Dämonen Monstren Fabelwesen - Privatdozent Dr. Mag. Christa

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Dämonen Monstren Fabelwesen - Privatdozent Dr. Mag. Christa
WS
2015
Dämonen
Fabelwesen
Monstren
DÄMONEN, MONSTREN, FABELWESEN
PD DR. CHRISTA TUCZAY
VO WS 2015/2016
Inhalt
I.
Einleitung.................................................................................................................................. 2
II.
Monstren ................................................................................................................................... 4
A.
Monstren der Antike und des Mittelalters .................................................................. 5
B. Antike Beschreibungen von Wundervölkern und ihre Tradierung in das
christliche Mittelalter .............................................................................................................. 5
III.
IV.
C.
Die Alexanderdichtung................................................................................................ 10
D.
Situierung der Wundervölker im christlichen Kosmos .......................................... 15
E.
Monstra Marina – die Meerwunder ........................................................................... 26
F.
Die Wilden Menschen .................................................................................................. 30
Fabeltiere und Fabelwesen ................................................................................................... 33
A.
Der Drache ..................................................................................................................... 33
B.
Der Greif......................................................................................................................... 40
C.
Die Manticora ................................................................................................................ 45
D.
Das Einhorn in christlichen und mittelalterlichen Quellen .................................... 47
E.
Der Phönix ..................................................................................................................... 51
DÄMONEN - Zwischen Göttern und Menschen .............................................................. 54
A.
Begriffsklärungen ......................................................................................................... 54
B.
Dämonen bei Griechen und Römern ......................................................................... 56
C.
Engel und Dämonen in den abrahamitischen Religionen ...................................... 59
V.
Lexikon der wichtigsten mittelalterlichen Monstren ....................................................... 68
VI.
Bibliographie .......................................................................................................................... 70
1
I.
Einleitung
Wie der Titel der Vorlesung nahelegt, möchte ich in diesem Semester Dämonen
Monstren und Fabelwesen behandeln. Es handelt sich dabei um sehr unterschiedliche
Begriffe, die aber oft verwechselt werden. Dämonen sind körperlos, luftig bzw.
unterirdisch und unzählig, während Monster körperlich irdisch sind und meist ein
menschliches Lebensumfeld haben, Thema der Ethnographie sind von der
Naturkunde erforscht werden und es nur eine beschränkte Anzahl an Wunderrassen
gab. Diese Verwechslung von Dämonen und Monstren ist bis in die Gegenwart fast
durchgängig ein Problem der Forschung. Aber selbst wenn aus heutiger Sicht der
mittelalterlichen Bildwerke eine genaue Zuordnung nicht immer möglich ist, so
besteht doch ein ganz großer und fundamentaler Unterschied zwischen den beiden
Arten von Wesen.
Wundervölker sind reale, physisch erfahrbare Wesen, die als Bewohner der fernen
Gebiete der Erde zuerst in den Bereich der Geographie und Ethnographie, also der
mittelalterlichen Naturkunde gehören und nur an zweiter Stelle aufgrund ihrer
Deformationen, so wie etwa reale Tiere, auch zur allegorischen Interpretation
herangezogen werden. Trotz vereinzelter Gefährlichkeit der Wesen für den Menschen
wie etwa den Hundsköpfigen, sind sie im Prinzip wertneutrale beseelte irdische
Wesen. Ganz im Unterschied zu den Dämonen, die übernatürliche Wesen sind, schon
aufgrund ihrer Natur als gefallene Engel nicht körperlich, sondern geistige Natur
haben und wegen ihrer Gegnerschaft zu den wahren, nicht gefallenen Engeln als böse
gelten müssen und den Menschen feindlich gegenüberstehen und diesen schaden.
Ihre Wohnung sind nicht reale Bereiche der Erde, sondern das Jenseits, wo sie
gemeinsam mit Satan die Hölle bewohnen. Es ist ihre Aufgabe als Erfüllungsgehilfen
des Teufels, die Menschen im Diesseits vom rechten Weg abzubringen und ihnen noch
physischen Schaden in Form von Krankheiten oder Naturkatastrophen zuzufügen
und Im Jenseits dann die menschlichen Seelen im Fegfeuer und in der Hölle zu quälen.
Im Gegensatz dazu stehen die Monstren die wegen ihres Verweischarakters in den
allegorischen Deutungen den Menschen helfen, ihre Verfehlungen einzusehen, sie
also zur Umkehr mahnen und zur Besserung anregen sollen. Darüber hinaus sind sie
der Beweis für die vollkommene und vielfältige Schöpfung Gottes und seiner
Allmacht. Die menschlichen Monster gehören zu den Menschen und werden auch von
den mittelalterlichen Autoren als solche verstanden, wenn auch KONRAD VON
MEGENBERG in seinem Puoch von den naturleichen dingen um 1350 bestrebt war, diese
noch genauer zu definieren.
Nu sprich ich Megenbergaer, daz die wundermensche zaierlei sind: etleich sing gesêlet und
etleich niht. Die gesêlten wundermensche haiz ich die ain menschleich sêl habent und die doch
geprechen habent. Die ungesêlten haiz ich die tswaz ain menschleich s gestalt haben an dem lei
und doch kain menschleich sêl haben. Die gesêlten wundermenschen sind zaierlai. Etliech
habent geprechen an dem leib und etleich an der sêl werk, un die koment paideu von Adam und
von sine sünden, wanich glaub daz: hiet der eêrst mensch niht gesünt, all menschen wæren ân
geprechen geboren.
2
Diese Definition des Klerikers und Naturphilosophen schließt eine enorm große
Vielfalt und Masse dessen ein, was man im Mittelalter als Monstren bezeichnete: Also
sowohl Menschen, die an körperlichen oder auch psychischen Abnormitäten litten, als
auch solche fast menschlichen oder menschenähnlichen Wesen, die aber eine
Mischnatur besitzen und dem Tierreich angehören. Zu diesen zählt Konrad sicherlich
auch Zentauren, Sirenen und viele Wasserbewohner, oder vielleicht sogar die
Hundsköpfigen und Kranichschnäbler. Monstrosität ist also eine Frage des Grades der
Abweichung und der subjektiven Einschätzung.
3
II.
Monstren
4
A.
Monstren der Antike und des Mittelalters
Die Geschichte der Wundervölker in der europäischen Kultur ist so lang wie die
Geschichte dieser Kultur selbst, auch wenn nur die im Mittelalter als Monstren
bezeichneten menschlichen Monstrosität heranzieht und die mythologischen
Fabelwesen wie Zerberus und Hydra, weglässt, weil sie im Mittelalter ebenso wie die
Sphinx oder der Minotaurus eine sehr untergeordnete Rolle spielten. Einzelne andere
mythologische Mischwesen, wie die Sirene, Zentauren und Satyrn spielten allerdings
eine prominentere Rolle unter ihnen.
Schon bei der berühmtesten aller frühen griechischen Dichtungen, der Odyssee des
Homer im 8. Jahrhundert vor Chr. zählt die Begegnung des Helden mit den Monstren
zu den wichtigen Motiven in der Heldenbiographie und auch in der Ilias werden
Wunderwesen erwähnt. Von da an gehören die Kämpfe mit den Monstren als
Vertreter des Fremden zum Standard-Motiv-Inventar der europäischen
Literaturgeschichte und dies ganz unabhängig vom religiösen Kontext bzw. von der
religiösen Deutung dieser. Bei Homer ist es noch der körperliche oder geistige
Mangel, die ihre Andersartigkeit ausmacht, denn weder bei den so Lotusessern, die
nicht die Lotusblüten aßen, sondern die dattelähnliche Frucht eines Ziziphus-Lotus,
die bis heute gegessen wird, noch bei den stutenmichtrinkenden Nomaden der
nordasiatischen Völker, die Zeus mit Staunen betrachtete, findet sich negative
Wertungen. Die Pferdemelker beispielsweise werden als besonders gerechtes und
aufrechtes Volk beschreiben..
B.
Antike Beschreibungen von Wundervölkern und ihre Tradierung in das
christliche Mittelalter
Die ältesten erhaltenen Nachrichten über die indischen Wundervölker stammen aus
dem 4. Jahrhundert v. Chr. Der griechische Historiker Ktesias von Knidos, der bei der
Schlacht von Kunaxa in persische Kriegsgefangenschaft geraten und später zum
Leibarzt des Großkönigs Artaxerxes Mnemon avanciert war, verfasste nach seiner
Heimkehr mehrere Schriften, in denen er seine Kenntnisse des Orients festhielt. Seine
Indische Geschichte ist nur bruchstückhaft überliefert, konnte aber in einer verkürzten
Fassung, die der Patriarch von Konstantinopel Photios im 9. Jahrhundert anfertigte,
überdauern. Alle drei Schriften des Ktesias sind nur fragmentarisch erhalten. Es
handelt sich um eine Persische Geschichte, die bis zum Jahr 398 reicht und als Quelle
für die Verhältnisse am Königshof bedeutend ist, einen Periodos und die Indische
Geschichte.
Ktesias berichtet von vielerlei seltsamen Wesen: von dem mit giftigen Stacheln
versehenen, angriffsfreudigen indischen Untier marticora, einer Bestie mit von dem
Vogel dicairon, der seine Exkremente vorsorglich verscharrt, weil diese so giftig sind,
daß jeder, der sie versehentlich zu sich nimmt, in tiefen Schlaf fällt und bei
Sonnenuntergang desselben Tages sein Leben enden muss. Aber nicht allein die
Tierwelt wird geschildert, auch die indische Ethnographie erfährt durch Ktesias
einige Bereicherungen. So beschreibt er beispielsweise die schwarzhäutigen und
äußerst kleinwüchsigen Pygmäen, deren männliche Angehörige ein im Verhältnis zu
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ihrer Körpergröße überproportioniertes Geschlechtsteil besitzen, das ihnen bis zu den
Fesseln reicht. Interessantes weiß Ktesias auch von dem Volk der Achtfingrigen
mitzuteilen: diese kommen mit schneeweißem Haar zur Welt, ergrauen ab dem
dreißigsten Lebensjahr, und mit sechzig Jahren ist ihr Haar vollkommen schwarz.
Äußerst detaillierte Angaben macht der Autor zum Volk der Hundsköpfigen, die
keiner menschlichen Sprache mächtig sind und gleichwohl einträglichen Handel mit
den Indern treiben, denen sie den begehrten, aus Früchten gewonnenen Ambra
verkaufen. Das ungefähr 120.000 Angehörige zählende Kynokephalenvolk zeichnet
sich Ktesias zufolge durch seine Geschicklichkeit in der Jagd und ein überaus stark
entwickeltes Gerechtigkeitsempfinden aus, dem sein Gefühl für Reinlichkeit
allerdings nicht entspricht: denn während die weiblichen Kynokephalen sich nur
einmal im Monat waschen, bevorzugen die hundsköpfigen Herren eine Art
Katzenwäsche, die einzig und allein im gelegentlichen Befeuchten der Hände besteht.
Der zweite bedeutsame, nur in Auszügen erhaltene antike Bericht über Indien datiert
aus demselben Jahrhundert und ist dem aus Kleinasien stammenden Gelehrten
Megasthenes zu verdanken. Nachdem Seleukos I. Nikator, der das Erbe der
persischen Kerngebiete aus dem Reich Alexanders des Großen angetreten hatte,
entsandte er Megasthenes an den Hof des indischen Königs Candragupta im heutigen
Patna am Ganges. Megasthenes’ umfangreicher Bericht gilt noch heute als wichtigste
Quelle für die Kenntnis der Zeit. Es werden Angaben sowohl zur Geographie als auch
zu den sozialen und kulturellen Gegebenheiten des Landes gemacht; Handel und
Handelsgüter sind ebenso Gegenstand der Betrachtung wie geschichtliche Ereignisse
und religiöse Riten. Der Autor bespricht auch die sagenhaften Völker und Tiere
Indiens und er erweitert das bereits bestehende Inventar der Wundervölker um neue
Spezies. Genannt werden die Opisthodaktyloi, deren Zehen nach hinten gedreht sind
und die später mit den Antipoden verschmolzen werden, die Astomoi, wilde
Menschen ohne Mund, die vom Geruch gebratenen Fleisches und dem Duft von
Früchten und Blumen leben; die Arrinoi, Menschen ohne Nasenlöcher, bei denen der
obere Teil des Mundes weit über die Unterlippe ragt; ferner die schnellfüßigen
Okypodes und die langschenkligen Makroskeleis, die spitzköpfigen Pane sowie
Menschen mit Hundeohren oder einem einzigen Auge auf der Stirn.
Die Berichte von Ktesias und Megasthenes - und somit auch die von ihnen referierten
Vorstellungen der in Indien siedelnden Wundervölker – dominierten lange Zeit das
Wissen über die fernen Weltgegenden im Osten, denn in den folgenden drei
Jahrhunderten erschwerte die Abspaltung Baktriens und Parthiens vom
Seleukidenreich (um 250 v. Chr.) und der Untergang der Maurya-Dynastie (um 185 v.
Chr.) den Landweg nach Indien. Allerdings meldeten sich auch kritische Stimmen zu
Wort. Gegen Anfang des 1. Jahrhunderts n. Chr. verwarf beispielsweise der
griechische Geograph Strabo in seiner siebzehn Bücher umfassenden Geographia den
Glauben an die Existenz der indischen Wunder, indem er neben Megasthenes einen
gewissen Deimachos, der seinerseits Gesandter am indischen Hof gewesen war und
dessen Werk heute verloren ist, mit spöttischen Worten bedenkt:
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Im Allgemeinen waren die Männer, die bisher über Indien berichtet haben,
eine Bande von Lügnern. Deimachos nimmt den ersten Rang in dieser Liste
ein, Megasthenes folgt als nächster, während es Onesikritos und Nearchos
zusammen mit anderen derselben Gattung fertigbekommen, ein paar Worte
der Wahrheit zu stammeln (...). Sie erfanden Geschichten über Menschen,
die so große Ohren hatten, daß sie darin eingewickelt schlafen konnten, über
Menschen ohne Münder, ohne Nasen, mit nur einem Auge, mit
Spinnenbeinen und mit nach hinten gebogenen Zehen (...).
Weder Strabos Kritik noch die einiger anderer Autoren seiner Zeit beruhte auf
genaueren Kenntnissen, da das Wissen über das ferne Indien sich in den letzten drei
Jahrhunderten kaum verändert hatte. Auch Strabo musste sich daher bei seinen
Ausführungen zu diesem Thema fast ausschließlich auf das von Megasthenes
überlieferte Material stützen. Bei der Ausarbeitung der einzelnen Teile des Werkes
zog Strabo eine Auswahl unterschiedlicher Handbücher heran, wobei er oftmals stark
voneinander abweichende Autoren in ein und demselben Kapitel kompilierte. Der
uneinheitliche Eindruck wird jedoch durch Strabos Kritik an den Quellen und seine
ständige Bemühung, Augenzeugnisse heranzuziehen, abgeschwächt. Die Geographia
beschäftigt sich - trotz des Titels - weniger mit der Geographie (denn auf diesem
Gebiet gilt Homer Strabo als Autorität) als mit historischen, mythologischen,
literarischen und naturkundlichen Gegebenheiten.
Die geo- und ethnographische Sicht des Abendlands wurde vor allem durch die
Werke römischer Kompilatoren geprägt, die gewissenhaft die verschiedenen
Informationen über die Beschaffenheit der Erde und deren Bewohner aus den ihnen
zur Verfügung stehenden Quellen zusammengetragen hatten. Zu diesen zählt an
prominenter Stelle Pomponius Mela. Seine 43/44 n. Chr. entstandene geo- und
ethnographische Beschreibung der Welt, die vermutlich De chorographia betitelt war,
schildert vor allem die Küstenregionen der bekannten Erdteile, sie enthält aber auch
Informationen über das Hinterland und dessen Bewohner. Mela beruft sich zum Teil
auf ältere Quellen wie Homer und weiß von vielen wundersamen Völkern zu
berichten, die sich unverkennbar in den Gegenden Afrikas und Asiens konzentrieren.
Während sich Mela bei einigen dieser Völker mit einer kurzen Beschreibung ihrer
physischen Abnormität begnügt, interessieren ihn bei anderen Völkern insbesondere
deren ungewöhnliche Essgewohnheiten. Einige dieser kulinarischen Gepflogenheiten
lassen sich deutlich auf eine spezifische Missbildung zurückführen, so etwa wenn die
Angehörigen eines Volkes dazu gezwungen sind, sich durch eine Röhre unterhalb der
Nase mit flüssiger Nahrung zu versorgen, da ihre Lippen zusammengewachsen sind.
Die Essgewohnheiten der schlangenverzehrenden Troglodyten hingegen scheinen
sich auch auf ihre Sprache und Fortbewegung auszuwirken, denn: „sie zischen eher
als daß sie sprechen; sie kriechen in Höhlen und nähren sich von Schlangen“. Auch
die Ophiophagen (=Schlangenesser), die ehemals neben den Pygmäen siedelten (bis
dieses extrem kleinwüchsige Volk schließlich endgültig von seinen Erzfeinden, den
Kranichen, ausgerottet wurde), schätzen Schlangenfleisch, während die
Chelonophagen (=Schildkötenesser) Schildkröten bevorzugen. Bedrohliche
kulinarische Vorlieben finden sich vor allem im hohen Norden und unter den
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skythischen Völkern: die Anthropophagen fressen - wie ihr Name verrät – Menschen,
die Neuren pflegen sich zu bestimmten Zeiten in Wölfe zu verwandeln, während die
Androphagen ausschließlich das Fleisch von Männern verzehren. Wie aus dieser
kurzen Aufzählung hervorgeht, hat Pomponius Mela in seiner Beschreibung der Welt
neben den monströsen Völkern, die bereits durch äußere Abnormitäten als solche
erkennbar sind, auch „populi“ aufgenommen, die sich durch ungewöhnliche
Nahrungspräferenzen auszeichnen.
Auch in der von Plinius dem Älteren kompilierten Naturalis historia – einem
enzyklopädischen Monumentalwerk in 37 Bänden, das aus hunderten von
griechischen und römischen Fachschriftstellern zusammengetragen und im Jahr 77 n.
Chr. beendet wurde – beginnt die Aufzählung wunderlicher Völkerschaften mit den
Skythen und der unter ihnen angeblich weitverbreiteten Vorliebe für die
Anthropophagie. Neben den Skythen siedeln bei Plinius die Arimaspen, eines der
ältesten Wundervölker überhaupt. Die einäugigen Arimaspen lebten diesem
poetischen Reisebericht zufolge in beständiger Fehde mit den „gryps“, den Greifen,
die das Gold, welches sie in großen Mengen aus den Erzgruben im Norden scharrten,
mit selbstsüchtigem Geiz bewachten und den Einäugigen nichts davon abgeben
wollten, so daß letztere sich genötigt sahen, das edle Metall durch listige Diebstähle
zu entwenden.
Im deutschsprachigen Raum fanden die Arimaspen während des Mittelalters weite
Verbreitung durch das vermutlich gegen Ende des 12. Jahrhunderts entstandene
sogenannte Spielmannsepos Herzog Ernst. Der Protagonist, der aufgrund höfischer
Intrigen vor dem Zorn seines kaiserlichen Stiefvaters fliehen und in die Fremde ziehen
muss, rüstet zunächst zu einem Kreuzzug, wird dann aber auf die exotische Insel
Grippia verschlagen. Dort lebt das Volk der Kranichmenschen, das gerade die
Hochzeit seines Königs mit einer aus Indien entführten Prinzessin begehen will.
Herzog Ernst versucht, die unglückliche Königstochter gewaltsam aus der Hand der
Vogelköpfigen zu befreien, und diese verspricht dem Helden, ihn nach ihrer Rettung
zu ihrem Gemahl und König von Indien zu machen, doch stirbt sie an den
Verletzungen, die ihr die Kranichmenschen mit ihren Schnäbeln zufügen. Während
seiner mannigfaltigen aventiuren, die ihn immer weiter gen Osten führen, trifft Herzog
Ernst noch auf zahlreiche andere Wundervölker, entwickelt jedoch eine besondere
Vorliebe für das alte Volk der „Arimaspî“, da diese zwar nur „ein ouge/ vorn an dem
hirne“, dafür aber eine stattliche Anzahl ritterlicher Tugenden aufweisen. Ihrer edlen
höfischen Gesinnung wegen bleibt Herzog Ernst bei ihnen und kämpft für sie gegen
eine ganze Reihe weniger tugendhafter, aber ebenso monströser Feinde, zu denen das
„freislîch volk“ der Riesen, die sich weise dünkenden Langohren sowie auch die
„Platthufer“ zählen. Letztere weisen große Ähnlichkeiten zu den - sich in der Sonne
mit ihrem einzigen übergroßen Fuß beschattenden – Skiapoden auf, wenngleich die
Platthufer mit zwei Riesenfüßen ausgestattet sind, so daß sie im Unterschied zu ihren
indischen Artgenossen bei Ermüdung den jeweils anderen Fuß zum Schutz gegen die
in ihrer Heimat besonders heftigen Regenfälle einsetzen können.
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Im Unterschied zu den Arimaspen, die auch bei Plinius im Norden angesiedelt sind,
hausen die meisten anderen Wundervölker in südlichen Gefilden, wobei sich „reich
an wunderbaren Erscheinungen“ in der Naturalis historia „vor allem Indien und das
Gebiet der Aithioper“ erweisen. Das Wunderland Indien zeichnet sich durch eine
geradezu monströse Fruchtbarkeit aus: Tiere und Pflanzen werden riesengroß, das
Schilfrohr wächst zu solchen Höhen empor, „daß die einzelnen Stücke zwischen zwei
Knoten ein Boot abgeben, das manchmal drei Personen tragen kann“. Zahllose
wundersame Wesen bevölkern das Gebiet: Gymnosophisten, die auf einem Fuß
stehend nachdenklich die Sonne betrachten, Rückwärtsfüßler mit acht Zehen,
Monoculi, Brustgesichtler, Satyre, Mundlose, Heuschreckenesser, und vielerlei andere
Wundervölker mehr.
Für die christlichen Autoren des Mittelalters waren neben Pomponius Mela und
Plinius insbesondere die den indischen Wundervölkern gewidmeten Ausführungen
des Kompilators Solinus von Bedeutung. In seinen im 3. Jahrhundert entstandenen
Collectanea rerum memorabilium übernahm Solinus weite Teile aus Pomponius Melas
Bericht sowie auch aus Plinius' Naturalis historia und zollte den monströsen
Völkerschaften als besonderen Denk- und Merkwürdigkeiten der Welt erhebliche
Aufmerksamkeit. Neben Solinus prägten das Commentum ad Ciceronis Somnium
Scipionis des Macrobius, sowie die im 5. Jahrhundert verfasste Enzyklopädie der
sieben artes liberales von Martianus Capella maßgeblich das geo- und ethnographische
Bild des Mittelalters. Capellas De nuptiis Mercurii et Philologiae schildert das Auftreten
der personifizierten Geometrie, die einen erschöpfenden Überblick über die
unterschiedlichen Regionen der Welt gibt, wobei eine Fülle geographischer Mythen
ausgebreitet und zahlreiche Wundervölker erwähnt werden. Insbesondere im Inneren
Afrikas tummeln sich Scharen „weißer Aithioper, Neger und anderer Völker
monströser Eigenart“ wie die schlangenverzehrenden Troglodyten, welche neben den
fischfressenden Ichthophagen in Äthiopien hausen, Blemmyer, Satyre, Pane, die in
wilder Ehe lebenden Garamanten, die kriegsuntüchtigen Gamphasanten, die
klugerweise Auseinandersetzungen meiden, die Atlanten, die weder Eigennamen
noch Träume besitzen und tagsüber der Sonne fluchen, weil unter ihrer sengenden
Hitze die Felder verbrennen, sowie die Augilae, die den Mächten der Unterwelt
Verehrung zollen. Die Bewohner Indiens haben ebenfalls befremdliche Sitten: Sie
färben sich die Haare, tragen Juwelen, halten es für eine Auszeichnung, auf Elefanten
zu reiten, und sind zudem stolz darauf, sich um die Beisetzung ihrer sterblichen
Überreste keine Sorgen zu machen; physisch abnorm sind sie allerdings nicht. In den
Bergen ihres Landes leben jedoch kleinwüchsige Pygmäen, und auf Ceylon ist ein
Riesengeschlecht anzutreffen, das keinen Kontakt zur Außenwelt pflegt und
interessanterweise den Bezwinger zahlreicher artverwandter archaischer monstra,
nämlich Herkules, anbetet.
Auf einer heute nicht mehr vorhandenen Weltkarte, die Agrippa, der Freund und
nahe Vertraute des Augustus, auf die Wand des Portikus der Vipsania in Rom gemalt
hatte, scheinen die Wundervölker ebenfalls dargestellt gewesen zu sein; und
vermutlich hat diese Weltkarte die Darstellung der monströsen Völkerschaften auf
den großen mappae mundi des 13. und 14. Jahrhunderts beeinflusst. Eine annähernde
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Vorstellung von den antiken Vorbildern lässt sich aus den Illuminationen der
enzyklopädischen Schriften des Mittelalters gewinnen, die mit großer
Wahrscheinlichkeit auf illustrierte Handschriften der Werke des Solinus, Martianus
Capella und Isidor aus dem 6. oder 7. Jahrhundert zurückgehen. Die Illustration der
aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts stammenden Solinus-Handschrift des
British Museum zeigt siebzehn Repräsentanten der Wundervölker, die mit
erläuternden Inschriften versehen und in drei horizontal verlaufenden Reihen
dargestellt sind.
C.
Die Alexanderdichtung
Neben den lateinischen naturkundlichen Werken was es besonders die
Alexanderdichtung, durch die Monster in Spätantike und Mittelalter popularisiert
wurden. Im Gegensatz zu den Enzyklopädien finden wir darin zwar eine deutliche
geringere Anzahl an Wundervölkern, die dann durch Ergänzungen wieder
einbezogen wurden.
Der Makedonier Alexander 356 v. Chr. geboren unternahm 334 v. Chr. einen Feldzug
gegen die Perser, den er bis zu seinem 323 v. Chr. zur Eroberung der damals
bekannten Welt ausweitete und bis an den Indus vordrang. Das brachte Alexander
dem Großen nicht nur bleibenden Weltruhm als größtem Eroberer und größtem
Feldherr aller Zeiten ein, gab auch Anlass zu einer Reihe von literarischen
Ausgestaltungen des Lebens dieser Held Gestalt, die im Mittelalter zur populärsten
der Antike avancierte. Bald nach seinem Tod setzte die Sagen- und Mythenbildung
die schriftliche Tradition erst ein halbes Jahrtausend später, 200 n. Chr. war ein
wahrscheinlich in Alexandrien verfasster Alexanderroman nachweisbar, den
angeblich Kallisthenes, ein Neffen des Aristoteles und Begleiter Alexanders
geschrieben haben soll. Kallistenes war sicherlich nicht der Autor, daher PseudoKallistenes. Diese Dichtung bildete in der Folge die wichtigste Grundlage für die
mittelalterliche Alexanderdichtung. Der Stoff wurde durch zwei lateinische
Übersetzungen, nämlich die des Julius Valerius Alexander Polemius (Res gestae
Alexandri Macedonis) und die zweite Übersetzung kam vom neapolitanischen
Archipresbyters Leo, die Nativitas et victoria Alexandri magni nach 945. Beide wurden
im Mittelalter nicht durch die Originalübersetzungen, sondern durch gekürzte
Versionen bekannt: die des Julius Valerius durch eine verkürzte Version des 9.
Jahrhundert und die des Leo durch die im 11. Jahrhundert entstandene Historia de
preliis Fassung. Lietzerer Text ist deshalb wichtig, weil er einen Dialog zwischen
Alexander und Dindimus, dem König der Bragmani über ihre unterschiedlichen
Lebensformen enthält, der vermutlich auf die stoische Philosophenschule zurückgeht.
Dieser philosophische Diskurs wurde in der Folge auch auf Latein in Briefform
bearbeitet und erfreute sich im Mittelalter ebenso wie der die Wunder Indiens
beschreibende lateinische Brief Alexanders des Großen an seinen Lehrer Aristoteles
großer Beliebtheit.
Neben dem Roman des Pseudo-Kallistenes war in der Antike ein weiteres
pseudohistorisches Werk über Alexander den Großen einstanden, die Ende des 1.
Jahrhundert n. Chr. verfasste Historia Alexandri Magnis macedonis des Curtius Rufus.
Sie zirkulierte im Mittelalter zwar ebenfalls in interpolierten Fassungen, war aber
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weniger einflussreich als der Roman. Die wichtigste Fassung des Romans im
Mittelalter war die lateinische Alexandreis des Walter von Châtillon (um 1135 geb.),
die die Basis für viele der westeuropäischen volkssprachlichen Versionen bildete.
In der Alexanderdichtung finden sie die Monster in einem ganz anderen Kontext als
in den Enzyklopädien: Hier werden sie nicht auf Indien konzentriert als
Reisebeschreibung, sondern treten an ganz bestimmten Stellen der Erzählungen auf,
um diesen ein exotisches wie auch moralisches Element zu verleihen. Alexander
sammelt in den Texten keine Wunderwesen, so wie beispielsweise Herzog Ernst,
sondern er wird unterwegs mit ihrem Aussehen, ihren sozialen Gewohnheiten und
ihren Ansichten konfrontiert, auf die er reagieren muss. Dia kann auf militärische Art
sein, oder auch als Herausforderung an sein Selbstverständnis wie bei den indischen
Bramani. Diese treten ihm waffenlos gegenüber. Der erwähnte Briefwechsel ihres
Königs Dindimus mit Alexander weist auf ihre Gewaltlosigkeit Bedürfnislosigkeit
und Askese hin, Eigenschaften, die Alexander in seinem grenzenlosen Machtstreben
nach Meinung von Dindimus und wohl auch der mittelalterlichen klerikalen
Verfasser des Werks gut anstünden. Die Alexanderdichtungen haben die
Monsterrassen zwar nicht erfunden, sondern aus Reiseberichten unde Enzyklopädien
übernommen, waren aber für ihre Übertragung ins Mittelalter und die endgültige
Popularisierung mitverantwortlich. Über den Brief Alexander an Aristoteles fand
etliche der Wundervölker Eingang in die mittelalterliche volkssprachliche
Alexanderdichtung, selbst dort, wo sie im jeweiligen Original noch nicht ausführlich
behandelt worden waren. Es finden sich Völker mit spezifischen Essgewohnheiten
wie die Fischesser, denen Alexander den Genuss von rohem Fisch verbot.
Sechshändige Menschen, Kopflose und die Hundsköpfigen. Alexander stößt auf die
Gymnosophisten, die nackten oder nur mit Blättern bekleideten indischen Weisen und
es entwickelt sich angesichts der kriegerischen Bedrohung durch Alexander ein
Dialog oder in einigen Fassungen dien Briefwechsel zwischen Alexander und ihrem
König Dindimus. Dieser macht Alexander auf die Sinnlosigkeit seines
Eroberungsfeldzuges aufmerksam, da auch er nur ein sterblicher Mensch sei und sein
Werk daher mit ihm zu Ende gehe. Alexander beruft sich in der Diskussion zwar auf
seinen Platz im Schöpfungsplan, doch die Kritik an seinem Machtstreben wird, von
den klerikalen Verfassern aufgegriffen.
Zwei Amazonen im Kampf mit einem Griechen, Athen, ca. 4. Jahrhundert v. Chr.
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Eine ähnliche Funktion als soziales Korrektiv hat die angeblich Begegnung
Alexanders mit dem Volk der Amazonen, auf die er im nördlichen Asien stößt. Sie
senden einen Brief an ihn, in dem sie ihm die wohldurchdachte Struktur ihres
Staatsgefüges erklären, und selbst der fiktive Alexander kann nicht umhin, die
Eitelkeit und Umsicht ihrer sozialen Organisationsform zu bewundern, obwohl das
Reich nur von Frauen bewohnt und gelenkt wird, ein für das mittelalterliche
Westeuropa sehr exotisch anmutender Zustand.
In den Alexanderromanen, die die Kenntnis von den Amazonen verbreiten, heißt die
Königin Thalestris. Sie tritt Alexander selbstbewusst gegenüber und schlägt ihm vor,
statt eines für ihr wenig aussichtsreichen Kampfes gegen ihr kriegerisches Volk mit
ihr ein Kind zu zeugen. Zu einer Begegnung der beiden kommt es dann allerdings
nicht. Einen Amazonenstaat, Theskyra soll bis zum 1200 vor Chr. am Schwarzen Meer
gegeben haben. Alexander trifft in den literarischen Werken die Amazonen am
Kaspische Meer an und auch sonst werden sie in der mittelalterlichen Literatur häufig
weit im Norden verortet. Auffällig an den Amazonen wie den Gymnosophisten ist,
dass sie es sind, die mit ihren Briefen die Initiative ergreifen und Alexander zu sich
einladen.
Aus einer Handschrift der Historia de preliis in frz. Übersetzung ca. 1400
12
Alexander der Grosse bei seiner Tauchfahrt (ca.1520)
Flämischer Meister des 13. Jahrhunderts: Alexanderroman: Greifenflug Alexanders des Großen
Neben seine Großtaten, wie sein Tauchgang oder sein Greifenflug ist besonders sein
Sieg über die sog. Nordvölker Gog und Magog wichtig. Von ihnen wurden nicht nur
behauptet, dass sie Menschenfleisch äßen, sondern sie wurden schon in den
Prophezeiungen des alten Testaments zu den größten Bedrohungen der zivilisierten
Völker gezählt. Alexander jedoch kann sie besiegen und hinter einer von ihm
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errichteten Mauer am Kaspischen Meer einschließen, womit die Gefahr dieser
apokalyptischen Völkerschaften für die Menschheit bis zum Jüngsten Tag gebannt ist.
Erst dann werden sie aus ihrem Gefängnis ausbrechen und zum Untergang der Welt
beitragen. Die beiden Völker werden häufig auf den Weltkarten dargestellt.
Völker Gog und Magog, Ausschnitt aus der Ebstorfer Weltkarte
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D.
Situierung der Wundervölker im christlichen Kosmos
Von christlichen Autoren wurde weitertradiert, was sie aus der antiken Überlieferung
schöpfen konnten und dieses Wissen gehörte zum festen Bestandteil mittelalterlicher
Geo- und Ethnographie. Die Wundervölker waren in allen großen Enzyklopädien des
12. und 13. Jahrhunderts, in den Weltchroniken und Naturgeschichten sowie in
Geschichtswerken dieser und auch späterer Zeit vertreten. Ihre schematisch
anmutende Aufzählung, die oftmals mit der einleitenden Formel „Homines alii sunt“
beginnt, nennt sie beim Namen, und in den meisten Fällen bezeichnet dieser auch
schon zugleich ihre Deformation. Die Wundervölker bilden ein Kuriositätenkabinett,
das je nach den Kenntnissen des betreffenden Autors mehr oder minder umfangreich
ausfällt.
Allerdings war den mittelalterlichen Katalogen der monströsen Völker, die an die
enzyklopädische Tradition der Spätantike anknüpfen, im Christentum eine
aufschlussreiche theologische Diskussion um die Wesensart der merkwürdigen
Geschöpfe vorausgegangen. Denn während für Plinius die Wundervölker
vornehmlich Kreaturen waren, in denen sich die außerordentliche Schöpferkraft der
Natur manifestierte, sahen sich die Kirchenväter gezwungen, für die Existenz der
missgebildeten Geschöpfe im göttlichen Schöpfungswerk eine theologisch
überzeugende Erklärung zu finden und den christlichen Umgang mit ihnen
festzuschreiben.
Die Grundlage für alle weiteren theologischen Diskussionen um die Wundervölker
legte Augustinus in seiner Civitas Dei. „Alle Menschen und Völker, wenn auch noch
so ungeschlacht und missgestaltet, stammen von Adam ab“, lautet die
programmatische These des achten Kapitels im 16. Buch. Wenn gewisse „monströse
Menschenarten“, von denen die „Geschichte der Völker berichte, wirklich existieren
sollten - so argumentiert Augustinus -, müsse es sich bei ihnen um Nachfahren Adams
respektive Noahs handeln. Denn
wer irgend als Mensch, das heißt als sterbliches, vernunftbegabtes
Lebewesen geboren wird, mag er an Leibesgestalt, Farbe, Bewegung oder
Stimme uns noch so fremdartig vorkommen, mag er Kräfte, Teile,
Eigenschaften haben, welche er will, er stammt in jedem Fall von jenem
Ersterschaffenen ab; daran darf kein Gläubiger zweifeln.
Des weiteren versichert Augustinus, dass Gott, der Weltenschöpfer, am besten
gewusst habe, wo, wann und wie etwas zu schaffen sei; und eben, weil der Mensch
das göttliche Gesamtwerk nicht überblicken könne und ihm manches Teilstück eher
hässlich erscheine, habe er kein Recht, die Werke des Herrn zu kritisieren.
Augustinus' Versuch, eine Begründung für die Notwendigkeit der „ungeschlachten“
Völker im göttlichen Heilsplan zu finden, mutet allerdings etwas verwirrend an:
möglicherweise nämlich habe Gott die monströsen Völker geschaffen, damit wir nicht
bei Missgestalten, wie sie unter uns unleugbar von Menschen geboren werden, uns
einreden lassen, seine Weisheit, die die menschliche Natur bildet, habe wie die
Kunstfertigkeit eines weniger geschickten Meisters einen Fehler gemacht.
15
Indem Augustinus die Frage schließlich „behutsam zum Abschluss zu bringen“
versucht, formuliert er mit juridischer Schärfe drei Möglichkeiten, um der
zweifelhaften Natur der monströsen Völker Herr zu werden:
Entweder ist an alledem, was von gewissen Völkern berichtet wird,
überhaupt nichts Wahres, oder wenn doch, so sind es keine Menschen, oder
aber, wenn es Menschen sind, dann stammen sie auch von Adam ab.
Ganz offensichtlich dünkt dem Kirchenvater die erste Möglichkeit ohnehin die
wahrscheinlichste. Seine Nachfolger insistierten jedoch überwiegend auf der dritten
Variante: daß die Wundervölker wirklich existent seien. Damit stellte sich allerdings
dasselbe Problem, das schon Augustinus nicht befriedigend hatte lösen können:
nämlich eine Rolle für diese Kollektive menschlich deformierter Wesen im göttlichen
Heilsplan zu finden und ihnen einen Ort und eine Bedeutung im kosmischen
Schöpfungswerk zuzuweisen.
Auch Isidor von Sevilla wird in seinen zwischen 622 und 633 entstandenen
Etymologiae an die von Augustinus behauptete Analogie zwischen einzelner
menschlicher Mißgeburt und monströs gebildeten Völkerschaften anknüpfen. Wie die
einzelne Mißgeburt sei – so Isidor - auch das abnorme Äußere der Wundervölker nicht
„contra naturam“, sondern ein Zeichen, in dem der göttliche Wille sich offenbare. Aus
eben diesem Grund verhandelt Isidor die monströsen Wesen auch in einem einzigen,
De portentis überschriebenen Abschnitt. Die Annahme, daß den monstra eine
divinatorische Bedeutung zukomme, war allerdings keine Erfindung des
Kirchenlehrers, sondern ungleich älter und hatte insbesondere in den Kulturen des
Alten Orients eine wichtige Rolle gespielt, wo bereits früh in Form von Katalogen –
den sogenannten Ominaserien - Abweichungen von den Gesetzen der makro- und
mikrokosmischen Ordnung, zu denen Mißgeburten von Mensch und Tier natürlich
an prominenter Stelle zählten, festgehalten und interpretiert worden waren.
Isidor führt zwei Episoden an, um den Beweis für den zumeist unheilverheißenden
Zeichencharakter der monstra zu erbringen. Dem persischen König Xerxes hatte die
Geburt eines Fuchses aus dem Leib einer Stute den Verfall seines Reiches
angekündigt; und Alexander habe die Mißgeburt eines Kindes, dessen menschlich
gebildeter Oberkörper tot, der untere Teil des Leibes hingegen tierhaft und lebendig
gewesen sei, als Zeichen dafür gedeutet, daß er bald sterben und unwürdige
Nachfolger seine Herrschaft übernehmen würden. Der bei Isidor zwar angedeutete,
an den konkreten Beispielen der monströsen Völkerschaften jedoch nicht ausgeführte
Gedanke, daß die monstra so wie auch Pflanzen, Steine und Tiere Zeichen einer der
Natur eingeschriebenen Gottessprache seien, der sich die Menschheit durch ihren
Sündenfall entfremdet habe und die daher wiederentdeckt werden müsse, sollte im
13. Jahrhundert die Aufnahme der Wundervölker gleichermaßen in die Kataloge der
Bestiarien wie auch in die homiletische Literatur begründen, wo sie zu einem
beliebten Gegenstand moralischer Deutung avancieren.
Isidors Liste der Mißgeburten:
16
Sechsfingrige Riesen
Pygmäen
Zweiköpfige,
Dreiarmige
Hermaphroditen
Cynodontes (besitzen zwei Reihen von Zähnen)
Isiodrs Liste der Monsterrassen
Giganten
Hundsköpfige
Zyklopen
Wildfresser
Flachgesichter
Großlippler
Kleinmündige
Zungenlose
Großohren
Nackte wilde
Feigenfaune
Schattenfüßler
Gegenfüßler
Pferdefüßige
Langlebige Riesen
Pygmäen
Mädchenvolk
Isidor versuchte gewissenhaft zu differenzieren, was in der verbreiten Rezeption
seines Werks aber nicht beibehalten wurde, sondern die meisten der genannten Wesen
zählte man dann im Mittelalter in gleicherweise zu den Monstern. So wurden die
Völker der Zentauren meist tatsächlich neben dem Minotaurus genannt, von dem es
nur ein Exemplar gab und den er im Gegensatz zu den meisten anderen genannten
Wesen aus Ovid übernommen hatte.
Isidor blieb neben Martianus Capella und Macrobius die maßgebliche Quelle für das
Mittelalter. So übernahm der Benediktinermönch Hrabanus Maurus (780-856) die
Monsterbeschreibungen der geographischen Kapitel des Isidor fast unverändert in
seine Naturenzyklopädie De universo. Eine größere Rolle bei der literarischen
Vermittlung der Wundervölker spielten drei Verfasser nämlich Honorius von Autun,
Lambert von St. Omer und Vinzenz von Beauvais. Honorius von Autun ist von
besonderer Bedeutung für die Angaben über Wundervölker, die er in seinem
naturkundlichen Kompendium De imagine mundi einschloss, aber ganz anders
einteilte als Isidor. Lambert von St. Omer handelte die Monstren in seinem Liber
floridus ab. Bei Vinzenz von Beauvais werden die Monster in seiner Enzyklopädie
Speculum naturale ebenso wie in seinem Speculum historiale genannt. In letzterem
17
werden sie in der chronologischen Darstellung der Weltgeschichte behandelt. Thomas
von Cantimpré behandelt sie in seinem Liber de nature rerum.
Die erste große Naturkunde in deutscher Sprache das Puoch von der Natur des Konrad
von Megenberg um ca. 1350 enthält erstmals eine umfangreiche Darstellung der
Arten und Typen der Wundervölker. Obwohl er ebenso auf Kleriker zielte, denen er
damit eine Predigthilfe an die Hand geben wollte, ersparte er sich und seinen
Adressaten keine unbequemen Fragen.
Aus John de Mandeville Reisebschreibung
In den meisten der Darstellungen benützen die Autoren die Wundervölker nach dem
Vorbild christlich-allegorischer Auslegungen der Tierwelt, wie sie dem Mittelalter
durch den weitverbreiteten Physiologus vertraut waren, für Allegoresen, die
unterschiedlich ausfallen. Während in einem englischen Bestiarium des 13.
Jahrhunderts die Körpergröße der monströsen Wesen über den Grad ihrer Tugenden
zu bestimmen scheint und dementsprechend die Pygmäen als Sinnbild christlicher
Demut, die Riesen hingegen als Inbegriff von Anmaßung und Stolz gelten, werden in
den 1330/40 verfassten Gesta Romanorum die zwielichtigen monstra zu allegorischen
Tugendträgern stilisiert:
Plinius (...) erzählt uns, daß einige Menschen Hundsköpfe haben, mit
Gebell reden und in Tierfelle gekleidet sind. Darunter sind aber die Priester
zu verstehen, welche alle mit Tierfellen bekleidet sein sollen, d.h. mit
strenger Buße, um anderen ein gutes Beispiel zu geben. (...) So sind in
18
Libyen gewisse Frauenzimmer, die keinen Kopf, aber Maul und Augen auf
der Brust haben. Diese Weiber bedeuten die Menschen, welche demütig
Gehorsam mit der Brust leisten wollen, aber kein leichtfertiges Herz haben
und alles, was sie äußerlich tun wollen, vorher wohl und klüglich in ihrem
Herzen bedenken.(...) In Äthiopien gibt es Leute, welche zwar nur ein Bein
haben, doch von so großer Schnelligkeit sind, daß sie die wilden Tiere im
Laufen jagen. Das sind die Leute, welche nur das eine Bein der
Vollkommenheit gegen Gott und ihren Nächsten haben, d.h. das Bein der
Liebe. Diese laufen schnell dem Himmelreich zu.
Allerdings ließ sich mit diesem – in der homiletischen Literatur des Mittelalters weit
verbreiteten - quidproquo der Zeichen und Bedeutungen die Frage nur unzureichend
beantworten, warum diese von dem Urvater Adam abstammenden Wesen so wenig
Ähnlichkeit mit dem göttlichen Ebenbild aufwiesen. Eine weitgehend überzeugende
Lösung dieses Problems fand die mittelalterliche Exegese in der Heiligen Schrift.
Einem Bericht des Buches Genesis zufolge hatte Cham, der - zumindest moralisch
gesehen - missratene jüngste Sohn Noahs, des Vaters Nacktheit entdeckt, als dieser,
vom übermäßigen Konsum selbstgekelterten Weines erhitzt, vollkommen entblößt
eingeschlafen war, und an diesem Anblick so viel Gefallen gefunden, daß er
umgehend seinen Brüdern davon erzählte. Diese reagierten auf das väterliche
Missgeschick diskreter, traten rückwärts, um des Vaters Blöße nicht zu sehen, an
dessen Lagerstatt und deckten ihn zu. Als Noah aus seinem Rausch erwachte und von
dem Verhalten der Söhne erfuhr, war er über seinen Jüngsten höchst erzürnt:
Als nu Noah erwacht von seinem Wein/ vnd erfur/ was jm sein kleiner Son
gethan hatte/ sprach er/ verflucht sey Canaan/ und sey ein Knecht aller
knechte vnter seinen Brüdern. Vnd sprach weiter/ Gelobet sey Gott der
HERR des Sems/ Vnd Canaan sey sein Knecht. Gott breite Japheth aus/ und
las jn wonen in den Hütten des Sems/ vnd Canaan sey sein Knecht.
Als Nachfahren Chams, des Vaters von Kanaan, hatten die Wundervölker ihre
Mißgestalt somit als anschauliche Manifestation des vererbten väterlichen Fluches
erhalten. Auch geographisch war diese Genese der Wundervölker aus der Heiligen
Schrift einsichtig, denn die mittelalterliche Kartographie hatte aus der Antike das
Darstellungsschema des orbis tripartitus – der scheibenförmigen Ökumenekarte mit
den drei bekannten, im T-Schema angeordneten Kontinenten – übernommen und
einer christlichen interpretatio unterzogen, indem sie die Erdteile auf die Söhne Noahs
verteilte: Sem stand Asien zu, der edelste der Kontinente, da sich dort das Irdische
Paradies befinden sollte, die Sonne jeden Tag im Osten aufging und von diesem Teil
der Welt die Weltherrschaft, die Weisheit, das Christentum und das Mönchtum ihren
Ausgang genommen hatten. Aus diesem Grund waren die meisten der
mittelalterlichen Karten auch geostet. Japhets Geschlecht siedelte sich in Europa an,
während Cham auf den sogenannten Noachidenkarten das klimatisch wenig
anheimelnde Afrika zufiel. Da er als Stammvater der Wundervölker galt, wurden
diese in der mittelalterlichen Kartographie zunehmend aus dem Osten in das südliche
Afrika verbannt.
19
Indien, Afrika und Äthiopien, die schon in der Antike als bevorzugte Heimstätten der
monströsen Völker gegolten hatten, waren in der mittelalterlichen Geographie
allerdings sehr weit zu fassende geographische Begriffe. Indien wurde auf den
Weltkarten des Mittelalters häufig als pars pro toto für Asien genannt; Libyen, aber
auch Äthiopien konnten synonym für Afrika gebraucht werden. Da Indien
gleichermaßen im Fernen Osten wie auch in Südasien situiert wurde und zudem als
jene Region galt, die Asien und Afrika miteinander verband, entwickelte sich die
Vorstellung einer India superior, die der Apostel Bartholomäus, und einer India inferior,
die der Apostel Thomas missioniert haben sollte; manchmal wurden diese beiden
Indiae noch um ein Mittelindien ergänzt, das wiederum auch Äthiopien heißen konnte.
Ebenso wurde aber auch das Gebiet von Abessinien als „Mittelindien“ bezeichnet,
und einer verbreiteten Meinung nach hatten die Äthiopier einst den Indus verlassen
und sich in der Nähe Ägyptens angesiedelt.
Die Vorstellung, daß die Erde eine Kugel und von zwei sich im rechten Winkel
schneidenden Ozeanringen – einem Polar- und einem Äquatorialozean – in vier
Kontinente geteilt sei, gehörte seit langer Zeit zum Wissensgut der Gelehrten.
Erstmals wird sie im 2. Jahrhundert v. Chr. mit dem Stoiker Krates von Mallos
fassbar, dem zufolge der bekannte Erdteil - die Ökumene - nur auf einem der vier
Kontinente untergebracht sei, während man von den anderen nicht sagen könne, ob
sie bewohnt oder unbewohnt seien. Mit Sicherheit jedoch würden die klimatischen
Umstände in den beiden um die Erdpole gelegenen Zonen sowie auch in den
Regionen um den Äquator kein Leben gestatten. Diese Lehre hatte in die beiden
bereits erwähnten Schriften von Makrobius und Martianus Capella Eingang
gefunden, die während des gesamten Mittelalters als Schullektüre dienten, und auf
diesem Weg den Typus der sogenannten Zonenkarte inspiriert, der - da
perspektivische Konstruktionsverfahren unbekannt waren – die in Klimazonen
unterteilte Erdkugel als Planiglob zeigte.
Die Konzeption des Krates wurde von lateinischen Gelehrten allerdings den eigenen
Vorstellungen angeglichen, indem man drei der vier Erdteile mit den bekannten
Kontinenten identifizierte und nur noch eine unwiderruflich von der Ökumene
getrennte, auf der anderen Seite des Äquatorialozeans gelegene terra incognita zuließ,
nämlich den Antichthonen-Kontinent: „Außerhalb der drei Erdteile aber liegt der
vierte Erdteil jenseits des Ozeans als Binnenland im Süden, uns wegen der
Sonneneinstrahlung unbekannt“, konstatiert Isidor im Anschluss an seine
Beschreibung Afrikas in dem geographischen Teil der Etymologiae. Diese „quarta
pars“ auf der gegenüberliegenden Seite der Ökumene findet sich auch auf Karten
verzeichnet, welche die Aufteilung der Zonenkarten mit der geläufigeren, die
Ökumene repräsentierenden sogenannten T-O Radkarte kombinieren
20
Weltkarte des Isidor von Sevilla (560-636)
Der durch den Äquatorialozean von der übrigen Landmasse abgeschnittene weiße
Fleck des Antichthonenkontinents ist häufig als terra australis incognita beschriftet.
Eigentlich hätte dieser aus antiken Spekulationen hergeleitete vierte Kontinent für die
christliche imago mundi kein Problem darstellen müssen: er gehörte zum Kosmos,
nicht zur Ökumene, war für diese unerreichbar und somit im Prinzip uninteressant.
Antipode
21
Denn während die Wundervölker ohne größere Umstände zu Nachfahren der
Stammeltern erklärt werden konnten, die sich bis in die entlegensten Winkel der
Ökumene verteilt hätten, ließen die unfassbaren Gegenfüßler oder Antipoden, die sich
auf der anderen Seite der Erde befinden, sich mit der Genealogie der Heiligen Schrift
schlichtweg nicht in Einklang bringen, weshalb Augustinus die Möglichkeit ihrer
Existenz auch kategorisch verwarf:
Denn unter keinen Umständen lügt unsere Schrift, deren Mitteilungen
über die Vergangenheit durch Erfüllung ihrer Voraussagen beglaubigt
werden, und es wäre doch zu unsinnig, wollte man behaupten, daß
irgendwelche Menschen den unermeßlichen Ozean hätten überqueren und
von dieser auf jene Seite hinübersegeln können, so daß auch dort ein von
jenem ersten Menschen abstammendes Geschlecht hausen würde.
Auch Isidor erklärte die Antipoden zu Fabelwesen, jedoch nur diejenigen, die auf dem
vierten Kontinent beheimatet sein sollten. In seiner Aufzählung der Wundervölker als
portenta nennt er hingegen ein in Libyen siedelndes Volk namens Antipoden, das seine
Existenz offensichtlich einer anderen Lesart des Namens verdankte und im Vergleich
zu der beunruhigenden Gegenfüßlerei auf der unerreichbaren Rückseite der Erde ein
eher harmloses physisches Symptom aufwies: „Antipodes in Libya plantas versas
habent post crura et octonos digitos in plantis“. Theologisch wurde der Glaube an die
Gegenfüßler, die mit den Füßen den unseren entgegengesetzt auf der anderen Seite
des Globus umherlaufen sollten, seit dem 8. Jahrhundert endgültig verworfen und
daraufhin sogar zur Häresie erklärt; ethnologisch hingegen konnten die Antipoden
als afrikanisches oder indisches Wundervolk, dessen Füße nach hinten gedreht und
mit acht Zehen ausgestattet waren, das ganze Mittelalter überdauern.
Die Vorstellung, daß die monströsen Völkerschaften auf einem unerreichbaren Erdteil
siedeln könnten, ist offenkundig auch in späteren Zeiten noch virulent gewesen. Die
offizielle Kirchenlehre hat diese Auffassung eines mit Wundervölkern besiedelten
Antipoden-Kontinents nachdrücklich abgelehnt. Um einen Platz für die monströsen
Völker zu bestimmen, hielt man sich an Augustinus‘ Deduktionen, denen zufolge die
Wundervölker für das christliche Wort erreichbar sein und somit innerhalb der
Ökumene siedeln müssten. Unter diesen Prämissen konnten die monstra auch Einzug
in die Arche Noah halten, als deren Postfiguration das Kirchenschiff galt. In den
Kirchen der Cluniazenser avancierten sie als entdämonisierte und verniedlichte
Unholde zu einem Lieblingsmotiv und verbreiteten sich auf Säulen, Kapitellen und
Portalen über den ganzen Kirchenraum. In England findet man sie als Schnitzereien
an Miserikordien, im Italien des 11. und 12. Jahrhunderts häufig auf
Fußbodenmosaiken. Offensichtlich nahmen die Wunderwesen im Kirchenschiff
derart überhand, daß sich Bernhard von Clairvaux genötigt fühlte, den monstra – und
zwar sowohl der Kunstfertigkeit, mit der sie geschaffen, als auch der Andacht, mit der
sie betrachtet wurden – ganz entschieden entgegenzutreten:
Man sieht in den Klöstern unter den Augen der andächtigen Brüder diese
lächerlichen Ungeheuer. Was haben sie hier zu suchen? Wozu diese
unsauberen Affen, die grimmigen Löwen, die monströsen Zentauren, die
22
Halbmenschen, die gestreiften Katzen, die kämpfenden Ritter, die
hornblasenden Jäger? Viele Leiber sieht man unter einem Haupt und viele
Köpfe, die einem einzigen Körper zugehören. Hier kommt ein vierfüßiges
Tier mit einem Schlangenschwanz daher, dort ein Fisch mit einem Tierkopf
... Kurzum, so mannigfaltig und wunderlich sind die verschiedensten
Bildungen, daß man versucht sein könnte, eher den Marmor anzusehen als
in der Heiligen Schrift zu lesen, und es könnte einer leicht den Tag damit
verbringen, solche Dinge zu bewundern, anstatt über das Gesetz Gottes
nachzudenken.
Bei weitem nicht alle Ungeheuer, über deren Darstellung der Heilige Bernhard sich
hier erzürnt, stammen aus dem Repertoire der Wundervölker des Ostens. Die
Ursprünge der monstra in der bildenden Kunst des Mittelalters sind vielfältig und
lassen sich nicht auf ein einzelnes Phänomen reduzieren. Gewiss ist das
abendländische Bildvokabular durch den direkten Kontakt des Westens mit dem
Orient während der Kreuzzüge um exotische Elemente bereichert worden, doch auch
lokale Traditionen sowie nicht zuletzt die kreative Phantasie der Steinmetze sind für
die ausgeprägte Präsenz monströser Wesen in der romanischen Baukunst geltend
gemacht worden
Ausschnitt aus der Ebstorfer Weltkarte
Die Bemühungen, die Wundervölker in den christlichen Kosmos zu integrieren
zeichnen sich auch auf den großen mappae mundi des Mittelalters deutlich ab. Auf der
1235 entstandenen - und 1943 zerstörten - Karte von Ebstorf (358 x 356 cm) ist die
bewohnte Erdscheibe als Leib Christi dargestellt, dessen Kopf, Hände und Füße an
den vier Punkten des Achsenkreuzes hervorragen. Im Zentrum des T-förmigen orbis
tripartitus liegt Jerusalem, das übereinstimmend mit der in zu Florenz Wundervölker
zeigen
23
Londoner Psalterkarte 13. Jahrhundert
Hereford Weltkarte
24
Auf der größten heute erhaltenen mappa mundi (162 x 137 cm), der zwischen 1276 und
1282 entstandenen Karte von Hereford tummeln sich Vertreter der Wundervölker in
der gesamten Ökumene, doch sind sie auch hier besonders zahlreich am rechten Rand
der Erdscheibe vertreten - in jener heißen Südzone, die auf den Zonenkarten den
Antipoden vorbehalten ist -, wo sie in kleine Kästchen gesperrt und ordentlich
untereinander gereiht figurieren. Bis zu diesen monströsen Völkern in den Winkeln
der Welt musste der Weisung Christi zufolge das Evangelium gebracht werden. Was
dann allerdings geschehen würde, hatte der Gottessohn unmissverständlich
formuliert. Nach den Zeichen seiner Wiederkunft befragt, antwortete Christus seinen
Jüngern:
Vnd es wird geprediget werden das Euangelium vom Reich/ in der gantzen
Welt/ zu einem zeugnis vber alle Völcker/ Vnd denn wird das ende kommen.
Über der Darstellung der bewohnten Welt thront auf der Karte von Hereford Christus
als Kosmokrator und Weltenrichter, umgeben von Engeln, die auf ihren Posaunen
zum Jüngsten Gericht blasen. Zu den Füßen Christi legt Maria Fürbitte für die
sündigen Seelen ein, während auf der linken Seite ein Engel bereits die erste Schar der
Seligen geleitet, die von einem Bischof mit großer Mithra angeführt wird Auf der
Ebstorfer Weltkarte betonen das Alpha und das Omega zu beiden Seiten des Kopfes
Christi den Zusammenhang mit den Worten der Johannes-Apokalypse: „Ego sum
principium et finis“.
Die Verbreitung des Evangeliums auf der ganzen Welt und bei allen Völkern war
Auftrag Christi und gleichermaßen Voraussetzung für den Beginn der Endzeit. Sobald
das Evangelium bis an die Ränder der Welt vorgedrungen war, sollte die Zeit des
Antichristen anbrechen, der gemeinsam mit den beiden apokalyptischen Tieren eine
Art teuflische Trinität bildet, würde falsche Lehren über Christus verbreiten und „mit
großer Macht“ und der „Kraft des Satans“ die Völker zum Abfall von Gott verführen.
Die Predigten des falschen Propheten waren in Schriften, die das Leben und Wirken
des Antichristen zum Gegenstand hatten, ein beliebter Illustrationsgegenstand.
25
E.
Monstra Marina – die Meerwunder
Seit Isidor von Sevilla in seinem Kapitel über Fische nicht nur Wasserlebewesen wie
Nilpferd und Krokodil, sondern auch einige ihm irreal erscheinende Arten wie
Schwertfisch etc. aufgenommen hatten, kehrten die seltsamen Seeungeheuer auch in
der mittelalterlichen Literatur und Kunst wieder. Die im Mittelhochdeutsch als
Merwunder und im lateinischen als monstra marina bezeichneten Meermonster waren
wie alle Wundermenschen langlebig und fanden sich noch in der frühen Neuzeit
häufig in Reisebeschreibungen, Enzyklopädien und Seekarten. Isidor selbst hielt sich
in seiner Beschreiung eng an die Naturgeschichte des Plinius und übernahm von ihm
z.B. Sagen über das Verhalten der Delphine.
Die wenigen riesenartigen Wasserwesen, die mehr dem Namen nach
unwahrscheinlich wirkten wie das Flusspferd, das Seepferd die Meerkälber und deren
Fragwürdigkeit durch ihre Größe wie der Wal, der Jonas verschluckt haben soll, hatte
man in der Folge in der enzyklopädischen Tradition sukzessive um ähnliche
Namenskompositionen erweitert. Im Liber de natura rerum des Thomas von
Cantimpré wurden den monstra marina bereitsein ganzes Kapitel gewidmet, von
demjenigen über die Fische getrennt und mit Allegoresen versehen, die für die
eigentlichen Wundermenschen fehlen. Zu den monströsen Meereswesen zählten nicht
nur die Seepferde, Krokodile, Riesenschildkröten und alle Delphinarten, sondern auch
neu hinzugetretene Monster wie der Meerdrache und der Seehund. Auch die
zahlreichen mit dem Meer assoziiertet mythologischen Gestalten der Antike wurden
hier aufgegriffen, wie die Scylla, die Nereiden und die allgegenwärtigen Sirenen.
Noch einen Schritt weiter ging der aus Thomas schöpfende Paulerinus de Praga in
seiner Naturenzyklopädie Liber viginti arcium aus der Mitte des 15. Jahrhundert,, der
die Meeresfische und die Meermonster mischte und ergänzte, wobei er eine Reihe von
Mischwesen namentlich erwähnte wie das Meerkalb, den Seefuchs, Seekuh,
Meerhirsch, Meeresel, Seekatze. Bei ihm werden die Meermonster als erstaunenswerte
Ergänzung der Schöpfung Gottes angesehen. Über Thomas gelangten die merwunder
auch zu Konrad von Megenberg, der keine Bedenken hegte, das Kapitel in seine mhd.
Übertragung von Thomas‘ Enzyklopädie aufzunehmen.
Nun wollen wir von Meerwunder reden, unter denen wir auch Gut und Böse bei den Menschen
verstehen. Denn zwar ist der Mensch von edlerer Natur als alle anderen Tiere, wenn er aber
noch nach menschlicher Natur und er der Vernunft lebt, so macht er sich schlechter als ein
Tier und gleicht in einigen seiner Verhaltensweisen einem Pferd, in anderen einem Hund oder
einem Vogel. Deswegen braucht ihr auch nicht ins Ausland zu reisen, um solche Meerwunder
zu sehen. Wir haben davon bei uns genug. Am Anfang wollen von den Meerwundern sprechen
deren lateinischer Name mit A beginnt, darnach mit einem B, wie wir es vorher gemacht haben.
Es wird deutlich dass es Konrad von Megenberg in diesem Abschnitt eher um die
Allegoresen als um die Beschreibung der Tiere selbst geht, äußert er doch, dass man
keine Reise unternehmen müsse, um solche merwunder zu sehen, weil es unter den
Menschen genug davon gebe. Damit kann nur gemeint sein, dass es unter uns genug
Sünde ist, die sich wie die genannten maritimen Mischwesen aus Fisch und Pferd,
Fisch und Hund oder Fisch und Vogel verhalten. Letzteres bezieht sich auf die
merweib, das heißt die Sirene, die eine Stimme wie die Vögel haben. Wenn die
26
Seefahrer diese Stimme vernehmen, so schlafen sie wegen der Süße des Gesangs sofort
ein und werden von den Sirenen zerrissen. Drunter versteht Konrad lasterhafte
Frauen, die Männer zu Sünden verführen. Neben diesen nennt er die Meerhunde, die
er mit dem Teufel bzw. den Dämonen gleichsetzt, die uns wie die Hunde jagen, aber
durch ihr Gebell nicht warnen, sondern sofort einfangen. Die bemerkenswerteste
seiner Beschreibungen lieferte er mit dem im Prolog genannten Mischwesen zwischen
Fisch und Pferd, dem Flusspferdes: Es sei von der Größe eines Esels mit dicker Haut
und besitze gespaltene Hufen und einen Schweinschwanz. Er kommentiert dazu. Dâ
mach auz waz dû wellest. (=Mach daraus, was immer dir beliebt)
Männliche Meermonster kommen sowohl in der mittelalterlichen Literatur als auch in
der Kunst vor. Während Letztere auf antike Traditionen zurückgreifen, wobei
Tritonen ebenso wie die Sirenen als Quellen gedient haben mögen, sind die
literarischen Meermonster der mhd. Epik schwerer zu fassen. Mitunter entsteht der
Eindruck, es handle sich bei einem dieser nicht näher beschriebenen merwunder
einfach um einen Begriff für Monstren. Auch die Kenntnis der Größe, Stärke und
Gefährlichkeit von Seelöwen, Walrössern und anderen Meereswesen durch Seeleuten,
die im Nordatlantik praktische Erfahrungen machen konnten, hat freilich eine Rolle
gespielt.
Aus einer Handschrift des 15. Jahrhunderts, Meerfaun?
Besser vorstellbar als die merwunder der Dichtung sind jene der enzyklopädischen
Werke, da sie knapp definiert und vereinzelt sogar illustriert werden. Unter den der
illustrierten Handschrift des liber de natura rerum des Thomas von Cantimpré aus der
Krakauer Bibliothek sind dreimal so viel Beschreibungen von Meermonstern
enthalten, als die Handschrift, die Konrad zur Verfügung hatte. Dabei ist auffällig,
dass es sich meist um monströse Mischwesen zwischen Land und Meerestier oder
27
zwischen Mensch und Fisch handelt. Dazu zählte der Zitiron, der als Meerritter
gedeutet und dem entsprechend mit einem Topfhelm des 13. Jahrhundert abgebildet
wird, der Meermönch, den man als Fisch mit menschlichem Kopf und Tonsur
darstellt. Besonders diese populären Mischwesen mögen dazu geführt haben, dass die
Meerwunder mehr als die anthropomorphen Wunderwesen Spuren in der deutschen
Literatur des Mittelalters hinterlassen haben. Der Meerritter wird häufig beschrieben
z. B beim französischen Dominikaner Vinzenz von Beauvais (um 1250) -
Aus einem flämischen Manuskript des 14. Jahrhunderts
Ob der Zitiron die alleinige Quelle der männlichen kriegerischen merwunder in der
mittelalterlichen Erzählliteratur war oder ob der Wille zur Variation des Monströsen
bei einzelnen Autoren eine noch größere Rolle spielte, sei dahingestellt. Doch auch
wenn Ersteres der Fall ist, scheinen in den dichterischen Werken immer die
enzyklopädischen Beschreibungen durch. Dies lässt sich vor allem bei dem 13.
Jahrhundert verfolgen, während für das 12. Jahrhundert noch kein Interesse an den
maritimen Monstern in der europäischen Literatur zu konstatieren ist. Gleichwohl ist
die enzyklopädische Tradition offensichtlich schon lange vor der deutschen
Übersetzung des liber nature rerum durch Konrad um 1350 vorhanden, dass man sich
den Meerritter als höfische Wesen vorstellen konnte und dass er als Erzieher von
Knappen geeignet war, illustriert auch eine Darstellung der zwei Sirenen und zwei
Meerritter im altfranzösischen Alexanderlied, die in volle Rüstung, aber mit
Fischspeeren bewaffnet, im Wasser turnieren. Dabei kann auch die Vorstellung vom
unterseeischen Königreich eine Rolle gespielt haben. Über die unterseeischen Könige
wie König Priure im mhd. Epos Diu Crône des Heinrich von dem Türlin herrschen,
der eine höfischen Fischritter als Boten an den Artushof sendet.
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Sirenen und andere Meerfrauen finden sich in der mittelalterlichen Kunst und
Literatur wesentlich häufiger als ihr männliches Pendant, besonders in der kirchlichen
Bauplastik. Die weiblichen Meermonster des Mittelalters lassen sich vor allem auf die
Gestalt der antiken Sirene zurückführen, auch heimische Vorstellungen der Nixen
und Wassermänner sind mit eingeflossen.
Sirenen auf der Kirche St. Maria in Villanuevas
Bis ins Mittelalter blieb die Geschichte vom listenreichen Odysseus, der dem
betörenden Gesang der Sirenen nicht erliegt, weil er sich die Ohren verstopft und sich
am Schiffsmast festbinden lässt, die wichtigste Quelle für die literarischen und
künstlerischen Darstellungen der Sirenen im Mittelalter. Musik, Verführungskünste
und Gefahr sind die vorherrschenden Assoziationen. Die Sirenen blicken bereits im
Altertum auf eine lange Tradition zurück, der Prophet Jesaja zählt sie zusammen mit
wilden Tieren als Symbol der Verwüstung im verlassenen Babylon auf. Das in
abgewandelter Form in den Physiologus übernommene Jesaja-zitat erweitere der
jüngere Physiologus deutlich. Dadurch gewannen die Sirenen and Bedeutung, die
neben den bösen Wundervölkern Gog und Magog vor allem im kirchlichmonastischen Bereich als Vertreter der Wundervölker anzutreffen sind. Ihre
Darstellung in den Handschriften des Physiologus und der Bestiarien ließen sich auch
für die Interpretation der Laster der luxuria (Faulheit) voluptas /(Sinnlichkeit) und
avaritia (Habsucht) besonders geeignet erscheinen. Als Symbol für die vanitas
(Eitelkeit) die ebenfalls als weibliche Untugend galt, war den Sirenen traditionell ein
Kamm beigefügt, der in der frühen Neuzeit um einen Spiegel erweitert oder durch
diesen ersetzt wurde. Nicht so negativ wie in den Allegoresen der theologischen und
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enzyklopädischen Literatur wurden die zahlreichen Meerfrauen in der epischen
Literatur des Mittelalters gezeichnet. Dies in den mhd. Werken als merfei oder
merminne und mervrowe oder merwip bezeichneten Wesen übten vorwiegend eine Rolle
als Ziehmutter oder Erzieherin in der Kindheit des Helden aus, ware auch Helferin
und Heilerin. So schildert das Romanfragment Abor und das Meerweib (Anfang des 14.
Jahrhunderts) die Heilung de Helden Abor durch ein merwip an einem Jungbrunnen
und erzählt vom wundersamen Geschenk der Meerfee für den Protagonisten. Ihre
ephemere Rolle äußert sich darin, dass sie ihren Helden nach sechs Wochen und zwei
Tagen wieder verlassen muss. Damit zählt die Begegnung mit der Meerfee zum
Komplex der gestörten Mahrtenehe.
F.
Die Wilden Menschen
Einen Sonderfall unter den Wundervölkern sind die Wilden Menschen, die aufgrund
des Fehlens antiker Vorbilder auf einheimische mythische Quellen zurückgehen
dürften, auch wenn sich diesen nicht mit Sicherheit nachweisen lässt. Im Mittelalter
wurden sie mit einigen keineswegs klar definierten Bezeichnung versehen, man
nannte sie homines agrestes, homines silvestres verkürzt Agrestes, Silvestres oder Silvani,
was dem volksprachlichen Wild- bzw. Waldmenschen entspräche. Der Begriff
Agrestes deute zumeist auf ihre Ungezähmtheit und Unkultiviertheit an, mit der sie
sich der menschlichen Gemeinschaft verschließen auch durch ihr Aussehen
unterscheiden sie sich von anderen Menschen: sie sind nackt, am ganzen Körper
behaart und insbesondre die männlichen Vertreter haben struppige Bärte und sind
ungekämmt als Zeichen mangelnder zivilisatorischer Praxis. Die Wilden Menschen
gehören zu den wenigen Fabelrassen, die in beiderlei Geschlecht auftreten, was durch
30
Hervorhebung sekundärer Geschlechtsmerkmale, nämlich unbehaarte Brüste bei den
Frauen, starker Bartwuchs bei den Männern betont wird. Der Wilde Mann ist
innerhalb der bekannten Welt in Eur0oa und nicht in fernen Gegenden beheimatet,
eine außersoziale Figur mit unzivilisiertem mitunter tierähnlichem Aussehen, die sich
in der Mythologie und Folklore zahlreicher europäischer aber auch außereuropäischer
Völker nachwiesen lässt. Der älteste Beleg vermutlich im sumerischen GilgameschEpos in dem ein Wesen namens Enkidu mit langen Haaren behaartem Körper und
enormen Kräften geschildert, wird, das sich schließlich zum Menschen entwickelt.
Obwohl die Agrestes bei Isidor nicht unter den Wundervölkern genannt sind, geht
die Namensgebung zum Teil auf ihn zurück. Vorbilder sind die Pilosi die Behaarten
der älteren Tradition und die Wildmenschen der einheimischen Tradition. Diese sind
nicht nur aus der Folklore belegt, sondern auch durch eine ganze Reihe dem
Wahnsinn verfallener und dann in der Wildnis hadernder Einzel Figuren der
mittelalterlichen Literatur anzutreffen. Dazu zählt der schottische Krieger Lailoken,
aus dem die Gestalt des Myrddin später Merlin hervorging, der wegen der Schlacht
von Arderydd dem Wahnsinn verfiel und jahrelang in der Wildnis von
Südwestschottland lebte. Das Buch Daniel im Alten Testament berichtet von dem
persischen König Nekukdnezar II, wegen seines Hochmuts sieben Jahre als
Wildmensch mit den Tieren im Wald leben musste. Mit Wahnsinn anstatt einer Form
angeborener Defizienz bring auch Konrad von Megenberg die Wildmenschen in
Verbindung.
Der wilde Mann im Iwein: Aus dem Freskenzyklus von Schloss Runkelstein, um 1400
Die bekannteste literarische Ausformung des Waldmenschen kennen wir aus
Hartmanns von Aue Iwein: der Artusritter Kalogreant trifft den ihn am
Wunderbrunnen. Er repräsentiert die Gegenwelt zur Gesellschaft am Hofe Artus und
wird dann im Wahnsinn des Iwein selbst gespiegelt, als er aus Enttäuschung über den
31
Verlust seiner Frau Laudine den Verstand verliert und ebenfalls eine Zeitlang wie ein
wildes Tier nackt im Wald lebt.
Reizvoll für die bildliche Darstellung war gewiss auch die erotische Konnotation der
Wilden Menschen, nicht zuletzt wegen der Tasche, dass sie in beiden Geschlechtern
auftreten. Die erotischen Bezüge äußern sich unterschiedlich: So verweist die
friedliche Natur auf ein goldenes Zeitalter und bilden ein diesseitiges Pendent zu
Adam und Eva. Von anderer erotischer Natur ist die Rolle des wilden Mannes als
Frauenräuber, der adelige Damen entführt, die dann vom Helden wieder befreit
werden. Bei den wilden Frauen gibt es Beispiel wo diese, wie die Rauhe Else im
Wolfdietrich, den Rittern nachstellen und ihre Liebe erzwingen wollen.
Neben diesen Bezugnahmen hatte der wilde heraldische Bedeutung, die der Gestalt
ein Überleben bis ins 16. Jahrhundert sicherte. Haus- und Wirtshausnamen wie „Zum
Wilden Mann“ deuten ebenfalls an, dass eine negative Konnotation auszuschließen
ist.
32
III.
Fabeltiere und Fabelwesen
A. Der Drache
Initiale S in Form eines Drachens. Missale aus dem Kloster Schuttern (15. Jahrhundert.)
Das Bild des Schuppentragenden vierbeinigen Reptils mit Schlangenkörper, einem
Krokodilkopf mit Hörnern, riesigen Flügeln und Feueratem, das nunmehr mit dem
Drachen verbunden wird, entwickelte sich aus unterschiedlichen Einzelzügen und
33
Traditionen. Waren Drachen und Schlangen im antiken Indien und Ägypten noch
synonym, zeichnet sich in China schon bei den frühesten chinesischen
Drachendarstellungen die Tendenz zur Verflechtung mehrerer Tierkörper ab. In
Vorderasien besaß der Drache zwar den charakteristischen Schuppenpanzer, war aber
bereits eine Mischung aus Kriech- und Säugetier. Die aus der Frühzeit datierenden
Siegel und Funde können eine symbolische Konnotation allerdings noch nicht sichern.
Erst mit der Erfindung der Schrift im 3. vorchristlichen Jahrtausend bekommt der
Drache eine greifbare Gestalt.
Das babylonische Weltschöpfungslied aus dem 2. Jahrtausend erzählt den Kampf des
Apsu und der Tiamat gegen Ea. Dieser tötet Apsu und übernimmt die Herrschaft.
Tiamat will sich für den Tod ihres Gemahls rächen und erschafft zur Verteidigung
Drachenwesen. Tiamat wird besiegt und aus ihrem Körper entstehen Himmel und
Erde. Der neue Herrscher Marduk übernimmt den gezähmten Drachen. Hier eröffnet
sich bereits die ambivalente Bedeutung des Drachen, in Tiamats Heer entspricht er in
seiner Grausamkeit und Bösartigkeit bereits dem späteren Ungeheuerbild. Beim
nachfolgenden Herrscher Marduk mutiert er nach seiner Unterwerfung zum Wächter
und Schutzgeist des Götterkönigs.
Gegen Ende der frühdynastischen Periode um 2500 in Nordmesopotamien bildete
sich der geläufige vielköpfige Drachentyp aus. Er wird in den Texten als muš (mah)
sag-imin, d.i. die siebenköpfige Schlange erwähnt und ist immer negativ konnotiert.
Die vielen Köpfe betonen die Vielfältigkeit und Wendigkeit des Monsters. Als
literarisches Motiv scheint er fest verankert, aber nicht ikonographisch. Der Drachen
als Negativum erfordert einen dementsprechend positiv gezeichneten Gegenspieler.
Im syrischen Ugarit erwähnt ein Text, dass der Wettergott Baal den siebenköpfigen
Schlangendrachen besiegt habe. Diese Heldentat wird in der Bibel dem Gott Jahwe, in
der Apokalypse dem Erzengel Michael zugeschrieben. In der griechischen Epik traten
Götter Heroen und Menschen gleichermaßen gegen den Drachen an. Die Mythen
zwischen dem 8. Jahrhundert als Hesiod seine Theogonie schrieb bzw. dem 4. oder 3.
vor Christus kennen verschieden Drachenformen. Hesiod beschreibt zwei große
Monstren, die einander nicht ähneln aber doch mit den Drachen verwandt sind.
Das erste Monster der Nachkommen einer inzestuösen Verbindung zwischen Phorkys
und seiner Schwester Keto, jene Schlange, die den Garten der Hesperiden bewacht mit
Namen Echidna, mit dem Oberkörper einer Frau und dem Unterkörper einer
Schlange. Die Drei Gorgonen, bei Aeschylus Apollodorus und anderen beschreiben
sind geflügelte Frauen mit Schlangenhaaren scharfen Zähnen und Klauen. Eine der
Schwestern war die furchtbare Medusa, die den Betrachter in Stein verwandelte.
Dieser schlägt Perseus auch Kopf ab, das zweite Monster ist das Ergebnis einer
Verbindung von Echidna und Typhon und eine ganze Reihe von Monstren wie die
Hydra von Lerna die Chimera und die Höllenhunde Orthos und Cerberus. Typhon,
der vom Tartarus und Gaea abstammt, trägt ebenfalls Drachenzüge. Zu den zwölf
Arbeiten des Herakles gehörten auch zwei Drachenkämpfe. Die Hydra, eine
vielköpfige große Schlange, hauste unter einem Baum an der Quelle eines Flusses und
machte die benachbarten Sümpfe von Lerna unsicher. Jedes Mal, wenn Herakles einen
34
ihrer Köpfe abschlug, wuchsen zwei an seiner Stelle nach. Um diese endlose Arbeit zu
beenden, befahl Herakles seinem Neffen, nach dem Kopfabschlagen die entstanden
Wunde auszubrennen, um das Nachwachsen zu verhindern. Als dann die Hydra in
gemeinschaftlicher Anstrengung besiegt war, tauchte Herakles seine Pfeile in das Blut
des Untieres und tränkte sie mit dem tödlichen Gift.
Seine letzte Arbeit führte den Helden zu den Hesperiden, um deren Äpfel zu holen.
Der Baum, auf dem die Äpfel wuchsen, wurde von Nymphen gepflegt und der
Schlange Ladon bewacht. Herakles tötet die große Schlange.
Im Altertum ist der Drache als Symbol des Bösen bzw. des Chaos festzumachen.
Wenn auch die antike Darstellung des Drachen nicht übernommen wurde, so doch
der symbolhafte Gehalt. Aristoteles Geschichte der Tiere erwähnt einen „drakôn“
entweder als große Schlange oder in Bezug auf eine Fischspezies. Die 1220 datierende
lateinische Übersetzung erfuhr große Verbreitung besonders durch Kommentare der
Scholastiker wie Albertus Magnus De animalibus, Bartholomäus Anglicus De
proprietatibus rerum und Thomas von Aquin Summa theologica und befestigte so
Aristoteles als Autorität.
Plinius bezog seine Anregungen sicherlich ebenfalls aus Aristoteles Zoologie, doch
war er in der Auswahl seiner Quellen nicht immer kritisch, sehr zum Vorteil der
Nachwelt, denn gerade dieses Konglomerat aus naturwissenschaftlicher Legende und
Phantasie fasziniert noch heute. Er erwähnt das verlorene Gedicht eines gewissen
Hegemon Dardanica, welches von der Liebesgeschichte zwischen einem großen
Drachen und einem goldhaarigen griechischen Schafhirten erzählt. Liebevoll
versorgte der Drache seinen Geliebten mit Jagdbeute. Leider wissen wir nicht, wie sich
der Hirte revanchierte, aber der Beleg ist insofern von Interesse, als wir hier einen der
ältesten Belege für die Geschichte von der/dem Schöne/n und dem Tier vor uns
haben, das die Märchenforschung zu vielfachen Interpretationen inspirierte.
In den mittelalterlichen Bestiarien am Beginn des 12. Jahrhundert, verbanden sich
reale oder fiktive Tiere zu Symbolträgern der moralischen und religiösen Didaktik.
Die direkte Quelle der mittelalterlichen Bestiarien, der griechische Physiologus, eine
Alexandrinische Kompilation aus dem 2. Jahrhundert, stellte einen Katalog von
Tieren, Pflanzen und Steinen, die man symbolhaft einsetzen konnte. Zuerst in östliche
Sprachen übersetzt, erreichte das Werk in lateinischer Sprache große Verbreitung. In
der Mitte des 13. Jahrhunderts begann sich die Tiersymbolik zu entwickeln. Neben
der absichtsvoll christlich ausgerichteten Interpretation der Symbole gab es auch den
weltlichen Bereich der höfischen Minneliteratur und Minnerhetorik. Richards de
Fournival Bestiarium der Liebe von 1250 erwähnt reale und imaginäre Tiere, die die
verschiedenen Stadien der Minne symbolisieren. Der verschmähte Liebhaber versucht
das Herz der Spröden in vielerlei tierischen Verkleidungen zu erobern. Diese neue
phantasievolle Richtung fand große Verbreitung, stieß aber auch auf Widerstand.
Insbesondere Bernhard von Clairvaux, der sich nicht mit der figuralen Kunst
anfreunden konnte, wandte sich entschieden gegen diese Ausschweifungen der
Phantasie, die die Leute vom frommen Leben ablenken. Mit den Entdeckungsreisen,
den Kreuzzügen und dem Aufkommen der Reiseberichte kamen noch eine Reihe von
35
Phantasiegeschöpfen und damit neue Symbolträger hinzu. Die Navigatio Sancti
Brandani, ein anonymes lateinisches Gedicht der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts,
erzählt die Odyssee des Hl. Brendan, der auf die Suche nach dem Paradies Drachen,
Greifen und einer Feuerspeienden Seeschlange begegnet. Die meisten seiner Themen
hat man dem keltischen Kultkreis zugerechnet, allerdings sind auch u.a. beim
Greifenmotiv Anleihen aus der arabischen Literatur wie den Sindbad Erzählungen zu
vermuten.
Während die antiken Erzählungen von Drachenbegegnungen und Kämpfen im
Mittelalter noch wenig bekannt waren, also nicht einwirken konnten, behaupteten
sich die Angaben in den zeitgenössischen Historien u. a bei Thomas von Cantimpré
(1201-1272) So dachte man sich den Drachen mit einem Kamm. Solinus (200 n. Chr.)
erwähnte schon den kleinen Kopf und ein enges Maul und verlagerte die
Gefährlichkeit ähnlich dem realen Krokodil auf den Schwanz, der nach Isidor (560636), der hier wohl an eine Würgeschlange dachte, zum Umschlingen und Ersticken
des Gegners dient. Den Pestatem des Drachen erwähnt Jakob von Vitry (1160-1240)
in der Silvesterlegende. Der Papst erlöst die Stadt Rom von einem Drachen, der durch
seinen Giftatem jeden Tag mehr als 300 Menschen tötete. Thomas von Cantimpré
glaubte an die bei Jeremias 51,37 beschriebenen riesigen Drachen in den Ruinen des
alten Babylon, die mit ihrem schaurigen Geheul die Menschen verschrecken, ebenso
wie an das von Augustinus im Kommentar zu Ps. 148,7 behauptete Aufsteigen aus
den Schlupfwinkeln in die Luft. Der Enzyklopädist Bartholomäus Anglicus (1224-?)
hält dafür die Erklärung parat, die Drachen erheben sich in die Luft, um ihren Durst
zu stillen. Aus aerodynamischen Gründen bezweifelt Albertus Magnus die
Flugfähigkeit des Drachen (25,27), da er die großen Schwingen, die Thomas von
Cantimpré als fledermausartig beschrieben hatte, für ungeeignet erachtet, und
interpretiert Drachensichtigungen als Kometen.(25,28)
Der zweite wichtige Traditionsstrang für die Verbreitung der Drachenvorstellung war
die Literatur um Alexander den Großen, der nicht nur Modellkönig und Krieger,
sondern auch Abenteurer und Entdecker war. Gerade seine exotischen Fahrten
bestärkten seine große Popularität. Die Alexanderlegende, die im mysteriösen Orient
spielt, führte die phantastische Menagerie in die Literatur ein: Drachen, Fleisch
fressende Flusspferde, Riesenfledermäuse, weiße Löwen, Flügelschlangen, Schlangen
mit Frauengesichtern, Monsterrassen, die ihren Ursprung sowohl aus der
Gelehrtenliteratur als auch aus umlaufenden Sagen bezogen.
Sprachlich und begrifflich ist der Drache erst durch die Römer zu den Germanen
gekommen. Zuvor war das Wort „Wurm“ Sammelnamen für Reptilien, während mit
der Entlehnung des griech/lat. Draco unter der kirchlichen Identifizierung des
Drachen mit dem Teufel das ältere Wort fast völlig verdrängt wurde. Die mhd.
Erzählliteratur kennt allerdings noch die alte Bezeichnung Würme, und im BairischÖsterreichischen erzählt man noch vom Tatzelwurm, dem Lindwurm vereinzelt vom
Stollen- oder Haselwurm. Neben dem linguistischen Zusammenhang ergibt sich
schon bei Hrabanus Maurus (8,3) und noch bei Hugo de Folieto (1100-1172) aus dem
vielfältigen Verhalten des Drachen die symbolische Deutung als Sinnbild des Teufels
36
und seiner Anhänger (2,24). Zwei ursprünglich getrennte Vorstellungen vereinten
sich auch in der äußeren Gestalt des Drachen: Die einheimischen Sagen von den
riesigen Schlangenwürmern und anderseits die mediterrane kleinasiatische vom
Mischwesen aus Krokodil und Raubvogel. In die mittelalterliche Kunst und Literatur
gingen die Mischwesen ein, während die Volkskultur die Würmer beibehielt. Der
ältere Kriechdrache des mhd. Epos wird schließlich immer mehr vom den
Flugdrachen, eigentlich dem geflügelten Krokodil, verdrängt bzw. abgelöst. Dieses
Übergangsstadium des kriechenden Drachen zum fliegenden markiert der große
Drache in der Thidreksaga der knapp über dem Boden schwebt, sodass man mit dem
Schwert auf ihn einschlagen kann. Die mittelhochdeutsche Literatur kennt sowohl
kriechende als auch fliegende Drachen, die Flugdrachen scheinen die jüngere
Vorstellung zu sein.
Die unterschiedlichen Drachenvorstellungen haben sich seit dem Mittelalter in
Volksbuch und mündlicher Folklore einander angenähert. Allerdings vermittelt die
Heldenepik nur eine sehr spärliche Kenntnis vom Aussehen der Drachen, lediglich
die typischen Attribute werden immer wieder wie stehende Formeln wiederholt.
Auch das spätere Märchen bleibt uns eine ausführliche Beschreibung schuldig.
Betrachtet man die biblischen Erwähnungen, so kann man mit Recht behaupten, dass
die Verbindungen Drache und Teufel hier ihren Ausgang nahmen. Schon die
Paradiesschlange wurde als Drache abgebildet, doch häufiger sind die
Meeresdrachen: Du zertrennst das Meer durch deine Kraft und zerbrichst die Köpfe der
Drachen im Wasser. Du zerschlägst die Köpfe der Walfische und gibst sie zur Speise dem Volk
in der Einöde.
Detaillierter informiert uns die Schilderung in der Offenbarung:
Und es erschien ein großes Zeichen im Himmel: ein Weib, mit der Sonne bekleidet und der
Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen. Und sie war
schwanger und schrie in Kindsnöten und hatte große Qual zur Geburt.
Und es erschien ein anderes Zeichen im Himmel, und siehe, ein großer roter Drache, der hatte
sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen Häuptern sieben Kronen;
Und sein Schwanz zog den dritten Teil der Sterne des Himmels hinweg und warf sie auf die
Erde. Und der Drache trat vor das Weib, die gebären sollte, auf dass, wenn sie geboren hätte,
er ihr Kind fräße.
Der weitere Verlauf ist bekannt, der Drache und seine Mitläufer, die bösen Engel,
werden auf die Erde geworfen, wo sie fortan ihr Unwesen treiben. Aber der Drache
ist nicht das einzige Ungeheuer, es ist noch von einer ganzen Reihe drachenartiger
Wesen die Rede, hier bereits die Metapher für falsche Propheten und Ungläubige.
Auch die bildliche Drachendarstellung im mittelalterlichen Europa variierte die
Szenen: ebenso wie in der Antike überwiegt der einköpfige Drache. Die
Propagandaschrift des heiligmässigen Lebens, die Legenda aurea des Jacobus von
Voragine aus dem 13. Jahrhundert, favorisierte gerade jene Heiligen, die
37
Drachenkämpfe zu bestehen hatten, wobei die Drachen hier als Verkörperung des
Heidentums zu verstehen sind. Der berühmteste der Legendenhelden, der Hl Georg.
Ist vermutlich nicht mit dem kappadokischen Bischof des 4. Jahrhundert identisch,
doch stammt er gewiss aus Vorderasien. Meistens wird die Szene seines
Drachenkampfes nach Libyen verlegt:
In der Nähe der Stadt Selene haust ein Drache, der die Einwohner terrorisiert und
deren Vieh dezimiert. Um die Fresslust des Drachen zu dämpfen, opferten die
verzweifelten Bewohner täglich zwei Schafe. Als diese aufgebraucht waren, opferten
sie zwei Kinder, die ausgelost wurden. Auch die Königstochter traf das Los. Als die
Jungfrau zum Drachenlager gebracht wurde, ritt der hl. Georg vorbei und hatte
Mitleid mit ihr. Er erbarmte sich ihrer und besiegte den Drachen. Allerdings tötet er
ihn nicht, sondern brachte ihn als Gefangen in die Stadt und erklärte den Bewohner,
der Sieg wäre nur mit Gottes Hilfe gelungen. Nach der Bekehrung schnitt der dem
Drachen den Kopf ab.
Nach dem umfangreichen Material in seiner Legenda Aurea, das Jacobus von Voragine
über den Heiligen gesammelt hat, lassen sich verschiedene Elemente der Legende
herausarbeiten, die eine sehr komplizierte Überlieferungsgeschichte erkennen lassen:
Jacobus beruft sich unter anderem auf den Kirchenvater Ambrosius (4. Jahrhundert),
nach dessen Zeugnis sich als einziger Georgius zu Jesus bekannte und die unzähligen
Martern nicht fürchtete. Neben dem heiligen Georg kämpften aber auch noch andere
Heilige mit Drachen. St. Vitonius, Bischof von Verdun unter Choldwig soll einen
Drachen in der Maas ertränkt haben (5, 745) 32 Drachenheilige sind in der Legenda
Aurea gelistet.
Als wichtige Informationsquelle kommen neben den biblischen und legendarischen
Berichten die schon erwähnten mittelalterlichen Fachschriften, die Bestiarien hinzu.
Den lateinischen ursprünglich griechischen Vorbildern fügten die Verfasser
mittelalterlicher Bestiarien eine christliche Interpretation an. Die Tiere erfuhren so eine
neue (Be)Deutung im Sinne der christlichen Allegorese, wurden so in Symbole des
Guten und des Böse getrennt. Drachen und Schlangen waren Verkörperungen der
Sünde, davon rückten auch die Bestiarien nicht ab.
Drachensagen sind noch bis ins 19. Jahrhundert hinein für wahr gehaltene
Volkserzählungen, die den Tatzelwurm als Naturphänomen ansehen. Das Ungeheuer
von Loch Ness, eine Art Seedrache, geistert nicht nur als moderne Sage durch die
Medien, sondern soll von vielerlei Augenzeugen gesehen worden sein.
Auch die Historiographie des 15. Jahrhunderts geht noch von der Realität des
Drachens aus, wie die Zimmersche Chronik belegt. In der Reimchronik des Nikolaus
Schradin soll ein riesiger Drache aus dem See die Reuß hinunter geschwommen und
bei Luzern gesichtet worden sein. Der Luzerner Stadtschreiber Cysat gibt einen
detaillierten Erlebnisbericht eines Küfners aus Luzern, der im Gebirge in eine
Drachengrube fällt, aber überlebt, indem er, wie die Drache es täten, Salz vom Felsen
leckt. Er überwintert und lässt sich vom Drachenschwanz aus der Höhle ziehen. Er
kämpft nicht mehr mit den Drachen, sondern die Drachen verhalten sich auf sein
38
Gebet hin still und verhelfen ihm sogar wieder zum Aufstieg. Renward Cysat (15451614) berichtet sogar von einem eigenen Drachenerlebnis. Der frz. Zoologe Belon will
sogar noch im 16 Jahrhundert eine geflügelte Schlange gesehen haben. In der
fünfbändigen Historia animalium (1551-1587) versucht Gesner, die Drachen zu
typisieren. In der Mitte des 16. Jahrhundert scheint der Glaube bereits allgemein
gewesen zu sein, dass die Höhlen der Alpen Wohnstätten von fliegenden Schlangen
oder Drachen seien. In den Naturgeschichtsbüchern des 17. Jahrhundert noch als real
existierend belegt, begann man in der Barockzeit Drachenfälschungen zu verfertigen,
die von dem Adel für ihre Raritätenkabinette und Wunderkammer erworben wurden.
Eine in Silber gefasste Drachenzunge vom Kloster Wilten wird im Innsbrucker
Museum gezeigt. Während die Aufklärung nichts mehr für den Drachenglauben
übrig hatte, setzte dieser mit der Mittelalterrezeption der Romantik abermals ein. Der
Berner Naturwissenschaftler Studer setzt z. B. noch eine Belohnung für das Auffinden
eines Stollenwurmes aus.
Eine so komplexe Figur wie der Drache musste also zwangsläufig zu einem
mehrdeutigen Symbol werden. Im Mythos gilt er als Sinnbild des Feindes, der Nacht.
Im christlichen Sinne ist er ein Symbol des Teufels und damit Inbegriff alles Bösen. In
der mittelalterlichen Epik ist der Drache auch als das Gegenbild des HöfischMenschlichen. Weil er sich in allen Elementen bewegen kann, repräsentiert er die
materia prima, den Urstoff aller Metalle, aber auch Symbol für Quecksilber das
flüssige Metall. Ebenso wie die Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt, ein
Symbol für den Kreislauf und Ewigkeit.
Eine immer wieder diskutierte Form der Erklärung für das Auftreten bzw.
Symbolisierung von bösen Monstren ist gehäuftes Erscheinen in Krisensituationen.
Baltruišaitis meinte im 13. Jahrhundert eine Erneuerung der Wundertiere der
Romanik konstatieren zu können. Diese Erneuerung könnte auch mit der ernsthaften
spirituellen Krise in Zusammenhang gebracht werden, die das Christentum erlebte.
Immer wieder kehrende Bewegungen mit Endzeiterwartung wie die millenaristischen
Sekten, der Einsatz der Inquisition und der Beginn der Hexenverfolgung, einfach
zusammengefasst als angsteinflössende Bewegungen und Mechanismen könnten die
augenscheinliche Popularität von aggressiven Themen wie Drachenkampf,
Totentänze etc. ausgelöst haben. Die apokalyptischen Symbole des Hieronymus Bosch
um 1500 könnten auch als Summe und Kompendium der übernatürlichen
Erscheinungen und der Ängste davor gedeutet werden. Dennoch bleibt auch bei der
Krisenthese einiges offen. Boschs Werk bleibt im christlichen Kontext und bringt die
mittelalterlichen inneren Dämonen in sichtbare Form um diese exorzieren zu können.
Das Wiederauftreten dieser mittelalterlichen Angstwelt im 19. Jahrhundert und das
vorläufig letzte Erscheinen in Comicwelt und Film kann ähnlichen Umwälzungen
zugeschrieben werden.
39
B. Der Greif
Aus einer illuminierten Handschrift der Etymologie des Isidor
Ebenso wie beim Drachen stammen die ältesten Nachrichten vom Greif aus Ägypten
und Mesopotamien. Die ägyptische Kunst, die nicht nur den Drachen, sondern auch
andere Mischwesen kannte, stellte den Greifen mit dem Kopf eines Geiers und einem
Löwenkörper dar. Manchmal trug der Kopf des Greifen eine Art Kamm, der die Basis
seiner besonders charakteristischen Ohren bildete. Als Bildsymbol repräsentierte der
Greif den siegreichen Pharao, der seine schlangenförmigen Feinde bekämpft. In
Mesopotamien besaß der Greif die Gestalt eines geflügelten Löwen, manchmal mit
den Hinterbeinen und dem Schwanz eines Vogels. Furcht erregend mit Dämonen und
Ungeheuern assoziiert, wanderte die Figur nach Syrien, Palästina, und Anatolien aus.
Gegen 1700 v Chr. finden sich erste Darstellungen in Kreta. Hier wurde er beim
Festhalten der Beute mit seinen Klauen und im Kampf mit Löwen oder Stieren
abgebildet. Aber auch Wächtergreifen schmückten die Wände des Königs Minos in
Knossos. Hier fungiert der Greif als Abschreckung gegen das Böse einerseits aber auch
als Wächter von Kostbarem. Von der Antike bis in die neuere Zeit wird der Greif meist
paarweise dargestellt.
Der als opinicus bezeichnete Greif der klassischen Zeit besaß vier löwenartige Beine,
während in der nachklassischen Zeit er vorne die klauenbewehrten Beine des Adlers
und löwenähnliche Hinterbeine besitzt. Grypho, ahd. Grif geht auf ein
indogermanisches Verbum zurück, aus dem sich das neuhochdeutsche Wort
„greifen“ ableitet. Der griechische Name gryps wird mit dem Adjektiv grypos
assoziiert, das gekrümmt bedeutet. Nach einer anderen Theorie stammt das Wort von
dem vorderasiatischen kerub ab, der wir der Greif ein geflügelter Wächter den Baum
des Lebens schützte. In der Bibel gab er den Cherubim seinen Namen. Mehr noch als
der Drache war der Greif immer zweideutig konnotiert. Da er Komponenten des
Adlers und des Löwen in sich vereinigte, lag es nahe, ihn als Herrschaftssymbol
einzusetzen. Die Griechen übernahmen den Greifen im 8. Jahrhundert vor Christus,
und verstanden ihn als Totenwächter. Zusätzlich zu seiner Wächterrolle wurden die
Greifen im Kampf mit Ungeheuern, aber auch mit Amazonen (ebenfalls eine
Aberration) gezeigt. Im 5. Jahrhundert liefert Herodot einen der ersten literarischen
Erwähnungen des Greifen und gleichzeitig eine Interpretation seines Antagonismus
zum Menschen. Nach seinem Bericht gebe es im Norden Europas mehr Gold als
irgendwo sonst. Die dort lebenden Menschen, die Arimaspen, ein Volk von
40
Einäugigen, würden das Gold nur dadurch erhalten, dass sie es den Greifen stahlen.
Interessant dabei ist, dass Herodot nicht die Existenz der Greifen, sondern der
Einäugigen anzweifelte. Nichtsdestoweniger fungieren hier die Greifen wieder als
Wächter von Kostbarem, hier des Goldes. Im Laufe der Zeit wurde diese Verbindung
zwischen den Arimaspen und den Greifen weiter ausgebaut. Herodot zitiert in diesem
Zusammenhang den Gewährsmann Aristeas, dessen Werk Arimaspea nicht erhalten
ist.
Nun berichtet aber Aristeas, der Sohn des Kasystrobios, aus Prokonenesos in einem epischen
Gedicht, wie er, von göttlicher Raserei [vom Gott Apollo besessen] ergriffen, zu den Issedonen
gewandert sei. Jenseits der Issedonen, erzählt er, wohnen die Arimaspen, Menschen mit einem
Auge, jenseits der Arimaspen wohnen goldhütende Greifen und jenseits der greife die
Hyperboreer, die an ein Meer grenzen.[…] Nördlich von den Issedonen, erzählen sie selber,
wohnen jene einäugigen Menschen und jene goldhütenden Greife. Die Skythen haben diese
Nachricht von den Issedonen übernommen, und durch den Verkehr mit den Skythen wiederum
ist sie auch zu uns gedrungen. Der Name Arimasper, den wir ihnen geben, ist skythisch. Arima
heitßt bei den Skythen „eins“ und Spu heißt „Auge“.
Der geheimnisvolle Aristeas blieb lange Zeit der Gewährmann bzw. Greifenexperte,
doch abgesehen von den überlieferten Zeilen und der Behauptung Herodots, er habe
das Gedicht Arimaspea verfasst, blieb dieses verschollen.
Bis zum Ende des römischen Reiches blieben die Greifen Vögel und zusammen mit
Dreifuß und Leier Symbole des Apollon. Das Vorbild des Kaisers Augustus, der mit
Greifen geschmückt Apollo für seinen Sieg dankte, ließ die Greifen zum
Herrschaftssymbol werden. Ab dem 3. Jahrhundert mit zunehmendem orientalischem
Einfluss wurde der Greif auch auf den Lichtgott Mithras übertragen. Daneben hatte
er noch eine andere wichtige Funktion, er war Psychopompos, Führer der Seelen ins
Jenseits, verdeutlicht durch eine verhüllte Figur auf seinem Rücken. Der Greif bewahrt
die Seele vor dem Zugriff von Dämonen bekommt hier eine Beschützerrolle.
Die Lokalisierung der Greifen hing mit deren Funktionen im Kult zusammen, weshalb
man sie einerseits im Norden situiert, aber auch im Osten in Indien ansiedelt, wo sie
als Sonnentiere Verehrung finden. Auch dort bewachen sie Goldschätze, die sie mit
ihren scharfen Schnäbeln aus der Erde holen. Es hieß, dass ihre Kräfte Elefanten und
Drachen ebenbürtig, wenn nicht überlegen, wären. 200. n. Chr. erhalten wir von
Aelian (170-225) eine Zusammenfassung über den indischen Greifen. Er beschreibt ihn
als starkes vierfüßiges Tier wie ein Löwe, aber mit starken Vogelklauen, schwarzen
Federn am Rücken und weißen Flügeln. Seinen Hals zieren blaue Federn. Er besäße
einen Adlerkopf und feurige Augen, und niste auf einem Berggipfel. Erwachsene
Tiere wären unmöglich zu fangen, aber mit jungen könne man es noch aufnehmen.
Aelian merkt an, dass Greifen nicht mit Löwen oder Elefanten kämpfen. Sie grüben
Gold aus und bauten ihre Nester damit, was dabei zu Boden fiele, nähmen die Inder.
Die Greifen würden Menschen angreifen, nicht wegen des Goldes, sondern um ihre
Brut zu schützen. Deshalb zögen auch Goldgräber zu ihren Nistplätzen, allerdings
wäre es nur nachts einigermaßen gefahrlos.
41
Dem Mittelalter kam das Wissen über die Greifen hauptsächlich aus Berichten des
Plinius, und Solinus zu. Plinius’ Naturgeschichte hielt sich eng an Herodot und
verarbeitete das Zeugnis des Aristeas, weshalb er von den einäugigen Arimaspen, die
nahe den Skythen leben und mit den Greifen um Gold kämpfen, berichtet. Aber
Plinius übernimmt nicht einfach, sondern wertet auch und verwendet in diesem
Zusammenhang das Attribut „goldgierig“. Der Geograph Pomponius Mela berichtet,
dass es in einer zwar fruchtbaren aber unbewohnten Gegend Greifen gebe, die Gold
ausgrüben und es eifersüchtig bewachen. Solinus fasste die vorhandenen Berichte
zusammen und erzählt vom reichen Skythien, dessen Zugang überaus grausame
Greifen bewachten, die eindringende Menschen sofort in Stücke rissen. Dieses wilde
Wächterattribut hat offenbar die späteren Schriftsteller enorm beeindruckt, denn ab
nun wird der Greif in den Bestiarien als unbesiegbarerer Hüter von Schätzen und als
Warnung vor menschlicher Habgier wahrgenommen. Der ursprünglichere
Traditionsstrang, der den Greifen mit der Sonne verbindet, erhielt sich nur in der
slawischen Tradition. Die mittelalterlichen Schriftsteller übernahmen die Berichte von
Plinius und damit den Greifen als Wächtersymbol für Schätze. Damit verband sich
sowohl der mittelalterliche Drache als auch der Greif mit der Totenwache.
Isidor von Sevilla enzyklopädisches Werk die Etymologie berichtet:
Der Greif ist ein geflügeltes Tier mit vier Beinen. Diese wilde Tierart stammt aus dem
hyperboreischen Gebirge. In allen Teilen seines Körpers gleicht er dem Löwen, nur sein Kopf
und seine Schwingen gleichen dem Adler. Besonders feindlich ist er den Pferden. Wenn er
Menschen sieht, will er sie in Stücke reißen.
Letztere Bemerkung inspirierte die nachfolgenden Autoren zu immer größeren
Übertreibungen. Eine raffinierte Methode um der gefährlichen Greifen habhaft zu
werden schildert Aethicus, wobei zwei dreispitzige Lanzen in den Boden gerammt
werden. Darüber legt man eine Flechtmatte, unter den Fackeln verborgen sind. Als
Köder legen die Jäger frische Fleischstücke. Die heimkehrenden Greifen wollen die
Fleischstücke für ihre Jungen mitnehmen und lassen sich auf die matte nieder, die
Jäger entzünden die Fackeln und die Greifen sterben auf die Lanzen gespießt.
Dieser singuläre Bericht hatte wenig Rezeptionswirkung, da mit den
Seefahrergeschichten
und
der
Reiseliteratur
orientalisch-arabische
Greifenerzählungen hinzukamen, die die Motivik bestimmten. In den Erzählungen
um die Reisen des Hl. Brandan greift der Vogel Griffa den Heiligen und seine
Gefährten bei einer Reise an. Benjamin von Tudela berichtet von der Geschichte, dass
sich Seeleute bei Schiffbruch in Ochsenhäute einnähen und dann über Bord springen.
Greifen würden sie im Flug davontragen, um sie zu fressen. Die Erzählungen um den
Bayernherzog Ernst und seinen Freund Wetzel verbindet den Greifenflug mit dem
Stranden des Schiffes am Magnetberg. Später gelangen die Männer dann ins Land der
Arimaspen. Die von den antiken Schriftstellern kolportierten Wundervölker finden
sich in der mittelalterlichen Orientliteratur wieder: Der exilierte Herzog Ernst
unterstützt das Volk in seinen Verteidigungszügen gegen räuberische Nachbarvölker.
42
Der fiktive Brief des Priesters Johannes aus Indien, erzählt von einem unzugänglichen
Tal, in dem Juwelen lägen. Die Menschen werfen Schafskadaver von oben unter die
Edelsteine. Die Greifen stürzten sich auf die Beute und trügen sie davon. Die von den
Kadavern hängen gebliebenen Juwelen fielen herab. Ein Detail, das den Greif mit dem
Vogel Rockh der Sindbaderzählungen verbindet.
Die antike Variante des Greifen als Transporttier wurde im Mittelalter von dem
Sagenkreis um den großen König Alexander aufgenommen. Alexander wurde bei
seinem Zug nach Indien von wilden Greifen angegriffen. Alexander war aber nicht
nur Krieger, sondern auch Abenteurer und Endecker, weshalb er die Gelegenheit
ergriff, die Kraft der Greifen für eine Himmelserkundung zu benützen. Er ließ einen
mit Eisengittern eingefassten Wagen mit einem Sitz bauen, die Greifen an den Wagen
ketten und an dessen Spitze Fleisch legen. So hoben ihn die Greife zum Himmel. Hier
kann man zu Recht eine Übertragung vom antiken appollinischen Sonnenwagen auf
Alexander vermuten.
Einzigartig die anschauliche Erzählung in Johanns von Würzburg Wilhelm von
Österreich, wo die Zauberin Parklise einen jungen Greifen als ihr Flugtier trainiert.
Hier sind Greif und Teufel bzw. Teufelspakt verschränkt.
Man kann davon ausgehen, dass mittelalterlichen Menschen Greifen Realität
zusprachen und wie jedem Tier einen Symbolwert zumaßen. Johannes Scotus
Eriugena betrachtet den Greifen als Symbol der Keuschheit, denn nach dem Tod
seines Weibchens lebe der Greif zölibatär. Das Gros der Meinungen schwenkt
allerdings eher in die negative Richtung. Meist steht seine Grausamkeit und Gier im
Vordergrund, was sicherlich auf Plinius Beschreibung zurückgeht. Ab 1200 wurde
der Greif z.B. in England mit dem habgierigen Adel verglichen. Alexander Neckham
erklärte die Analogie als unzulässig, denn in Wirklichkeit wären Greifen bloß Tiere:
Greifen graben nach Gold und weiden sich an seinem hellen Glanz: ihre Augen erfreuen sich
am gelben Metall. Wer da glaubt, sie seien wie Edelleute, irrt sich: Die Adeligen werden vom
gierigen Hunger nach Gold getrieben; die Greifen aber brennen nicht darauf, sich zu
bereichern, sondern geben sich ihrer Natur nach der ruhigen Betrachtung hin.
Als unbezwingliche Wächter des Goldes wurden sie in didaktisch-religiösen Schriften
herangezogen, um unfromme menschliche Verirrungen zu illustrieren. Es wäre
sinnlos das Greifengold entwenden zu wollen, der Mensch solle eher nach dem
ewigen Leben streben als nach weltlichem Gold, das noch dazu so gut bewacht wäre.
43
Satyr, Greif und Arimaspen auf einer Vasendarstellung um 375-350 v. Chr.
In den Lapidarien, die vom Edelsteintal berichteten, werden die Arimaspen als
vorbildliche Christen, die die Steine des Glaubens den Smaragd besäßen, während die
Greifen als Teufel verstanden wurden, die versuchen ihnen diesen Stein abspenstig
zu machen. Hugo von St. Viktor zugeschriebenes Buch interpretiert die Greifen als
lieblose und glaubenslose Wesen, die die Menschen um ihren Glauben beneiden,
weshalb sie ihnen den Stein den Smaragd stehlen wollen. Deshalb auch die
Etymologie Arimaspen in einem Glossar von 1280 Tugend und sehen. Der Smaragd
in der Wüste ist als Symbol für Christus zu lesen, die Greifen sind böse Geister. Greif
also Symbol für Habgier Grausamkeit Tyrannei und den Teufel. Dante wartet nicht
nur mit einem positiv konnotierten Beispiel auf, sondern schließt an die antike
Sonnenwagentradition an.
In der Renaissance begann eine Debatte um die Realität der Fabeltiere. 1551
meldet Konrad Gesners in seiner vierbändigen Historia animalium bereits Zweifel an
der Realexistenz der Greifen an. Während Ariost in seinem Epos um Roland noch der
älteren Tradition folgt, verweist Shakespeare in Heinrich IV. Drachen und Greifen ins
Reich der Märchen. In seinem Pseudodoxia Epidemica von 1646 kommt der englische
Mediziner Thomas Browne nach einem weitläufigen Vergleich der antiken Quellen
zum Schluss, dass es sich beim Greif um ein Symbol, nicht um ein reales Tier handle.
6 Jahre später stellt sich Andrew Ross Brownes Ansicht mit seiner Schrift Dr Brown’s
44
Vulgar Error refuted and Answered entgegen. Er verteidigt nicht nur die antiken Belege,
sondern bezieht neueste Nachrichten von zusammengesetzten Tieren ein. Wenn es
diese gibt, warum nicht den Greifen? Das sollte allerdings wahrscheinlich die letzte
Apologie sein, ab dieser Zeit galt es als anachronistisch an Fabeltiere zu „glauben“.
Ähnlich wie beim Drachen entdeckte die Fantasy und die phantastische
(Kinder)Literatur den Greifen für sich und bezog zwar seine ursprüngliche Wildheit
als Charakterzug ein, besetzte ihn aber durchaus positiv.
C. Die Manticora
Die Manticora ist etwa so groß wie ein Löwe und hat zinnoberfarbenes Fell. Gesicht
und Ohren sind menschenähnlich, doch wird das Antlitz durch das Maul mit seinen
drei hintereinander gelegenen Zahnreihen entstellt. Der Schwanz ist mit einem
giftigen Skorpionstachel versehen, der auf die Beute abgeschossen wird und sich dann
wieder erneuert. Die manticora tötet aber auch mit ihren Krallen. Das Wort stammt
offensichtlich aus dem Persischen und hat - wie schon Photios feststellt – die
Bedeutung des griechischen antropofago, denn die manticora verzehrt die Menschen,
die sie getötet hat; allerdings nimmt sie auch mit kleineren Lebewesen vorlieb.
45
Die ältesten Berichte über die Manticora stammen von Ktesias von Knidos, der im 4.
Jahrhundert vor Chr. Leibarzt der des Perserkönigs Artaxerxes II. Nach seiner
Rückkehr nach Knidos verfasste Ktesias seine Indika; ein Werk; in dem er Land und
Leute Persiens beschrieb. Die Indika sind nur noch in Form von Zitaten bei andrer
Autoren greifbar, Aristoteles berichtet in seiner Naturgeschichte der Tiere über die
Manticora:
Es gibt aber doch eins, dem, die Zähne in drei Reihen wachsen, wenn man dem Ktesias glauben
darf; dieser erzählt nämlich, dass ein Tier in Indien, das den Namen Martichoras führe, in
jedem Kiefer drei Reihe Zähne habe, an Größe gleicht es dem Löwen, sei ebenso rauhaarig und
habe ähnliche Beine, Gesicht und Ohren seien denen des Menschen ähnlich, die Augen blau
die Farbe zinnoberrot sein Schwanz dem des Landskorpions ähnlich, an diesem habe es eine
Stachel dessen Spitzen es wegschleudere, mit der Stimme schnarre es zugleich wie eine
Rohrpfeife und Trompete; es laufe nicht minder schnell als der Hirsch, es sei wild wie ein
Menschenfresser.
Dies sind im Wesentlichen an die Angaben, welche seit der Antike bis in die Neuzeit
mit einigen Abweichungen und Varianten über die Manticora tradiert wurden. Neben
Aristoteles verwendeten auch Pausanias, Plinius und Solinus später Photius die
Texte des Ktesias. Die Manticora ist also ein Kompositwesen, bestehend aus einem
Löwenkörper, Menschenkopf, Skorpionsschwanz und weitern typischen
Körpermerkmalen. Trotz des femininen Genus hat das Wesen fast immer ein
männliches Gesicht.
Für die das Mittelalter waren vor allem Plinius und Solinus von Bedeutung. Photius
von Konstantinopel die wichtige Quelle aus dem christlichen Umfeld. Im Unterschied
zu den anderen Autoren bemerkte er, dass die Manticora auch auf dem Kopf einen
Stachel trüge. Die Enzyklopädien wie die des Vinzenz von Beauvais bzw. Thomas
von Cantimpré zitieren Plinius und Solinus. Als einziger mittelalterlicher Autor
beschrieb Albertus Magnus die Manticora explizit als Kompositwesen.:
Die Manitcora ist ein aus vielen zusammengesetztes Tier: Sie hat nämlich ein Gesicht wie ein
Mensch, funkelnde Augen von blutroter Farbe, einen Löwenkörper den Schwanz eines
Skorpions, den ein Stachel spitz macht. Ihre Stimme hat einen zischenden Klang, als ob sie den
Ton der Rohrpfeife imitiere oder denjenigen von gemeinsamen erschallenden Trompeten. Sie
frisst mit äußerster Begierde Menschenfleisch und hat drei Zahnreihen im Maul.
Einer der frühen mhd. Naturkundlichen Texte zur Manticora findet sich im Lucidarius,
einem Lehrgespräch, das zwischen 1190 und 1195 entstanden ist, ebenso in der
Weltchronik des Rudolf von Ems aus dem 13. Jahrhundert.
46
D. Das Einhorn in christlichen und mittelalterlichen Quellen
In der Bibel und in den Schriften nach Beginn der Jahreszählung wird das
sagenumwobene Einhorn zwar erwähnt, gewinnt aber erst im Mittelalter mehr an
Bedeutung, sowohl im Bereich der Mystik, als auch in der damaligen Wissenschaft
und Medizin Der ägyptische König Ptolemäus II. ließ im 3. Jahrhundert v. Chr.
angeblich 72 jüdische Gelehrte das Alte Testament übersetzen. Jenen Gelehrten war es
also zu verdanken, dass das wundersame Tier seinen Weg in die Bibel schaffte. Sie
übersetzten das hebräische Wort für „re’em“ mit dem Wort monokeros. Eigentlich
bedeutet dies so viel wie Wildstier oder Auerochse. Anscheinend war den Gelehrten
dieses Tier nicht näher bekannt. In einer Bibelstelle (Job 39,9) wird von der
unglaublichen Kraft des Tieres berichtet. In der hebräischen Fassung der Bibel wird
aber nur einmal vom Horn im Singular gesprochen, sonst immer im Plural „re’emim“.
Durch die Berichte und Aufzeichnungen der Kirchenväter, die sich an Aelian und
Plinius orientierten, schaffte das Einhorn „den Sprung“ ins Mittelalter. Vor allem der
mystische Charakter des Wesens wurde hier mitübernommen. Aus der Zeit der
Kirchenväter gab es kaum bildliche Darstellungen des Einhorns. Der heilige
Hieronymus, der für die Bibelübersetzung verantwortlich war, setzte „rhinokeros“ und
„monoceros“, mit „unicornis“ gleich. Somit kam das Tier nun auch in die lateinische
Bibelversion, in die Vulgata. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Einhorn
durch einen Übersetzungsfehler in die Bibel gelangte. Dank der Kirchenväter trat das
Einhorn als Symboltier der Kirche, sowie auch Löwe, Stier, Adler und Taube, als
Sinnbild des göttlichen Opfers wieder in Erscheinung. In Martin Luthers
Bibelübersetzung wurden dann die Worte „monoceros“ beziehungsweise „unicornum“
mit Einhorn übersetzt. Womit das Einhorn auch in der deutschsprachigen Bibel
bestehen blieb
Der öfter erwähnte Physiologus (um 200 n. Chr.) beschreibt das Einhorn wie folgt:
„Es ist ein kleines Tier, ähnlich einem Böckchen, und überaus
mutig. Nicht vermag der Jäger ihm nahezukommen, weil es so
stark ist. Ein Horn hat es mitten auf dem Kopfe. Wie wird es
nun gefangen? Eine reine Jungfrau bring man in seine Nähe,
und da springt es in ihren Schoß, und die Jungfrau zähmt das
Tier und bringt es in den Palast zum König.
Aus einem Physiologusmanuskript, 12. Jahrhundert
Die Theologie nutzte die Geschichten des Physiologus und übernimmt vielerlei
Symbole und Inhalte, um den Menschen das Christentum und die Bibel plausibel zu
machen und auch näher zu bringen Die Legende der Zähmung durch die Jungfrau ist
ein wichtiger Punkt, der den Mythos bis in die Jetztzeit bestehen ließ. Alexandrien gilt
als Ursprungsort. Er wäre auch naheliegend, sind doch die regen
Handelsbeziehungen zwischen Alexandrien und Fernost beziehungsweise Indien
nachgewiesen. Damit wäre auch der indische Einfluss auf die Geschichte rund um das
Einhorn geklärt.
47
Der Fang des Tieres durch die Jungfrau wird als Menschwerdung Christi gedeutet.
Das Einhorn nimmt im Schoß der Jungfrau die Stellung des Kindes ein. In anderen
Versionen wird das Tier auch von brutalen Jägern niedergestoßen und zeigt somit den
Leidensweg Jesu. Religiöse und irdische Motive liegen nahe beieinander. Eine
Weiterentwicklung des Physiologus erkennt man in den Bestiarien, die reine
Tiergeschichten waren. Hier kommt vor allem der erotische Charakter der Einhörner,
wie wir sie in der indischen Version kennen, zum Tragen. Hier nimmt es nicht die
Stellung des Kindes ein, sondern die der Manneskraft.
Marco Polo (1254 – 1324) behauptet, wie auch anderer Reisende, ein Einhorn mit
eigenen Augen gesehen zu haben. In seinen Reiseberichten erwähnt er ein Tier mit
ziemlich plumpem Körper mit einem schwarzen Horn auf der Stirn, das ein
eigentümliches Verhalten zeigte. Es habe den Kopf immer zur Erde gewandt hat und
wälze sich oft im Schlamm. Er fragte sich, wie sich ein so großes Wesen im Schoß einer
Jungfrau wohl fühlen könne. Vermutlich sah auch Marco Polo nur ein Nashorn.
Das Einhorn findet man, auch heute noch, zahlreich in Wappen von Herrscherhäusern
oder Familien. Warum gerade dieses Tier dafür verwendet wurde, klingt plausibel,
wenn man bedenkt, dass das Einhorn als Sinnbild für Tapferkeit, Frömmigkeit,
Keuschheit und vor allem Mut und Stärke, genau die Werte, die für das ideale
Rittertum von Bedeutung waren. In nahezu allen europäischen Ländern war es auf
Wappen, Grabsteinen oder auch in Liedern und Gedichten zu finden.
Das bekannteste Wappen mit dem sagenumwobenen Einhorn
darauf, ist vermutlich das englische Wappen, welches bei der
Vereinigung England und Schottland im 17. Jahrhundert
entstand. Das Tier wurde gemeinsam mit einem Löwen
abgebildet, wie es in der Heraldik oft üblich ist
Starke, repräsentative Tiere wurden nicht nur als Wappentiere
verwendet. Nachdem im 13. Jahrhundert die ersten
Apotheken gegründet wurden, bekamen sie Namen von starken Tieren, wie Bären,
Adler, Löwe und eben auch Einhorn. Außerdem war es auf Grund der medizinischen
Wirkung des Horns naheliegend
48
Das Einhorn wurde auch in der Schöpfungsgeschichte erwähnt. Es war Bestandteil
des Paradieses und laut Bibel war es
Adam, der dem Tier einen Namen
gab, weshalb es Gott über alle
anderen Tiere stellte. Erkennbar ist
dies
beispielsweise
an
einem
Schöpfungsteppich aus dem 11.
Jahrhundert, welchen man in der
Schatzkammer von Gerona findet.
Schöpfungsteppich aus Gerona
„Die Dame mit dem Einhorn“, Wandteppich aus der
Gobelin Serie, um 1512
Eine der wichtigsten Quellen rund um die Jungfrau und das Einhorn im Mittelalter
ist der Wandteppich von Cluny aus dem Jahre 1512 mit dem Namen „Dame mit dem
Einhorn“ Es handelt sich um sechs, einige Meter große Teppiche mit rotem floralem
Hintergrund. Auf jedem der Teppiche befindet sich eine Dame in wechselnden
Kleidern, zahlreiche Tiere und eben auch Löwe und Einhorn, zwei Gegnerspieler der
Heraldik. Während auf einem der Abbildungen das Einhorn im Schoß der Dame liegt,
fasst auf einer anderen die Frau das Horn an, womit die Zähmung angedeutet werden
soll.
Lange Zeit galt das Horn des Einhorns als Universalheilmittel. Auch heute noch
werden in vielen Kulturen horntragende Tiere wegen der angeblichen Wirkung
gejagt. Das Horn des Einhorns hatte, laut unterschiedlicher Berichte zu Folge,
medizinische Wirkung. Ktesias und Megasthenes schrieben schon von dem
antitoxischen Effekt und viele spätere Autoren hatten dies kopiert. Der Physiologus
betonte nicht nur letztere Wirkung, sondern gab dem Ganzen noch eine christliche
Konnotation, indem er erwähnte, dass das Einhorn ein Kreuzzeichen ins Wasser
schlug. In Indien galt es seit jeher als Antitoxin. Ist eine Flüssigkeit vergiftet und gießt
man diese in einen Hornbecher, sollte diese sofort zu schäumen beginnen. Das Horn
galt aber nicht nur als Heilmittel, sondern in Fernost auch als Aphrodisiakum. Über
die Jahrhunderte weg wurde es als solches immer beliebter, weshalb es in der
Renaissance und im Spätmittelalter nahezu unerschwinglich wurde. Es galt als so
49
kostbar, dass es als Gabe von Königshaus zu Könighaus oder innerhalb des Klerus,
verschenkt wurde. Meist blieb es auch in dessen Besitz. In den Quellen vor der ersten
Jahrtausendwende wird noch in keiner Weise die Heilwirkung des Horns selbst
genannt.
Im Physiologus wird lediglich die antitoxische Wirkung erwähnt. Die römischen und
griechischen Gelehrten wie Plinius, Aristoteles schenkten dieser Legende allerdings
keine Beachtung, ebenso die großen Mediziner Hippokrates oder Galenos. Erst in der
Renaissance wurde wieder auf die antitoxische Wirkung eingegangen. Beginnend von
der Pest, sollte es fast jede damals bekannte Krankheit heilen. Conrad Geßner
vermutete, dass es auch gegen Tollwut oder Würmer helfen würde. Die Herstellung
des Wundermittels war nicht aufwendig. Meist wurde Material vom Horn abgeschabt
und mit Flüssigkeit oder Salben vermischt. Es sollte nicht nur vor Vergiftungen
schützen und Krankheiten jeglicher Art heilen, sondern auch Gifte anzeigen.
Angeblich geriet die Flüssigkeit dann in Wallung. Hatte man Besteck aus Einhorn
begann es beispielsweise zu schwitzen bevor es mit dem vergifteten Mahl in
Berührung kam. Becher oder auch schon Tischschmuck aus diesem wertvollen
Material sollten vor den Vergiftungen schützen.
Hildegard von Bingen war eine der Ersten, die sich mit der Heilwirkung des Einhorns
beschäftigte. Sie hatte als Vorstand des Klosters Zugang zu zahlreicher, antiker
Literatur. Sie beschrieb das Horn nicht als Art steinernen, sondern als „glasklaren
Knochen“. Für Hildegard von Bingen sollten vor allem Leber und Fell als Medizin
verwendet werden.
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E. Der Phönix
Aus dem Aberdeen Bestiarium
Mit dem Phönix verbinden wir seine Eigenart, sich dann, wenn in die Jahre
gekommen, ein Nest aus duftenden Kräutern und Hölzern zu bauen,
vorzugsweise auf einer Palme (deren griechische Bezeichnung phoinix
gleichlautend mit der des Vogels selbst ist) und sich dort flügelschlagend mit den
Strahlen der aufgehenden Sonne selbst in Brand zu setzen, um anschließend aus
der Asche erneuert in aller Jugendfrische wiederzuerstehen. Alle fünfhundert
Jahre soll das geschehen, nach manchen Quellen auch nur einmal im Millennium,
oder, wie Tacitus erwähnt, gar nur alle 1461 Jahre.
Isidor von Sevilla bemerkt in seiner Etymologie, über den Phönix: Phoenix ist ein
Vogel Arabiens, so benannt, weil er von phönizische Farbe ist oder aber weil er der ganzen
Welt einzig und einmalig ist. Denn die Araber meinen mit phoenix einzigartig. Diese leben
länger als 500 Jahre, und wenn er alt zu werden scheint, stürzt er sich, nachdem er
Gewürzzweige gesammelt hat, auf den Scheiterhaufen, und nährt, flügelschlagend zu den
Strahlen der Sonne gewandt, freiwillig sein Feuer und erhebt sich wiederum aus der Asche.
Das ist auch der Grund, weshalb der Phönix dem christlichen Mittelalter zum
Symbol für den freiwilligen Tod Christi, als dessen Bild er auch im für das
Mittelalter so bedeutsam werdenden Physiologus (dessen Entstehung zwischen ca.
200 - 400 n.Chr fällt) erscheint, für Wiederauferstehung und Unsterblichkeit
wurde. Sein Aufenthaltsort ist nach dem frühchristlichen Autor Lactantius, der
ihm ein Gedicht widmet, ein fernes, hochgelegenes Paradies im Osten, dem
51
Himmelstor nahegelegen, dessen Zentrum der Brunnen mit dem Wasser des
Lebens bildet, der zwölfmal im Jahr ausbricht. Der Phönix dient dort dem Phoebus
durch seinen Gesang. Alle 1000 Jahre muss sein Paradies verlassen, um sich zu
erneuern; zu diesem Zwecke fliegt er nach Phönizien, wo er dann die
Vorbereitungen für seine Verjüngung trifft, indem er auf der bereits erwähnten
Palme sein Nest aus aromatischen Kräutern baut. Nach getaner Metamorphose
setzt er seinen Flug mitsamt den Überresten seines alten Körpers nach Heliopolis
in Ägypten fort. Dort zeigt er sich einmalig den Menschen, ehe er wieder für das
nächste Jahrtausend in die Heimat zurückkehrt.
Isidors Etymologien waren wie der Physiologus im folgenden Jahrtausend
außerordentlich erfolgreich. Beide wurden zu wichtigen Quellen für die
patristischen
Werke
geistlicher
Tierauslegung,
die
mittelalterlichen
Naturenzyklopädien, Bestiarien und literarischen Werke. Wichtig für die
Konstituierung des Phönix als christliches Symbol in der Kunst und Literatur des
Mittelalters wurden neben dem Physiologus vor allem die Schriften der
Kirchenväter, in denen der Folge des Öfteren erwähnt wird. Zusammenfassend
lassen sich aufgrund der frühchristlichen Schriften und den Versionen des
Physiologus folgende wesentliche Elemente bei der Beschreibung des Vogels
festhalten:









Der Phönix heißt so wegen seiner purpurnen Farbe(=lat. Phoeniceus)
Es gibt nur einen auf der ganzen Welt
Der Vogel ist bisexuell bzw. asexuell
Seine äußere Erscheinung wird meistens vage beschrieben. Er wird
gelegentlich mit einem Pfau oder Adler verglichen ist außerordentlich
schon, sein Gefieder einfarbig verschiedenfarbig oder mit Edelsteinen
durchsetzt, sein Kopf mit einem Krönlein geschmückt. Eine Kugel befindet
sich zu seinen Füssen.
Gewöhnlich erscheint er im Blickfeld des Menschen um zu sterben und
wieder geboren zu werden.
Am häufigsten ist von einer zyklischen Lebensspanne von 500 Jahren die
Rede. Die Periode kann aber auch mehr als 500. 540 1000 Jahre oder eine
sonstige Zeitspanne betragen
Als Aufenthaltsorte de Vogels werden genannt, Arabien, Indien Ägypten
insbesondere Heliopolis, der Libanon und das himmlische Paradies.
Um zu sterben bereitet der Vogel oder ein Priester ein Nest aus Zweigen
eines Weinstocks oder aromatischen Hölzern. Die Sonnenstrahlen
entzünden den Scheiterhaufen und der Phönix wird von den Flammen
verzehrt. Aus der Asche entsteht ein Wurm, der zu einem jungen Vogel
wird und dann die Gestalt seines Vorgängers erreicht. Die Zeitspanne,
welche die Metamorphose braucht, wird entweder mit drei Tagen angeben
oder bleibt unerwähnt.
Mittelalterliche Schriften, wie das Aberdeen Bestarium, aus dem obige
Abbildung stammt, stellen in wiederum gerne raubvogelhaft, in Form des
Falken oder des Adlers dar 52
Die natürlichen Eigenschaften des Phönix werden am ausführlichsten in den großen
Enzyklopädien des 13. Jahrhundert beschrieben, und zwar bei Thomas von
Cantimpré (Liber de natura rerum) Bartholomäus Anglicus (De proprietatibus rerum)
und Vinzenz von Beauvais (Speculum naturale). Die Autoren berufen sich auf Plinius
und Solinus, den Physiologus, und Isidor.
Neben den naturgeschichtlichen Beschreibungen finden sich in der volkssprachlichen
Dichtung des Mittelalters zahlreiche Belegstellen für die Verbreitung des Mythos in
der Lyrik der gelehrten Spruchdichte wie beispielsweise bei Heinrich von Mügeln.
53
IV.
DÄMONEN - Zwischen Göttern und Menschen
A. Begriffsklärungen
Ab dem Mittelalter ist der Begriff Dämon ausschließlich negativ konnotiert. Das ist
sicherlich als Ergebnis der christlichen Auseinandersetzung mit dem antiken
Dämonenglauben und dem neutestamentlichen Dämonenbild zu werten. Die
Vieldeutigkeit der Etymologie des Begriffes stellt die moderne Interpretation dieses
archaischen Begriffes vor enorme Schwierigkeiten. Etymologisch wird das griechische
Wort daímōn mit dem Verbum daíomai = „teilen“ bzw. „zuteilen“ verbunden. Ein
Daimon ist also eine Entität, die etwas teilt oder auch zuteilt. Da die Etymologie nicht
sicher ist, lassen sich daraus für die antike Charakteristik des Daimon keine sicheren
Schlüsse ziehen. Der Sinn muss also dem jeweiligen Kontext entnommen werden.
Auf den ersten Blick eröffnet sich eine Fülle von unterschiedlichen Bedeutungen und
auch Varianten zu häufigen Konnotationen. Dennoch gibt die Etymologie einen ersten
Hinweis, nämlich dass Daimon eine unverständliche Macht bezeichnet, die ins
menschliche Leben eindringt, ohne dass ihre Herkunft feststeht. Der griechische
Begriff Gott, theós, ist eindeutig bestimmbar als Bezeichnung für eine individuell mit
Namen benennbare Gottheit, so kann diese Definition für Daimon nicht in Anspruch
genommen werden. Theos und Daimon waren zu keiner Zeit deckungsgleich, jedoch
gab es durchaus Überschneidungen.
Erschwerend zur Darstellung hinzu kommt die forschungsgeschichtliche
Einordnung. Die ältere Forschung und ihre bedeutendsten Vertreter Tylor, Wundt
und Frazer, haben versucht, Ursprung und Entwicklung der Dämonen
nachzuzeichnen, indem sie die Geister und Dämonen als Vorstufen der Götter
interpretieren. Damit stufen sie die Geister als historisch älter als die Götter ein. Diese
These lässt sich in der heutigen religionswissenschaftlichen Forschung nicht
aufrechterhalten. Da die Zwischenwesen mit einem evolutionistischen Ansatz nicht
zu erklären sind, muss man eine Klassifizierung ins Auge fassen, die zwischen
positiven, negativen und neutralen bzw. ambivalenten Zwischenwesen unterscheidet.
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Das ägyptische Pantheon verfügte über eine große Anzahl von Dämonen, das diese in
Erde, Luft und Wasser lokalisierte. Ebenso gab es die sumerische und babylonische
Götter- und Geistervorstellung, die neben himmlischen Geistern auch ortsgebundene
verehrte, die sich auf und in der Erde aufhalten. Im indischen Pantheon sind die
Dämonen Gegenspieler der Götter und depotenzierte Götter. Es existieren
verschiedene Dämonenstämme, die Daityas, Danavas und die Rakshasas, die in
tierischer Gestalt, aber auch als hässliche menschenähnliche Riesen dargestellt
werden, die auf Begräbnisplätzen hausen und Menschen aufhocken, also den
Vampiren ähneln.
Eine Systematik der Dämonenlehre ist von den Persern bekannt, die dem Schöpfergott
Ahura Mazda sieben Amschaspands und Ahriman, dem obersten Zerstörer, neben den
sieben Daevas noch zahlreiche Dämonen unterordnete. Die altiranische Dämonologie
sah vor allem in Krankheit, Unglück und jeglicher Unbill das Wirken von Dämonen.
Die Daevas oder auch Druj – aus dem altavestischen druj bzw. drug – von Lüge, Trug
abgeleitet – kennzeichnet ihr Wirkungsfeld in Bezug auf die Menschen. Sie betrügen
diese und verblenden sie. Der oberste Herr ist Ahriman, der Volksglaube kennt die
bösen Paris und Yatus, die die Menschen täuschen. Im Zoroastrismus ist die Dämonin
Drug die Personifikation der Lüge und des Betruges. Das Laster des Zornes vertritt
der später unter dem Namen Asmodeus bekannte Dämon Aesma Deava. Die
zoroastrische Dämonologie beeinflusste die jüdische und indirekt die christliche in
ihren dualistischen Vorstellungen von bösen Dämonen.
Das Judentum kennt die Schedim, das sind Halbgötter oder Geister. Das Lehnwort aus
dem Akkadischen bezeichnet eine gute, beschützende Macht. Psalm 106, 37 erwähnt,
dass den Dämonen von heidnischen Völkern Opfer dargebracht wurden, aber auch
das Volk Israel betete immer wieder zu Götzen.
55
B. Dämonen bei Griechen und Römern
Die homerische Zeit bezeichnet mit Daimon das Wirken eines Gottes, der konkret nicht
immer genannt wird bzw. nicht genannt werden kann. Die negative Bedeutung, die
dem Begriff eignet, ist auch in der Doppelmacht der olympischen Götter zugrunde
gelegt. Diese behandeln die Menschen teils wohlwollend, teils grausam. Es zeigt sich,
dass sowohl den Göttern als auch den Daimones jeweils beide — maligne als auch
benigne — Eigenschaften in Bezug auf die Menschen zugeschrieben werden. In
nachhomerischer Zeit wird der Glaube an besondere Heils- und Segensgötter
entwickelt, auch Kulte aus anderen Kulturkreisen finden Eingang ins griechische
Pantheon. So werden beispielsweise Pan, Serapis, Isis, Kybele, Dionysos, Eros, Leto,
Apollo, Nemesis usw. Daimones genannt. Außerdem treten die chthonischen
Gottheiten, also die Unterweltsgötter, in den Vordergrund. Hinzu kommt, dass alles
Übel, besonders der Tod, nicht mehr dem Wirken eines bestimmten Gottes
zugeschrieben, sondern als Eingriff einer göttlichen Macht, einer Schicksals- und
Todesmacht umgedeutet wird. So schreiben die nachhomerischen Griechen den Tod
entweder dem Daimon oder der Schicksalsgöttin Moira zu.
Dass Daimones den Göttern wesensverwandt sind, darf angenommen werden, sie
werden wie diese verehrt und erhalten Opfer. Ebenso wie die Heroen sind Daimones
Mittler und Fürsprecher des göttlichen Willens, insbesondere an Orakelstätten, wie
die dort gefundenen Anfragen bezeugen. Daimones und Heroen sind aber klar
getrennt, denn Heroen unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt von den
Daimones: sind Abkömmlinge von Göttern und Menschen.
Schon Hesiod hat den Daimon-Begriff eingegrenzt, nur noch selten werden die
olympischen Götter mit Daimones identifiziert, und der Begriff trägt im Singular
immer mehr einen pejorativen Akzent. Abweichend von Homer (2. Hälfte des 8.
Jahrhundert. v. Chr.) hat Hesiod (vor 700 v.Chr.) Daimones als Menschen des
vergangenen Goldenen Zeitalters verstanden, die nach ihrem Tod zu Wächtern der
Lebenden werden und ihnen Reichtum bringen. Die in Inschriften genannten Theioi
Daimones sind Seelen der Verstorbenen, und zwar bei den Orphikern jene besonderen
Seelen der Geweihten, die nach ihrem Tod zu Theoi erhoben werden. Davon ist die zur
selben Zeit entstandene Konzeption der Begleit-Daimones der Verstorbenen zu
unterscheiden. Als Schutzdaimon ist dieser dem Einzelnen beigegeben, kann ihn aber
verlassen und ein anderer Daimon an seine Stelle treten. Dadurch kann aber auch ein
übler Daimon vom Menschen Besitz ergreifen. Betrachtet man die Daimones als etwas,
das positiv bzw. negativ auf den Einzelnen wirkt, so hat sich daraus das Konzept eines
persönlichen Daimons entwickeln können. Die Vorstellung eines Begleitdämons der
Lebenden existierte nur in Ansätzen, während die Vorstellung eines (Begleit-)Daimons
Verstorbener einen wichtigen Stellenwert einnahm. So hat sich die Vorstellung eines
persönlichen Schutzgeistes, der die Lebenden führt und bewacht, folglich erst aus
dem Daimon der Verstorbenen entwickelt und seine Verehrung ähnelt dem Kult der
chthonischen Götter.
Die Bezeichnung Daimones ist folglich für die Seelen der Verstorbenen und für die
Toten selbst in Gebrauch. Nach Unterscheidung der Götter und anderer Kräfte kann
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erst die Aufteilung in gute und böse erfolgen. Das Unheil wird den Daimones
zugeschrieben. Schon in der Frühzeit werden diese, worunter vor allem die
chthonischen Götter zu verstehen sind, angerufen. Unter deren Schutz steht der Tote
nach der Bestattung. Daneben gibt es die Daimones, die als Begleiter der Toten diese
ebenso schützen. Darüber hinaus ruft man Daimones an, die als Totenseelen für die
Bestrafung von Grabschändern auftreten, bzw. überhaupt Rachegeister, die
Verbrechen sühnen. Aus den individuellen Mächten, die als Daimones angesehen
werden, entsteht durch Vermischung unterschiedlicher Vorstellungen ein neuer
Gattungsbegriff der Daimones.
Ursprünglich umfasst der Begriff also gottähnliche Wesen, unabhängig ob
wohlwollend oder Schaden bringend. Im Christentum ist ein Dämon hauptsächlich
ein böser Geist und gehört zu den Heerscharen Satans. Die Etymologie der
griechischen Daimones wird von manchen Forschern auf „ich lerne“, „ich werde
belehrt“ zurückgeführt; das Wort Daimon bezeichnet demnach ein issendes Wesen.
Bei den Griechen ist ein Gott der größte und mächtigste Daimon, als zweites
Bedeutungsfeld beinhaltet der Begriff die vom Körper getrennte menschliche Seele.
Am häufigsten wird Daimon als Mittler zwischen Gott und den Menschen aufgefasst.
Antike und frühchristliche Meinungen zur Beschaffenheit und Funktion der
Dämonen sind keineswegs homogen. Die nachplatonische Dämonologie sieht sie als
Mittler zwischen Göttern und Menschen, die mächtiger als die Menschen, aber nicht
so rein wie die Götter sind. Xenokrates (395-313 v. Chr.) unterscheidet zwischen guten
und bösen Dämonen. Einen Teil betrachtet er als Menschenseelen vor oder nach der
Wiedergeburt. Die Dämonenlehre der Stoa denkt sich die Dämonen als sterbliche
Wesen mit menschlichen Empfindungen, während sie für den Geschichtsschreiber
Poseidonios (135-51 v. Chr.) unsterblich sind, er setzt sie mit den Seelen gleich, die den
Körper verlassen haben.
Die Platoniker ordnen alle Entitäten mit Vernunftbegabung und Seele drei Gruppen
zu: den Göttern, Dämonen und Menschen. Zwischen Göttern, die an oberster Stelle
sind, und den Menschen stehen die Dämonen. Diese sind wie die Götter unsterblich,
besitzen aber wie die Menschen Affekte. Der Neuplatoniker Apuleius (125-180) nennt
die Dämonen beseelte Wesen, sie sind affektiv und vernunftbegabt, sie haben einen
luftigen Körper und sind unsterblich. Die Dämonenlehren der Platoniker Plutarch (45125), Maximos (ca. 310-372), Apuleius und Kelsos (2. Hälfte 2. Jahrhundert.) sind
synkretistisch und lassen außerdem Volksvorstellungen mit einfließen. Plutarch
behauptet, wie auch Xenokrates, ihre Zwischenstellung. Er hält die Dämonen für
langlebig, aber nicht unsterblich. Dieser Punkt ist von den jeweiligen Platonikern
unterschiedlich beurteilt worden.
Porphyrios (233–305) begründet die Lehre von den guten und bösen Dämonen neu
und verknüpft sie mit der Pneumalehre. Die Dämonen binden sich an das Pneuma,
worunter ein feiner, luftähnlicher Stoff verstanden wird, den die Seele beim Abstieg
durch Sphären aufnimmt und den sie beim Aufstieg wieder verliert. Mit dem Pneuma
umgeben sich die Dämonen, es kann Materie resorbieren und ihre Träger sichtbar
werden lassen. Die Einteilung der Dämonen in gute und böse ergibt sich aus deren
57
Verhältnis zum Pneuma. Die Bösen werden durch das Pneuma beherrscht und sind
mit der Materie verhaftet, sodass sie erscheinen. Obwohl sie keine festen Körper
besitzen, können sie je nach Dichte des Pneumas dennoch eine wahrnehmbare Form
annehmen. Der von der iranischen, jüdischen und frühchristlichen
Dämonenvorstellung beeinflusste Porphyrios führt als erster Philosoph der
Spätantike den Teufel als Herrscher der Dämonen in die spätgriechische Philosophie
ein.
Die Lehre des mystischen Philosophen Iamblichos (4. Jahrhundert n.Chr.) stellt die
verschiedenen göttlichen Wesen in unterschiedlichen Entwicklungsstufen dar, ihre
Funktion besteht darin, die äußersten Pole Götter und Menschen durch eine große
Zahl von Zwischenstufen miteinander zu verbinden. Ein Charakteristikum der
höheren Wesen ist, dass sie nicht über einen Körper verfügen, aber an der
körperlichen Welt teilhaben können. So gibt es keine höheren Dämonen, denn Äther,
Luft und Wasser sind die Elemente, in denen sich die höheren Wesen offenbaren. Das
Geschlecht der Dämonen grenzt an die Götter an, ist aber weniger vollkommen. Er
kennt Elementar- und Stoffdämonen, die ohne Vernunft und deshalb böse sind. Die
Stoffdämonen leben und wirken in Tieren, Pflanzen und Mineralien. Proklos (411–
485) übernimmt die traditionelle Ansicht von der Mittelstellung der Geister, Engel
und Dämonen: Sie besitzen Seele und Intellekt, haben aber keine Körper. Neben den
Dämonen nennt er auch noch die menschliche Seele, die zu den Dämonen
aufgestiegen ist. Alle Dämonen stammen aus dem Göttlichen, sind aber in drei
Klassen eingeteilt, weil sie nicht das gleiche psychische Wesen besitzen: Die höchste
Gruppe ist vernunftbegabt, die zweite besitzt Verstand, zur dritten Gruppe gehören
rein materielle Wesenheiten ohne Vernunft und Verstand. Sie sind das Bindeglied
zwischen Göttern und der sichtbaren Natur. Proklos unterscheidet Feuer-, Wasser-,
Luft- und Erddämonen sowie unterirdische Geister.
58
C. Engel und Dämonen in den abrahamitischen Religionen
Die Religionswissenschaft geht davon aus, dass der Engelsglaube auf dem
altorientalischen Götterpantheon bzw. Götterrat fußt. Ugaritische Texte
unterscheiden zwischen Göttern und göttlichen Wesen, die den Göttern als Boten
dienen. Welche Stellung der Engelsglaube in den unterschiedlichen Perioden der
jüdischen Religionsgeschichte, also im biblischen (70 n. Chr. – 2. Jahrhundert.) und
Talmudischen Epoche (6. Jahrhundert. – Gegenwart), eingenommen hat, wird
kontrovers diskutiert. Einigkeit herrscht darüber, dass der Engelsglaube vorbiblischen
Ursprungs ist. Da der kanaanitische Gott El oder der Meeresgott Jam feste Wohnsitze
haben, benötigen sie Boten für ihre Mitteilungen und senden ml’km oder mal’akim, die
von den Israeliten in ihr Gottkonzept eingegliedert werden. Die Babylonier
bezeichnen die Götterboten oder Diener der Gottheit als angulu oder kar, sie glauben
an wohl- und übelgesinnte Geistwesen. Im Judentum kann sich die Vorstellung von
einem Engel Jahwes trotz des heidnischen Ursprungs durchsetzen. Dieser Engel hat
in den religiösen Texten sogar fast göttliche Züge angenommen, ist aber nicht mit
diesem identisch, sondern gewährleistet die Reinheit des Gottesbegriffes.
Neben den Botenengeln spricht das Alte Testament noch von den Cherubim, den
Seraphim u. a. Diese Geistwesen besitzen keine menschliche Gestalt, sondern sind
geflügelte Mischwesen, wie die in Genesis 3, 24 erwähnten Paradieswächter. Die
älteren Bücher des Alten Testaments lassen Gott noch sichtbar auf Erden erscheinen
und mit den Menschen kommunizieren. Mit der Entwicklung der Gottesvorstellung
als Himmelsherr schwindet der Gedanke an das persönliche Erscheinen Gottes, und
Jahwe rückt in unzugängliche Distanz. Diese Stelle nehmen nun die Engel ein, die die
Kommunikation zwischen Gott und den Menschen regeln, seinen Willen und sein
Wort offenbaren.
Der Engel Jahwes nimmt im Alten Testament eine Sonderposition ein und entwickelt
sich zum Schutzwesen des Volkes Israel. Zahlreiche Texte handeln von seinem Wirken
und Eingreifen in die Geschicke der Stämme Israels. Seine Gegenwart äußert sich in
Visionen, Auditionen und Träumen. Der Gerichtsengel verteidigt die Menschen vor
dem himmlischen Gerichtshof vor den Anschuldigungen Satans. Der
Gerichtsgedanke ist in allen altorientalischen Religionen anzutreffen. Die Götter
richten die menschlichen Taten und ordnen ihnen dementsprechende Schicksale im
Jenseits zu. Das Alte Testament hat dieses Motiv übernommen, und Thomas von
Aquin begründet im Mittelalter die Lehre vom Partikulargericht, das nach dem Tod
die individuellen Taten der Menschen beurteilt.
Die Engel nehmen in der Prophetie eine eigene Stellung als Sprecher und Gottesboten
ein. In der nachexilischen Zeit kommen sie nicht mehr sichtbar zu den Menschen,
sondern nur in deren Visionen. Der Engelglaube, d.i. die Angelologie, hängt also mit
dem Ende der Prophetie in der persischen Zeit und der Wiederaufnahme der
Engelwesen als Gottesboten zusammen. Vorher hat es keines Gottesboten als Mittler
zwischen Jahwe und dem Volk bedurft. Das Aufkommen einer systematischen
Engellehre geht mit einer Verschmelzung der Boten- mit der Thronratskonzeption
einher, wie sie die Propheten geschildert haben. Die Mitglieder des himmlischen
59
Thronrats übernehmen die Funktionen und Charakteristik des Boten. Geister und
Engel haben in der Theologie des nachexilischen Judentums besondere Wichtigkeit.
Obwohl in den Schriften des Spätjudentums zahlreiche Engelsnamen in Vierer- oder
Siebenergruppen gelistet werden, haben nur wenige eine eigene Charakteristik, wie
z.B. die bedeutendsten Michael und Gabriel. Die Urengel besitzen eine höhere
Qualität, was schon in ihren Namen kenntlich wird. Denn der Name ist nicht nur im
Alten Testament, sondern auch im Alten Orient Aussage darüber, was den Engel oder
eine Sache ausmacht. Die Endung el in ihren Namen bezieht sich auf ihre Verbindung
mit dem sie hervorrufenden und sendenden Gott. So bedeutet Michael „wer ist wie
Gott“, Gabriel „die Stärke oder Zeugungskraft Gottes“, Raphael „Gott heilt“ und Uriel
„Gott ist Licht“ oder auch „Licht Gottes“. Die vier Erzengel bewachen die Tore des
Lebens, Anfang und Ende des Menschen, halten Gericht über Satan und seine Scharen
und stürzen Satan in den Abgrund. Michael sitzt über dem besten Teil der Menschen,
also über dem heiligen Volk und dem Chaos. Obwohl er „der Barmherzige“ und „der
Langmütige“ heißt, ist er der ranghöchste Engel und führt das Engelheer gegen die
gefallenen Engel zum Sieg an, geleitet die Seele über die Grenze von Leben und Tod,
steht ihnen bei Gericht bei und verteidigt sie gegen die Anklagen des Satans.
Gabriel ist jene Macht, welche alles keimende Leben beschützt, da er mit dem
Zeugungsprozess verbunden ist, Raphael ein Menschenfreund, Uriel der Führer der
Sterngeister und ein Wächter der Opfergaben. Das Henochbuch nennt Gabriel,
Michael, Uriel und Raphael als Fürsprecher der Menschen. Die Qumran-Schriften
unterscheiden zwischen dem Engel des Lichts und der Finsternis, bzw. dem Engel der
Wahrheit und des Irrtums. Das Neue Testament misst dem Engelsglauben keine
selbständige Bedeutung bei, Engel treten in bestimmten Schlüsselszenen auf,
interpretieren aber nur, da nun Christus in den Fokus rückt.
Jeder Engel hat ursprünglich eine besondere Zuständigkeit, wie z.B. der Todesengel,
der die Seele vom Leib löst. Letzterer hat sich zu einer selbständigen Größe entwickelt
und trägt im Alten Testament noch Züge des kanaanitischen (aus Kanaan = Galiläa)
Unterweltgottes. Die Rabbinische Literatur setzt den Todesengel mit den Dämonen
Satan und Samuel gleich. Aufschlussreich ist die im Buch Tobit niedergelegte
Geschichte des jungen Tobias, des Sohnes des Tobit, den der Engel Raphael als sein
Schutzengel in magische Praktiken einweiht. So leitet er ihn an, einem Fisch Herz,
Leber und Galle zu entnehmen und aufzubewahren. Der Engel klärt Tobias darüber
auf, dass Fischherz, -leber und -galle gegen Besessenheit durch einen Dämon helfen.
Mit diesem Ratschlag kann Tobias auch eine Braut für sich gewinnen, die von einem
eifersüchtigen Dämon bewacht wird. Er verbrennt Fischherz und -leber und der
Dämon flieht nach Ägypten, der Engel fesselt ihn dort und lässt ihn nicht mehr
entkommen.
Farben differenzieren nicht nur Gottheiten, sondern auch Engel. Aus den
vielschichtigen Farbensymboliken der Antike hat sich die christliche sakrale
Farbsymbolik entwickelt und damit auch die Zuordnung der Farben der Engel. Die
Voraussetzung ist, dass alle Farben aus dem Weiß ihres Ursprungsortes kommen. Je
mehr sie sich vom Weiß wegbewegen, desto dunkler werden sie. Zum Weiß des
60
göttlichen Lichts gesellt sich sehr bald das feurige Rot, wie auch die Gottheit mit einer
rotglühenden feurigen Aura umgeben ist. Grün als Engelsfarbe taucht spät auf,
obwohl Grün eine jahrtausendealte Symbolgeschichte besitzt. Grün ist im
griechischen Mythos die Farbe der Meergottheit, im Islam gilt Grün als Symbol der
Erkenntnis Gottes.
In der mittelalterlichen Zeit hat zuerst die hl. Hildegard von Bingen, die
Benediktinerin und Visionärin, eine neue Engelsystematik vorgelegt. Sie schildert in
ihrer 6. Vision die Engelschöre, die ebenfalls nach einer Rangordnung gegliedert sind
und schon aus den Schriften des Pseudo-Dionysius bekannt sind. Die Geister im
ersten Chor sind am menschenähnlichsten und für die Umsetzung des Willens Gottes
zuständig. Der zweite Chor besteht aus den geflügelten menschengesichtigen
Erzengeln. Der Unterschied zu Pseudo-Dionysius Engelsystematik besteht darin, dass
auch zwischen niederen Engeln und Gott eine direkte Verbindung besteht. In der
mittelalterlichen Visionsliteratur ist die Bedeutung der Engel als Führer ins Jenseits,
oder aber als Verkünder von Gottes Wort zentral.
Abgesehen von anderen Angelologien und Systematisierungsversuchen hat erst
Swedenborg eine neue Systematik geschaffen. Er ist, wie die Visionäre vor ihm,
überzeugt, dass die Geistwesen sich den Menschen in Traum und Vision offenbaren.
Sowohl Engel als auch Dämonen besaßen der mittelalterlichen Vorstellungswelt nach
(zumindest luftige) Körper. Die Theologen diskutierten über die Beschaffenheit der
Engelkörper, so z. B. war Rupert von Deutz (1070–1129) der Meinung, Engel hätten
einen Luftkörper, während Honorius Augustodunensis (1080–1150) sich einen
Feuerleib vorstellte. Das IV. Lateran-Konzil definierte die Engel als spirituelle Wesen.
Die spätmittelalterliche Sicht der Engel verbildlichte sie so, wie sie uns bekannt sind:
als kindliche Gestalten. Die Engelverehrung, wie sie heute in gewissen esoterischen
Zirkeln üblich ist, betraf lediglich den Erzengel Michael.
Auch die dritte der abrahamitischen Religionen, der Islam, kennt Engel als Vermittler
der göttlichen Gnade im Unterschied zu den Dschinn, die den göttlichen Zorn
verwalten. Die Engel sind mit zwei, drei oder vier Flügeln ausgestattet, können lehren
und für andere handeln. Der Prophet Mohammed soll etwa einen Engel, der als
attraktiver Mann aus Mekka erschien, erblickt haben. In der persischen Poesie findet
sich das Bild von den beiden Schutzengeln, die die guten Taten der Menschen
niederschreiben, bei den bösen aber warten, um den Menschen Gelegenheit zur Reue
zu geben. Ebenso wie in jüdisch-christlicher Vorstellung sind auch im Koran Engel
Botschafter und Begleiter zum Offenbarungswissen, werden als gut und böse, als
Engel und Dämonen (Dschinn) beschrieben und besitzen Einfluss auf die Handlungen
und Taten der Menschen.
Besonderen Einfluss auf das christliche Konzept übte die platonistische und
neuplatonistische Kosmologie aus. Die persönlichen Gottheiten der Antike wurden
von der Vorstellung einer unmittelbaren Hilfe durch Gott, der besonderen
Vermittlertätigkeit der Heiligen und mit der Hilfe der Engel abgelöst. Seit dem
9. Jahrhundert lässt sich die besondere Verehrung des Schutzengels und hier ein
61
besonderer Kult des Erzengels Michael belegen. Im Spätmittelalter formte sich die in
katholischen Gebieten bis heute gültige Beziehung zum speziellen Namenspatron aus.
Der volkstümliche Schutzgeistglaube, eigentlich in christlicher Vorstellung
Schutzengelglaube, hat sich bis heute gehalten und sogar, verstärkt durch esoterische
Strömungen, eine Renaissance erlebt. Das Frühchristentum ist von der spätantiken,
synkretistischen Dämonologie insbesondere durch Clemens von Alexandria (150–
215) und Origenes (185–254) geprägt, die Kirchenväter systematisieren und
integrieren das spätantike Dämonenkonzept. Aus diesem entwickeln sich nun
gefallene Engel zu Dämonen. Schon das Judentum sowie das Christentum haben
heidnische Götter dämonisiert, außerdem nimmt man im Judentum die Verbindung
zwischen Engeln und irdischen Frauen an, wie sie Justin der Märtyrer und Tertullian
anführen. Die gefallenen Engel und Dämonen sind immaterielle Wesen, besitzen aber
eine feinstoffliche Substanz und damit eine Art Körper, ebenso die Engel.
Mit dem Sturz des Engels wird die Dämonologie grundlegend geändert. Wie erklären
die Schriften den Sturz Luzifers? Dieser hat vorher schon einen Thron inne, der sich
unter den Wolken, also schon auf Erden befunden hat, den er aber noch weiter nach
oben zu rücken trachtet. Luzifers Vergehen nimmt sowohl den späteren Sündenfall
Adams und Evas als auch den Frevel der Gottessöhne vorweg, er versucht gottgleich
zu werden. Offenbar geht es hier darum, dass die von Gott eingesetzte Hierarchie und
sein Beschluss von Satanel (später Satan) unterlaufen werden. Gott will nicht sein
erstes Geschöpf, den Engel, den strahlenden Sohn der Morgenröte, neben sich sitzen
haben, sondern Adam den Menschen. Diese Interpretation fußt auf dem Gedanken,
dass Gott zwei Schöpfungen vollbracht habe. In Genesis 1: 2-12 heißt es, dass die Erde
schon da gewesen ist – wenngleich nach der Verstoßung des Luzifer wüst und leer.
Gott hat offenbar seine erste Schöpfung nicht vollkommen gefunden, weshalb Luzifer
selbst eingreift und seinen Thron verrückt. Gemäß der syrischen Schatzhöhle, einer
Sammlung apokrypher Schriften, hat er aber noch eine Chance auf ein milderes Urteil,
es bleibt ihm die Möglichkeit, sich Adam zu unterwerfen; als er es nicht tut, wird er
verstoßen.
Eine andere Erklärung für den Engelsturz bietet das Äthiopische Buch Henoch: Die
Engel blicken mit Begehren auf die schönen Töchter der Menschen, und 200 von ihnen
steigen zu den Menschen herab und nehmen sich die Frauen. Außerdem lehren sie die
Menschen Zaubermittel, Beschwörungsformeln, Waffen- und Kräuterkunde,
Astrologie und Astronomie, Meteorologie und Gesteinskunde. Dieses sündige
Treiben melden die vier Erzengel an Gott weiter, und er schickt die Sintflut. Die
Frauen werden schwanger und gebären Riesen, die die Menschen, bedingt durch ihre
enorme Größe, zuerst arm fressen und dann schließlich auch sie selbst verschlingen.
Während diese ungehorsamen und wollüstigen Engel aus dem Fokus verschwinden,
wird die Position Satans durch seine Funktion als Gottes Widerpart besonders
bedeutsam. Im 2. Jahrhundert vor Christus war seine Figur im Judentum etabliert. Die
Ambivalenz des Bildes von Jahwe, der die Menschen straft und auch versucht, dann
wieder rettet und in der Sintflut ertrinken lässt, erhält mit der ausgelagerten Figur
eines Verführers, Versuchers und Betrügers der Menschen Ausgewogenheit durch
62
diese neue Rollenverteilung. Nun ist nicht mehr Gott der Urheber der Versuchungen
des Menschen, sondern der Teufel. Ein Widerspruch bleibt allerdings bestehen, denn
wenn der Teufel die Menschen versucht, dann ist er Gott ebenbürtig, wenn er einer
der Gottessöhne ist, dann ist Gott wieder für die Versuchung verantwortlich. Die
großen Theologen der Spätantike und des Mittelalters haben dafür den Gedanken der
„Zulassung Gottes“ eingeführt.
Minucius Felix (spätes 2. Jahrhundert) versteht die Dämonen als gefallene Engel, die
wegen ihrer irdischen Mangelhaftigkeit und ihrer Begierden dazu verurteilt sind,
zwischen Sterblichen und Unsterblichen, zwischen Geist und Körper zu stehen.
Michael Psellos (1017/18–1078) unterscheidet zwischen guten und bösen Dämonen
je nach gutartigem bzw. bösartigem Charakter aus der Sicht der Menschen, demnach
existieren himmlische Luftdämonen, Wasser-, Erd- und unterirdische Dämonen. Im
Unterschied zum grobstofflichen Menschen haben sie eine Art feinstofflichen Körper.
Meist treten Dämonen, wie auch die Engel, in Menschengestalt auf. Dennoch wird in
einer Reihe von talmudischen Texten die Behauptung aufgestellt, die Dämonen
würden sich, abgesehen davon, dass sie keinen Schatten werfen, von den Menschen
durch ihre Hühnerfüße unterscheiden. Häufig kommen sie in tierischer Gestalt,
können ihr Äußeres nach Belieben verändern. Als schwarzer Hund ist der Dämon
nicht nur aus Goethes Faust bekannt, auch als Stier oder Löwe tritt er auf. Einige der
häufigsten Erscheinungsformen sind der Ziegenbock, aber auch der Widder; der
Teufel der mittelalterlichen Mysterienspiele trägt Bockshörner und steht hier freilich
in der Traditionskette der antiken Satyrn und Bocksdämonen, die Israeliten opfern
dem bocksgestaltigen Wüstendämon Asasel, zu dem am Versöhnungstag der
Sündenbock geschickt wird. Der Wolf ist bis auf wenige Ausnahmen in Antike und
Mittelalter als dämonisch qualifiziert, in der griechischen Mythologie sogar als
Inbegriff jener Mächte, die die Götter bekämpfen. Auch der Hund wird nicht anders
als im Alten Testament als Verkörperung dämonischer Kräfte verstanden. Der
Torwächter des Hades, Kerberos, ist hundsköpfig, in babylonischen Texten bellen die
Dämonen wie Hunde. Das Judentum und der spätere Islam übernehmen die Abscheu
vor dem Hund als einer Verkörperung dämonischer Mächte. Raben gelten als
dämonische Vögel, denen man die Fähigkeit zuschreibt, in die Zukunft blicken zu
können. Die Schlange gilt ebenfalls als dämonisches Tier, als Attribut des Heilgottes
Asklepios genießt sie aber Verehrung, ebenso wie die Glück bringende Hausschlange.
Feurige Schlangen oder Drachendämonen kommen in Gottes Auftrag über die
Wüstenwanderer.
Die Farbe eines Dämons gehört — wie die Farben der Engel und ihre Namen — ebenso
zu seinen Attributen wie die Himmelsrichtung. Während Weiß und Rot eindeutig
Farben Gottes und daher ihm und den Engeln vorbehalten sind, gehört Schwarz als
Farbe zur Erde und zu ihren Dämonen. Der aus dem Iranischen stammende
Dualismus von Oben und Unten, Hell und Dunkel, Weiß und Schwarz weist die Farbe
Schwarz dem Bösen zu. Im Alten Testament ist Schwarz die Farbe des Nordens und
der Nacht.
63
Die Stimmen der Dämonen sind aus den Körpern der von ihnen besetzten Menschen
zu hören, diese sind ein Gegenbild zu den Ekstatikern, den Sprachrohren Gottes, den
Propheten und Mystikern, aus deren Mund Gott spricht. Der Dämon bleibt immer
anonym, das unterscheidet ihn von der Gottheit. Ein Name würde ihn in die
Engelgemeinschaft einbeziehen, weshalb die Dämonen erst in der Spätzeit zu ihren
Namen gekommen sind, auch über den Umweg des zum Dämon gewordenen
Totengeistes. So erhält Jakob keine Antwort auf die Frage nach dem Namen des
Nachtdämons am Fluss Jabbok. Dies ändert sich in der Literatur des nachbiblischen
Judentums. Satan wird nun als Name des Teufels angesehen, der jetzt auch Mastema,
Belial bzw. Beliar und Sammael heißt. Die Dämonologie wird erweitert, die Dämonen
unterstehen Satan als Heer analog zum Engelheer.
Einige depotenzierte Götter, d. s. historisch ältere Gottheiten, die den neuen weichen
mussten und somit ihre Macht eingebüßt haben wie z. B. das Löwenmischwesen mit
Flügeln und Vogelklauen, die Lamaštu: diese säugt an ihren Brüsten einen Hund und
ein Schwein, zwei im Alten Orient als unrein geltende Tiere, und hält zwei Schlangen
in Händen. Schutz gegen diesen Krankheitsdämon bietet der Herr der Windgeister
Pazuzu, der ebenfalls ein Löwenmischwesen ist. Während die Lamaštu negativ
konnotiert und als Dämonin bezeichnet wird, bleibt Pazuzu ambivalent. Lilith kennt
das Alte Testament als für Kinder gefährliche Nachtdämonin. Rešep bleibt noch zu
erwähnen, ein im Alten Orient in vielfältigen Erscheinungen und Funktionen
auftretender hauptsächlich chthonischer Gott, Krankheitsbringer, Kriegs-, aber auch
Schutzgott. Die biblischen Texte instrumentalisieren und depotenzieren den Gott zum
Dämon und machen ihn zum Diener Jahwes, den sie dadurch auch von negativen
Zügen entlasten. Ähnlich verhält es sich mit den Schutzdämonen, die in Babylon nicht
als Schadensstifter, sondern auch als Schutzgeister fungiert haben, in der Bibel als
unheimliche Dämonen und fremde Götter – wahrscheinlich mesopotamischen
Gepräges – gefürchtet werden.
Zu den prominentesten und relevanten Dämonen des Alten Testaments gehören Lilith
und Asasel, beide aus den altorientalischen Kulturen übernommen. Lilith hat eine
große Wirkungsgeschichte, besonders ihr sexuell gefährdender Aspekt steht im
Vordergrund. Im syrischen Raum verschmilzt sie mit Lamaštu, besitzt vielfältige
Erscheinungs- und Funktionsweisen, tritt in männlicher und weiblicher Gestalt auf.
Als Succubus verkörpert sie die sexuelle Gefahr, gefährdet Frauen während der
Schwangerschaft und Geburt und ebenso die Kinder, gehört zur Unterwelt und muss
durch apotropäische Praktiken abgewehrt werden. Die ägyptischen Zaubertexte
verbinden Lilith mit Wüste und Unterwelt, die Volksetymologie stellt sie zur Nacht.
Asasel als Repräsentant der Gegenwelt wird in der alttestamentlichen Forschung
(neuerdings siehe Losekamp) lange als in der Wüste hausender Dämon und Herr der
Bocksdämonen angesehen.
Das Tobitbuch bietet den einzigen Beleg für das Wirken des bösen Dämons Asmodis,
lat. Asmodaeus oder Asmodeus, der in der Salomosage zum unfreiwilligen Helfer
Salomos wird und ihn beim Tempelbau unterstützen muss. Die Verbindung zwischen
bösen Geistern und dem Satan wird erst im Buch Tobit geschaffen, die Person des
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Satans erst nach Kontakt mit der persischen Religion. In der vieldiskutierten Stelle aus
Genesis 6, 1-4 ist die Rede von den Göttersöhnen, gemäß der ugaritischen
Keilschrifttexte ursprünglich niederrangige Götter, die auf die Erde kommen, um mit
den Menschentöchtern die Riesen und Heroen zu zeugen. Diese wurden zu gefallenen
Engeln umgedeutet und fungierten als Ätiologie der Dämonen. In den apokryphen
biblischen Schriften geschieht eine Verknüpfung und Zusammenführung der
Dämonen mit den Schadenstiftenden Geistern des Volksglaubens. Damit ist die
Grundlage einer einheitlicheren Dämonologie gegeben.
Der Beelzebul, volksetymologisch auch der Herr der Fliegen, nach Baal Sebul, dem
Stadtgott von Ekron, war unter diesem Namen nicht außerhalb des Neuen Testaments
bekannt und wurde später zu Belzebub (nach Baal Sebub) geändert. Im sogenannten
Beelezebul-Streit in der Bibel geht es darum, dass Jesus vorgeworfen wird, er treibe
mit dem Herrn der Dämonen, mit Beelzebul, die Dämonen aus bzw. er habe selbst den
Beelzebul in sich. Die Deutung des Namens ist nicht einfach, als Baal wäre er Gott
eines Heilorakels in Ekron, die alttestamentliche Polemik macht ihn zum Beelzebul,
dem Herrn der Fliegen, zu einem depotenzierten Baal-Gott. Die jüdische Rezeption
hat den zoroastrischen Aesma Daeva, den Dämon der Wut, als Antibild zu Jahwe
übernommen. Er wird als Gegensatz zum guten Engel Raphael geschaffen, wobei der
gute Engel deutlich aktive Überlegenheit über den bösen Dämon bekommt.
Die systematische Einordnung und Zusammenfassung der Dämonen zu
unterschiedlichen Gruppen darf als eine zeitlich späte Entwicklung angesehen
werden. Am Anfang des Dämonismus stand die Vorstellung, dass jeder Teil belebter
und unbelebter Welt von seinem spezifischen Dämon bewohnt war. Die Luft wurde
von unzähligen Geister bevölkert und die ortsgebundenen Dämonen der Erde, des
Wassers und des Feuers belästigten meist zur Nachtzeit die einsamen Reisenden. Die
Zahl war noch undefiniert. Zudem kam die Beurteilung der geraden und ungeraden
Zahlen als männlich bzw. weiblich als günstig bzw. gefährlich. Vergil spricht in seinen
Bucolica (8,75) von der Freude der Götter an geraden Zahlen. Die Babylonier kannten
sieben böse Dämonen, die im Volksaberglauben immer noch als Böse Sieben
gefürchtet sind. Augustinus kennt alle drei Arten von Dämonen: die depotenzierten
Götter, Krankengeister und Schadenstifter. Er bringt zur Sprache, dass Dämonen von
bestimmten Menschen auch Engel genannt werden. In der Schrift steht zwar, dass es
gute und böse Engel gebe, aber keine guten Dämonen. Die Dämonen setzen alles
daran, um göttliche Verehrung zu erlangen. Daher dürfe man Apuleius und anderen
Philosophen nicht glauben, dass die Dämonen Vermittler zwischen Göttern und
Menschen seien und unsere Bitten hinauf zu den Göttern tragen und wiederkehren,
um die Hilfe der Götter zu bringen. Vielmehr muss man glauben, dass sie den
Menschen Schaden zufügen wollen.
Aus unterschiedlichen Vorstellungs- und Kulturkreisen speisen sich die
Dämonengestalten des Caesarius von Heisterbach (ca. 1180–1240), die regionale
heidnische Gottheiten, erlösungsbedürftige arme Seelen und gefallene Engel unter
dem Begriff Dämon subsumieren. Wilhelm von Auvergne (um 1180–1249) räumt ein,
dass Dämonen bei Wahrsagerei und magischen Handlungen assistieren könnten, aber
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keine Körper besäßen. Thomas von Cantimpré (1201–1270) spricht ihnen die Bildung
eines Luftkörpers zu, und Bonaventura (1221–1274) geht von ihrer Körperhaftigkeit
aus, da sie sich von einem Ort zum anderen bewegen.
Die nachmittelalterlichen Diskurse greifen auf die neuplatonistische Dämonologie
zurück. Johannes Trithemius (1462–1516) teilt die Dämonen, je nach Wohnstätte, in
sechs Kategorien ein. So leben die Feuergeister unterhalb des Mondes und
kommunizieren nicht mit den Menschen, während die Luftgeister sich in der Luft
aufhalten und daher von Menschen wahrgenommen werden. Die Wassergeister leben
in Gewässern, sind von schillerndem Wesen und erscheinen mit einem weiblichen
Körper. Die Erddämonen sind jene, die wegen ihrer Laster aus dem Himmel gestürzt
wurden, sie sind von üblem Charakter, lichtscheu und böse.
Die im Neoplatonismus erfolgte Identifizierung von Engeln und Elementargeistern
übernimmt Agrippa von Nettesheim (1486–1535), und unterscheidet sowohl
zwischen Teufel und Dämonen als auch den Planetengeistern, die sich nicht nur in
den vier Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde aufhalten, sondern auch noch in
Geister der Nacht, des Tages und Mittags, des Waldes, des Bergs, des Felds aufteilen.
Paracelsus’ Dämonologie weicht von der seiner Vorgänger insofern ab, als er die
Elementargeister als Menschen ohne Seele versteht. Diese extreme Interpretation der
Elementargeister stieß auf Widerstand der Theologen, die vor allem die Meinung
bekämpften, es gebe Menschen, die nicht vom Urvater Adam abstammen. Allerdings
glaubt der Jesuit Martin Delrio (1551–1608) an eine mögliche Verbindung von
Dämonen und Menschen, die wegen der feinstofflichen Körper der Dämonen und da
diese keinen Samen besäßen, nicht einfach zu bewerkstelligen sei. Daher müsste bei
einer geschlechtlichen Verbindung von Dämon und Mensch zuerst ein Incubus, also
ein Dämon in weiblicher Gestalt, einem kräftigen Mann den Samen entziehen und
dann ein Succubus, ein Dämon in männlicher Gestalt, den Samen einer kräftigen,
gesunden Frau einpflanzen.
Paracelsus (1493–1541) betrachtet die Elementargeister nicht mehr als gefallene Engel,
sondern als von Gott erschaffene Wesen, die die Natur beschützen sollen. In jedem
Element der Natur verberge sich ein Geist. Da diese Geister keine Seele besäßen, seien
sie bestrebt, sich mit den Menschen zu vereinen, um durch die menschliche Liebe eine
Seele zu bekommen.
Der jüdische Volksglaube geht von einer Körperlichkeit der Dämonen aus, demnach
können sie essen und trinken, sich auch fortpflanzen und sterben, besäßen aber, wie
die späteren christlichen Wiedergänger, keinen Schatten und einen feinstofflichen
Körper. Woher kam diese, wenn auch feine Materie? Die Theoretiker waren der
Ansicht, diese Anbindung an eine Materie habe der Sturz der Engel verursacht, da
diese beim Hinunterstürzen ihre Geistigkeit verloren hätten und eine Verbindung mit
der Materie eingegangen seien. Zuwachs bekam die Dämonenschar durch die
Dämonisierung der heidnischen Götter, die man nun zusammen mit den gefallenen
Engeln zu dem teuflischen Gefolge rechnete. Die Elementargeister und auch Haus-,
Feld- und Waldgeister wurden zu den Dämonen gezählt, aber ob diese auch
durchweg als böse anzusehen sind, ist bis heute strittig. Während im Mittelalter und
66
der frühen Neuzeit die Hausgeister nicht unbedingt dem Gefolge des Teufels
zuzurechnen sind, erfolgt mit der Bekämpfung des Ketzer- und Hexenwesens eine
gesteigerte Diabolisierung aller Geisterwesen.
Ab dem 16. Jahrhundert beschäftigt sich die Wissenschaft in zahlreichen
Abhandlungen mit Dämonen und Geistern. Magie und Dämonologie werden in das
naturwissenschaftliche System integriert und so von der moralisch-christlichen
Dämonologie abgekoppelt. Bezweifelt wird die Existenz von Dämonen nicht, sondern
ihre Existenz unter verschiedenen Zugängen an den Fakultäten der Universitäten
diskutiert und unterschiedliche Themen, wie z.B. deren Körperlichkeit, behandelt. Mit
der Aufklärung geht eine Entmythologisierung der nichtirdischen Welt einher, und
man wendet sich im 19. Jahrhundert vor allem der Erforschung des Geisterglaubens
und Okkultismus zu.
67
V.
Lexikon der wichtigsten mittelalterlichen Monstren
Acephales (griech. Kopflose) Oberbegriff für die kopflosen Menschen. Die wichtigste
Gattung der Kopflosen sind die Blemmyae, die Nase Mund und Augen auf der Brust
haben.
Aglosses (griech. Sprachlose) Menschen ohne Sprache oder Zunge. Meist
Orientbewohner
Amazonen (Amazones griech. Ohne Brust) seit der Antike bekanntes Volk
kriegerischer Frauen
Anthropophagi (griech. Menschenfresser) der antike und mittelalterliche Begriff für
die seit der Frühen Neuzeit als Kannibalen bezeichneten Menschenfresser Dazu
gehören Gog und Magog die Hundsköpfigen etc.
Antipodes (Antipoden, Gegenfüßler) sind eigentlich die Bewohner der Europa
gegenüberliegenden Bereiche der Erdkugel. Sie werden aber immer wieder als
Antipedes (lat. Verkehrtfüßler) missverstanden.
Arimaspi sind ein Volk von Einäugigen und wohne im Norden Asiens. Erwähnt von
Plinius Solinus Thomas von Canitmpré. Im Herzog Ernst wird der Name für das Land
verwendet.
Astomes (griech. Mundlose) auch Apfelriecher. Eine Untervariante sind die
Strohhalmtrinker, die einen so kleinen Mund besitzen, dass sich nur mittels eine
Strohhalm und von Flüssigkeiten ernähren können.
Bragmani (auch Bragmani, Brahmanes) sind nackte weise Höhlenbewohner, einem
König und gehen auf die indischen Brahmanen zurück. In einigen Texten werden sie
mit Gymnosophisten gleichsetzt. Brahmanen sind im indischen Kastensystem die
Angehörigen der obersten priesterlichen Kaste.
Cyclopes (lat. griech. Zyklopen) sind die einäugigen Riesen der antiken Tradition. In
der griechischen Mythologie sind sie die drei Söhne von Uranos und Gaia.
Cynocephales (griech.lt. Hundsköpfige) sind eine in Antike und Mittelalter sehr
häufig erwähnte Wunderrasse v0n Menschen mit Hundeköpfen, die sich durch Bellen
verständigen. Sie werden vor allem in Indien lokalisiert, aber auch in Europa
besonders in Nordeuropa, wo eine eigene Tradition des Glaubens an ein
skandinavisches Volk von Hundsköpfigen entstanden ist, die Hundingiar. Man hat
auch Reminiszenzen an kultische Kriegerbünde wie den Wolfshäutern und
Berserkern erkennen wollen die aber nicht zu belegen sind.
Faune sind ein Volk von kleinen behaarten, manchmal gehörnten Waldbewohnern sie
Augustinus werden sie häufig mit den Satyrn verwechselt.
Frauen mit Bart sind aus der Alexandertradition in einige mittelalterliche
Enzyklopädien übernommen worden.
Gigantes die Riesen der antiken Mythologie
Grippianer = Kranichschnäbler, vielleicht abgeleitet von lat. gryphus = Greif. Im
herzog Ernst bewohnen die Kranichschnäbler ein Land namens Grippia,
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Gynmosophisten (griech. Nackte Weise= oft gleichgesetzt mit den Oxydraken und
den Bragmani.
Kentauren bzw. Zentauren sind Mischwesen mit dem Kopf und Oberkörper eines
Mannes sowie dem Leib und Beines eines Pferds oder Esels.
Lamiae heißen in den Wundervölkerverzeichnissen Frauen, die Pferdefüße und
fersenlanges Haar haben groß und wunderschön sind in der griechischen Mythologie
tragen sie vampirhafte Züge und sind weibliche Dämonen.
Panoti (griech. Großohren)
Pilosi (lat. Behaarte) sind am ganzen Körper behaarte Menschen auf einer Insel im
indischen Ozean.
Plathüeve (mhd., lat Skiopodes = Platthufe) die Skiopodes im Herzog Ernst die
Beschreibung folgt der für die deutschsprachigen Quellen Umdeutungen demzufolge
sie eine großen flachen Schwanenfuß zum Schutz vor Unwettern und nicht vor der
Sonne benutzen.
Pygmäen kleinwüchsige Menschen.
Satyrn sind hakennasige gehörnte und ziegenfüßige Menschen.
Silvestres bzw. Agrestes sind Waldmenschen bzw. Wilde Leute.
Troglodyten sind Höhlenbewohner ein in Höhlen wohnendes wildes Volk in Afrika.,
die nicht sprechen können.
Wasserfrauen kommen in unterschiedlichen Gestalt vor, wobei man nicht immer
zwischen Wundervolk und Sagengestalten trennen kann.
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VI.
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