Die 60er - APT Basilicata

Transcrição

Die 60er - APT Basilicata
Matera - The Passion, von Mel Gibson (2004)
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Inhalt
Einleitung ........................................................................................S. 7
Die 50er Jahre ..........................................................................S. 11
Die 60er Jahre ......................................................................S. 13
1964 – Il Vangelo secondo Matteo .........................S. 17
Die 70er Jahre ...............................................................S. 23
1979 - Cristo si è fermato ad Eboli ..................S. 25
Die 80er Jahre ..........................................................S. 33
Die 90er Jahre .......................................................S. 35
Die Jahre 2000 ..................................................S. 39
2002 - Io non ho paura ................................S. 41
2004 - La Passione di Cristo ................S. 43
Die Jahre ’05-‘07 .....................................S. 51
Reiserouten
Movie Tour 1:
Matera als Jerusalem .................................S. 55
Movie Tour 2:
Die Burgen im Film ................................................S. 63
Movie Tour 3:
Die Filmlandschaften Lukaniens ..........................S. 67
Highlights
Das Filmfestival ....................................................................................S. 75
Filmvorführungen in der Basilicata .............................................S. 79
Die wesentlichen in der Basilicata gedrehten Filme ..........S. 80
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val d’Agri, Landschaft
Einleitung
„Wenn man die Basilicata sieht, sieht man
Weinberge und wunderschöne Landschaften.
Man sieht die Erde, wie sie sein sollte.“
ì
Francis Ford Coppola
M
ehr als vierzig Filme, in mehr als
fünfzig Jahren, wurden in der Basilicata
gedreht: Neorealismus, der Film verità,
Bibelfilme von eindrucksvoller Spiritualität,
oder allgemeingültige Geschichten aus der
kriminellen Unterwelt. Darüber hinaus Filme
über Dämonen, italienische Komödien, Kostümfilme, Filme über Träume, Wunder und die Magie. Das große Firmament des Kinos umspannt all
dies. Und die Region mit den tausend Gesichtern
schlägt auch nach mehr als einem halben Jahrhundert die italienischen und internationalen Cineasten
mit ihrem Zauber und ihrem besondern Charme in den
Bann. So beherbergt die Basilicata zahlreiche Orte und
Geschichten, die in ihrer Großartigkeit auf der Leinwand
präsentiert werden: Die Sassi di Matera, die Mondlandschaften der Calanchi, der sonnenverwöhnte Vulture, die
abgeschiedenen Bergdörfer. Die Basilicata bietet für den Film
eine natürliche Kulisse. Die Landschaften Lukaniens repräsentieren in der siebten Kunst die Seele des Südens, erlebt wie eine
eigenständige Gattung und geschichtliche Erfahrung, wie ein theatralischer Raum, der die Schriftsteller, Drehbuchautoren und Regisseure inspiriert. Die eindrucksvollen Bilder der Basilicata, auf die große Leinwand projiziert, bleiben fest in den Köpfen derer, die sie einmal
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gesehen haben. Wie in einem Standbild, so scheint die Zeit in einigen
Teilen Lukaniens unberührt still zu stehen. Und die Kamera, die ihre
Welt und ihre ihr eigenen Grenzen erkundet, erfährt eine Wirklichkeit, die zu einer Darstellung wird, genau dort wo die Landschaft mit
der Geschichte ein gemeinsames Schicksal teilt. In ihrer Großzügigkeit verleiht dieses Land zugleich Seele und den Atem an andere
Orte. Die Basilicata ist, in der alten und der neuen Grammatik
des Films, schon immer eine Hauptdarstellerin gewesen. Die
Kraft ihrer Landschaften ist der Reichtum der unterschiedlichen Sprachen, der lebendigen Farben, der Bedeutungen und
des Zaubers, der alten und neuen Bildsprachen, der archaischen und mythischen Horizonte. Der Zuschauer erfährt
hier ein ganzes Universum von Orten, der Geschichte und
der großen Emotionen des Films. Von Pier Paolo Pasolini
bis Francesco Rosi, von Dino Risi bis Roberto Rossellini, von Luigi Di Gianni bis zu den Brüdern Taviani, von
Michele Placido bis Giuseppe Tornatore, oder den
wichtigen Hollywoodgrößen, den Regisseuren Mel
Gibson und Catherine Hardwicke, ist die Basilicata die unbestrittene Hauptdarstellerin, gefeiert in
Hollywood wie in der Cinecittà. In die Basilicata zu
kommen bedeutet, eine Reise hinter die Kinoleinwand zu unternehmen und neue Schauplätze
mit einer immer anderen Szenografie zu entdecken: von dem natürlichen Hintergrund der
Meere und Berge bis zu den kleinen und den
größeren städtischen Siedlungen, von der
Felsenarchitektur zum unverfälschten Geschmackserlebnis, von den verschiedenen Sprachen bis hin zur klaren Luft, die
man tief in sich aufnimmt. Die Basilicata ist eigentlich ein immerwährendes
Filmset.
In diesem Taschenführer wird von
den 50er Jahren bis in unsere Tage
mehr die Geschichte als nur eine
Reise zu den Filmlocations der
wesentlichen Filme geboten, die
in der Basilicata gedreht und
auf die großen Leinwand gezeigt wurden geboten.
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Maratea, Küste
Matera, Teil der Sassi
Die 50er Jahre
E
s ist der großartige Regisseur, Schriftsteller, Drehbuchautor und
Filmproduzent Carlo Lizzani, der bei seiner ersten Erfahrung mit der
Kamera während der Aufnahmen zu Viaggio a Sud, zur Dokumentation und um den Süden zu erkunden, die Basilicata wählte um über die
Umstände der Zeit zu erzählen.
In Mezzogiorno qualcosa è cambiato (1949) werden Bilder von entrechteten Familien gezeigt, von aufgeworfenen Straßen mit gemeinsamen Waschplätzen, von schmutzigen, ausgehungerten Kindern, die
sich gegenseitig entlausen, von verfallenen Häusern, Gassen, getränkt
von Elend und Armut. Die Stadt Matera ist die Hauptdarstellerin des
Elends, eine Stadt, die zehn Jahre später zur „nationalen Schande“ erklärt worden ist, und die mit ihren als Wohnplätzen in den Fels gegrabenen Höhlen, eine „ausdrucksstarke und rührend traurige Schönheit“
hat. So beginnt eine Phase des Neorealismus nach Matera-Art, in der
die Kamera die Sassi in all
ihrer drastischen Wirklichkeit zeigt. Obwohl dies nur
eine Szenografie ohne eine
eigene Identität ist, verankern sich die Tuffsteinbezirke in der filmischen Vorstellungswelt und lassen
ein Filmgenre entstehen, in
dem die städtischen Landschaften die Inspiration für
die Ausstattung von Filmen
geben, die es allein schon
wert ist, in das Bewusstsein geholt zu werden und
die ein Vertrauen auf eine
Erlösung zeigen. Mit ihrer
einzigartigen und vielseitigen Szenerie umfasst die
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Felsenstadt in den 50er Jahren eine Reihe von Kostüm-Melodramen:
von dem populären Drama Le due Sorelle (1950) von Mario Volpe,
bis zu La Lupa (1953) von Alberto Lattuada, einem Film neorealistischer Prägung nach dem gleichnamigem Meisterwerk und der literarischen Vorlage von Giovanni Verga. Die Felsenstadt von Matera
wird dabei als eine tragische Szenografie vor die Kamera gebracht,
die nicht dazu dient, die eigene Geschichte zu zeigen, die aber durch
dem erzählerischen Realismus die Art von Rückständigkeit verleiht,
die allgemein mit der bäuerlichen Welt verbunden wird, in Lukanien
wie auch im Rest des Südens.
Die 60er Jahre
D
er Film La Nonna Sabella (1957), von Dino Risi, nach dem Roman
von Pasquale Festa Campanile, kultiviert die Verunsicherung: er handelt in der Basilicata, aber man kann nicht mehr an die Orte zurückkehren, die von dem Regisseur gewählt wurden. Nach dem Werk
von Risi, der mit wunderbarem Resultat das prägnante Gesicht von
Tina Pica für eine Bauernfarce benutzte, wurde die Stadt von Matera
in dem 360-Grad-Film Italia 61 (1961) von Jan Lenica gezeigt. Das
Circarama, das für den besonderen Filmgenuss entwickelt wurde,
besteht aus einer umlaufenden 360-Grad-Leinwand. Es handelt sich
dabei um ein von Walt Disney erfundenes und patentiertes Verfahren
der Filmaufnahme und Projektion. Im Circarama hat der Besucher
das Gefühl, direkt an der Handlung teilzunehmen, da er komplett von
der Filmaufnahme umgeben ist. Italia 61 bildet ein außerordentliches
Dokument über die Stadt mit den Tuffsteinbezirken, dargestellt als
eine Art Rundplastik. In den 60er Jahren wurde auch „die Perle des
Thyrrhenischen Meeres“, die
Stadt Maratea, unsterblich:
erstmals in dem Film A porte
chiuse (1960) von Dino Risi,
für den einige Außenszenen
gedreht wurden, und dann in
dem Film La Vedovella (1962)
von Silvio Siani, in dem die berühmte und bekannte Piazetta
im historischen Zentrum, zur
Kulisse für die italienische Komödie wurde. In den Anni Ruggenti (1962) von Luigi Zampa,
einem Film der im Jahr 1937
spielt, kommen die Sassi von
Matera ohne Verfremdung
ins Bild: die tiefe Schlucht, die
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Matera - Anni Ruggenti, von Luigi Zampa (1962), mit Salvo Randone und Nino Manfredi
Felswohnungen und die Nachbarschaften, die
allesamt von einem beklagenswerten Verfall
ergriffen sind. Hier wird die Landschaft zu einer Nebenhandlung des Films. Die von Luigi
Zampa hauptsächlich für die Ausführung seiner Handlung genutzten Locations liegen im
Stadtteil Malve, die auch von den anderen Regisseuren, wie dem noch jungen Nino Manfredi genutzt wurde. In dem Film Demonio (1963)
von Brunello Rondi, werden, neben der Landschaft und der spektakulären Szenografie in
einigen Fragmenten, der Aberglaube und die
Magie, das Hexentum und die Volksfrömmigkeit thematisiert. Der Film scheint eine ethnografische Studie der
Zeit zu sein, in der die Forschung von Ernesto De Martino (Il mondo
magico, Turin 1948) in der Basilicata stattfanden. Der Sasso von
Caveoso, seine Piazza und sein Glockenturm überragen einige Szenen, in denen die Kamera dem Weg in die Murgia-Schlucht folgte,
die die anderen Akteure durch die überragende Schönheit und die
Spiritualität der Natur dominiert. Andere Locations, die von Brunello
Rondi genutzt wurden, sind die Chiesa della Palomba von Matera, die
prächtige Abtei von Montescaglioso sowie eine Reihe von Plätzen in
dem Städtchen Miglionico, dem berühmten Ort, in dem das Castello
del Malconsiglio steht.
Der Sternenstaub, das Filmwunder erreichte die Felsenstadt jedoch
im Jahr 1964: Matera erschien in dem filmischen Hauptwerk von
Pier Paolo Pasolini Il Vangelo secondo Matteo.
Miglionico, Burg Malconsiglio
Matera, Sassi
Ii Vangelo
von Pier Paolo Pasolini
Italien (1964)
Secondo
Matteo
Die Steinwüste von Palästina?
Nein, die Sassi von Matera!
D
er Name Pasolini steht für ein Kino der Kunst und der Poesie. Der
Regisseur wählte Matera für die Ausstattung seines Evangeliums. Aus
dem Herzen der Erde hervorgebracht bilden die Sassi eine Bühne für
die außergewöhnliche menschliche und göttliche Geschichte, die im
Evangelium nach Matthäus erzählt wird. Matera ist das Jerusalem, in
dem Christus nicht nur auserwählt, sondern wo er geboren wurde und
wo er starb. Nach einigen Besichtigungen des Heiligen Lands und in
Jordanien, wählte Pasolini Matera, weil es für ihn ein Ort ohne äußere
Einflüsse war, rein und authentisch, ohne jegliche Anzeichen der Mo-
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derne. Die Mondlandschaft
und die Steinwüste der
Murgia materana repräsentierten für ihn eine Form
des Überlebens, wie es von
ihm aus der Vergangenheit
herauf beschworen wurde.
Pasolini entschied sich, hier
das biblisches Werk umzusetzen, die Verkündigung
Marias durch den Engel und
die Auferstehung Christi. Er
drehte seinen Film mit vielen
Laiendarstellern, Freunden
und Bekannten. Seine eigene Mutter, Susanna, stellte
in diesem Film die Maria
während der Tage der Passion dar. Sein revolutionärer Christus ist in dieser
Landschaft und ihrem Boden verwurzelt. So versetzt uns dieser Hort
der Wunder, die Sassi von Matera, die Felskirchen und die Murgia,
in eine archaische und zeitlose Atmosphäre, magisch und entfernt,
selbst an realen Orten der Stadt. Drei Sets waren sehr wichtig für
die Umsetzung: im Sasso Barisano wurde der Bereich entlang der
Via Lombardi und der Via Fiorentini als Location ausgewählt, um den
Kreuzigungsweg und die Flucht des Apostels Simon auf dem Weg Jesus nach Golgata darzustellen. An der Porta Pistola, dem zweiten
Filmset, wurde der Eingang in die
Drehbuch und Regie: Pierpaolo
Stadt Jerusalem nachgebaut, die
Pasolini
der Christus von Pasolini im JuHauptdarsteller: Enrique Irazoqui,
bel der Menge als Friedensstifter
Margherita Caruso, Susanna Pasoerreicht. Hundertschaften von
lini, Marcello Morante, Mario SocraKomparsen bejubeln mit Palmte, Settimo Di Porto, Otello Sestili,
Ferrucio Nuzzo, Giacomo Morante,
zweigen den Weg des Propheten.
Giorgio Agamben, Ninetto Davoli,
Die Szene wurde in vielen WiederPaola Tedesco.
holungen und mit verschiedenen
Erstaufführung: XXV Mostra interEinstellungen gefilmt. Das dritte
nazionale d’Arte cinematografica
Set stellt Golgata dar, ein Felsausdi Venezia, 4.09.1964.
läufer und ein Felsvorsprung über
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der Schlucht der Gravina Materana, in der Gegend der Murgia
Timone, bei Belvedere, gegenüber
des atemberaubenden Szenarios
der Sassi von Matera. In diesem
suggestiven und mystischen Rahmen spielen die letzten Szenen
von der Passion Christi. Und hier
war es, wo Pasolini als erster die
drei Kreuze errichtete.
Barile wie
Bethlehem
Neben den Sassi von Matera wählte Pasolini Barile für die Szene
der Geburt, den Besuch der Heiligen Drei Könige und die Flucht
der heiligen Familie nach Ägypten
und für das unvergessliche Massaker der Unschuldigen. Die albanischen Siedlungen am Fuß des
Monte Vulture, hatten sich dem
Regisseur während eines Besuches des Museo Nazionale delle
Arti e Tradizioni Populari in Rom
eingeprägt, wo er einige Bilder
und Fotos der Via Crucis in Barile
SYNOPSIS
Die Handlung bildet das Leben Jesu:
die Geburt Christi, der Wahnsinn
Herodes, die Flucht nach Ägypten,
die Rückkehr nach Jerusalem.
Nachdem er zwölf Jünger gefunden hat, die ihm folgen, beginnt
Jesus von Nazareth seine Lehren
zu verbreiten, seinen Wunsch nach
Gerechtigkeit, sein Verlangen nach
Mildtätigkeit und wendet sich gegen
die Heuchelei der Reichen und der
Pharisäer. Ein weltlicher Film, der
stärker die Menschlichkeit als die
Göttlichkeit eines ernsthaften Jesus
beleuchtet; kämpferisch, mittelalterlich, voller Trauer und Einsamkeit.
Als der Regisseur sich entschloss,
den biografischen Text von Matthäus als Ausgang zu nehmen, die Passion und die Ideologie, wurde es der
Film eines Poeten. Im theologischen
Sinn ist das Evangelium ohne Hoffnung. Mit seinem formalen Synkretismus, den Bezügen zur Malerei,
seiner minimalen Ausleuchtung,
weckt er Erinnerung an eine Dritte
Welt, die nicht nur prähistorisch
wirkt, und erreicht eine starke epische und religiöse Tonalität. Er ist
dem Gedenken von Papst Johannes
XXIII gewidmet.
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gesehen hatte, so wie sie jedes Jahr als
Bühne genutzt wird. In Barile ist besonders die Filmszene eindrucksvoll, in der
die Soldaten König Herodes mit Lanzen
und Metallhelmen verschiedener Form,
blutigst die Kinder massakrieren - die
durch Stoffpuppen dargestellt werden.
Mit großer Authentizität brachte er die
Figuren der Frauen und das Elend der
Zeit auf die Leinwand. Heute stehen die
oft als Weinkeller genutzten Höhlen
von Barile, nach Jahren der Vernachlässigung und von Schutt und Abfällen
gereinigt, wieder durch einen Schub
anthropologischer und cinematografischer Recherchen in der Aufmerksamkeit der Künstler. Und noch heute
lagert das Weingut „nga Sheshi“ in den
charakteristischen Tuffsteinhöhlen seinen Aglianico del Vulture D.O.C. Eine
Weinkellerei, die bereits von den Filmschauspielern während der Drehpausen 1964 gern besucht wurde.
FILMPREISE UND AUSZEICHNUNGEN
XXV Mostra di Venezia: Erster Spezialpreis der Jury
Filmpreis der OCIC (Office Catholique International du Cinéma)
Premio Cineforum, Filmpreis der Union International de la Critique de Cinema (UNICRIT)
Filmpreis Lega Cattolica per il Cinema e la Televisione della
RFT
Filmpreis der Stadt Imola Grifone d’oro
Der große Preis der OCIC, Assisi, 27. September 1964
Prix d’excellence, IV Concorso Tecnico del Film, Mailand
Filmpreis Caravella d’Argento, Festival internazionale di Lisbona, 26. Februar 1965
Filmpreis Nastro d’Argento, 1965, für die Regie, Fotografie und
die Kostüme
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FAKTEN UND KURIOSES
Barile, Höhlen – Weinkellerei „Sheshi“
• In der Geburtsszene wurde
der Junge, den Pasolini ausgewählt hatte (Pasqualino Gioseffi,
einige Monate alt), ersetzt durch
ein neugeborenes Mädchen mit
goldenen Locken, Nicoletta Sepe.
Heute lebt diese Frau und Mutter in
dem albanischen Dorf.
• Immacolata Rocco war eine Frau
aus dem Dorf, die für die Szene „Massaker der Unschuldigen“ vor der Grotte
„Sheshi posht“ mit ihrer kleinen Tochter
Laura im Arm ging. Diese Mutter warf alles
ignorierend und um das eigene Kind vor der
Gewalt der römischen Soldaten zu schützen,
mit all ihrer Kraft den Soldaten auf den Boden in den Staub. Die spontane Aktion „wirklich
und authentisch“ überraschte Pasolini durch
ihre Spontaneität und im Ablauf.
• Als Pasolini in Matera nach Komparsen suchte
für die Priester und die Pharisäer, gesteht er beiläufig dem Journalisten Domenico Notarangelo, Korrespondent der Zeitschrift l’Unita, dass er Gesichter
haben wollte „von Dummköpfen, von Faschisten“, um
einen Euphemismus zu benutzen. Die Ironie des Schicksals wollte es, dass die Komparsen, die zurückgewiesen
wurden, 51 im ganzen, alle der Sektion der kommunistischen Partei und der Camera del Lavoro, einem der Partei nahestehenden Arbeitsbüro angehörten.
• In der Diskussion um die Sanierung und den Wiederaufbau
der alten Tuffsteinviertel, während die Einwohner der Sassi in
Neubauviertel umgesiedelt wurden, äußerte Pasolini: „Ihr seid
dabei, ein Unrecht zu begehen.“ Für ihn repräsentierte Matera
den Ort der Seele und die Sassi zu verändern bedeutete, ihnen
einen Todesstoß zu versetzen. Pasolini ging mit diesen Worten
Carlo Levi voraus, der den Verfall eines Erbes vorausgesehen hatte und seine Wiedergeburt und Wandlung in ein Weltkulturerbe
fast dreißig Jahre später.
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Die fabelhaften 60er
Mitte der 60er Jahre, nach dem Film
von Nanny Loy Made in Italy (1965),
der in elf Episoden unterteilt war, von
denen eine davon in Matera gedreht
worden ist, kam die Stadt mit dem Film
C’era una volta von Francesco Rosi
(1967) zurück auf die große Leinwand.
Die Landschaft der Hügel Materas ist
unbestritten der Hauptdarsteller und
bestimmend für die Geschichte, die
durch Lo cunto de li cunti von Giambattista Basile inspiriert, und durch Sophia
Loren und Omar Sharif dargestellt wurde. Die Darstellung von Magie, Riten,
Hexerei, wie zuvor in dem Film von Brunello Rondi, scheint sich auf die anthropologischen Untersuchungen von Di
Martino zu beziehen, neu interpretiert
im Lichte einer Fabel, einer Allegorie
des Regisseurs, in der die Hügel von
Matera eine Rolle spielen. Unter den
so verewigten Orten taucht auch die
Masseria Recupa auf, eingebettet in
die schöne Hügellandschaft.
Hügel von Matera, Gutshof Recupa
Die 70er Jahre
I
n den siebziger Jahren begannen mit dem Decamerone Nero von
Piero Vivarelli (1972), einer stellenweise erotischen Komödie. Im gleichen Jahr, mit dem Film von Lucio Fulci Non si sevizia un paperino
wurde der erste Thriller ausschließlich in Italien gedreht, in einer kleinen Phantasiestadt im Süden, in Accettura. Als eines der fundamentalen Werke zum Bereich des italienischen Thrillers, wurde er durch
eine wahre Geschichte inspiriert, die sich so in einem kleinen Ort in
Apulien, nahe der Grenze zu Lukanien zugetragen hat.
Im Jahre 1974 sind eine ganze Reihe von Kinoproduktionen in Matera entstanden. Die Brüder Paolo und Vittorio Taviani an der Kamera,
drehten Allonsanfan, in dem
Bestreben eine politische und
melodramatische Auseinandersetzung mit der Zeit der
Restauration zu schaffen. Die
Piazza von San Pietro Caveoso wurde nochmals gezeigt
und einige Teile der Tuffsteinviertel wurden als ein kleines,
süditalienisches
Städtchen
während der Zeit der Restauration interpretiert. Im gleichen Jahr entsteht Tempo
dell’Inizio von Luigi Gianni, ein
Drama im Fantasy-Stil, in dem
die Sassi von Matera, hervorgerufen durch die Aufnahme
in schwarz-weiß-Technik, eine
halluzinierte Atmosphäre um-
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Matera, S. Pietro Caveoso
geben, die die Außergewöhnlichkeit und den surrealen Charakter des
Ortes unterstreichen. Zu den vielen Filmstreifen, die die Sassi von Matera, und insbesondere im Stadtteil Malve und den Sasso Caveoso, so
unsterblich gemacht haben, zählt auch Anno Uno (1974) von Roberto
Rossellini. Der vergessene Film, der bestenfalls als erbitterte Fiktion
gesehen werden kann, stellte tatsächlich ein Desaster dar, sei es in
kommerzieller Hinsicht, als auch in der Kritik. In dem Film L’albero
di Guernica (1975) von dem Regisseur-Poeten Ferdinando Arrabal,
wird das Szenario der alten Tuffsteinviertel visionär und fantasievoll
wiedergegeben. Die Sassi von Matera verwandeln sich in die Stadt
Kastiliens, in der als einziger ein Baum das Bombardement durch die
Nazis übersteht. Im gleichen Jahr wurde die Felsenhauptstadt Süditaliens in dem Schelmenstück Qui comincia l’Avventura (1975) von Carlo
di Palma als ein Städtchen Apuliens dargestellt, aus dem zwei Frauen in
die Welt ziehen, getrieben vom Abenteuergeist und der Idee weiblicher
Freiheit. Drei Jahre später drehte Alberto Negrin in Matera Volontari
per Destinazione ignota (1978), dargestellt durch einen jungen Michele Placido und die Stadt der
Sassi, die hier in kurzen Szenen
als Darstellung ihrer selbst erscheint. Es ist eine Geschichte
über lukanische Tagelöhner, die
sich freiwillig zur Kolonisation des
orientalischen Teils Afrikas melden, die aber stattdessen in Cadiz
damit enden, für Franco und gegen andere Italiener zu kämpfen.
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Cristo si e
fermato a
eboli
von Francesco Rosi
Italien (1979)
„Aber in diesem dunklen Land,
ohne Sünde und ohne Erlösung, wo
das Schlechte nicht die Moral
darstellt, sondern einen
irdischen Schmerz, der immer
gegenwärtig ist, ist Christus
nicht angekommen.
Christus kam nur bis Eboli.“
L
ukanien, ein innerster Raum, der Sitz der Seele, präsentiert sich in
dem Film des großen Regisseurs Francesco Rosi als ein Muster des
Südens, archaisch und isoliert. Der Film Cristo si è fermato a Eboli ist
die filmische Umsetzung des Werks von Carlo Levi und „mehr eine
Erzählung als eine Untersuchung“, wie Rosi betont. Eine Ausführung,
die Intellektuelle und Cineasten als eine Referenz betrachten. Cristo si
è fermato a Eboli wurde durch Giulio Einaudi im Jahr 1945 publiziert
und stellt das bekannteste Werk des Schriftstellers, Malers und Arztes Carlo Levi dar. Es erzählt seine Geschichte der Verbannung in die
Basilicata während des faschistischen Regimes. Der Ort Eboli repräsentiert nicht nur die geografische, sondern die historische Ausdehnung einer Welt. Weil Eboli der Ort ist, wo die Straße und die Bahngleise die Küste verlassen und sich dem kargen und öden Land der
Basilicata zuwenden. Der Film wurde gedreht zwischen Aliano, dem
Ort der Verbannung des Schriftstellers, Craco, den Calanchi und in
einigen Masserien der Provinz Matera (Monacelle und De Laurentis)
sowie in der Gegend von Lesce und in Guardia Perticara.
25
Das alte Craco
Craco, die
Geisterstadt
SYNOPSIS
Im Jahre 1934 verbannt das
faschistische Regime den Turiner Carlo Levi, einen Intellektuellen, Arzt und antifaschistischen
Schriftsteller nach Aliano, einem
abgelegenen Dörfchen in Lukanien. Während seines Aufenthalts
entwickelt er Freundschaften und
Sympathien für die Bewohner dieses Ortes.
Das Auge der Kamera hat es
verewigt: „Craco ist eine Blume,
die von ihrem Stängel geschnitten wurde und deren Blütenkrone sich langsam neigt.“ Der Ort
wurde 1962, nach Zeiten des
Ruhms und der Ehre, durch
einen schrecklichen Erdrutsch
fast gänzlich zerstört. In Cristo
si è fermato a Eboli ist Craco ein einziges Filmset: Die engen Häuser,
die Kalkfelsen, die eingesunkenen Straßen und Treppen, überragt von
dem normannischen Turm einer Burg aus dem 13. Jahrhundert, stellen mit den Worten von Rocco Scotellaro als Set „das leidenschaftlichste und zugleich grausamste Dokument unseres Landes“ dar.
„Ich wollte Teile einer idealen Geografie finden“, kommentierte Franceso Rosi, bezogen auf seine
Wahl als Filmset. „Ich habe
Craco ausgewählt, eine Stadt
gleichsam als Ruine, weil Levi
in seinem Buch dieses verlassene Land schildert. Ich
wollte eine Stadt in der Umgegend, die Aliano ähnelt,
denn diese Stadt ist seit der
Zeit von Levi durch moderne
Bauten oder Leitungsmasten sehr verändert worden.
Dann musste ich nur noch
nach einem dritten Dorf suchen, Guardia Perticara, um
einen idealen Ort zu haben.
Aus Matera, der im Bereich
der Sassi wichtigsten Stadt
aus archäologischer Sicht,
benötigte ich nur die Szenen
des Buches, die sich auf die
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Mentalität und die Trachten bezogen.“ Cristo si è fermato a Eboli
trug überwiegend dazu bei, mit
einer ersten Sichtbarwerdung der
Basilicata außerhalb ihrer geografischen Ausdehnung, kraft ihrer
Neigung zum Feld der Malerei und
der Literatur, neue Bereiche der
Bekanntheit zu eröffnen. Wie im Buch, erkundet der Film kritisch die
archaische Gesellschaft Lukaniens im Lauf menschlicher Existenz,
beschreibt sie als einen individuellen Prozess, der Werte und Lebensideen streift. Die Kamera nimmt jene Bilder der rauen Berge in sich
auf, wie sie durch Levi in seiner Verbannung gemalt wurden, die Natur, die Orte, an denen Menschen in ärmlich eingerichteten Häusern
leben. „Es würde reichen, sich dort aufzuhalten,“ kommentierte Rosi,
„auf dem Land, mit seinen Bäumen, dem Himmel, den Feldern und
kahlen Hügel, den einsamen Wegen, die durch die Kamera eingefangen wurden, um ein symbolisches Bild der Ergebenheit in eine unabwendbares Schicksal zu erleben.“
Rosi jedoch hat eine andere Vision Levis und zeigt ein komplexes
und weitgefächertes Bild der Basilicata. Der Film durchstreift verschiedene Jahreszeiten, vom Herbst bis zum Frühling und gibt die
unterschiedlichen Dialekte wieder. „Es gibt hier nicht nur die Calanchi und den Erdrutsch, sondern auch grüne Täler oder Waldstücke,
die einen daran erinnern, wie es vor langer Zeit gewesen sein muss.
Regie: Francesco Rosi
Drehbuch: Tonino Guerra, Raffaele
La Capria, Francesco Rosi
Hauptdarsteller:
Gian
Maria
Volontè, Irene Papas, Lea Massari,
Alain Cuny, Paolo Bonacelli, Stavros
Tornes, Antonio Allocca, François
Simon.
Craco, die Calanchi
Es erscheint mir richtig zu verstehen, dass diese Region auch
Ressourcen beinhaltet, die entwickelt werden können, es gibt nicht
nur die Trostlosigkeit. In gleicher
Weise habe ich auch den Teil verstanden, der von der Magie, von
der Religion handelt, denn wenn
man diese Auseinandersetzung
weiter voranträgt, riskiert man zu
Typisieren und man gibt den Zuschauern Vorschub, die darin ein
Klischee vom Süden und seiner
Kultur sehen.“ Der Film von Rosi
verlangt bei seiner Interpretation
den Ansatz einer historischen
Auseinandersetzung mit der Gesellschaft jener Zeit und danach,
neue Diskussionen über die Themen des Südens und die nationalen Politik. Rosi setzt sich mit den
soziopolitischen Verwicklungen
der Untersuchungen Levis auseinander, die weit davon entfernt
sind, überwunden zu sein und die
heute neue Möglichkeiten eröffnen, auf die Randbemerkungen
der Politik und die Ausgrenzung
einer Volksgruppe von nicht nur
Lukaniern von der Macht einzugehen (und die man noch klarer
PREISE UND AUSZEICHNUNGEN
1982 – Bester ausländischer Film – British Academy of Film
and Television Arts Awards
1979 – Bester Film David di Donatello
1979 - Großer Preis auf dem Festival in Moskau
1979 – Beste Regie David di Donatello, Francesco Rosi
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erkennen kann in der fast eine Stunde längeren, vierteiligen Fernsehfassung des Werks).
Aus dem Buch Cristo si è fermato a Eboli
„Du kommst in Matera gegen ein Uhr mittags an (erzählt die Schwester). Ich las in einem Fremdenführer, dass dies eine malerische Stadt
ist, die unbedingt einen Besuch wert ist, dass es dort ein Museum für
antike Kunst und sonderbare troglodytische Behausungen gibt... Ich
entfernte mich ein wenig vom Bahnhof und gelangte in eine Straße, die
auf einer Seite von alten Häusern flankiert war, auf der anderen führte
sie entlang eines Abgrunds. An diesem Abgrund befindet sich Matera.
(...) ...die Form von dieser Schlucht ist seltsam: wie von zwei halben
Trichtern nebeneinander, geteilt durch einen kleinen Felssporn, die
sich aus der Tiefe zu einer gemeinsamen Spitze wiedervereinen, an
der man, ganz oben, die weiße Kirche von Santa Maria de Idris sehen
kann, die in den Boden gerammt zu sein scheint. Diese umgestürzten
Kegel, diese Trichter, nennt man die Sassi. ...sie haben die Gestalt dessen, was wir uns in der Schule als das Inferno Dantes vorstellten. ...in
diesem engen Raum, zwischen den Fassaden und dem Abhang, führen die Straßen entlang, die zugleich die Fußböden für die bilden, die
aus den Wohnungen darüber kommen und die Wohnungsdecke für
die, die unten leben. ...wenn man die Augen hebt, erscheint endlich wie
eine schräge Mauer ganz Matera... Sie ist wirklich eine sehr schöne
Stadt, malerisch und eindrucksvoll.“
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FAKTEN UND KURIOSES
• „Die Arbeiten an dem Film waren langwierig und ermüdend
– erzählte Gianmaria Volonté – jeden Tag mussten wir die
etwa 240 Kilometer nach Matera
zurückkehren, da die Dörfer, wo wir
drehten, ohne Unterbringungsmöglichkeiten waren. Eine schwere Bürde,
speziell nach neun oder zehn Stunden
Arbeit, und einer Arbeit, die mit solcher
Liebe zum Detail ausgeführt wurde. Mit
den Leuten hatten wir ein gutes Verhältnis. Wir haben einige ganz außergewöhnliche Personen getroffen, von großer Mitteilsamkeit und mit wirklichem Interesse für
das, was wir machten.“
• Die Mauer von Craco ist die Mauer der Wunder. Mit den Bildern der Ankunft Carlo Levis in
Gagliano (Aliano), wo die Mauer einen Teil der Szenografie bildet, änderte sie während der tagelangen Vorbereitungen ständig ihre Tonalität und die
Färbungen. Die Fahrgäste der SITA, deren Haltestelle wenige Schritte entfernt war, wunderten sich über
die farblichen Veränderung des Ortes und hielten diese für ein göttliches Wunder. Nachdem dies die Runde
gemacht hatte, entwickelte sich der Ort zu einer kleinen
Pilgerstätte und blieb noch lange in den gemeinsamen
Vorstellungen
• In einem Brief an Levi, am 12. März 1948, informierte sich
Rocco Scotellaro an welchem Punkt die filmische Umsetzung
sei. Er bekam einen Brief von Levi im April des gleichen Jahres,
in dem dieser ihn über die filmische Reduktion seines Werkes
informierte, dass der Regisseur „einen Stoff oder eine Umsetzung
vorbereite, die komplett verkehrt und nicht akzeptabel sei“, und
es deswegen nötig sei, einen „anderen Regisseur“ zu suchen. Er
kündigte Scotellaro seine Idee an, selbst „einen Plot über das Thema
Christus“ vorzubereiten.
31
FAKTEN UND KURIOSES
• Die Bearbeitung des Textes
Levis durch Scotellaro brach in
Folge einer Reihe von Gründen
ab, die nicht zur Filmproduktion gehörten, an der im Laufe des Jahres
1949 Vittorio De Sica und nach ihm
der Regisseur Roberto Rossellini arbeiteten. Letzterer war Anfang 1950
sogar zusammen mit Levi in Tricarico.
Die Wiederaufnahmen in diesen Jahren
bis 1951 sind durch einige Briefe Levis
an Scotellaro und von Scotellaro an andere
(Michele Prisco, Tommaso Pedio, Antonio
Mangiamele) dokumentiert, die sein Interesse und die verschiedenen Anläufe nach dem
Rückzug von Rossellini aus der Filmproduktion
wiedergeben.
• Linuccia Saba, die Lebensgefährtin Carlo Levi,
die Scotellaro Ende 1951 ein wirkungsvolles Bild
beschrieb: „Mir kommt diese Filmgeschichte vor,
wie eine Film über bestimmte Frauen, die so schön
sind und am Ende alte Jungfern bleiben.“
• „Das erste Mal, als ich den Film außerhalb Italiens gesehen habe, war es in Chicago, bei einem Festival, zu dem
dreitausend Besucher erschienen waren. Und ich hatte
Angst und fragte mich im Stillen, was verstehen die davon
in America, in Chicago? Die Calanchi, das karge Land, die
Bauern, was verstehen sie? Und, am Ende der Vorführung
haben sie alle geweint.“ Francesco Rosi
Aliano, Exilwohnung von Carlo Levi
Die 80er Jahre
“D
iese Menschen und dieses
Land treffen dich direkt ins Herz
und es ist nicht einfach, sich davon zu befreien.“ Und so kehrte
Francesco Rosi in die Basilicata
zurück, nach Matera, um 1981
den Film Tre Fratelli zu drehen.
Frei nach der Erzählung „Il terzo figlio“ von Andrej Platanov entstand
ein Film über die Erinnerung und
über die italienische Gesellschaft
in den achtziger Jahren, eine
Apologie über das Thema des
Sterbens der bäuerlichen Gesellschaft. Der Film wurde gedreht in
33
einer Masseria unweit Materas
und streift die Sassi nur kurz.
Es erscheint nur ein Teil des
modernen Teils der Stadt, als
Darstellung eines Instituts zur
Umschulung in Neapel und eine
Piazza vom oberen Matera. Die
Szene, in der Vittorio Mezzogiorno Klavier spielt, spielt in der Kirche des Konvents von Miglionico.
Der Strand der Achtziger, entlang der Ionischen Küste, wurde vom
Regisseur für die Szene ausgewählt, in der der Ring im Sand verloren geht, während einige Abschnitte der Basentana, auf der Höhe von
Campomaggiore durch Michele Placido verewigt wurden, der auf jener Verkehrshauptschlagader der Region reist.
In 1985 empfing Matera eine weiteres Wunder, eine neuer gigantischer Bibelfilm: King David von Bruce Beresford, erzählt die Geschichte des Hirten David, der Zukunft Israels. Der Sasso Caveoso und die
umliegenden Plätzen stellten erneut das Jerusalem, gepriesen „in
siebzig Namen der Liebe und des Verlangens“ dar. Der Film wurde ein
totaler Flop. Der einzige Stern am Firmament des Kinos war Richard
Gere, in der Rolle des Hauptdarstellers. „Es ist wahr – man kann es
in den Chronologien der Zeit nachlesen – es ist einer meiner Misserfolge, aber ich würde es wieder machen, weil ich dadurch eine so
außergewöhnliche Stadt entdeckt habe wie Matera, die ich ansonsten
nie besucht hätte.“
Das alte Campomaggiore
Die 90er Jahre
D
ie neunziger Jahre beginnen mit einer italienischen Produktion. Die
Brüder Paolo und Vittorio Taviani wählten einige Orte auf dem Land
um Matera und der Sassi aus, um den Süden Italiens und das 18.
Jahrhundert darzustellen. Il sole anche di notte (1990) ist die Geschichte von Padre Sergio, wie sie in dem Roman des gefeierten russischen Autors Lev Nikolaevič Tolstoj beschrieben wurde. Von vielen als
ein Hauptwerk angesehen, für andere lediglich ein fader Film, in den
Kritiken als „mehr Gebärde denn Inspiration, Tolstoi angelehnt, ohne
Überzeugung“ beschrieben, stellt es ein eher kontroverses cineastisches
Werk dar. Matera erscheint in einigen Szenen
des Films. Der Bildausschnitt von der Terrasse
auf die Piazza vor dem
Stadthaus des Protagonisten ist unterhalb der
Felsenkirche der Madonna dell’Idris gelegen und
an der Seite der Kirche
von San Pietro Caveoso.
Einige Teile der Stadt, die
Innenbereiche der Palazzi
und die Landschaft bilden
den Rahmen der Eremitage eines lukanischen
Barons auf seiner Suche
35
nach geistiger Vollendung. Unter den
Darstellern der junge und vielversprechende Schauspieler aus Matera Carlo
De Ruggieri. Verwurzelt mit dem Land,
bleibt die mystische Dimension des Ortes auch in der cineastischen Umsetzung erhalten. Und so stellte die Hauptstadt des lukanischen Kinos in Giuseppe
Tornatores Film L’uomo delle Stelle
(1995) auch das Sizilien der fünfziger
Jahre dar, in der Geschichte von Joe
Morelli, dargestellt durch Sergio Castellitto, der den armen Bewohnern des Ortes Träume von Ruhm verheißt. Das Kino als Traumfabrik ist in diesem
Film eine Maschine der Illusionen. Das nicht existierende Filmhaus von
Joe Morelli in Rom organisierte bezahlte Probeaufnahmen und versprach ein schillerndes Paradies. Matera, die Sassi und San Pietro
Caveoso sind in der fünften Szene zu sehen. Viele Komparsen haben
an der Realisierung des Films mitgewirkt. Castellitto erklärte in einem
Interview: „L’uomo delle Stelle ist ein Film über die gesamte Diskussion
um Sizilien oder ich hatte zumindest Freude daran, dieses Thema allegorisch anzugehen. Es ist die andere Seite der Medaille, das Kino (...)
als Enttäuschung, Niederlage, als Negation von Träumen (...). L’umo
delle Stelle war ein heiterer Film, angenehm in der Umsetzung. Das
Set ist einfach gewesen, voller Leichtigkeit, immer in Gemeinsamkeit
mit den Nicht-Schauspielern.“ Nicht nur Matera, aber auch die kleinen
Gemeinden der Provinz nahmen die Filmproduktionen gastfreundlich
auf, erklärten den Gebrauch und die Trachten der jeweiligen Region.
36
So auch bei dem Film Del perduto
Amore (1998), geschrieben und in
der Regie von Michele Placido, dargestellt von Giovanna Mezzogiorno,
Fabrizio Bentivoglio, Sergio Rubini
und Enrico Lo Verso, gedreht im
historischen Zentrum von Irsina
und an anderen Orten der Ferrandina und Matera. Ein Film über
bürgerliches Engagement, der vor
politischer Leidenschaft und Ideologie strotzt und der von der Existenz
von selbstlosen Personen erzählt,
die das vermeintliche Schicksal
selbst in die Hand nehmen. Michele Placido empfindet die sittsamen
und strengen Personen nach, die
er in der lukanischen Gesellschaft
gespiegelt sah. Im folgenden Jahr
gelangte der Kritiker und VideoMacher Fabio Segatori in die Basilicata um den Film Terra Bruciata
(1999) umzusetzen. Er spielt in der Murgia und in einigen Städtchen
in der Basilicata, unter ihnen Aliano, Stigliano und in Senise mit seinem faszinierenden Staudamm, dem größten Europas. Er zeigt darüber hinaus einige interessante Winkel der Stadt Matera und das
Innere einiger Felsenkirchen. Die Schießereien aus Rache, der Klan
der Comorristi, im Film neben anderen dargestellt durch Raul Bova,
Michele Placido und Giancarlo Giannini, bilden einen Western nach
italienischer Art, der einige Anwandelungen an das Kino Hong Kongs
aufweist, ohne an das Original heran zu erreichen.
Senise, Staudamm
Maratea, Christus der Erlöser
Die Jahre 2000
D
as neue Jahrtausend beginnt mit den Vorzeichen der
Komik und des Pathos. Maratea und seine Christus-Statue
wurden in dem Film von Piero
Chiambretti Ogni Lasciato è
perso (2000) verewigt. Die
Statue des Erlösers, die weltweit höchste nach der in Rio
de Janeiro, wird zum Vertrauten des Protagonisten, eines
berühmten Moderators der
Fernsehshow „That’s amore“, der, von seiner Freundin
verlassen, in eine Depression
verfällt und sich statt an einen
Psychoanalytiker an den Messias von Maratea wendet, um
getröstet zu werden. Mit seinen 28 Meter Höhe repräsentiert Christus von Maratea den Glauben, die Rettung und die Wiederauferstehung des Protagonisten von den Qualen der Liebe.
39
Melfi - Io non ho paura, von Gabriele Salvatores (2002)
Io non ho
von Gabriele
Salvatores
Italien (2002)
paura
I
n der Dämmerung des neuen Jahrtausends nimmt die Basilicata
mit ihren Naturbühnen einige Geschichten mit universellem Charakter auf. Im Lauf des Jahres 2002 entdeckt Gabriele Salvatores bei
einer Fahrt auf der Autostraße von Neapel nach Bari in Richtung
Candela, die Kornfelder und wird von ihnen in den Bann gezogen. Die
Landschaft des Vulture bei Melfi zog sofort den Blick und die Vision
eines der größten Regisseure Italiens auf sich. Die mit ihren Ähren
vergoldeten Felder wählte er als den perfekten Ort für die Ausstattung
von Io non ho Paura, einem seiner jüngsten Filme. Und es war in San
Leonardo, besser bekannt als Leonessa di Melfi, ein magischer und
völlig isolierter Landstrich, wo dieser Film gedreht wurde. Zwischen
den Ähren des goldenen Korns,
kam die Geschichte ins Leben
über den Raub eines Kindes, die
zwischen vier gegenüber stehenden Häusern spielt, umgeben von
gelben Hügeln, unendlichen Weiten und einem immer sichtbaren
Himmel. Es ist der Blickwechsel
von einem Kind, der bestimmt ist
von den einfachen Farben und einer unverdorbenen Natur. Es ist
ein furchtbares Schauspiel über
einen Ort in der Hitze Süditaliens,
der fortwährend von der Sonne
geküsst wird.
41
Regie: Gabriele Salvatores
Hauptdarsteller: Diego Abatantuono, Dino Abbrescia, Aitana SánchezGijón, Giuseppe Cristiano, Mattia Di
Pierro
SYNOPSIS
Im Sommer 1978 in dem Dorf
Acque Traverse in brütender
Hitze treiben sich eine kleine
Gruppe von Jungen umher.
Während eines Streifzugs in der
Umgegend entdeckt Michele ein
Kind, das in einem verlassenen
Haus als Gefangener festgehalten wird. Ohne zu begreifen, was
es mit dieser Situation auf sich
hat, beginnt Michele sich um
das Kind zu kümmern und entdeckt, dass auch seine Eltern in
diese Geschichte verwickelt zu
sein scheinen.
PREISE UND AUSZEICHNUNGEN
2004 – Beste Fotografie David di Donatello Italo Petriccione
2004 – Der junge David David di Donatello
2003 – Das silberne Band für die beste Regie Gabriele Salvatores
2003 – Das silberne Band für den besten Nebendarsteller Diego
Abatantuono
2003 – Das silberne Band für die beste Fotografie Italo
Petriccione
42
The Passion
of the Christ
von Mel Gibson
Usa - Italien (2004)
N
ach einem halben Jahrhundert Geschichte, bewies die Stadt Matera erneut ihre Stellung als die Hauptstadt des lukanischen Kinos. Mystisch und spirituell stellte sie auch im neuen Jahrtausend das Heilige
Land dar. Als wirkliches Filmwunder wurden die Kulturlandschaften
erneut wiedergegeben in einem der meist diskutierten Filme in der
Kinogeschichte. Eine Umsetzung, die fleischlich, brutal und radikal ist,
couragiert, unverständlich und verfeinert zu gleicher Zeit. The Passion of the Christ – La Passione di Cristo (2004) des australischen
Schauspielers und Regisseurs Mel Gibson, vollbringt ein wirkliches
Wunder in den Sassi von Matera, dem lukanischen Jerusalem, dem
Zentrum des geistlichen Kinos.
Die Handlung erzählt die letzten
zwölf Stunden von Jesus Christus, von der Gefangennahme im
Garten von Gethsemane, dem
Prozess und seiner Geißelung, bis
zu seinem Tod am Kreuz und seiner Wiederauferstehung. Einige
Szenen des Werks wurden aus
dem Buch La dolorosa Passione
del Nostro Signore Gesù Cristo
von Anna Katherina Emerick und
aus der Mistica di Dio von Maria
di Agreda entnommen. Auf Latein und in Aramäisch gedreht,
um eine größtmögliche Authentizität zu erreichen, regt der
43
Matera, Via Muro - The Passion (2004)
Film durch die schockierenden
Bilder an, den Gedanken des Opfers zu verstehen, den Schmerz
einer außergewöhnlichen Person wie die Jesus Christus. Das
Matera um das Jahr 2000 zeigt
sich in seiner ganzen Größe und
der Regisseur entdeckt die ungewöhnliche Ähnlichkeit zu einigen
Orten in Judäa. „Die Architektur
der Stadt,“ erklärt Mel Gibson den
Reportern – „die Felsen, die umgebende Landschaft, haben einen
einzigartigen Hintergrund für die
Filmhandlung gegeben. Das erste
Mal, als ich Matera gesehen habe,
habe ich schier den Kopf verloren,
weil es einfach so perfekt war.“
„Das bluttriefendes Filmset in der
Geschichte des Kinos“, so wurde
es in den nationalen Zeitungen betitelt, schenkt uns Ideen und Bilder
von großer geistlicher Suggestion.
SYNOPSIS
Der Film erzählt die letzten zwölf
Stunden im Leben von Jesus von
Nazareth. Jesus erhebt sich nach
dem Abendmahl um im Olivenhain
zu beten, dort entgegnet er den
Versuchungen des Teufels. Verraten durch Judas Ischariot wird
Jesus verhaftet und in das Innere
der Mauern Jerusalems geführt,
wo die Pharisäer ihn der Gotteslästerung beschuldigen und ihn
zum Tode verurteilen. Pontius Pilatus, der römische Statthalter von
Palästina, der über das Schicksal zu entscheiden hat, hört sich
die Vorwürfe an und bietet dem
erbosten Volk die Wahl an, den
bekannten Kriminellen Barrabas
oder Jesus zu verschonen. Jesus,
von den Soldaten gepeinigt, wird
noch einmal vor Pontius Pilatus
gebracht, der, weil sich das Volk
entschieden hat, eher Barrabas
zu retten, seine Hände in Unschuld
wäscht um zu verdeutlichen, dass
er mit dem Geschehen nichts zu
tun haben möchte. Jesus wird zur
Kreuzigung verurteilt und trägt
sein Kreuz auf den Berg Golgata.
Auf dem Berg angelangt, werden
ihm die Hände und Füße an das
Kreuz genagelt und er wird vor
den Augen seiner Mutter und anderer Frauen wie Maria Magdalena gekreuzigt. Jesus erfährt eine
letzte Versuchung, von seinem
geistigen Vater verlassen zu sein,
und stirbt während der Himmel
von Blitzen durchbohrt wird, die
das Dach des Tempels von Jerusalem treffen.
45
Eine der wichtigsten Szenen in La Passione di Cristo spielt in der Via
Muro in der Altstadt, dort wird das Tribunal gegen Christus dargestellt.
Die sehenswerte Treppe bietet den Raum für eine der schauderhaftesten Szenen im Werk von Gibson, in der, gemeinsam mit professionellen Darstellern, eine ganze Reihe örtlicher Komparsen auftreten,
die in großer Zahl während der Aufnahmen eingesperrt werden. Wenige Schritte von der Szene der Passion entfernt - und den gleichen
Ort wählte schon Pier Paolo Pasolini – stellt die Porta Pistola den
Eingang zur Stadt Jerusalem dar, ausgestattet mit einer monumentalen Szenografie, die durch arabische Dekorationselemente charakterisiert wird. Die Straße folgend, die sich im Sasso Barisano mit der
von Caveoso vereint, nur wenige Meter von der Porta Pistola entfernt,
an den großartigen Felsenkirchen von San Nicola dei Greci und Madonna delle Virtù, wurde das Set für das letzte Mahl aufgebaut, bei
dem Jesus den Verrat eines seiner Jünger ankündigt. Die Umgebung,
voll von Mystik und Spiritualität, wird überragt vom Berg von Golgata,
einem Felsausläufer am Überhang von der Gravina im Parco della
Murgia von Matera, dem Ort der Kreuzigung Jesu, an dem der wichtigste Moment für die Menschheit stattfindet.
Von den anderen Sets diese lukanischen Jerusalems ist der Vico Solitario, in dem Stadtteil Malve, ausRegisseur: Mel Gibson
gestattet mit Bänken und HändHauptdarsteller: James Caviezel,
lern, die den Markt darstellen
Maia Morgenstern, Monica Belucsollen und einen Ort der Zusamci, Mattia Sbragia, Hristo Shopov,
menkünfte. Über der Schlucht
Claudia Gerini, Luca Lionello, Hristo
Jivkov, Rosalinda Celentano, Sabrina
gelegen, stellte die Masseria RaImpacciatore, Francesco De Vito,
dogna das Haus von Jesus dar, in
Toni Bertorelli, Fabio Sartor, Sergio
dem einige Erinnerungsszenen an
Rubini, Giacinto Ferro, Olek Mincer.
seine Kindheit spielen.
46
Craco: die Geisterstadt kommt wieder
auf die große Leinwand
Außerhalb der Stadt Matera zog Craco, die Geisterstadt, die schon einigen Filmen großer Regisseuren als Schauplatz diente, das Interesse
der Hollywoodianer auf sich. Dort wurden einige Szenen der Erhängung
von Judas gedreht. Als ein Ort für die große Leinwand, gefeiert von der
Cinecittà und von Hollywood, verfügt das antike Graculum über eine
Jahrtausendgeschichte und bietet einen sehr suggestiven und magischen Ort für die Umsetzung eines Films. Heute, als verlassene Stadt,
stellt es die ideale Szenografie für einen Film mit biblischen Inhalt dar.
PREISE UND AUSZEICHNUNGEN
2005 – Silbernes Band für die Beste Szenografie
2005 – Silbernes Band für die Kostüme
47
FAKTEN UND KURIOSES
• Die Stadt von Matera erwiderte
die Anwesenheit des HollywoodFilmapparats mit großer Zurückhaltung, allein weil man es schon gewohnt ist, häufig Filmtrupps auf den
Straßen zu sehen. Aber das Aufgebot
von Gibson war monströs. Wohnwagen und Techniklastwagen vereinnahmten die Straßen und die Plätze in
der antiken Tuffsteinregion. Der größte
Teil der Hotels im historischen Zentrum
wurden belegt. Einige Mauern wurden
eingerissen, um Platz für die Erfordernisse
des australischen Regisseurs zu schaffen.
In dem Hotelzimmer von Mel Gibson, dem
gastfreundlichen Albergo Italia, im Herzen des
Matera des 18. Jahrhunderts, wurde ein Bänkchen aufgestellt für die morgendlichen Gebete.
Es war einfach Gibson zu sehen, wenn er abends
ausging, auch in Pantoffeln, immer lächelnd und
immer liebenswürdig mit allen.
• Mel Gibson stand immer früh am Morgen auf, betete viel und nachdem er sich dem Geist gewidmet
hatte, widmete er sich auch dem Körper und machte
ein wenig Sport. Die biblischen Texte und das Evangelium beschäftigten seine Gedanken. Er bat sogar Don
Angelo, den örtlichen Priester, die Messe in Latein zu
lesen, um seine starke Bindung an die Vorkommnisse der
Vergangenheit zu bezeugen. Die Messe, nach der Genehmigung durch den Erzbischof, wurde in der Chiesa della
Palomba gehalten und Mel Gibson übte das Amt des Messdieners aus. Er verbrachte viel Zeit in Kirchen, insbesondere in Miglionico, wo er zwei Tage die Kreuzigung Christus
in der Basilika von Santa Maria Maggiore studierte, in der es
auch den Polyptychon von Conegliano gibt. Mel Gibson diskutierte mit den örtlichen Geistlichen die Rolle einiger Personen im
Leben von Jesus und, während einer Diskussion mit Don Basilio
Gavazzeni, erklärte er, bereit zu sein, sich für Christus zu opfern.
48
• Es gibt zwei Szenen, in denen
Mel Gibson im Film zu sehen ist,
oder besser, es sind seine Hände,
die erscheinen: das eine Mal als
die Nägel durch die Handflächen
von Jesus geschlagen werden, und
das andere Mal, als Maddalena zu
Boden sinkt.
• Der Glauben hat eine unglaubliche
Überzeugungskraft und der Film Passione di Cristo bewies dies einmal mehr.
Es kann nicht einfach für Jim Caviezel gewesen sein, die Rolle des Jesus Christus
darzustellen: jeden Tag betete er einen
Rosenkranz, nahm die Kommunion, betete
und wendete sich nach dem lukanischen Jerusalem vor 2000 Jahren, segnete Kinder,
Frauen und Männer, die er entlang seines Weges traf.
• Die Natur, der Wind, der Himmel und die Blitze
wirkten wie bestellt, um ihren Anteil im Film über
das Leben von Jesus Christus zu bestreiten. Und
es war genau im Moment der Kreuzigung und des
Todes von Christus, als der Himmel sich schwärzte
und sich mit Wolken bedeckte. Blitze und Blitzschläge bedrohten das Set des Hollywood-Kolosses, und
fügten der Erzählung der Evangelien eine absolut reale
und wahrscheinliche Szene hinzu. In den Anekdoten wird
erzählt, dass der Regiegehilfe von Mel Gibson, Jan Michelini, sogar zweimal der Blitzschlag getroffen wurde und er,
wunderbarerweise, völlig unversehrt blieb. Im Abspann des
Films wird sein Name bezeichnet als „The lightning boy“.
• „Mel Gibson ist der wahre Erlöser“. Die Zeitungen in der ganzen Welt bringen Matera auf die internationale Bühne. In der
alten und neuen Welt, erreicht die Nachwirkung von Gibson die
Grenzen der Realität. Der Sternenstaub aus Hollywood erreicht
49
FAKTEN UND KURIOSES
das Tuffsteingebiet. Der Film wird
am kontroversesten diskutiert in
der religiösen Gemeinschaft. Juden und Christen verurteilen den
Antisemitismus des Werks, seinen
Sadismus und die Leidenschaft für
Gewalt und Liebe. Ausländische Fernsehsender, internationale Zeitungen
kommen, um Aussagen Beteiligter
in der Stadt zu sammeln. Die Wirkung
von Gibson verstärkt sich. Sie wirkt wie
eine Spirale. Der Film provoziert Glaubensbekehrungen, Tränen und bedrücktes Schweigen, vermittelt Einkehr und tiefe
Besinnung. Matera bietet den Hintergrund
für diese grausame und zugleich gläubige
Geschichte und wird selbst berührt von einem
göttlichen Wunder. Das lukanische Jerusalem
beginnt auf diese Weise seinen Weg der eigenen Vermarktung. Es beginnt ein Kinotourismus,
ein Cineturismo.
Matera, Parco della Murgia bei Matera
Die Jahre 2005
bis 07
N
ach ungefähr drei Jahren, im Jahre 2005, wird Matera und das
angrenzende Gebiet für die Ausstattung von Il Rabdomante ausgewählt, einem Film von Fabrizio Cattani mit Andrea Osvart, Pascal
Zullino, einem Schauspieler aus Matera, Luciana De Falco und Riccardo Zinna. Der Film erzählt die Geschichte von Felice, der unter
Schizofrenie leidet und Eingebungen der Wünschelrute hat. Er kann
unterirdische Wasseradern aufspüren, aber das läuft den Interessen
von Tonino (Ninì Cintanidd) entgegen, einem Verbrecher, der in seinen
Händen das Geschäft mit dem Wasser hat, in einer Region in der die
Trockenheit ein viel diskutiertes Thema ist. In der
Handlung des Films sind
alle Elemente vorhanden:
das verlassene Land, das
Wasser, mit dem Felice
sich auseinandersetzt, die
Luft, dargestellt durch die
junge und schöne Harja
und das Feuer, das alle
Elemente
beherrschen
möchte,
repräsentiert
durch den Boss Ninì Cintanidd. Spektakulär ist jene
Tagesszene, die in den
Sassi von Matera gedreht
wurde, in der Harja entlang der Straßen des Sasso Barisano und an der
51
Murgia Materas läuft, um sich
vor der Gefangennahme durch
die Männer von Ninì zu retten.
In dem Film, in dem die Farben
und das Licht auf dem Land und
die Murgia leuchten, werden
diese zu Mitspielern in einer originalen Geschichte, gedreht mit
öffentlichen und privaten Koproduzenten.
Im Jahr 2006 wird Matera ausgewählt für den Film von John
Moore The Omen – Il Presagio,
in denen die Tuffsteingebiete
eine israelische Stadt der Gegenwart darstellen sollen. Nach
dreißig Jahren nimmt sich der
Regisseur wieder des Film Il
Presagio von Richard Donner
an. Herausgekommen strategischerweise am 6.6.06 erzählt
dieser Film die Geschichte von
einem wohlhabenden Ehepaar,
die mit Horror feststellen müssen, dass ihr adoptiertes Kind
52
die Reinkarnation des Antichristen ist. Fünf der Szenen, die in
den Sassi gedreht wurden, geben den Markt wieder und den
Checkpoint von Jerusalem. Nach
vielen Filmen über die Figur des
Christus, bietet Matera nun die
Ausstattung für einen Film über
den Antichristen. Aber die mystische Macht und die Spiritualität
des Ortes zur Jahrtausendfeier
ziehen die Aufmerksamkeit wiederum auf die Höhle, in der die
Geburt Jesu dargestellt wurde.
Im gleichen Jahr, versetzt Catherin Hardwicke The Nativity
Story (2006) in die Sassi von
Matera. Sie wird dargestellt von Keisha Castle-Hughes, Oscar Isaac,
Hiam Abbas, Shaun Toub, Ciarán Hinds. Der Film erzählt die Reise von
Maria und Josef nach Bethlehem. Nach der Ankündigung der Geburt
von Christus und während ihrer langen Reise, müssen die beiden Heiligen den Beweis für die unermessliche Gabe antreten, in dem sie Versuchungen und Schwierigkeiten überwinden. Catherine Hardwicke,
genauso wie zuvor Pier Paolo Pasolini und Mel Gibson, wählte Matera
und besiegelte damit die symbolische Rolle in der Reihe biblischer Fil-
me. Fünf der Drehwochen galten
anderen Locations: der Selva Venusio nahe Matera, wo das Dorf
von Nazareth nachgebaut wurde und das Höhlensystem von
San Pietro in Principibus, in der
Murgia Materas, das Bethlehem
darstellte. Wie Mel Gibson, wählte Hardwicke die Via Muro als
ein Filmset, aber die Geisterstadt
Craco um ein antikes Dorf in der
Szene der Verkündigung darzustellen. Der Film wurde als erstes
in Vatikanstadt gezeigt. Im Jahr
2007 produzierte und verfilmte
Fulvio Wetzl in Zusammenarbeit
mit Valeria Vaiano nach einer
sozio-anthropologischen Recherche den Film Mineurs (ein Wortspiel, dass darstellen soll, dass es sich mehr um Minderjährige, also
„Minori“, denn um Minenarbeiter „Minatori“ handelt). Mit der aktiven
Beteiligung einiger lukanischer Kommunen wurde Mineurs unter den
Blicken von einigen Kindern gedreht, und brachte in den Fokus die
Erinnerung an die bittere Geschichte der Emigration, insbesondere
der Lukaniens in den 50er und 60er Jahren. Belgien wird die neue
Heimat für eine große Gruppe gleicher Herkunft, die Arbeit in den Minen suchen, die ihnen ihr Leben zerstören werden. Einige Drehorte
waren Acerenza, Atella, Bella, Cancellara, Genzano di Lucania, Muro
Lucano, Oppido Lucano, Rapolla, Rionero in Vulture, Ruoti, San Fele,
Satriano di Lucania.
Movie Tour 1
Matera als Jersusalem:
von Pierpaolo Pasolini bis
Catherine Hardwicke
IFilms,
n Matera, dem Set der Sets des
beginnt eine Entdeckungstour zu den suggestivsten Locations, die von den internationalen
großen Filmemachern gewählt
wurden. Die „Krippe der Wunder“
wurde erzählt durch die Regisseure, die die Geschichte von Jesus Christus an dem symbolischen
Ort der Jahrtausendstadt spielen
ließen: Il Vangelo secondo Matteo
von Pier Paolo Pasolini (1964), King
David von Bruce Beresford (1985),
The Passion of the Christ von Mel
Gibson (2003) und The Nativity
Story von Catherine Hardwicke
(2006). Die Tour durchläuft
die Stationen, die besonders
wichtig sind für die Erzählung
des Evangeliums: Räume
und Orte die auf der großen Leinwand ihre ganze
Großartigkeit entwickelt
haben und die Augen
verzauberten und die
Herzen bewegten.
55
VIA MURO
Schöne Aussichten, szenografisch und spektakulär: die Via
Muro, der Ausgangspunkt für die Tour auf den Spuren der
Passion Christis, hat die großen Regisseure aufgenommen:
Mel Gibson und Catherine Hardwicke. Im Film The Passion of
the Christ stellt die Via Muro
die Via Crucis dar, in der Jesus, auf dem Weg zur Kreuzigung, sich seinem Schicksal stellt. Mel Gibson ließ
sich dabei von dem großen
Pier Paolo Pasolini inspirieren, der Matera gewählt
hatte wegen seine tatsächlichen Ähnlichkeit zu Palästina. Der Maestro und Poet,
der das Sujet des biblischen
Films in die Sassi einführte,
hatte hingegen die Via Lombardi gewählt, um die Szene
56
der Vis Crucis zu drehen. Eine Wegstrecke, auf
der sich die Menschlichkeit und die Spiritualität
vermengen, Raum lassen für das Bild und den
unendlichen Horizont von Golgata. In dem Film
über die Geburt wählte Catherine Hardwicke
hingegen die großartige Treppe der Via Muro
mit dem großen Tor, dekoriert mit exotischen
Palmen und Verkaufstischen der Händler, als
Ort der Begegnung und des Tauschs der Dorfbewohner. Die Via Muro verbindet das alte
Stadtviertel, wo sich die eindrucksvolle Kathedrale erhebt, mit der Piazza San Pietro Caveoso, im Überhang über der Schlucht, an der sich
die Kirche von San Pietro Caveoso erhebt.
SAN PIETRO
CAVEOSO
Die Piazza San Pietro Caveoso, unsterblich durch die großen
italienischen und ausländischen Regisseure, ist die Stadt der
Wahl auch für andere Filmausstattungen, so der Brüder Taviani in ihrem Hauptwerk Il Sole anche di notte (1990), von Giuseppe Tornatore Nell’Uomo delle Stelle (1995) und von Ferdinando Arrabal in dem Film L’Albero di Guernica (1975).
57
Der Stadtteil Malve
Von der Schulter der Piazza San Pietro Caveoso folgt man
dem Stadtteil Malve entlang, einer suggestiven Location wo,
in dem Film des Hollywood-Regisseurs Gibson, die Handelsaktivitäten der Stadt Jerusalem stattfinden. Bänke, exotische
Pflanzen und andere Ausstattungsgegenstände verwandeln
den Ort in einen alten Markt in Jerusalem. Der Ort ist reich
an Faszination und Geschichte und erlebt zwischen seinen antiken Felsenkirchen und die tiefen Höhlen, auch das Missgeschick des Films King David.
Porta Pistola
Kreuzungspunkt zwischen den beiden Sassi, dem von Barisano und von Caveoso, spannt sich die Porta Postèrgola, besser
bekannt als Porta Pistola, über den Überhang des grandiosen
Tals der Schlucht, wo der Strom der Gravina fließt. Der Ort,
ausgewählt sei es durch Pier Paolo Pasolini oder durch Mel
Gibson, stellt das Tor zur Stadt Jerusalem im Heiligen Land
dar, erweitert durch eine monumentale Szenografie und einige
arabische Architekturelemente.
59
Madonna delle Virtu’
und San Nicola dei Greci
Wenige Schritte vom Tor Jerusalems entfernt, erhebt sich ein
hinreißender Felskomplex, der
die beiden Kirchen Madonna
delle Virtù und San Nicola dei
Greci beherbergt, in denen das
Abendmahl des Hollywoodfilms
spielt.
Wörter der Liebe wechseln sich
ab mit Blut und den Nägeln und
dem Lamm Gottes, das die Menschen von der Sünde befreit, bevor das Kreuz für das Hinscheiden und die Wiederauferstehung
auf dem Berg Golgata im Parco
della Murgia aufgestellt wird.
60
Parco della Murgia
Der Parco della Murgia als ein Naturerbe ist zugleich ein
historischer Ort und eine Naturschönheit von außergewöhnlichem Bedeutung. Von der Schlucht, wie einer Insel, bricht
sich die Murgia ihren Weg ohne Grenzen und Hindernisse.
Die Landschaft erzählt vom Wechselfall der Menschen, vom
Ursprung des Lebens bis in unsere Tage und inspirierte mit
seinen eindrucksvollen Ansichten Regisseure und Literaten.
Das Gebiet von San Vito hatte Pier Paolo Pasolini für die Szene mit dem heiligen Gral ausgesucht und für die Erscheinung
des Erzengels Gabriel.
In der Passione di Cristo hingegen, wird das Leben von Jesus
als Kind in einem Flashback, intensiv und mystisch, in einem
ländlichen Gebäude in dieser Region, der Masseria Radogna.
Auch Catherine Hardwicke errichtete im Parco della Murgia,
in der Felskirche von San Pietro in Princibus – ihr BethlehemDorf und in Selva Venusio das Dorf von Nazareth.
61
Golgata
Und in der Murgia Timone wurde Golgata errichtet. Suggestiv
und mystisch stellt es den Hintergrund für die Kreuzigungsszene
in den Filmen von Pier Paolo Pasolini und Mel Gibson. Das Golgata, das Catherine Hardwicke vorbereitet hat, blickt hingegen
auf die Kreuze als Darstellung des Todes. Golgata ist die letzte Etappe der Cinetour in Matera auf den Spuren der Bibel. Im
Auge des Betrachters bleiben die verzaubernden Bilder von der
Krippe der Wunder.
Movie Tour 2
Die Burgen im Film
Craco, Aliano, Irsina
und Ferrandina
D
ie Tour steht im Zeichen des
Göttlichen. Nicht nur die Stadt
der Sassi, aber auch die Burgen
auf dem Land erzählen von den
Wechselfällen im Leben von Jesus
Christus. Die Burgen stellen magische Orte in einer einzigartigen
Landschaft dar, vom Mond beschienene und verlassene historischen
Ausstattungen, die gleichzeitig von einem Lächeln und unter den Blicken
der Einwohner der Orte begleitet.
In deren bäuerlicher Welt werden
Filme wie Cristo si é fermato a
Eboli (1978) von Francesco
Rosi erzählt, begleitet von Filmen wie Dal Perduto Amore (1998) von Michele
Placido, der in diesem
sozialen Mikrokosmos,
ein Fresko der archaischen Gemeinschaft
zeichnet.
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Craco
Die mittelalterliche Burg der
Geisterstadt hat ihre erste
Filmklappe im Jahr 1978
gesehen, für die Aufnahmen
zum Film Cristo si è fermato
a Eboli von Francesco Rosi.
Craco bot auch ein natürliches Set für den Film Il sole
anche di notte (1990) der
Brüder Taviani und für Ninfa Plebea (1996) von Lina
Wertmüller. Letzterer ein
Film, der zwar über die Basilicata erzählt, aber bei dem
man nicht sicher ist, ob die
vom Regisseur gewählten
Orte wirklich dienlich sind,
gefolgt von einem Filmkoloss
und einer Geburt: The Passion of the Christ und The Nativity Story. In dem Film von Mel
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Gibson stellt die mittelalterliche
Burg von Craco, ein zeitloser
Ort, wo sich Judas unter dem
Einfluss des Teufels entschließt,
sich zu erhängen. Craco ist
auch die fünfte Etappe von Cristo si è fermato a Eboli, einem
Werk nach dem Kultbuch des
Künstlers Carlo Levi, der darin
über seine Verbannung in Lukanien berichtet.
Aliano
Von der Geisterstadt nach Galiano (Aliano) knüpfen sich die Einzelbilder entlang einer kargen Landschaft, der Mondlandschaft der
Calanchi, bis zu dem Gemälde des Paladins des Südens, das der
Geschichte der lukanischen Bauern eine Stimme verleiht, und an
die Bedingungen ihres Lebens im Süden und an die Geschichte
der Unterdrückung ihrer Kultur erinnert. Ein Ort, der in dem literarischen und dem filmischen Werk gottverlassen wirkt, in der die
Bauern in einem anderen Zeitalter zu leben scheinen, das einen
magischen und zugleich weltlichen Beigeschmack hat, eine Historie, in der
Christus wirklich nie angekommen ist. Vor dem Hintergrund
einiger biblischer Szenen in
dem Film über die Geburt
von Jesus Christus von
Catherine Hardwicke,
stellt die Geisterstadt
ein Dorf in Kanaan dar.
Die verlassenen Straßen werden wiederbelebt: Ställe, Lagerräume,
verlassene Herrenhäu-
ser, gemeinsam mit den Ruinen der Geisterstadt und ihren
auf unwiderstehliche Art faszinierenden steilen Felsen, bilden
den Hintergrund der von der
Regisseurin gewählt wurde für
die Szene, in der Maria und Josef Rast halten auf dem Weg
von Nazareth nach Bethlehem.
Irsina e
Ferrandina
Die Burgen im Film Del Perduto Amore. Die Plätze, die Straßen,
die Masserien nahe dem antiken mittelalterlichen Zentrum von
Irsina sind unwissende Zeugen einer Geschichte, verwurzelt in der
politischen Ideologie, voller Leidenschaft und großer menschlicher
Gefühle. Seine Hauptdarsteller setzen sich mit Sitte und Anstand
auseinander, Eigenschaften, die Michele Placido in der lukanischen Bevölkerung erhalten sah.
Die Häuserecken, die Straßen, die Plätze der beiden Burgen der
Provinz bildeten den Hintergrund für einen Film über die Erinnerung, über verlorene Existenzen, die vor sich hin leben und, ohne es
zu wollen, nie das Schicksal ändern werden.
Das Land und die kleinen Ortschaften geben den Hintergrund für
die Szenen des politischen Engagements, der ideologischen Leidenschaften, die von den Werten, der Kultur und von den Menschen
aus italienischen Landen erzählen.
Eine perfekte Ausstattung, um die entstehenden Gefühle zu reflektieren, die entflammenden Leidenschaften, die Utopien des Geistes
und die Schönheit der erblühenden Herzen.
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Gutshof, Vulture bei Melfi
Movie Tour 3
Die lukanischen Filmlandschaften: Natur, Sonne
und strahlender Glanz.
Barile, Vulture Melfese und
Maratea
D
ie Cinetour auf den biblischen Spuren hält in Barile,
einem Dorf des Weins und der
Kornfelder im Grün eines erloschenen Vulkans: des Vulture. Ein
Ort, den der große Pasolini wegen
seiner Kontraste liebte. Von Barile
führt die Tour an die Orte des Weins,
des Wassers und des Films – Orte
im Vulture Melfese, wo die Szenografie, die Farbe, die weite Ausdehnung die Augen verwirrt und die
Herzen der Betrachter und der
Besucher. Wie im Film Io non
ho paura (2003) von Gabriele Salvatores, wo die Natur
eine Spur des Märchenhaften der Ausstattung
des Films hinzufügt.
Die Cinetour Lukaniens kann nicht um69
hin, auch in Maratea Halt zu machen, in den Fußstapfen von
La Vedovella (1964) von Sergio Siano und von Ogni Lasciato
è perso (2000) von Piero Chiambretti, in dem die Statue von
Christus dem Erlöser aus der Höhe seiner Eindrücklichkeit
sein Volk behütet.
Barile
Die albanische Stadt ist der
Ort der Prozessionen „der
Mysterien“ und der „Mission“, die sich nach alter Tradition seit Jahrhunderten
wiederholen. Die Passion von
Jesus erlebt in jedem Jahr in
der Heiligen Woche wieder
auf, wo das Drama mit dem
ausgestoßenen Ruf endet,
der die Erde erschüttert. Die
Landschaftsbilder erzählen
von den Wechselfälle der Geschichte, von ihrem Glanz und
ihrer Verzauberung. Barile
70
als Bethlehem (wurde das
große Ereignis im Jahr 2007
benannt, zu dem der katalanische Schauspieler Enrique
Irazoqui, der Christus in dem
Film Il Vangelo secondo Matteo, aus Spanien angereist
war): ein Ort, wo die Menschheit und das Göttliche sich in
urtümlicher Schönheit und
dem Glanz der Natur vereinen. Der große Künstler Pier
Paolo Pasolini siedelte einige wesentliche Filmszenen
dort an: Die Geburt unseres
Herrn und die Verfolgung
der Unschuldigen. Die elende
Höhle der Heiligen Familie, in der Jesus Christus geboren wurde
gehört heute zum Parco urbano delle cantine von Barile, einem
so genannten städtischen Park der Weinkellerein. Für Pasolini
allerdings waren sie noch „elende Orte, entblößt, schmucklos, in
keiner Weise sehenswert. Aber eben deswegen voller Heiligkeit.“
In Barile, entlang der Kluften und der jahrtausendalten Höhlen, in
dem entfernten Bereich „Sheshi“, der so Kinogeschichte gemacht
hat, setzte er lange und detailgenaue Szenen mit dem Teleobjektiv
um, um die Gefühle und die Gesichtsausdrücke von Hunderten von
Komparsen dieses Schwarz-Weiß-Films einzufangen.
Vulture
Melfese
Wenn man die Standbilder der Basilicata durchblättert, inspiriert die
Landschaft von Vulture Melfese
zur inneren Einkehr: sie irritiert und
inspiriert durch ihre ausgesprochene Schönheit, mit ihren Naturausblicken, mit ihren kulturhistorischen Monumenten. Hier setzt
die Geschichte ein von dem Kindesraub als Werk der kriminellen
Unterwelt und der „lupi mannari“,
der Werwölfe, einer Gruppe von
schlechten Erwachsenen, über die
in dem Roman Io non ho paura von
Niccolò Ammaniti berichtet wurde
und der durch den Regisseur Gab-
riele Salvatores auf die Kinoleinwand
gebracht wurde. Eine Geschichte mit
einer Kamera, die aus der Tiefe filmt,
auf der Höhe eines Kindes, das die
Welt auf seinen Streifzügen durch die
Wiesen und die Kornfelder entdeckt.
„Es ist der Sitz der Seele“, erklärt
Salvatores den Reportern, „der urtümliche Süden, die Magna Grecia, ein
oft vergessener Teil Italiens. Der Ort
wo noch die Eingebungen einer poetischen Bauernwelt noch existieren, bot sich als die perfekte Umsetzung an für „Acque Traverse“, jenen suggestiven Ort, der von
Niccolo Amaniti in seinem Roman beschrieben wird, den ich für
den Film verwendet habe.“
Maratea
Die Landschaften der Burgen, der Mineralwasserquellen, des Aglianico-Weins verlassend, gelangt die Cinetour an das Tor der tyrhenischen Küste, nach Maratea. Bezaubernd und herrschaftlich,
schon verewigt von Dino Risi in dem Film A porte chiuse (1960),
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bot Maratea als Perle des tyrhenischen Meeres mit der Piazetta der
Stadt die Ausstattung für die Szene
in der Filmkomödie La Vedvella von
Sergio Siano.
Der zentrale Teil eines Films, in einer heiteren Atmosphäre, pikant,
unterhaltsam und kurzweilig, spielt
auf der lebhaften Piazza Giovanni
Buraglia aufgenommen in dem
Moment des Fests, die Liebschaften und der schon mythische Kniff
in den Hintern hingegen in der Via
Rovita von Maratea.
In dem ironischen Film Ogni lasciato è perso von Piero Chiambretti
wird das Gebet an den das Bild beherrschenden Christus den Erlöser
gerichtet, der mit seiner außerordentlichen Lage am Golf von Policastro große cinematografische
Macht ausübt.
Die Burg von Maratea und der Monte Calvello
Lucania Film Festival
Leben gerufen und wird jährlich im August in Pisticci abgehalten. Es ist zu einem Referenzpunkt für die
Freunde des Kinos und des Kurzfilms geworden. Sie
veranstalten internationale Filmwettbewerbe für
den Kurzfilm, die sich an Filmemacher in der ganzen
Welt wenden, Initiativen zur Aufwertung unabhängiger Produktionen, Projekte im Bereich audiovisueller
Medien, zur Bekanntmachung von kulturellen Events,
Diskussionen, Konferenzen und Festspielaktivitäten,
die mit dem Kino und anderen audiovisuellen Medien verbunden sind. Die „ZIC’s“: eines der laufenden
Projekte der Vereinigung Allelammie ist die Zusammenstellung der ZIC – Zone di interesse cinematografico, also die Gebiete, die für das cinematografische Interesse wichtig sind, und von Reiserouten, die
Kino- und Naturerlebnisse kombinieren, zur Verwertung durch den touristische und kulturelle Serviceangebote.
www.lucaniafilmfestival.it
Potenza Film Festival
DRecherchen
ie Organisation IFF in Potenza fördert seit 2004
und Studien zur Aufwertung und der
Bekanntmachung eines neuen internationales Kinos, mit besonderem Interesse für aufkommende
Strömungen im unabhängigen und experimentellen
Die Filmfestivals
in der Basilicata
GPisticci,
efördert durch die Organistation Allelammie in
wurde das Lucania Film Festival 1999 ins
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Kino, für die jungen Cineasten, für neue Filmsprachen
und Technologien. Mit allen seine Sparten, seien es
konkurrierende oder nicht konkurrierende, regt das
Festival die Kenntnis und die Verbreitung von Filmen
neuer Autoren an, die stilistische und formale Suche,
die Verwendung neuer Technologien und neuer Filmsprachen, favorisiert den Erfahrungsaustausch der
Cineasten sowie die Bewertung und die Entdeckung
neuer internationaler cinematografischer Talente.
Das Atelier Internazionale del Cinema in Potenza ist
ebenfalls angebunden, das wiederkehrend als Gastgeber für wichtige Meister des internationalen Films
fungiert.
www.potenzafilmfestival.it
Io, Isabella
I
o, Isabella International Film Week ist das erste
süditalienische Festival, dass sich dem Dokumentarfilm und dem feministischen Kino widmet. Innerhalb
einer Woche existiert eine Zusammenkunft internationalen Zuschnitts, die jedes Jahr im Juli in Maratea
abgehalten wird. Es veranstaltet einen Wettbewerb,
eine Reihe von wettbewerbsfreien Sektionen (Country
in Focus und weitere zwei, drei Sektionen zu besonderen Themen), Begegnungen, Talk Shows und Events.
Das Festival bietet eine qualitative Auswahl von Filmen
und kreativen Dokumentationen, die aus aller Welt
stammen. Der Wettbewerb ist all den Filmen gewidmet, die von (und für) Frauen gemacht worden sind,
während gut 70% der gesamten Auswahl dem Dokumentarfilm gelten, der für die große Leinwand oder
für das Heimkino gedacht sind.
www.ioisabella.org
76
Maratea International
Film Festival
DjektaszurMaratea
International Film Festival ist ein ProFörderung des Kinos und der Kultur. Gefördert
durch die non-profit Organisation MarateaFestival,
wurde es im März 2009 gegründet mit dem Zweck,
ein kulturelles Event zur Auszeichnung italienischer
und ausländischer Filme zu entwickeln. Ein Anliegen
ist es, zur Belebung von Gegenden beizutragen,
sei es während der Festivalzeit, sei es während des
gesamten Jahres. Hier werden Events, die mit der
Kunstwoche verbunden sind, veranstaltet sowie Zusammentreffen internationaler Filmemacher oder
die Teilnahme von wichtigen Persönlichkeiten aus der
Welt des italienischen und internationalen Kinos oder
besonderer Personen aus dem kulturellen Leben.
www.marateafestival.com
Cinemadamare
Cvoninemadamare
ist das größte Zusammentreffen
jungen Filmemachern aus allen Teilen der Welt.
Es handelt sich dabei um eine Wander-Filmschau, die
in fünf Regionen Süditaliens während 40 Tagen der
Monate Juli und August stattfindet. Die teilnehmenden Filme werden während des Festivals gedreht.
Etwa Hundert italienische und ausländische Filmemacher haben die Möglichkeit, ihre Werke zu realisieren und sie auf öffentlichen Plätzen Süditaliens
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zu zeigen, die besonders zentral und suggestiv sind.
Während der lukanischen Etappe finden Aufführungen, Diskussionen und besondere Begegnungen zum
Kino in Matera und Novasiri statt..
www.cinemadamare.it
Lagonegro Cinema
D
as Festival Nazionale Cinema e Musica di Lagonegro stellt einen Ort der Begegnung dar, der sich der
italienischen Filmmusik in ihren unterschiedlichen Ansätzen und Tendenzen widmet. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den jungen Komponisten der Filmmusik. Es findet in den Gemeinden Latronico, Lauria
und Lagonegro statt und in verschiedenen Sektionen:
Filmvorführungen, Dokumentarfilme, bildende und allgemeinverständliche Aktivitäten, Prämierungen und
Konzerte.
www.lagonegrocinema.it
Cinetica - Rionero in Vulture
S
eit 15 Jahren steht der CineClub De Sica – Cinit
im Vulture Melfese für die Cinetica, die im Kinosaal
Vorrasi in Rionero in Vulture stattfindet und aus Filmvorführungen, Events und Terminen besteht, die der
Kunstwoche gewidmet sind. Im Lauf der Jahre sind
mehr als 170 Filme im Programm gewesen, viele
von ihnen rare Dokumente, wertvoll und von beachtlichem emotionalen Gewicht. Zu den Aktivitäten gehören auch Workshops mit den Schulen, Prämierungen, Seminare zur Vertiefung und zu verlegerischen
Aktivitäten.
.
78
La Notte dei Corti Viventi
„D
iese Nacht der belebten Höfe“ bietet ohne jeden
Wettwerb in der Stadt Matera in den Monaten April/
Mai Filmvorführungen für Kurzfilme und mittellange
Filme. La Notte di Corti Viventi zielt darauf ab, die
Kreativität und den Ideenreichtum aufkommender Filmemacher zu fördern. Es wird ein Forum aber auch
ein Art Schaufenster geboten, um sich mit diesen
Werken auseinander zu setzen. Es können sich alle Filmemacher melden, die in der Basilicata leben oder in
einer der angrenzenden Gemeinden von Matera wie:
Altamura, Gravina, Santeramo, Laterza und Ginosa.
www.egghia.it
D
as Bella Film Festival fördert in jedem Jahr im
September Filmvorführungen zu Themen, die mit politischen und sozialen Aspekten der gegenwärtigen
Gesellschaft verbunden sind und veranstaltet Zusammenkünfte und Diskussion über das Kino.
Cinefabrica
DFilmen
iese Kinofabrik bietet wandernde Vorführungen von
und filmischen Werken, die nach dem Muster
eines ambulanten Kinos durchgeführt werden. Gefördert durch die Organisation Cinefabrica, werden
Großbildleinwände und Sitzgelegenheiten an Orten
aufgestellt wo das Kino sonst nicht präsent ist. Gezeigt
werden die Hauptwerke der Kunstwoche. Außerdem
werden Interviews, Dokumentarfilme und ergänzende
Minireportagen zum historischen Gedenken von Orten gezeigt.
www.cinefabrica.com
Filmvorfhrungen
in der Basilicata
Bella Film Festival
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Die wesentlichen in der
Basilicata gedrehten
Filme
Mineurs von Fulvio Wetzl, 2007
The Nativity Story von Catherine Hardwicke, 2006
The Omen Il presagio von John Moore, 2006
Il Rabdomante von Fabrizio Cattani, 2005
The Passion of the Christ von Mel Gibson, 2003
Io non ho paura von Gabriele Salvatores, 2002
Ogni lasciato è perso von Piero Chiambretti 2000
Terra Bruciata von Fabio Segatori, 1999
Del perduto Amore von Michele Placido, 1998
L’ Uomo delle Stelle von Giuseppe Tornatore, 1995
Il sole anche di notte von Paolo e Vittorio Taviani, 1990
King David von Bruce Beresford, 1985
Tre Fratelli von Francesco Rosi, 1981
Cristo si è fermato a Eboli von Francesco Rosi, 1979
Volontari per destinazione von Ignota Alberto Negrin, 1978
L’Albero di Guernica von Fernando Arrabal, 1975
Qui comincia l’avventura von Carlo di Palma, 1975
Il tempo dell’inizio von Luigi Di Gianni, 1974
Allonsanfan von Paolo e Vittorio Taviani, 1974
Anno Uno von Roberto Rossellini, 1974
Il decamerone nero von Piero Vivarelli, 1972
Non si sevizia un paperino von Lucio Fulci, 1972
C’era una Volta von Francesco Rosi, 1967
Made in Italy von Nanni Loy, 1965
Il vangelo secondo Matteo von Pier Paolo Pasolini, 1964
Il Demonio von Brunello Rondi, 1963
Gli anni Ruggenti von Luigi Zampa, 1962
La Vedovella von Silvio Siani, 1962
Italia ’61 von Jan Lenica, 1961
Viva l’Italia! von Roberto Rossellini, 1961
A porte chiuse von Dino Risi, 1960
La nonna Sabella von Dino Risi, 1957
La Lupa von Alberto Lattuada, 1953
Le due sorelle von Mario Volpe, 1950
Nel mezzogiorno qualcosa è cambiato von Carlo Lizzani, 1949
© Copyright APT 2009
Druckunterlagenschluss im Monat Dezember 2009
Idee und Texte:
Mariateresa Cascino
www.mtcom.info
Textredaktion
Maria Teresa Lotito
Grafik und Gestaltung:
Brucomela Design
www.brucomeladesign.it
Druck:
Centro Stampa Matera
Fotos von:
Archiv der APT Basilicata/Fotowettbewerb zu Matera 2008, Gerardo Cecere (Seiten 40-42), Blu Video
(Seiten 14, 19, 22, 29, 31,52, 59,62), Archiv Brucomela, Stock.xcng, Google Images, Stockexpert (Seiten
81-82).
Und mit freundlicher Genehmigung von:
Fotoarchiv der Gemeinde Matera (Seiten 4, 44, 45, 46, 47, 48, 50), Cineteca Lucana, Donato Michele Mazzeo/Andrea Titaro (Seiten 18, 20,70), Antonio Moliterni (Seite 52), Antonio Catena (Seiiten 36, 37, 67),
Fulvio Wetzl (Seiite 56).
Bibliografische Nachweise:
Giulio Martini, I LUOGHI DEL CINEMA, Touring Club Italiano, Milano, 2005.
Domenico Notarangelo, IL VANGELO SECONDO MATERA, Città del Sole Edizioni, Reggio Calabria, 2008.
Giuseppe Papasso, DIZIONARIO DEL CINEMA PUGLIA & BASILICATA, Spot Italia, 2006.
Attilio Coco, VISIONI E IMMAGINI CINEMATOGRAFICHE DELLA BASILICATA, Possidente di Avigliano, Pianetalibro, 2002.
Emilia Palmieri, I SASSI NEL CINEMA, Altrimedia Edizioni, Matera, 2007.
Donato Michele Mazzeo, CRISTO E’ NATO A BARILE, Ed. Basilicata Arbëreshë, Barile, 2007.
Webseiten:
www.sassiweb.it
www.cinemavvenire.it
www.mymovies.it
www.ibs.it
www.wikipedia.it
www.letteratour.it
Mariateresa Cascino dankt für die wertvolle Zusammenarbeit Domenico Notarangelo und darüber hinaus
Antonio Catena, Gaetano Martino, Enrico Ruggieri, Donato Michele Mazzeo, Antonio Moliterni, Salvatore Verde, Pascal Zullino.
Der Taschenführer wurde gedruckt durch die Finanzierung gemäß dem Gesetz 135, Artikel 5 und D.P.R.
24. Juli 2007 Nr. 158 – Interregionales Projekt „Itinerari d’Autore – Viaggio culturale nei luoghi dei grandi
personaggi dd’Italia“ - Verantwortlich Lorenzo Affinito; Projektkoordination Elena Iacoviello.
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