Gletscherrückgänge in den Alpen in jüngerer Zeit

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Gletscherrückgänge in den Alpen in jüngerer Zeit
Johannes Gutenberg – Universität Mainz
Geographisches Institut
Großes Geländepraktikum/Projektstudie: Klimaökologie
Aletsch- und Rhone-Gletscher im Wallis/Südschweiz
und
Klimawandel
am
Leitung: Prof. Dr. Hans-Joachim Fuchs
Sommersemester 2006
Gletscherrückgänge in den Alpen in
jüngerer Zeit
Julia Fritschle
Liebermannstr. 15
55127 Mainz
[email protected]
Englisch, LA (6. Semester)
Geographie, LA (6. Semester)
Biologie, LA (5. Semester)
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
1
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung……………………………………………………………………………...02
2
Gletscherrückgang – Was bedeutet das?.......................................................02
3
Gründe für den Gletscherrückgang............................................................... 03
4
Rückgang der Alpengletscher seit der kleinen Eiszeit.................................05
5
Rückzug einzelner Alpengletscher………………………………………………09
5.1
Großer Aletschgletscher, Walliser Alpen.....................................................10
5.2
Pasterzenkees, Hohe Tauern…………………………………………………..11
5.3
Vernagtferner, Ötztaler Alpen………………………………………………..…13
5.4
Höllentalferner und Schneeferner, Zugspitze………………………………...15
5.5
Eiskargletscher, Karnische Alpen……………………………………………...17
6
Fazit und Ausblick…………………………………………………………………..18
7
Literaturverzeichnis ........................................................................................ 19
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
2
1 Einleitung
Im Zeitraum zwischen 1850 und 1970 verloren die Alpengletscher „im Durchschnitt
etwa ein Drittel ihrer Fläche und die Hälfte ihres Volumens.“ (Gesellschaft für
ökologische Forschung 2005) Ein weiterer Volumenverlust des Eises von etwa 2030% wurde seitdem verzeichnet. Alleine im Sommer des Jahres 2003 wird
bezugnehmend auf das Jahr 2000 ein Volumensverlust der Alpengletscher von 510% vermutet.
Doch ist dies als ausergewöhnlich zu bezeichnen? Schließlich hat es
Gletscherrückgänge ähnlicher Art in der Geschichte schon öfter gegeben. In einem
Wechsel von Warm- und Kaltzeiten sind die Alpengletscher schon mehrfach
gewachsen bzw. stark abgeschmozen. Vor etwa 10.000 Jahren waren die Gletscher
sogar kleiner als zum heutigen Zeitpunkt. Nicolussi spricht von Größenordnungen im
Bereich von „[...] 20-40% der gegenwärtigen Ausdehnungen [...].“ (NICOLUSSI 2005:
49).
In der Hausarbeit, „Gletscherrückgänge in den Alpen in jüngerer Zeit“, soll die
Entwicklung der Alpengletscher der letzten 150 Jahre dargestellt werden. In einem
ersten Punkt soll die Bedeutung des Begriffes „Gletscherrückgang“ geklärt werden.
Um diese Veränderungen besser nachvollziehen zu können sollen anschließend die
Gründe für das Abschmelzen des Eises genannt und erläutert werden. Schwerpunkt
der Arbeit wird der tatsächliche Rückgang der Alpengletscher sein, der sich
besonders in jüngster Zeit vollzogen hat. Nach einer allgemeinen Übersicht über die
Veränderung der Alpengletscher soll die Bearbeitung einzelner Gletscher die
derzeitige Entwicklung verdeutlichen. Anhand von Vergleichsphotographien und
Graphiken soll dieser Prozess anschaulich dargestellt werden. Neben dem Großen
Aletschgletscher, der unter anderem Zielgebiet unserer Projektstudie sein wird,
sollen Gletscher aus unterschiedlichen Regionen der Alpen und unterschiedlicher
Größenklassen betrachtet werden, so die Pasterze in den Hohen Tauern, der
Vernagtferner in den Ötztaler Alpen, die Zugspitzgletscher und der Eiskargletscher
in den Karnischen Alpen. Am Ende der Arbeit sollen nicht nur die wichtigsten Punkte
nochmals zusammengefasst, sondern auch die Folgen des Gletscherrückgangs
sowie ein Ausblick gegeben werden.
2 Gletscherrückgang – Was bedeutet das?
Im Gegensatz zu Gletscherentstehung, bei der über einen längeren Zeitraum die
Massenbilanz des Gletschers positiv ist, fällt sie bei Gletscherrückgang negativ aus.
Das bedeutet, dass beim Gletscherrückgang der Eiszuwachs, die Akkumulation, im
Nährgebiet geringer ist als die Ablation im Zehrgebiet. Entscheidend für die
Massenbilanz eines Gletschers sind nicht nur die Niederschlagsmengen im Winter
und die Sommertemperaturen in der Gletscherregion, sondern ebenso Wind,
Luftfeuchtigkeit und Schneefälle im Sommer. Für eine positive Massenbilanz reichen
also schneereiche Winter alleine nicht aus. Wichtig ist vor allem, dass im Sommer
Schneefall vorhanden ist der das Eis vor dem Abschmelzen schützt.
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
3
Abb. 1: Massenbilanz
Quelle: WEBER, M. und L. BRAUN 2004:16
Die Gleichgewichtsgrenze, die das Nährgebiet eines Gletschers von seinem
Zehrgebiet trennt, ist keine feste Linie. Ihre Lage steht im Zusammenhang mit den
klimatischen Verhältnissen und variiert daher jährlich. Für eine unveränderte Lage
der Gleichgewichtsgrenze wären „bei einem Temperaturanstieg von 1 Grad Celsius
300 bis 400 Millimeter mehr Niederschlag nötig.“ (FUNK-SALAMÍ 2004: 196). In den
letzten Jahren lag die Gleichgewichtsgrenze auf Grund der heißen Sommer oftmals
oberhalb 3000m.
Der Gletscherrückzug, bzw. ~vorstoß, tritt jedoch erst verzögert auf. Abhängig von
seiner Mächtigkeit sind Veränderungen des Gletschers erst nach einigen Jahren oder
Jahrzehnten zu erkennen. Große Gletscher (≥ 5km2), wie zum Beispiel die Pasterze
oder der Hintereisferner, reagieren nur sehr langsam auf Klimaschwankungen. Im
Zeitraum zwischen 1965-80 gab es zwar eine Phase mit oftmals positiver
Massenbilanz, die sich jedoch nicht in Form eines Gletschervorstoßes bemerkbar
machte. Die mittelgroßen Gletscher, welche den größten Teil der sich in den
Ostalpen befindlichen Gletscher stellen, reagieren dagegen teilweise innerhalb von
nur 10 Jahren „[...] mit einem Wechsel von Rückzug zu Vorstoß [...].“ (KUHN 2005:
39). In der Regel besitzen sie eine geringe Vertikalerstreckung und sind
entsprechend bei weiterer Erwärmung stark existenzgefährdet. Anders sieht es bei
den kleinsten Gletschern, den Kargletschern aus, die in niedrigeren Höhen und
relativ geschützter Lage anzutreffen sind und nur wenig auf Klimaschwankungen
reagieren. Durch Lawinen und Schneeverwehungen werden sie zusätzlich zu den
normalen Schneefällen gespeist und sind daher der Sonnenstrahlung nicht direkt
ausgesetzt. Die Kargletscher werden „[…] von der Akkumulation und nicht von der
temperaturabhängigen Ablation reguliert […]“ (KUHN 2005: 39) und nur selten apern
sie komplett ab.
3 Gründe für den Gletscherrückgang
Der Hauptgrund für den Rückgang der Gletscher ist zweifelsohne die
Klimaerwärmung, unterstützt durch den anthropogenen Treibhauseffekt. Seit der
Industrialisierung steigt die Konzentration der Treibhausgase, was zu einer stetigen
Erwärmung der globalen Mittelwertstemperatur führt. Experten errrechneten eine
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
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Erwärmung dieser Temperatur um etwa 0,8 K innerhalb der letzten 100 Jahre. Der
enorme Gletscherrückgang seit Beginn der Industrialisierung belegt dieses. Im
Zeitraum zwischen 1850 und 1970 verloren die Alpengletscher „im Durchschnitt etwa
ein Drittel ihrer Fläche und die Hälfte ihres Volumens.“ (GESELLSCHAFT FÜR
ÖKOLOGISCHE FORSCHUNG 2005).
Die folgenden beiden Abbildungen sollen den Temperaturanstieg auf der
Nordhalbkugel innerhalb der letzten 1000 Jahre sowie den Temperaturanstieg in den
Alpen im Vergleich zur globalen Temperaturerhöhung seit Beginn des 20.
Jahrhunderts verdeutlichen.
Abb. 2: Temperatur der Nordhalbkugel in den
letzten 1000 Jahren
Abb. 3: Entwicklung der Temperatur im
Alpenraum und Global seit 1900
Quelle: LATIF, M. 2004: 222, 223
Quelle: LATIF, M. 2004: 222, 223
Die starke Temperaturerhöhung führt zu einem Anstieg der Nullgradgrenze. Die
Gleichgewichtsgrenze des Gletschers wird weit nach oben verschoben und auch
Gletscher in höheren Lagen verlieren zunehmend an Eis. Die folgende Abbildung
zeigt die Entwicklung der Nullgradgrenze um 24:00 Uhr über dem Ort Payerne in der
Schweiz. Für die Jahre 1981-1983, 1991-1993 und 2001-2003 wurden jeweils
Mittelwerte errechnet. Für das Jahr 2003 ist eine seperate Kurve eingetragen, die
Werte sind jeweils über drei Tage kumuliert.
Abb. 4: Entwicklung der Nullgradgrenze über Payerne
Quelle: ZÄNGL, W. 2004: 263
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
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Nicht nur hohe Temperaturen, sondern auch ganzjährige Starkregenfälle sowie
saurer Regen begünstigen das Abschmelzen des Eises. So kam es zum Besipiel im
Jahr 2004 trotz geringer Sonneneinstrahlung nur zu einer ausgeglichenen
Massenbilanz bei den österreichischen Gletschern, da der Sommer von starken
Niederschlägen geprägt war, welche auf Grund der verhältnismäßig hohen
Temperaturen allerdings nur selten als Schneefall ausfielen.
Die Tatsache, dass die Gletscheroberfläche häufig verdreckt ist, kommt erschwerend
hinzu. Material wie Moränensschutt, Feinstaub, Ruß, Saharasand und
liegengebliebener Müll von Skifahrern und Wanderern sammelt sich an und die
Gletscheroberfläche erscheint deutlich dunkler. Die Albedo nimmt folglich ab. Dies
bedeutet, dass wesentlich weniger Sonnenlicht als bei einem sauberen Gletscher
reflektiert und somit die Strahlung stärker absorbiert wird. Das Eis schmilzt
entsprechend schneller ab. Neuschnee reflektiert etwa 80% der Sonnenstrahlung,
Gletschereis rund 40% und wenn die Gletscherfläche durch Staub oder Dreck
dunkler erscheint, so kann die Refelxion auf unter 20% fallen (Kuhn 2005: 35).
Die folgende Abbildung des Schneeferners zeigt Maßnahmen, die heute häufig zum
Schutz der Eismassen ergriffen werden: Teile der Gletscher werden im Sommer mit
weißen Planen abgedeckt und Schnee aus der Umgebung wird auf besonders
dunklen Stellen aufgeschüttet um das Abschmelzen zu verringern.
Abb. 5: Schneeferner unter menschlichem Eingriff
Quelle: WEBER, M. 2003: 4
Gletscher schmelzen nur an ihrer Oberfläche ab, wo die Temperatur durchgehend
bei 0°C liegt. Bei höheren Lufttemperaturen kommt es zu einem
Temperaturausgleich, der sich negativ auf den Gletscherhaushalt auswirkt. Auch der
Wasserdampfgehalt der Luft beeinflusst die Gletscherschmelze: Liegt der
Wasserdampfgehalt der sich über dem Gletscher befindenden Luftschicht über dem
Sättigungsdruck der Gletscheroberfläche, so kommt es zu einer Kondensation des
überschüssigen Wasserdampfes, zusätzliche Wärme wird abgegeben und das Eis an
der Oberfläche schmilzt. Auf Grund der Klimaerwärmung steigt der Wasserstoffgehalt
in der Luft, dies wiederum erhöht den Wasserdampfgehalt und die
Gletscherschmelze wird weiter vorangetrieben (WEBER, M. (2003), Seite 2).
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
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4 Rückgang der Alpengletscher seit der Kleinen Eiszeit
1870 besaßen die Alpengletscher ein Volumen von 200km3 und nahmen 4400km2 an
Fläche ein. Doch bereits zu Ende der 1970er Jahre war das Volumen auf 140km3
zurückgeschmolzen. Insgesamt gab es zu diesem Zeitpunkt noch 5100
Alpengletscher. Doch auch diese Zahlen sind längst nicht mehr aktuell. Seit Ende der
1970er Jahre hat sich die Fläche der Alpengletscher nochmals um ein Viertel und
das Volumen um ein weiteres Drittel reduziert (ZÄNGL und HAMBERGER 2004: 10). Das
der Volumenschwund größer ist als der Flächenverlust liegt mit dem vorwiegenden
Abschmelzen der „konvexen Zungenpartien vieler Gletscher“ zusammen. Hier
schmelzen häufig nur wenige Quadratmeter an Fläche ab, die jedoch ein
verhältnismäßig großes Volumen besitzen (WIPF 1999: 151). Heute gibt es in den
Bayerischen Alpen nur noch 5 Gletscher, in den Schweizer Alpen hat sich die
Gletscherfläche seit dem letzten Gletscherhöchststand von 1800km2 auf 1300km2
verringert und im Gesamtalpenraum sind viele kleine Gletscher komplett
abgeschmolzen, zerfallen oder nur noch als kleine Firnfelder vorhanden (ZÄNGL und
HAMBERGER 2004: 10, 70). Auch in den österreichischen Alpen sieht es nicht anders
aus: seit 1969 ist die Gesamtgletscherfläche hier von 540km2 auf etwa 450km2
zurückgegangen (KUHN (2005: 38).
Seit 1850 schmelzen die Alpengletscher kontinuierlich. Kleine Erholungspausen
wurden den Gletschern um 1920 und 1980 „gegönnt“, „als 75% der österreichischen
Gletscher vorstießen“ (KUHN 2005: 37). Dennoch verloren die Alpengletscher seit
1850 mehr als 50% ihrer Eismasse. Die globale Temperaturerhöhung lag in diesem
Zeitraum bei etwa 0,8 K, die der Alpenregion sogar bei rund 1,5 K, wobei sich
besonders die Wintertemperaturen erhöht haben. Dennoch war die Folge ein
„Anstieg der mittleren Frostgrenze im Sommer um ca. 250m [nämlich] von 2800m auf
über 3000m.“ (WEBER 2003: 1). Außerdem scheint die Anzahl an sommerlichen
Schneefällen zurückzugehen. Sollten sich diese Trends auf längeren Zeitraum hin
fortsetzen, könnte dies tatsächlich das Aus für einige Alpengletscher sowie einen
starken Größenverlust oder Zerfall für andere bedeuten. Besonders stark betroffen
sind hierbei die Gletscher mit einer Fläche von rund 1km2. Latif behauptet in seinem
Aufsatz „Der globale Klimawandel“, dass bei gleichbleibenden klimatischen
Bedingungen schon in rund 50 Jahren ein Großteil der heute noch vorhandenen
Alpengletscher komplett abgeschmolzen sein könnte (LATIF 2004).
Die folgende Abbildung zeigt das Verhalten der österreichischen Gletscher zwischen
1890 und 2002:
Abb. 6: Vorstöße und Ruckzüge der österreichischen Gletscher 1890-2002
Quelle: SLUPETZKY 2005: 51
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
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Deutlich kann man hier die beiden „Erholungsphasen“ um 1920 und 1980 erkennen,
in denen jeweils ungefähr zwei Drittel der Alpengletscher vorstießen. Zwischen 1890
und dem Vorstoß 1920 verloren etwa zwei Drittel der österreichischen Gletscher an
Fläche, wenige waren stationär (+/- 1m) und etwa ein Drittel gewann an Fläche. In
dem Zeitraum zwischen den beiden Vorstoßphasen hingegen gab es nur vereinzelte
Gletscher die keinen Längenverlust hinnehmen mussten. Seit dem letzten Vorstoß
verlieren fast alle Gletscher wieder an Größe. Bedeutend ist, dass sich fast in jedem
Jahr, mit Ausnahmen vor allem zwischen 1930 und 1950, eine relativ gleichbleibende
Anzahl an Gletschern stationär verhielt. Zu diesen zählen vermutlich überwiegend die
kleinen Kargletscher. Dennoch ist ein genereller Trend deutlich erkennbar: die
meisten Alpengletscher befinden sich auf dem Rückzug.
Betrachtet man ähnliche Messungen für einzelne Gletscher des schweizer
Alpenraumes, so kann man genau erkennen wie sehr die Reaktion eines Gletschers
mit seiner Größe zusammenhängt:
Bei den größten bzw. längsten Gletschern, der Längen-Klasse A (> 10km) ist fast
durchgehend ein Gletscherschwund festgestellt worden. Nur in vereinzelten Jahren
kam es zum Beispiel am Fiescher Gletscher zu Vorstößen, beim Aletschgletscher
dagegen gab es seit Beginn der Messungen Ende des 19. Jahrunderts kein einziges
Jahr an dem er nicht an Größe verloren hätte. Das Verhalten des Großen
Alteschgletschers und anderen Vertretern dieser Größenordnung hängt mit der
langen Reaktionszeit der großen Gletscher auf Klimaveränderungen zusammen
Bei den Gletschern der Längen-Klassen B (5 bis < 10km) und C (1 bis < 5km) sind
bei fast allen Gletschern leichte Vorstöße um 1920 und 1980 zu erkennen. Nur
wenige, wie zum Beispiel der Morteratsch, haben seit Beginn der Datenerfassung
fast nur Verluste hinnehmen müssen. Der Großteil der mittelgroßen Gletscher weist
immer wieder einzelne Jahre ohne jegliche Veränderung oder gar mit
Größenzuwachs auf.
Die Gletscher der Längen-Klasse D (< 1km) können als relativ stationär bezeichnet
werden: zwar gibt es einige Jahre in denen sie Verluste erleiden, doch stoßen sie
auch immer wieder vor oder behalten ihre Größe bei.
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
Abb. 7: Verhalten einzelner Gletscher zwischen Ende des 19. Jahrhunderts und 2003
Quelle: MAISCH 2004: 211
8
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
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Die folgende Abbildung zeigt den Gletscherschwund der Bernina Alpengletscher seit
1850.
Abb. 8: Gletscherschwund in den Bernina Alpen seit 1850
Quelle: MAISCH und HAEBERLI 2003: 9
Die Quadrate stellen die Gletschergröße der einzelnen Gletscher zum Hochstand
des Jahres 1850 dar. Die blaue Fläche gibt die heutige Gletschergröße und die gelbe
Fläche den Flächenrückgang seit 1850 an. Deutlich kann man erkennen, dass
absolut gesehen die großen Gletscher zwar am meisten Fläche verlieren, prozentual
aber die kleineren stärker abschmelzen. (MAISCH und HAEBERLI 2003: 9).
Desweiteren zeigt die Abbildung aber auch einige kleine Gletscher, die nur einen
geringen bis gar keinen Flächenverlust hinnehmen mussten. Die Größe eines
Gletschers ist nicht alleine ausschlaggebend für sein Verhalten. Vor allem seine Lage
ist von großer Bedeutung. Je höher sich die einzelnen Gletscher befinden, desto
mehr Überlebenschancen haben sie. Die folgende Abbildung zeigt die
hypsographische Verteilung der Gletscherflächen von den Gletschern der Berner,
Waadtländer und nördlichen Walliser Alpen um 1850 und 1973:
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
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Abb. 9: Hypsographische Verteilung der Gletscherflächen von den Gletschern der
Berner, Waadtländer und nördlichen Walliser Alpen um 1850 und 1973
Quelle: WIPF 1999: 115
Die Gletscher in den Regionen oberhalb von 3500m NN haben innerhalb dieses
Zeitraumes gar nicht an Fläche verloren. Ihre Ausbreitung in diesen Höhen ist jedoch
auch nicht sehr groß. Die sich in Höhenlagen zwischen 2500m und 3000m NN
befindlichen Gletscher, die insgesamt gesehen am meisten Gletscherfläche besitzen,
haben absolut am stärksten an Fläche einbüssen müssen. Prozentual gesehen
haben die Gletscher in niedrigeren Höhen deutlich mehr Fläche verloren. Ihre
Gletscherfläche war bereits 1850 sehr gering, ist bis 1973 weiter stark
zurückgegangen und heute gibt es viele dieser kleinen, niedrig gelegenen Gletscher
gar nicht mehr.
Besonders im „Hitzesommer“ 2003 hatten die Alpengletscher schwer zu leiden. Die
mittlere Temperaturabweichung betrug zwischen Mai und September 2003 +3,3°C,
die Winterschneemenge des vorangegangenen Winters lag unter dem Normalwert
und im Sommer kam es auch nur sehr selten zu Schneefällen. Hinzu kamen starke
Saharastaubfälle, die die Gletscherschmelze begünstigten (PATZELT 2004: 8-10).
Desweiteren wurde den Gletschern zusätzlich die außergewöhnlich lange
Schmelzperiode zum Verhängnis. Normalerweise dauert diese etwa 50 bis 60 Tage,
im Sommer 2003 jedoch lag sie beispielsweise am Vernagtferner bei 100 Tagen, was
dazu führte, dass er doppelt so viel Eis verlor, wie in einem „gewöhnlichen“ Sommer
(WEBER und BRAUN 2004: 18, 20). Das Ergebnis war in vielen Gebieten die fast
völlige Abaperung der Gletscher; häufig wurde der gesamte Gletscher zum
Ablationsgebiet. Von 88 untersuchten österreichischen Gletschern verhielt sich kein
einziger stationär oder vergrößerte sich. Der Mittelwert der Längenverluste dieser
Gletscher lag bei 22,9m im Vergleich zu 12,4m im Jahr 2002 (PATZELT 2004: 8-10).
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
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5 Rückzug einzelner Alpengletscher
In diesem Kapitel soll an einzelnen Beispielen der Rückzug der Alpengletscher
verdeutlicht werden. Im Einzelnen soll in diesem Kapitel die Veränderung des
Großen Aletschgletschers im Wallis, der Pasterze in den Hohen Tauern, des
Vernagtferners im Ötztal, des Schneeferners und des Höllentalferners auf der
Zugspitze, sowie des Eiskargletscher in den Karnischen Alpen dargestellt werden.
Bilder, Graphiken und Tabellen sollen die Aussagen belegen und hervorheben.
5.1 Großer Aletschgletscher, Walliser Alpen
Der Aletschgletscher im Wallis ist mit einer Länge von 24km, einer Fläche von rund
90km2 und einer Dicke von 900m am Konkordiaplatz der größte Alpengletscher. Seit
2001 gehört der aus mehreren Gletschern entstandene Eisstrom zum UNESCOWeltnaturerbe (ZÄNGL und HAMBERGER 2004: 71 und WIESBADENER KURIER).
Der Aletschgletscher, wie der Großteil der Alpengletscher, hatte zur Mitte des 19.
Jahrunderts seinen letzten Höchststand. Seitdem verliert er im Zungenbereich
jährlich etwa 30m Länge, seit 1893 waren dies insgesammt 2266,1m (PRONATURA).
Alleine 2004/2005 verlor er 65,6m an Länge (WIESBADENER KURIER). Entsprechend
des großen Längenverlustes hat sich die Gletscherzunge des Aletschgletschers seit
1859/60 um 3km zurückgezogen (PRONATURA).
Abb. 10: Aletschegletscher um 1900
Abb. 11: Aletschgletscher 2005
Quelle: GESELLSCHAFT FÜR ÖKOLOGISCHE FORSCHUNG 2005
Die folgende Abbildung soll nochmals das extreme Abschmelzen des
Aletschgletschers, auch im Vergleich zum Rhonegletscher und dem Glacier du
Trient, verdeutlichen. Während die beiden kleineren Gletscher Phasen des
Eisgewinnes erlebten schmolz der Aletschgletscher weiter ab. Auf Grund seiner
Größe reagiert er nur sehr schwach auf Klimaveränderungen. Von 1880 bis zum
Jahre 2003 zog sich der Große Aletschgletscher um mehr als 2500m zurück,
während der Rhonegletscher nur 1200m und der Glacier du Trient nur 750m
einbüssen mussten.
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
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Abb. 12: Längenänderung des Aletschgletschers, Rhonegletschers
und Glacier du Trient seit 1880
Quelle: FUNK-SALAMI 2004: 169
5.2 Pasterzenkees, Hohe Tauern
Abb. 13: Die Pasterze um 1900
Abb. 14: Die Pasterze 2000
Quelle: GESELLSCHAFT FÜR ÖKOLOGISCHE FORSCHUNG 2005
Das Pasterzenkees, in der Regel die Pasterze genannt, ist der größte Gletscher
Österreichs sowie der Ostalpen. Der alpine Talgletscher befindet sich in den Hohen
Tauern, am Fuße des Großglockners und wird bereits seit 1879 jährlichen
Standardmessungen unterzogen. Bei seinem letzten nacheiszeitlichen Höchststand
im Jahre 1852 besaß er eine Länge von 11km, eine Fläche von ca. 26,5km2 und eine
Mächtigkeit zwischen 300 und 400m. Bis zum Jahre 2002 hatte er sich etwa auf eine
Länge von 8,4km, eine Fläche von 18,5km2 und ein Volumen von 1,8km3 verkleinert.
Zwar hatte sich die Pasterze seit Anfang der Neuzeit nie so weit zurückgezogen wie
heute, jedoch gibt es Belege in Form von fossilen Hölzern dafür, dass sie in Zeiten
vor dem Holozän über einen längeren Zeitraum hin kleiner war als sie es heute ist.
Die Pasterze bestätigt den allgemeinen Rückzugstrend der Alpengletscher. Die
folgende Abbildung zeigt Vor- und Rückzug der Pasterze sowohl in Einzeljahren seit
1879 als auch ihren Gesamtrückzug seit Mitte des 19. Jahrhunderts.
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
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Abb. 15: Längenänderung der Pasterze in Einzeljahren und in Summe (1852-2004)
Quelle: INSTITUT FÜR GEOGRAPHIE UND RAUMFORSCHUNG 2004
Wie man in dieser Abbildung deutlich erkennen kann, gab es seit 1879 nur sieben
Jahre, in denen die Pasterze an Länge gewonnen hat und auch nur wenige Jahre, in
denen sich ihre Länge nicht verändert hat. Seit dem letzten nachglazialen
Höchststand der Pasterze ist ein Rückgang von knapp 1800m des Gletschers
gemessen worden; nur zwischen 1910 und 1930 konnte sie sich ein wenig erholen.
Die Verluste der Pasterze sind nicht nur in der Länge des Gletschers, sondern auch
in seiner Fläche sowie vor allem in seinem Volumen deutlich erkennbar.
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
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Die folgende Abbildung zeigt ein Querprofiel der Pasterze unterhalb der
Hoffmannshütte in den Jahren 1852, 1872/73, 1928, 1947, 1973, 1994 und 2002:
Abb. 16: Querprofil der Pasterze
Quelle: INSTITUT FÜR GEOGRAPHIE UND RAUMFORSCHUNG 2004
Ein Rückgang des Gletschers ist auch hier deutlich erkennbar, dieses Mal jedoch in
der Höhe, welche sich auf die Lage des Gletschers auswirkt. Die folgenden Graphen
sollen die Höhenveränderung der Pasterze nochmals stärker verdeutlichen. Die
Messdaten hier stammen aus dem Zeitraum zwischen 1947 und 2003:
Abb. 17: Mittlere Höhenänderung der Pasterze nach Einzeljahren und in Summe
Quelle: INSTITUT FÜR GEOGRAPHIE UND RAUMFORSCHUNG 2004
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
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Vergleicht man nun die Höhenänderung der Pasterze mit ihrer Längenänderung fällt
auf, dass die Kurven nicht immer parallel verlaufen. Zwar ist die Tendenz die gleiche,
nämlich dass der Gletscher kontinuierlich weiter abschmilzt, doch sind die Kurven der
Einzeljahre teilweise sogar gegenläufig. Im Zeitraum zwischen 1947 und 2003 gab
es keine einzige positive Längenänderung, jedoch zwei positive Höhenänderungen.
Im Jahr 1980 zum Beispiel wurde eine positive Höhenänderung von etwa einem
halben Meter erfasst, während sich der Gletscher um etwa 11m in der Länge
zurückzog. 1966 kam es ebenso zu einem Höhengewinn, dieses Mal von etwa 4m,
während ein leichter Längenverlust erkennbar wurde. Umgekehrt gab es im Jahre
1987 keine Längenverluste, dagegen aber einen Höhenverlust von ca. 1,5m.
Betrachtet man die Summenkurven, so ist die Parallelität deutlicher. Zum Beispiel
kann man in beiden Fällen ein stationäres Verhalten bis hin zu einer positiven
Tendenz zur Mitte der 60er Jahre erkennen. In den 70er Jahren fällt die
Summenkurve der Höhenveränderung relativ flach ab, während die Summenkurve
der Längenveränderung deutlich fällt. Ansonsten ist der Kurvenverlauf in beiden
Fällen fast durchweg negativ, ausgenommen einzelner weniger Jahre in denen sich
der Gletscher stationär verhielt.
5.3 Vernagtferner, Ötztaler Alpen
Abb. 18: Vernagtferner 1898
Abb. 19: Vernagtferner 1992
Quelle: WEBER UND BRAUN 2004: 17
Der Vernagtferner befindet sich in den Ötztaler Alpen auf einem oberhalb von 3000m
über NN liegenden Hochplateau, welches flach nach Süden geneigt ist. Im Zeitraum
zwischen 1846 und 2003 hat er nahezu drei Viertel seiner Masse verloren. Von der
damaligen Fläche von 13,8km2 waren 2003 nur noch 8,6km2 übrig (ZÄNGL und
HAMBERGER (2004), Seite 67).
Die folgende Abbildung zeigt die Massenveränderung des Vernagtferners zwischen
1844 und 1998 sowie die „Abweichung des Mittelwertes der bodennahen
Lufttemperatur der nördlichen Hemisphäre, am Gipfel der Zugspitze und an der
Pegelstation Vernagtbach vom klimatologischen Mittelwert 1961-1990“ (HAGEDORN
(2004), Seite 10):
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
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Abb. 20: Der Vernagtferner im Klimawandel
Quelle: HAGEDORN 2004: 10
Wie bereits bei anderen Gletschern festgestellt werden konnte, hat auch der
Vernagtferner seit seinem letzten Höchststand zur Mitte des 19. Jahrunderts deutlich
an Masse verloren. Kurze Erholungsphasen gab es auch für ihn um 1920 und 1980,
wobei sich Erstere bereits Ende des 19. Jahrhunderts bemerkbar machte. Deutliche
Verlustphasen hatte er zwischen 1844 und 1890, 1940 und etwa 1954, sowie seit
1980. Wie die Abbildung ferner verdeutlicht, verliert der Gletscher deutlich an Masse,
während die Lufttemperaturen, nicht nur am Vernagtferner, verhältnismäßig hoch
sind und scheinbar weiter ansteigen. Seit 1980 liegen die Mittelwertstemperaturen
sowohl der Nordhemisphäre als auch der Stationen am Zugspitzgipfel und der
Pegelstation Vernagtbach über dem klimatologischen Mittelwert von 1961-1990.
Die folgende Tabelle zeigt, dass sich nach der kurzen Phase des Massengewinnes
um 1980 auch die Lage des Vernagtferners deutlich verändert hat:
Tab. 1: Höhenangaben des Vernagtferners
Vernagtferner
1979
1990
1999
2003
Höchster Punkt
3633 m NN
3631 m NN
3628 m NN
3628 m NN
Niedrigster Punkt
2747 m NN
2747 m NN
2765 m NN
2780 m NN
Quelle: KOMMISSION FÜR GLAZIOLOGIE DER BAYERISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 2005
1979 hatte der Vernagtferner seinen höchsten Punkt auf 3633m NN und reichte bis
auf 2747m NN hinunter. Bis zum Jahre 2003 hat sich sein höchster Punkt auf 3628m
NN verschoben. Somit lag er zu diesem Zeitpunkt 5m tiefer als noch 24 Jahre vorher.
Viel deutlicher ist der Zungenverlust des Gletschers: innerhalb desselben Zeitraumes
hat sich der niedrigste Punkt des Vernagtferners um 33m nach oben verschoben,
fast um die Hälfte alleine innerhalb der letzten 4 Jahre.
Eine weitere Abbildung soll verdeutlichen, in wie weit sich die Abschmelzrate am
Vernagtferner seit 1969 verändert hat:
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
17
Abb. 21: Mittlere jährliche Abschmelzrate am Vernagtferner von 1969 bis 2003
Quelle: HAGEDORN 2004: 11
In den ersten 10 Jahren der Messreihe waren nur die Teile des Gletschers vom
Abschmilzen betroffen, die sich auf einer Höhe unterhalb von 3100m NN befanden.
Die Ausdünnung hier betrug nie mehr als 3,5m. Seither kommt es zunehmend auch
in höheren Lagen zum Abschmelzen und die Rate insgesamt steigt an. Im Sommer
2003 schmolz der Schnee auf der gesamten Oberfläche des Vernagtferners ab, der
Gletscher war also aper. In den niedrig gelegenen Bereichen kam es zu
Massenverlusten von über 4,5m. In jenem Jahr verlor der Vernagtferner am
gesamten Gletscher durchschnittlich 2,3m an Dicke (HAGEDORN 2004).
5.4 Höllentalferner und Schneeferner, Zugspitze
Abb. 22: Abnahme der Gletscherfläche von Zugspitzplatt und Höllentalferner seit 1760.
Quelle: ESCHER-VETTER 2002: 5
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
18
Die bayerischen Gletscher sind die nördlichsten Gletscher der Alpen und ragen bis
auf eine Höhe von 1910m hinab, wogegen die Gletscher der Zentralalpen bis weit
über 3000m hoch liegen. Nur auf Grund der großen Niederschlagshäufigkeit im
nördlichen Alpenraum können sich hier die Gletscher heute noch halten. Betrachtet
man Abbildung 22, so kann man einen deutlichen Unterschied bei der
Flächenveränderung der beiden aufgeführten Zugspitzgletscher erkennen. Erklären
lässt sich dieses durch ihre unterschiedliche Lage. Der Höllentalferner befindet sich
in dem steilen und tief eingeschnittenen Höllental, wo er vor Sonneneinstrahlung gut
geschützt ist und von Lawinenschnee genährt wird. Im Zeitraum zwischen 1770 und
1989 hat er nur einen verhältnismäßig geringen Flächenverlust von 0,020km2
hinnehmen müssen; die Verlustkurve ist entsprechend flach.
Abb. 23: Höllentalferner
Quelle: WEBER 2003: 3
Betrachtet man dagegen die Verlustkurve des Gletschers am Zugspitzplatt, der auf
Grund seiner freien Lage starker Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist, so kann man,
im Vergleich zum Höllentalferner, einen starken Abfall Mitte des 19. Jahrhunderts
erkennen. Zu dieser Zeit war das Zugspitzplatt noch von einem einzigen Gletscher
bedeckt, der jedoch zu Beginn des 20. Jahrunderts in den Nördlichen, Östlichen und
Südlichen Schneeferner zerfiel, von denen nur noch der Nördliche als Gletscher und
der Südliche als Firnfeld vorhanden sind (ESCHER-VETTER (2002), Seite 5).
Gemeinsam besitzen der Nördliche und Südliche Schneeferner heute noch ca. 45 bis
50 ha (ZÄNGL UND HAMBERGER (2004), Seite10).
Abb.24: Schneeferner 1890
Quelle: WEBER 2003: 4
Abb. 25: Schneeferner 2003
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
19
Heute wird der nördliche Schneeferner zusätzlich „künstlich bewirtschaftet“, das
heißt, dass er, zusätzlich zu den normalen Schneefällen, von Liftpersonal mit Schnee
aus der Umgebung gespeist wird. Außerdem werden im Sommer Teile des
Gletschers mit einer weißen Plane abgedeckt, um das Abschmelzen zu verringern
(siehe auch Abb. 5). An ungeschützten Bereichen jedoch schmilzt das Eis weiterhin
schnell ab, Experten sprechen von einer Größenordnung um 10cm täglich (TRIPPEL
2006: 120).
Weber geht davon aus, dass der Schneeferner in etwa 15-25 Jahren komplett
abgeschmolzen sein könnte, sollte sich der derzeitige Eisverlust von rund 80cm pro
Jahr fortsetzen (WEBER 2003). 2002 hatte der Schneeferner nur noch eine
durchschnittliche Mächtigkeit von 10-20m. Im Jahre 2003 hat er einen Eisverlust von
mehreren Metern hinnehmen müssen.
5.5 Eiskargletscher, Karnische Alpen
Abb. 26: Eiskargletscher
Quelle: HOHENWARTER 2002
Der Eiskargletscher, ein Kargletscher, befindet sich in den Karnischen Alpen und ist
der südlichste Gletscher Österreichs. Er erstreckt sich über eine rund 60° geneigte
Nordwand zwischen 2113m und 2392m NN und ist somit durch seine schattige Lage
begünstigt. Im Gegensatz zu den größeren Gletschern hängt das Überleben des
Eiskargletschers weniger von den Sommertemperaturen und ~schneefällen ab. Auf
Grund seiner Lage profitiert er von Lawinen, welche von der Kellerwand hinabstürzen
sowie von Windverfrachtungen, bei Südwind. Auf Grund seiner geringen Größe,
welche 1997 18ha betrug und seither weiter zurückgegangen ist, reagiert er direkt
auf klimatologische Veränderungen. Seit 1850 hat er etwa 30% seiner damals 25,8
ha großen Fläche verloren. Zu selbigem Zeitpunkt erstreckte sich der Eiskargletscher
mit einer maximalen Länge von 830m in einer Höhe zwischen 2020m bis 2420m.
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
20
Die folgende Graphik zeigt die Längenänderung des Eiskargletschers zwischen 1897
und 2000:
Abb. 27: Längenänderung des Eiskargletschers 1897 bis 2000
Quelle: HOHENWARTER 2002
Innerhalb der ersten Jahre der Untersuchungen am Eiskargetscher konnte dieser
einen Längenzuwachs von etwa 8m verzeichnen. Im Zeitraum von 1900 bis 1920 war
er stationär. Anschließend unterlag er bis zum Jahr 1970 einer Phase starken
Rückgangs, in der er etwa 50m an Länge verlor. Es folgte eine kurze Vorstoßphase,
bevor er Ende der 1970er Jahre wieder stark an Länge verlor. Seit diesem letzten
positiven Trend ist er bis zum Jahr 2000 um etwa 34m zurückgeschmolzen.
Alleine in einem Zeitraum von nur 4 Jahren, zwischen 1994 und 1997, erlitt der
Eiskargletscher einen Flächenverlust von 0,36ha, einen Volumenverlust von
690.000m3 und einen mittleren Höhenverlust von 3,75m.
6 Fazit und Ausblick
Obwohl die Alpengletscher in der Vergangenheit schon mehrfach weit
zurückgegangen sind, sogar weiter als heute, bleibt die Sorge um unsere „Eisriesen“
berechtigt. Das extreme Abschmelzen der Gletscher scheint nicht alleine natürlichen
Ursprungs zu sein, sondern durch den Menschen begünstigt zu werden. Bei der
Betrachtung der Gletscherveränderungen seit ihrem letzten Höchststand zur Mitte
des 19. Jahrhunderts, ist ein eindeutiger Trend zu erkennen: die Alpengletscher
befinden sich auf dem Rückzug. Zwar gibt es immer wieder Jahre in denen einzelne
Gletscher vorstoßen oder sich stationär verhalten, doch ist dies die Ausnahme.
Gletscher verschiedener Größenordnung reagieren unterschiedlich auf den
Klimawandel, doch früher oder später zwingt das Klima sie alle zum Rückzug.
Zahlenmäßig mag es einem so vorkommen als wären die großen Gletscher auch die
großen Verlierer, doch betrachtet man die Veränderung der Gletscher im Verhältnis
zu ihrer Größe, so lässt sich erkennen, dass die kleineren unter ihnen am stärksten
unter den derzeitigen Bedingugen leiden. Viele der kleinen Gletscher sind kurz vor
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
21
ihrem Ende oder sind gar schon komplett abgeschmolzen, wie man gut auf Abb. 8
erkennen kann. Andere kleine Gletscher, so die Kargletscher, bleiben aber auf Grund
ihrer günstigen Lage in ihrer Größe nahezu unverändert. Durch menschlichen Eingriff
wird häufig versucht die Gletscher ein wenig länger „künstlich am Leben zu halten“,
wie dies am Schneeferner auf der Zugspitze der Fall ist.
Leider ist dieser Trend scheinbar nicht aufzuhalten. Nach derzeitigen
Zukunftsszenarien werden die Temperaturen weiter Ansteigen und die Gletscher
weiter und noch stärker abschmelzen. Als erstes und am stärksten werden davon die
kleinen Gletscher sowie „[...] Regionen mit geringer Vereisung [...]“ betroffen sein
(MAISCH und HAEBERLI 2003: 10). Nach Schätzungen könnten bereits 2035 rund die
Hälfte der heute vorhandenen Gletscher verschwunden sein und „[...] nach Mitte des
21. Jahrunderts bereits drei Viertel [...]“(MAISCH und HAEBERLI 2003: 10).
Durch den Gletscherschwund verlieren die Alpen jedoch nicht nur an Ästhetik. Durch
das Abtauen der Gletscher und des Permafrostbodens entsteht eine erhöhte
Erosionsgefahr. Es kommt immer häufiger zu Eis- und Steinabbrüchen,
Gletscherseen steigen dramatisch an, Überschwemmungen sind die Folge und auf
Lang gesehen wird es vermutlich zum Süßwassermangel kommen. Auch in Sachen
Tourismus wird sich einiges ändern: Niedrig gelegene Skigebiete werden sich nicht
länger halten können und auch in höher gelegenen Regionen werden einige
Maßnahmen getroffen werden müssen um weiterhin die Schneesicherheit zu
gewährleisten. Bereits 2003 schmolzen die Skipisten des Marmoladagletschers in
den Dolomiten regelrecht weg, der Skibetrieb musste eingestellt werden.
Fritschle, Julia: Gletscherrückgänge in den Alpen
22
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