus in Keitum. Er
war von den Eigenheiten der Künstlerinsel und
den Kontakten zur Jugendbewegung im Freideutschen Jugendlager Klappholttal angezogen:
„Hier ist das malerischste Licht, der stärkste
Rhythmus der Natur, die größte Freiheit der
lebensbewußten Freude.“ Sprotte, 1913 in
Potsdam geboren, kam 1945 als Flüchtling mit
einer Aufenthaltsgenehmigung für maximal drei
Wochen auf die Insel: „Aus Sehnsucht nach
Sand und klarem Wasser fuhr ich nach Sylt.“ So
schreibt er 1972 unter der Überschrift „Meditationen im Sand oder Wie ich nach Sylt kam und
blieb“ im Nordfriesischen Jahrbuch. Er blieb und
wohnte bis 1947 bei Peter Suhrkamp in Kampen. 1952 baute er sich ein eigenes Haus.
Befreit vom totalitären Staat des Dritten Reiches,
hat ein Flüchtling in Kampen, Harald Bloch,
vom 2. Juni bis 31. August 1946 die erste „interzonale“ Kunstausstellung in der alten Sturmhaube des Badeorts veranstaltet. Bloch nannte sich
Manager der Ausstellung. Der Leiter war – nach
Auskunft des gedruckten Katalogs „Die Kunstausstellung Kampen auf Sylt 1946“ – Siegward
Sprotte. Für die Broschüre stellte der Maler seine Betrachtung „Aus dem Reich der Farbe“ zur
Verfügung. „Ich gab Bloch die mir bekannten
Namen von Malern und Malerinnen“, berichtet Siegward Sprotte in seinen „Meditationen
im Sand“ und fährt fort: „Der Krieg hatte die
Anschriften ungültig gemacht, und doch war es
überraschend und trostreich, wieviele Künstler,
Bildhauer, Maler über altbekannte Adressen
erreichbar geblieben waren. Man gab einander
mündlich von der Ausstellungsmöglichkeit in
Kampen Kenntnis, es herrschte in den ersten
Nachkriegsjahren unter den Künstlern eine auffallende Kollegialität.“
In der Ausstellung waren außer Magnus Weidemann und Siegward Sprotte die Maler Albert
Aereboe, Willy Graba, Ivo Hauptmann, Carl
Hilmers, Albert Johannsen, Herbert Marxen,
Franz Radziwill und Friedrich Schaper vertreten.
Auch Arbeiten der Plastik, der Gebrauchsgrafik
und des Kunsthandwerks waren zu sehen. Die
Ausstellung bot nach den Worten von Harald
Bloch „ein unbestechliches Spiegelbild des kulturellen Lebens unserer Zeit“.
Anlässlich dieser Veranstaltung haben Weidemann und Sprotte die ersten Kontakte ge24
knüpft. Da beide Künstler zum Philosophieren
neigten und den Zusammenhängen nachspürten, tauschten sie sowohl im Gespräch als auch
im Briefwechsel ihre Gedanken aus. Ebenso
machten sie sich auf ihre Veröffentlichungen
aufmerksam. Weidemann überreichte dem Gesprächspartner sein zweibändiges theologisches
Werk „Gott ist Freude“, das er 1936 und 1937
im Selbstverlag publiziert hatte. Darin hat der
Autor festgestellt: „Wenn wir von der Kunst
reden, begreift jeder, dass Freude die treibende
Kraft jeder Leistung, jeder Wirkung ist. Wo sie
aber innerlich verbunden erscheint mit dem All,
da ist sie als wahrhaft priesterliches Werk der
Weihe auch Religion.“ Sprotte entgegnete in
einem Brief vom 28. Juli 1947: „Ihre Schrift ...
macht mir die größte Freude, weil ich seit zwei
Jahren auf ganz ähnlicher Gedankenbahn mich
bewege. ... Ich stimme wörtlich mit Ihnen überein, was Sie über Freude und Christus sagen.“
In seinem Buch hatte Weidemann geschrieben:
„Gott ist Liebe – so lehrt die christliche Religion. Ihr Meister Jesus hat in diesem Sinne Gott
immer mit dem Gleichnisnamen ,der Vater‘
benannt. ... Wir wissen schon, was noch hinter
der Liebe steht, fühlen ihren Grund und ihr
Ziel: die Freude.“ Die Maler haben von 1946 bis
1965 Briefe und Postkarten gewechselt. Sogar
von einigen Reisen zum Beispiel 1956 aus Italien, 1958 aus Südtirol und 1965 aus München
schrieb Sprotte nach Keitum.
In Kampen hat Harald Bloch weitere Kunstausstellungen organisiert. Vom 1. Juli bis zum
31. August 1947 folgte wiederum in der alten
Sturmhaube in Kampen eine Kunstschau, für
die der Grafiker Häffcke ein Plakat entwarf. An
dieser Ausstellung wirkte auch der in Kampen
ansässige Maler Paul Mechlen mit.
Harald Bloch baute später die Kunsthalle Kampen, einen mit Glas überdeckten Innenhof in
der Kurhausstraße, der heute nicht mehr besteht. Der letzte, umfangreiche Kunstkatalog
(207 Seiten), den Bloch vor seinem Lebensende herausgegeben hat, erschien 1961. Er ist
gedruckt unter dem Titel „Kunst und Leben.
Internationale Kunstausstellung Kampen/Sylt
1961“. Im Verzeichnis der Maler sind unter vielen anderen genannt: Albert Aereboe, Alexander
Camaro, Otto Eglau, Richard Haizmann, Kurt
Lampert, Helmut Märksch.
Nordfriesland 157 � März 2007
Abbildungen (3): Sammlung Manfred Wedemeyer
Plakat zur Kampener Ausstellung von 1947
An dieser Ausstellung waren Weidemann und
Sprotte jedoch nicht beteiligt. In jenen Jahren
haben beide zumeist in Einzelausstellungen ihre
Werke gezeigt, oft in Kampen und Keitum in
den eigenen Ateliers. Es gab aber auch Gemeinschaftsausstellungen. Zum Beispiel zeigte Siegward Sprotte 1957 in der Kunsthalle Kampen
seine Bilder neben Werken von Herbert Pohris,
Paul Mechlen und Albert Aereboe.
Ihre Gedanken über Kunst und Weltanschauung haben Weidemann und Sprotte auch in
Aufsätzen und Broschüren veröffentlicht. Diese
Arbeiten überreichten sie sich gegenseitig. Zur
Weihnacht 1955 ließ Siegward Sprotte seine Aufzeichnungen „Aus dem Reisetagebuch des Malers“
drucken (18 Seiten). Im Winter 1956 legte er
seine Ansichten über „Die Geburt der Farbe“ in
einer 24 Seiten umfassenden Druckschrift nieder.
„Mit verehrungsvollen Grüßen“ erhielt Magnus
Weidemann ein Exemplar. Darin ist zu lesen:
„Die reine Farbe ist für das Auge, was die reine
Melodie für das Ohr ist: gegenwärtig – immer am
Ziel – schwebt sie über den Rhythmen. Genauso
dient der Farbe die Zeichnung.“ Weidemann
schrieb in einem Brief eine ausführliche Kritik
Nordfriesland 157 � März 2007
und entgegnete: „Sie dürfen nicht Farbe mit
Melodie vergleichen. Die Farbe gleicht wirklich
nur dem Ton ... [eine] Melodie läßt sich nur mit
der Linie treffend vergleichen. Und alles ist überall nie ohne Rhythmus.“ Auf vielen Seiten der
kleinen Schrift von Sprotte notierte der Theologe
und Maler Magnus Weidemann Fragezeichen
als Ausdruck seines Zweifels. Die Schärfe seiner
Kritik milderte er am Schluss mit den Worten:
„Im übrigen wissen Sie, dass ich Ihre bildnerische
Werktätigkeit durchaus hochschätze, und darin
auch die Farbigkeit. Diese wird aber nicht in uns
geboren. Sie lebt aus sich selbst.“
Siegward Sprotte hat als Künstler internationalen
Ruf erlangt. Magnus Weidemann dagegen wurde
über Schleswig-Holstein und Sylt hinaus weniger
bekannt. Seine Bilder sind bisher nur in Norddeutschland gezeigt worden. Als Maler ist er
Autodidakt. Sprotte, ein Schüler von Karl Hagemeister, dem märkischen Maler in Werder an der
Havel, und von Emil Orlik, der die japanische
Holzschnittkunst lehrte, erlebte Kunstschauen
seiner Werke auch in anderen europäischen Ländern und in Amerika. Auch nach seinem Tod im
Jahr 2004 wurden Ausstellungen seiner Bilder
gezeigt, zum Beispiel in London.
Sprotte besaß die Fähigkeit, Landschaften
in ihrer Komplexität zu durchschauen und
darzustellen. Er näherte sich manchmal dem
Gegenstandslosen, aber nie überschritt er die
Grenze. Weidemann entwickelte einen eigenen
realistischen Malstil. Er war beeinflusst vom
Spätjugendstil, vom Wandervogel und von der
Heimatbewegung. Er gehörte einer Generation
an, die 33 Jahre älter war als Siegward Sprotte.
Er hatte es ungleich schwerer als Sprotte, auf
dem Kunstmarkt sich durchzusetzen. Erst lange
nach seinem Lebensende 1967 begann sein Bekanntheitsgrad in Schleswig-Holstein zu steigen,
besonders auf Sylt.
Die künstlerische Beziehung zwischen Magnus
Weidemann und Siegward Sprotte hielt 21 Jahre
an, von 1946 bis 1967. Sie zeigt zwei verschiedene Kunstwelten, bezogen auf dieselbe Wahlheimat Sylt, aber sie weist auch auf eine gleichartige
Gesinnung hin, auf einen Gleichklang von Leben und Malerei.
(Anschrift des Verfassers: Skelinghörn 18, 25980
Muasem/Morsum, Sylt, NF.)
25
En selten Beseek
Fan Björn Ketelsen
Hi set bi Taffel en teenkt noa. Om
wat, deät wet hi sallow ni soo rech.
Iip iaanmoal klappet ’et djin ’e
Deer. Hi wet welk deät es. Deät
es ümmer de sallowski Moat, wat
hem alle In besocht.
„Keem man iin!“ De Deer reert
hem ne. Akkeroat as hi eepenmoake wel, gungt de Deer eepen.
En dear stunt siin Moat, as hi deät
uk toch hid – en med hem en letj
Knech med lung rooad Hear, lung
Iaaremer en kürt, krüm Beaner.
Hi luuket fan de iaan noa de uur,
drait hem om en sooit: „Set djüm
man deel!“ Dan gungt hi hen noa
de Hört en nemt de Settel uf ’t Eal.
Tree Kopkener keem iip Taffel.
De Kearl med de rooad Hear luuket rin-om en wiist iip en Böddel
med Rum. „Deät es nons kloor!
Ik du di al wat fan miin Rum!“
Dan set dja toop tu grokken. „Ik
hoa hem iip Stroat droapet. En as
ik hem tunekket, es hi medkümmen.“ – „Tja. Kan hi is wel ferstun?“ – „Deät leow ik ni.“
Dja reer djam no en Grok. Bitten
wart ’et Wedder beeter. De Win
nemt uf. De rooadhearet Knech
stunt ap en walbert deer ’e Dörnsk
hen tu en Bül fan en treemeäset Siilerskep. Hi diidet iip ’e Meästoppen en moaket med siin beesti lung
Iaaremer en Beweägung, mus-sooi
hi wel noa en Sooil grüp en reffe.
Dan diidet hi weer iip ’e Meästoppen. Dan luuket hi de iaan uun,
dan de uur.
„Hi es wel Topgast ween, wä?“ –
„Deät kan oawerlaidi uungung“,
sooit siin Moat. „Hi socht it, as
wan hi deät alli gud kan med siin
26
Foto: Fiete Pingel
Ferteel
iinjsen!
gurt lung Iaaremer.“ De Rooadhearet walbert turäi noa siin Steed en
reert hem no en Grok.
„Wan hi en Seeman es, wel hi helech uk en betjen Tabak.“ Hi dait
hem en Tintjen en Tabak. Musmeen uun Gedanken luuket de
Beseek it Fenster.
„De Ingelsken hoa do de potsiks
Lid’n iip herrem Skeppen. Wearom uk ni sekiaan as hem? Wat
meens di, wear hi fandan komt?“
– „Ik hoa nons sekhekken uun
Indonesien sen’n. Din’n nam dja
,Waldmensken’. Oawers wear hi
nä fandan komt en ho, deät kan ik
mi uk ni toch wen.“ – „Helech es
hi oawer Bür gingen bi de djongs
Stürrem.“ Aal tau luuke noa hem.
De Rooadhearet luuket it Fenster
en reaket siin Tintjen.
„Tuiaars es hi uk drüppen-njoksweat ween. Ik nem uun, dat hi fan
en Skep kümmen es, uuder wat
meens di?“
As dja noa en letjet weer noa hem
luuke, si dja, dat hi tuslüppen es.
„Ik lat hem hiir sleap, en mooin si
wi dan fiider.“ Sönner tu snakken
set dja no en letjet toop tu grokken.
As hi de uur Mooin weer iin
uun Keeken komt, es de Beseek
ferswun’n. Iip ’e Stuul lai en poor
lung rooad Hear, en de Deäk es alli
wüs oawer ’e Leenung tooplait. Iip
Taffel lait de Tintjen, riinmoaket,
en dan no tau sellewer Djülstekken.
Hi hat djüs man siin iaars Kopken
Koffi drunken, dan klappet’et weer
djin ’e Deer. „Keem iin en nem di
en Kopken Koffi!“ – „ Has ’et al
heart, wat dji Noach passeart es?
Dear es en ingelsk Mannewoor
uun ’e Woal iinlüppen, en de Koptain hat hem uun ’e Wal sat lat.
Dan es hi uun foller Manduurem
deer ’e Goater lüppen en hat djin
djeede Deer klappet en froaget, ob
dja siin bas Topgast sen’n hoa. As hi
bi mi uunküm, hoa ik hem froaget,
ob siin Man lung rooad Hear hat.
Do wür hi alli iiweri en meent, dat
Björn Ketelsen, geboren 1970 in
Neumünster, kam durch seinen von
Helgoland stammenden Opa mit
Friesisch in Kontakt. Er studiert in
Flensburg Deutsch und Friesisch.
Sein Ziel ist, auf Helgoland Friesischlehrer zu werden oder auf
andere Weise für das Friesische
zu arbeiten. Beim Wettbewerb
„Ferteel iinjsen!“, den die NDR 1
Welle Nord auch 2006 wieder in
Zusammenarbeit mit der NordOstsee Sparkasse (NOSPA), der
Spar- und Leihkasse zu Bredstedt
AG, der Sparkassen-Kulturstiftung
Nordfriesland sowie dem Nordfriisk Instituut ausgerichtet hatte,
gewann er den zweiten Preis.
(Adresse: Marienhölzungsweg 13,
25917 Leck, NF.)
deät siin Man wear. Ik hoa hem
dan ferkloort, dat de Knech bi di
uun Keeken slüppen hat. Dan hoa
ik hem de Wai noa di wiist.“
As de Lunghearet siin Koptain tu
sin’n fin hat, es hi apsprungen, hat
Nordfriesland 157 � März 2007
gau apröppet en es med hem deel
bi Strun gingen en weer ap iip ’e
Mannewoor.
De Koptain hat no feersnakket, dat
hi ,John-Orang’ hit, en ho dja hem
ferlörsen hoa. Hi es med de boppers Bramsooilroa wechfleegen, as
en beesti Bloch dwars iinful. Dja
hoa hem mediaans socht, oawers
bi de dear greow See hoa dja hem
ni mear wen kiid. Herrem eensichs
Heep wear, dat hi hem uun ’et Holt
hid fashool kiid en iaanerweegen
iip en Eelun apskolt wear.
De Koptain ferhoalt no, dat de
Orangutan fan letj uf en uun iip de
dear Skep lewwet hat. Feer Djooarn
hat hem en Matroos as Maskotjen
iip en Market iaanerweegen uun
Indonesien kaft. Hi en siin Moats
fan ’e Topgastkruu hoa hem med
ap uun ’e Takkeloasch nümmen,
en bal kiid hi deät al gauer as alle
uurn. De Koptain en siin Fulk
hoa meent, dat dja sönner herrem
John-Orang langer keen Glik mear
hid, en dat dja uun ’e Fos allet Glik
brik kiid, om djin de letj Kors tu
bestun’n.“
„Djoa, wan di beteenks, dat hi
fer deät betjen Grok en Tabak tau
sellewer Djülstekken betoalt hat,
es hem siin Maskotjen wel en heel
berri wört ween. Ik kiid uk nons
sek en fiksi Topgast brik.“ – „Dan
mus ’e man gud iippasse, dat hi ni
tuseek komt. Din’n woaks do ni iip
Booamen.“
Deutsche Zusammenfassung:
Einen Helgoländer kann nichts
erschüttern, auch nicht, wenn der
übliche Abendgast plötzlich einen
Fremden im Schlepptau hat. Einen
mit langen roten Haaren und noch
viel längeren Armen. Dieser Besuch
sagt nichts und versteht nichts.
Aber er scheint mit seinen kurzen
Beinchen ein Topp-Mann in den
Topp-Masten von Segelschiffen
zu sein. Wie sich herausstellt, ist
es genau so – John-Orang wird bereits auf Helgoland gesucht – von
seinem Kapitän, der heilfroh ist,
ihn wieder zu finden.
Nordfriesland 157 � März 2007
Bücher
Eala!
„Eala frea Fresena!“ („Edle freie Friesen!”) Mit diesem Ruf, so heißt es in
der Überlieferung, begrüßten sich
die Friesen bei den Versammlungen
in alter Zeit am Upstalsboom beim
ostfriesischen Aurich. Nun ertönt
der Ruf neu, und zwar in gedruckter Form:
Eala. Fachzeitschrift zur Friesischen
Geschichte und Kultur. Je 24 S. Je
4,00 Euro. Officina Druck- und Medienservice, Oldenburg seit 2006.
„Die friesische Kultur ist einzigartig. Das friesische Mittelalter
unterscheidet sich in erheblichem
Maße von dem seiner Nachbarn
in
Gesellschaftsstruktur
und
Brauchtum. … Die Fachzeitschrift
Eala soll nun die interessante und
außergewöhnliche Geschichte und
Kultur der Friesen auch außerhalb
Frieslands bekannter machen und
einladen, sich für ein einzigartiges Volk zu begeistern, dass eine
einzigartige Landschaft in Europa
bewohnt und diese schon in früher
Vergangenheit gestaltet und verteidigt hat. Die friesische Sprache von
Westfriesland bis Nordfriesland
sowie die in Friesland verwendeten
niederdeutschen Dialekte sollen
ebenfalls Thema von Eala sein und
durch ihre Veröffentlichung darin
einem breiteren Publikum zugänglich werden.“ So umreißt Herausgeber und Redakteur Michael
Tegge das Programm der neuen,
großformatigen und durchgängig
farbig gestalteten Zeitschrift.
Geboten werden Berichte über jede
Art von friesischen Aktivitäten und
Themen von der Gründung eines
„Wurtfriesischen
Stammtisches“
in Misselwarden über den Friesenkongress in Leck im Mai 2006 bis
hin zur mittelalterlichen „Kirche
der Friesen in Rom“. Das Geschrie-
bene zeichnet sich aus durch eine
recht lockere Herangehensweise,
die Zielgruppe dürfte insbesondere
auch unter jüngeren Menschen zu
suchen sein, die eine anregende
Freizeitbeschäftigung mit der Suche
nach sinnstiftenden Elementen in
der regionalen Identität verbinden
möchten. Die – alten und auch die
jungen – Friesen haben, so die Botschaft in und zwischen den Zeilen,
einiges zu bieten in einer Zeit der
globalisierten und zu Beliebigkeit
neigenden kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklung.
Bedenken, hier könnte bräunlichmythischem „Volkstum“ im Sinne
von „Blut und Boden“ das Wort
geredet werden, tritt Eala entgegen
durch ein Interview mit Arno Ulrichs, dem Vorsitzenden des 1997
gegründeten Friesischen Forums
e. V., das vor allem in Ostfriesland
tätig ist, sich aber auch um interfriesische Kontakte bemüht. Ulrichs
führt unter anderem aus: „Friese
oder Friesin ist, wer sich dazu bekennt – wir erwarten also keinen
Abstammungsnachweis. Jede und
Jeder ist herzlich willkommen, der
sich durch die friesische Freiheitstradition angesprochen fühlt und
darin auch eine Richtschnur für
das heutige Leben sieht.“ In diesem
Sinne grüßt NORDFRIESLAND: Eala
frea Fresena!
fp
Heimat
„Je mehr Heimatlosigkeit die mobile, flexible neoliberale Welt mit sich
bringt, desto unausweichlicher wird
es, von Heimat zu reden.“ Dies ist
eine zentrale Aussage eines kleinen
Buchs, verfasst von Christoph Türcke, Professor für Philosophie an
der Hochschule für Graphik und
Buchkunst in Leipzig:
Christoph Türcke: Heimat. Eine Rehabilitierung. 80 S. 9,80 Euro. Zu
Klampen Verlag, Springe 2006.
Türcke befasst sich mit der Bedeutung von „Heimat“ für jeden
Menschen und meint, dass die Erfahrung von Heimatverlust schon
im Moment der Geburt einsetzt,
27
mit dem Verlassen des schützenden
Mutterleibs. Er erläutert die Entstehung des Heimatbegriffs und
dessen Missbrauch, als „Heimat“
für die Interessen des Nationalismus in Anspruch genommen wurde. In der Zeit der Globalisierung
benötige jeder Mensch aber einen
Raum der Überschaubarkeit und
der Vertrautheit.
Am Schluss erinnert Türcke an
Immanuel Kants Gedanken von
der Weltgesellschaft als einem
Völkerbund und stellt die Frage:
„Wie wäre es, diesen Bund nicht
länger nationalstaatlich zu fassen,
sondern als einen Bund von Heimaten – und damit dem Wort
‚Heimatbund‘ eine Wendung zu
geben, wie sie sich alle bestehenden
Heimat- und Vertriebenenverbände nicht träumen lassen?“
Türckes Büchlein ist ein kritisches Plädoyer für die Heimat. Es
macht auf theoretischer Grundlage verständlich, weshalb heute
viele junge Menschen „Heimat“
sehr positiv einschätzen. Dies hat
beispielsweise eine Untersuchung
des Friesischen Seminars an der
Universität Flensburg ergeben (vgl.
NORDFRIESLAND 150, S. 23-27). ts
Kein Land
ohne Deich
Eine profunde Studie über Nordfriesland in der Frühen Neuzeit
kommt aus dem Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen:
Marie Luisa Allemeyer: „Kein Land
ohne Deich…!“ Lebenswelten einer
Küstengesellschaft in der Frühen Neuzeit. 448 S. 61,90 Euro. Vandenhoeck
& Ruprecht, Göttingen 2006.
In ihrer Dissertation, betreut von
dem aus Bredstedt stammenden
Professor Dr. Manfred JakubowskiTiessen, untersucht die Autorin die
Lebenswelt einer frühneuzeitlichen
Küstengesellschaft am Beispiel
Nordfriesland. Unter verschiedenen Aspekten fragt sie danach,
wie sich das Verhältnis zwischen
Mensch und Meer darstellte und
28
Wasser für
Eiderstedt
wie es sich wandelte. Sie schildert
Deichrecht und Bedeichungspraxis
immer im Zusammenhang mit
den gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Umfangreiche Archivbestände hat die
Verfasserin ausgewertet. Kaum ein
relevantes Werk ist ihr entgangen,
das Literaturverzeichnis nimmt
über 40 Seiten in Anspruch.
Auf dieser Grundlage schildert
Marie Luisa Allemeyer facettenreich
und differenziert die Lebenswelt
der nordfriesischen Marsch im
17. und 18. Jahrhundert. Dass die
Nordfriesen „wie ein Mann“ das
Sicherungswerk der Deiche förderten, kann nicht behauptet werden.
Aber dass im Deichwesen ständig
Streit herrschte, trifft ebenso wenig
zu. Neuerungen wurden nicht pauschal abgelehnt. Insofern kann das
namentlich von Theodor Storm im
„Schimmelreiter“ entworfene Bild,
dass der durch die Aufklärung eingeleitete wissenschaftlich-technische
Fortschritt gegen zähe Widerstände
der am Traditionellen hängenden
Marschmenschen
durchgesetzt
werden musste, nicht völlig mit der
Realität gleichgesetzt werden.
Die Untersuchung bietet neue Erkenntnisse und anregende Lektüre.
– Eine ausführliche Besprechung
erscheint im Nordfriesischen Jahrbuch.
ts
Obwohl die Halbinsel Eiderstedt
von Wasser umgeben ist und Entwässerungsprobleme zu allen Zeiten
das Leben der Bewohner geprägt
haben, machte die Bereitstellung
des lebensnotwendigen Trinkwassers oft große Schwierigkeiten. Wie
es dabei zuging, schildert:
Brigitta Seidel: Wasser für Eiderstedt.
Geschichte des Wasserbeschaffungsverbandes Eiderstedt. 132 S. 6,90
Euro. Garding 2006.
Das Grundwasser ist in der Marsch
nur selten genießbar, so dass Eiderstedts Bevölkerung auf Regen- und
Grabenwasser angewiesen war.
Dies barg gesundheitliche Risiken,
doch wurden Typhus- und Malariaepidemien („dat Drüddendachsfeewer“) sowie Kinderlähmung als
gottgegeben hingenommen. Bezeichnend ist, dass schon um 1860
der aus Ostfriesland stammende
Besitzer des neu eingedeichten
Wilhelminenkooges (also ein
„Zugereister“) eine Trinkwasserversorgung als dringlich erkannte und
vorschlug, Treenewasser durch Sielzüge nach Eiderstedt zu leiten. Das
wurde natürlich als „Spinnkråm“
abgetan! Erst viel später, als Tönning im Dritten Reich einen Fliegerhorst erhielt, wurde diese Stadt
durch ein kleines Wasserwerk bei
Platenhörn (Witzwort) versorgt.
Das sprunghafte Anwachsen der
Bevölkerung Eiderstedts infolge
der vielen Heimatvertriebenen ließ
dann eine Gruppenwasserversorgung als vordringlich erscheinen.
Wieder war es ein „Zugereister“
(genauer gesagt: ein „Flüchtling“),
Landrat Dr. Kurt Bähr aus Elbing/
Westpreußen, der gegen zum Teil
erbitterten Widerstand vieler Eiderstedter Hofbesitzer das Projekt
durchsetzte. Zur Rechtfertigung
seiner Gegner muss auf die anfangs
recht einseitig geplante Kostenverteilung zu Lasten der Landbesitzer
hingewiesen werden, die bereits
seit der Währungsreform durch
Nordfriesland 157 � März 2007
Soforthilfezahlungen und den auf
30 Jahre Laufzeit veranschlagten
„Lastenausgleich“ finanziell stark
gebeutelt worden waren – und jetzt
„rot sahen“.
Das vorliegende Werk beleuchtet
diese harten Auseinandersetzungen sehr gut. Schließlich kam es
doch zu Kompromissen, und Eiderstedt erhielt von Rantrum aus
seine Wasserversorgung, wo der
Geologe Dr. Ernst Dittmer ein
reiches Grundwasservorkommen
entdeckt hatte. Kaum 10 % der
Gesamtkosten hat Eiderstedt selber
aufbringen müssen.
Der Tourismus (vor allem in Bad
Sankt Peter-Ording) hätte sich
ohne das „Wasser aus der Wand“
niemals so entwickeln können,
und die Versorgung der gewachsenen Viehbestände auf den Höfen
hätte oftmals unüberwindliche
Schwierigkeiten bereitet. „Auf dass
nicht alles vergessen würde“, war es
an der Zeit, die Ereignisse um das
„Wasser für Eiderstedt“ systematisch zu sammeln und darzustellen.
Dieses ist das dritte „Wasserbuch“
der Verfasserin, ein viertes („WBV
Treene“) befindet sich in der Planung.
Sönnich Volquardsen
Der junge Storm
Gerd Eversberg, Sekretär der
Storm-Gesellschaft in Husum,
eröffnet in neuer Fülle dem Interessierten die Möglichkeit, die Entwicklung Theodor Storms in scharfer Kontur wahrzunehmen in:
Gerd Eversberg: Theodor Storm als
Schüler. Mit vier Prosatexten und den
Gedichten von 1833 bis 1837 sowie
sechs Briefen. 296 S. 19,90 Euro. Verlag Boyens & Co., Heide 2006.
Die umfassende Sammlung Stormscher Texte aus seiner Jugend erschafft ein Bild des Schriftstellers,
das ihn in seiner persönlichen Tiefe
erkennbar macht.
Theodor Storm ist bekannt als
der Schöpfer von Unheimlichem,
Unfassbarem und schwermütigen
Landschafts- und Stimmungsbeschreibungen. Doch was berührte
Nordfriesland 157 � März 2007
den großen Erzähler in seiner Jugend? Welche Türen stieß er auf, die
ihn in die mystische Welt führten?
Was motivierte andererseits den
späteren objektiven, realitätsgesättigten Stil, mit klarer Konturierung
der Figuren und dem plastischen
Herausarbeiten der komplexen Beziehungen und Wechselwirkungen
zwischen Individuum und Land,
Umwelt, Geschichte und Mythos?
Was ließ in ihm die Überzeugung
reifen, dass die Menschen wie
seine Figuren durch Charakter
und Umwelt determinierte Wesen
sind, die auf der ewigen Suche
nach eigenem Glück aus einem
inneren Drang heraus handeln,
und vielfach schließlich scheitern?
Was bestärkte ihn in der Empfindsamkeit, die ihren Ausdruck in
romantisierten Stereotypen seiner
mittleren Schaffensperiode findet?
Was kann uns das Werk des jungen
Storm über den Menschen mit all
seinen Ängsten, seinem Zorn und
seinen Leidenschaften verraten?
Diese Fragen sind nun leichter und
erschöpfender zu beantworten.
Gerd Eversbergs Bemühungen und
seiner akribischen Recherche ist es
zu verdanken, dass sich Storm als
junger Mensch offenbart.
Obwohl Storm seine Frühwerke
zeitlebens klar von seinem späteren
Schaffen abgrenzte, wagt Eversberg
eine Darstellung und Diskussion
dieser Schaffensperiode.
Anhand der dargestellten Dokumente, wie Briefen und frühen,
bisher weitgehend unbekannten
Prosawerken des Schriftstellers
wähnt man sich bei der Lektüre immer wieder im Angesicht
Storms und seiner Welt und kann
sich so eine Ansicht aus erster
Hand bilden. Darüber hinaus stellt
das Material ein Zeugnis für das
Schulwesen der damaligen Zeit im
Allgemeinen dar.
Deutlich und überzeugend zeigt der
Autor die Gründe auf, die Storm
zum Schreiben brachten. Eversberg
beschreibt hierzu die höhere soziale
Bedeutung des Geschriebenen in
einer „Zeit des Briefes“ gegenüber
der heutigen von flüchtigen Medien geprägten. Er hebt auch hervor,
dass die bürgerlichen Elternhäuser
bei ihren Kindern notwendigerweise selbst für einen gewissen
Bildungsstandard sorgen mussten,
wollten sie den Nachwuchs in
die höhere schulische Ausbildung
schicken. Storms Sozialisation in
der bürgerlichen Welt hat seine
Entwicklung forciert. So erscheint
er uns bald nicht mehr bloß als ein
unpersönlicher Genius auf dem
Olymp der Erzählkunst, der seine
Fertigkeit in der Abgeschiedenheit
seiner undurchsichtigen Welt zur
Könnerschaft entwickelte.
Deutlich wird auch, warum Gerd
Eversberg diese Arbeit vorlegt:
Die herbe Kritik Storms an seiner
eigenen frühen Lyrik, die er als
inhaltslos empfand, seine Distanzierung von all seinen frühreifen
poetischen Werken, kann der Leser
wohl ebenso wenig guten Gewissens unterstützen, wie der Autor
dieses Werkes selbst. Im Gegenteil
ist man geneigt, Storms Einschätzung seines eigenen Jugendwerkes
als übertrieben einzuschätzen.
Doch kann man bei der Lektüre
dieses Buches bald die Meisterschaft erahnen, die Storm erreicht
hat und damit den Grund für sein
krasses Urteil. Es ist die Meisterschaft, die ihn so streng die eigenen
frühen Leistungen beurteilen ließ.
Wir haben in diesem Buch eine
ausgezeichnete Darstellung des
jugendlichen Storm als Wesen in
der Gesellschaft, dargestellt in seinen eigenen Werken und Worten.
Der Arbeit Gerd Eversbergs ist es
zu verdanken, dass wir einen besonderen Einblick in die Seele des
jungen Dichters erhalten, der in
der Dämmerung seiner mystischen
Welt sich nie als Mensch unter
Menschen ausgeleuchtet hat. Dies
ist nun bemerkenswert klar und
überzeugend gelungen.
Björn Ketelsen
studiert in Flensburg. Die Rezension
entstand im Rahmen eines Kolloquiums am Friesischen Seminar.
29
Sylter
Originale
Ein liebevoll gemachtes kleines
Werk lädt zum Schmökern und
zum Entdecken ein:
Frank Deppe: Sylter Originale. 64 S.
4,90 Euro. Die kleine Sylt-Edition
im Selbstverlag des Verfassers, Sylt
2006.
Kurzporträts von Menschen werden geboten, die auf Sylt jeweils
eine besondere Wirkung entfaltet
haben. Es sind dies der Pädagoge
Dr. Knud Ahlborn, der Seemann
Carl Christiansen, der TourismusPionier Wulf Manne Decker, der
Walfänger Peter Eschels, der in
die muslimische Sklaverei geratene Seefahrer Andreas Frödden,
die Tänzerinnen Valeska Gert
und Gret Palucca, der Flieger
Wolfgang von Gronau, der Auswanderer-Kapitän Dirk Meinerts
Hahn, der Kommandeur Lorens
de Hahn, der Chronist Christian
Peter Hansen, die Rantumer Friesin Merret Lassen, der Schriftsteller und Bildhauer Boy Lornsen,
der Vorkämpfer der bürgerlichen
Verfassung Uwe Jens Lornsen, der
Landschaftsarzt Dr. Paul Nicolas,
der Schiffer Thomas Selmer, die
Wirtin von Haus Kliffende Clara Tiedemann sowie die Maler
Andreas Dirks, Siegward Sprotte
und Magnus Weidemann. In
den kurzen Lebensläufen aus vier
Jahrhunderten spiegelt sich auch
jeweils eine Facette des Insellebens. Entstanden ist ein hübsches
und nützliches Sylt-Büchlein. fp
Städte in den
Frieslanden
Wer in Nordfriesland kennt
ostfriesische Städte, etwa Leer,
Aurich oder Norden, wer gar
westfriesische
Städte,
etwa
Snits/Sneek,
Frjentsjer/Franeker
oder Boalsert/Bolsward? Viele
Ostfriesen werden von Hylpen/
Hindeloopen bisher kaum etwas
gehört haben, und die meisten
30
Westfriesen wissen wohl wenig
über Bredstedt, Husum oder
Niebüll. Bei seinem 5. Historiker-Treffen nahm das Bredstedter
Nordfriisk Instituut Geschichte
und Bedeutung der Städte für die
Frieslande erstmals übergreifend
in den Blick. Die Vorträge sind
nachzulesen in dem Band:
Fiete Pingel und Thomas Steensen
(Hrsg.): Städte in den Frieslanden.
Beiträge vom 5. Historiker-Treffen
des Nordfriisk Instituut. 96 S. 7,80
Euro. Verlag Nordfriisk Instituut,
Bräist/Bredstedt 2006.
Die Entwicklung der westfriesischen Städte beschreibt Dr. Rolf
van der Woude von der Universität
Amsterdam. Dr. Hajo van Lengen,
früherer langjähriger Direktor der
Ostfriesischen Landschaft, Aurich, stellt die Städte in Ostfriesland dar. Der Geschichtsforscher
Albert Panten aus Niebüll schreibt
über „Nordfriesland – (k)eine
Städtelandschaft?“ Den einzelnen
Städten sind zudem Kurzporträts
gewidmet.
In den Frieslanden zeigte sich die
gesellschaftliche und politische
Gestaltungskraft, die andernorts
in den Städten zu finden war, vor
allem in den ländlichen Marschgemeinden, so Prof. Dr. Thomas
Steensen in seinem Vorwort.
Städte hatten als wirtschaftliche und kulturelle Zentren
gleichwohl auch für die ländlich
geprägten Küstenregionen der
Frieslande eine erhebliche Bedeutung. Es ist, so schließt er,
viel von der Zusammenarbeit
im Ostseeraum die Rede, von
einer Wiederbelebung alter Verbindungen der Hanse, von einer
‚Ars Baltica‘. „Vielleicht können
die interfriesischen HistorikerTreffen den Blick darauf lenken
helfen, dass es auch so etwas gab
und gibt wie eine ‚Ars Frisica‘,
dass die friesischen Verbindungen
im Nordseeraum sogar älter sind
als die der Hanse und auch in unserer Gegenwart ihre Bedeutung
haben können.“
NfI
Reaktionen
Amt Südtondern
Ich vermisse im Heft 156 eine
Meldung oder einen Kommentar
zur Bildung des Amtes Südtondern! Ist das so unwichtig? Wenn
sich über 30 Gemeinden im
nördlichen Nordfriesland für ein
Großamt Südtondern entscheiden? Nichts gegen einen Artikel
über Stiftungen, nichts gegen eine
Notiz über eine Altareinweihung in
Mildstedt!! Aber keine Notiz über
eine Verwaltungszusammenlegung,
die fast 40 000 Menschen betrifft?
Ich hätte nicht gedacht, dass nordfriesische Kultur so weltfremd sein
kann, d. h. ihre Träger, die Friesen
selber sind es nicht.
Ursprünglich war ja die kleine
Lösung (Amt Karrharde und Gemeinde Leck) beabsichtigt und
galt als erste Wahl. Jedoch stellte
sich im Lauf der Verhandlungen
(an denen ich nicht teilnahm,
aber als Gemeindevertreter Lecks
immer informiert war) heraus, dass
abgesehen von leider aufgetretenen
persönlichen Differenzen das gegenseitige Verständnis für die spezifischen Probleme einer dörflichen
Gemeinde und einer Gemeinde
wie Leck fehlte. Insofern war die
Bildung eines Amtes Südtondern,
in dem mit Niebüll eine Gemeinde
mit gleicher Struktur sich befinden
würde, für die Gemeinde Leck
doch die bessere Alternative. In
den gemeinsamen Sitzungen der
ehrenamtlichen Mitglieder des
Amtsausschusses und der Gemeindevertreter Lecks wurde das besonders deutlich. Aber genug von der
Vergangenheit.
Mit dem neuen Amt Südtondern ist eine Verwaltungseinheit
aufgestellt worden, die im Kreis
Nordfriesland und einer zukünftig
gebildeten großen Verwaltung BeNordfriesland 157 � März 2007
stand haben wird. So können von
dem Amt Aufgaben übernommen
werden, die bisher noch beim
Kreis angesiedelt sind. Und die
angeblich nicht mehr vorhandene
Bürgernähe? Es wird weiterhin in
Leck ein Bürgerbüro geben, wie
auch in Risum-Lindholm und
Süderlügum. Auch wird viel vom
häuslichen Schreibtisch per E-Mail
erledigt werden können, wie bei
den dänischen Nachbarn. Außerdem: Ist der Kreis Nordfriesland
wirklich so viel näher am Bürger?
Für Husum und Umgebung
vielleicht, aber für die Bewohner
aus dem nördlichen Kreisgebiet
ist immer eine gute halbe Stunde
Autofahrt einzurechnen.
Noch eine weitere Frage: Ist der
Kreis
Nordfriesland
wirklich
emotional so tief in der Bevölkerung verankert, wie es jetzt von
interessierter Seite dargestellt wird?
Für mich als „Südtonderaner“ liegt
Flensburg näher und ist die Arlau
eine fast echte Grenze, nicht nur die
Grenze zwischen dem Witten und
Geelen Köm. Entscheidend sollten
nicht die Emotionen und Ängste
um Posten und Pöstchen sein, sondern die Effizienz der Verwaltung.
Und da muss ich zugeben, macht
der Kreis gute Arbeit. Aber kann er
diese auch noch leisten, wenn die
Landesverwaltung neu strukturiert
wird und damit neue Aufgaben auf
ihn zukommen? Auch sollten sich
alle darüber klar sein, dass der Kreis
Nordfriesland nur eine Verwaltung
ist und keine Herzenssache sein
kann. Und an Verwaltungen kann
ich mich nicht mit Gefühlen binden, an Heimat schon.
Wolfgang Schumann
Bahnhofstr. 19, 25917 Leck, NF
Anmerkung der Redaktion: Die
Verwaltungsreform liegt als Thema
für NORDFRIESLAND auf der Hand
(vgl. etwa den Kommentar „Die
Ämter und die Kultur“ in Heft
153.) Sie wird, sobald das Gesamtbild sich klarer abzeichnet, im
Überblick behandelt werden. Red.
Nordfriesland 157 � März 2007
NORDFRIESLAND
Gesamt-Inhaltsverzeichnis 2006
Hefte 153-156
Arfsten, Antje: FUEV-kongres uun Bautzen (Chronik) . . . . . . . . . . . . 154
– / Birgit Kellner: Erk-Uwe Schrahé es 75 uuren (Chronik) . . . . . . . . 155
– / Harry Kunz: At iarst pokaal-gipslin faan Nuurdfresklun (Chronik) 155
Bieber, Ada: Vom Lieben und vom Dichten (Bücher) . . . . . . . . . . . . . 154
– Eine phantastische Geburtstagsfeier iip Lun. Erinnerung an James Krüss155
Carstens, Uwe: Der Begründer der Soziologie und ein aufrechter Mensch.
Zur Einweihung des Ferdinand-Tönnies-Denkmals in Husum . . . . 153
Christiansen, Ilse Johanna / Fiete Pingel:
Zum Tode von Berend Harke Feddersen (Chronik) . . . . . . . . . . . . . 156
Cyriacks, Hartmut: Een Stück vun‘t Glück (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . 153
Duerr, Hans Peter: Verfluchtes Rungholt (Reaktionen) . . . . . . . . . . . . . 155
Hansen, Freya Marietta: Heimat und Welt (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . 154
Harms, Lars: En fraschen ouer normåål nul (Ferteel iinjsen!) . . . . . . . . . 153
Haug, Karin: Zwischen den Stühlen? Arbeit und Perspektiven
der Söl’ring Foriining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
Herrmannsen, Thea: Wüstedrååwen önj Ååstfraschlönj (Chronik) . . . . . 156
Huisman, Kerst: „Friesische Fernsichten“:
Bonifatius stirbt wöchentlich. Brief aus Fryslân (Chronik) . . . . . . . 156
Johnsen, Bjarne: Schöne Kirchen (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
Joldrichsen, Anke: Pidder Lüng lebt (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
– Inselklang (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
– Boole än swåmpe (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
Kahl, Thora: Besäk önjt eenhärnge (Ferteel iinjsen!) . . . . . . . . . . . . . . 156
Karstensen, Astrid: Fiede Kays bekannteste Lieder (CDs) . . . . . . . . . . . 155
Kayenburg, Martin: Kulturlandschaft (Reaktionen) . . . . . . . . . . . . . . . 153
– Mare Frisicum. Perspektiven der Nordseekooperation . . . . . . . . . . . 154
Kellner, Birgit / Antje Arfsten: Erk-Uwe Schrahé es 75 uuren (Chronik) 155
Kooistra, Henry: Gipslin – Kipseln (Reaktionen) . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
Kühn, Hans Joachim: Rote Karte für Professor Duerr (Reaktionen) . . . . 155
Kühnast, Gerd / Marie Tångeberg / Thomas Steensen: „Dü hääst ma
brök’de blaie schraawen“. Zum Tode von Margareta Erichsen . . . . . . . . . . 154
Kunz, Harry: Uwe Jens Lornsen: Schicksal und politische Impulse (Chronik)153
– Nordfriesland im Winter (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
– Künstlerinsel Sylt (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
– Nordfriesland im Frühling (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
– Nordfriesland im Sommer (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
– Föhrer Lebensläufe (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
– Nordfriesland im Herbst (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
– Jahrbuch 2006/2007 (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
– / Antje Arfsten: At iarst pokaal-gipslin faan Nuurdfresklun (Chronik) 155
Meyer, Anna-Julia: Det Odyssee faan Kreta (Ferteel iinjsen!) . . . . . . . . 154
Nissen, Peter: Es rapst so schön (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
Nordfriisk Instituut: Im Zeichen einer neuen Zeit (Bücher) . . . . . . . . . 153
– Andreas Busch (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
– EU-Konferenz „Regional- und Minderheitensprachen“ in Brüssel (Chronik)154
– Die Frieslande (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
– Kurt Hamer und die Nordfriesen (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
– Schloss Axendorf (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
Panten, Albert: Niemand kennt sein Grab, doch jeder seine Karten.
Kartograph Johannes Mejer – geboren 1606 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
Pauseback, Paul-Heinz: Deichhotel speziell (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . 153
Penno-Burmeister, Karin: Hier haben Menschen einen Namen ...
Die KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund . . . . . . . . . . . . . 156
Petersen, Adeline: Naischöspel rangt nü uk ääw freesk . . . . . . . . . . . . . 155
Piening, Holger: Die Ämterreform und die Kultur (Reaktionen) . . . . . 154
Pingel, Fiete: Offene Türen in einen offenen Raum.
Interfriesischer Kongress 2006 in Leck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
– Nolde lebt (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
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4
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31
11
8
31
– Die Töchter von Friedrichsholm (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
– Hinweise (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
– Üt da friiske feriine (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 8; 156
– The Language is the Landscape. European Minority Film Festival 2006 156
– Thomsens von Rückenstadt (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
– Nordfriesland seit 1918 (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
– /Ilse Johanna Christiansen: Zum Tode von Berend Harke Feddersen
(Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
Redaktion: Biike-Empfang 2006 (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
– 500 mal Der Helgoländer (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
– 100 Jahre Maria Leitgeber-Dähn (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
– Neuer Minderheitenbeauftragter (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
– Sprachwissenschaftlerinnen neu in Flensburg und Bredstedt (Chronik) .153
– Harrings Werke (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .153
– Dreimal geboren (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .153
– Nordfriisk Radio startet durch (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
– Jurij Brězan † . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
– Mehrsprachen-Sängerfest (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
– Friesisch an den Hochschulen (Chronik) . . . . . . . . . . . . 153 10; 155
– Üt da friiske feriine (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 6; 155
– Hinweise (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
– Institutsbeirat: Kreis Nordfriesland soll bleiben (Kommentar) . . . . . 156
– Pfingsttreffen am Upstalsboom (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
– Dåt teema wus „Besäk“. Ferteel iinjsen! 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
– Sölring Uurterbök (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
Reil, Matthias: Heimat Nordfriesland (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
Reschenberg, Ingrid: Helgoland-Autorin (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . 156
Roeloffs, Erk: Rover Arvestens Grabstein (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . 156
Schmidt, Erich: Schlüttsiel (Reaktionen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
Steensen, Thomas: Die Ämter und die Kultur (Kommentar) . . . . . . . . 153
– Briefmarke: 50 Jahre Friesenrat (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
– Erich Hoffmann † (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
– Zum Tod von Harald Voigt (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
– Gruten san for da latje spräke. Adeline Petersen as nü oon ränte . . . 153
– Di bååle as trin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
– Kulturpreis für Detlef F. Petersen (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
– Alwin Pflüger † (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
– Rungholt zwischen archäologischer Forschung
und Sensations-Publizistik. Ein Gespräch mit Hans Joachim Kühn . 154
– Vor 80 Jahren – und heute (Kommentar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
– Der Kreis schützt das Friesische (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
– We tånke am Johann Mikkelsen (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
– Nils Århammar wurde 75 (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
– Hinweise (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
– Abschied von Markus Petersen (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
– gründen, einsetzen, bauen, fördern, helfen, unterstützen.
Stifterland Nordfriesland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
– / Gerd Kühnast / Marie Tångeberg: „Dü hääst ma brök’de blaie
schraawen“. Zum Tode von Margareta Erichsen . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
Steiner, Friederike: „Nordisches“ Denken oder politische Naivität?
Emil Nolde und der Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
Tadsen, Christina: Lasmootefersoomling foon e Friisk Foriining (Chronik) 154
– Zum 75. Geburtstag von Bo Sjölin (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
– Friesische Krimis (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
Tångeberg, Marie: Johann Mikkelsen † (Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . 155
– / Gerd Kühnast / Thomas Steensen: „Dü hääst ma brök’de blaie
schraawen“. Zum Tode von Margareta Erichsen . . . . . . . . . . . . . . . . 154
Tholund, Jakob: Friesenblut (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
Volquardsen, Sönnich: Knud Rasmussen (Reaktionen) . . . . . . . . . . . . . 154
– Wasserversorgung Drei Harden (Bücher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
Wedemeyer, Manfred: Zeit am Meer – Eine Künstlerfreundschaft auf
Sylt. Erinnerungen an Margarete Boie und Helene Varges . . . . . . . . . 156
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Herausgegeben vom
Nordfriisk Instituut
Redaktion:
Peter Nissen, Fiete Pingel,
Thomas Steensen
Schlusskorrektur: Harry Kunz
Verlag: Nordfriisk Instituut,
Süderstr. 30,
D-25821 Bräist/Bredstedt, NF,
Tel. 04671/60120,
Fax 04671/1333,
E-Mail:
[email protected]
Internet:
www.nordfriiskinstituut.de
Druck: Husum Druckund Verlagsgesellschaft,
D-25813 Hüsem/Husum, NF.
Preis je Nummer 3,00 Euro,
Jahresabonnement
(4 Nummern) 12,00 Euro.
Für Mitglieder des Vereins Nordfriesisches Institut e. V. ist der Bezug der
Zeitschrift im Jahresbeitrag enthalten.
Bankverbindungen:
Spar- und Leihkasse
zu Bredstedt AG
(BLZ 217 512 30) 737,
Nord-Ostsee Sparkasse
(BLZ 217 500 00) 31 161.
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ISSN 0029-1196