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Transcrição
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Musik Musik ANZEIGE 0914 07 08 den verzögerten Rhythmus oder den leicht getragenen Gesang, an denen sich in den 20 Jahren Bandgeschichte nicht so viel geändert hat. Das unterscheidet Blonde Redhead von anderen Dreampop-Bands. Auf »Barragán« gibt es wieder keinen songorientierten dahinschmelzenden Pop à la Belle and Sebastian und keinen sonnig-verträumten Pop à la Beach House. Genauso wenig gibt es aber auch die gesampelte Düsternis und Dichte von The xx. Es gibt wieder Blonde Redhead. KERSTIN PETERMANN 07 ELEMENT OF CRIME LIEBLINGSFARBEN UND TIERE UNIVERSAL KKKKK Chanson Nichts ist so kalt wie der heiße Scheiß von gestern, singt Sven Regener. Was kein Problem ist, denn der heiße Scheiß waren Element of Crime noch nie. Und werden es auch übermorgen nicht sein. Vielmehr sind sie seit über 25 Jahren verlässlich da, wenn der Alltag einen schon wieder um den Verstand bringt. Meist der Liebe wegen. So auch auf ihrem 13. Album. Auf »Lieblingsfarben und Tiere« geht es um Dosenravioli an Tagen, wo man niemanden sehen will (nicht mal auf Skype) außer einen Goldfisch auf dem Bildschirm, um Monotonie auf dem Amt, dessen Mitarbeiter wissen wollen, ob man noch lebt, um Kammerjäger, die nicht zurückrufen, um Reden und Rauchen. Dazu trompetet Regener und die anderen spielen in gewohnter und geschätzter Weise ihre Gitarren, Bässe und Schlagzeuge. Und auch mal die Violine. Irgendwas ist immer. Das wissen Element of Crime nur zu gut. Und Liebe ist kälter als der Tod. Vergiss den heißen Scheiß. JULIANE STREICH 08 MR BIRD FEATURING GREG BLACKMAN LOW-FI CLASSICS BBE RECORDS KKKKK Funk/Soul Das Cover könnte als Hinweis gedeutet werden, dass hier Klassiker für ein weiteres Mixband herhalten müssen. Weit gefehlt und trotzdem nicht völlig falsch. Die Idee hinter einem Mixtape dient für das kongeniale Duo vielleicht als Startblock, aber: this is a journey into sound! Der englische Wahlportugiese und sein Sänger begeben sich auf dem organisch produzierten Album auf eine Stadtrundfahrt durch die Viertel, in denen Black Music beheimatet war und ist. Dabei 09 10 streifen die beiden durch Spanish Harlem (»Get on through« und »Bounce to the beat«), berühren Gospel (»Save me«) und ecken zwischen Sixties- sowie Northern Soul an (»The morning’s coming«). Obwohl Bird und Blackman durch das komplette Trackdutzend unzählige Elementarteilchen aus Soul und Funk aufheben, können sie es lässig vermeiden, als Ewiggestrige für den Retro-Fundus eingeweckt zu werden. Früher war nicht alles besser, aber die Essenzen hat das Duo in eine wohltuende warme Grundstimmung einfließen lassen, die sich durch das Album krault. Kein Knistern, das sich mit Lo-Fi-Sticker für in die Jahre gekommene Schätze aus Vinyl entschuldigen muss, sondern satter Sound für die Jahresmitte 2014 und darüber hinaus. TORSTEN FUCHS 09 DAS BLAUE PONY ZWEIGEDANKEN UNIT RECORDS KKKKK Jazz Das Blaue Pony ist schon ein ungewöhnlicher Bandname, das Leipziger Quartett hat dann auch noch ein Faible für tierinspirierte Songtitel. Man erwarte allerdings keine programmatischen Links zur Musik, wenn man dem »Rückzug der Eisbären« lauscht oder das »Reh im Boot« sucht. Ist hier etwa Dada am Werk? Bei manchen Jazz-Combos schwebt er ja leider immer wieder als (Quäl-)Geist durchs Bild, hier nicht. Das Blaue Pony ist ein ziemlich neugieriges Jazz-Tier, das seine Schnauze in einfach alles steckt: Pop-Harmonien (herrlich in »Abschied (im Guten)«), Klezmer, Kammermusik, Klangavancen an Neue Musik. Besonders gelungen ist, wie das Quartett aus zwei Holzbläsern, Bass und Schlagzeug die Nicht-Existenz eines Harmonieinstruments kompensiert. Die Kompositionen wie Arrangements von Bandkopf Johannes Moritz vermeiden einzelne Extravaganzen, exponieren vielmehr gleichberechtigt vier herausragende Musiker. Und erzeugen Gänsehaut wie das formidable »Winterschlaf und Erwachen«. Das konnten bisher höchstens e.s.t. oder Keith Jarrett. Chapeau, Pony! MARTIN WOHLGETAN 10 HARTMUT HAENICHEN MOZART: DIE LETZTEN DREI SINFONIEN (1788) BERLIN CLASSICS KKKKK Klassik Ebenfalls eine Legende – wenn auch im etwas kleineren Maßstab – ist der Dresdner Dirigent Hartmut Haenchen. Termine 086 11 Als er in den 1980er Jahren in Ostberlin das Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach gründete, war er seiner Zeit um Jahre voraus. Denn gerade erst entdeckten seine Landsleute die Welt der Alten Musik auf historischen Instrumenten: Dass man all das, was sich auf Darmsaiten darstellen lässt, auch auf modernes Instrumentarium übertragen kann, war dann eigentlich erst eine Erfahrung der 1990er Jahre. Mehr als drei Jahrzehnte lang führte der Dresdner das Ensemble zumindest national an die Spitze, nun aber ist nach vielen barocken und frühklassischen Erfolgen Schluss. Als Finale wählte man ein Konzert mit Mozarts drei letzten Sinfonien im Berliner Konzerthaus, das Berlin Classics nun auf CD vorlegt. Eine gute Entscheidung, denn Haenchens Interpretation führt die Besonderheit der Truppe noch einmal beispielhaft vor – jenen warmen und ausgewogenen, aber dennoch facettenreich kolorierten Klang, der das Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach unverwechselbar machte. HAGEN KUNZE 11 VLADIMIR ASHKENAZY SERGEJ RACHMANINOW: COMPLETE WORKS FOR PIANO DECCA CLASSICS KKKKK Klassik Mehr als vier Jahrzehnte hat Ashkenazys Sicht auf Rachmaninows Klavierkonzerte schon auf dem Buckel. Einer inoffiziellen Rangliste zufolge ist sie sogar die meistverkaufte Klassik-Platte aller Zeiten – die kraftvolle, bis ins Mark russische Interpretation steht millionenfach in LP- und CD-Regalen. Was kann da bei der jüngst erschienenen »Limited Edition« eigentlich noch überraschen, wo es doch realistisch ist, dass jeder, der sich für Spätromantik interessiert, diese Scheibe bereits kennt? Um es kurz zu machen: Hier überrascht alles! Denn die Klangexperten der Decca haben die Originalbänder im 24-bit-Verfahren aufgearbeitet. Das Ergebnis gibts nicht nur auf üblichen CD-Maßstab rauschfrei heruntergerechnet, sondern auch im hochauflösenden Audio-Format auf einer Blu-Ray. Ein kluger Schachzug, denn mittlerweile sind diese Player Massenware – und hängt man einen solchen an eine gute VerstärkerLautsprecher-Kette, dann hört man auch als Nicht-Audiophiler den Unterschied zu 1972: Voluminös war Ashkenazys Klavierspiel schon immer. Aber so viel Wucht war zweifellos noch nie. HAGEN KUNZE Kunst 068 Literatur 064 Theater 056 Spiel 044 Film 036 053