Mein erster Ironman,
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Mein erster Ironman,
Mein erster Ironman, lief besser als erwartet … Es ist kurz vor 23 Uhr am Sonntag, ich sitze im Bus der mich zu meinem Auto am Langener Waldsee bringt. Mir fallen immer die Augen zu und ich denke immer an den Ratschlag des Finishers aus dem Fahrerlager (in Ironman Sprache Athletes Garden): „Gleich wenn du im Hotel bist, gehst du schön an die Bar und bestellst dir ein eiskaltes Hefeweizen und ein Obstler, das ist besser als jeder Joint und du kannst schlafen wie ein Murmeltier“. Aber fangen wir besser von vorne an zu erzählen. Freitag kurz vor 14:00 Uhr. Ich sitze auf der Zuschauertribüne am Römerberg und genieße die Atmosphäre, die Tribünen sind voll besetzt mit austrainierten Triathleten. Unten wird gerade „The Voice of Ironman“ Mike Reilly vorgestellt, der extra aus Amerika eingeflogen wurde um jeden im Ziel mit dem weltbekannten Satz „You are an Ironman“ zu empfangen. Was für eine geile Stimmung hier und das ist ja eigentlich nur die Wettkampfbesprechung. Abends geht es dann zur Pasta Party, hier geht es nach dem Prinzip, wer am meisten auf seinen Teller türmen kann, gewinnt. Ich weiß zwar nicht was, aber ich mache trotzdem mal mit. Mit meinem vollgeladenen Teller suche ich mir einen Platz, von weitem sehe ich jemand der auch in meinem Hotel wohnt. Da wir aber beide mehr mit essen beschäftigt sind, quatschen wir auch nicht viel. Bekomme nur so viel raus, dass er Niederländer ist und auch schon mal in Bocholt gestartet ist. Na ja denke ich mir, der ist vielleicht nervös oder der redet nicht gerne. Das direkt links von mir Anja Beraneck sitzt, bekomme ich erst mit als die Pros. auf die Bühne gerufen werden. Alles in allem ein schöner Tag, mit vollem Bauch und vielen Eindrücken fahre ich ins Hotel. Samstag muss ich erst um 14:00 Uhr zum Einchecken, deshalb fahre ich nach dem Frühstück zum Einkaufszentrum für Triathleten, der Ironman Expo. Hier nichts zu kaufen, ist fast unmöglich, also gönne ich mir ein paar schöne neue Laufschuhe von NB. Fast alle Pros. laufen auch hier rum, oder sind auf den Ständen um Werbung für ihre Sponsoren zu machen. Bei Rudy Projekt sehe ich dann den amtierenden WTC Weltmeister Pete Jacobs. Mein Gott was ist der dünn, hat der denn gestern nichts auf der Pasta Party zu essen bekommen. Ich dachte schon immer Andy Ralert wäre dünn, ich hoffe nur morgen ist kein starker Wind, sonst fliegt der von Friedberg zurück nach Frankfurt. Das einchecken des Rades und die Abgabe der Wechseltaschen ist perfekt organisiert, man merkt halt das man auf einer Ironman Veranstaltung ist. Danach geht es zu einem kurzem einschwimmen in den Langener Waldsee. Wetter und Wasser sind super, so dass ich den Neo erst gar nicht anziehe. Mir wird nur ein wenig bange, wenn ich daran denke dass ich morgen mit 2300 anderen verrückten hier starten soll. Der Kollege neben mir merkt das wohl und sagt „jo mei brauchst keine Angst zu haben, is genug Platz da“ springt ins Wasser und ist verschwunden. Hmm, Typen laufen hier rum. Abbildung 1: Mein Rad gut eingepackt Abbildung 3: R. Ralert Abbildung 2: M. Raelert Bike Abbildung 4: Carbon Loading am Langener Waldsee Sonntag, 03:45 Uhr schellt mein Wecker. Einen kurzen Augenblick denke ich, bitte noch ein viertel Stündchen schlafen. Aber dann fällt mir ein dass ich ja heute noch etwas vorhabe, sofort werde ich nervös, puh… anziehen, essen, toilette in der Reihenfolge und dann ganz ruhig zum Langener Waldsee fahren. Ich stehe im Wasser, die ersten Sonnenstrahlen wärmen mich, herrlich. Der Langener Waldsee ist eine wunderschöne Location, wenn da nicht die anderen 2300 Starter wären. Ich habe mich fast ganz hinten aufgestellt, vor mir habe ich ca. 15 Meter freie Bahn. Die Profis und 300 auserwählte sind schon auf der Strecke. Die schnellen und die die von einer Hawaii Quali träumen, drängen nach vorne, wie Rennpferde die kaum noch zu bremsen sind. 5,4,3,2,1….. Peng, mein längster härtester Tag hat begonnen. Ich denke mir, bloß nicht am Start schon Stressen lassen. Das Problem ist wenn man von so weit hinten startet, läuft man relativ schnell auf noch langsamere Schwimmer auf. Ich denke mir nur egal, wenn Platz ist schwimmst du vorbei, wenn nicht bleibst du dahinter. So schaffe ich es ohne großes Gedränge in 01:22 aus dem Wasser. Bis dahin war es auch gar nicht so anstrengend, aber nun folgt der Schwimmausstieg zur Wechselzone. Der hat es echt in sich, steil geht es einen Sandhügel hinauf, die meisten gehen, ich denke mir das ist eine gute Idee, schon mal üben für den Marathon ;-) Das wechseln klappt ohne Probleme, Beutel genommen, im Zelt auf eine Bank gesetzt und umgezogen. Die ersten Meter auf dem Rad, werden von allen Fahrern dazu benutzt ein zweites Frühstück einzunehmen. Gestärkt geht es dann ca. 15 Kilometer bis nach Frankfurt, von wo aus wir dann 2 Runden durch die schöne Wetterau fahren. Es sind auf der Runde auch keine ganz so großen Herausforderungen zu bestehen, mir macht am meisten „The Beast“ und der Hühnerberg zu schaffen. Das Stück in Maintal „The Hell“ mit den Pflastersteinen finde ich grausam, hätte ich was zu sagen würde das Stück großräumig umfahren. Klar die Stimmung ist super dort und die beiden Teufel die da rumlaufen sind lustig, aber gar nicht lustig ist, dass ich da immer meine Flaschen hinten aus der Halterung verliere. Ich glaube die meisten Zuschauer feuern nicht an, sondern lachen sich kaputt, wie Triathleten sich versuchen auf dem Rad zu halten und ein total verbissenes Gesicht machen. Da ein Fotograf, ich versuche zu lächeln, schei.., dieses Foto werde ich auf jeden Fall nicht kaufen. Die Stimmung am Heartbreack Hill ist gigantisch, Gänsehaut pur, ein überholen so gut wie unmöglich, so eng stehen die Zuschauer zusammen und es gibt eine Wasserdusche. Das tut richtig gut, denn mittlerweile ist es ein richtig schöner Sommertag geworden. Ich finde das super, besser als Regen und 15 Grad Kälte. Der Wind ist allerdings nicht ohne und bis zum Wendepunkt in Friedberg bläst er immer schön von vorne, ich denke kurz an Pete Jacobs, aber dann kommt auch schon die nächste Verpflegungsstelle. Die ersten 130 Kilometer fühlen sich super an, die Taktik die wir uns ausgedacht haben geht voll auf. Im flachen immer zwischen 140 und 170 Watt bleiben, am Berg bis 220 Watt gehen, nach dem Berg ca. 5 Minuten mit 120 Watt ausruhen. Das Problem ist das ich nach ca. 4 Stunden unsere Essstrategie nicht mehr konsequent einhalte, statt 2 Gels einen halben Riegel und 500 ml Iso, nehme ich nur noch ein Riegel und etwas Iso ein. Hinzu kommt ein Sohlenbrennen, wie ich es noch nie gehabt habe. Ich möchte anhalten und mir die Schuhe ausziehen, ich versuche die Schnallen etwas lockerer zu stellen, aber es nutzt nicht. Meine Füße haben keinen Bock mehr auf Rad fahren. Zum Glück gehen die letzten 15 Kilometer leicht bergab, so dass ich nur ca. 35 Kilometer leiden muss. Ich bin so froh als ich im Wechselzelt meine Radschuhe ausziehen kann, allerdings macht sich auf meinen Rücken auch schon ein Sonnenbrand bemerkbar. Ich frage den Doc der im Zelt ist wie mein Rücken aussieht. Als der Doc sagt, das sieht aber gar nicht gut aus, wir müssen dich jetzt erst mal eincremen sonst lasse ich dich nicht aus dem Zelt, denke ich mir „schöner Mist“. Sofort ist ein Helfer und auch ein anderer Triathlet mir Sonnenschutz 50 da. Wenn mich jemand fragt, was ist das besondere an so einem Ironman, dann würde ich sagen: Es sind die freiwilligen Helfer, sie feuern an, sie sind immer zur Stelle wenn man was benötigt, beantworten jede Frage und haben dabei immer ein Lächeln im Gesicht. Sie leiden mit einen, sie freuen sich mit einem und sie stützen dich wenn du nicht mehr laufen kannst. Bei der Helferin die mich später ins Fahrerlager begleitet, verabschiede ich mich mit einem Händedruck und bedanke mich für die tolle Unterstützung. Nach dem der Doc dann fachmännisch meinen Rücken versorgt hat, begebe ich mich auf die Verfolgung, denn jetzt kommt meine Lieblingsdisziplin -) Was soll man sagen, die Taktik war ganz einfach, mit 06:30 anfangen und schauen wie weit man kommt. Ja und jetzt kommt es, es hat fast geklappt. Ich bin nur an den Verpflegungsstellen gegangen um dort vernünftig was zu trinken. Zweimal musste ich das viele trinken wieder wegbringen, was mit so einem Triathlon Einteiler auch kein richtiges Vergnügen ist. Nach ca. 20 Kilometern driften die Zeiten so gegen 07:15 ab, aber ich fühle mich noch ganz gut, also ist mir das egal. Mein Ziel ist es innerhalb der 15 Stunden ins Ziel zu kommen und das sieht gut aus. Zwischenzeitlich habe ich sogar mal gedacht, ich schaffe das unter 13 Stunden, als ich dann gemerkt habe das wird nix mehr, bin ich die Brücken auch nur noch gegangen. Klar jenseits der 30 Kilometer wird das anlaufen immer schwerer und die Lust lässt schwer nach, aber ich laufe von Bändchen zu Bändchen, nur noch eins denke ich, dann hast du es fast geschafft. Dann kommt er, der große Augenblick, am letzten Verpflegungsstand bleibe ich nochmal kurz stehen und mache mich mit den Schwämmen etwas frisch. Ich denke mir „man will ja nicht ganz so kaputt aussehen“, lache und laufe langsam Richtung Römerberg. Was soll ich sagen bzw. schreiben, es ist ein unbeschreibliches Gefühl, Gänsehaut pur, sicherlich einer der schönsten Zieleinläufe den es im Triathlon gibt. Ganz besonders freue ich mich dass Thomas im Zielkanal steht und mich noch abklatscht. Dann ist es soweit, Mike Railly sagt den legendären Satz und klatscht mich ab. Hut ab vor diesem Man, er begrüßt den ersten und bleibt bis zum letzten im Ziel, um jeden der es geschafft hat Respekt zu zollen. Und dann sind sie schon da, die freiwilligen Helfer und fragen mich wie es mir geht, ein Sani kommt, aber das ist nicht nötig, denn es geht mir SUPER…. Montag, 09:00 Uhr, ich werde wach und denke „uiii meinen Beinen ging es schon mal besser“ aber ein Ironman kennt keinen Schmerz . Komischerweise konnte ich gestern schlecht einschlafen und die Bar war leider schon geschlossen, so dass ich den Rat mit dem Bier und Obstler nicht testen konnte, was wahrscheinlich auch besser so war. Auf dem Weg zum Frühstücksraum treffe ich meinen holländischen Freund. Ich spüre sofort eine Veränderung, er grinst wie ein Honigkuchenpferd auf Ecstasy, fällt mir fast um den Hals und sein Redeschwall ist kaum zu bremsen „Wie es mir den geht? – er wäre erster in seiner AK M50 geworden, er hat solange darauf gewartet, er fährt auf jeden Fall nach Hawaii, er ist ganzes Stück mit Per Bittner gelaufen usw. usw.“ Ich freue mich mit Ihm und gratuliere ihm zum Sieg. Ich lache und sage zu ihm: ich war nur ganz knapp hinter ihm und im nächsten Jahr würde ich in mir auf der Laufstrecke schnappen. Seine Augen werden so groß wie Billardkugeln, aber bevor er Schnappatmung bekommt, kläre ich ihn auf, wir lachen beide und gehen zum Frühstück. Nach dem Frühstück gehe ich auf Zimmer und lese mir die ganzen Glückwunschmails durch, an dieser Stelle ein riesengroßes Dankeschön an alle die an mich gedacht haben. Ein wenig Stolz packe ich meine Sachen zusammen und fahre nach Hause und denke mir, das war bestimmt nicht mein letzter Ironman.