Meister Yoda, Herr Dark und Frau Vader

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Meister Yoda, Herr Dark und Frau Vader
 I L D E N D E K U N ST | Portrait
B
Po r t r a i t | B I L D E N D E K U N S T
Meister Yoda, Herr Dark und Frau Vader
Martin Mannig
Wie so mancher Künstler seiner Generation kommt Martin Mannig aus der Sprayer-Szene.
Irgendwann wurde es ihm dort zu langweilig. Zehn Jahre später hat er Erfolg mit nackten
Zwergen und anderen Skurrilitäten.
Von André Hennig
Kontrastprogramm: Martin Mannig übersetzt seine Figuren vom Plastischen ins Flächige.
Martin Mannig ist gerade aus New
York zurück. Dort hat er Anton Kern
besucht und einige andere Galeristen.
Bei Kern haben ihn am ehesten die langbeinigen und kurzberockten Galerie-Assistentinnen bezaubert. „Die Kunstszene
dort, das ist viel Glamour, aber wenig Innovation“, Mannig zeigt sich nur bedingt
beeindruckt. Man analysiere und zitiere
sich selbst sowie die Kunstgeschichte.
Was fehlt, stellt sich im weiteren Gespräch heraus, ist Authentizität. Ein
gern und oft strapazierter Begriff, auch
ein Totschlagargument. Dem quirligen
Mann in der roten Trainingsjacke, der
selbst wenig Glamour ausstrahlt, nimmt
man die Authentizität ab. In seinem
Atelier im Dresdner Stadtteil Striesen,
in einem 70er-Jahre Block, in dem im
Erdgeschoss die „Herrenmode“ haust
und ein Schnäppchenmarkt, sind die
Protagonisten von Mannigs Bildwelten
auf dem Plastikfensterbrett versammelt:
Mecki und seine Frau, Meister Yoda, ein
sehr obskurer Matrose, der brave Soldat
Schweijk, Spongebob, ein Gartenzwerg,
ein osteuropäisches Souvenirpüppchen.
Der Stoff, aus dem die Obsessionen
sind.
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Mannig porträtiert sie, rekombiniert
Ikonen aus Comic, Pop-Art, Spielzeugwelten, Film. Wenn er gerade genügend
Charaktere im Arsenal hat, versammelt
er sie auch mal auf riesigen Tableaus.
Herr Dark trifft Frau Vader, Hänsel
und Gretel fürchten sich vor der bösen
Katze, Zwerge reiten auf Schildkröten,
Mecki sinniert über seine tote Frau. Die
Die Tyrannei der
bösen Männer
Arbeiten wirken oft rough, unfertig,
Farb-Drips bleiben stehen, was nicht
passt, wird übermalt, ist als Geist unter der letzten Farbschicht zu erahnen.
Mannig reagiert immer wieder auf sein
eigenes Tun und das darf ruhig sichtbar
bleiben. Seine Arbeitsweise ist chaotisch,
er sagt es selbst. „Ich umkreise etwas
und manchmal kommt am Ende etwas
raus.“ Der Weg dahin ist oft lang, führt
über Unmengen von Skizzen und Zeichnungen. Wenn eins von Mannigs Wesen
seinen Vorstellungen einigermaßen entspricht, skribbelt er auf Leinwand weiter,
die Resultate werden immer wieder korrigiert, sind kaum planbar. Trial and error. „Es ist, wie wenn du zum ersten Mal
ein Haus baust. Du legst das Fundament,
ziehst die Mauern hoch und merkst da
erst, was für eine gigantische Arbeit das
ist. Dass es keinen Sinn hat, sich jetzt
schon Gedanken um die Gardinen zu
machen“, versucht er zu erläutern.
Vielleicht erklärt sich Mannigs Arbeitsweise durch seine Herkunft aus
der Graffiti-Szene. Ende der 80er fing
er an zu sprayen, war sieben, acht Jahre dabei: „Was mich damals gereizt hat,
war der Punk, war Adrenalin, die Kraft,
die dahinter steckte und sich nicht ein-
1974 in Freiberg geboren
1998–2004 Studium an der Hochschule für Bildende Künste Dresden (HfBK)
bei Prof. Ralf Kerbach und Prof. Martin
Honert
2004–2006 Meisterschüler bei Prof. Ralf
Kerbach
2004 Caspar-David-Friedrich-Preisträger
Einzelausstellungen:
2004 „Coming from the Twilightzone“
Pommersches Landesmuseum Greifswald, Caspar-David-Friedrich-Preis
2005 „Funny Games“ ALP-Galleri-Peter
Bergmann-Stockholm
2006 „Herr Dark, Frau Vader und Gäste“
Galerie Gebr. Lehmann, Dresden
Wurzelwichtleins Abenteuer
grenzen ließ.“ Das Spontane, Kurzlebige
hat sich in Mannigs Vorgehen zum Teil
bis heute erhalten. Die Erschaffung von
Formen und Charakteren, ihre Kontextualisierung und Kombination sei ein
bisschen wie taggen, sagt er. „Kann sein,
dass sich aus vielen Taggs ein neuer Zusammenhang ergibt – oder eben auch
nicht.“ Irgendwann begannen Technik
und Ästhetik der Sprayer ihn allerdings
zu langweilen. Die Szene verkam zunehmend im Mainstream, kopierte immer
mehr sich selbst. Mannig brauchte ein
Kontrastprogramm, wollte traditionelle
Kunstformen kennen lernen und ausprobieren. Für die Dresdner Schule, die
1998, als er dort anfing zu studieren,
noch sehr konservativ war, hat er sich mit
voller Absicht entschieden. Angeeckt ist
er natürlich oft genug, vor allem in den
ersten Jahren. Trotzdem ist er in Dresden geblieben. „Dresden war okay“, meint
Mannig lapidar zur Hochschule und zur
beschaulichen Landeshauptstadt, in der
er immer noch lebt. Ausflüge in geographisch entferntere Kunstgefilde brauchte
er nicht, Martin Mannig hat sein Thema
frühzeitig gefunden. Und er ist sicher,
dass er sich damit noch geraume Zeit
beschäftigen kann. Vielleicht auch mit
ganz anderen Mitteln als mit Leinwand,
Öl und Tempera. Skulptural zu arbeiten,
das kann er sich durchaus vorstellen.
Seine Figuren sind aus dem Plastischen
ins Flächige übersetzt, eine Rückübertragung ins Plastische erscheint ihm durch-
aus spannend. Mannigs Traum ist die
Gleichberechtigung aller Medien: Gemaltes, Gebautes, der Raum, die Welt.
Momentan sei er noch nicht soweit, er
fürchte, sich zu verzetteln, meint er. In
dieser Hinsicht kann der Künstler sehr
diszipliniert sein. Aber möglicherweise
steht er sich auch ein bisschen selbst im
Wege. Der derzeitige Skulpturenhype
ist ihm suspekt, vielleicht fürchtet er um
die Authentizität. „Ich mache das in drei
oder vier Jahren, wenn kein Hahn mehr
danach kräht“, meint er. Sein derzeitiger
Erfolg ist ihm wohl auch ein wenig unheimlich.
Irgendwann kam Eberhard Havekost in Mannigs Atelier, fand Mouser,
Flughexe und nackten Zwerg spannend und empfahl deren Erschaffer
der Dresdner Galerie Gebr. Lehmann.
„Während des Studiums wollten alle zu
den Lehmännern, mir erschien das illusorisch, ich habe mir da nie Gedanken
drüber gemacht“, erzählt Mannig. „Das
war echt ein Glückstreffer, die Galerie
ist ein sehr angenehmer Begleiter und
versucht nicht, mich auf verkaufsträchtig zu trimmen.“ Martin Mannig würde
sich wohl auch nicht trimmen lassen.
Die momentane Freiheit von Erwerbssorgen, die Möglichkeit unbeschwerten,
kontinuierlichen Arbeitens weiß er zu
schätzen, doch dass seine Figuren irgendwann „out“ sein könnten, dessen ist
sich der Meister bewusst. Auf Mannigs
Werk wird das so wenig Einfluss haben,
Gruppenaustellungen:
2002 ro_20 Projektraum mit Grauberg,
E. Fuchs und Analogue Audio Association, Dresden
2002 „Training“ Senatsaal HfBK, Dresden
2005 Prague Biennale 2, Prag
2006 „Schöne Neue Welt“, Sammlung
der Galerie Neue Meister, Staatliche
Kunstsammlungen Dresden in der Gläsernen Manufaktur
aktuelle Ausstellung:
30. Juni bis 28. Juli 2007
Galerie Gebr. Lehmann
Görlitzer Str. 16
01099 Dresden
Di bis Fr 10 bis 13 und 15 bis 18 Uhr
Sa 11 bis 14 Uhr
wie auf die Figürchenparade am Atelierfenster mit Elbhangblick. Am Ende des
Gesprächs mit Martin Mannig zu Füßen
von Meister Yoda, den Meckis und dem
obskuren Matrosen, entspinnt sich eine
Diskussion über die Wirkung, die von
einem Kunstwerk ausgeht oder auch
nicht. Welches ist die magische Kraft,
die dafür sorgt, dass uns ein Bild wahrhaft berührt? Vielleicht ist die Antwort
ganz einfach, vielleicht ist es wirklich die
leider zu oft und vergeblich beschworene
Authentizität.
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