Gesamtdownload - Nachrichten und Kommentare aus Politik und

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Gesamtdownload - Nachrichten und Kommentare aus Politik und
T R E N D S | H I N T E R G R Ü N D E | I N N O VAT I O N E N
M ÄR Z 2010
England vor der Wahl
Glück in der Ferne
Zwei Banken – eine Strategie
Vom Frosch zum Prinzen
WIRTSCHAFTSPOLITIK | Großbritannien
INDUSTRIE & MÄRKTE | MAN will die Internationalisierung forcieren und sieht in Indien,
Brasilien und China eine große Zukunft. Seite 6
FINANZEN & BÖRSE | Trotz unterschiedlicher Ausgangslage setzen Deutsche Bank und Commerzbank
auf die gleichen Wachstumsfelder.
Seite 11
SPECIAL FACTORING | In der Finanzkrise
schwankt zwischen Marktliberalismus und
Regulierungswut.
Seite 2
gewinnt das in Deutschland oft unterschätzte
Factoring an Attraktivität.
ab Seite 21
China erstickt am Erfolg
Falsche Anreize | Überkapazitäten bedrohen die Wirtschaft im Jahr des Tigers
VON CONSTANZE MEINDL
C
hina – eine Republik wächst
und wächst. Es scheint, als
würde das Land des Lächelns
die gesamte Weltwirtschaft hinter
sich lassen. China versorgt den ganzen Globus mit Innovationen und
Gütern des täglichen Gebrauchs, die
woanders kaum billiger produziert
werden können wie in der Volksrepublik. Aber dieses rasante Wachstum
hat auch seine Schattenseiten. Die
rund 1,3 Mrd. Einwohner zahlen einen hohen Preis für den Erfolg und
wenn es so weitergeht, muss diesen
auch die restliche Welt bezahlen.
Denn Chinas Fabriken verlassen nicht
nur Fernseher und Kinderspielzeug
im Überfluss. Das Land produziert
auch Stahl, Zement und Windenergieanlagen in immer größeren Mengen. Die Schwerindustrie wird vom
kommunistischen Regime gefördert
wie kaum ein anderer Industriesektor
– mit enormen Folgen.
Subtile, aber weitreichende Folgen
Wie die Europäische Handelskammer
in China in Zusammenarbeit mit der
Unternehmensberatung Roland Berger
aufdeckte, könnte die massive Unterauslastung eine Belastung für die weitere Entwicklung der aufstrebenden
Wirtschaftsmacht darstellen. „Unsere
Studie zeigt, dass die Auswirkungen der
Überkapazität subtil, aber weitreichend
sind, dass sie dutzende Wirtschaftszweige betreffen und dem Wirtschaftswachstum in China wie auch weltweit
schaden. Im Inland drückt die überschüssige Kapazität auf die Gewinnmargen, bremst die Innovationstätigkeit
und verhindert die Entwicklung von
Spitzenunternehmen. Global lässt sich
ihr Einfluss deutlich an den wachsenden Spannungen zwischen China und
seinen wichtigsten Handelspartnern
ablesen“, fasste Jörg Wuttke, Präsident
der EU-Handelskammer, die wichtigsten Erkenntnisse der Untersuchung zusammen. Damit es nicht zu weiteren
Verschärfungen kommt, gilt es für den
neuen Exportweltmeister, diese Probleme schnellstmöglich in den Griff zu bekommen.
Überkapazitäten sind
für die chinesische Führung kein neues Phänomen. Schon in den
1990er Jahren waren
Auslastungen von nur
35 % bis 45 % in vielen
Industriesektoren gang
und gäbe. Die Reaktion
der kommunistischen
Führung damals: Schließung von Fabriken, die
sich im staatlichen Besitz befanden. Die Folgen:
massive Arbeitslosigkeit. Bis zu 40 Mio.
Menschen verloren damals ihre Anstellung. Dies blieb aber von der Weltwirtschaft nahezu unbemerkt, denn das
China der 90er Jahre war bei weitem
noch nicht so stark in den Welthandel integriert.
In den 2000ern erlebte die dortige
Schwerindustrie einen nie da gewesenen Boom. In den Sektoren Stahl,
Metalle und Chemie, Windenergie, Papier und anderen elektrizitätsintensiven Industrien verdreifachte sich die
Produktion innerhalb von nur fünf
Jahren. Das war beispiellos in der Geschichte Chinas und der Anfang eines
Problems, dessen wirkliche Brisanz
erst durch die Finanz- und Wirtschaftskrise zum Vorschein kam. Denn nun
zeigt sich: Nicht nur die Volksrepublik
kann infolge der expansiven Produktionspolitik Schaden nehmen, die Auswirkungen können den globalen Entwicklungen einen ordentlichen Dämpfer verpassen.
Gründe für diese Entwicklung lassen
sich viele finden: Im Wesentlichen aber
sind es die hohen Sparquoten von
Haushalten und Unternehmen sowie
die außerordentlich niedrigen Produktionskosten, die Chinas Lager überquellen lassen.
2010 ist nach dem
chinesischen Horoskop das
Jahr des Tigers. Es gilt als
„goldenes Jahr“, das gut für
Geschäfte, jedoch schlecht
für Beziehungen ist.
Die Vorzeichen sprechen also
gegen eine Annäherung der
Handelspartner. Bild: Fotolia
Die dortige Bevölkerung legt viel auf
die hohe Kante und wer viel spart, der
konsumiert bekanntermaßen wenig.
Komfortable soziale Absicherungssysteme, wie wir sie kennen, gibt es in der
Volksrepublik nicht. Wer bei Krankheit
oder im Alter versorgt sein will, muss
dies aus eigener Tasche bezahlen.
Stringente Kapitalkontrollen und
ein politisches System, das Finanzmittel konsequent von den Haushalten zu den Firmen transferiert, öffnet die Schere zwischen Konsum und Produktion
noch weiter. Auch der Unternehmenssektor hat zu viel
Geld in der Kasse. Viele Firmen, meist in staatlicher
Hand, müssen kaum Dividenden bezahlen und können die
oftmals hohen Gewinne in
neue Anlagen stecken. Wer viel
spart, kann viel investieren und
wer viel investiert, will auch viel
produzieren – da beißt sich der
Tiger in den Schwanz.
Außerdem tut das Regime alles,
um die Produktionspreise möglichst
auf niedrigem Niveau zu halten. Die
Aufwendungen für Gas, Wasser oder
industriell genutzte Elektrizität beispielsweise liegen 30 % bis 50 % unter
dem Weltdurchschnitt – teilweise müssen sogar Entwicklungsländer mehr
bezahlen.
Vor Ausbruch der Krise konnte sich
China auf die Nachfrage aus der EU
und den USA verlassen. Die Exporte
waren sozusagen ein Sicherheitsventil,
damit der überhitzte Kessel nicht in
tausend Stücke zerspringt. Das Nachfrageverhalten der ehemals guten Abnehmer hat sich aber massiv verändert. Die Sparquoten in den USA und
Europa steigen. Für Importe ist vielerorts schlichtweg kein Geld da.
Doch anstatt die Produktion herunterzufahren, sah Chinas Konjunkturprogramm vor, durch weitere Anlageinvestitionen die Wirtschaft am
Laufen zu halten. Das hat das Problem
weiter verschärft. Außerdem führt der
Produktionswahn zur Verschwendung
ökonomischer und ökologischer Ressourcen.
In vielen Ländern müssen Unternehmen strenge Umweltauflagen einhalten, was meist hohe Kostenbelastungen mit sich bringt. Dabei wäre in
China durchaus der Wille da, strengere
Gesetze durchzusetzen. Das scheitert
aber an den lokalen Zuständigkeiten.
Denn die Regionalverwaltungen sind
von den Steuern abhängig, die Unternehmen an sie abführen – sonstige
Einnahmen müssen direkt nach Peking abgeführt werden. Um also notwendige Infrastrukturprojekte umzusetzen, sind die Regionen auf ihre Fabriken angewiesen. Die Konsequenz:
Die lokalen Behörden haben kein besonderes Interesse daran, Unternehmen dicht zu machen, die Umweltauflagen nicht einhalten.
Size matters – auch im Osten
Kurzfristig mag das ein Vorteil sein,
doch langfristig wird das für China
eher zum Nachteil. Denn weltweit ist
das Thema Nachhaltigkeit auf dem
Vormarsch. Darauf ist das chinesische
Wirtschaftssystem nicht eingestellt. In
der Volksrepublik werden nur wenige
Firmen privatwirtschaftlich betrieben
– vor allem von Ausländern – und die
müssen nach den Gesetzen des Marktes handeln. Der Großteil aber befindet sich immer noch in den Händen
des Staates. Für sie gelten diese Regeln
nicht. Für das Regime spielt Profitmaximierung nur eine untergeordnete
Rolle. Kapazitäten, Produktion und
der Gewinn von Marktanteilen sind
die obersten „unternehmerischen“
Ziele. Size matters.
Bisher war Amerika das Land der Superlative. Dieser Trend hat nun auch
China erreicht, mit all seinen Folgen.
Überkapazitäten bedrohen den langfristigen Erfolg der Wirtschaftsmacht
und sind schädlich für die Zusammenarbeit mit den Handelspartnern. Bleibt
abzuwarten, ob das kommunistische
Regime das Problem in den Griff bekommt – oder nur wieder irgendwie
unter den Teppich kehrt.
I N H A LT
WIRTSCHAFTSPOLITIK
Frühling in Berlin
In der Hauptstadtregion sind
die Firmen optimistischer
als noch vor einem Jahr.
2
INDUSTRIE & MÄRKTE
Übergangsjahr
BASF schöpft wieder Zuversicht
und nimmt 2010 zwei
Milliardenprojekte in Angriff. 5
FINANZEN & BÖRSE
Die „Postmateriellen“
Die Werte-Renaissance fördert
das Social Banking und führt zu
Bankneugründungen.
11
Aus der Not geboren
Das Thema Finanzierung
des Mittelstands zeigt neue,
interessante Facetten.
14/15
ENERGIE & EFFIZIENZ
Volle Kassen
RWE ist auch nach der
Übernahme von Essent zu
weiteren Zukäufen bereit.
17
Dezentrale Energien
Verbraucher werden zu
Erzeugern: Viele Projekte
setzen auf diesen Trend.
ab 19
Rhein & Ruhr
Chancen im Verbund
NRW setzt auf Clusternetze
und Infrastruktur – ohne seine
Geschichte zu verleugnen. ab 27
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52. Jahrgang · B7388 E
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Signale der Vernunft in Zeiten der Krise
Tarifpartner | Geräuschlose Einigung in der Metall- und Elektroindustrie – ein Vorbild für andere Branchen
VON KLAUS G. WERTEL
I
m Windschatten des öffentlichen
oder privaten Ärgers über streikende Straßenbahnfahrer und Piloten
gelang den Tarifpartnern der deutschen
Metall- und Elektroindustrie – geräuscharm und ohne die üblichen Rituale – die Einigung auf einen bemerkenswerten Beschäftigungspakt. Der
Titel des bis Ende März 2012 geltenden
Tarifpakets „Zukunft in Arbeit“ ist Programm: Mit dem variablen Einsatz von
gesetzlicher und tariflicher Kurzarbeit,
Arbeitszeitverkürzungen auf bis zu 28
Wochenstunden mit Teillohnausgleich,
einer bescheidenen Einmalzahlung für
2010 und einer erst im April 2011 wirksam werdenden Tariflohnerhöhung um
2,7 % haben IG Metall und Metall-Arbeitgeber ein ermutigendes Signal der
4 195007 102003
03
Vernunft in der noch lange nicht bewältigten Wirtschaftskrise gesetzt.
„In einer außergewöhnlichen Zeit
sind wir einen außergewöhnlichen Weg
gegangen.“ So beschrieb der badenwürttembergische Bezirksleiter der IG
Metall, Jörg Hoffmann, die in wenigen
Verhandlungsrunden ohne jegliches
Demonstrations- und Warnstreik-Begleitprogramm gefundene Einigung.
Dass dieser tarifvertragliche Meilenstein des Augenmaßes ausgerechnet in
der Metall- und Elektroindustrie umgesetzt wurde, hat triftige Gründe. Denn
die Branche hat die Tiefe der Weltwirtschafskrise früh zu spüren bekommen – und besonnen reagiert. Durch
den Einsatz der Kurzarbeit konnten die
personalen Kompetenzen in den Unternehmen erhalten werden, was jetzt
das Durchstarten erheblich erleichtert.
Dass die Lektionen der Krise in den
Tarifverhandlungen der Metall- und
Elektroindustrie Anwendung finden
konnten, hat freilich auch mit dem
Führungspersonal beider Lager zu tun:
So unterschiedlich Martin Kannegiesser, Präsident des Arbeitgeberverbands
Gesamtmetall, und Berthold Huber,
Vorsitzender der IG Metall, nach Lebensweg, Wesensart und Aufgabenstellung auch sein mögen – beide wissen
nur zu gut, dass Betriebe und Branchen
letztlich nur gemeinsam von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gesichert
werden können. Und: Kannegiesser
wie Huber sind überzeugte Verfechter
des Erhalts der Tarifautonomie der Sozialpartner und von möglichst breit
wirksamen „Flächentarifverträgen“.
Diese gemeinsamen Ziele, ein in Jahren
gewachsenes Vertrauensverhältnis und
die bei beiden Herren ausgeprägten
Eigenschaften der Besonnenheit und
Hartnäckigkeit haben sehr zum Gelingen des Bündnisses „Zukunft in Arbeit“
beigetragen.
Gute Vor- und Begleitarbeit haben
aber offensichtlich auch die Betriebsräte bei den 3,4 Mio. Beschäftigten der
Metall- und Elektroindustrie geleistet:
Nur so ist zu erklären, dass die IG Metall – erstmals in ihrer Geschichte – unter Verzicht auf eine prozentuale Lohnerhöhungsforderung in die Tarifverhandlungen 2010 gehen konnte – ohne
dass dies zu Murren oder gar Protesten
an der betrieblichen Basis geführt hat.
Auch gegen das – für die Arbeitnehmer ge und gesamtgesellschaftlicher Nutwohl eher ernüchternde und erklä- zen zur Deckung zu bringen sind.
Immerhin: Die IG Chemie will, dem
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sich bislang kein er„Der Friede ist gend, ohne prozentuale
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„Wir haben zum Glück das Meisterstück handlungen
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Ende eines nur zweiwöchigen Schlichtungsverfahrens akzeptierte Verdi Ende
Februar bemerkenswert klaglos die
Empfehlung für eine Tariferhöhung um
2,3 % plus Einmalzahlung – verteilt auf
drei Stufen in zwei Jahren. Das wäre
auch ohne Arbeitskampf-Rituale erreichbar gewesen.
Und die Lufthansa-Piloten? Die wurden – am Abend des ersten von ursprünglich vier angekündigten Streiktagen – im Wege der Nachhilfe durch
eine Frankfurter Arbeitsrichterin erst
einmal wieder auf den Boden der tarifvertraglichen Zuständigkeiten einer
deutschen Berufsgruppenvertretung
zurück geholt. Dass die Pilotenvereinigung Cockpit die in scharfem internationalem Wettbewerb stehende Lufthansa zwingen wollte, deutsches Tarifrecht
auch auf ausländische Tochterunternehmen zu übertragen, ist ein Beispiel
dafür, wie sehr der Anspruch, Partikularinteressen über den Bestandsschutz
hinaus ausweiten und dauerhaft als
verbindlich zementieren zu wollen, die
wirtschaftlichen Lebensgrundlagen
von Unternehmen und Branchen gefährden kann.
2
MÄRZ 2010
WIRTSCHAFTSPOLITIK
KOMMENTAR
Der Way of Life am Scheideweg
Der nächste Premier
ist der Dumme
Der Kampf der Briten mit den Spätfolgen der Weltfinanzkrise ist mitten
in den Wahlkampf hineingerutscht.
Spätestens am 3. Juni 2010 werden
die Wähler entscheiden, ob sie sich
von Labour oder von den Konservativen aus dem Rest der Krise führen
lassen wollen.
Gordon Brown, der Erbe Tony Blairs,
trägt schweres Gepäck in diesen
Wahlkampf. Denn Blair war bei
Browns Amtsantritt bereits vom
Supermann der New-Labour-Revolution zum verhassten Bush-Spezi
mutiert, der die Briten in den Irakkrieg hineingetrieben hat.
Und dann kam noch die internationale Finanzkrise hinzu. Gordon
Brown, der ehemalige Schatzkanzler
und Architekt des langen britischen
Wirtschaftsbooms, schien der richtige, vertrauenswürdige Fachmann in
der Not zu sein. Aber etwas anderes
war stärker: Die Briten konnten sich
nie für Brown als Person erwärmen.
Die Konservativen holten nach und
nach einen Vorsprung von 20 % vor
Labour heraus. Ihr Spitzenmann,
David Cameron, profitierte von
der allgemeinen Labour-Müdigkeit.
Doch dann schrumpfte der Vorsprung der Konservativen plötzlich
zusammen. Ein Hoffnungsschimmer für Brown. Und was passiert?
Ein Enthüllungsbuch erscheint, das
den Schotten als einen schrecklichen, cholerischen Chef schildert,
der sogar vor Handgreiflichkeiten
nicht zurückschreckt.
Ein Geschenk für die Konservativen,
sollte man meinen. Doch es sieht
nicht danach aus, als habe Cameron demnächst schon sicher das Krisenruder in der Hand. Brown rückt
ihm – trotz allem – in Umfragen immer näher. Wer siegt, wird allerdings
wenig Freude daran haben. Ob
Brown, ob Cameron: Der nächste
Premierminister kann nicht anders,
er muss – nach den goldenen BlairJahren – der unpopuläre Mann der
Austerity sein.
rb
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WirtschaftsKurier
Großbritannien | Zwischen Marktliberalismus und Regulierungswut
trotz des vorausgegangenen Preisniedergangs von 20 % immer noch auf einem Phantasieniveau bewegen.
Die neuesten Zahlen waren jedoch
ein wenig ernüchternd. Erstmals ging
es im Landesdurchschnitt nicht mehr
nach oben, sondern leicht abwärts.
Schon spricht man über eine zweite
Runde des Preisverfalls. Aber dieser
Pessimismus scheint so schwach begründet wie der Superoptimismus des
Premierministers. Vor allem muss man
dabei das enorme Süd-Nord-Gefälle
berücksichtigen, das sich in England
überall, und ganz besonders auf dem
Häusermarkt bemerkbar macht.
Das macht die Durchschnittszahlen,
die das gesamte Königreich umfassen
wollen, sehr, sehr theoretisch. Sie geben die Wirklichkeit nicht wieder, denn
die sieht aus wie beschrieben: Der Süden ist deutlich stärker, als die Zahlen
vorgeben, der Norden schwächer.
Etwas anderes kommt hinzu. Das
Königreich kämpft nicht nur um seine
Kennzahlen und um seinen Wohlstand,
es kämpft auch um die Glaubwürdigkeit seiner Art zu wirtschaften. Es geht
um das Überleben des angelsächsischen Way of Life, um die betont regelarme Marktwirtschaft, die seit der Thatcher-Revolution der amerikanischen
näher ist oder war als der kontinentalen mit ihrer Neigung zu interventionistischer Wirtschaftspolitik.
VON RAINER BONHORST (LONDON)
F
ast jubelnd erklärte Englands
Premierminister Gordon Brown
im neuen Jahr: Die Rezession ist
überwunden. Aber das war eine fast
gespenstisch optimistische Aussage.
Die britische Wirtschaft wies in der Tat
erstmals wieder ein Positivwachstum
auf – ganze 0,1 %. Darum wird Brown
heftig aufgeatmet haben, als sein so
schwach
begründeter
Zweckoptimismus im Februar ein
bisschen solider abgestützt wurde,
jetzt mit einer Wachstumsziffer von
0,3 %. Aber auch diese Basis reicht allenfalls für Luftschlösser. Der Blick in
die Zukunft bleibt verwirrend. Die
Prognosen bieten alles: vom Rückfall
in die Rezession, über ein prekäres
Wachstum bis hin zu einem sensationell robusten Aufschwung (OECD).
Mit der Bewältigung des BeinaheZusammenbruchs des internationalen
Finanzsystems tun sich die Briten noch
schwerer als wir Deutsche. Die heute
überall üblichen hohen Staatsschulden
(Schuldenvorhersage für dieses Jahr:
über 170 Mrd. Pfund), die für das einstige Job-Wunderland hohe Arbeitslosigkeit (2,5 Mio., 3 Mio. bis zum Jahresende befürchtet) und eine spürbare
Inflation (nach letzter Berechnung
3,2 %) mit sich bringen – all das macht
den Engländern zu schaffen.
Allerdings sollte man bei allen Statistiken beachten, dass Großbritannien
fast so zweigeteilt ist wie Deutschland,
nicht in Ost und West, wohl aber in
Nord und Süd. Und es gibt im Königreich keinen Soli, der dazu beiträgt,
die Folgen der Teilung zu lindern.
Während der Norden des Königreichs
weiter massiv leidet, erholt sich der
Süden schneller als erwartet. London
und die Küste gehören weiterhin zu
den dynamischen Regionen Europas.
Die neue Kraft des Südens
Ein typischer Indikator sind die Hauspreise. In England wechselt man die
Häuser zwar nicht ganz so schnell wie
in Amerika, aber doch deutlich häufiger als wir sesshaften Deutschen.
Der Immobilienmarkt ist ein überaus
wichtiger Markt, auf dem das Hauptvermögen der meisten Briten umgesetzt wird. Auf diesem bedeutenden
Markt zeigt sich schon wieder die neue
Kraft des Südens.
Der britische Häusermarkt galt wie
der amerikanische in der Weltfinanzkrise als eine der geplatzten Großblasen. Aber aus dieser Blase ging weniger
Luft heraus als befürchtet. Jedenfalls
erweist sich der Süden schon wieder
als überraschend stabil. Seit Monaten
steigen zwischen London und Brighton
die Hauspreise wieder, obgleich sie sich
Auch am britischen Häusermarkt platzte in der Finanzkrise eine
Preisblase, aber mit weniger dramatischen Folgen als in den USA.
DAS PFUND UND DIE EURO-KRISE
Fasziniert, ein wenig mitleidig und ein
wenig schadenfroh verfolgen die Briten die große kontinentaleuropäische
Krise: nämlich die Krise des Euro und
die griechische Tragödie, die das alles ausgelöst hat, und die Sorgen wegen der anderen schwächelnden Mittelmeeranrainer.
Vor allem schaut man mit einem gewissen Aufatmen zu. Griechenland ist
ein Problem der Eurozone, sagt man
in Westminster und freut sich, dieser
Zone nicht anzugehören. So muss
man sich nicht tief in die Diskussion
über Rettungspläne für Griechenland
hineinziehen lassen.
Damit ist aber keinesfalls für alle Zeiten die Frage beantwortet, die in England so lange diskutiert wird, wie es
den Euro und die Eurozone gibt. Wären wir besser dran, wenn wir dabei
wären? Beziehungsweise: Sind wir
nicht gut daran, dass wir uns von diesem Abenteuer ferngehalten haben?
Leider ist selbst in dieser aktuellen Euro-Krise die Antwort so wenig eindeutig wie die Frage. Man muss nur einen
Blick auf die Entwicklung der jeweiligen
Währungen werfen. So sehr der Euro
in letzter Zeit gegenüber dem Dollar
verloren hat – das britische Pfund hat
an dieser jüngsten Reise nicht teilgenommen. Das Pfund hat – dem Dollar nicht unähnlich – eine große Strecke der Abmagerung im Vergleich zum
lange Zeit fetten Euro hinter sich. Aber
in den letzten Euro-Krisenwochen hat
das Pfund – anders als der Dollar –
keineswegs an Kraft gegenüber dem
Euro gewonnen. Es dümpelt neben
ihm her. Die Stärke des Euro war auch
die Schwäche des Pfunds, die aktuelle Schwäche des Euro ist aber keineswegs die Stärke des Pfunds.
Das spricht, wenn es überhaupt etwas aussagt, wohl eher zugunsten der
Euro-Verteidiger. Das Pfund kann jedenfalls nicht als Zeuge dafür herangezogen werden, dass man in der
Griechenland-Krise mit einer Einzelwährung besser dastünde als im Euroverbund. (Die Freunde der D-Mark
werden da einwenden, dass die Deutsche Mark von Hause aus stabiler sei
als das Briten-Pfund. Mag sein. Aber
wer will das so genau wissen!)
Verkehrte Welt
Auf diesem Weltanschauungssektor
hat sich ja Merkwürdiges getan. Barack Obamas Amerika geht mit Regulierungen und sogar Verstaatlichungen
so weit voran, dass selbst die Kontinentaleuropäer vor Übertreibung warnen. Die Briten, vom großen Marktwirtschaftsbruder Amerika zumindest
für den Moment allein gelassen, sorgen sich noch mehr. Die fröhlich frei
agierende Londoner City war – vor der
Blase – einer der großen Erfolgsmotoren der britischen Ökonomie. Er soll
es nach der Überwindung der Blase,
unter Labour und erst recht demnächst womöglich unter den Konservativen, auch weiter sein. Die London
Boys sollen nicht sterben.
Ein spannendes ideologisches Tauziehen also. Es geht um viel für die Briten. Und es wird schwer. Dass ihnen
die behutsamen Kontinentaleuropäer
zurzeit ideologisch näher stehen als die
sonst kämpferisch freiheitlich gesonnenen Amerikaner, macht ihnen die
Sache nicht leichter. Dass die Kultfigur
Barack Obama zum Superregulierer
geworden ist, macht den Präsidenten
für die Briten neuerdings zu einer Problemfigur.
New-Labour-Erbe Gordon Brown,
vom Instinkt eher ein Deregulierer als
ein Regulierer, hat zwar ebenfalls durch
die Weltfinanzkrise die Notwendigkeit
strafferer Regeln für die City erkannt
und daran auch eine gewisse Freude
entwickelt, aber doch viel maßvoller. Er
spielt in dem amerikanisch-britischkontinentaleuropäischen Dreieck die
Rolle, die früher Amerika gespielt hat:
die Rolle des Freiheitlers.
Aber er hat, wie andere Regierungen
auch, tief in die Haushaltskasse gegriffen, um zu retten, was die London
Boys verzockt haben. Die bedanken
sich zögerlich. Banken machen auch
in England wieder satte Gewinne und
das heißt normalerweise auch: satte
Prämien für die Top-Banker. Zähneknirschend übt man sich nun ein bisschen in Bescheidenheit, was traditionell keine für die Londoner City typische Tugend ist. Man „opfert“, wie
man es so nett formuliert, einen Teil
der Bonusse. Dass es nur ein Teil ist,
dürfte aber auch im Sinne des Premierministers sein. Die Dynamik der
City soll nicht abgewürgt werden, sondern wieder wachsen und helfen, England zu retten.
Noch jemand soll helfen. Die Briten
haben ja ihre eigene Kultfigur, und
zwar eine schon deutlich länger bewährte als Barack Obama. Sie haben
die Queen. In der gegenwärtigen Not
hat eine Gruppe prominenter britischer Ökonomen empfohlen, Elizabeth
II solle stärker in die Finanzpolitik eingebunden werden. Das ist nicht ganz
so komisch wie es in kontinentaleuropäischen Ohren klingen mag.
Die Queen hat zwar nicht viel zu sagen, aber sie hat das Recht, viel zu hören und zu diskutieren. Zu den – nicht
immer beliebten – Aufgaben eines britischen Premierministers während der
Parlamentswochen gehört es, einmal
wöchentlich einen Tätigkeitsbericht
bei der Königin abzuliefern, und zwar
persönlich. Das bedeutet zweierlei. Erstens muss sich jeder Premierminister
wenigstens einmal in der Woche zusammenreißen und darüber nachdenken, was er getan hat und tun will. Das
diszipliniert sehr. Denn zweitens weiß
die Queen mehr als jeder britische
Regierungschef. Sie hat sie alle schon
erlebt, von Winston Churchill bis Gordon Brown. Das gibt ihr eine große
innere Autorität.
Der Gedanke, dass nun zusätzlich
einmal im Monat auch der Schatzkanzler bei ihr antreten und ihr berichten
müsste, warum er schon wieder Schulden macht und wie er sie zu begleichen
gedenkt, hat also durchaus seinen
Charme – mehr aber auch nicht. Der
Vorschlag ist, kaum gemacht, schon
halb vergessen. England ist unterm
Strich eben doch ein ziemlich normales Land.
Der Frühling liegt in der Luft
Berlin | Viele Firmen sind zuversichtlich für 2010
VON GERHARD WEISSE
D
ie Hauptstadt hatte im Februar – stärker als viele andere
Städte – einen ungewöhnlichen Schnee- und Eiswinter durchzustehen. Die „Eisgebirge“ auf den Straßen wurden zur täglichen Pein besonders für ältere Menschen, Rollstuhlfahrer und Mütter mit Kinderwagen.
Inzwischen hat der meteorologische
Frühling die Problematik entschärft
und die Straßen freigemacht. Erfreulich für die Hauptstadt, dass jetzt
auch ein ökonomischer Frühling in
der Luft liegt.
„Ich bin nicht sicher, ob in der Wirtschaft ein sich selbst tragender Aufschwung eingesetzt hat. Doch die Industriebetriebe in Berlin sind optimistisch gestimmt. Bei den Investitionen
und den Exporten gibt es Lichtblicke.“
Das sagte der Hauptgeschäftsführer
der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK), Jan Eder. Aus der neuen
Konjunkturumfrage der IHK bei den
Unternehmen der Berliner Wirtschaft
geht hervor, dass die Firmen ihre aktuelle Lage und die Geschäftserwartungen für den Verlauf des Jahres 2010
deutlich besser einschätzen als noch
vor einem Jahr. Der durch die Wirtschaftskrise ausgelöste Tiefpunkt ist offensichtlich in der ganzen HauptstadtRegion überwunden, denn die Handelskammern im Land Brandenburg
haben ähnlich positive Einschätzungen bei ihren Unternehmen ermittelt:
„Der Trend geht nach oben“, ist der
beherrschende Eindruck. Die Berliner
Wirtschaft wird, so die vorsichtige Prognose, 2010 das Tal verlassen und 1 %
Wachstum erwirtschaften.
Der Index für das Konjunkturklima,
in den die Einschätzungen der Lage
und die Erwartungen für die nächsten
zwölf Monate einfließen, befindet sich
wieder auf dem Niveau von 2004. Entscheidend für den Verlauf 2010 wird
nach der Einschätzung der IHK Berlin
auch sein, wie sich die Finanzierungsbedingungen entwickeln werden. Nicht
wenige Firmen klagen über schlechte
Kreditkonditionen oder berichten, dass
sie von ihrer Bank gar keine Kreditangebote bekommen. Für Berlin und
Brandenburg zeigen die Konjunkturumfragen der Kammern, dass der
stärkste Optimismus bei den Industriebetrieben zu verzeichnen ist. In der
Baubranche hingegen überwiegt noch
der Pessimismus, was sich auch mit
dem harten Winter erklären lässt. Die
öffentlichen Aufträge im Rahmen der
Konjunkturpakete haben zwar in der
ganzen Region zur Stabilisierung beigetragen, doch konnten nicht alle
durch die Wirtschaftskrise entstandenen Einbußen kompensiert werden.
malisieren, werden anerkannt. Dr. Rüdiger Grube, Konzernchef der Bahn,
bekräftigte erneut, dass man nicht daran denkt, die S-Bahn an das Land Berlin zu verkaufen, was insbesondere linke Politiker in der Stadt ins Gespräch
brachten.
Deutsche Bahn bekennt
sich zur Landeshauptstadt
Der Ärger in der Landeshauptstadt mit
der Deutschen Bahn hat – was die eingeschränkten Leistungen der S-Bahn,
einer Tochtergesellschaft der Bahn betrifft – stark nachgelassen. Die Anstrengungen, den S-Bahn-Verkehr zu nor-
So schnell ist die Berliner S-Bahn
nicht immer unterwegs. Aber: Die
Hoffnung stirbt zuletzt.
Foto: DB
Besonders erfreulich für Berlin ist,
dass die Pläne des Vorgängers von Grube, Hartmut Mehdorn, vom Tisch sind,
die Unternehmenszentrale der Deutschen Bahn von Berlin nach Hamburg
zu verlegen. Mehdorn hatte im Jahr
2006 offen damit gedroht – was auch
damit zusammenhing, dass Wowereit
versuchte, die Bundes-SPD gegen die
Börsenpläne Mehdorns zu mobilisieren. Grube erklärte nun im Februar
in einem wirtschaftspolitischen Frühstück der Berliner IHK: „Die Deutsche
Bahn AG steht zum Standort Berlin
und bleibt in Berlin.“ Berlin und die
Deutsche Bahn seien wie „Mutter und
Vater, sie gehören einfach zusammen“.
Die Deutsche Bahn ist nach dem öffentlichen Dienst mit 18 000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber Berlins,
rund 6 000 davon arbeiten in der Verwaltung der Deutschen Bahn. Wären
die Pläne Mehdorns umgesetzt worden, wäre dies also ein schwerer Schlag
für die Hauptstadt gewesen.
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4
MÄRZ 2010
MEINUNG
WirtschaftsKurier
Kapitalismus ist kein Teufelszeug
Nach der Banker-Kritik | Jetzt nehmen die Linken die freie Marktwirtschaft ins Kreuzfeuer
VON DR. HANS-DIETER RADECKE
W
er in Deutschland Unternehmer wird, muss sich darauf einstellen, dass ihm
vom akademischen Zeitgeist ein eisiger Wind entgegenschlägt. Zwar trifft
die empörte Kritik zuvorderst Banker
und Manager, aber letztlich ist es das
freie Unternehmertum selbst, das unter Generalverdacht steht – und mit
ihm die individuelle Freiheit schlechthin.
Die Debatten in Talkrunden und
Veranstaltungen aller Art
zeigen, dass Unternehmer nur Gnade vor den
gestrengen Augen von
Kulturelite und Promis aller Couleur finden, wenn sie die
Quadratur des Kreises
meistern: Qualität liefern, kräftig investieren,
Arbeitsplätze in Deutschland schaffen und unter
allen Umständen erhalten,
die Umwelt schützen, gewissenhaft
alle bürokratischen Vorgaben einhalten, hohe Löhne zahlen, Produkte anbieten, die nicht viel kosten, möglichst viel Steuern in den Staatssäckel
liefern, die Kritiker nicht mit Werbung
ärgern und nicht zuletzt: nicht zu viel
Profit machen
Geächteter Begriff
Lobende Worte für die Unternehmer
sind in diesen Kreisen selten und beziehen sich fast ausschließlich auf die
„kleinen Selbstständigen“, zu denen
sich viele Kritiker ja selbst zählen. Die
strukturelle Basis aber, die allem Unternehmertum zugrunde liegt, nämlich die freie Marktwirtschaft – eine
politisch korrekte Version des geächteten Wortes Kapitalismus – findet bei
„Kulturschaffenden“ wenig Verteidiger. Wer dafür seine Stimme erheben
möchte, wird schnell zum „Marktradikalen“. Mehr Staat, mehr Kontrolle,
mehr Lenkung und Umverteilung –
dies sind die großen Linien, denen die
Forderungen der linken Kritiker folgen. Aus Feuilletons, von Kanzeln und
Kathedern, vor dem Fernsehpublikum
–, überall erschallt der antikapitalistische Chor, der längst Mainstream im
Lande ist.
Da werden die Armen immer ärmer
und die Reichen immer reicher, da ist
alles Negative in der Welt „zuneh-
mend“ – und alles ist Folge des „ungehemmten Kapitalismus“. Würden
außerirdische Wesen unsere Feuilletons und Debatten studieren, könnten sie eigentlich nur einen Schluss
ziehen: Bis etwa Mitte des 20. Jahrhunderts gab es ein goldenes Zeitalter auf Erden: Die Menschen waren
zufrieden, die Verteilung der Güter
war gerecht, Stress, Hektik und der
widerliche Spaßfaktor waren unbe-
sche Speerspitze und Vollstrecker des
Rechts auf Arbeit und Wohlstand.
Menschen, die individuelle Freiheit
fordern, machen sich dagegen verdächtig, im Dienst der Gier zu stehen,
das schmutzige Geschäft des Kapitals
zu besorgen. Da wird mancher nicht
müde, sich abschätzig über die „amerikanische Freiheitsideologie“ zu äußern, die „ins Elend“ führe. Nicht Freiheit – Gerechtigkeit sei es doch, was
(vor der Rezession) konnte die „von
den Amerikanern entfesselte kapitalistische Weltwirtschaft“ das 60. Jahr
ununterbrochenen Wachstums verzeichnen. In dieser Zeit haben sich
global sämtliche Parameter menschlicher Lebensqualität dramatisch verbessert: Lebensstandard, Gesundheitsversorgung, Lebenserwartung,
Bildungsniveau, persönlicher Handlungsspielraum und demokratische
Besten. Vorläufig mag es Ausnahmen
geben, so etwa in China. Eine Zeit
lang funktioniert offenbar Kapitalismus ohne politische Freiheit, Freiheit
ohne Kapitalismus, ohne dezentrales
Wirtschaften und privatisiertes Kapital funktioniert jedoch nirgends.
Der Hass gegen die Marktwirtschaft
lässt sich mit dem Handwerkszeug
der Demagogie leicht schüren: Man
reduziere den Gegner auf seine Feh-
Zunächst waren es nur die Banker und die Manager:
Jetzt steht der freie Unternehmer generell in der
Kritik. Doch von Europa bis Ostasien:
Überall dort, wo die Amerikaner die Freiheitsrechte
nach dem Krieg entfesselt haben, ist der
Fortschritt besonders groß. Dort, wo die linken
Ideologen regieren, steht es um den Wohlstand nicht
besonders gut.
kannt; die Umwelt war intakt, der
Mensch bescheiden und am Wert des
Gemeinwohls orientiert.
Aber dann! Der alles überschattende Einfluss der kapitalistischen Großmacht USA machte allen Fortschritt
zunichte. „Die Gier“ hielt Einzug, „der
Markt“ regierte – und von diesem
Zeitpunkt an ging es bergab mit der
Welt. 60 Jahre Abstieg ins tiefe Tal der
Ungerechtigkeit, das wir heute erreicht haben. „Umdenken“ ist daher
allenthalben gefragt, und in den angebotenen Konzepten des „neuen Denkens“ kommt ein Wort so gut wie nie
vor: Freiheit.
Keine Freiheit ohne
Marktwirtschaft
Stattdessen ist der Unternehmer (der
einem zentralen und unverzichtbaren
Element individueller Freiheit Ausdruck verleiht: der wirtschaftlichen
Entscheidungs- und Handlungsfreiheit) umstellt von Forderungen nach
„Verantwortung“. Er soll als strammes
Element eines kollektiven Wohlfahrtsprogramms agieren, quasi als altruisti-
die Menschen auf der Welt ersehnen.
Gerechtigkeit ohne Freiheit: Dieses
Un-Konzept scheint heute vielen
plausibel. Zur Unperson macht sich
hier klarerweise der Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman, der
einmal sagte: „Wer die Gerechtigkeit
über die Freiheit stellt, wird am Ende
beides verlieren. Wer aber die Freiheit
über die Gerechtigkeit stellt, wird am
Ende beides gewinnen.“ Wir müssen
stattdessen von einem deutschen
Modephilosophen hören, dass der
American Way of Life die „größte
Massenvernichtungswaffe der Geschichte“ sei. Da fiele uns schon eher
jemand aus der eigenen Geschichte
ein, der diesen Ehrentitel verdiente!
Und ein weiterer Besserwisser des TVZirkus weiß stellvertretend für den
Rest des Landes: „Wir wissen doch
alle, dass der Kapitalismus Armut erzeugt.“ Wer oder was dann für den
breiten Wohlstand verantwortlich ist,
verrät er uns allerdings nicht.
Wohin hat die freie Marktwirtschaft
uns denn geführt? Zu beispiellosem
sozialem Fortschritt. Im Jahr 2008
Mitbestimmungsrechte. Sollte das
womöglich im heldenhaften Abwehrkampf gegen den Kapitalismus vor
sich gegangen sein?
Nein. Die globale Wohlstandsexplosion nach dem Zweiten Weltkrieg
verdanken wir einzig und allein der
Einführung freiheitlicher Wirtschaftssysteme. Im Jahr 1820 lebten rund
85 % der Weltbevölkerung unterhalb
des Einkommensäquivalents von einem Dollar pro Tag. 1950 lag dieser
Anteil bei 50 %, 1980 bei 30 % und
heute bei 20 % – und das, obwohl die
Weltbevölkerung sich in diesem Zeitraum versechsfachte. Zwischen 1965
und 1998 erhöhte sich das Durchschnittseinkommen des reichsten
Fünftels der Weltbevölkerung um
75 %, das des ärmsten Fünftels aber
um über 100 %.
Überall dort, wo die Freiheitsrechte
des Menschen nach dem Krieg von
den Amerikanern „entfesselt“ wurden,
war der Fortschritt besonders groß,
von Europa bis Ostasien. Dort, wo die
linken Ideologen regieren, steht es
auch um den Wohlstand nicht zum
ler, man interpretiere die statistischen
Daten einseitig – und schon steht der
Gegner in der Ecke. Die Misere in Afrika wird als Aushängeschild für die
ausbeuterische westliche Wirtschaft
gesehen (nach der öden Logik der
Nullsummenspiele: Wenn einer reich
wird, muss dafür ein anderer arm geworden sein), der katastrophalen Rolle der freiheitsfeindlichen Strukturen
in weiten Teilen des Kontinents wird
weit weniger Beachtung geschenkt.
Die Armen immer ärmer?
Freiheit führt zu Ungleichheiten, da
Menschen nun mal ungleich sind.
Nach Ansicht vieler Kritiker muss daher die Freiheit durch Umverteilung
und Reichtumsbremsen aller Art
eingeschränkt werden, damit Verteilungsgerechtigkeit hergestellt werden
kann. Freiheitsverfechter wie Milton
Friedman dagegen setzen auf die
Schaffung von immer mehr Wahlmöglichkeiten, die möglichst viele Aufstiegschancen schaffen. Bewusst wird
dabei in Kauf genommen, dass Menschen vorübergehend zwar nicht Not,
aber doch einen relativ niedrigen
Lebensstandard erfahren können.
Stimmt es wirklich, dass dadurch die
Armen immer ärmer und die Reichen
immer reicher werden?
Wenn dies der Fall wäre, sollte es
sich doch dort am gravierendsten zeigen, wo der Kapitalismus am ungestörtesten wüten kann, etwa in den
USA. In der Tat weist man gern auf
Statistiken hin, wonach dort die Schere zwischen dem reichsten Fünftel
der Bevölkerung und dem ärmsten Fünftel in den letzten Jahrzehnten weiter auseinanderging. Doch es lohnt sich, genauer hinzusehen: Erstens zeigt
sich, dass alle Fünftel Zuwächse verzeichnen, das ärmste Fünftel also nicht ärmer wurde. Was
noch wichtiger ist: Verfolgt
man über die Statistik
der amerikanischen
Steuerbehörden die
einzelnen Steuerzahler aus den verschiedenen Fünfteln,
so findet man Erstaunliches: Rund zwei Dritteln
der Menschen im ärmsten Segment gelang zwischen 1996 und
2005 der Aufstieg in eines der höheren Fünftel, und die ehemaligen „Bewohner“ des ärmsten Fünftels konnten in diesem Zeitraum ihr Einkommen um 91 % steigern, während die
des reichsten Fünftels nur einen Zuwachs von 10 % verbuchen konnten.
Die Armen immer ärmer? Wie erfolgreich ein System ist, zeigt sich am Weg
des einzelnen Menschen, nicht am
Starren auf künstliche statistische
Kategorien.
Wie wäre es, wenn wir im Interesse
der Individuen auf dieser Welt zur
Kenntnis nehmen würden, dass wir
den sozialen Fortschritt der Freiheit
verdanken, nicht der geplanten Wohlfahrtsstrategie von Bürokraten? Die
individuelle Wahlfreiheit des Menschen ist der Weg, der zum Fortschritt
für alle führt. Die arrogante Weise,
mit der es in den Feuilletons Mode
geworden ist, den Menschen in anderen Kulturen den Freiheitswillen
abzusprechen (ohne sie dazu zu
befragen), macht daher sprachlos.
Schwungvoll vom Streben nach sozialem Fortschritt schwafelnd untergräbt man die individuelle Freiheit
als Basis eben dieses Fortschritts der
vergangenen Jahrzehnte.
Alles öko oder was? Alles im grünen Bereich!
Glosse | Früher waren die „Ökos“ eine belächelte Minderheit, heute prägen sie die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft
VON PHILIPP TRÖBINGER
Heute muss alles grün sein. „Grün“ ist
keine Lebensphilosophie, eine Farbe
schon lange nicht mehr und ein politisches Alleinstellungsmerkmal sowieso nicht. Denn alle Parteien sind jetzt
grün – allein schon wegen des Wählerpotenzials. „Grünes Denken und
Leben“ etabliert sich zu einem umfassenden Leit- und Orientierungskonzept der Menschheit. Aber was heißt
das? Warum dieser Wertewandel?
Steckt vielleicht ein kapitalistischer
Ansatz dahinter – aus Grün mach
Gold? Denn mit ökologisch korrekten
Produkten vermag man auch Geld zu
verdienen. Schließlich kann man die-
se Entwicklung hin zu einer nachhaltig orientierten Gesellschaft ökonomisch verwerten. Ist das der Grund für
den grünen Trend? (Fast) alle profitieren davon: Wirtschaft, Wissenschaft/
Forschung, Gesellschaft, Umwelt und
Politik. Sogar die Atomkraft-Lobby
schlägt aus der grünen Welle Kapital,
denn sie wirbt mit einem CO2-Ausstoß
gleich null und wird deshalb zum Klimaschützer.
Eines ist allerdings klar: Wenn ein
Produkt oder eine Dienstleistung
künftig erfolgreich sein möchte, dann
muss es oder sie „GRÜN“ sein. Das
heißt, Produkte sollen mit wenig Energieaufwand und geringem CO2-Ausstoß hergestellt werden und im Ideal-
fall noch zu 100 % recyelbar sein. Auch
das ganze Drumherum – Forschung,
Marketing, Logistik – soll nachhaltig
sein, alles für beziehungsweise gegen
den Klimawandel. Der Faktor „Ökologie“ und der damit verbundene
Nachweis auf der Schachtel wird in
Zukunft eine entscheidende Rolle bei
den Konsumenten spielen. Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen
werden die Stars in den Regalen der
Supermärkte sein. Die PR- und Marketingstrategen haben die wachsende
grüne Zielgruppe erkannt und setzen
nun alles auf die lukrative ÖkoKarte. Während „Ökos“ in den 70erund 80er-Jahren noch müde belächelt
wurden, färbt heute die größte Fast-
food-Kette der Welt ihr Logo grün
ein.
„CO2-Reduzierung“ und „Nachhaltigkeit“ sind wahre Modebegriffe. Und
alle spielen mit. Auch die Industrie.
Sie konzipiert danach jedes Produkt.
Warum? Wegen der Umwelt? Oder
weil die Meinungsforschungsinstitute
mit der „grünen Strategie“ mehr Umsätze versprechen? Weil die nachfolgenden Generationen nachhaltiger
denken? Oder weil es momentan einfach nur in ist? Jedes Produkt, jede
Organisation, jedes Handeln ... einfach ALLES muss nachhaltig sein –
auch Finanzprodukte. Aber was bedeutet das? Heißt nachhaltig auch sozialverträglich? An und für sich schon,
wenn man damit das Wohl der Gesellschaft und Umwelt impliziert.
Wie grün am Ende ein Produkt oder
eine Dienstleistung ist, kann in vielen
Fällen vielleicht gar nicht mehr nachvollzogen werden. Am Horizont ist
deshalb schon eine neue Branche in
Sicht: die „grünen Prüfer“ mit Stempel
und Qualitätssiegel in der Hand, die
die neuen Produkte auf ihre ÖkoTauglichkeit auf Herz und Nieren untersuchen. Im günstigen Fall gibt es
ein grünes Zertifikat – auf Recyclingpapier natürlich.
Wir sind eine Konsumgesellschaft,
nun sind wir eben eine grüne Konsumgesellschaft. Aber vielleicht ist ja
irgendwann die bunte Plastikwelt der
70er- und 80er-Jahre wieder voll im
Trend – was dann? Dann stehen wir
vor all dem grünen Müll und wollen
wieder PVC-Trainings-Glanzanzüge à
la Günther Netzer oder Kunstlederjacken im David-Hasselhoff-Style tragen und starke US-Pick-ups fahren.
Heute vielleicht unvorstellbar, aber
wer weiß, wohin der permanente
Retro-Drang und die unterschwellige
Sehnsucht nach der guten alten (giftigen) Zeit führen. Kann ja sein, dass
in Zukunft die Wissenschaft – mit
freundlicher Unterstützung der Meinungsforschungsinstitute – erkennen
wird, dass die Öko-Bilanz von PVC
und Co. gar nicht so schlecht ist. Alles
wird gut, alles wird grün.
MÄRZ 2010
WirtschaftsKurier
INDUSTRIE & MÄRKTE
5
Wandeln
Überholen
Entwickeln
Baggern
Der MAN-Konzern konzentriert sich unter
neuem Management auf zwei Geschäftsbereiche und will internationaler werden. Seite 6
Nach einem Jahr auf der Standspur will Daimler
mit einer Modell-Offensive wieder angreifen
und in USA und China stark wachsen.
Seite 7
Das mit hoher Forschungskompetenz erworbene, ausgewogene Produktportfolio lässt Bayer
mit Zuversicht in die Zukunft blicken.
Seite 8
Der Familienkonzern Wacker Neuson aus München erzielt mit Maschinen-Equipment für die
Baustellen der Welt Erfolge.
Seite 10
2010 ist ein Jahr des Übergangs
BASF | Zwei ambitionierte Milliardenprojekte
VON KLAUS G. WERTEL
V
or Jahresfrist beschrieb Jürgen
Hambrecht die Lage wie die
Aussichten seines Unternehmens und der ganzen Chemiebranche
als „rabenschwarz“. Jetzt, auf der Bilanzpresskonferenz 2010 in Ludwigshafen, zeigte der Vorstandsvorsitzende
der BASF SE wieder Zuversicht: „Das
Schlimmste liegt hinter uns – die
dunklen Wolken haben sich aber noch
nicht verzogen.“
Der Umfang der Investitionen wird
auch 2010 nicht wesentlich sinken.
Zwei Milliardenprojekte sind besonders
ambitioniert: In Nanjing (China) will
BASF am dortigen „Verbundstandort“
für gut eine Mrd. Euro Produktionsstätten erweitern und neu errichten.
Begründet wird dieser Kraftakt mit der
„wachsenden Bedeutung des chinesischen Markts“ für BASF und den Kostenvorteil aufgrund des Wegfalls von
Importabgaben. Die noch immer vergleichsweise kostengünstige
China-Produktion gewinnt für
BASF SE
BASF auch an Bedeutung für
2009
2008
Geschäftsjahr
die Wettbewerbsfähigkeit auf in Mio. Euro
anderen Märkten der Welt.
Umsatzerlöse
50 693
62 304
Den zweiten Investitionsschwerpunkt bilden 2010 – und EBIT
3 677
6 463
darüber hinaus – der Bau und Ergebnis vor Steuern
3 079
5 976 Zu den ambitionierten Investitionsprojekten von BASF gehört
der landseitige Anschluss der Forschungsaufwand
Foto: BASF
1 398
1 355 der Standort im chinesischen Nanjing.
„Nord Stream“-Erdgasfernlei- Investitionen*
5 972
3 634
Gewichten der verschie- Europa und Nordamerika noch kaum
tung durch die Ostsee. Zum eiOperating Cash Flow
6 270
5 023
denen BASF-Geschäfts- anzögen. Insgesamt sei ein Trend zu
nen ist BASF – über die Tochter
Ergebnis je Aktie (in Euro)
1,54
3,13
bereiche. Allerdings gebe deutlich geringerer Vorratslagerung zu
Winterhall AG – zu 20 % MiteiMitarbeiter
104 779
96 924 es bei den Abnehmer- beobachten: „Unsere Kunden dispogentümerin des zu 51 % von der
*Investitionen in Vermögenswerte und Sachanlagen inklusive Akquisitionen
branchen der BASF- nieren sehr vorsichtig.“
russischen Gazprom kontrolHambrechts Fazit: „2010 ist ein ÜberProduktsparten unterlierten Nord Stream-Konsortiums und deshalb auch zu einem 22,5 %) trug dieser Bereich im Vorjahr schiedliche Tendenzen: Wachstumsim- gangsjahr. Wir spüren, dass es langsam
Fünftel an den Baukosten von 7,6 Mrd. zum Konzernumsatz bei. Am Ergebnis pulse seien zum Beispiel in den Berei- wieder aufwärtsgeht. Die weitere ErhoEuro (Schätzungen aus dem Jahr 2008) vor Sondereinflüssen von insgesamt chen Automobil, Elektrotechnik und lung wird unstet verlaufen. Vor Rückbeteiligt. Im Frühsommer 2010 soll mit 4,9 Mrd. Euro waren Öl und Gas mit Informationstechnologie erkennbar. schlägen sind wir nicht sicher. Aber dadem Bau der gut 1 200 Kilometer langen 2,3 Mrd. Euro sogar zu 47 % beteiligt. Aus dem Agrarsektor gebe es dagegen rauf sind wir vorbereitet.“ Doch HamVerbindung von dem russischen Erd- Den zweithöchsten Ergebnisanteil lie- nur schwache Anzeichen einer Erho- brecht betonte auch: „Wir kommen
aus dem tiefsten Loch. Und wenn man
gasfeld „Juschno-Russkoje“ an die deut- ferte mit knapp über einer Mrd. Euro lung.
Auch deutliche regionale Unterschie- die Mengen anschaut, dann sind wir
(oder 21 %) das klassische BASF-Segsche Ostseeküste begonnen werden.
Das Segment Öl und Gas blieb 2009 ment Chemicals. Auf Rang drei folgte de seien zu verzeichnen, berichtete der noch meilenweit entfernt von dem,
– trotz des im Vergleich zu 2008 niedri- die Landwirtschaftssparte „Agricultural BASF-Vorstandsvorsitzende: So wachse was vorher da war.“
Der seit Übernahme des früheren
die Nachfrage aus den Schwellengeren Preisniveaus – das, nach Umsatz Solutions“ mit 776 Mio. Euro (16 %).
Für 2010 erwartet Hambrecht keine ländern Asiens und Südamerikas spür- Konkurrenten Ciba weltgrößte Chemieund Ergebnisanteil, größte BASFGeschäftsfeld. 11,4 Mrd. Euro (oder grundlegende Verschiebung in den bar – während die Bestellungen in konzern musste zwar auch in den Mo-
Gute Kundenbeziehungen sind kein Glücksfall!
Gute Kundenbeziehungen sind eine Kombination aus erstklassigen Informationen zu Bonität und Adresse Ihrer
Kunden sowie einem kompetenten und verlässlichen Partner, der Ihnen in jeder (Kunden-)Beziehung den Rücken
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naten Oktober bis Dezember 2009 (im
Vergleich zum vierten Quartal 2008) einen Umsatzrückgang um 7,9 % auf 13,2
Mrd. hinnehmen. Das EBIT vor Sondereinflüssen dieser beiden Vergleichsquartale hat sich aber von 526 Mio. Euro
(2008) auf 1,5 Mrd. Euro (2009) fast verdreifacht. Auch im Gesamtjahr 2009 –
von Hambrecht als „schwerste Rezession meines Berufslebens“ charakterisiert
– blieb BASF, trotz der um 18,6 % auf
50,7 Mrd. Euro eingebrochenen Umsätze, in den schwarzen Ertragszahlen: Das
Ergebnis vor Steuern und Zinsen (EBIT)
sank um 43,1 % auf 3,7 Mrd. Euro (2009);
der Jahresüberschuss hat sich von 2,9
Mrd. Euro auf 1,4 Mrd. Euro mehr als
halbiert.
Stärkung der Wettbewerbskräfte
Die BASF-Bilanz 2009 ist nicht nur
durch die Wirtschaftskrise belastet
worden. Auch der Erwerb des Schweizer Chemiekonzerns Ciba und dessen
Integration in die BASF-Welt bedeutete einen Kraftakt – und erklärt im Wesentlichen auch die Steigerung der Investitionsausgaben um 64 % auf 6,0
Mrd. Euro. Ein Teil des Ciba-Kaufpreises von 3,8 Mrd. Euro musste noch geschultert werden. Von den auf insgesamt 1,1 Mrd. Euro geschätzten CibaIntegrationskosten wurden 2009 bereits rund 800 Mio. kassenwirksam.
BASF-Chef Hambrecht und dessen
für die Ciba-Integration federführender Vorstandskollege Hans-Ulrich Engel betonten die Bedeutung der „Erweiterung unserer Wertschöpfungskette für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“ des BASF-Konzerns. Von ursprünglich 55 Ciba-Standorten seien
sieben geschlossen worden, 16 weitere
derzeit noch „auf dem Prüfstand“.
Weitere Akquisitionen wollte Hambrecht nicht ausschließen, er ließ jedoch erkennen, dass er für größere Zukäufe derzeit weder Bedarf und Gelegenheiten noch die nötigen organisatorischen und finanziellen Kapazitäten
sieht: „Wir konzentrieren uns jetzt auf
das, was wir haben – außerdem ist Herr
Engel noch gut beschäftigt mit der Ciba-Integration.“
Manager
des
Monats
Dr. Karl-Ludwig Kley,
Merck KGaA
Die günstige Gelegenheit auch und
gerade in Zeiten der Krise mutig
beim Schopfe zu packen, zeichnet
einen weitsichtigen Unternehmer
aus, ja ist geradezu ein Zeichen für
Unternehmertum schlechthin. Genau das hat Dr. Karl-Ludwig Kley
von Merck in Darmstadt getan und
der amerikanischen Millipore Corporation mit Sitz in Billerica (Mass.)
ein Übernahmeangebot unterbreitet. Das Transaktionsvolumen beläuft sich auf 5,3 Mrd. Euro, die Gremien von Merck und Millipore haben bereits zugestimmt, jetzt müssen die Aktionäre demgemäß handeln. Der Chemie- und PharmaKonzern Merck führt dadurch auch
ein ausgewogeneres Verhältnis der
beiden Bereiche herbei.
Kley leitet seit 2007 bei Merck die
Geschäftsführung als persönlich
haftender Gesellschafter. Der studierte Jurist war für den Pharmakonzern Bayer längere Zeit in Japan
und Italien. Nach einer längeren
„Zwischenlandung“ bei der Lufthansa als Chief Financial Officer
von 1998 bis 2006 trat Kley bei Merck
als stellvertretender Vorsitzender der
Geschäftsleitung ein. Erfahrung mit
der Integration großer Unternehmen konnte Kley bereits bei der Lufthansa (Swiss-Übernahme) und bei
seinem Antritt als Chef bei Merck
sammeln, denn damals hatten die
Darmstädter gerade das Schweizer
Biotech-Unternehmen Serono erworben.
uk
6
MÄRZ 2010
INDUSTRIE & MÄRKTE
WirtschaftsKurier
Steter
Wandel
für
nachhaltigen
Erfolg
MAN | Das neue Management treibt die
Internationalisierung voran
VON ULRICH KIRSTEIN
F
ür den Münchner Dax-Konzern
MAN SE brachen im vergangenen Jahr schwere Zeiten an, die
den Maschinenbau- und Lastwagenproduzenten heftig ins Straucheln
brachte: Die internationale Finanzkrise führte zu einem rasanten Rückgang
der Lkw- und Reisebus-Nachfrage und
die hausgemachte Schmiergeldaffäre
sorgte für zusätzlichen Wirbel. Nicht
ganz ohne die Mitwirkung des Aufsichtsratsvorsitzenden und Patriarchen der deutschen Automobilindustrie, Ferdinand Piëch, wechselte der
Vorstand der Holding MAN SE und der
Tochter MAN Nutz fast vollständig
und die „neue Truppe“ beschleunigt
nun den Internationalisierungsprozess des in der Vergangenheit vielleicht etwas zu eurozentrisch ausgerichteten, über 250 Jahre alten Konzerns.
Neben dem neuen Management,
angeführt von dem allerdings altgedienten MAN-Mann Dr. Georg PachtaReyhofen – er arbeitet seit 1986 in verschiedenen Positionen im Konzern –,
veränderte sich im MAN-Konzern
2009 noch so einiges: Die Trennung
von der Druckmaschinentochter Manroland, seit 2006 ein Gemeinschaftsunternehmen mit Allianz Capital Partners, wurde endgültig vollzogen und
MAN verkaufte die Mehrheitsbeteiligung an MAN Ferrostaal, schloss den
Kauf der brasilianischen VW-Lastkraftwagen-Tochter ab, fusionierte die beiden Bereiche Diesel und Turbo und
ging eine strategische Partnerschaft
mit dem chinesischen Lkw-Hersteller
Sinotruk ein.
Brasilien, Indien und China sind
auch genau die Schwellenländer, in
denen Pachta-Reyhofen eine große Zu-
kunft für sein Unternehmen sieht. In
China soll aus der Gemeinschaft mit
Sinotruk – immerhin der größte chinesische Lkw-Hersteller mit 125 000 verkauften Fahrzeugen im Jahr 2009 –
noch in diesem Jahr ein Lkw mit einer
eigenen, neuen Marke fahren. Produziert wird der Lkw vordringlich für den
Heimatmarkt China, aber auch weitere
Schwellenländer in Asien. MAN ist inzwischen im Besitz von 25 % plus einer
Aktie an Sinotruk. Für 2010 erwartet
MAN ein Marktwachstum von 10 % bis
15% bei schweren Lkw in China.
In Brasilien läuft das Geschäft bereits hervorragend, im Oktober konnte
die Lkw-Marke MAN präsentiert werden, während die von VW übernommenen Lkws bisher noch das Wolfsburger Signet im Grill führen. Über
kurz oder lang sollen diese Lastkraftwagen auch mit MAN-Motoren bestückt werden – schon 2009 rettete das
positive Ergebnis von 142 Mio. Euro
aus Brasilien die Lkw-Sparte, die sonst
ein Minus von 91 Mio. Euro eingefahren hätte.
In Indien hat sich der Hochlauf der
Produktion im Joint Venture mit Force
Motors allerdings verzögert, soll aber
noch in diesem Jahr erfolgen. Als
Grund für den schleppenden Beginn
nannte Pachta-Reyhofen das Ziel von
MAN, die Lkws ausschließlich in der
Region produzieren zu wollen, einschließlich aller Zulieferleistungen.
MAN will außerdem die Standards der
europäischen Baureihen auf ein etwas
niedrigeres Niveau eindampfen und
die CLA genannte Reihe dann in alle
Schwellenländer veräußern.
Pachta-Reyhofen sieht MAN in Zukunft auf den beiden Beinen Commercial Vehicles mit Lkw und Bussen und
Power Engineering mit den ehemaligen Bereichen Diesel und Turbo gut
aufgestellt – auch gegen alle Spekulationen hinsichtlich einer Aufspaltung
des Konzerns und Eingliederung der
Lastwagensparte in den VW-Konzern.
Die komplexen Verhältnisse zu VW –
der Volkswagen-Konzern hält 29 % an
der MAN Holding SE und die Mehrheit
am schwedischen Lkw-Produzenten
Scania, MAN besitzt 13,5 % der ScaniaAktien – lassen immer wieder Spekulationen aufkommen, die MAN-LkwSparte verschwinde eines Tages im
Wolfsburger Konzerngeflecht. Doch
noch zeigte sich kein VW-Offizieller bei
der Bilanzpressekonferenz von MAN.
Laufende Gespräche, etwa mit Scania,
gebe es ebenfalls keine, so Pachta-Reyhofen auf Nachfrage, offen für Kooperationen sei man zwar immer, „Priorität“ hätten sie aber keine. Da richtete
der Konzernsprecher – das Amt des
Vorstandsvorsitzenden wurde gestrichen – den Blick lieber auf die BRICLänder und die Zukunft der vereinigten Bereiche Diesel und Turbo. Hier
könnten etwa 60 Mio. Euro an Syner-
gieeffekten pro Jahr erzielt werden, viel
mehr interessieren den Maschinenbauingenieur und ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der MAN-DieselSparte Pachta-Reyhofen jedoch neue
Auftragsmöglichkeiten, die aus der
Kombination der beiden Bereiche entstehen können, wie beim Bau kombinierter Diesel-Turbinen-Kraftwerke
(DCC). Pachta-Reyhofen erwartet gerade im Markt der schlüsselfertigen
Kraftwerke ein starkes Wachstum. So
konnte MAN in diesem Jahr bereits einen Auftrag über 120 Großdieselmotoren für Kraftwerke in Brasilien einholen im Gegenwert von etwa 300 Mio.
Euro. Im Schiffsbereich dominiert in
den nächsten Jahren eher der Nachrüstbereich, weil auch hier schärfere
Grenzwerte bei den Motoren festgelegt
werden sollen. Im vergangenen Jahr
hatten sich im Marinebereich die Stornierungen auf fast 1 Mrd. Euro aufsummiert.
MAN SE
Geschäftsjahr 2009
in Mio. Euro
Umsatzerlöse
Commercial Vehicles*
Power Engineering
EBIT
Operatives Ergebnis
Commercial Vehicles*
Power Engineering
Ergebnis nach Steuern
Operating Cashflow
Investitionen
F & E-Ausgaben
Ergebnis je Aktie (in Euro)
Mitarbeiter
davon Inland
2009
2008
12 026
7 807
4 271
-214
504
51
566
- 258
1 462
2 303
504
- 2,69
47 743
26 768
14 945
10 610
4 397
1 623
1 729
1 062
618
1 247
137
873
493
7,76
51 321
28 753
*MAN Latin America wurde zum 31.03.2009 konsolidiert,
alle anderen Ergebnisse berücksichtigen MAN Latin America nicht
Die neue Führungsmannschaft von MAN (von links nach rechts): Klaus Stahlmann (MAN Turbo
und Diesel), Frank H. Lutz (Finanzen), Dr. Georg Pachta-Reyhofen (Sprecher) und Jörg Schwitalla (Personal) wollen MAN mit neuem Schwung in die Zukunft fahren.
Fotos: MAN SE
Dass gerade ein Traditionsunternehmen wie MAN nur durch einen permanenten Wandel nachhaltige Erfolge
erzielen kann, haben die Münchner
bereits von Anfang an gezeigt. Schon
der Name MAN – Maschinenfabrik
Augsburg Nürnberg – war einer Zusammenführung der ursprünglichen
Sander’schen Maschinenfabrik aus
Augsburg und der Klett & Comp. aus
Nürnberg nach vielerlei weiteren Namensänderungen im Jahr 1908 geschuldet. Im Prinzip bestand die MAN
schon immer aus einer größeren Anzahl von Maschinenbauunternehmen,
die entweder im Konzern aufgingen
oder – wie zum Beispiel SMS Demag –
wieder veräußert wurden.
Am Ende eine schwarze Null
Vielleicht auch deshalb konnte der Koloss aus München das schwierige Jahr
2009 doch noch einigermaßen glimpflich überstehen, blickt man auf die
wichtigsten Zahlen: Das operative Ergebnis betrug immerhin knapp über
500 Mio. Euro, und dass das Vorsteuerergebnis (EBT) mit minus 331 Mio.
Euro in die roten Zahlen rutschte, wurde vor allem durch ein Minus von 656
Mio. Euro aus „Sondervorgängen“ verursacht, darunter eine Abwertung der
Scania-Beteiligung sowie die Belastungen aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, allein etwa 220
Mio. Euro. MAN-Finanzvorstand Frank
H. Lutz bezifferte die Scania-Abschreibung auf 357 Mio. Euro, während bei
dem noch verbliebenem ManrolandAktienpaket eine Abschreibung in
zweistelliger Millionenhöhe durchgeführt werden musste. Das laufende
Geschäftsjahr sieht Pachta-Reyhofen
zwar als noch schwierig an, er will
aber trotz allem zumindest eine
schwarze Null als Ergebnis erzielen.
MÄRZ 2010
7
INDUSTRIE & MÄRKTE
WirtschaftsKurier
China fährt auf Mercedes ab
Daimler | Die Stuttgarter wollen mit hohem Drehmoment aus der Krise fahren
VON KLAUS G. WERTEL
N
ach einem Milliardenverlust
im Vorjahr will die Daimler AG
schon 2010 wieder ein positives Betriebsergebnis in der Größenordnung von 2,3 Mrd. Euro erwirtschaften. „Wir kommen mit hohem
Drehmoment aus der Krise“, so der
Vorstandsvorsitzende des Automobilkonzerns Dieter Zetsche auf der Daimler-Bilanzpressekonferenz in Stuttgart.
Zetsche begründete die Hoffnung auf
eine nachhaltige Erholung mit den seit
dem vierten Quartal 2009 wieder
anziehenden Pkw-Verkaufszahlen –
vor allem in den USA, Brasilien und
auf den neuen Wachstumsmärkten
Asiens. Wachstumstreiber seien die
2009 neu vorgestellte E-Klasse sowie
die überarbeitete S-Klasse. Auch die –
besonders stark von der Weltwirtschaftskrise gebeutelte – Nutzfahrzeug-Sparte sieht Zetsche in „spürbarem Aufwind“.
Keine Prognose für 2010
Eine verbindliche Prognose für die Gesamtentwicklung des Jahres 2010 wollte Zetsche – auch aufgrund der von der
Krise überrollten Prognosen früherer
Jahre – aber nicht abgeben. Daimler
könne vermutlich im Pkw-Bereich mit
einem über dem Durchschnitt der
Branche von 3 % bis 4 % liegenden Zuwachs rechnen. Auch bei den Nutzfahrzeugen – Lastwagen, Transportern
und Bussen – sei mit einer Stabilisierung und leichten Zuwächsen zu rechnen. 2009 war der Verkauf von Pkw um
14 %, der Lastwagenverkauf sogar um
45 % eingebrochen.
Neben dem Erfolg der neuen Modelle beflügeln bei Daimler auch die
teilweise stürmisch wachsenden Verkaufszahlen in den „neuen Märkten“
Asiens und die Erholung des wichtigen
2009 verbrachte Mercedes auf der Standspur, doch zumindest die E-Klasse ist der Wachstumsträger der Stuttgarter von den USA bis China.
US-Marktes die Hoffnungen auf eine
rasche Verbesserung der Absätze. Besondere Freude bereitet den Mercedes-Verkäufern derzeit der chinesische
Markt: Im Januar 2010 lag der Verkauf
mit 8 400 Pkw um 147 % über dem Wert
vom Januar 2009. China war damit –
hinter den USA (15 000 Pkw) und
Deutschland (10 300) – bereits drittgrößter nationaler Mercedes-Markt.
Bei der noblen S-Klasse ist China seit
Sommer 2009 sogar größter Einzelmarkt. 2009 wurden dort rund 13 000
S-Klasse-Limousinen, 11 000 E-Klassen, 16 000 C-Klassen und 15 000 Mercedes-Geländewagen (M- und G-Klasse) verkauft. Die Nachfrage nach Kompakt- und Kleinwagen hielt sich dagegen in Grenzen: 4 500 B-Klasse-Pkw
und1 500 Smart fanden chinesische
Käufer.
Ebenfalls stürmisch – wenngleich
von einem niedrigeren Niveau kom-
mend – entwickeln sich die Verkäufe
in Korea, Indien, Brasilien und Russland. Auch in den USA – dem traditionell wichtigsten Daimler-Auslandsmarkt – haben sich die Verkäufe gegenüber dem Winter 2008/09 wieder
um gut 20 % erhöht. Bei den Nutzfahrzeugen ist Brasilien gegenwärtig der
größte Daimler-Einzelmarkt. Die dort
produzierten Mercedes-Lastwagen
werden inzwischen in mehr als 50
Staaten der Erde geliefert.
Trotz dieser Erfolge wächst bei
Daimler offensichtlich die Überzeugung, dass das Unternehmen zur
Zukunftssicherung – über die bereits
vorhandenen Joint Ventures hinaus –
verstärkt Entwicklungs-, Einkaufsund Produktions-Kooperationen eingehen muss. Zetsche bestätigte in diesem Zusammenhang, dass Daimler
derzeit die Möglichkeiten von Kooperationen bei künftigen Pkw-Generati-
KOMMENTAR
Eine Überraschung, die keine ist
Dass die Daimler-Aktie am Tag der wusst und – im Rahmen der begrenzten Produktionsstandorte widerspiegeln
Daimler-Bilanzpressekonferenz mit Prognosemöglichkeiten – weitsichtig müssen. Was dabei hierzulande nicht
einem Kursverlust von zeitweise mehr durch die Krise geführt. Trotz der massi- gern zur Kenntnis genommen wird:
als 8 % abgestraft wurde, belegt einmal ven, im Nutzfahrzeug-Sektor zeitweise Der Anteil – und damit die Bedeumehr: Die Börse tut sich schwer mit bis zu 90 %igen Auftragseinbrüche gab tung – des deutschen, wie des gesamdem Verständnis für eine auf industri- es weder Massenentlassungen noch die ten westeuropäischen Marktes an den
eller Logik basierende Unternehmens- Schließung größerer Produktionsstätten. weltweiten Personen- und Nutzfahrstrategie, die – vor allen anderen Zie- Die Arbeitnehmer haben durch Kurz- zeugverkäufen sinkt. Von den, vorlen – auf die langfristige Sicherung des arbeit und den Verzicht auf Verdienst- sichtig geschätzt, 65 Mio. PersonenUnternehmens unter den Bedingun- anteile erheblich zum Gelingen des wagen, die 2010 weltweit in Produkgen sich auch kurzfristig ändernder 5-Mrd.-Euro-Sparpakets beigetragen. tion gehen, werden rund 3 Mio. in
Märkte setzt. Dass Daimler – vor allem Auch vor diesem Hintergrund erscheint Deutschland zugelassen – das sind
auch als weltweit größter Nutzfahr- der Ausfall der Dividende akzeptabel.
weniger als 5 %.
zeughersteller – ungeschoren durch die Nach den jüngsten weltweiten Absatz- Bei Daimler liegt der Inlandsanteil im
seit Jahrzehnten tiefste WeltPkw-Geschäft aktuell noch
wirtschaftskrise kommen
bei rund 15 % – Tendenz sinkönnte, konnte doch niekend. Die USA haben auf
mand ernsthaft erwarten.
21 % zugelegt. Der chinesiDie dramatischen Absatz-,
sche Markt nimmt derzeit
Umsatz- und Gewinneinbereits 11 % der Daimlerbrüche waren seit mindesAutos ab. Bei der noblen
tens einem Jahr in den MoS-Klasse ist China inzwinats- und Quartalszahlen
schen – vor den USA und
ablesbar. Insofern überrascht
Deutschland – der größte
die „Überraschung“, mit der
Einzelmarkt. Vor dem Hinjetzt Analysten auf den Jahtergrund der Unterschiede
resverlust und den Ausfall
der Nachfrage auf den verder 2009er-Dividende reschiedenen Märkten der Welt
agiert haben. Freilich: Auch Sieht 2009 trotz hoher Verluste nicht als verlorenes wäre eine Ausrichtung der
Daimler-Chef Dieter Zetsche Jahr an: Daimler-Chef Dieter Zetsche.
Modellpalette allein am
hätte seine Aktionäre früher
„ökologisch korrekten“ deutund deutlicher darauf hinweisen sol- zahlen hat die Branche, aber auch schen Zeitgeist verheerend. Die Verlalen, dass das nach seinem Amtsantritt Daimler die schlimmste Strecke der Kri- gerung eines Teils der C-Klasse-Pro2006 unter dem Titel „Go for 10“ groß- se hinter sich. Zum Glück hat man bei duktion in das Daimler-US-Werk Tusspurig angekündigte Ziel einer Um- der Autoschmiede zu keinem Zeitpunkt caloosa (Alabama) sowie der Bau der
satzrendite von 10 % leider an den damit aufgehört, die Hausaufgaben in Langversion der neuen E-Klasse in
Widrigkeiten einer volatilen Wirklich- der Entwicklung neuer Modelle und China erscheinen nur vernünftig.
keit scheitern könnte. Über die Plan- Technologien zu erledigen. Das gerade Auch hinsichtlich der Neu- und Fortwirtschaft des gewesenen sozialisti- auch 2009 abgebrannte Feuerwerk neu- entwicklung von Antriebstechnoloschen Lagers haben wir gern und be- er und verbesserter Personenwagen und gien ist Daimler gut beraten, sich die
gründet gespottet – doch auch bei uns Nutzfahrzeuge erweist sich jetzt als Be- gesamte Bandbreite möglicher, aber
hat sich die weltfremde Sucht nach der schleuniger auf dem Weg zu wieder aus- nicht sicherer Entwicklungen offenPlanbarkeit der Markt- und Unterneh- kömmlichen Produktionszahlen.
zuhalten. Niemand weiß heute seriös
mensentwicklungen verbreitet.
Auch nach der Krise wird es nicht ein- zu sagen, ob und wann welche dieser
Gemessen an den dramatischen Ver- fach sein, Daimler fit zu halten für die Technologien wirklich den entwickwerfungen auf den weltweiten Märk- sich immer mehr ausdifferenzierenden lungstechnischen Durchbruch schafft
ten, haben Management und Arbeit- Weltmärkte. Die ständige Verschiebung und welche der neuen Antriebskonnehmervertreter den Daimler-Kon- der Märkte wird sich in der Bandbreite zepte auch preislich marktfähig sein
zern besonnen, verantwortungsbe- der Produkte und in der Struktur der werden.
kw
Fotos: Daimler
onen „unterhalb der C-Klasse“ sondie- sämtliche Varianten künftiger An- Die Zahl der weltweit verkauften Perre. Nach zuverlässigen Informationen triebstechniken weiterzuentwickeln. sonen- und Nutzfahrzeuge war um
verhandelt Daimler unter anderem Dies gilt sowohl für die weitere Opti- 25 % auf 1,6 Mio. eingebrochen. Der
mit dem französischen Renault-Kon- mierung der Verbrennungsmotoren, Umsatz sank um 20 % auf 79 Mrd.
zern über gemeinsame Komponenten für die Daimler noch „auf Jahrzehnte Euro. Erstmals seit 2001 schrieb Daimund Plattformen. „Wir sprechen mit hinaus“ insbesondere bei Lastwagen ler 2009 wieder rote Zahlen: Das EBIT
einer Reihe von Kooperationspart- im Fernverkehr kaum technische Al- (Ergebnis vor Steuern und Zinsen)
nern, Renault ist einer davon“, so ternativen sieht, als auch für „Hybri- stürzte von plus 2,7 Mrd. Euro auf
Zetsche. Die Vorsicht, mit der Daimler de“ und die „alternativen Antriebe“, minus 1,5 Mrd. Euro ab. Aus einem
sich dem Thema Gemeinschaftspro- sprich: Elektromotoren mit Batterie Jahresgewinn von 1,4 Mrd. Euro wurduktionen nähert, hat triftige Gründe: und/oder Brennstoffzelle. Ein Ergeb- de ein Verlust von 2,6 Mrd. Euro. Vor
Dem einst auf einer Mitsubishi-Platt- nis dieser Anstrengungen sind die – in diesem Hintergrund verteidigte der
form entwickelten und in einem Mit- aktuellen Modellen schon realisier- Daimler-Chef die Empfehlung an die
Daimler-Hauptversammsubishi-Werk produzierten
DAIMLER
lung, für 2009 „ausnahmsSmart for four (Viersitzer)
weise keine Dividende auswar kein Markterfolg be- Geschäftsjahr
2009
2008
zuschütten“.
schieden. Daimler-intern in Mio. Euro
Trotz der – krisenbedingwird die Sorge diskutiert, Umsatzerlöse
78 924
98 469
Gemeinschaftsplattformen
Mercedes-Benz Cars
41 318
47 772 ten – Absatzeinbrüche und
mit anderen Herstellern
Lastwagen
18 360
28 572 Verluste sei „2009 für Daimkönnten Mercedes-ModelTransporter
6 215
9 479 ler kein verlorenes Jahr gewesen“, betonte Zetsche
len den Nimbus des „PremiBusse
4 238
4 808
zuversichtlich. „Wir sind im
um-Fahrzeugs“ nehmen.
Financial Services
11 996
11 964
Jahresverlauf deutlich effiZusätzlich befeuert wird
EBIT
-1 513
2 730
zienter geworden“, so der
das Ringen um den Einstieg
-2 644
1 414 Vorstandsvorsitzende unter
in – kostensenkende – Ko- Konzernergebnis nach Steuern
-2,63
1,41 Hinweis auf Kostensenkunoperationen durch die aktu- Ergebnis je Aktie (in Euro)
0
0,60 gen in Höhe von jährlich
ellen Rückrufaktionen des Dividende je Aktie (in Euro)*
256 407
273 261 5,3 Mrd. Euro. Mit einer in
weltweit größten Pkw-Her- Mitarbeiter
*Vorschlag an die HV
ungebremstem Tempo fortstellers Toyota. Für Zetsche
gesetzten „Modell-Offensiist „in diesem Zusammenhang nichts weniger angezeigt als ten – weiteren Verbrauchssenkungen ve“ habe das Unternehmen die GrundHäme“. Qualitätssicherung behalte bei Diesel- und Benzinmotoren. Auch lagen für eine überdurchschnittliche
aber für die Stuttgarter die „oberste erste Hybridmodelle sind im Angebot Teilhabe an der – inzwischen spürbaPriorität“. Bittere Erfahrungen mit oder unmittelbar vor der Marktein- ren – positiven Trendwende der
Märkte geschaffen. Besonders die im
mangelhaft ausgereiften Zulieferteilen führung.
macht in diesen Monaten auch DaimAngekündigt sind von Daimler auch Frühjahr 2009 vorgestellte neue Eler: Die von dem renommierten Zulie- erste Serien von Batterieautos – über Klasse und die im Sommer einer
ferer Delphi für den neuen Vier- die bisherigen Testflotten hinaus. Per- Modellpflege unterzogene S-Klasse
Zylinder-Dieselmotor entwickelten sonenwagen mit Brennstoffzellen soll hätten für eine deutliche Erholung der
und produzierten Diesel-Injektoren es „zeitnah“ zumindest in Kleinserie Nachfrage gesorgt. Für die kommenversagen teilweise schon nach Lauf- ebenfalls geben. Wer mit Ingenieuren den 24 Monate kündigte Zetsche
leistungen von weniger als 10 000 Kilo- spricht, hört freilich häufig die Sorge, 16 weitere neue Modelle und Modellmetern – und müssen jetzt gegen dass Vorstände und Marketingabtei- varianten an – dazu zählen vorausstandfestere überarbeitete Injektoren lungen mehr und für frühere Zeit- sichtlich die Kompaktfahrzeuge der Aausgetauscht werden.
räume versprechen könnten, als die und B-Klasse, die es künftig in vier
Entwicklungsabteilungen zu leisten statt in zwei Grundversionen geben
Festhalten an der Brennstoffzelle
soll. Auch der Kleinwagen Smart, desim Stande sind.
Die Zahlen des Jahres 2009 nannte sen Verkäufe seit dem vergangenen
Im Bereich der Antriebsentwicklung
hält Daimler – unbeirrt von Analysten- Zetsche, dessen Vertrag vom Daimler- Jahr deutlich rückläufig sind, soll demkritik wegen einer drohenden „teuren Aufsichtsrat um drei Jahre bis Ende nächst einer Überarbeitung unterzoVerzettelung“ – an der Strategie fest, 2013 verlängert wurde, „unerfreulich“. gen werden.
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8
MÄRZ 2010
INDUSTRIE & MÄRKTE
WirtschaftsKurier
Schwellenländer brauchen Medikamente
Bayer | Der Pharmakonzern vertraut beim Kampf gegen die Nöte der Menschheit auf sein Produktportfolio
VON HANNSJÖRG LAWRENZ
BAYER AG
N
atürlich ist auch der Weltkonzern Bayer von der internationalen Krise betroffen, doch
die hat er inzwischen gut überwunden. Die Grundlage für das gegenwärtige gute Abschneiden von Bayer in
der Krise und die Basis für eine erfolgreiche Zukunft sieht Bayer-Chef Werner Wenning darin, „über eines der
bestaufgestellten Portfolios aller weltweit aufgestellten Unternehmen“ zu
verfügen. Das Portfolio sei auf die Zukunft ausgerichtet und nicht kurzfristig gestrickt, denn vor allem vor dem
Hintergrund der wachsenden Weltbevölkerung und des demografischen
Wandels diene es dem nachhaltigen
Konzernwachstum und entspreche
den Wünschen der Kunden. „Solange
Menschen an Krebs sterben und Ernten nicht zur Versorgung der Menschen ausreichen, hat Bayer viel zu
tun“, sagte Wenning. Im laufenden
Jahr soll der Konzern zunächst wieder
auf den Wachstumskurs zurückkehren
und die Ertragskraft steigern.
Verschuldung
wurde stark reduziert
Das Geschäftsjahr 2009 konnte Bayer
aber ganz stabil überstehen. Grund
hierfür seien, so der Konzernchef, die
Konsolidierungen der vergangenen
Jahre. Im Geschäftsjahr 2009 sanken
zwar der Umsatz um minus 5,3 % auf
31,2 Mrd. Euro und das EBIT um minus 15,2 % auf 3 Mrd. Euro, doch operativ zähle 2009 zu einem der stärksten Jahre. Mit einem durch Sondereinflüsse bereinigten EBITDA von
6,5 Mrd. Euro wurde der dritthöchste
Wert in der Unternehmensgeschichte
2009
Geschäftsjahr
in Mio. Euro
Umsatzerlöse
HealthCare
CropScience
MaterialScience
EBIT
HealthCare
CropScience
MaterialScience
Konzernergebnis
F & E-Aufwand
Ergebnis je Aktie (in Euro)
Mitarbeiter
Bayer-Forscher untersuchen unter dem Mikroskop Zellkulturen, um die
Wirkung eines neuen Medikaments zu überprüfen.
erzielt. Der Netto-Cashflow wuchs um
stolze 49 % auf das Rekordniveau von
5,4 Mrd. Euro. Konzentriert widmete
sich der Konzern im abgelaufenen
Jahr der Reduzierung der Nettofinanzverschuldung. Stärker als zunächst
erwartet wurde sie um 4,5 Mrd. Euro
auf 9,7 Mrd. Euro gesenkt, verkündete
Wenning. Als Dividende sind unveränderte 1,40 Euro vorgesehen. Damit
bewegt sich die Ausschüttungsquote
mit 38,5 % des bereinigten Ergebnisses
je Aktie im geplanten Korridor zwischen 30 % und 40 %.
Für den Teilkonzern HealthCare
(Gesundheit) war 2009 ein starkes Jahr.
Der Umsatz stieg um 4 % auf 16 Mrd.
Euro. Besonders gut habe der PharmaBereich in den Schwellenländern abgeschlossen. Die positiven Umsatzzahlen in den Regionen Asien/Pazifik und
Lateinamerika/Afrika/Nahost glichen
den leichten Umsatzrückgang in Nordamerika aus, sodass ingesamt ein Plus
von 5 % auf 10,5 Mrd. Euro ausgewiesen wird. Das Krebsmedikament Nexavor hatte daran mit einem Umsatz von
600 Mio. Euro (plus 28 %) einen erheblichen Anteil. Im Bereich HealthCare
wirkte sich die Integration von Schering durch Kosensenkungen aus. Mit
einem EBITDA von 4,5 Mrd. Euro (plus
7,5 %) erreichte der Teilkonzern das gesetzte Margenziel.
Präsentieren den Geschäftsbericht: Bayer-Chef Werner Wenning (r.) und
sein Nachfolger Marijn Dekkers.
Fotos: Bayer
Strategisch ebenfalls erfolgreich entwickelte sich der Bereich CropScience
(Pflanzenschutz), der als größte BayerTransaktion 2009 das US Biotechnologie-Unternehmen Athenix übernommen hat. Insgesamt gewann, so Wenning, der Teilkonzern Marktaneile hinzu und verbesserte seinen Umsatz um
2,5 % auf 6,5 Mrd. Euro. Der klassische
Pflanzenschutz hat mit 5,4 Mrd. Euro
seinen Umsatzanteil hieran ausgebaut.
Besonders gut haben sich in dem durch
ungünstige Witterungsbedingungen
und gesunkene Erzeugerpreise geprägten rückläufigen Marktumfeld die neuen Wirkstoffe, die erst seit 2000 in den
Markt gebracht wurden, entwickelt. Sie
allein haben ihren Umsatzanteil auf
2 Mrd. Euro erhöht. CropScience erwirtschaftete ein um 6 % gesunkenes
EBITDA von 1,5 Mrd. Euro, wobei sich
vor allem höhere Rohstoffkosten und
negative Währungseffekte auswirkten.
Als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise sank im Bereich MaterialScience (hochwertige Materialien) der
Umsatz um minus 25 % oder 2,2 Mrd.
Euro auf 7,5 Mrd. Euro. Hier schlugen
sowohl niedrigere Verkaufspreise als
auch geringere Absatzmengen durch.
Mittlerweile, so Wenning, habe sich
das Geschäft deutlich erholt.
Weltweit beschäftigt Bayer 108 000
Mitarbeiter, die mit 460 Mio. Euro va-
31 168
15 988
6 510
7 520
3 006
2 640
798
-266
1 359
2 746
3,64
108 400
Innovatives Zugpferd
Gerresheimer | Verpackungshersteller investiert auf hohem Niveau
ABB AG | Neue Ideen aus Deutschland für den Weltkonzern
B
Die fünf Mitglieder des Vorstands der Gerresheimer AG (v. l.): Andreas Schütte, Dr. Max Raster, Noch-Vorsitzender Dr. Axel Herberg, CFO Hans-Jürgen Wiecha und der neue CEO Uwe Röhrhoff.
Foto: Gerresheimer
D
ie von der Konzernmutter ABB
Group in Zürich präsentierte,
von Umsatz- und Gewinnrückgängen gezeichnete Konzernbilanz 2009 hat die Deutschland-Tochter des weltweit tätigen Technologieunternehmens nicht in ihrem Innovationseifer gebremst. Im Gegenteil:
Auf der Hannover Messe 2010 (19. bis
23. April) präsentiert ABB wieder ein
Feuerwerk neuer Produkte und Verfahren. Eindeutige Schwerpunkte
sind in diesem Jahr die Bereiche
Energietechnik und Automatisierung. „Die Innovationen von heute sind die Umsätze von morgen“, weiß Peter Smits, Vorstandsvorsitzender der deutschen ABB AG und Leiter der
„Region Zentraleuropa“ der ABB
Group. Für die „sicher kommende Zeit nach der Krise“ sieht
Smits sein Unternehmen, vor
allem dank des unveränderten
Tempos im Bereich Forschung
und Entwicklung, „gut gerüstet“.
Die im deutschen ABB-Entwicklungszentrum Ladenburg und in den
Labors der verschiedenen ABB-Teilunternehmen in den letzten Monaten
zur Serienreife entwickelten und für die
Hannover Messe vorbereiteten Verbesserungen und Neuheiten können nach
Überzeugung der ABB-DeutschlandZentrale einen „Beitrag zum Gelingen
der positiven Trendwende“ des gesamten ABB-Konzerns leisten. Ein TechnikPressetag bot die Möglichkeit eines
Vorab-Blicks in die ABB-Werkstatt.
Unter der Überschrift „Mehr Energieeffizienz mit Smart Home“ bietet
ABB künftig die notwendige Hard- und
Software, mit der sich das „intelligente
Strommanagement“ tatsächlich auch
in Haushalt und Betrieb durchführen
lässt. Mit dem etwas hölzern „ABB ibus KNX Energieaktor“ genannten Gerät können Gesamt- und Einzel-Stromverbräuche gemessen, einzelne Stromverbraucher geschaltet, gesteuert und
kontrolliert werden. Der „Energieak-
tor“ kann einzeln, aber auch in fast beliebiger Anzahl installiert werden. Die
Kosten von rund 400 Euro pro Einheit
lassen vermuten, dass das „Smart
Home“ zunächst vor allem in Betrieben zum Einsatz kommen wird.
Dieter Michel, Projektverantwortlicher bei der ABB-Stotz-Kontakt GmbH,
nannte als An-
Intelligentes Strommanagement in
Haushalt und Betrieb.
Foto: ABB
wendungsbeispiele die Steuerung von
Beleuchtungseinrichtungen „nach dem
tatsächlichen Helligkeitsbedarf und unter Berücksichtigung der Tageslichteinstrahlung, die Steuerung von Klimaanlagen und Heizungssystemen sowie die
Verbrauchsverteilung nach verschiedenen Tarifzeiten“.
Eine zweite Innovation muss man
mit der Lupe suchen, besser noch unter dem Mikroskop betrachten. Die von
ABB seit 1997 insbesondere im Bereich
der Hochspannungs-GleichstromÜbertragung (HGÜ) eingesetzten IGBTHalbleiter-Zellstrukturen (Insulated
Gate Bipolar Transistor) enthalten rund
100 000 Transistorzellen pro Quadratzentimeter. Jetzt ist es gelungen, die
Spannungsfestigkeit dieser komplexen
32 918
15 407
6 382
9 738
3 544
2 181
918
537
1 719
2 653
4,17
108 600
riabler Einmalzahlungen an der Geschäftsentwicklung partizipieren. Bis
2012 wird es in Deutschlands BayerWerken keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Jährlich will Bayer
600 Schulabgänger ausbilden und verpflichtet sich, 120 nach der Prüfung zu
übernehmen. Im laufenden Jahr will
der Vorstand den Umsatz um mehr als
5 % erhöhen und er steuert bei einem
geschätzten US-Dollar-Kurs von 1,40
Euro ein EBITDA Richtung 7 Mrd. Euro
an. Zur Absicherung des langfristigen
Wachstums sollen 1,4 Mrd. Euro in
Sachanlagen und 2,9 Mrd. Euro in Forschung und Entwicklung investiert
werden.
Bis zum Jahr 2012 rechnet Wenning
mit einem kontinuierlichen Umsatzwachstum von 5 % im Jahr. Dann wird
den Konzern jedoch bereits der Niederländer Dr. Marijn Dekkers führen,
der bis zu seinem Eintritt in den BayerVorstand zum 1. Januar 2010 den USLaborgerätehersteller Thermo Fisher
Scientific Inc. leitete.
Pharma als Heilsbringer
etrachtet man die Struktur ei- leichten Rückgänge bei Kosmetikver- folios und Expansion in allen stratenes Unternehmens und nicht packungen und Laborgläsern. Insge- gischen Regionen. So wurde 2009 die
nur mögliche Zuwachsraten, samt zeigten die Gruppenumsätze nur dritte Produktionsanlage für vorfülldann präsentiert sich die Gerreshei- im zweiten und dritten Quartal des bare Spritzensysteme fertiggestellt, zumer AG in Düsseldorf wie ein Leucht- vergangenen Jahres deutlichere Durch- sätzlich wurden Fertigungen für zwei
turm in einer Welt von mit Minusra- hänger von bis zu minus 6,6 %, was Insulin-Pen-Systeme aufgebaut. Die
prognostizierten Investitionen in
ten, Missmanagement und hoHöhe von über 86 Mio. Euro wurhen Verlusten geplagten UnterGERRESHEIMER
den im vergangenen Jahr eingenehmerriegen.
2009
2008
halten – mit 41 Mio. Euro lag der
Verantwortlich für die stete Geschäftsjahr 2008/09 (30. 11.)
Schwerpunkt in Deutschland.
Entwicklung des früheren rendi- in Mio. Euro
1 000,2 1 060,1 Weitere Investitionen erfolgten in
teschwachen Herstellers von Be- Umsatz
Umsatz der Gruppe ohne
970,8
985,9 Europa (22 Mio. Euro), Amerika
hälterglas zu einem führenden
Technische Kunststoffsysteme*
(20 Mio. Euro) und China (3 Mio.
Anbieter von Spezialspritzen, In60,4
61,0 Euro). 2010 will Gerresheimer
halatoren und Arzneimittel- EBIT
7,0
4,5 weitere 80 Mio. Euro einsetzen.
fläschchen für die Pharmaindus- Konzernergebnis
Auch der Verpackungsspeziatrie und Flakons für die Kosme- Ergebnis je Aktie (in Euro)
0,18
0,02
tikbranche ist Dr. Axel Herberg, Eigenkapitalquote (in %)
35,8
31,6 list hatte mit der Wirtschaftskrise
seit 20 Jahren im Unternehmen Nettofinanzschulden
373,3
421,6 zu kämpfen, hat aber seine Ziele
und seit zehn Jahren Vorstands- Investitionen in Sachanlagen
86,4
107,8 weitgehend erreicht. Mit 40 Produktionsstandorten weltweit lag
chef. Eine weitere Vertragsverlän*Geschäftsbereich Technische Kunststoffe wurde
der Umsatz mit 1 Mrd. Euro
gerung wird es nicht geben, denn
zum 1. Juli 2009 veräußert
nahezu auf Vorjahresniveau, das
Herberg übernimmt die Leitung
der Aktivitäten in Deutschland, Öster- sich gegen Jahresende in ein Plus von Konzernergebnis wurde wegen gerinreich und der Schweiz des weltgrößten knapp 2 % drehte. Im laufenden Jahr, gerer Einmalaufwendungen von 4,5
Finanzinvestors Blackstone, der früher so berichtete Herberg, setze sich der Mio. Euro auf 7,0 Mio. Euro gesteigert.
Das operative Ergebnis blieb mit 185,9
an Gerresheimer beteiligt war. Neuer positive Trend weiter fort.
Da Gerresheimer für das Pharmage- (206,4) Mio. Euro leicht hinter dem des
CEO wird Vorstand Uwe Röhrhoff.
Basis für die Entwicklung war vor schäft im laufenden Jahr wieder deut- Vorjahres zurück. Obwohl sich das Erallem das Geschäft mit der Pharma- liches Wachstumspotenzial sieht, wird gebnis je Aktie von 0,02 Euro auf 0,18
industrie, das mittlerweile drei Viertel mit einem Umsatzanstieg von bis zu Euro erhöhte, wird für das vergangene
des Gesamtumsatzes bei Gerresheimer 4 % gerechnet. Grundlage für diese po- Jahr keine Dividende ausgeschüttet.
ausmacht.
ausmac
a ht
h . Die
Diie positiven Ergebnisse
Ergebn
b isse sitive Einschätzung ist die kontinuier- Das soll sich jedoch im laufenden
laauffenden Jahr
liche
dieses
kompensierten
dies
ses Bereichs kompen
e sierten die lich
he Verbreiterung des Produktport- ändern.
law
2008
IGBT-Strukturen von bislang 2,5 Kilovolt (kV) auf 4,5 kV fast zu verdoppeln.
Der Vorteil: Es müssen sehr viel weniger der IGBT-Einheiten pro Anwendun
– zum Beispiel in einer Umrichterstation – verbaut und in Reihe geschaltet werden als bisher, was Kosten
und Platz spart. Immerhin können beispielsweise in einer HGÜ-Anlage mehrere 1 000 IGBT-Einheiten installiert
sein. Auch die Schaltungs- und
Leitungsverluste sinken.
Für die Sparte Automatisierung
haben sich die ABB-Entwickler
ebenfalls Neuheiten ausgedacht.
Für große und sehr komplexe Produktionsanlagen gedacht ist die
neue Version 5.1 des Prozessleitsystems 800xA. Mit dieser Anlage
soll künftig eine große Zahl verschiedenster Steuerungen in eine
gemeinsame Systemlandschaft
integriert werden können – neben
der Steuerung von Produktionsabläufen etwa auch das Energiemanagement und die Kontrolle
von Betriebszuständen – einschließlich eines Alarmmanagements. Für eher überschaubarer Strukturen ist das Leitsystem „Freelance“ gedacht – nach Darstellung von ABB „das
kleinste Leitsystem der Welt“. Auch dieser Automatisierungszwerg kann bis zu
32 Prozesse pro Modul steuern – und
es lassen sich mehrere Module zu einem Gesamtsystem kombinieren.
Dass auch ABB unter der Wirtschaftskrise gelitten hat, kann niemanden verwundern: Die Umsätze des
weltweit in mehr als 100 Ländern
117 000 Mitarbeiter (davon rund 11 000
in Deutschland) beschäftigenden Konzerns sanken 2009 um 9 % auf 31,8
Mrd. US-Dollar; die Auftragseingänge
schrumpften sogar um 19 % auf 31,0
Mrd. US-Dollar. Der Konzerngewinn
ging um 9 % auf 2,9 Mrd. US-Dollar zurück. Für das vierte Quartal 2009 konnte Joseph Hogan, CEO der ABB Group,
aber bereits einen Anstieg der Auftragseingänge um 4 % melden.
kw
MÄRZ 2010
9
INDUSTRIE & MÄRKTE
WirtschaftsKurier
Trotz Gegenwind im Steigflug
MTU | Nur der Militärtransporter A400M bleibt eine unberechenbare Größe
– die Münchner sind beispielsweise
Systempartner für die Triebwerksprogramme des Eurofighters, von Tornado und vom deutsch-französischen
Kampfhubschrauber Tiger – die Instandhaltung. Durch die Beteiligung
an der Middle East Propulsion Company (MEPC) habe man 2009 einen Fuß
im lukrativen Geschäft im Mittleren
Osten bekommen.
VON ULRICH KIRSTEIN
E
igentlich könnten die MTU-Vorstände Egon Behle (Vorsitzender) und Reiner Winkler (Finanzen) zufrieden sein mit der Entwicklung ihres Unternehmens im vergangenen Geschäftsjahr und mit der Erwartung für das laufende: Bei Umsatz
und operativem Ergebnis 2009 wurden die Prognosen vom November
leicht übertroffen und trotz des
schwierigen Marktumfelds in der Luftfahrtbranche blieb die Auftragslage
auf hohem Niveau und sollen auch die
Zahlen von 2010 stabil bleiben. Wenn
da nicht die vielen Nachfragen der
Journalisten ob des Militärtransporters A400M aus dem Hause Airbus gewesen wären.
Ohne einen Tag Kurzarbeit
Eine schier unendliche Geschichte
Die Geschichte dieses Flugzeugs
scheint unter einem unguten Stern zu
stehen. Der Militärtransporter sollte
längst bei den Truppen der sieben europäischen Bestellernationen im Einsatz sein. Doch nach zahlreichen Pannen und Pleiten schaffte die Maschine
gerade einmal im Dezember 2009 ihren ersten Testflug. Nicht nur durch
die Verzögerung bedingt kostet das
Flugzeug statt der ursprünglich im
Vertrag von 2003 vereinbarten 20 Mrd.
Euro für 180 Maschinen jetzt laut Airbus über 5 Mrd. Euro mehr. Derzeit
verhandeln die Regierungen über ihre
Verteidigungsminister mit den beteiligten Unternehmen, wer wie viel der
Zusatzkosten übernehmen soll – zeitweilig stand das gesamte Programm
auf dem Prüfstand. Doch schon allein
die über 40 000 Arbeitsplätze, die europaweit an diesem Flugzeug hängen,
Endlich fliegt er, der Militärtransporter A400M von Airbus bestückt mit Turbinen von MTU – doch so recht glücklich ist keiner der Beteiligten.
und der Wunsch der einzelnen Länder,
eine souveräne, europäische Militärindustrie vorzuweisen, macht ein völliges Scheitern wenig wahrscheinlich.
Erst wenn die Verhandlungen zwischen den Bestellern und EADS/Airbus abgeschlossen sind, können die
Zulieferer über ihren Anteil am Kuchen verhandeln. Eine wichtige Frage
bei dem erwarteten Vergleich wird
auch sein, wer die Hauptschuld – und
damit -last – an der Verzögerung und
Verteuerung des ambitionierten Programms zu tragen hat. Da könnte auf
MTU eventuell noch etwas zukommen, auch wenn beide Vorstände
deutlich machten, dass mit einer neu-
erlichen Rückstellung von 90 Mio.
Euro – 2008 waren bereits 45 Mio. Euro
zurückgestellt worden – das Programm
inzwischen auf „null“ abgeschrieben
sei. Allerdings betonten sie bezeichnenderweise „zum gegenwärtigen
Zeitpunkt“, was weitere negative –
aber auch positive – Auswirkungen in
der Zukunft ja nicht per se ausschließt.
Behle erinnerte denn auch daran, dass
niemand in Verhandlungen ginge, um
zu einem schlechteren Ergebnis zu
kommen. Pikanterweise konnte MTU
genau 90 Mio. Euro positive Effekte
aufgrund einer Neubewertung von zivilen Triebwerksprogrammen erzielen,
sodass sich der angenehme Effekt er-
gab, dass sich Abwertung (A400M – bei
MTU TP400-D6-Programm) und Aufwertung am Ende genau ausglichen.
Die A400M-Triebwerke hatte MTU
innerhalb des europäischen Triebwerkskonsortiums EPI gemeinsam mit
Rolls-Royce, ITP und Snecma entwickelt, wobei MTU federführend für die
Software der digitalen Triebwerkskontrolle und den Mitteldruckverdichter
sowie die Mitteldruckturbine war.
Eigentlich ist das Militärgeschäft jedoch nur ein Bereich von MTU Aero
Engines – und zwar der kleinste von
dreien. Innerhalb des Gesamtumsatzes 2009 von 2,6 Mrd. Euro nimmt das
militärische Triebwerksgeschäft einen
Foto: MTU
Anteil von 532 Mio. Euro ein, das zivile
Tiebwerksgeschäft betrug 1,054 Mrd.
Euro und die zivile Instandhaltung lag
bei 1,058 Mrd. Euro.
Im laufenden Geschäftsjahr will
MTU wieder an die Zahlen von 2009
anknüpfen, also einen Umsatz von 2,6
Mrd. Euro, ein bereinigtes EBIT von
etwa 290 Mio. Euro und einen Jahresüberschuss von 140 Mio. Euro erreichen. Nur der verfügbare Cashflow soll
von 120 Mio. Euro auf etwa 100 Mio.
zurückgefahren werden. Das Kostensenkungsprogramm soll auch 2010
weitergeführt werden und 30 Mio. Euro
einsparen, 2011 sogar 50 Mio. Euro.
Ausbauen will MTU im Militärgeschäft
Konzentriert arbeitet MTU in der Forschung und Entwicklung, vor allem
für noch umweltfreundlichere und effizientere Triebwerke der nächsten Generation. Aber auch das Triebwerksprogramm PW1000G – es findet zum
Beispiel im Mitsubishi Regional Jet
oder in der Bombardier CSeries Anwendung – sowie das GEnx für den
neuen Boeing 787 Dreamliner und die
747-8 und der Antrieb GE38 gemeinsam mit General Electric für den
Transporthubschrauber Sikorsky CH53K zählen zu den herausragenden
Entwicklungsprojekten der Gegenwart. „Wir haben 2009 nicht nur konsequent weiter in den Bereich Forschung und Entwicklung investiert,
sondern die Aufwendungen auch
deutlich aufgestockt. Damit wollen wir
unsere Technologieführerschaft weiter
ausbauen und die Zukunft der Luftfahrt nachhaltig gestalten“, so Behle.
Fast untergegangen und nur in einem Nebensatz von Behle thematisiert
wurde die Tatsache, dass sein Unternehmen bisher ohne einen Tag Kurzarbeit durch die Krise gekommen war,
ja die Zahl der Beschäftigten hat sich
2009 sogar leicht um 1,7 % auf 7 665 erhöht – vordringlich durch das neue
Werk in Polen.
Arbeitskultur im Wandel
Personal2010 | Personalstrukturen effektiver gestalten
D
as Wachstum der Wirtschaft
lahmt seit Ausbruch der Finanzkrise. Viele Beobachter
spekulieren nun darüber, wie die Konjunktur wieder in Schwung kommen
könnte. Am 27. und 28. April präsentieren Experten auf der Messe Personal2010 in Stuttgart Ansätze für Personalverantwortliche: Es gilt, die Arbeitswelt neu zu organisieren.
In Unternehmen stehen heute abhängig von der Marktsituation sehr
unterschiedliche Personalthemen auf
der Agenda. Während etwa Organisationen im Gesundheitssektor nach wie
vor händeringend nach qualifizierten
Fachkräften suchen, drohen anderen
Branchen wie der Automobil- oder
Werftindustrie eher Personalabbau.
Die Themenpalette von Süddeutschlands größter Messe für Personalmanagement ist deshalb in diesem Jahr
besonders breit gefächert: Sie reicht
von der Fachkräfterekrutierung über
Software-, Arbeitsrechts- und Weiterbildungsfragen bis hin zu Mitarbeitermotivation und Outplacement.
Gleichwohl zeichnen sich einige
Schwerpunkte als Trends im Personalmanagement ab: Der ökonomische
Druck zwingt viele Betriebe dazu, auf
ein neues Klima im Unternehmen zu
setzen. „Die Organisationen, die nicht
in den Menschen und eine bessere Arbeitskultur investieren, werden vom
Markt verschwinden“, ist der Zukunftsforscher und Keynote-Speaker der Personal2010, Erik Händeler, überzeugt.
„Denn sie werden zu hohe Kosten und
Personalausgaben haben und ihre Produkte nicht verkaufen können, weil sie
zu teuer sind.“
Bisherige Hierarchien hätten beispielsweise ausgedient. Es gibt heute
laut Händeler viele Fachbereiche, in
denen sich nur noch die Mitarbeiter,
die unten in der Hierarchie stehen,
auskennen: die Fach- und Sacharbeiter. Je höher ein Arbeitnehmer in der
Unternehmenshierarchie komme, desto mehr bestehe seine Aufgabe darin,
die Arbeitsprozesse zu moderieren.
„Der Informationsfluss dreht sich vielfach um. Er fließt jedenfalls nicht mehr
nur von oben nach unten, sondern
auch von unten nach oben“, verdeutlicht Händeler. „In der Wissensgesellschaft werden wir ‚Gummihierarchien‘
haben.“
Prof. Dr. Waldemar Pelz, Professor
für Internationales Management und
Marketing an der Fachhochschule
Reges Interesse für die Themen der
Personalmesse.
Foto: Personal2010
Giessen-Friedberg, propagiert hingegen das Konzept der Volition: Auf die
Umsetzungskompetenz – vor allem der
Führungskräfte – komme es an. „Um
eine höhere Produktivität in Unternehmen zu erzielen, reicht Motivation
nicht aus“, so Pelz. Um diese These zu
validieren, hat er mithilfe verschiedener Forschungsergebnisse einen Fragebogen erstellt und eine Online-Befragung gestartet. Bislang haben schon
600 Führungskräfte und Arbeitnehmer,
die eine Führungsposition anstreben,
daran teilgenommen. Die Ergebnisse
stellt Pelz auf der Personal2010 vor.
Keynote-Speaker Bernhard Wolff
spricht sich für eine Innovationskultur
in Unternehmen aus. Dazu müsse zunächst die oberste Führungsebene
bereit sein. „Dank der Forschung von
Harvard-Professorin Teresa Amabile
wissen wir, dass es bei der Umsetzung
attraktiv…
um die folgenden fünf Dimensionen
geht: Ermutigung, Autonomie, Ressourcen, das richtige Maß Herausforderung und den Abbau von unmittelbaren Innovationshemmnissen – zum
Beispiel in der Kommunikation“, erklärt der Gründer des Think-Theatre,
eines Spezial-Dienstleisters für intelligentes Entertainment bei Tagungen
und anderen Corporate Events.
Wenn Geschäftsführer oder Abteilungsleiter selbst kreativ seien, motiviere das die Mitarbeiter, ihre Ideen
zu kommunizieren. Wichtig sei auch,
dass Mitarbeiter Freiräume hätten, um
kreatives Denken zu entwickeln, sich
zurückzuziehen aus dem täglichen Arbeitsstress und den Gedanken freien
Lauf zu lassen. Außerdem plädiert der
als Rückwärtssprecher bekannte Wolff
für eine Fehlerkultur, bei der Mitarbeitern gewisse Fehler unterlaufen dürfen
– und zwar solche, die aus innovativem
Verhalten resultieren. „Es ist doch erstaunlich, dass Unternehmen und Führungskräfte ihre Mitarbeiter bei jeder
nur denkbaren Gelegenheit dazu auffordern, unternehmerisch zu denken
und zu handeln, aber Fehler bestrafen,
die genau daraus resultieren können.“
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Wann und Wo? 27. – 28. April 2010,
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■ Wolfgang Riebe, Psychologe und
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■ Bernhard Wolff, Rückwärtssprecher und Innovationsexperte
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10
MÄRZ 2010
INDUSTRIE & MÄRKTE
WirtschaftsKurier
Minis baggern überall in der Welt
WiKu-Serie Familienunternehmen | Die Wacker Neuson SE – ein Porträt
VON ULRICH KIRSTEIN
D
er harte und lange Winter bedeutete für viele Bauunternehmen eher eine Verstärkung der schon durch die Finanzkrise
deutlich reduzierten Auftragseingänge, stand doch für einige Zeit alles
still. Einen Vorteil aus dem harten
Winter – oder besser aus seinen Folgen – will hingegen die Wacker Neuson SE aus München ziehen. Der Anbieter von kleineren Baugeräten und
Kompaktbaumaschinen will von den
vielen Schlaglöchern, die Väterchen
Frost landein, landauf auf unseren
Straßen hinterlassen hat, profitieren.
Der Städte- und Gemeindebund
schätzt die Kosten für Reparaturmaßnahmen in diesem Jahr etwa drei- bis
viermal so hoch wie nach „regulären“
Wintern. Wacker Neuson liefert nicht
nur notwendige Maschinen – Fugenschneider, Aufbruchhammer, Stampfer und Vibrationsplatten –, sondern
bietet auch eine Vielzahl von Mietund Dienstleistungen für die ausfüh-
Familien
Unternehmen
DAXplus
Family 30-Index
Die Wacker Neuson SE blickt als Familienunternehmen auf eine lange und als börsennotierte SE auf eine erfolgreiche Historie am Kapitalmarkt zurück. Die Geschicke des Herstellers von Kompaktbaumaschinen und Baugeräten
leitet Dr. Georg Sick.
Fotos: Wacker Neuson
ternehmen in einer Reihe mit Henkel,
Metro, SAP oder Volkswagen. „Wir
freuen uns über die Aufnahme in den
neuen Familienindex der Deutschen
Börse und werten die mit dem Index
angestoßene Fokussierung auf Familienunternehmen als sehr positiv“,
kommentierte Dr.-Ing. Georg Sick,
Vorstandsvorsitzender des Unternehmens, die Aufnahme. „Unsere Kultur
renden Firmen an. Damit können die
Städte und Gemeinden mittelfristig
Kosten sparen, indem sie die entstandenen Schäden gleich richtig beheben – auch den Autorfahrer
freut es, nicht über ewige
Provisorien hoppeln zu
müssen.
Das Familienunternehmen aus München
hatte erst im Mai 2007
den Börsengang gewagt und wird im
Prime Standard im
SDax notiert. Nun ist
Wacker Neuson von der Deutschen Börse in den DAXplus FamilyIndex aufgenommen worden, als eines der dreißig liquidesten deutschen, börsennotierten Familienun-
eines Familienunternehmens und
unser an Werten orientiertes, auf
Nachhaltigkeit und Stabilität ausgerichtetes Handeln haben sich gerade
im Krisenjahr 2009 bewährt“, so Sick
weiter. Allerdings musste auch Wacker Neuson – in den vorliegenden
Neunmonatszahlen – einen Umsatzrückgang von 684,7 Mio. Euro auf 442
Mio. Euro und ein negatives Periodenergebnis von 10,4 (plus 38,4) Mio.
Euro hinnehmen.
Dem Geschäftsjahr 2010 sieht
Sick aber verhalten optimistisch entgegen und erwartet
sich von der diesjährigen
bauma2010 einen Wachstumsschub, der auch wieder
zu schwarzen Zahlen führen soll. Die
Vibrationsplatte DPU 130 ist sogar für
den bauma-Innovationspreis 2010
nominiert. „Wir bereiten uns konsequent auf einen Aufschwung vor, der
aufgrund von Nachholeffekten insbesondere bei Infrastrukturmaßnahmen kommen wird“, so Sick. Verstärkt
will Wacker Neuson seine Maschinen
auch in der Landwirtschaft weltweit
im Einsatz sehen und startete deshalb das Konzept Farm Mobility, um
sie leicht überarbeitet in diesem Sektor anzubieten.
Zurück geht der Wacker-Zweig
des Unternehmens auf Johann Christian Wacker, der im Revolutionsjahr
1848 – damals stürmte selbst Richard
Wagner auf die Barrikaden – in Dres-
führt werden
den
eine
die Produkte in
Schmiedewerkden Geschäftsbestatt gründete.
reichen Baugeräte
Schon
1875
(Light Equipment)
wurde hier inund Kompakt-Baudustriell promaschinen (Comduziert und ab
pact Equipment).
1930 richtete
Die Baugeräte
sich das Undienen der Boternehmen
den- und Asphaltganz auf Bauverdichtung sowie der
geräte aus. Nach dem
Beton-, Aufbruch- und
Krieg begann die Familie
Vibrationsplatten
Ver sor gungs technik.
Wacker nochmals neu in
werden zur BodenDie Kompakt-BaumaKulmbach und verlegte
und Asphaltverdichschinen bis etwa 14
1951 die Zentrale nach
tung benötigt.
Tonnen gliedern sich
München. Neben Wacker
sind die restlichen Zweige gerade- in Bagger, Radlader, Teleskoplader,
zu „jung“: Kramer wurde 1925 im Kompaktlader und Dumper. Als dritSchwarzwald als Traktorenfabrikant ter Geschäftsbereich werden Dienstgegründet, Weidemann 1960 als Ma- leistungen geführt, die aus Service
schinenfabrik und Neuson 1981 als und Vermietung in Zentral- und OstHersteller von Hydraulik-Minibag- europa bestehen.
Zu Wacker Neuson zählen weltweit
gern in Linz.
2005 wurde die Weidemann GmbH, über 30 Tochtergesellschaften. ProduHersteller kompakter Maschinen für ziert wird in Reichertshofen, Pfullendie Landwirtschaft, übernommen, im dorf, Korbach und Gotha in DeutschJahr darauf die US-amerikanische land, im österreichischen Linz, in MaGround Heaters Inc., die großflächige nila (Philippinen) sowie in Milwaukee
Heiztechnik am Bau anbietet. Im Jahr und Norton Shores (USA).
Die Aktie von Wacker Neuson hat
2007 fusionierten schließlich Wacker
und die Neuson Kramer Baumaschi- sich seit dem Börsengang in etwa wie
der SDax entwickelt und liegt derzeit
nen AG.
Heute werden die drei Marken bei ca. 8 Euro. Gestartet war sie allerWacker Neuson, Kramer Allrad so- dings im Mai 2007 mit 24,60 Euro
wie Weidemann (landwirtschaftliche (erster Preis – der Emissionspreis hatMaschinen) vertrieben. Die Produkt- te bei 22 Euro gelegen). Noch immer
palette reicht von Allradlenkern über hält die Familie Wacker 38,1 % der AkTeleskoplader, Dumper und Vibra- tien, 30,4 % befinden sich in Streutionsplatten bis hin zu Benzintrenn- besitz. Zu den Großaktionären zählt
schneidern oder Elektrohammern – die Neuson Ecotec GmbH mit 29 %,
insgesamt 300 Produktgruppen. Ge- der Vorstand hält 2,5 % der Anteile.
BESSER ALS DER DA X – DER FAMILY 3 0 -INDE X
Seit 2007 neu im Programm von
Wacker Neuson sind Radlader für
die Bauwirtschaft – das „W“ steht
für die akquirierte WeidemannGruppe.
Die Deutsche Börse führte am 4. Januar 2010 den DAXplus FamilyIndex ein, der die Entwicklung börsennotierter Familienunternehmen
abbildet. Das neue Marktbarometer
umfasst deutsche und internationale
Firmen aus dem Prime Standard der
Frankfurter Wertpapierbörse, bei denen die Gründerfamilie (Mit-)Eigentümer ist (Stimmrechtsanteil mindestens 25 %) oder Teil der Unternehmensleitung (Vorstand
oder Aufsichtsrat, Stimmrechtsanteil
mindestens 5 %). Derzeit qualifizieren sich 113 Unternehmen für den
Index. Der DAXplus Family 30-Index
setzt sich aus den 30 größten und
liquidesten Werten (Marktkapitalisierung des Streubesitzes) zusammen.
Nach Berechnungen der Deutschen
Börse hätte der Index seit 2002 bei
geringerer Volatilität eine wesentlich
bessere Performance als der Dax
gezeigt.
pht
Aus Produkten werden Kultobjekte
DesignworksUSA | Die BMW-Tochter kombiniert schöne Optik mit Technik-Know-how
Mit der Deep-Blue-Serie erweitern die Yachtbauer von Bavaria ihr Portfolio.
Das Design des sportlichen Flitzers erhielt schon einige Auszeichnungen.
VON CONSTANZE MEINDL
B
MW kann Auto – keine Frage.
Das weiß jeder, ob er nun ein
Liebhaber der Münchner Nobelkarossen ist oder nicht. BMW kann
aber auch Design – das sieht man,
selbst wenn nicht jede Modellbau-Reihe jedermanns Geschmack trifft. Dass
BMW aber nicht nur Design für Autos,
sondern auch für Kaffeemaschinen,
Wasserhähne oder Yachten kann – das
ist vielen neu. Mit der 100%-Tochter
DesignworksUSA bewegt sich der Autobauer auf vielen Märkten und entwickelt mit innovativen Ideen die Formen der Zukunft.
Schwerpunkte der DesignworksUSA
sind die strategische Designberatung
sowie das Transport- und Produktdesign. Das Kreativ-Unternehmen, das
seit 1995 zu dem Münchner Konzern
gehört, soll vorrangig Inspirationen in
die Designstudios der Marken Mini,
BMW und Rolls-Royce einbringen. Die
Mini-Flitzer beispielsweise haben es
geschafft, dass um sie ein Kult entstanden ist wie um kaum ein anderes Automobil. Mittlerweile kann man im Mini-Design fast alles haben: Wanduhren
mit Auto statt Kuckuck, Regenschirme
mit Knauf in Form einer Gangschaltung und auf den Ex-Briten abgestimmte Kofferserien.
Das Besondere an DesignworksUSA
ist, dass sie zwar zum Großteil für den
Autobauer tätig ist, jedoch weiterhin
Kunden über alle Industriesektoren
Die Optik der Cruiserlinie orientiert sich zwar am Vorgängermodell wurde
aber auch von DesignworksUSA fit für die Zukunft gemacht.
hinweg bedient. Hierzu zählen nicht
nur die Sportmarke Adidas oder der
Zuhause-Spezialist Villeroy & Boch.
Auch die Deutsche Bahn und der Flugzeugbauer Airbus setzen auf die kreativen Köpfe, die an den Standorten Kalifornien, München und Singapur das
Design von morgen kreieren. Der Vorteil dieser breiten Ausrichtung ist, dass
das so erworbene Wissen über Zielgruppen, Technologien und Zukunftsszenarien in vielfältigster Weise den
unterschiedlichen Designteams der
BMW Group zugutekommt. Aber nicht
nur die PS-Schmiede profitiert: Umgekehrt partizipieren die Kunden aus anderen Branchen auch vom Wissen der
Kreativen aus der Design-affinen Automobilindustrie.
Dies haben auch die Yachtbauer von
Bavaria mit Sitz in Giebelstadt (Landkreis Würzburg) erkannt. Das Traditionsunternehmen wurde nach dem
Verkauf von Privathand an eine Shareholder-Gesellschaft vor die schwierige
Aufgabe der Unternehmens-Neuausrichtung gestellt. Damit diese Positionierung erfolgreich sein konnte, musste ein innovatives Design her. Warum
die Wahl auf DesignworksUSA fiel, war
für Bavaria-CEO Andrés Cardenas eindeutig: „Für die Optik hätten wir auch
ein Genie aus Italien engagieren können, das uns schöne Boote zeichnet.
Aber wir müssen nicht nur Striche ziehen, sondern das Design in unsere
Produkte integrieren.“ Die BMW-Tochter habe das Know-how, so Cardenas
Das „Genießer-Boot“ aus der Sportlinie: Hier haben es nicht nur die Fahrer
bequem, sondern auch die Sonnenanbeter an Bord.
Fotos: BMW
weiter, „Design und Massenproduktion in Einklang zu bringen“. Zur Neuausrichtung gehörte nicht nur, die bestehenden Bootslinien und Typen zu
aktualisieren, sondern auch bei allen
Linien auf einen unverwechselbaren
Charakter zu achten. Die Schwierigkeit dabei war, jeder Yacht ein eigenes
Gesicht zu geben, aber dennoch das
Design konsistent durch die verschiedenen Linien zu ziehen.
Auch beim Yacht-Design war die
Nähe zur Automobilindustrie ein Vorteil. Niko von Saurma, Leiter des
Münchner DesignworksUSA-Studios,
sieht im branchenübergreifenden Arbeiten einen Wettbewerbsvorteil: „Die
Qualität einer Designberatung zeichnet sich nicht nur dadurch aus, kreati-
ve Konzepte zu entwerfen. Unter den
heutigen wirtschaftlichen Bedingungen ist es mehr denn je Aufgabe einer
Designberatung, umfangreiches Fachwissen hinsichtlich Prozessen und
Herstellungsabläufen einzubringen,
um intelligentes Design vor allem für
komplexe Produkte wie den Mobilitätsbereich erfolgreich zu machen.“
Dass sich dieses branchenübergreifende Wissen bezahlt gemacht hat, das
belegen die Erfolge der modernen Bavaria-Yachten: Im vergangenen Jahr
wurden die verschiedenen Typen der
Wasserflitzer insgesamt sieben Mal für
ihr innovatives Design ausgezeichnet.
Dies garantiert dem glücklichen Besitzer zumindest eines: die neidischen
Blicke der „Landratten“.
FINANZEN & BÖRSE
MÄRZ 2010
WirtschaftsKurier
11
Eine Familienangelegenheit
Dame ohne Unterleib
Rufe aus der Politik
Schick für die Bank
Kontinuität ist das Stichwort, unter dem Reinfried jr. und Anreas Pohl einmal die Deutsche
Vermögensberatung leiten werden.
Seite 12
Bei einer Privatisierung wäre das Geschäftsmodell der LBBW bedroht, so der Sparkassenverband Baden-Württemberg.
Seite 13
Das Hausbank-Prinzip ist sinnvoll, meinen
die Förderbanken und stellen sich gegen
Forderungen von Bund und Ländern. Seite 14
Großunternehmen optimieren schon lange
ihre Bilanzen, jetzt wenden auch Mittelständler
entsprechende Instrumente an.
Seite 15
Zwei Banken – eine Strategie
Deutsche Bank und Commerzbank | Wachstum im Privatkundengeschäft und im Ausland
VON DR. CHARLOTTE SCHMITZ
D
ie Lage der beiden Großbanken könnte unterschiedlicher
nicht sein: Während Josef
Ackermann bei der Jahrespressekonferenz in Frankfurt für die Deutsche
Bank für das Geschäftsjahr 2009 einen
Gewinn nach Steuern in Höhe von
5 Mrd. Euro präsentieren konnte,
musste die Commerzbank Verluste in
Höhe von 4,5 Mrd. Euro einräumen.
Während die Deutsche Bank ohne
Staatshilfe durch die Krise navigierte,
stehen der Commerzbank noch viele
Jahre bevor, in denen sie die stille Beteiligung des Staates bedienen muss.
Trotz dieser Unterschiede fahren beide
Banken nun eine ähnliche Strategie:
Die Eigengeschäfte am Aktienmarkt
wurden deutlich zurückgefahren, dafür steht der Kunde wieder im Fokus.
Filialnetz soll nicht
ausgedünnt werden
Die Deutsche Bank hat sich dafür die
Postbank ins Boot geholt. Die Commerzbank verfügt mit der Übernahme
der Dresdner Bank über eine Vielzahl
von Filialen, von denen ein Großteil
weiter bestehen bleiben wird, um dem
Kunden so nah wie möglich zu sein.
Ihr gutes Abschneiden verleiht der
Deutschen Bank weit mehr Möglichkeiten, sich gegen die anhaltende Krise
abzusichern: Sie hat ihre Eigenkapitalquote auf 12,6 % gesteigert. Außerdem
kann sie eine Dividende nicht nur ausschütten, sondern sogar erhöhen: Statt
50 Cent wie im vergangenen Jahr sollen die Aktionäre 2010 75 Cent je Aktie
erhalten.
Die Commerzbank hingegen darf
keine Dividende ausschütten, solange
sie die stille Einlage des Sonderfonds
Finanzmarktstabilisierung SoFFin
nicht zurückzahlt. Ihre Eigenkapital-
steht noch nicht fest. „Unser strategisches Ziel haben wir erreicht, niemand
kann an uns vorbei die Postbank erwerben“, erklärte Ackermann.
quote liegt jetzt bei 10,5 %. Diese wird
jedoch perspektivisch wieder reduziert. Hier sieht der Vorstand Reserven,
um einmal die Staatseinlage zu bedienen. Für die Kapitalausstattung seien
„7 % bis 9 % vernünftig und auch ausreichend, sobald sich die Märkte wieder normalisiert haben“, sagte der Vorstandsvorsitzende Martin Blessing in
Frankfurt.
Vereinheitlichung der
IT-Systeme ist weit gediehen
Die Krise ist in der
zweiten Halbzeit
Die Krise sei noch nicht vorbei, warnte
Blessing: „Wir befinden uns mitten in
der zweiten Halbzeit.“ Auch für 2010
erwartet die Commerzbank Verluste.
„Verluste in der Höhe von 2009 halte
ich für ausgeschlossen“, sagte Blessing
allerdings. Ab 2012 will die Commerzbank wieder profitabel arbeiten und
dann auch die Staatseinlage zurückerstatten. „Wir dürfen keine Rücklagen
auflösen, um die SoFFin-Kredite zu
bedienen“, betonte der Commerzbank-Chef. Natürlich wolle er diese
„so schnell wie möglich zurückzahlen,
aber in einer Art und Weise, die die
Stabilität der Bank gewährleistet“.
Beide Banken versicherten, dass sie
dem Mittelstand selbstverständlich
weiter als Geldgeber zur Verfügung stehen. Die Commerzbank hat Anfang
März einen Sonderbeauftragten für
Mittelstandskredite eingesetzt. Michael Schmid wird ein Kreditvolumen in
gleicher Höhe wie 2009 betreuen, etwa
130 Mrd. Euro. Auch die Deutsche
Bank hält sich zugute, die Kreditvergabe an mittelständische Kunden 2009
stabil gehalten zu haben. Eine „führende Position wollen wir auch im
Geschäft mit dem Mittelstand einnehmen“, bekräftigte Ackermann.
Beide Banken haben ihre Eigengeschäfte am Kapitalmarkt weitgehend
zurückgefahren. Die Deutsche Bank
Die Commerzbank hat einen Sonderbeauftragten für Mittelstandskredite eingesetzt.
Foto: M. Goetzke
Die Deutsche Bank sieht sich als
eine der fünf besten europäischen
Privatbanken.
Foto: DB
hat den Eigenhandel mit Kreditprodukten fast völlig eingestellt und den
Handel mit Aktien beziehungsweise
Derivaten um 90 % reduziert.
Mit dem Einstieg bei der Postbank
(14 Mio. Kunden) und der Übernahme
der Traditionsbank Sal. Oppenheim
positioniert sich die Deutsche Bank im
Privatkundengeschäft noch ambitionierter. Sie sieht sich „in der Spitzengruppe der fünf besten europäischen
Privatbanken“. Ob die Deutsche Bank
die Postbank komplett übernimmt,
Bei der krisengeschüttelten Commerzbank erzielten die Segmente „Privatkunden“ und „Mittelstandsbank“ Gewinne. Der Privatkundenbereich wird
im Zuge der Fusion mit der Dresdner
Bank umstrukturiert. Die Callcenter
beider Institute sind bereits vereinigt,
und auch die IT-Systeme wurden zu
zwei Dritteln vereinheitlicht. In Zukunft peilt die Commerzbank ein Netz
von 1 200 Filialen an, bisher sind es
noch 1 540. „Wir werden uns nicht aus
den Regionen zurückziehen“, versicherte Commerzbank-Privatkundenvorstand Achim Kassow. Fusioniert
würden vor allem eng beieinanderliegende Standorte. Die Commerzbank
hat sich zum Ziel gesetzt, ihre jetzt 11
Mio. Kunden zu halten. „Wir wollen die
Kunden, die sich einmal für uns entschieden haben, glücklich in der neuen
Welt ankommen lassen“, so Kassow.
Neben dem Privatkundengeschäft
sehen beide Banken die Internationalisierung als wichtigen Stützpfeiler
künftigen Wachstums. Die Deutsche
Bank sieht Wachstumschancen in der
Region Asien/Pazifik.
Die Commerzbank ist in Mittel- und
Osteuropa expandiert. Aufgrund der
gestiegenen Risikovorsorge sind auch
dort Verluste entstanden. Doch hat die
Bank in der Region im vergangenen
Jahr eine halbe Million neue Kunden
gewonnen und wird sich vor allem auf
Polen konzentrieren, wo ihre Tochter
sehr erfolgreich agiert. Die Geschäfte
in der Ukraine hingegen laufen mäßig.
„Dort prüfen wir verschiedene Optionen“, sagte Blessing zurückhaltend.
Beide Banken reagierten auf die öffentliche Kritik an den Vergütungssystemen. Sie haben ihre Gehaltsstrukturen überarbeitet. Die variablen Gehaltsanteile wurden zugunsten des
festen Teils vermindert. Zudem sollen
die veränderlichen Bestandteile in Zukunft am Erfolg der Bank über mehrere Jahre hinweg gemessen werden. Neben Boni können auch Mali verrechnet
werden. Allerdings betonte DeutscheBank-Chef Ackermann, wenn keine
Boni gezahlt würden, bestehe „die
Gefahr der Abwanderung von Talenten
in den nicht regulierten Bereich“. Die
Neuerungen bei den Gehältern gelten
für beide Banken, die selbstverständlich jeweils ein individuelles System
entwickelt haben.
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WirtschaftsKurier |Unverzichtbar für Entscheider mit Weitblick
„Postmaterielle“ legen grün an
Social Banking | Großes Marktpotenzial führt zu Bank-Neugründungen
VON ELWINE HAPP-FRANK
E
thisch-ökologische Banken zeigen in der Finanzkrise ein kräftiges Wachstum. „Social Banking“ scheint deshalb eine Entwicklung zu sein, die die gesamte Finanzdienstleistungsbranche ernst nehmen
sollte – und nicht nur das: Dieser
Trend dürfte in Zukunft noch weiter
zunehmen. Zu diesem Schluss kommt
die Unternehmensberatung zeb/rolfes.schierenbeck.
Banken mit einem Geschäftsmodell,
das sich an sozialer, ökologischer und
ökonomischer Nachhaltigkeit ausrichtet, schreiben seit der Krise eine länderübergreifende Wachstumsstory. Im
Verlauf der Finanzkrise konnten die
Anbieter dieses Sektors ihre Bilanzsumme binnen eines Jahres teilweise
um mehr als 30 % steigern.
Renaissance von
gesellschaftlichen Werten
So konnte beispielsweise die GLS Bank
in Bochum im vergangenen Jahr 11 000
neue Kunden anlocken. Die Einlagen
wuchsen kräftig um 37 % auf 1,15 Mrd.
Euro. Die Umweltbank in Nürnberg
wuchs ähnlich rasant: 10 000 neue
Kunden und ein Anstieg der Kundeneinlagen um 40,1 % auf 998 Mio. Euro.
Die Ethikbank in Eisenberg hat noch
keine Zahlen für 2009 vorgelegt, bezeichnet sich aber als „Gewinner der
Krise“. In diesem Jahr rechnen alle
Institute dieses Sektors mit einem weiterhin starken Wachstum.
Kern des Erfolgs dieser Bankengrup-
pe ist die Tatsache, dass Werte wie soziale Lebensqualität, Umweltbewusstsein, Mitbestimmung, Transparenz,
Gemeinsinn und Sicherheit deutlich
an gesellschaftlicher Relevanz gewinnen. Das greifen die Social Banks auf.
Mittelvergabe wird
transparent publiziert
Ihr Konzept unterscheidet sich grundsätzlich von den traditionellen Banken. Die „grünen“ Institute investieren
konsequent in ethisch-ökologisch
nachhaltige Projekte. Dabei wird die
Vergabe der Mittel sowie die Verwendung transparent publiziert. In vielen
Fällen können die Anleger selbst entscheiden, welche Branchen Kredite erhalten. Auf spekulative Anlagen wird
komplett verzichtet.
Im Visier haben die Social Banks
eine Zielgruppe, die als „Postmaterielle“ bezeichnet werden. Das sind Kunden, die ein umwelt- und gesundheitsbewusstes Leben führen, die in globalen Zusammenhängen denken und
eine eher liberale Grundhaltung haben. Nach Marktforschungen verfügen
sie über ein überdurchschnittliches
Einkommen und Vermögen.
Bislang haben sich die ethischökologischen Banken mit weniger als
200 000 Kunden nur einen Bruchteil
der momentan über 6 Mio. Menschen
umfassenden Kernzielgruppe erschlossen. Da der durch die Krise verursachte Vertrauensverlust in die Finanzwirtschaft und die Werteverschiebung jedoch ein nachhaltiges Phänomen sind,
dürfte sich das Kundenpotenzial nach
Ansicht von zeb/ bis zum Jahr 2020 auf
10 bis 12 Mio. Verbraucher ausweiten.
Dass der Markt die veränderten
Kundenbedürfnisse wahrgenommen
hat, verdeutlichen zwei in kurzem Abstand erfolgte Markteintritte. Als neu
gegründete Direktbank ist am 7. November 2009 die Noa Bank, Frankfurt,
gestartet. Durch konsequenten Einsatz
der Mechanismen des Social Banking
mit einer hohen Transparenz hat das
Institut drei Monate nach der Eröffnung bereits über 40 Mio. Euro Einlagen von 4 500 Kunden erzielen können.
Auch erste Kredite seien bereits bewilligt worden. Dabei kann man sich auf
der Website der Bank über die finanzierten Unternehmen informieren.
Anfang Dezember 2009 folgte die
niederländische Triodos Bank, die sich
als weltweit führende Nachhaltigkeitsbank bezeichnet und nun auch auf
dem deutschen Markt Fuß fassen will.
Das Institut wurde 1980 gegründet und
ist außer in den Niederlanden auch in
Belgien, Großbritannien und Spanien
präsent. Im Bereich der Kreditfinanzierung hat die Triodos Bank bereits ein
deutsches Portfolio von 50 Mio. Euro,
weil die Holländer schon seit 2005 über
eine Repräsentanz in der Bundesrepublik aktiv sind. In Deutschland soll die
Produktpalette nun um ein Girokonto
und einen Investmentfonds erweitert
werden. Auch Zahlungsverkehrsprodukte für Geschäftskunden sind geplant. Bis Ende 2011 soll das Angebot
so weit ausgebaut werden, dass das
Institut die Rolle einer Hausbank spielen kann.
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12
MÄRZ 2010
FINANZEN & BÖRSE
WirtschaftsKurier
Suche nach neuen Quellen
Mittelstandsfinanzierung | Die Krise bringt interessante Möglichkeiten hervor
Unternehmen in der Öffentlichkeit be- Unternehmen durchaus zukunftsfähig
kannt macht“, ergänzt Kurzhals. Er sein. Das Modell hat auch für Trumpf
verweist zudem auf die hohen Trans- Vorteile: „Umsatzrückgänge konnten
aktionskosten, die von Experten auf damit etwas aufgefangen werden“, er8 % bis 10 % des Emissionsvolumens klärt Dörr.
Vor dem Hintergrund wachsender
geschätzt werden, zuzüglich der Zinszahlungen. Des Weiteren müssen auch Finanzierungsprobleme zeigen sich
unternehmensintern entsprechende die bisher eher zugeknöpften MittelStrukturen geschaffen werden, um ka- ständler auch offener gegenüber Beteiligungen, stellt der Bundesverband
pitalmarktfähig zu werden.
Wenn es eher um eine kurzfristige Deutscher KapitalbeteiligungsgesellAnschubfinanzierung gehe, seien An- schaften fest. „Die Nachfrage nach
leihen nicht die erste Wahl. Hier emp- Minderheitsbeteiligungen, um nun
fehle sich etwa der Verkauf von For- entstehende Finanzierungsprobleme
derungen (Factoring), meint dazu Mi- zu lösen, ist hoch“, sagt Dörte Höppchael Euchner von der Beratungs- ner, Geschäftsführerin des Verbands.
Die Beratungsgesellgesellschaft Ebner Stolz
schaft Intes, die sich
Mönning Bachem in
Im Vergleich
auf FamilienunternehStuttgart. Das Thema
zu den Banken
men spezialisiert hat,
Leasing sollten Untervermittelt Beteiligungsnehmen ebenfalls in
sind „wir
kapital von UnternehBetracht ziehen, wenn
näher dran
men zu Unternehmen.
es bei der kurzfristigen
an unseren
Die Modelle werden
Liquidität klemmt, so
Kunden“.
dabei individuell zugeEuchner.
Hans-Joachim Dörr,
schnitten: „Nach einer
Der Ditzinger MaTrumpf Leasing + Service
ausführlichen Analyse
schinenbauer Trumpf
der
unternehmerietwa hat selbst keine
Finanzierungsprobleme, springt aber schen, familiären und finanziellen Simit einer eigenen Leasinggesellschaft tuation mit dem Unternehmer, entwiein, wenn Kunden das notwendige ckeln wir die jeweils optimale Lösung“,
Kleingeld für den Erwerb einer Ma- erläutert Intes-Partner Achenbach.
Kapitalbeteiligungen können als soschine fehlt. Dabei gehe Trumpf mit
Augenmaß vor, betont Hans-Joachim genanntes Mezzanine-Kapital behanDörr, Geschäftsführer der Trumpf Lea- delt werden. Mezzanine-Kapital wird
sing + Service: „Wir verkaufen keine wie Eigenkapital gewertet und verbesMaschine auf Teufel komm raus.“ Lea- sert so das Rating des Unternehmens.
sing sei kein Mittel, um Firmen mit Solche Investments bieten unter andeschwacher Bonität zu finanzieren, be- rem die staatlich geförderten Beteilitont er, doch im Vergleich zu den Ban- gungsgesellschaften an, wie die BayBG
ken sei Trumpf einfach „näher dran“ Bayerische Beteiligungsgesellschaft
an seinen Kunden: „Wir können die oder die Mittelständische BeteiligungsPerspektive eines Unternehmens häu- gesellschaft in Baden-Württemberg
fig besser einschätzen“, so der Experte. oder in Sachsen, die bereits 1996 bei
Denn auch wenn eine Branche gerade der Firma Bell Flavors & Fragrance
schlecht laufe, könne das einzelne Duft und Aroma GmbH eingestiegen
ist und in den vergangenen zwei JahSolide Zahlen und ein guter Name ren den Ausbau des Unternehmens
sind Voraussetzung für eine erfolg- begleitet hat.
Experte Kurzhals empfiehlt Unterreiche Unternehmensanleihe. Bereits im Jahr 2006 hat der Kabelher- nehmen, in der momentanen Lage
steller Leoni (Fotos aus der Produkt- auch die staatlichen KfW-Programme
palette) auf diese Weise 200 Mio. und Bürgschaften zu nutzen. LängerEuro eingesammelt. Unbekanntere fristig rät er zu einem Mix aus FremdUnternehmen brauchen Berater und und Eigenkapital, um die Finanzierung
gegen Krisen abzusichern.
eine gute PR.
Fotos: Leoni
jährlichen Zinssatz von 7 % fand reißenden Absatz, innerhalb von vier Woährend sich die Experten chen war das Geld eingesammelt. Trotz
noch darüber streiten, ob einer sehr soliden Eigenkapitalquote
von einer „Kreditklemme“ von 43,9 % und einem deutlich gestietatsächlich die Rede sein kann, fühlen genen Ergebnis war die Finanzierung
sich viele Mittelständler „im Würge- einer geplanten Investition nur über
griff der Banken“ – so beklagt die Bun- Kredite nicht möglich. „Eine unserer
desvereinigung Liberaler Mittelstand. Hausbanken war einfach nicht dazu in
Das ifo-Institut ermittelte gar über der Lage, uns eine langfristige Finan40 % der mittelständischen Unterneh- zierung zuzusichern, also Kredite von
men, die den Banken eine „restriktive“ fünf Jahren und länger. Kurzfristige
Kreditvergabe bescheinigen. Dabei Kredite waren kein Problem“, erläutert
steht der Engpass erst bevor, meint der Klett-Vorstand. Deshalb habe man
etwa Markus Kurzhals, Wirtschafts- sich entschlossen, zur Finanzierung
prüfer und Partner bei der RölfsPart- von Wachstum ein zweites Standbein
ner-Gruppe in Düsseldorf: „Die große zu etablieren. Klett hat die Anleger
Finanzierungskrise kommt erst noch.“ per Zeitungsanzeige angesprochen
Der Grund: Viele Unternehmen haben und auf einen Emittenten verzichtet.
in der Krise ihre liquiden Mittel aufge- Mit Bordmitteln hat es der Verlag gezehrt. Wenn die Konjunktur wieder schafft, die Anleihe selbstständig ausanzieht, brauchen sie Geld, um Mate- zugeben. Dadurch konnte Klett die
rial einzukaufen und aufgeschobene Kosten gering halten. Zimmermann
Investitionen nachzuholen. „Die Vor- beziffert diese auf 1,8 % des Volumens,
finanzierung kann zum Problem wer- wobei der Löwenanteil auf die Depotkosten entfällt.
den“, meint Kurzhals deshalb.
Der Erfolg der Klett-Anleihe stieß
Weil die Banken hohe Sicherheiten
fordern, ist es fraglich, ob die steigende bei anderen Unternehmen auf großes
Nachfrage allein über den klassischen Interesse. „Die Anleihe ist kein AllheilBankkredit finanziert werden kann. mittel, aber eine strategische Alternative“, so relativiert ZimMittelständler sehen
mermann. Solide Zahsich deshalb immer
„Eine Anleihe
len und ein guter Name
häufiger auch nach alist kein
seien die Voraussetternativen Geldquellen
Allheilmittel,
zungen für eine erfolgum. „Immer mehr Fareiche Emission. „Anmilienunternehmen beaber eine
leihen kommen wieder
fassen sich aktiv mit der
strategische
in Mode“, sagt dazu
Suche und Auswahl geAlternative.“
Transaktions- und Fieigneter FinanzierungsArthur Zimmermann,
nanzierungsexperte
partner“, so beobachtet
Ernst Klett AG
Kurzhals. Sie sind aus
Christoph Achenbach,
seiner Sicht durchaus
Partner der Beratungsgesellschaft Intes in Bonn. Flexibilität ein geeignetes Finanzierungsmittel für
sei dabei das entscheidende Kriterium. den Mittelstand. Allerdings seien sie
Daraus folge, dass die Finanzierung nur für größere Mittelständler mit guter Reputation geeignet. Ein Beispiel
auf eine breitere Basis gestellt wird.
Das war für die Stuttgarter Ernst dafür ist neben Klett auch der NürnKlett AG die Motivation, bereits vor berger Kabelhersteller Leoni, der schon
fünf Jahren eine erste Anleihe zu bege- im Jahr 2006 eine Anleihe über 200
ben. Die guten Erfahrungen damit ha- Mio. Euro mit sieben Jahren Laufzeit
ben Klett-Finanzvorstand Arthur Zim- begeben hat.
Wenn aber keine bekannten Namen
mermann dazu ermuntert, im vergangenen Sommer das „Bildungswertpa- wie Klett oder Leoni hinter dem Papier
pier II“ aufzulegen, eine Anleihe über stünden, brauche das Unternehmen
50 Mio. Euro. Das Papier mit einer Berater und eine gute PR: „Man muss
Laufzeit von fünf Jahren und einem sich vorher überlegen, wie man das
VON SIGRID STOSS
W
Eine Familienangelegenheit
Deutsche Vermögensberatung | Interview mit Andreas und Reinfried Pohl jr., Mitglieder der Geschäftsleitung
D
ie wichtigsten Fragen zur Unternehmenensentwicklung
sind von jeher Familiensache.
Mit geliehenem Geld startete Prof.
Dr. Reinfried Pohl im Jahr 1975 den
Aufbau der Deutschen Vermögensberatung. Heute hat der Finanzvertrieb
37 000 Berater, die 5,2 Mio. Kunden
betreuen. Mittlerweile bereitet die Gesellschaft den Generationswechsel vor.
Die potenziellen Nachfolger halten an
dem Geschäftsmodell der DVAG fest.
„Wir stehen gemeinsam mit unserem
Vater auf der Kommandobrücke und
stimmen uns eng mit ihm ab“, sagte
Reinfried Pohl jr. „Wir sind mit Herzblut dabei und spüren als Eigentümerfamilie jeden Pulsschlag im Unternehmen persönlich.“ Der WirtschaftsKurier sprach mit den Söhnen Andreas
und Reinfried Pohl jr., Mitglieder der Geschäftsleitung der Deutschen Vermögensberatung Holding, die bereits seit
über 25 Jahren dem
Unternehmen angehören.
WirtschaftsKurier: Die Finanzkrise
hat viele Anleger sehr viel Geld gekostet – entsprechend groß ist immer noch die Skepsis. Dennoch
konnte die Deutsche Vermögensberatung die Zahl der Neukunden
in den ersten acht Monaten des
Geschäftsjahres 2009 um rund
212 000 oder 11,3 % steigern. Was
waren die Gründe?
Andreas Pohl: Unsere Vermögensberatung basiert auf dem von unserem
Vater Prof. Dr. Reinfried Pohl entwickelten Allfinanzkonzept. Danach
beraten unsere Vermögensberater
ihre Kunden nachhaltig, branchenübergreifend und unter ganzheitlichen Gesichtspunkten. Sie vermitteln grundsätzlich nur staatlich beaufsichtigte Finanzprodukte und
verzichten auf jegliches Angebot
von hochspekulativen Anlagekonstruktionen. Zudem haben
wir frühzeitig auf Garantiefonds gesetzt, die unseren
Investmentfonds-Sparern
auf jeden Fall die Rückzahlung des eingesetzten Kapitals zum Ende des Anlagezeitraums gewährleisten. Das
wissen unsere Kunden zu schätzen!
Reinfried Pohl: Unsere Vermögensberater sind keine Produktverkäufer, die Saisonware
vertreiben und
auf den kurzfristigen ProReinfried Pohl
fit
aus
sind. Vielmehr wollen sie ihre Kunden lebenslang begleiten und sie
dabei umfassend und vorausschauend rund um die Themen „Vermögen planen – Vermögen sichern –
Vermögen mehren“ betreuen, und
dies auch außerhalb der üblichen
Öffnungszeiten von Bankfilialen.
Unsere Vermögensberater besuchen
Kunden auf Wunsch zu Hause, bei
Bedarf auch abends und am Wochenende. Davon machen immer
mehr Menschen Gebrauch, gerade
auch jene, die in Zeiten der Krise
von ihrer Sparkasse oder Bank enttäuscht wurden.
WiKu: Wie schätzen Sie die Entwicklung ein, auf die wir uns dieses Jahr
einstellen müssen?
Andreas Pohl: Auch 2010 wird für die
Menschen ein anspruchsvolles
Jahr. Zwar ist davon auszugehen,
dass die Wirtschaft wieder wächst,
und Deutschland ist für einen Aufschwung gut aufgestellt. Allerdings
wird immer deutlicher, dass der Sozialstaat an seine Grenzen gekommen ist. Es gilt, dass die Menschen
mehr Eigeninitiative ergreifen,
mehr privat vorsorgen und sich
nicht allein auf den Staat verlassen.
Reinfried Pohl: Es ist wichtig, die
Menschen davon zu überzeugen,
dass trotz oder gerade wegen der
gegenwärtigen Unsicherheiten an
den Märkten eine langfristig orientierte Anlageplanung dringend erforderlich ist. Das ist bedeutsam
für den Einzelnen, aber auch ratsam, um künftig Altersarmut und
eine damit verbundene Überbeanspruchung des Staates zu vermeiden. Die gegenwärtig betriebene
Ausweitung des Verbraucherschutzes bei Finanzdienstleistungen
wirkt da in meinen Augen übrigens
nicht immer zielführend. Mehr
Transparenz ist gut, wenn sie dem
Anleger auch wirklich mehr Klarheit verschafft und ihn nicht verwirrt. Ein Übermaß an Regulierung
ist aber schädlich, denn sie führt
womöglich dazu, dass der Bürger
am Ende vor seiner eigenen Altersvorsorge „geschützt“ wird, statt sie
aktiv zu betreiben.
WiKu: Wie stehen Sie zu Forderungen,
bei der Vergütung der Beratung von
Provisionen zu Honoraren umzusteigen?
Andreas Pohl: Allfinanzprodukte sind
keine Modeartikel. Man kann sie
auch nicht schmecken, fühlen oder
riechen. Sie werden daher nicht gekauft, sondern müssen verkauft werden. Kaum ein Kunde kommt zu uns
und sagt von sich aus: „Ich möchte
aber unbedingt eure Riester-Rente
haben.“ Vielmehr basiert eine derartige Kaufentscheidung auf einer umfassenden Beratungsleistung, die
viel Engagement und Zeit erfordert.
Ich glaube nicht, dass die Mehrzahl
der Kunden bereit ist, diesen Beratungsaufwand angemessen auf Honorarbasis zu entlohnen, insbesondere dann nicht, wenn das Ergebnis
der Beratung sein sollte, dass kein
Finanzprodukt erworben wird.
Reinfried Pohl: Es ist ein Trugschluss
zu glauben, dass eine Honorarberatung generell die bessere Beratung und volkswirtschaftlich sinnvoll sei. Das mag vielleicht bei besonders hohen Vermögen der Fall
sein. Breite Bevölkerungskreise
fahren jedoch sicher mit dem bisherigen System besser. Und viele
würden sich erst gar nicht beraten
lassen – mit möglicherweise fatalen
Folgen. Und was die Zukunftsfähigkeit der Altersvorsorge anbetrifft:
Mit einem System der Honorarberatung wären in Deutschland beispielsweise niemals über 13 Mio.
Andreas Pohl
Riester-Renten vermittelt worden.
Ohne diese Leistung stünden heute
zahlreiche Bürgerinnen und Bürger
ohne Zusatzvorsorge da, und früher oder später hätte der Staat mit
einer weit verbreiteten Altersarmut
im Land zu kämpfen.
WiKu: Die Deutsche Vermögensberatung hat vor wenigen Monaten
einen Blog gestartet. Was waren die
Gründe und welche Erfahrungen
haben Sie damit gemacht?
Andreas Pohl: Wir beobachten, dass
immer mehr Menschen in den Neuen Medien aktiv sind. Dabei erfreuen sich Unternehmensblogs immer
größerer Beliebtheit. Wir wollen
über den persönlichen Kontakt zu
unseren weit über 5 Mio. zufriedenen Kunden hinaus nah an den
Menschen sein, die sich für uns interessieren, auch wenn darunter
mal der eine oder andere Kritiker
sein mag.
Reinfried Pohl: Mittlerweile gibt es
über 180 Blogbeiträge von uns. Und
dazu über 660 Kommentare von
anderen. Bei der Internet-Suchmaschine Google wird der DVAG-Unternehmensblog mittlerweile weit
oben gelistet. Zudem sind wir auch
auf den interaktiven Portalen Facebook und Twitter aktiv. Trotzdem
gilt auch weiterhin: „Menschen
brauchen Menschen“, und das persönliche Gespräch mit einem Vermögensberater ist bei der privaten
Finanz- und Vorsorgeplanung durch
nichts zu ersetzen.
MÄRZ 2010
13
FINANZEN & BÖRSE
WirtschaftsKurier
Dame ohne Unterleib
Sparkassenverband Baden-Württemberg (SVBW) | Privatisierung der LBBW würde das Geschäftsmodell gefährden
spräch brachte die FDP-Vorsitzende
eine „Einbindung der staatlichen Förderbank des Landes, der L-Bank, in
die Neuordnung“. Birgit Homburger:
„Das Mittelstandsgeschäft der LBBW
könnte ausgegliedert und mit den
Förderaktivitäten der L-Bank fusioniert werden.“ Dass die L-Bank 1999
gegründet wurde, um die bis dahin
in der damaligen Landeskreditbank
Baden-Württemberg gemeinsam mit
Marktgeschäften betriebene staatliche Fördertätigkeit wettbewerbsneutral zu entflechten, scheint die Liberale in ihrem Reformeifer nicht zu
irritieren.
VON KLAUS G. WERTEL
D
er Einstieg eines privaten
Investors bei der der Landesbank Baden-Württemberg
(LBBW) würde zahlreiche Probleme
aufwerfen. Auch würde das Geschäftsmodell der LBBW zumindest in Teilen
infrage gestellt. Die baden-württembergischen Sparkassen hatten denn
auch mit dem Ausstieg gedroht. „Eine
Privatisierung der LBBW beendet zeitgleich die Trägerschaft der Sparkassen“, sagte Peter Schneider, Präsident
des Sparkassenverbands Baden-Württemberg (SVBW) und Vorsitzender des
LBBW-Verwaltungsrats. Hintergrund
dieser unzweideutigen Ansage sind
Er wägungen der baden-württembergischen CDU/FDP-Koalition, den
LBBW-Landesanteil von insgesamt
40,5 % mittelfristig ganz oder teilweise
an private Investoren zu verkaufen.
„Wenn wir morgen bei der LBBW
mit einem renditeorientierten Investor an einem Tisch säßen, würden wir
einander nicht verstehen“, begründete Schneider die schroffe Absage. Die
Renditeziele privater Investoren seien
„unvereinbar mit dem öffentlichen
Auftrag der Landesbank und der Gemeinwohlorientierung“ der Sparkassen. Dass die baden-württembergischen Sparkassen ihr Vorkaufsrecht
ziehen könnten, schloss der Sparkassenpräsident aus: „Mein Bedarf an
Husarenritten ist gedeckt.“ Damit
meinte Schneider die erst vor Jahresfrist durchgeführte LBBW-Kapitalerhöhung um insgesamt 5 Mrd. Euro, zu
der die Sparkassen 1,8 Mrd. Euro zusteuern mussten. Im Zusammenhang
mit dieser Stützungsaktion mussten
die Sparkassen außerdem 175 Mio.
Euro für die Übernahme der 4,9%igen
LBBW-Anteile der rheinland-pfälzischen Sparkassen aufbringen.
Der gesunde
Kern ist gefährdet
Zu den Fragen, die bislang weder
Befürworter noch Kritiker einer (Teil-)
Privatisierung der LBBW beantworten können, gehört auch diese: Was
wird aus der Sparkassenfunktion der
LBBW-Tochter Baden-Württemberg-
240 Fahnder für
52 Wertpapiergeschäfte
Sparkassenpräsident Heinrich Haasis lehnt private Investoren ab.
Die baden-württembergischen Sparkassen wollen ihr Vorkaufsrecht bei der
LBBW nicht ziehen.
Foto: LBBW
Will keine weiteren Husarenritte: Peter Schneider, Präsident des SVBW.
ische Bank? Die BW-Bank – eine in
zahlreichen Fusionsschritten in Jahrzehnten entstandene Universalbank –
bildet mit ihren rund 1,2 Mio. Privatund Unternehmenskunden zu einem
erheblichen Teil den gesunden Kern
des Geschäftsmodells der LBBW. Die
Mehrheit ihrer Geschäftsbeziehungen
generiert die BW-Bank in ihrer Funktion als Sparkasse der Landeshauptstadt Stuttgart. Als Anhängsel einer
privatisierten LBBW verlöre die BWBank diesen Status.
Eine Herauslösung der Sparkassenaufgaben und -kundschaft aus der
BW-Bank bedeutete nicht nur eine organisatorisch kaum lösbare Aufgabe –
sie würde auch der BW-Bank und deren Mutter LBBW einen erheblichen
Anteil ihrer realen Bankgeschäfte entziehen. Die LBBW wäre dann – einem
Teil ihrer Not leidenden SchwesterLandesbanken nicht unähnlich – eine
kreditwirtschaftliche „Dame ohne Unterleib“. Eine aus einer derartigen Notoperation hervorgehende neue Stuttgarter Sparkasse wäre vermutlich auf
Jahre hinaus überwiegend mit sich
selbst beschäftigt.
Auch eine zweite Stütze des LBBWGeschäftsmodells wäre im Fall einer
Privatisierung gefährdet: die Zentralbankfunktion für die Sparkassen in
Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz
und Sachsen. Der Präsident des deutschen Sparkassen- und Giroverbands
(DSGV), Heinrich Haasis, hat in diesem Zusammenhang mehrfach betont, dass sich „private Miteigentümer von Landesbanken, die womöglich noch unsere Wettbewerber sind,
und eine Wahrnehmung zentraler
Dienstleistungsfunktionen für die
Sparkassen gegenseitig ausschließen“. Haasis, unmittelbarer Amtsvorgänger von Peter Schneider an der
Spitze des baden-württembergischen
Sparkassenverbands, wirbt seit Jahren
für eine Bündelung der deutschen
Landesbanken. Dabei hält er „eine
oder zwei“ Landesbanken für ausreichend, die Zentralbankenaufgaben
für alle deutschen Sparkassen – etwa
im Großkundengeschäft oder bei der
Kundenbetreuung im Ausland – zu erfüllen.
Verluste beschert hat. Der Buchwert
der von der LBBW jenseits des realen
Kundengeschäfts gehaltenen Papiere
verschiedenster Risikostufen betrug
Ende 2008 rund 93 Mrd. Euro. Innerhalb von drei Jahren – also bis Ende
2011 – soll der Umfang dieser Geschäfte halbiert und auch in den Folgejahren „weiter abgeschmolzen werden“.
2009 wurden 12,7 Mrd. Euro dieser
Risikopapiere in einen vom Land Baden-Württemberg garantierten Fonds
übertragen. Voraussichtlich wird sich
die LBBW auch von einer ganzen Reihe ihrer Beteiligungen trennen: Verkauft werden soll beispielsweise der
15 %-Anteil an der Sparkassen-Fondsgesellschaft DekaBank. Als Interessenten gelten deutsche Sparkassen. 2009
hat die LBBW nach zuverlässigen
Informationen Verluste in Höhe von
1,6 bis 1,8 Mrd. Euro eingefahren.
2008 betrug der Verlust 2,1 Mrd. Euro.
Im Gegensatz zum sichtlich um eine
Beruhigung des Sparkassenlagers bemühten Ministerpräsidenten Mappus
verschärfte die FDP-Landesvorsitzende Birgit Homburger den Tonfall der
Diskussion. Es sei „nicht Aufgabe des
Landes, eine Bank zu betreiben“, bekräftigte Homburger. Neu ins Ge-
FDP will eine größere Neuordnung
Dass die LBBW auch in weiteren Regionen Deutschlands die Aufgabe der
Sparkassen-Zentralbank übernehmen
könnte, war und ist bislang ein Eck-
pfeiler der internen Überlegungen
des Sparkassenlagers zur Flurbereinigung der Landesbanken-Landschaft.
Die baden-württembergischen Koalitionspartner CDU und FDP reagierten unterschiedlich auf die Warnungen aus dem Sparkassenlager. Der
neue baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU)
sprach von „mittelfristigen Überlegungen“ zu einer möglichen Öffnung
des Anteilseignerkreises der Landesbank Baden-Württemberg. Zunächst
solle die LBBW – wie unter den Trägern vereinbart und von der EU-Kommission akzeptiert – konsolidiert werden. Ursprünglich hatte Mappus die
Diskussionen um eine mögliche Privatisierung der LBBW in seiner bisherigen Funktion als Vorsitzendem
der baden-württembergischen CDULandtagsfraktion mit losgetreten. Jetzt
sieht Mappus erst „in einigen Jahren,
nach einem erfolgreichen Abschluss
der Sanierung der LBBW“, die Möglichkeit, überhaupt an einen auch für
das Land rentierlichen Abverkauf der
LBBW-Anteile zu denken.
Kern dieses Konsolidierungs-Konzepts ist der Abbau des „Kreditersatzgeschäfts“, das der LBBW erhebliche
Zu der von der Staatsanwaltschaft
Stuttgart am 7. Dezember 2009 bei
der LBBW vorgenommenen Durchsuchung wegen des Verdachts der
Untreue im Zusammenhang mit Finanzmarktgeschäften äußerte Sparkassenpräsident Schneider Zweifel an
der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes: Ziel der Ermittlungen seien 52
„allesamt gut dokumentierte“ Wertpapierkäufe gewesen, „für die man
keine 240 Ermittler gebraucht hätte“.
Schneider bestätigte, dass die Fahnder – ohne entsprechenden Durchsuchungsbeschluss – auch die Räumlichkeiten des im LBBW-Gebäude
untergebrachten Sparkassenverbands
durchsucht hatten.
Der Sparkassenpräsident warf der
Staatsanwaltschaft vor, „billigend in
Kauf genommen zu haben, der
LBBW Schaden zuzufügen“. In unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Durchsuchungsaktion
hätten „Kunden in erheblichem Umfang Einlagen von der Bank abgezogen“. Diese Abflüsse seien „genau
dokumentiert“ worden. „Gegebenenfalls stellt sich die Schadenersatzfrage“, stellte Schneider fest. Mit der
Entscheidung über mögliche Schadenersatzforderungen werden sich
die Gremien der LBBW aber noch gedulden müssen: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat eine Vorlage der
Ermittlungsergebnisse für Ende 2010
in Aussicht gestellt.
Zusammen durch dick und dünn
Rückkehr in neuer Form
Deutsche Bank München | Mehr Beratungen als je zuvor
SEB | Der Verbriefungsmarkt ist wichtig für die Volkswirtschaft
E
ines wurde beim Pressegespräch mit den Mitgliedern der
Geschäftsleitung der Deutschen
Bank München deutlich: Der Beratungsbedarf 2009 war enorm. Dabei
standen drei Themen besonders im
Fokus, wie Martin Huber, Leiter Privat- und Geschäftskunden der Region
München/Bayern-Süd, berichtete:
„Transparenz, Sicherheit und Stabilität.“ Auch die Firmenkundschaft des
Instituts war auf tief gehende Informationen angewiesen wie noch nie:
„Liquiditätsmanagement und Finanzierungssicherheit waren die Kernthemen“, schilderte der Leiter des Firmenkundengeschäfts, Dr. Robin Bartels. Stephan Jugenheimer, Leiter des
Private Wealth Managements, sieht in
der hohen Beratungsqualität des Hauses einen entscheidenden Grund, warum auch im vergangenen Jahr wieder
hohe Kunden- und Mittelzuflüsse erreicht werden konnten.
Die Krise habe auch gezeigt, so Huber, dass die Kunden in Beratungen
mehr nachfragen und mit einem höheren Wissensstand zu ihrem Banker
kommen, als dies früher der Fall war:
Hält ein Produkt, was es verspricht,
und welche Chancen und Risiken bietet es? Auf das gestiegene Informationsbedürfnis hat die Deutsche Bank
Anfang des Jahres mit einem neuen
Produktinformationsblatt reagiert.
Zwei Trends kann Huber ganz klar
ausmachen: Zum einen sei die Hälfte
der Anleger heute bereit, Anlageentscheidungen an ein professionelles
Vermögensmanagement zu delegieren. Zum anderen wird zunehmend in
Sachwerte investiert: „Bei Baufinanzierungen haben wir aufgrund der niedrigen Zinsen einen Boom erlebt.“
Die Deutsche Bank München am
Promenadeplatz.
Foto: DB
Sein Kollege Bartels berichtete von
einer gestiegenen Kreditvergabe an den
Mittelstand im vergangenen Jahr. Das
Institut halte außerdem noch knapp
9 Mrd. Euro an offenen Kreditlinien
vor. Er betonte mit Nachdruck: „Eine
Kreditklemme gibt es bei uns nicht.“
Nicht nur in der Heimatregion ist die
Deutsche Bank Partner des Mittelstands. Sie verfügt über ein gut ausgebautes weltweites Netzwerk – „ein
Alleinstellungsmerkmal“, wie Bartels
betonte – und steht Unternehmen aus
Deutschland auch im Ausland mit Krediten zur Seite. Die Erträge im Kreditgeschäft mit deutschen Firmen wuch-
sen beispielsweise in den BRIC-Staaten im vergangenen Jahr um 65 %.
Wenn ein Projekt mal etwas aufwendiger wird, stehen den mittelständischen Unternehmen vier Branchenteams – Automotive, Telecom/Media,
LifeScience und GreenTech – zur Seite,
in denen Experten aus den jeweiligen
Gebieten arbeiten. Dies ermögliche der
Deutschen Bank, so Bartels, „den Mittelstand auf Augenhöhe zu beraten“.
Im Private Wealth Management
blickte Jugenheimer ebenfalls auf ein
erfolgreiches Jahr zurück: Sein Team
konnte viele Neukunden gewinnen.
Der Abstand zum Wettbewerber habe
sich vergrößert und die Marktposition
konnte weiter verbessert werden.
Auch in der Vermögensverwaltung
war die ausgeprägte Risikoaversion der
Kunden zu spüren, berichtete Jugenheimer: 2009 wurden so viele Bundesanleihen nachgefragt wie in den Jahren 2003 bis 2008 nicht. Stark verunsichert seien die Kunden wegen der
hohen Staatsverschuldung. Probleme
wie in Griechenland könnten nach
Meinung des Kapitalmarkt-Experten
auch in anderen Ländern auftreten.
Viele Anleger betrachten die Märkte
immer noch mit großer Vorsicht. Rohstoffe werden 2010 ein wichtiges Thema sein. Hier erwartet Jugenheimer
eine große weltweite Nachfrage – allerdings „weg vom Westen hin zum Osten“. Besonders Asien und Brasilien
sieht er hier in der Vorreiterrolle. Der
Fokus bei Aktien wird zu 15 % bis 20 %
in den Emerging Markets liegen. cm
VON FRANK LAUFENBURG*
D
er Motor des viel gescholtenen Verbriefungsmarkts muss
wieder anspringen, damit die
Finanzmärkte zu ihrem Alltag zurückkehren können. Die Marktberuhigung
im vergangenen Jahr kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Märkte weit davon entfernt sind, „normal“
zu funktionieren. Der Verbriefungsmarkt ist in der Diskussion um die
Ursachen der Finanzkrise zu Unrecht
verteufelt worden – auch wenn er zu
Recht im Zentrum der Debatten steht.
Denn Kreditverbriefungen erfüllen
eine wichtige Funktion bei der Risikosteuerung, allerdings nicht als Spielball der Finanzjongleure!
Es ist nämlich nicht der gierige
Spekulant, der den Verbriefungsmarkt
braucht, sondern die Sparkasse von nebenan. Oftmals sind es lokale oder spezialisierte Kreditinstitute, die auf die
Möglichkeiten der Verbriefungen angewiesen sind und sie auch nutzen.
Klumpenrisiken wie etwa ein Kreditportfolio voller Autozulieferer oder Metall verarbeitender Betriebe kann eine
Bank über Verbriefungen zum Teil weiterverkaufen. Im Gegenzug werden
Kredite, etwa aus dem Bereich Handel
und Dienstleistungen, eingekauft und
so die Risikostreuung optimiert.
Das System war volkswirtschaftlich
solange sinnvoll, wie die Kreditvergabe
selbst im Zentrum der zugrunde liegenden Assets stand und Verbriefungen nur eine zusätzliche Rolle über-
nahmen. Problematisch wurde es, als
die Deals sich vom Grundgedanken
des Risikotransfers entfernten und Risiken immer häufiger ausschließlich
akquiriert wurden, um sie möglichst
schnell weiterzuverkaufen. Die zugrunde liegenden Assets waren teilweise Kredite, die nie hätten vergeben
werden dürfen – schließlich waren die
Konstruktionen zu intransparent, um
die Werthaltigkeit überhaupt prüfen
zu können.
Zu allem Übel hatten Ratingagenturen die strukturierten Papiere zu
positiv bewertet. Collateralized Debt
Obligations (CDO) boten oft 2 % bis
3 % mehr Rendite als Unternehmensanleihen mit demselben Rating. Die
kurzfristigen Refinanzierungen vieler
Zweckgesellschaften für langlaufende
Underlyings haben funktioniert, solange das Vertrauen in den Markt für
genügend Liquidität sorgte. Am Ende
stand der Kollaps eines mit Leverage
ungesund aufgeblähten Markts, der
sich nach wie vor nicht erholt hat.
Dennoch: Der Verbriefungsmarkt
muss zurückkehren, aber in neuer
Form. Schließlich braucht die Finanzwirtschaft einen funktionierenden
Markt für den Risikotransfer von Krediten. Damit ein liquider Handel in
Gang kommt, muss das Vertrauen der
Investoren wiederhergestellt sein.
Während der Markt unter den derzeitigen Vorbehalten leidet, sind jedoch
auch die größten Schnäppchen zu machen. Autokreditverbriefungen, etwa
von Leasingunternehmen großer Au-
tohäuser, wären für Rentenfonds eine
wichtige Diversifikationsmöglichkeit
des Portfolios und würden Alternativen bieten, die am Rentenmarkt aktuell schwer zu überbieten sind. Angesichts historisch niedriger Zinsen und
mittlerweile stark geschrumpfter Risikoaufschläge bei Unternehmensanleihen ist auch der Anreiz groß, erste Beimischungen zu wagen. Allerdings werden sich diese Aktiva wohl zunächst
nur für professionelle Anleger, also
institutionelle Renteportfolios, nutzen
lassen.
Um Investoren zu überzeugen und
das Vertrauen in den Verbriefungsmarkt nachhaltig zurückzugewinnen,
werden die Emittenten künftig einen
Teil der verbrieften Aktiva auf den eigenen Büchern halten – und zwar gerade die Papiere mit den höheren Ausfallwahrscheinlichkeiten.
Richtungsweisend hat BMW mit
einer ABS-Anleihe verbriefter Leasingforderungen Ende Januar 2010 den
Markt erfolgreich getestet. Den
schlechteren Teil der Tranche auf den
eigenen Büchern zu behalten und
gleichzeitig Transparenz der Emission
zu schaffen, führen in die richtige
Richtung. Schließlich ist so ein Gleichklang der Interessen von Emittent und
Käufer der Verbriefung sichergestellt.
Die Branche kehrt zu den guten Sitten
zurück.
*Frank Laufenburg ist Head of
Core Euro Fixed Income
der SEB Asset Management
14
MITTELSTAND
MÄRZ 2010
FINANZEN & BÖRSE
WirtschaftsKurier
Das Doping muss langsam abgesetzt werden
Interview | Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des DIHK, warnt vor einer zu raschen Verschärfung der Eigenkapitalregeln für die Banken
M
artin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen
Industrie- und Handelskammertags (DIHK), erlebt tagtäglich, dass
Unternehmen wegen der Kreditklemme nicht genügend Liquidität haben.
Dennoch sieht er keine generelle Unterversorgung. Allerdings kritisiert er
die Ratingverfahren, die die Banken
zur Beurteilung der Firmen anwenden. Mit Wansleben sprach WiKu-Mitarbeiter Dieter W. Heumann.
WirtschaftsKurier: Herr Dr. Wansleben, was spricht für eine Kreditklemme in der Bundesrepublik?
Martin Wansleben: Es gibt derzeit in
Deutschland keine flächendeckende Kreditklemme, aber zahlreiche
Unternehmen, die Probleme haben,
von den Banken Kredite zu bekommen – Tendenz steigend. Der
Hauptgrund: Unternehmen befinden sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation, die Zahlungseingänge der Kunden lassen oft
auf sich warten, während die Kosten
weiterlaufen. Und immer mehr Unternehmen haben Schwierigkeiten,
Aufträge vorzufinanzieren. Das bereitet uns große Sorge mit Blick auf
die sich abzeichnende wirtschaftliche Erholung. Denn wenn es nicht
gelingt, diese Liquiditätslücke mit
Bankkrediten zu überbrücken, ist der
so dringend ersehnte wirtschaftliche
Aufschwung in Gefahr.
WiKu: Da die Unternehmen teils mit
erheblichen Schwierigkeiten kämpfen, schlägt sich dies auch in ihrer
Bonität nieder. Ist es da nicht geradezu notwendig, dass die Banken
strengere Maßstäbe anlegen?
Wansleben: Selbstverständlich hat
sich die Bonität bei vielen Unternehmen verschlechtert. Die Folge:
Banken fordern höhere Kreditsicherheiten. Aber auch an den Sicherheiten ist die Krise nicht spurlos vorbeigegangen. Die Werte von
Das Doping der Märkte mit billigem Geld darf nicht zu schnell zurückgefahren werden, meint DIHK-Geschäftsführer M. Wansleben.
Maschinen, Gebäuden oder sonstigen Anlagen sind konjunkturabhängig. Sie haben in der Krise deshalb
an Wert verloren. Es gibt also eine
Art Scherenentwicklung: Einerseits
fordern die Banken höhere Sicherheiten, andererseits sind diese krisenbedingt dahingeschmolzen.
WiKu: Aber solche Probleme hat es immer schon gegeben, schließlich haben wir bereits viele konjunkturelle
Abschwünge und auch Rezessionen
in der Bundesrepublik erlebt.
Wansleben: Richtig, aber noch nie
wurden die Finanzmärkte in diesem
Ausmaß und weltweit gleichermaßen heimgesucht. Und deshalb
kommen wir heute mit den Vorgehensweisen von gestern nicht weiter. Jetzt darf nicht gebremst werden; denn wenn es nicht gelingt, die
Chance zu ergreifen und den sich
andeutenden Aufschwung zu beflügeln, dann besteht die Gefahr, dass
wir in die Rezession zurückfallen –
mit allen negativen Konsequenzen
für den Arbeitsmarkt, die Binnenkonjunktur und damit für die gesamte Volkswirtschaft, auch für die
Banken.
WiKu: Und die Banken sind die Bremser?
Wansleben: Damit keine Missverständnisse entstehen – die Vorsicht
der Banken ist nachvollziehbar:
Auch sie erleben die schlimmste
Krise seit Kriegsende. Sie haben
hohe Abschreibungen und Wertberichtigungen zu verkraften. Das
schwächt das Eigenkapital – mit
Folgen für die Kreditvergabe. Die
Banken waren natürlich strukturell
und institutionell nicht auf eine solche Krise – die man nicht mit alten
Mitteln überwinden wird – vorbereitet.
WiKu: Was muss sich denn im Handeln der Banken ändern, damit der
gegenwärtige Liquiditätsengpass
der Realwirtschaft überwunden
werden kann und der Aufschwung
nicht im Keim erstickt wird?
Wansleben: Die Ratingverfahren, die
die Banken traditionell anwenden,
um die Bonität des Kunden zu ermitteln, sind auf normale Zeiten
ausgerichtet – nicht auf wirtschaftliche Extremlagen. Heute besteht –
trotz aller Schwierigkeiten – die
Aussicht, dass die wirtschaftliche
V
ertrauen ist die Währung, die
in Zeiten der Finanzkrise besonders zählt. Deshalb rücken
beim Thema Unternehmensfinanzierungen die Privatbanken stärker in
den Fokus der Firmen. Auch die National-Bank, Essen, registriert großes
Interesse an ihrem Angebot. An einer
Veranstaltung in Düsseldorf zum Thema Unternehmensfinanzierung im
Oktober 2009 hatten 250 mittelständische Unternehmen teilgenommen.
Weitere Termine sind im März 2010 in
Dortmund und Wuppertal sowie im
April in Essen geplant.
Konzentriert sich nur auf NordrheinWestfalen: die National-Bank. F.: N-B
Auf der „Beratungsinitiative Mittelstand“ können sich Unternehmer über
Finanzierungsfragen informieren. Der
Fokus liegt dabei auf Alternativen zur
klassischen Bankfinanzierung. Aber es
werden auch andere Themen wie das
Management von Zins- und Währungsrisiken oder die Unternehmensnachfolge beleuchtet – ein Problem, das
Mittelständlern besonders unter den
Nägeln brennt.
Die National-Bank betonte auf den
Veranstaltungen, dass das Kreditgeschäft mit mittelständischen Unter-
nehmen „integraler Bestandteil des
Geschäftsmodells ist“, wie Vorstandssprecher Thomas A. Lange ausführte.
Was die National-Bank betrifft, könne
auch nicht von einer Kreditklemme gesprochen werden. 2009 hat die Bank
mehr als 110 neue mittel- und langfristige Kredite an mittelständische
Unternehmen in NRW ausgereicht.
„Wir wären bei gleichbleibender Portfolioqualität in der Lage gewesen, zusätzliche Kredite von weit mehr als 250
Mio. Euro zu vergeben“, sagte Lange.
Das Institut bezeichnet sich als
private Regionalbank mit Fokus auf
Nordrhein-Westfalen. Zielgruppen
sind mittelständische Unternehmen
in NRW, Freiberufler sowie anspruchsvolle Privatkunden. Das regionenspezifische Know-how sei Grundlage für
den Marktauftritt, so das Selbstverständnis. Deshalb ist die Wachstumsstrategie der National-Bank auf dieses Gebiet beschränkt. In den vergangenen Jahren hat die Bank die Einheiten Wealth Management und Family
Office neu aufgebaut, mit denen die
Positionierung als Mittelstandsfinanzierer zugunsten einer Adresse für
anspruchsvolle Privatkunden erweitert wurde.
Derzeit betreut die National-Bank
mit mehr als 800 Mitarbeitern über
100 000 Kunden an über 20 Standorten
in NRW. Im Geschäftsjahr 2009 konnte
trotz der schwierigen Rahmenbedingungen der Jahresüberschuss um
45,3 % auf 17,4 Mio. Euro gesteigert
werden. Die Bilanzsumme blieb stabil
bei 4 Mrd. Euro. Lange sieht darin eine
Bestätigung für „die Stärke unseres
ausschließlich kundengetragenen und
auf Nordrhein-Westfalen fokussierten
Geschäftsmodells“.
Amerikaner den scharfen Basel-IIBestimmungen früher unterworfen,
wäre es kaum zu der Finanzkrise gekommen. Daher brauchen wir dringend internationale Regulierungen.
So betrachtet waren die Aktivitäten
der G-20-Staaten ein Geschenk der
Krise.
WiKu: Die Tendenz geht aber dahin,
dass die Regulierungen weiter verschärft werden. Führt das zu neuen
Problemen?
Wansleben: Eine engmaschigere Regulierung bedeutet auch, dass die
Banken weniger Kredite vergeben
können. Entscheidend ist aber der
Übergang. Bildlich ausgedrückt stehen wir jetzt vor folgendem Problem: Wir sind ein – mit billigem
Geld – hochgedopter Sportler. Wir
sind auch künftig darauf angewiesen, die gleiche sportliche Leistung
zu erbringen. Wir wissen zwar, dass
wir die Leistung auch ohne Doping
schaffen können – aber eben nicht
über Nacht. Der Übergang stellt
jetzt das Problem dar.
WiKu: Wie sollte der Übergang gestaltet werden?
Wansleben: Wir benötigen in der Per-
Hausbank-Prinzip ist sinnvoll
Mittelständler suchen
nach Sicherheit
National-Bank | Start einer Beratungsinitiative
Situation 2010/2011 wesentlich
besser verlaufen kann, als wir das
noch vor Kurzem erwarten durften.
Doch dieser Swing muss rasch erkannt werden, damit wir die Chancen des Aufschwungs nicht vergeben. Schwerlich aber bewältigen
die Banken diesen Swing mit den
gebräuchlichen Ratingverfahren;
da dominieren die schlechten Zahlen der Unternehmen von 2009 und
die greifbare bessere Situation
2010/2011 geht nicht angemessen
in die Bewertung ein. Die Bonität
der Unternehmen hängt jetzt viel
stärker von den Zukunftsperspektiven ab als von den schlechten Zahlen der Vergangenheit. Dass dies
erkannt wird, dafür werben wir.
WiKu: Dann steht aber immer noch
das Eigenkapital der Banken im
Raum, das oft zu schmal ist und der
gewünschten Kreditausweitung
entgegensteht. Sollten die Eigenkapitalbestimmungen aufgeweicht
werden?
Wansleben: Wir warnen entschieden
vor einer zu frühen Umsetzung der
avisierten höheren Eigenkapitalbestimmungen. Hätten sich auch die
Fotos: Fotolia/DIHK
spektive eine klare Regulierung. Alle
in den Finanzmärkten Tätigen – Finanzwirtschaft, aber auch die Realwirtschaft – müssen wissen, was auf
sie zukommt. Aber wir dürfen nicht
nur darüber nachdenken, was geschehen muss, damit die Banken
mehr Kredite geben können, sondern wie die Unternehmen der
Realwirtschaft selbst in Zukunft
mehr Eigenkapital bekommen.
WiKu: In diesem Zusammenhang
wird aber auch die Wiederbelebung
von Kreditverbriefungen diskutiert, ein in der Öffentlichkeit umstrittenes Mittel.
Wansleben: Wir sind – wie übrigens
auch die Banken – der Auffassung,
dass der Verbriefungsmarkt wieder
in Gang kommen muss. Sicherlich
ist dieser Markt durch die verbrieften amerikanischen Immobilienkredite schlechter Qualität in Verruf
gekommen. Aber am Verbriefungsmarkt führt in der heutigen Zeit des
hohen Darlehns- oder Kreditbedarfs
kein Weg vorbei. Für die Banken hat
der Verbriefungsmarkt heute den
Stellenwert, wie die Rückversicherung für die Versicherer.
WiKu: Aber es wird gefordert, den Verbriefungsmarkt mit staatlicher Hilfe wieder in Gang zu bringen. Noch
mehr Staat in der Finanzwirtschaft,
ist das wirklich gewollt?
Wansleben: Das ist in der Tat ein Problem. Aber es kann auch nur darum gehen, dass wieder ein Verbriefungsmarkt zustande kommt.
Klar ist, dass das Haftungsvolumen
des Staates begrenzt sein muss, er
darf nie zu 100 Prozent einsteigen.
Ebenfalls muss das Engagement
zeitlich begrenzt sein. Schließlich
ist zu gewährleisten, dass es Regeln
am Verbriefungsmarkt gibt, die jedem Marktteilnehmer Vertrauen in
den Markt geben kann. Daher die
vorübergehende Einbindung des
Staates.
Förderbanken | Wettbewerbsneutrale Zusammenarbeit mit der Kreditwirtschaft
D
as Schreckgespenst der Kreditklemme will nicht weichen
und bereitet vor allem Mittelständlern Sorge. Zwar wird derzeit allenthalben betont, dass der Rückgang
bei den Ausleihungen auf eine geringere Investitionsneigung der Unternehmen zurückzuführen sei. Doch
dass die Kreditklemme kommen wird,
da sind sich manche Beobachter sicher. Norbert Irsch, Chefvolkswirt der
KfW Bankengruppe, diagnostiziert als
Folge der Krise aber auch eine abnehmende Bonität der Firmen und eine
zunehmende Ablehnung der Kreditanträge des Mittelstands durch die
Banken. Im Laufe des Jahres dürften
sich die Finanzierungsbedingungen
deutlich verschlechtern, warnt der
Förderbanker.
In dieser Situation wird der Ruf aus
der Politik laut, nämlich zumindest die
KfW als Förderbank des Bundes, aber
auch die regionalen Förderbanken der
Länder wie beispielsweise die LfA Bayern, die L-Bank (Baden-Württemberg)
oder die NRW.Bank zu verpflichten,
Kredite direkt zu vergeben. Grundsätzlich ist es Aufgabe der Förderbanken,
Vorhaben der gewerblichen Unternehmen sowie sonstige Maßnahmen zur
Verbesserung der Wirtschaftsstruktur
finanziell zu fördern und damit Arbeitsplätze zu sichern oder neu zu
schaffen. Solche Aktivitäten erfolgen
jedoch aus gutem Grund nicht im direkten Kontakt mit den mittelständischen Kunden. Vielmehr gilt im Mittelstandsgeschäft stets das HausbankPrinzip. Das heißt, Förderdarlehen
werden grundsätzlich nur über Sparkassen und Banken an mittelständische Unternehmen weitergeleitet.
Das Hausbank-Prinzip gewährleistet
eine wettbewerbsneutrale Kooperation
zwischen Geschäftsbanken und Förderbanken im Interesse des Kunden:
Die Betriebe erhalten eine langfristige,
verlässliche und zinsgünstige Finanzierung ihrer Vorhaben und die Geschäftsbanken bekommen attraktive
Refinanzierungskonditionen, kostendeckende Margen sowie bei Bedarf
auch eine Entlastung bei den Risikokosten. Die Förderbanken schließlich
können die Risikoprüfung größtenteils
den Hausbanken vor Ort überlassen
und sind so in der Lage, ihre Verwaltungskosten gering zu halten.
Zweifellos haben KfW und die regionalen Förderbanken dadurch, dass sie
attraktive Vorhaben kleinerer und mittlerer Unternehmen auch dann unterstützen, wenn es an Sicherheiten und
Eigenkapital mangelt, großen Anteil an
der stark mittelständisch geprägten
Wirtschaftsstruktur, die sich in der
Bundesrepublik Deutschland herausgebildet hat.
Der Klassiker im Geschäft der Förderbanken mit mittelständischen Unternehmen sind zweifellos langfristige,
zinsgünstige Darlehen für jede Unternehmensphase – für Start-ups ebenso
wie für Innovationen und für Betriebserweiterungen. Aber die Unterstützung in schwierigen Situationen – auch
im Eigenkapitalbereich – gehört ebenfalls dazu, wenn das Unternehmen zukunftsorientiert ist und das Konzept
stimmt. Zur Anpassung an die sich verändernden Markterfordernisse wurden von den Förderbanken praxisgerechte Angebote entwickelt: Dazu
gehören unterschiedliche Formen von
Risikoübernahmen ebenso wie verschiedensten Arten von MezzanineFinanzierungen. Zur Bereitstellungen
von Mezzanine-Finanzierungen arbeiten die Förderbanken nicht selten mit
Ob kleine oder große Investitionsprojekte – die Förderbanken übernehmen einen Teil des Risikos. F.: Fotolia
speziellen Beteiligungsgesellschaften
zusammen.
Die Förderbanken springen durchaus auch ein, wenn mittelständischen
Unternehmen die notwendigen banküblichen Sicherheiten fehlen. Mittels
Bürgschaften, Garantien oder Haftungsfreistellungen wird das Kreditrisiko einer Hausbank um bis zu 80 % vermindert. Dadurch werden positive
Kreditentscheidungen möglich, die bei
den Geschäftsbanken an den notwendigen Sicherheiten gescheitert wären.
Somit beeinflussen diese Angebote das
grundsätzliche Kreditverhalten der
Banken und Sparkassen zugunsten der
mittelständischen Unternehmen.
Auch besonders große Projekte von
Mittelständlern mit Umsätzen ab etwa
50 Mio. Euro lassen sich mithilfe einer
Förderbank leichter finanzieren. Regionale Förderbanken bieten zum Teil
mit Konsortialfinanzierungen Anteilsfinanzierungen von bis zu 50 % zu
marktüblichen Bedingungen und Konditionen an. Damit teilen sich die
Geschäftsbanken mit einem verlässlichen, wettbewerbsneutralen Partner
das Risiko und schonen gleichzeitig
ihre Eigenkapitalressourcen.
Die Förderbanken waren mit ihrer
Refinanzierungsgarantie des jeweiligen Landes oder des Bundes von der
Vertrauenskrise an den Finanzmärkten
kaum betroffen. Sie haben in der Regel
aufgrund der staatlichen Gewährträgerhaftung ein erstklassiges Rating.
Den damit verbundenen Refinanzierungsvorteil geben sie in vollem Umfang an den Endkunden weiter. Dadurch bekommen auch diejenigen
Unternehmen eine günstige Finanzierung, die die Voraussetzungen für ein
zinsverbilligtes Förderdarlehen nicht
erfüllen.
heu
MÄRZ 2010
FINANZEN & BÖRSE
WirtschaftsKurier
MITTELSTAND
15
Herausgeputzt für die Bank
Bilanzoptimierung | Instrumente der Großunternehmen stehen jetzt auch Mittelständlern zur Verfügung
VON MATTHIAS HÜMPFNER*
D
ie Rezession scheint überwunden. Nach den teils drastischen Absatz- und Umsatzeinbrüchen des Vorjahres verzeichnen viele mittelständische Unternehmen steigende Auftragseingänge.
Daraus resultierende Finanzierungsanforderungen stellen die Unternehmen vor besondere Herausforderungen. In der Öffentlichkeit registriert
werden eine zögernde Kreditbereitschaft und veränderte Finanzierungsbedingungen der Banken. Schnell ist
in diesem Zusammenhang von einer
Kreditklemme die Rede, die einen bevorstehenden Aufschwung gefährden
könnte.
Dazu besteht objektiv gesehen kein
Anlass, denn die Möglichkeiten der
Kreditversorgung sind intakt. Genossenschaftsbanken und Sparkassen haben ihr Kreditvolumen im vergangenen Jahr deutlich ausgeweitet und
damit ihre Funktion als führende und
stabile Finanzpartner des Mittelstands unterstrichen. Zahlreiche Banken richten ihr Geschäftsmodell
auf den Mittelstand aus. Die hohe
Wettbewerbsintensität der Kreditwirtschaft spricht dafür, dass jeder Unternehmer sicher sein kann, dass potenzielle Kreditgeber in ausreichendender Anzahl und Leistungsfähigkeit zur
Verfügung stehen.
Überzeugende Präsentation
der Zukunftsfähigkeit
Steigende Finanzierungsanforderungen und verschlechterte Finanzierungsbedingungen reflektieren das
konjunkturelle Umfeld und die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens. Eine fundierte Einschätzung
über die Fähigkeit des Betriebs, heute
bereitgestellte Kredite einschließlich
der Zinsen in der Zukunft zurückzuzahlen, ist Gegenstand der Kreditprüfung der Bank. Das Ergebnis hat
auch maßgeblichen Einfluss auf die
Kreditkonditionierung im weitesten
Sinne (Zinssatz, Laufzeit, Sicherheitenstellung). Insofern besteht die
Herausforderung für den Unternehmer darin, die Bank von der Zukunftsfähigkeit seines Unternehmens zu
überzeugen.
Wie hoch ist der
Finanzbedarf wirklich?
Dazu trägt ein effizientes Bilanzstrukturmanagement in mehrfacher Hinsicht bei. Unter Bilanzstrukturmanagement werden hier sämtliche Maßnahmen zur Steuerung der Liquidität,
Optimierung der Kapitalstruktur sowie ein effizientes Risikomanagement
subsumiert. Es geht darum, die Potenziale der Innenfinanzierung auszuschöpfen und somit den externen Finanzierungsbedarf zu reduzieren. Eine
Optimierung der Kapitalstruktur und
ein überzeugendes Risikomanagement schaffen zudem die Voraussetzungen für eine Verbesserung des Ratings und eröffnen neue beziehungsweise erweitert vorhandene externe
Finanzierungsquellen.
Grundlage eines soliden Bilanzstrukturmanagements ist eine Finanzplanung. Auf Basis unterschiedlicher
Szenarien kann lang- und kurzfristiger
Finanzierungsbedarf frühzeitig erkannt werden. Mit Simulationsrechnungen werden die Auswirkungen auf
den Liquiditätsbedarf und auch auf
die Bonität ermittelt. Die Analyse und
Entwicklung von Cashflow-Kennzahlen ist ein maßgeblicher Bestandteil
der Kreditprüfung.
Wer seinen Cashflow langfristig
voraussagen und verbessern will,
muss die Kostentreiber und den Liquiditätsbedarf genau kennen. Eine wichtige Funktion hierbei erfüllt das Management des Working Capital. Eine
Analyse ermittelt Working-CapitalTreiber und potenzielle Liquidität, die
zum Beispiel durch Optimierung der
Es gibt viele Möglichkeiten zur Verbesserung der Bilanz.
Forderungs- und Vorratsbestände freigesetzt werden kann. Zunehmend gewinnt neben dem Bestandsmanage-
Foto: Fotolia
ment auch die Optimierung der internen Prozesse an Bedeutung. Denn je
kürzer die internen Durchlaufzeiten
zwischen Beschaffung, Produktion
und Distribution, desto schneller werden liquide Mittel frei.
Für langfristige Finanzierungsentscheidungen ist das Kapitalstrukturmanagement entscheidend. Es geht
um den richtigen Mix zwischen Fremdund Eigenkapital. Für mittelständische
Unternehmen spielen neben den Kosten auch Kriterien wie Flexibilität, Bilanzbild sowie Mitspracherechte Dritter eine Rolle. Neben dem klassischen
Bankkredit gibt es unterschiedlichste
Finanzierungsinstrumente, um unter
Berücksichtigung wirtschaftlicher,
rechtlicher und steuerlicher Aspekte
eine bedarfsgerechte Lösung für das
Unternehmen zu entwickeln.
Gerade das Risikomanagement als
dritte Komponente des Bilanzstrukturmanagements wird durch die wachsende Internationalisierung auch bei
Heuschrecken
werden salonfähig
Private Equity | Strategien für das Eigenkapital
VON RUDOLF HESS*
V
iele Leute reden über Private
Equity, im Deutschen unter
dem sperrigen Begriff der Beteiligungsgesellschaften bekannt −
oder, weniger schmeichelhaft, unter
der Bezeichnung „Heuschrecken“.
Doch das, was der Heuschrecke nachgesagt wird, ist nicht einfach auf die
Beteiligungsgesellschaften insgesamt
übertragbar.
Der Begriff Private Equity kommt
aus dem Englischen und bedeutet
wörtlich übersetzt „privater Anteil“. Er
ist damit der Oberbegriff für privates
Beteiligungskapital. Dieses Kapital
stammt von institutionellen Anlegern
wie Banken, Versicherungen oder
Fonds. Sie fungieren als Kapitalgeber für Unternehmen, die nicht an der
Börse notiert sind. Die
Geldzufuhr kann genutzt werden, um
neue Produkte und
Technologien zu entwickeln, die Produktionsanlagen zu erweitern, Zukäufe zu tätigen oder die
Bilanz des Unternehmens zu stärken.
Private Equity kann auch genutzt werden, um die Eigentumsverhältnisse im
Unternehmen zu klären oder um eine
Nachfolgeregelung im Familienunternehmen zu finden. Dies bedeutet, dass
Private Equity vor allem für die Finanzierung von mittelständischen Unternehmen die geeignete Alternative zum
Bankdarlehen ist.
Unter dem Oberbegriff Private Equity wird auch Venture Capital, Buy-outs
und Mezzanine-Beteiligungskapital
zusammengefasst. Welche der einzel-
nen Finanzierungsformen jedoch für
welche Unternehmensphase gewählt
werden kann oder soll, darüber ist sich
die Fachwelt nicht einig. Insbesondere
gehen die Meinungen darüber, in welcher Phase Venture Capital eingesetzt
werden soll, auseinander.
Grundlegend kann jedoch davon
ausgegangen werden, dass Private
Equity im engeren Sinne eher für
Finanzierungen von etablierten Unternehmen, und dort meist ab der Expansionsphase, geeignet ist. Ziel der
Private-Equity-Geber ist, an den Wertsteigerungen eines Unternehmens zu
verdienen. Im Gegensatz dazu sind
Venture-Kapital-Geber meist auch an
laufenden Erträgen interessiert.
Problematisch dabei ist jedoch, dass
die Mittel für die Übernahme von
Großunternehmen grenzenlos zu sein scheinen,
nicht jedoch für die mittelständischen Unternehmen, die diese
Finanzierungsquelle am dringendsten
brauchen. Dies liegt
einerseits an den Marktmechanismen, andererseits wäre hier ein
Umdenken in Öffentlichkeit und Politik vonnöten, denn die „bösen Heuschrecken“ sind in den meisten Fällen
nur aus Unkenntnis geboren. Hingegen wirkt sich Private Equity gerade als
Kapitalhilfe mittelständischer Unternehmen segensreich aus.
Wir fördern Ihr Unternehmen.
Die NRW.BANK fördert kleine und mittlere Unternehmen mit zinsgünstigen Krediten, Darlehen zum Ausgleich mangelnder Sicherheiten und zur Stärkung des Eigenkapitals sowie
mit Eigenkapital-Finanzierungen. Fragen Sie Ihre Hausbank – oder direkt uns:
*Rudolf Hess ist Dozent an der Universität Budapest zum Thema Private
Equity und Autor des Buchs „Private
Equity – Finanzierungsalternative
für den Mittelstand“, erschienen im
Berliner Wissenschafts-Verlag
Tel. 0211 91741-4800 (Rheinland) oder 0251 91741-4800 (Westfalen-Lippe).
www.nrwbank.de
bisher regional beziehungsweise national tätigen mittelständischen Unternehmen weiter an Bedeutung gewinnen. Banken bietet bereits heute eine
Vielzahl von Produktlösungen zur Absicherung gegen Rohstoff- und Währungsrisiken.
Instrumente des Bilanzstrukturmanagements, die früher nur Großunternehmen zur Verfügung standen, können heute auch von mittelständischen
Unternehmen eingesetzt werden. Gerade regionale Volksbanken und Raiffeisenbanken bieten über den genossenschaftlichen Finanzverbund individuelle Lösungen, um unternehmensbedrohende Risiken zu erkennen und
frühzeitig gegenzusteuern.
*Matthias Hümpfner ist Gruppenleiter im Bereich Firmenkunden
Mittelstand bei der DZ Bank
16
MÄRZ 2010
AKTIENSPIEGEL
DIE DA X-WERTE
Unternehmen
Adidas
Allianz*
BASF*
Bayer*
Beiersdorf
BMW
Commerzbank
Daimler*
Deutsche Bank*
Deutsche Börse*
Deutsche Post
Deutsche Telekom*
E.ON*
Fresenius Medical Care
Fresenius VZ
Henkel VZ
Infineon
K+S
Linde
Lufthansa
MAN
Merck
Metro
Münchener Rück*
RWE*
Salzgitter
SAP*
Siemens*
ThyssenKrupp
Volkswagen VZ
DA X VO M 2 6 .0 2 . 5 5 9 8 , 4 6 | 2 9.01. 5 5 6 0 8 ,79
letzte 26. 02.
Dividende
29. 01.
36,39
84,40
41,24
48,67
45,03
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5,48
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9,45
26,16
38,35
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4,01
44,62
82,69
10,96
52,51
57,80
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113,65
62,28
64,81
32,76
62,99
23,25
59,80
36,91
80,42
41,23
49,48
42,28
30,96
5,64
33,43
44,38
47,55
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9,36
26,66
36,64
49,20
36,89
4,02
40,82
79,40
11,63
48,56
64,51
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108,50
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22,99
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4,10
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1,40
0,90
0,30
0,00
0,60
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0,76
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0,25
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5,75
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1,40
0,50
1,60
0,30
1,99
30.12.
30.11.
30.10.
30.09.
31.08.
31.07.
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65,26
24,27
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78,04
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33,30
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26,09
32,95
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9,33
28,98
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23,70
135,05
29,65
69,20
35,16
43,06
35,33
32,43
5,50
32,47
45,39
55,60
11,11
8,99
26,56
32,22
39,78
25,80
2,89
39,38
66,22
9,48
48,50
65,30
40,63
106,09
59,25
71,15
33,00
56,00
21,60
252,26
40,07
89,79
44,85
56,71
46,65
36,48
9,64
37,90
58,29
65,27
14,70
10,60
30,47
38,38
52,52
38,00
4,39
53,34
88,51
12,93
62,44
75,04
43,72
115,76
69,29
74,32
36,11
69,39
28,24
82,90
22,10
46,68
20,07
32,69
28,70
18,29
2,22
17,20
16,34
29,50
6,60
7,83
17,77
25,51
31,10
17,50
0,34
28,80
48,80
7,73
29,70
56,26
19,74
79,01
46,33
40,22
24,48
37,32
12,22
29,55
* Diese Dax-Werte gehören auch zum Euro Stoxx 50
Langer Winter heizt der Aktie ein
K+S | Frühling auf dem Düngemittelmarkt
V
ereiste Straßen, Schneechaos
und Minusgrade belasteten in
den vergangenen Monaten die
deutsche Infrastruktur. Der harte Winter in diesem Jahr machte vor allem ein
Produkt unabdingbar: Auftausalz. Selten zuvor waren die Geschäfte mit dem
Streusalz so profitabel. Aufgrund dieser
Wetterbedingungen gab es beim Salzproduzenten esco, einer Tochter der
K+S Gruppe, viel zu tun. Im DreischichtBetrieb wurde seit Mitte Dezember hart
gearbeitet, um die Salzversorgung zu
gewährleisten. Das kalte Wetter auf der
einen Seite erwärmte andererseits die
Herzen der Aktionäre. Die Mehreinnahmen durch das Salzgeschäft begünstigten schlussendlich den Aktienkurs der
K+S AG. Dank des Streusalz-Booms
kletterte das Wertpapier um knapp 3 %
auf über 44 Euro und gehörte damit
Ende Februar 2010 zu den Dax-Gewinnern an der Börse.
Doch Salz ist nur ein Tätigkeitsbereich des Unternehmens aus Kassel.
K+S zählt auch zu den global führenden
Anbietern von Düngemitteln und profi-
DIE K+ S -AK TIE
Kursentwicklung
27.02.2009 – 26.02.2010
54
52
50
48
46
44
42
40
38
36
34
32
30
28
27.02. 01.04. 01.05. 01.06. 01.07.
2009 2009 2009 2009 2009
03.08. 01.09. 01.10. 02.11. 01.12. 01.01. 01.02.
2009 2009 2009 2009 2009 2010 2010
Quelle: www.finanzen.net / WirtschaftsKurier
DIE EURO STOX X 5 0 -WERTE
Unternehmen
Aegon
Air Liquide
Alstom
Anheuser-Busch
Arcelor Mittal
Axa
Banco Bilbao
Banco Santander
BNP Paribas
Carrefour
Crédit Agricole
CRH
Danone
Enel
ENI
France Télécom
GdF Suez
Generali
Iberdrola
ING Groep
Intesa Sanpaolo
L’Oréal
LVMH
Nokia
Philips
Repsol
Saint-Gobain
Sanofi-Aventis
Schneider Electric
Société Generale
Telecom Italia
Telefónica
Total
Unibail-Rodamco
Unicredito Italiano
Unilever
Vinci
Vivendi
letzte 26. 02.
Dividende
29. 01.
4,63
87,71
47,00
36,76
27,97
14,79
9,55
9,55
53,13
33,89
10,92
16,73
42,95
3,97
16,55
17,23
26,97
16,63
5,91
6,57
2,57
76,02
79,60
9,90
21,47
16,64
34,52
53,72
78,43
40,40
1,05
17,25
40,98
145,00
1,85
22,10
38,45
18,50
4,39
76,99
48,60
36,15
28,49
15,00
11,10
10,30
52,15
35,34
11,44
17,04
41,45
3,91
16,91
16,63
27,42
17,25
6,18
6,86
2,77
76,45
79,07
10,14
21,90
17,15
34,85
53,60
75,03
42,21
1,08
17,37
42,05
158,00
2,01
22,21
38,81
18,85
0,30
2,25
1,12
0,28
0,19
0,55
0,15
0,22
1,00
1,08
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0,10
0,50
0,60
0,80
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0,00
0,00
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2,40
3,45
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0,05
0,65
1,14
8,00
0,26
0,20
0,52
1,40
DIE MDA X-WERTE
Unternehmen
(52 Wochen)
37,77
87,15
43,46
55,96
45,93
31,80
5,89
37,23
49,42
58,00
13,49
10,29
29,23
36,94
50,01
36,43
3,88
39,99
84,16
11,75
54,44
65,16
42,57
108,67
67,69
68,44
33,00
64,21
26,40
65,74
tiert nun auch von einer Entspannung
auf diesem Markt. Nach dem Krisenjahr
2009 steigt die Kali-Bestellung der
Landwirte wieder an und verbreitet damit auch Zuversicht beim Düngemittelproduzenten für das laufende Jahr. Der
Dax-Konzern erwartet aufgrund steigender Kali-Preise im März und einer
verstärkten Nachfrage höhere Gewinne.
Die Erholung auf dem Markt der Düngemittel gab der K+S-Aktie weiteren
Auftrieb.
Die Börsianer prophezeien rosige
Zeiten für K+S. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob der Höhenflug der Aktie
mit dem Schwinden der kalten Zeit
nicht vorbei ist. Börsenexperten gehen
allerdings davon aus, dass die Jahreszeiten einen nicht unbedeutenden Einfluss auf die Wirtschaft haben – und in
diesem Fall wohl ganz besonders. pht
E U RO S TOX X 5 0 VO M 2 6 .0 2 . 2 72 8 , 47 | 2 9.01. 2 776 , 8 3
30.12.
30.11.
30.10.
30.09.
31.08.
31.07.
Hoch
Tief
(52 Wochen)
4,57
83,75
49,57
36,40
32,14
16,72
12,70
11,57
56,01
33,79
12,39
19,40
42,95
4,06
17,82
17,58
30,05
18,90
6,69
6,94
3,16
78,24
78,73
8,92
20,74
18,81
38,50
55,54
81,02
49,32
1,09
19,59
45,28
151,70
2,36
22,76
39,85
20,95
4,79
77,40
46,63
33,24
25,95
15,87
12,55
11,41
55,00
32,32
13,78
16,78
39,81
3,99
16,53
17,33
27,81
17,26
6,32
6,20
2,88
72,26
69,36
8,77
18,22
18,30
36,23
50,32
72,89
46,89
1,07
19,12
41,21
149,45
2,28
20,41
36,83
19,19
4,88
73,40
47,33
32,01
22,98
17,02
12,22
11,00
51,45
29,27
13,11
16,65
40,96
4,08
16,88
16,86
28,51
17,17
6,18
8,94
2,87
69,67
70,65
8,63
17,14
18,17
33,31
49,75
71,01
45,38
1,08
19,03
40,64
150,74
2,28
21,01
35,63
18,92
5,80
77,75
49,87
31,21
25,55
18,50
12,13
11,00
54,60
31,00
14,28
18,91
41,18
4,34
17,12
18,21
30,35
18,78
6,71
12,20
3,04
67,95
68,73
10,05
16,64
18,59
35,45
50,15
69,26
55,00
1,20
18,86
40,61
142,95
2,69
19,70
38,66
21,15
5,25
74,45
49,01
30,13
24,97
15,88
12,39
10,74
56,17
32,85
12,92
17,44
37,93
4,10
16,50
17,74
29,39
17,36
6,46
10,55
3,02
68,68
66,69
9,70
15,76
17,30
31,39
47,32
64,30
56,21
1,13
17,59
39,97
137,27
2,53
19,50
37,43
19,87
5,16
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28,23
25,25
14,83
11,52
10,16
51,15
32,94
10,02
16,78
37,65
3,81
16,38
17,51
26,81
15,99
6,02
9,00
2,61
60,81
63,29
9,34
16,00
16,29
28,45
45,96
63,74
45,05
1,10
17,46
38,91
122,41
2,07
19,17
35,71
18,03
6,26
85,50
55,14
37,57
34,48
19,37
13,28
12,14
60,38
37,38
15,66
20,70
44,10
4,38
18,77
18,78
31,34
19,33
6,91
9,82
3,23
80,22
82,30
11,88
22,98
19,27
40,65
58,90
82,74
54,27
1,26
19,85
46,74
161,45
2,67
23,00
42,20
21,66
1,83
55,61
34,71
18,66
12,58
5,58
4,45
3,88
20,36
22,06
5,90
12,53
31,21
2,84
11,82
15,45
22,71
9,71
4,36
1,77
1,30
46,00
42,75
6,67
10,84
11,24
16,65
38,43
43,00
17,29
0,76
13,75
34,25
85,80
0,56
13,46
24,60
16,30
WirtschaftsKurier
M DA X VO M 2 6 .0 2 . 7 3 9 3 , 2 6 | 2 9.01. 7 5 0 5 , 3 2
letzte 26. 02.
Dividende
29. 01.
15,24
33,93
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21,40
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24,20
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22,68
34,99
15,17
17,08
60,48
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64,59
6,74
13,72
22,70
9,48
27,34
32,90
5,10
37,43
51,70
24,90
5,54
17,09
38,61
27,00
13,91
7,07
37,23
5,58
6,21
10,76
207,60
123,75
45,99
18,14
20,12
1,80
25,51
17,06
15,65
12,55
7,25
72,10
88,04
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12,94
29,23
232,70
27,04
52,40
21,09
40,00
22,66
22,79
22,12
32,21
14,23
16,15
57,35
36,74
61,70
6,56
14,80
23,65
10,69
26,84
33,40
5,17
43,77
53,94
24,81
5,50
17,15
35,89
27,49
16,12
7,40
37,43
6,43
6,08
9,78
221,25
118,00
46,21
17,79
20,50
1,99
23,76
16,77
16,13
12,63
6,71
74,01
95,00
49,00
Aareal Bank
Aurubis
Bauer
BayWa
Bilfinger Berger
Celesio
Continental
Demag Cranes
Deutsche EuroShop
Deutsche Postbank
Douglas Holding
EADS
ElringKlinger
Fielmann
Fraport
Fuchs Petrolub VZ
Gagfah
Gea Group
Gerresheimer
Gildemeister
Hamburger Hafen
Hannover Rück
Heidelberger Druckm.
HeidelbergCement
Hochtief
Hugo Boss VZ
IVG Immobilien
Klöckner & Co.
Krones VZ
Lanxess
Leoni
MLP
MTU Aero Engines
Pfleiderer
Praktiker Bau- u. H.
ProSiebenSat.1 VZ
Puma
Rational
Rheinmetall VZ
Rhön-Klinikum VZ
SGL Carbon
Sky Deutschland
Stada Arzneimittel
Südzucker
Symrise
Tognum
Tui
Vossloh
Wacker Chemie
Wincor Nixdorf
0,00
0,65
1,00
0,40
2,00
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0,00
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1,05
–
1,10
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0,40
1,00
0,00
0,00
0,12
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0,00
0,00
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–
0,52
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0,50
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3,00
1,80
1,85
30.12.
30.11.
30.10.
Air Berlin
Alstria Office Reit
Arques Ind.
Bertrandt
Biotest
C.A.T OIL
Centrotec Sust.
Cewe Color
Colonia Real Estate
comdirect bank
Constantin Medien
CTS Eventim
Curanum
Delticom
Dt. Beteiligungs AG
Deutsche Wohnen
Deutz
DIC Asset
Dürr
Dyckerhoff VZ
Elexis
Gerry Weber
GESCO
GfK
Grammer
GrenkeLeasing
H&R Wasag
Highlight Comm.
Homag Group
Hornbach Holding
INDUS Holding
Jungheinrich VZ
Koenig & Bauer
KUKA
KWS Saat
Loewe
Medion
MVV Energie
Patrizia Immo.
Sixt
SKW Stahl-Metal.
Springer, Axel
TAG Immobilien
TAKKT
Teleplan
Tipp 24
VBH
Villeroy & Boch VZ
VTG
Wacker Neuson
31.08.
31.07.
Hoch
Tief
(52 Wochen)
13,26
30,22
29,25
25,16
53,92
17,70
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23,32
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15,56
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5,49
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17,85
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26,34
16,35
8,06
38,19
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231,84
118,50
44,74
17,12
20,75
2,26
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14,54
14,98
11,60
5,84
69,52
122,12
47,65
13,16
29,00
29,87
24,19
49,19
17,57
34,69
23,62
24,20
23,42
33,76
11,82
14,72
52,29
32,98
61,71
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14,04
23,05
10,55
25,85
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33,46
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7,44
34,15
6,96
8,11
8,67
228,80
113,15
39,80
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21,90
2,38
22,60
14,55
14,51
10,66
5,27
67,00
109,64
46,00
14,72
27,12
27,00
22,06
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13,60
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55,80
6,47
12,83
19,30
9,56
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30,64
5,01
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8,28
7,09
207,72
95,51
36,94
16,50
26,10
2,84
18,22
14,06
12,51
10,41
4,72
67,95
97,88
39,81
DIE SDA X-WERTE
Unternehmen
30.09.
16,35
28,48
28,70
25,03
47,29
18,84
36,92
24,54
23,95
24,17
31,25
15,32
14,03
49,94
36,35
49,94
7,57
14,26
21,50
9,53
30,79
31,33
7,09
44,24
52,06
26,61
7,48
15,66
36,32
23,55
15,58
7,93
32,36
8,24
9,43
7,35
226,93
95,69
40,46
17,39
27,96
3,63
18,68
13,85
13,03
11,68
7,05
77,43
106,59
44,01
14,32
26,55
26,53
23,90
25,53
18,99
28,81
21,00
22,38
24,76
28,20
14,52
12,54
45,15
35,22
48,48
6,30
12,36
19,66
8,82
29,15
30,70
6,10
40,90
51,61
22,38
5,23
18,60
32,90
21,12
14,78
7,83
29,45
6,21
9,01
6,44
197,20
92,21
34,04
15,68
25,78
3,33
15,73
13,60
11,53
10,63
6,07
82,21
84,01
39,54
9,98
24,44
25,30
20,91
36,80
18,69
24,15
17,40
21,30
19,38
27,92
13,37
13,46
46,20
32,18
42,83
5,89
11,49
15,71
7,54
32,20
28,55
5,18
30,60
42,12
19,23
4,87
18,06
27,24
20,42
13,69
9,55
25,50
5,88
7,03
4,44
177,83
86,00
34,16
16,15
23,09
2,94
17,04
14,74
11,29
9,78
4,52
81,38
93,64
37,66
25,79
35,10
36,30
28,48
58,80
22,51
46,65
27,11
24,53
26,86
35,41
16,50
18,20
60,77
39,21
68,39
8,05
16,48
27,00
13,43
32,78
35,20
7,64
52,20
60,71
29,12
8,45
19,74
40,00
30,69
17,82
11,06
40,70
8,56
10,59
11,13
244,15
125,60
50,34
18,52
30,79
4,48
26,80
17,79
17,00
13,27
8,81
89,80
124,85
51,41
2,95
18,07
20,53
13,87
21,57
13,54
9,78
11,85
18,06
6,83
25,36
8,19
6,40
40,59
21,55
22,15
2,20
7,20
13,02
4,25
16,15
20,82
2,83
17,99
20,53
8,46
3,28
4,82
22,00
10,64
6,07
5,19
16,45
2,40
2,68
0,88
101,47
56,01
22,98
13,41
14,52
1,13
10,00
12,79
7,01
6,35
3,25
62,36
45,15
31,50
S DA X VO M 2 6 .0 2 . 3 6 6 2 , 2 6 | 2 9.01. 3 6 6 8 , 51
letzte 26. 02.
Dividende
29. 01.
30.12.
30.11.
30.10.
30.09.
31.08.
31.07.
Hoch
Tief
(52 Wochen)
–
4,15
4,18
3,76
3,60
3,44
3,73
3,81
3,37
4,50
2,99
0,00
0,00
1,00
0,36
0,00
0,00
1,00
0,00
0,41
0,00
0,61
0,10
3,00
1,00
0,00
0,00
0,30
0,70
2,00
0,48
0,85
2,50
0,46
0,00
0,60
0,40
0,17
0,30
1,14
0,80
0,55
0,00
0,00
1,80
0,50
0,15
0,90
0,00
0,80
0,50
4,40
0,00
0,80
–
0,50
0,19
0,37
0,30
0,19
8,10
1,53
21,04
36,18
7,09
12,00
25,40
3,98
7,28
1,85
38,70
2,65
28,07
18,40
6,90
3,49
8,18
16,00
45,00
9,22
24,21
38,69
26,27
5,86
29,10
14,48
3,87
12,01
66,00
12,20
14,72
11,89
10,40
122,00
9,21
8,04
31,20
2,73
23,60
15,70
78,74
4,17
8,24
2,26
26,00
4,10
5,05
10,75
8,84
8,16
1,45
22,36
37,16
7,05
12,17
22,80
4,31
6,85
1,87
36,64
2,62
29,5
17,98
7,36
3,38
8,90
15,75
43,95
8,50
22,90
37,45
26,80
8,85
31,53
13,70
4,11
11,10
64,10
12,27
14,92
11,63
11,53
123,35
9,99
7,40
31,08
3,13
23,64
15,21
76,10
4,40
8,76
2,40
27,49
4,40
5,20
10,74
8,95
7,50
1,45
21,90
34,42
7,02
9,44
22,60
4,35
6,61
2,00
34,14
3,05
27,61
17,09
6,70
3,39
8,15
17,00
41,50
9,07
22,57
35,60
24,13
6,05
29,50
14,98
4,06
10,65
68,83
12,00
13,40
11,40
11,95
119,50
9,00
7,40
30,94
3,06
21,94
14,30
75,05
4,50
7,15
2,37
29,00
4,00
5,47
11,50
8,20
7,68
1,54
19,76
33,60
7,04
8,95
22,81
4,61
6,02
1,90
33,00
3,20
24,01
16,88
6,59
3,07
8,23
15,26
41,30
9,60
20,53
36,86
23,10
6,01
26,75
14,53
4,09
9,20
67,21
12,20
12,49
11,50
10,81
112,93
8,65
8,00
31,35
3,69
22,74
12,71
72,60
4,04
7,47
1,95
28,53
3,78
5,95
10,75
9,06
7,52
1,53
18,00
40,90
7,55
8,61
23,37
4,25
5,86
1,72
34,13
3,09
22,44
15,55
7,71
3,20
8,46
14,65
42,00
9,68
21,62
37,60
21,52
6,70
26,31
15,19
3,73
8,46
66,37
11,80
12,62
11,67
10,05
112,59
8,74
7,13
0,00
3,80
18,90
13,70
70,89
4,10
7,48
1,72
27,70
3,87
5,60
9,40
8,23
7,88
1,90
17,75
41,25
6,64
8,75
23,77
4,28
6,65
2,02
30,96
3,60
19,47
16,18
6,74
3,48
8,95
12,90
42,60
8,35
22,67
39,50
23,66
6,75
27,02
15,13
4,00
8,90
62,00
11,63
13,74
12,76
10,36
119,00
10,64
7,33
30,83
3,59
20,66
14,16
71,70
3,10
8,61
1,50
25,82
3,96
5,70
9,23
8,34
6,61
1,80
16,90
44,00
4,03
8,08
24,59
3,27
6,13
1,85
29,89
3,00
19,70
15,45
12,36
3,48
6,71
12,20
43,00
8,50
19,55
38,05
21,28
6,16
25,30
16,07
3,88
8,83
57,50
11,45
13,18
13,19
11,51
116,96
9,99
7,99
31,32
3,09
18,80
14,30
61,20
3,32
8,91
1,14
24,23
3,86
4,42
9,67
8,53
5,61
2,25
13,89
41,59
4,30
8,40
25,00
2,73
6,07
1,85
28,60
2,83
18,75
15,00
10,65
3,36
4,95
10,40
40,49
8,75
18,05
37,00
16,20
6,20
25,00
12,00
3,70
8,39
57,34
9,99
10,04
9,20
10,49
119,61
8,50
8,02
31,22
2,98
16,69
13,84
64,00
2,85
8,73
1,03
20,00
4,08
4,37
7,97
6,10
8,50
2,79
24,50
45,23
9,19
13,18
27,75
5,10
7,50
2,65
39,09
3,82
30,40
19,36
10,09
3,80
9,95
18,68
47,00
10,81
24,88
43,35
28,80
7,50
32,11
16,85
4,58
12,80
16,55
13,70
15,90
13,85
13,42
130,15
11,42
8,80
33,99
4,25
25,81
17,40
81,00
4,97
9,32
2,72
32,35
4,83
6,75
11,95
9,54
2,88
0,91
12,20
24,55
1,84
6,05
12,80
2,42
4,55
1,62
19,10
2,45
11,83
8,63
4,51
1,70
2,81
7,14
35,00
6,70
13,80
30,60
13,67
2,45
19,68
7,60
3,53
5,75
0,62
7,80
6,58
6,06
8,70
88,23
6,86
5,05
29,60
1,25
7,89
6,34
45,80
1,21
5,00
0,36
7,61
2,71
3,10
5,39
4,31
ENERGIE & EFFIZIENZ
MÄRZ 2010
WirtschaftsKurier
17
Mit Kohle Strom erzeugen
Die Sonne wird es richten
Viele Fische geben einen Wal
Vorratshaltung ist gefragt
Die EnBW will als großer Energieversorger unabhängiger von Zukäufen werden und investiert
Milliarden in eigene Kraftwerke.
Seite 18
Ohne Solarstrom können wir den Energiebedarf nach Abschalten der Atomkraftwerke nicht
decken, führt Solar Millennium aus.
Seite 18
Wenn die Verbraucher Minikraftwerke im Keller
betreiben, können diese – virtuell vernetzt –
ein ganzes AKW ersetzen.
Seite 19
Damit regenerative Energien optimal eingesetzt
werden können, müssen adäquate Speicherlösungen gefunden werden.
Seite 20
Kriegskasse bleibt wohlgefüllt
RWE | Nach Übernahme der Essent ist der Versorger zu weiteren Zukäufen bereit
VON HANNSJÖRG LAWRENZ
D
iese Meldung dürfte die
Strom- und Gaskunden des
Energiekonzerns RWE freuen:
Die Preise bleiben bis zur Jahresmitte
stabil, immer wieder in der Öffentlichkeit diskutierte mögliche Preisanhebungen wird es im ersten Halbjahr
2010 nicht geben. Das kündigte Konzernchef Jürgen Großmann bei der
Vorlage der Jahreszahlen 2009 an. Zuletzt hatte RWE im April vergangenen
Jahres an der Preisschraube gedreht.
Das war vielleicht auch der Anlass,
dass der zweitgrößte deutsche Energieversorger aus Essen im vergangenen Jahr 200 000 Stromkunden verloren hat. Doch besonders fällt dieser
Rückgang nicht ins Gewicht, denn die
Vertriebstochter eprimo hat über
290 000 neue Abnehmer gewonnen,
sodass der Konzern nunmehr 6,8 Mio.
Abnehmer beliefert. Der „Energiediscounter“ eprimo selbst versorgt inzwischen 626 000 Stromkunden. Zufrieden zeigte sich Großmann mit der
Verlängerung von auslaufenden Verträgen vor allem mit Stadtwerken.
Über 90 % dieser Großabnehmer würden ihrem Versorger die Treue halten.
Dem Vertrieb und damit dem Marktgeschehen widmet RWE besondere Beachtung. So wurde soeben mit SmartLine vom Vertrieb und den Regionalgesellschaften ein neuer Stromtarif
eingeführt, bei dem ausschließlich der
Verbrauch abgerechnet wird und die
sonst üblichen Grundgebühren entfallen. Vertriebserfolge verzeichnete auch
der Gasbereich. So sind 36 000 Neukunden gewonnen worden. Doch trotz
steigender Abnehmerzahl sanken der
Strom- und Gasverbrauch insgesamt.
Der Stromabsatz reduzierte sich um
11 %, was auf einen höheren Fremdbezug zurückzuführen ist. Denn RWE
RWE-KONZERN
2009
Geschäftsjahr
in Mio. Euro
Umsatzerlöse
Betriebliches Ergebnis
Nettoergebnis
Investitionen
Operating Cashflow
Ergebnis je Aktie (in Euro)
Dividende (in Euro)
Mitarbeiter
Atomkraft ist im Augenblick erforderlich, soll aber eine Zwischenlösung sein, so RWE.
verkaufte seinen im vergangenen Jahr
produzierten Strom als Termingeschäft
schon vor Jahren. Wird der bereits verkaufte Strom dann abgerufen, werde
aktuell entschieden, ob der Versorger
auf die Leistungen in eigenen Kraftwerken zurückgreife oder den Bedarf
am Markt kaufe. Häufig sei der aktuelle
Fremdstrom preiswerter als das Hochfahren eigener Kraftwerke. Diese flexible Handhabung beschere dem Konzern mitunter Millionengewinne.
„Ohne Berücksichtigung dieses lukrativen Handelsgeschäfts“, so Großmann, „war der Absatz stabil.“ Bereits
jetzt seien mehr als 70 % der Stromerzeugung für 2011 und mehr als 30 %
für 2012 verkauft. Der Gasabsatz sank
um 7 %, wurde aber durch die erst-
malige Konsolidierung der neuesten
Akquisition Essent mehr als kompensiert. Damit lag der gesamte Gasabsatz
knapp über dem Vorjahreswert.
RWE schloss das vergangene Jahr
mit einem um 4 % auf 7,1 Mrd. Euro
gestiegenen betrieblichen Ergebnis ab.
Das nachhaltige Nettoergebnis stieg
um 5 % auf 3,5 Mrd. Euro und ermöglicht eine Spitzendividende von 3,50
Euro je Aktie. Im Jahr zuvor waren
noch 4,50 Euro gezahlt worden, allerdings mit Sondereffekten aus dem Verkauf von American Water. Unverändert
werde mittelfristig die Ausschüttungsquote von bis zu 60 % des Nettoergebnisses angesetzt, sodass die Aktionäre
mit mindestens stabiler Dividende
rechnen könnten.
2008
47 741 48 950
7 090 6 826
3 571 2 558
15 637 5 693
5 299 8 853
6,70
4,75
3,50
4,50
70 726 65 908
Foto: RWE
Ohne Unternehmenszukäufe erhöhte sich die Zahl der Mitarbeiter um
knapp 1 000, unter Berücksichtigung
der Konsolidierungseffekte sogar um
4 800 auf 70 700 Mitarbeiter weltweit.
Für die kommenden Jahre prognostizierte der Vorstand eine Beibehaltung
der veranschlagten Investitionen von
7 Mrd. Euro jährlich. Die im Rahmen
des Programms zur Effizienzsteigerung
geplante jährliche Steigerung des
nachhaltigen Nettoergebnisses von
10 % halbierte er jedoch in seiner Vorschau. Als Grund nannte er neben der
Wirtschaftskrise vor allem die veränderte staatliche Zuteilung von CO²-Zertifikaten, die ab 2013 nicht mehr kostenlos seien. Dennoch werde das Nettoergebnis über dem von 2009 liegen,
sagte Großmann. Statt diese nur von
wenigen Unternehmen zur Schau getragenen Offenheit für die Zukunftserwartungen zu honorieren, ließen die
Börsianer den RWE-Kurs abschmieren.
Dieses Beispiel zeigt wieder deutlich,
dass die Finanzwelt noch immer nicht
von ihrem gnadenlosen Wachstumsdenken ohne Rücksicht auf aktuelle
Ereignisse abgerückt ist.
RWE präsentierte sich mit seinen
Ergebnissen als „Fels in der Brandung“
wohl auch deshalb, weil die internationale Krise das operative Geschäft
weniger betrifft und der Konzern selbst
stabil aufgestellt ist. Noch internationaler wird er durch den Kauf von
Essent, nach Ansicht von Großmann
idealer Partner in der Stromerzeugung,
im Vertrieb, bei erneuerbaren Energien und im Energiehandel. Mit einer
„Kriegskasse“ von rund drei Mrd. Euro
sieht sich RWE auch künftig in der
Lage, jederzeit Unternehmensübernahmen zu finanzieren.
Fest steht der Konzern zu seiner Auffassung, dass Atomkraft im Augenblick
erforderlich ist, aber nur als Zwischenlösung angesehen werden sollte. Ohne
Atomkraft sei keine Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Daher will RWE
den Meiler Biblis Ende März wieder
ans Netz anschließen. Bis 2025 sollen
Atomkraftwerke 30 % der RWE-Stromerzeugungskapazitäten liefern, ebenso
viel soll die Windkraft beitragen und
15 % die Sonne. Dann sollen bis zu
75 % der Stromerzeugung bei RWE
CO²-frei oder CO²-arm sein. Um bis dahin die Leistung der Kernkraftwerke
auf einen Anteil von 15 % zu reduzieren, sei eine Laufzeitverlängerung der
17 deutschen sicheren Kernkraftwerke
erforderlich, um die anderen Energieträger auszubauen. Bis 2013 will RWE
rund 18 Mrd. Euro in Wachstumsprojekte investieren. Davon profitieren die
erneuerbaren Energien allein mit 5,7
Mrd. Euro. Für den Übergang benötige
Deutschland die Kernenergie als klimafreundliche und preisdämpfende
Technologie, sagte Großmann.
Was sind Ideale ohne Taten?
Wie viel Unterstützung brauchen Unterstützer?
In einer Gemeinschaft gibt man seine
Energie an andere.
Einstieg in den deutschen Markt
Energie Allianz Austria | Österreichischer Energiehändler auf Expansionskurs
D
er deutsche Strom- und Gasmarkt sei groß genug für einen
weiteren Anbieter, entschied
Christian Wojta, Geschäftsführer der
Energie Allianz Austria (EAA). Bereits
nach kurzer Zeit hat der mit 3,2 Mio.
Kundenanlagen und einem Umsatz
von über zwei Mrd. Euro größte Energievertrieb für Strom und Erdgas in Österreich Fuß vor allem bei 8 000 Privatkunden in Süddeutschland und 1 600
Großkunden im Rheinland gefasst. Jetzt
will EAA, die zu je 45 % der Wien Energie GmbH sowie der EVN AG gehört
(weitere Anteile halten die BEWAG und
die BEGAS aus dem Burgenland), weiter in Deutschland expandieren.
Basis ihrer Entwicklung in kleinen
Schritten soll das siebenköpfige Team
der Niederlassung in Essen sein. Ein
weiteres Büro besteht in Leipzig, die
Eröffnung einer Repräsentanz in Stuttgart sei in Kürze geplant. „Wir haben
uns für einen Einstieg in Deutschland
entschieden, um zunächst eigene
Großkunden auf deren Weg in die Bundesrepublik zu begleiten, aber auch
weil hier die europäische Liberalisierung am weitesten fortgeschritten ist
und der Grenzübertritt die wenigsten
Hürden bietet“, sagte Wojta auf der
diesjährigen Messe E-world energy &
water in Essen. Auf dieser Messe ist
gleich im ersten Anlauf der neue
eigenständige Ausstellungsbereich
„smart energy“ sowohl bei Besuchern
wie Ausstellern gut angenommen worden. Auf dieser neuen Kommunikationsplattform, auf der wichtige Zukunftsthemen der Branche wie Ener-
gieeffizienz, erneuerbare Energien,
Smart Metering oder Elektromobilität
in den Fokus der Betrachtung gerückt
werden, präsentierten sich 30 Unternehmen mit ihren innovativen Produkten und Dienstleistungen.
Mit einem strukturierten stufenwei-
Christian Wojta, Geschäftsführer
der Energie Allianz Austria. Foto: EAA
sen Markteintritt will EAA nun in allen
Kundensegmenten als Komplettanbieter mit Qualitätsanspruch zunächst in
Süddeutschland wachsen. Ziel des Unternehmens ist es, bis 2011 insgesamt
3,5 Terawatt (TWh) zu liefern und dann
ab 2013 jährlich um 1,8 TWh zu wachsen. Bei Gas sollen ab 2011 jährlich 500
Gigawatt zu den deutschen Kunden
strömen. Mit diesen Vorgaben bleiben
die Pläne zunächst noch überschaubar,
entsprechen beim Strom jedoch immerhin der Hälfte des Stromverbrauchs
von Wien. Basis des Einstiegs in
Deutschland sei das große Know-how
als erfolgreicher Energiehändler, der
auf eine hohe Transparenz bei der
Preis- und Produktgestaltung setzt.
Dazu gehören ebenfalls, so Vertriebsleiter Johann Mayer, der auch für den
Bereich Deutschland verantwortlich
ist, die drei Tochterunternehmen
switch (Online-Diskontvertrieb, atomstromfrei), Naturkraft (Ökostrom) sowie Erdgas Mobil. Die EAA selbst setzt
auf zertifizierte Wasserkraft. Naturkraft
lässt ihren etwa 15 % teureren Ökostrom
zertifizieren. Zahlenmäßig den höchsten Zuwachs soll switch bei Strom und
Gas erzielen, denn bis 2013 soll die Zahl
der belieferten Kunden auf 80 000 steigen, 16 000 davon für Erdgas.
Schwerpunkt der Tätigkeiten der
EAA liege auf einer intensiven Kundenberatung, sodass maßgeschneiderte
Angebote erstellt werden könnten. Als
Spezialanbieter bleibe EAA der Ehrlichkeit verpflichtet und verzichte so
bewusst und auch im Gegensatz zu anderen Wettbewerbern auf sprunghafte
Zuwächse. „Wir ziehen ein nachhaltiges Wachstum dem schnellen vor“,
sagte Wojta.
Beim Energieeinkauf durch Großkunden hat Mayer in den vergangenen
Jahren eine Trendumkehr beobachtet.
So zähle mittlerweile die Beschaffungsstrategie mehr als der Energiepreis
selbst, der durch die Börse ohnehin
transparent ist. Privatkunden setzten
vor allem auf das Thema Sicherheit, da
es im Markt ein „Kommen und Gehen“
von Anbietern gebe.
law
Alle Partner des Thüga-Netzwerks engagieren sich in
ihrer Region für eine zuverlässige Versorgung mit Strom,
Gas, Wasser oder Wärme. Doch die 19.200 Mitarbeiter
leisten noch mehr: Viele von ihnen investieren ihre persönliche Energie in ein soziales Projekt in den Städten und
Gemeinden, in denen sie leben. Das unterstützen wir mit
der Initiative „EFA – Energie für andere“. Interessiert?
Mehr Informationen erhalten Sie unter: www.thuega.de
18
MÄRZ 2010
ENERGIE & EFFIZIENZ
WirtschaftsKurier
Hohe Investitionen in eigene Kraftwerke
EnBW | Versorger will Zukauf von Strom weiter drosseln
VON KLAUS G. WERTEL
N
ach einem 2009 erreichten Investitionsrekord von 4,4 Mrd.
Euro will die EnBW Energie
Baden-Württemberg AG im DreiJahres-Zeitraum 2010 bis 2012 weitere
7,9 Mrd. Euro in Kraftwerke, Netze
und weitere Beteiligungen investieren.
Der Vorstandsvorsitzende des, nach
Stromabsatz, drittgrößten deutschen
Energieversorgers, Hans-Peter Villis,
begründete die Fortsetzung dieses finanziellen Kraftakts auf der EnBW-Bilanzpressekonferenz in Karlsruhe mit
dem „Ziel, unsere Erzeugungslücke zu
schließen“. Die EnBW will ihre Abhängigkeit von Stromkäufen bei Dritten
und an den Energiebörsen mit ihren
stark schwankenden Preisen weiter reduzieren. Die Kehrseite: Die Nettoschulden, bereits 2009 um 34 % auf
9,1 Mrd. Euro gestiegen, werden wohl
weiter wachsen.
Rund 1,5 Mrd. Euro des Investitionsplans 2010 bis 2012 sind für den Ausbau „konventioneller Erzeugungsanlagen“ vorgesehen: Schwerpunkte sind
die Fertigstellung des 2008 begonnenen Neubaus des 900-MegawattSteinkohleblocks „RDK 8“ im Kraftwerk
Karlsruhe sowie der voraussichtlich
noch 2010 beginnende Bau des „GKM
9“ genannten Steinkohlekraftwerks im
Großkraftwerk Mannheim, von dessen
1,2 Mrd. Euro Baukosten die EnBW –
gemäß ihrem Anteil an der GKM-Gesellschaft – 32 % schultern muss.
Ebenfalls rund 1,5 Mrd. Euro will
EnBW in den Neu- und Ausbau von
„erneuerbaren Energien“ investieren:
Ein Schwerpunkt ist die voraussichtlich im Sommer 2010 fertiggestellte,
fast vollständige Erneuerung des Laufwasserkraftwerks Rheinfelden am
Hochrhein: Für insgesamt 400 Mio.
Euro wird die Kapazität dieses Kraftwerks von ehemals 25 Megawatt auf
100 Megawatt vervierfacht. Ein zweiter
Schwerpunkt sind der Kauf und der
Neubau von Windkraftwerken – insbesondere Offshore-Windanlagen in
Nord- und Ostsee. Villis bekräftigte in
diesem Zusammenhang das Ziel, den
– bisher fast nur aus Wasserkraftstrom
bestehenden – Anteil der erneuerbaren Energien an der EnBW-Stromerzeugung von derzeit 10 % bis 12 % auf
20 % im Jahr 2020 erhöhen zu wollen.
1,6 Mrd. Euro sollen in den Erwerb
und Ausbau von Erdgas-Strukturen
fließen. Im Mittelpunkt stehen dabei Erdgasspeicher und Netze. Rund
1 Mrd. Euro sind für „Wachstumsprojekte im In- und Ausland“ vorgesehen.
Wasserkraft gehört zu den wichtigen „grünen“ Energien von EnBW – im Bild das Werk Rheinfelden.
Insgesamt 2,3 Mrd. Euro sind im
EnBW-Investitionsplan bis 2012 für
„Erhalt und Optimierung“ bestehender Einrichtungen und Geschäftsfelder
sowie für den Aufbau neuer Energiedienstleistungen vorgesehen. Ein erheblicher Teil dieser Mittel wird wohl
für die Ertüchtigung und Modernisierung der Stromnetze sowie der Steuerung der Stromversorgung benötigt.
Der wachsende Anteil der – schwankenden – Windkrafterzeugung stellt
auch die Netz- und Kraftwerksbetreiber in Süddeutschland vor Herausforderungen in der Bereitstellung von
Ausgleichs- und Regelenergie.
Ein denkbares Großinvestment
könnte die EnBW freilich sehr zeitnah
zu einer erheblichen Ausweitung ihrer
mittelfristigen Ausgabenplanung veranlassen: EnBW „sondiert“ derzeit die
Möglichkeiten eines Einstiegs bei der
Evonik Steag GmbH. Die Steag gilt mit
ihren elf inländischen und drei ausländischen (Kohle-)Kraftwerken und
einer Kraftwerkskapazität von 10 000
Megawatt als fünftgrößter deutscher
Stromerzeuger, verfügt aber über keine
eigenen Stromnetze. Für die EnBW
böte ein Einstieg bei Steag die Chance,
ihre gegenwärtig rund 16 000 Megawatt Erzeugungskapazität gewissermaßen auf einen Schlag massiv auszuweiten und die von Villis beklagte
„Erzeugungslücke“ zu schließen. Die
Steag-Mutter – der Mischkonzern
Evonik Industries AG – hat bereits die
Bereitschaft zu einem Teilverkauf der
Kraftwerkstochter Steag erklärt, spricht
bislang allerdings nur von möglichen
„Minderheitsbeteiligungen Dritter“.
Villis ließ keinen Zweifel daran, dass er
mit Evonik über eine Mehrheitsübernahme verhandeln will: „Wir sind
keine Coupon-Schneider – eine reine
Finanzbeteiligung ohne unternehmerischen Einfluss werden wir nicht eingehen.“ Schon 2002 war eine EnBWBeteiligung an Steag am mangelnden
Verständnis des EnBW-Aktionärs EDF
(Electricité de France) für die industrielle Logik des Deals gescheitert.
Strategische Beteiligungen
Im Vorjahr floss gut die Hälfte der
EnBW-Investitionen von insgesamt
4,4 Mrd. Euro in „strategische Beteiligungen“ sowie den Zukauf von Anteilen und Strombezugsrechten an bestehenden Kraftwerken: Den größten
Einzelposten machte dabei mit rund
2 Mrd. Euro der Erwerb eines 26 %-Anteils an der Oldenburger EWE AG aus.
Die bis zum EnBW-Einstieg allein von
Landkreisen und Städten gehaltene
EWE AG gilt mit ihren 5,3 Mrd. Euro
Umsatz (2008) und mehr als 1,5 Mio.
Strom-, Gas- und Telekommunikations-Kunden als Nummer fünf unter
den deutschen Energieunternehmen.
Zum Vergleich: Die EnBW AG erwirtschaftete 2009 einen Umsatz von
Foto: EnBW
15,6 Mrd. Euro (4,5 % weniger als 2008)
und versorgt – einschließlich der Tochter Yello – mehr als sechs Mio. Kunden.
Villis betonte die „große Bedeutung
der strategischen Partnerschaft“ mit
EWE. Konkrete Planungen gebe es für
den Bau konventioneller Kraftwerke
und von Windkraftanlagen. Außerdem
planten EnBW und EWE den Bau zusätzlicher Erdgasspeicher und ErdgasVerteilnetze.
Mit ihrem Einstieg bei EWE verfolgte
die EnBW noch ein anderes strategisches Ziel: Die EWE ist mit 47,9 % größter Einzelaktionär an dem europaweit
tätigen Gasimporteur Verbundnetz
Gas AG (VNG) aus Leipzig. EnBW hatte
gehofft, zunächst die EWE-Anteile an
der VNG erwerben und diese später
auf eine Mehrheit aufstocken zu können, um auf diese Weise einen direkten
Zugang zu Erdgas-Importen zu erlangen. VNG (aus dem DDR-Kombinat
VEB Verbundnetz Gas hervorgegangen) ist – nach E.ON Ruhrgas und Wingas – der drittgrößte deutsche Erdgaskonzern und verfügt über eigene Importstrukturen, insbesondere für Erdgas aus Russland und Norwegen, sowie
über erhebliche Speicherkapazitäten.
Das Bundeskartellamt hat zwar eine
Übernahme des EWE-Anteils an der
VNG durch die EnBW – unter Auflagen
– genehmigt. Die übrigen VNG-Teilhaber haben sich aber gegen eine Mehrheitsübernahme durch EnBW verbün-
det. Die Verbundnetz Gas Verwaltungsund Beteiligungsgesellschaft (VUB) –
sie verwaltet für zehn ostdeutsche
Stadtwerke 25,8 % der VNG-Anteile –
hat für sich ein Vorkaufsrecht durchgesetzt. Auch die Konkurrenten von
EnBW und EWE im VNG-Aktionariat –
die russische „Gazprom Germania“
und die Wintershall AG – wünschen
keine Mehrheitsübernahme durch
EWE oder EnBW. Vor diesem Hintergrund ließ der EnBW-Chef die Frage nach einer Übernahme der bislang vom Partner EWE gehaltenen
47,9 %-Beteiligung durch die EnBW offen: Zunächst solle mit kommunalen
Miteigentümern über gemeinsame
Unternehmensstrategien gesprochen
werden. „Wir sind bei VNG herzlich
willkommen – nur nicht als Mehrheitsaktionär“, so Villis.
„Auf dem Prüfstand“ stehen ein möglicher Verkauf des 36 %-EnBW-Anteils
an der EVN AG (Energieversorgung
Niederösterreich) und ein Ausstieg aus
der MVV Energie AG (15,1 %). Der Verkaufswert des EnBW-Anteils an Österreichs zweitgrößten Energieversorger
wird auf rund 1 Mrd. Euro geschätzt –
eine Veräußerung der Minderheitsbeteiligung an der Mannheimer MVV und
deren Stadtwerke-Verbund könnte
nach derzeitigem Börsenkurs weitere
300 Mio. Euro einbringen.
Eine wichtige Frage zur Zukunft der
EnBW wird derzeit öffentlich nicht diskutiert: Der Mitte 2000 wirksam gewordene Konsortialvertrag zwischen den
beiden mit einem Anteil von jeweils
exakt 45,01 % gleich starken Hauptaktionären Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke OEW (ein
Zusammenschluss von neun süd- und
ostwürttembergischen Landkreisen)
und (dem französischen Staatskonzern) Electricité de France (EDF) läuft
im Sommer 2011 aus. Was danach
kommt, gilt als völlig offen.
Die Hoffnungen der EDF, die Mehrheit an der EnBW erwerben zu können, haben sich zerschlagen, seit die
OEW vor vier Jahren ihren Anteil an
der EnBW ebenfalls auf das von der
EDF leise von 34 % auf 45,01 % aufgestockte Niveau angehoben hat. Seither
gab es immer wieder Hinweise darauf,
dass EDF ihren Anteil an der EnBW zur
Disposition stellen könnte.
TAUSCHGESCHÄF TE Z WISCHEN ENBW UND E .ON
Einen bemerkenswerten Interessenausgleich haben der Branchenprimus E.ON AG und der dritte der großen deutschen Energieunternehmen,
die EnBW AG, besiegelt: E.ON tritt an
EnBW dauerhaft Bezugsrechte aus
E.ON-Kernkraftwerks-Beteiligungen
in Höhe von 800 Megawatt ab – dafür
übernimmt E.ON bisherige Bezugsrechte in gleicher Größenordnung,
die die EnBW bislang an französischen EDF-Kernkraftwerken hielt. Die
Electricité de France (EDF) hat dem
Austausch zugestimmt.
Konkret überträgt die E.ON AG Bezugsrechte von insgesamt 800 Megawatt an ihren Beteiligungen an
den Kernkraftwerken Gundremmingen (Bayern) und Krümmel (Schleswig-Holstein) auf die EnBW AG. An
den Blöcken Gundremmingen B und
C (Nennleistung jeweils 1 344 Megawatt) hält E.ON 25 % – 75 % gehören RWE. Nach bislang geltendem
Atomrecht verfügen die beiden Siedewasserreaktoren in Gundremmingen
noch über „Restlaufmengen“ bis etwa 2016. Das Kernkraftwerk Krümmel
(Nennleistung 1 402 Megawatt) gehört
zu je 50 % E.ON und Vattenfall Europe. Die „Restlaufmenge“ von Krümmel reicht noch bis etwa 2019.
Im Gegenzug überträgt die EnBW AG
ihre Bezugsrechte von ebenfalls 800
Megawatt aus den EDF-Kraftwerken
Fessenheim (Elsass) und Cattenom
(nahe Luxemburg) auf E.ON. Diese
Bezugsrechte sind die „Verzinsung“
aus einer Mitfinanzierung des Baus
der beiden EDF-Kernkraftwerke, die
die ehemalige Badenwerk AG – eines
der Vorläuferunternehmen der EnBW
AG – geleistet hatte.
Hintergrund dieses ungewöhnlichen
Tauschgeschäfts sind höchst unterschiedliche Interessenlagen: E.ON
hat sich unter dem kartellrechtlichen
Druck der EU-Kommission zur Reduzierung ihrer deutschen Kraftwerkskapazitäten um insgesamt 4 800 Megawatt bereiterklärt. Zum anderen hat
E.ON im Zuge einer Internationalisierungsstrategie Interesse an eigenen
Erzeugungskapazitäten auf dem französischen Markt. Die EnBW hat wiederum dringenden Bedarf an preiswertem Ersatzstrom für die beiden
älteren der insgesamt vier Kernkraftwerksblöcke in Baden-Württemberg.
Nach bisheriger Rechtslage droht
Block 1 in Neckarwestheim (840 Megawatt) noch 2010 die Stilllegung. Bei
Block 1 in Philippsburg (926 Megawatt) wäre dies 2012 der Fall.
kw
Atom-Befürworter sieht Zukunft in der Sonne
Solar Millennium | Neuer Vorstandschef plant weitere solarthermische Kraftwerke
VON ULRICH KIRSTEIN
D
ie Pressekonferenz der Solar
Millennium AG aus Erlangen
wurde mit besonderer Spannung erwartet. Die – für das mittelständische Solarunternehmen –
durchaus respektablen Zahlen mit rasantem Wachstum bei Umsatz und Ertrag waren dafür jedoch weniger verantwortlich als der „Amtsantritt“ von
Prof. Dr. Utz Claassen, vormals Vorstandschef der ungleich größeren
EnBW Energie Baden-Württemberg.
Claassen gab sich sichtlich zufrieden
über seine Wirkungsmöglichkeiten bei
dem Solarunternehmen, schwärmte
von den motivierten Mitarbeitern „voller innerer Hingabe“ und den vielen
Initiativbewerbungen, die zeigten, dass
hinter dem Unternehmenserfolg auch
ein ideologischer Impetus herrsche.
Apropos Ideologie: Der ehemalige und,
wie er betonte, noch immer ausdrückliche Befürworter der Kernenergie
machte deutlich, dass er keinesfalls
vom Atom-Saulus zum grünen Paulus
bekehrt worden sei, sondern schon
immer die Solarthermie zur quasi
legitimen Ablösung der Kernkraft als
Brückentechnologie empfohlen habe.
So ließ er sich mit einem Satz aus dem
Jahr 2006 zitieren, als er auf dem ersten Deutschen Klimakongress in Berlin, damals noch in seiner Eigenschaft
als EnBW-Chef (und Atomkraftbetreiber), sagte: „Wir müssen den Strom,
der in Berlin, London oder Moskau
verbraucht wird, in der Sahara oder
der Kalahari gewinnen.“ Damit nahm
Claassen geradezu die Desertec-Mission vorweg, die vorsieht, irgendwann
einmal etwa 15 % des europäischen
Stromverbrauchs mit solarthermischen Kraftwerken aus Nordafrika
zu decken. Auch Solar Millennium gehört – neben ABB, Siemens oder der
Münchener Rück – zu den zwölf Unternehmen der Desertec-Initiative. Wie
dramatisch Claassen die Notwendigkeit nach einer speicherfähigen CO2neutralen und nachhaltigen Energiegewinnung sieht, die er in solarthermischen Kraftwerken optimal erfüllt
sieht, machte er an einigen Zahlen
deutlich: Derzeit gehen in China alle
56 Stunden 500 Megawatt Kraftwerkskapazität ans Netz – gespeist aus Kohlekraft. Wenn China, Indien, Indonesien und Brasilien in etwa unseren
Prof. Dr. Utz Claassen führt seit Jahresanfang die Geschicke der Solar
Millennium.
Foto: Solar Millennium
Prof-Kopf-Lebensstandard und damit
-Energieverbrauch für sich beanspruchen – und wer wollte ihnen das verdenken –, benötigen sie dazu etwa
5 000 neue 500-Megawatt-Kraftwerke.
Niemand kann sich ernsthaft wünschen, so Claassen, dass dieser Bedarf
mit Kohle-, Gas- und/oder Kernkraftwerken gedeckt werden soll. Insofern
kommt Claassen zu dem Schluss: „Die
Zeit ist reif für eine globale solare Energiewirtschaft.“
Hinsichtlich der derzeitigen politischen Diskussion um Laufzeiten der
Atomkraftwerke und Drosselung der
Solarförderung bemerkte Claassen,
dass er dem Umweltminister Norbert
Röttgen hier voll zustimme: Es sei besser, die Solarenergie dort zu fördern,
wo sie am sinnvollsten eingesetzt werden könne, nämlich in südlichen Ländern. Deutschen Unternehmen und
damit auch den Arbeitsplätzen in
Deutschland sei besser mit einer Exportförderung für Spitzentechnologien
geholfen als mit hohen Einspeisevergütungen. Aus der Kernenergie könne
erst ausgestiegen werden, wenn die
regenerativen Energien – und hier vor
allem die Solarthermie – die Versorgungslücke schließen können.
Zum operativen Geschäft der Solar
Millennium AG in diesem und im abgeschlossenen Geschäftsjahr wollte
sich Claassen (noch) nicht äußern, das
oblag Finanzvorstand Thomas Mayer.
Das Unternehmen, das die drei solarthermischen Kraftwerke Andasol 1 bis
3 in Spanien und ein weiteres in Ägypten projektiert und – über die Tochter
Flagsol und in Gemeinschaft mit MAN projektiert werden. Für das laufende
Ferrostaal – auch errichtet, erzielte im Geschäftsjahr rechnet Mayer mit eiGeschäftsjahr 2008/09 (31.09.) einen nem Umsatz von etwa 350 Mio. Euro
Umsatz von 153,3 (32) Mio. Euro und und einem EBIT von 45 Mio. Euro.
Gefragt, ob Solar Millennium aufein EBIT von 31,1 (11,3) Mio. Euro.
grund der großen MögNoch 2010 will Solar
lichkeiten, aber schwieMillennium mit dem
„Die Zeit ist reif rigen Finanzierung von
Bau eines weiteren therfür eine globale Kraftwerken – Andasol 1
mischen
Solarkraftbis 3 verschlangen etwa
werks in den USA besolare Energie1 Mrd. Euro – nicht besginnen und hat dort bewirtschaft.“
ser in einem größeren
reits fünf Standorte auf
Prof. Dr. Utz Claassen,
Konzern aufgehoben
der Fast-Track-Liste für
Solar Millennium
wäre, antwortete Claassich reserviert. Das besen, es sei ja auch gut
deutet, dass die amerikanischen Genehmigungsbehörden möglich, selbst ein größerer Konzern
den Verwaltungsakt beschleunigen zu werden. Dass Unternehmen wie
und dass bis zu 30 % der Investitions- Siemens oder Areva durch die Überkosten vom amerikanischen Staat nahme von Solarunternehmen in
übernommen werden – wenn noch jüngster Zeit ebenfalls genau auf diesem Gebiet tätig werden wollen, zeige
2010 mit dem Bau begonnen wird.
Die Finanzierung der Großprojekte zum einen, dass diese Atomspezialiserfolgt etwa durch den (teilweisen) ten in der Sonne die Zukunft sähen,
Verkauf an Anteilseigner oder durch und stärke überdies den Markt an sich,
die Auflage von geschlossenen Fonds was nur positiv sei. Der Konkurrenzsituation will sich Solar Millennium
oder Unternehmensanleihen.
Schon in nächster Zukunft sollen so- durch Technologieführerschaft und die
larthermische Kraftwerke in Indien, „schnelleren, flexibleren und unterAustralien, China und der MENA-Re- nehmerischen“ Strukturen, so Claasgion (Mittlerer Osten und Nordafrika) sen, stellen.
MÄRZ 2010
ENERGIE & EFFIZIENZ
WirtschaftsKurier
DEZENTRALE ERZEUGUNG
19
Verbraucher werden zu Erzeugern
Dezentrale Energien | 100 000 Kleinkraftwerke sind so stark wie ein Kernkraftwerk
VON ULRICH KIRSTEIN
N
ach einer Studie der IT- und
Unternehmensberatung Accenture vom Januar 2010
wünschen sich 84 % der deutschen
Verbraucher eine dezentralere Energieerzeugung, auch wenn sie dazu
selbst einen Beitrag leisten müssen.
Jeder vierte Immobilienbesitzer – das
dürfte für die Solarbranche interessant
sein – will in den nächsten fünf Jahren
Solarzellen auf seinem Dach installieren, wobei hier die Ankündigungen
von Umweltminister Norbert Röttgen,
die Einspeisevergütung kräftig zu senken, noch nicht „eingepreist“ ist. Jeder
Fünfte plant eine Solarthermie-Anlage
zur Warmwassererzeugung und immerhin 12 % denken über ein MiniBlockheizkraftwerk nach.
Der Wunsch der Bürger nach stärkerer Dezentralisierung bei der Gewinnung von Energie ist sicherlich auch
Ausdruck einer Ablehnung von Großprojekten (von Kohlekraft- bis Atomkraftwerken), aber ebenso der stark
oligopolistisch geprägten derzeitigen
Versorgungssituation einiger weniger
großer Energieversorger und Netzbetreiber.
Stadtwerke wollen
unabhängiger werden
Zu den Gewinnern dieser Dezentralisierungsbewegung zählen zweifelsohne die Stadtwerke, die sich auch werblich als „Stadtwerke für die Bürger“
präsentieren und verstärkt in eine eigene Energieversorgung investieren
wollen. Der Verband kommunaler Unternehmen VKU erinnert daran, dass
Ende 2009 Kraft-Wärme-Kopplungsund Erneuerbare-Energien-Anlagen in
einer Größenordnung von 1 716 Megawatt vonseiten der Stadtwerke bereits
in Bau oder genehmigt sind.
Überdies werden bis Ende nächsten
Jahres rund 2 000 der insgesamt etwa
20 000 Konzessionsverträge für Gasund Stromnetze auf kommunaler und
regionaler Ebene auslaufen. Diese
müssen nicht quasi automatisch mit
den großen Versorgern wie E.ON, RWE,
Vattenfall und EnBW verlängert werden, sondern können mehr und mehr
auch in Eigenregie oder durch Zusammenschlüsse von Stadtwerken betrieben werden.
Zu der derzeit bereits aktiv betriebenen dezentralen Energiegewinnung
zählt – neben den regenerativen Energiequellen Solar- und Windenergie
sowie der Energiegewinnung aus Biomasse – die Kraft-Wärme-Kopplung
Das neue Zauberwort der Energiebranche heißt „Schwarmstrom“. Das ist der Überschuss aus vielen Kleinkraftwerken, der ins öffentliche Netz eingespeist werden kann.
Grafik: Lichtblick
(KWK), bei der sowohl Strom als auch
Wärme gewonnen wird. Großkraftwerke verpuffen die erzielte Wärme – fast
70 % der Energie – weil sie ausschließlich zur Stromproduktion eingesetzt
werden. Da sich Großkraftwerke meist
an Standorten befinden, die verkehrsgünstig oder nahe an fossilen Brennstoffen gelegen sind, wird die Wärme
nicht benötigt. Deshalb findet KWK
überwiegend dezentral statt, dort wo
Strom und Wärme benötigt werden,
in Großkrankenhäusern, Bürokomplexen, Industrie- und Gewerbegebieten
oder Wohnsiedlungen. Die Wärme
kann nicht nur einfach zum Heizen
oder für Warmwasser eingesetzt werden, sondern als Prozesswärme auch
zur technischen Kälteerzeugung oder
zur Drucklufterzeugung für Industriebetriebe genutzt werden. Solche kleineren KWK-Erzeuger sind bisher überwiegend Blockheizkraftwerke (BHKW),
zukünftig aber auch mehr und mehr
Brennstoffzellen. BHKW benötigen
flüssigen oder gasförmigen Brennstoff,
der über Verbrennungsmotoren mechanische Energie erzeugt. Als Verbrennungsmotoren können beispielsweise Mikrogasturbinen, wie sie etwa
Tognum Onsite Energy oder Capstone
Turbine Corp. herstellen, oder Stirlingmotoren (Solo Stirling GmbH) dienen.
Auch der VW-Konzern stellt Gasmotoren in Großserie her, die etwa die
Lichtblick AG in ihren dezentralen ZuhauseKraftwerken verwendet.
Die EnergieAgentur NRW rechnet
zum Beispiel vor, dass der Einsatz von
Kraft-Wärme-Kopplung zu einer Primärenergieeinsparung von bis zu 36 %
führt. Da etwa in Krankenhäusern
knapp 10 % der Sachkosten reine Energiekosten sind und in Deutschland
diese auf rund 1,5 Mrd. Euro in allen
Krankenhäusern hochgerechnet werden, liegt hier ein großes Einsparpotenzial vor.
Die Brennstoffzelle im Kindergarten
Mehr und mehr ins Visier rückt jedoch
inzwischen die Brennstoffzelle, auch
wenn sie sich ganz überwiegend noch
in der Erprobungsphase befindet.
Doch der Status der Brennstoffzelle,
jahrzehntelang „kurz vor der Marktreife“ zu sein, scheint sich allmählich
hin zu tatsächlichen Anwendungen zu
bewegen. Neben Tognum mit der
Tochter MTU Onsite Energy GmbH
Fuel Cell Systems ist hier vor allem die
SFC Smart Fuel Cells AG aktiv, die allerdings vordringlich auf BrennstoffSysteme für den mobilen Einsatzbereich fokussiert ist, sowie die Schweizer Helix AG, die Baxi Innotech GmbH
aus Hamburg oder die Heliocentis Fuel
Cells AG aus Berlin. Wirklich nachhaltig agieren Brennstoffzellen aber erst,
wenn der benötigte Wasserstoff auch
regenerativ erzeugt worden ist. Die
EnBW hat beispielsweise bereits 2006
eine erste Biogas-Brennstoffzelle der
MTU in Betrieb genommen. Die Württemberger sammeln damit Erfahrungen mit Brennstoffzellen im Leistungs-
Mit dem VW im Keller heizen
Lichtblick | Kooperation mit Autohersteller für Minikraftwerke
M
it einer neuen Idee lockt der
Hamburger alternative Versorger Lichtblick AG die Verbraucher: mit dem ZuhauseKraftwerk
auf Gasbasis. Neben der benötigten
Wärme erzeugt das Kraftwerk auch
Strom, der als sogenannter Schwarmstrom dann ins öffentliche Netz gespeist werden kann. Viele solcher dezentraler Versorgungseinheiten könnten dann eines Tages zu einem virtuellen Großkraftwerk vernetzt werden.
Das ZuhauseKraftwerk wurde von
Lichtblick und VW gemeinsam entwickelt und zur Serienreife geführt. Von
VW kommt der Gas-Verbrennungsmotor, der den Generator antreibt, von
Lichtblick die Steuerung. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Gasheizung und einem zentralen Großkraftwerk spart das ZuhauseKraftwerk nach
Lichtblick bis zu 40 % Primärenergie
ein und senkt die CO2-Emissionen um
bis zu 60 %.
„Volkswagen bringt sein millionenfach bewährtes Expertenwissen im
Bau von Pkw-Serienmotoren sowie die
Fähigkeit zur Produktion großer Stückzahlen in diese Kooperation ein“, begründete VW-Vorstand Dr. Werner
Neubauer den Einstieg von Volkswagen in die Kooperation, die LichtblickChef Dr. Christian Friege als „ideal“ bezeichnete.
Im Wald vielleicht nicht am Platz,
aber im Keller: das ZuhauseKraftwerk von Lichtblick.
Foto: Lichtblick
Durch die optimierte Nutzung der
Abgaswärme können die eingesetzte
Primärenergie effizient genutzt und ein
Wirkungsgrad von 92 % erzielt werden.
Die elektrische Leistung des ZuhauseKraftwerks beträgt 20 Kilowatt, die
Wärmeleistung 34 Kilowatt. Der einge-
baute Wärmespeicher sorgt dafür, dass
die Heizung und das Warmwasser auch
an jedem Tag des Jahres funktionieren.
Per Mobilfunk oder DSL-Anschluss
wird die Anlage „intelligent wärmegeführt“ betrieben, so Lichtblick. Das
Kraftwerk bleibt im Besitz von Lichtblick, der Verbraucher schließt einen
Vertrag mit einer Mindestlaufzeit von
zwei Jahren ab. Für Erdgaslieferung,
Stromeinspeisung und Wartung sorgt
Lichtblick. Die Installationskosten
übernimmt – bis auf einen Zuschuss
des Verbrauchers – das Hamburger Unternehmen, dafür erhält der Kunde
einen jährlichen Strombonus für die
Einspeisung ins öffentliche Netz. Aufgrund der wenigen Bauteile kann das
ZuhauseKraftwerk in nur zwei Tagen
beim Kunden installiert werden.
Dass Lichtblick mit dem ZuhauseKraftwerk den Nerv der Zeit getroffen
hat, beweist schon die Tatsache, dass
nur sechs Wochen nach der Einführung 25 000 Kundenanfragen in Hamburg eingegangen sind. Die Stadt Hamburg hatte bereits im September 2009
100 dieser Kraftwerke für Kindertagesstätten, Altenheime oder Wohnungsbaugesellschaften bestellt.
uk
bereich von 250 Kilowatt. Aber auch im
kleineren Leistungsbereich zwischen 1
bis 4,6 Kilowatt hat EnBW inzwischen
mehr als 20 Anlagen im Einsatz – vom
Kindergarten bis zum Gemeindehaus.
Lieferanten waren hier beispielsweise
die Hexis AG und Baxi Innotech.
Da dezentrale Energiequellen – von
den regenerativen Energien bis hin zu
den Blockheizkraftwerken – überschüssige Energie ins Netz stellen
können und sich auch dann für den
Verbraucher erst wirklich rechnen,
müssen die Netze und vor allem das
Management der Netze darauf abgestellt werden. Um dies zu gewährleisten, werden einerseits „intelligente
Netze“ immer notwendiger, andererseits können auch zur besseren Handhabung mehrere dezentrale Energiequellen zu einem „virtuellen Kraftwerk“ verbunden werden. Hier können
sich viele „kleine Erzeuger“ zusammenschließen und dann in Konkurrenz zu den Betreibern großer Kraftwerke treten. Dazu wird eine zentrale
Leitwarte benötigt – die Technik dazu
liefert zum Beispiel Siemens mit dem
Energiemanagementsystem DEMS auf
der Basis modernster Kommunikationsmittel. DEMS zeigt etwa den aktuellen Zustand der Anlagen, erstellt
Prognosen und steuert die Stromerzeugung nach Fahrplan – je nachdem,
wohin der Strom verkauft werden soll.
Aber der Portfoliomanager kann noch
jede Menge weiterer Informationen
abrufen, zum Beispiel welche Kraftwerke gerade Grund- und welche
Spitzenlast fahren, und selbst Wetterdaten können mit einfließen. Der Clou
eines solchen virtuellen Kraftwerks:
Hier können auch ganz unterschiedliche Energieträger wie Windkraftanlagen, Blockheizkraftwerke, Photovoltaik- und Biogasanlagen sowie Kleinwasserkraftwerke zu einem einzigen
Kraftwerk gekoppelt werden. Derzeit
überprüft beispielsweise Siemens gemeinsam mit RWE im Sauerland die
technische und ökonomische „Einsatzreife“ derartiger virtueller Kraftwerke beim Zusammenschluss von
neun kleineren Wasserkraftwerken.
Als „Schwarmstrom“ bezeichnet der
Hamburger Energieversorger Lichtblick die Kombination von 100 000 privaten Kleinkraftwerken zu einem einzigen virtuellen Kraftwerk in der Größe
eines Atomkraftwerks. Gemeinsam
mit VW will Lichtblick diesen Ansatz
durchsetzen, bei dem quasi die einzelnen Energieverbraucher in ihren Haushalten zu Energieerzeugern werden
(vgl. Artikel unten).
Um den künftigen Energie-Mix aus
dezentralen, virtuellen und reellen
Kraftwerken angemessen steuern zu
können, kommt der „E-Energy“ ein
wichtiger Stellenwert zu. Seit 2008
fördert deshalb die Bundesregierung
über das Wirtschaftsministerium und
das Umweltministerium die Sektion
„E-Energy – IKT-basiertes Energiesystem der Zukunft“. Insgesamt flossen
etwa 140 Mio. Euro in den Aufbau von
sechs „E-Energy-Modellregionen“ von
A wie Aachen bis zur „Modellstadt
Mannheim“.
Auch auf der Energy, der Energiemesse im Rahmen der diesjährigen
Hannover Messe, spielt E-Energy eine
wesentliche Rolle. Auf einem eigenen
Kompetenzzentrum E-Energy werden
Hard- und Softwarelösungen aus den
Bereichen Smart Grids, Smart Building
und Energie-IKT präsentiert. Den großen Energieversorgern erwächst aus
den dezentralen Energien zwar einerseits tatsächlich eine immer größere
Konkurrenz bei der Erzeugung, aber
hier sind auch neue Geschäftsmodelle
denkbar und beim Thema Smart Grids
liegt bei ihnen – trotz aller rechtlichen
Trennung von ihren Netztöchtern –
noch immer die Deutungshoheit.
20
DEZENTRALE ERZEUGUNG
MÄRZ 2010
ENERGIE & EFFIZIENZ
WirtschaftsKurier
Schwierige Suche nach intelligenten Lösungen
Energiespeicher | Viele Projekte für die kurze und lange Vorhaltung
speichert. Die Umwandlung in Strom
erfolgt in einem Redox-Flow-Stack, der
im Aufbau einer Brennstoffzelle ähnelt. Die Wissenschaftler arbeiten daran, die geforderte Leistung zu realisieren und diese Technologie mit neuen
Materialien effizienter und langfristig
kostengünstiger zu machen.
Für kleine Einspeiser in netzfernen
Gebieten, wie beispielsweise Solarmodulen auf dem Haus, könnten in Zukunft die heute üblichen Bleibatterien
durch Lithium-Batterien ersetzt werden. Solche kleinen Speicher kommen
zukünftig auch in Elektroautos zum
Einsatz. Die Idee ist, sie als mobile
Speicher ins Netz zu integrieren. Diese
Fahrzeuge beziehen ihre Energie aus
dem Stromnetz und könnten kurzfristig bei Bedarf Energie wieder ins Netz
einspeisen.
VON DR. HANS-DIETER RADECKE
U
nsere Stromversorgung setzt
zunehmend auf regenerative
Energiequellen wie Solaroder Windenergie. Diese Träger sind
aber mit einem Nachteil verbunden:
Sie stehen nicht in konstanter Quantität und Qualität zur Verfügung. Noch
immer bläst der Wind, wann er will,
und wenn er nicht will, nutzt alle Umweltvorsorge nichts: Ein Absinken der
verfügbaren Energiemenge ist schlicht
untragbar, weshalb konventionelle
„Back-up-Kraftwerke“ in Bereitschaft
gehalten werden müssen. Andererseits
wird bei starkem Wind ein Überschuss
an Strom erzeugt, den das Netz und
die angeschlossenen Verbraucher im
Moment gar nicht verkraften können.
Daraus ist messerscharf zu schließen: Es müssen intelligente Technologien her, die durch ein Speichersystem
analog etwa zur Wasserversorgung für
eine gleichmäßige Versorgung mit Qualitätsstrom führen können. Das jedoch
ist schneller gesagt als verwirklicht,
denn die technologischen Herausforderungen sind nicht gering. Eine ganze
Reihe von Projekten, die staatliche
und private Forschungsorganisationen,
Universitäten und alle großen Stromversorgungsunternehmen (allen voran
E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall) mit
der Industrie betreiben, dient dazu,
entsprechende Systeme zu entwickeln
und zur Einsatzreife zu bringen.
Pumpspeicher sind nicht
unendlich verfügbar
Derzeit fungieren vor allem konventionelle Pumpspeicherkraftwerke als
Zwischenlager für überschüssige Energie. Sie pumpen Wasser in hoch gelegene Reservoire. Bei Bedarf fließt das
Wasser von dort durch Turbinen wieder talwärts. Solche Kraftwerke dienen
nicht nur der Bereitstellung von Spitzenlast, sondern werden auch zur
Netzregelung eingesetzt. Allerdings
Kein Ersatz für stationäre Speicher
Druckluftspeicherkraftwerke dienen zur Energiespeicherung nahe am
Stromerzeugungsort.
Grafik: RWE
sind sie mit einer Anfahrzeit im Bereich von mehreren Minuten für eine
reaktionsschnelle Primärregelung zu
langsam. Um einen wirksamen Ausgleich von Netzschwankungen sicherzustellen, sind in Deutschland viel zu
wenig Speicher installiert. Daran wird
sich auch nicht sehr viel ändern, denn
sowohl die Auswahl an Standorten als
auch die Akzeptanz der Bevölkerung
für die Kraftwerke sind begrenzt. Da
ideale Standorte besonders in Gebirgsgegenden liegen, die Windenergie aber bevorzugt in Offshore-Windparks erzeugt werden soll, ist auch die
geografische Entfernung zwischen
Überfluss und Speicher ein Hindernis
für die Nutzung der Technologie.
Energie lässt sich auch in Druckluftspeichern vorhalten. Dazu wird Luft
komprimiert und in unterirdischen
Kavernen gespeichert. Die zu spei-
chernde Energie wird dazu genutzt,
durch den Antrieb von Kompressoren
die Luft in künstlich geschaffenen
Hohlräumen zu verdichten. Durch die
Entspannung der komprimierten Luft
in geeigneten Turbinen wird der Speicher wieder entladen. Druckluftspeicherkraftwerke sind bezüglich Leistungs- und Betriebs-Charakteristiken
sowie im Anwendungsbereich vergleichbar mit den Pumpspeichern. Ihr
Vorteil ist jedoch, dass Kavernen prinzipiell überall verfügbar sind.
Gegenwärtig arbeitet die Forschung
daran, diese Technologie auch für geringere Leistungen und unabhängig
von Kavernen in kleineren dezentralen
Druckluftspeichern zu nutzen, die
dann in der Nähe von Windparks installiert werden und die Leistungsschwankungen ausgleichen könnten.
Ein für die Energiespeicherung durch
Stromverbraucher und -lieferant in einem: Das Elektroauto wird künftig für
eine neue Mobilität der Energie sorgen.
Foto: Daimler
Kompression besonders geeignetes
Element ist Wasserstoff. Bei gleichem
Volumen der Speicherkavernen kann
mit Wasserstoff rund 50- bis 60-mal so
viel elektrische Energie gespeichert
werden wie mit Druckluft. Das Ganze
hat aber einen Effizienzhaken: Wasserstoff muss erst – wiederum mit elektrischer Energie – in Elektrolyseprozessen
erzeugt werden. Rechnet man diesen
Aufwand in die Gesamtbilanz ein, so
kommt man auf einen Wirkungsgrad
von rund 35 %. Projekte wie HyWindBalance (Universität Oldenburg und
verschiedene mittelständische Betriebe) haben gezeigt, dass sich überschüssige Windenergie in der Praxis zur Wasserstoffgewinnung verwenden lässt.
Das Arsenal an Energiespeichermöglichkeiten ist damit noch lange nicht
erschöpft. Es gibt weitere Technologien, insbesondere neuartige Batterien,
um elektrische Energie zu speichern,
aber keine kann alles. Daher gehen die
Forschungsanstrengungen in verschiedene Richtungen. So erklärte Dr. Christian Dötsch, Leiter des Geschäftsfelds
Energiesysteme am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energiesysteme UMSICHT in Oberhausen:
„Wir gehen von der jeweiligen Anwendung aus. Zum Beispiel arbeiten wir an
Kurzzeitspeichern für schnelle Lastspitzen, an Langzeitspeichern und am
Energiemanagement.“
Forschungsschwerpunkte bei UMSICHT sind zwei bisher nicht für große
Leistung genutzte Technologien: Redox-Flow- und Lithium-Batterien. Mit
Redox-Flow-Batterien können große
Energiemengen über Stunden oder
Tage gespeichert werden. Sie bestehen
aus zwei flüssigen Elektrolyten, die in
Tanks lagern. Dort wird die Energie ge-
Aus kleinen Talenten werden große Stars
Alles in allem eine
Erfolgsgeschichte
Ventizz Capital Partners | Private Equity für Cleantech-Unternehmen
VON DR. HELMUT VORNDRAN*
P
rivate Equity bietet CleantechUnternehmen derzeit herausragende Chancen. Wind und
Solarenergie, Wasser und Gesundheit
sind Trends der Zukunft – gerade in
diesen Technologien fallen aber hohe
Entwicklungs- und Markterschließungskosten an. Mehrere eng aufeinander folgende Finanzierungsrunden sind für Unternehmen dieser
Branchen, die wachsen wollen, daher
keine Seltenheit. Viele Mittelständler
verfügen zudem über technologisches
Know-how und Innovationspotenzial,
das sich aber erst mithilfe von zusätzlichem Kapital voll entfalten kann. In
all diesen Fällen können eine PrivateEquity-Beteiligung und der Verkauf
an einen Private-Equity-Fonds nachhaltig helfen, das Wachstum weiter
voranzutreiben. Denn hier gibt es das,
was die Cleantech-Branche am dringendsten benötigt: Kapital.
men erworben und integriert. Ziel ist
es, am Ende eine international erfolgreiche und wettbewerbsfähige Gesellschaft hervorzubringen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Solar-Spezialist Ersol
Solar Energy AG aus Erfurt, den Ventizz
innerhalb von vier Jahren erfolgreich
vom kleinen und unbekannten Solarzellenhersteller zu einem weltweit
Weiterentwicklung der akquirierten
Firmen. Denn es reicht nicht, den Unternehmen einfach nur Finanzmittel
bereitzustellen. Vielmehr ist unternehmerische Kompetenz und umfassende
Branchenkenntnis ein wichtiger Faktor, um Unternehmen und deren
Wachstumschancen im Vorfeld genau
zu analysieren und später wirklich erfolgreich sein zu können. Die Partner
von Ventizz verfügen nicht nur über
unternehmerische Expertise, sondern
auch über jahrzehntelange Erfahrung
im Bereich Cleantech. Das ist für Private Equity übrigens nicht der „Industriestandard“ – im Gegenteil, vielen Gesellschaften fehlt genau dieses Branchen-Know-how.
Zukäufe mit
großem Potenzial
Vom Kleinunternehmen
zum Weltplayer
Dr. Helmut Vorndran von Ventizz Capital unterstützt Cleantech-Firmen
nicht nur finanziell.
Foto: Ventizz
Natürlich sind immer einige Firmen
auch durchaus aus eigener Kraft sehr
erfolgreich. Ein solcher Weg birgt allerdings hohe Risiken, wie zum Beispiel
einen kurzfristigen Liquiditätsengpass. Fehlendes Wachstumskapital bedeutet im Zweifel, den Anschluss an
den Markt zu verlieren, und kann somit schnell zum Fall führen.
Ventizz verfolgt bei ihren PortfolioUnternehmen eine sogenannte „Buy
and Build“-Strategie. Das heißt: Neben
der operativen und strategischen Unterstützung des organischen Wachstums einer Gesellschaft werden zusätzlich passende, das heißt das Geschäftsmodell sinnvoll ergänzende Unterneh-
agierenden und äußerst erfolgreichen
Photovoltaik-Konzern entwickelt hat.
Umsätze und Produktionskapazitäten
von Ersol (heute Bosch Solar) wurden
in diesem Zeitraum um das Zehnfache
gesteigert.
Ventizz betreut heute vier Fonds mit
einem Volumen von insgesamt rund
675 Mio. Euro. In den vergangenen
zehn Jahren haben diese Fonds bereits
in 31 technologieorientierte Wachstumsunternehmen investiert und dabei zahlreiche Erfolge wie die Börsengänge von PV Crystalox Solar plc., SAF
oder Ersol erzielt. Im Fokus steht dabei
immer die strategische und operative
Um für Private Equity interessant zu
sein, muss ein Unternehmen das Portfolio sinnvoll erweitern und bestimmte Grundsätze erfüllen. Die VentizzFonds beispielsweise investieren nur
in Gesellschaften mit einem klaren
Profil und Umsätzen von 20 Mio. Euro
bis 400 Mio. Euro: Das Geschäftsmodell muss sich bewährt haben und das
Unternehmen sollte mit einem erfahrenen Management ausgestattet sein.
Hinzu kommen bewiesene Profitabilität, ein positiver Cashflow und gute
Wachstumschancen. Ein interessantes
Feld sind dabei auch Technologien,
die außerhalb der Cleantech-Branche
entwickelt wurden, dort aber theoretisch gut einsetzbar wären.
Um das Wachstum ihrer Portfoliounternehmen noch gezielter fördern
zu können, wurde 2009 von Ventizz
eine eigene Beratungsgesellschaft gegründet. Diese unterstützt die Geschäftsführungen bei der Optimierung
von Prozessen und Strukturen und begleitet sie beim Eintritt in neue Märkte.
Dazu gehört auch, dass die Führungsteams bei der Ausarbeitung von
zukunftsgerichteten Strategien, Umsetzungskonzepten und der Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle nicht
allein gelassen werden.
Eigene
Beratungsgesellschaft
Zwei Beispiele für Unternehmen im
Bereich Cleantech, die derzeit vom
Know-how von Ventizz profitieren,
sind die dänische SSP Technology und
der Photovoltaikzulieferer Qsil Quarzschmelze Ilmenau. Bei dem Windenergie-Spezialisten SSP handelt es
sich um einen Produzenten von Formen für Rotorblätter. Zudem ist die
Gesellschaft auf Verbindungselemente
spezialisiert, mit denen die Flügel an
der Windkraftanlage befestigt werden.
Hingegen beliefert Qsil die Photovoltaikbranche mit Quarzprodukten. Ihr
proprietäres und einzigartiges Plasma-Schmelzverfahren hat erhebliche
Kostenvorteile gegenüber den herkömmlichen mehrstufigen Produktionsprozessen.
Die langfristigen Aussichten im Bereich erneuerbare Energien sind insgesamt intakt, der Markt wird auch in
Zukunft deutlich schneller wachsen
als die allgemeine Wirtschaft. Experten erwarten für erneuerbare Energien
langfristige jährliche Wachstumsraten
von bis zu 30 Prozent – damit bleibt
dieser Sektor auch in der Zukunft ein
attraktives Betätigungsfeld für Private
Equity.
*Dr. Helmut Vorndran ist Mitgründer
und Vorstandssprecher von Ventizz
Capital Partners, Düsseldorf
Ein Schritt in diese Richtung wird derzeit im „Flottenversuch Elektromobilität“ erprobt, einem Gemeinschaftsprojekt des Bundesumweltministeriums,
von Volkswagen und E.ON sowie Partnern aus Industrie, Universitäten und
anderen Forschungseinrichtungen wie
dem Karlsruher Institut für Technologie. Eingeschlossen in dieses Projekt
ist die Prüfung eines Konzepts zur
Speicherung von elektrischem Strom
aus dem öffentlichen Stromnetz in
Elektro- und Hybridautos und umgekehrt zur Wiedereinspeisung von
Strom ins Netz. Ein Ersatz für stationäre Speicher lässt sich damit jedoch
nicht gewinnen.
Eine Prognose, welche Speichertechnologien sich durchsetzen werden, ist derzeit nicht einfach, denn der
künftige Weg unserer Energieversorgung hängt von vielen Faktoren ab,
nicht zuletzt von den nicht immer vorhersagbaren politischen Vorgaben. An
Speichertechnologien, die in naher Zukunft einsatzfähig gemacht werden
können, mangelt es jedenfalls nicht.
EEG | Zehn Jahre Einspeisevergütung
A
ls die rot-grüne Regierung unter Federführung des damaligen Umweltministers Jürgen
Trittin am 29. März 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) einführte, war die Reaktion in weiten Teilen
der Energiebranche und deutschen
Wirtschaft mehr als verhalten. Doch
heute geben selbst damalige Kritiker
zu, dass der heutige Anteil regenerativer Energien am Gesamtverbrauch
von 10,6 (9,5) % dem EEG zu verdanken ist und auch die deutsche Führerschaft in vielen „grünen“ Technologien. Überdies haben fast fünfzig Staaten weltweit das Gesetz in ähnlicher
Form übernommen.
Die Bundesregierung in ihrer heutigen Farbschattierung steht zwar zum
EEG, allerdings bedeutet die rapide
Senkung der Photovoltaik-Einspeisevergütung um 16 % einen ziemlichen
Eingriff, dem wohl einige deutsche Solarunternehmen mit Blick auf die starke chinesische Konkurrenz zum Opfer
fallen dürften.
Hauptstreitpunkt bis heute ist allerdings, wie viel das Gesetz tatsächlich
gekostet hat und kostet. Die sogenannten Differenzkosten, also der Unterschied zwischen dem garantierten
Strompreis für regenerativ erzeugte
Energie und dem Strom-Großhandelspreis, beliefen sich 2009 auf knapp
5 Mrd. Euro – 2010 sollen es 8,2 Mrd.
Euro sein. Erst ab 2022 sollen sie bei
null liegen. Da stellt sich die Frage
nach den Gewinnen aus dem EEG, die
dem entgegenstehen. Die erfolgreichen Unternehmen der Windkraft-,
Solar- und Biomassebranche, die
längst den Schritt von ökozentrierten
Start-ups zu großen, global agierenden
Mittelständlern vollzogen haben, stel-
len heute zusammen ungefähr 280 000
Arbeitsplätze – und sind veritable Steuerzahler. Der Bundesverband Erneuerbare Energien BEE rechnet überdies
vor, dass allein 2009 aufgrund der CO2Vermeidung 8 Mrd. Euro externe Kosten für Umwelt- und Gesundheitsschäden eingespart wurden – ein eher
theoretischer Wert – und zudem Importe aus fossilen Brennstoffen im Gegenwert von 6,4 Mrd. Euro.
Eine Studie im Auftrag des Umweltministeriums ergab zumindest, dass
die jüngsten Strompreiserhöhungen
vieler Energieversorger nur zum Teil
mit dem EEG zu begründen seien.
Die Regenerativen
brauchen neue Netze
Der Bundesverband der Energie- und
Wasserwirtschaft (BDEW), Sprachrohr
der „konventionellen“ Energieerzeuger,
bestätigt nun den „grundsätzlichen Erfolg“ des EEG. Die erneuerbaren Energien hätten dadurch den notwendigen
Anschub erhalten. „Das große Thema
der nächsten zehn Jahre wird der dringend notwendige Ausbau der Stromnetze und der Ausbau und die Erforschung von neuen Speichertechnologien sein“, mahnte aber BDEW-Hauptgeschäftsführerin Hildegard Müller an.
Sowohl der im Norden produzierte
Strom aus Windkraft benötige neue
„Stromautobahnen“ als auch der dezentral per Photovoltaik und Biomasse
erzeugte Strom braucht einen Ausbau
der Verteilnetze in Nieder-, Mittel- und
Hochspannung. Bis zu 40 Mrd. Euro in
den nächsten zehn Jahren wollen die
Netzbetreiber investieren, wenn die
rechtlichen Rahmenbedingungen stimmen und die Genehmigungsverfahren
beschleunigt werden.
uk
Factoring
MÄRZ 2010
WirtschaftsKurier
21
Heilmittel
Beziehungskiste
Zahlungsmoral
Risiko
Aufträge nur gegen großzügige Zahlungsfristen – dieses Verhalten kann mit Factoring bewältigt werden, so Dresdner Factoring. Seite 22
Auch Factoring-Gesellschaften müssen die
Chancen und Risiken ihrer Kundenbeziehungen
genau prüfen, findet BFS finance.
Seite 24
Nach dem Tiefpunkt Mitte 2009 hat sich das
Zahlungsverhalten der Unternehmen wieder
gebessert, konstatiert Coface.
Seite 25
Unternehmen sollten und können ihre Risikobeurteilung wieder selbst übernehmen –
mit Hilfe einer Software von Marsh.
Seite 26
Von der Krise wachgeküsst
Deutscher Factoring-Verband | Starkes Neukundengeschäft trotz und wegen der Krise
VON DR. ALEXANDER MOSESCHUS*
F
ür die deutsche Wirtschaft insgesamt war 2009 ein überwiegend trauriges Jahr. Die Unternehmen spürten die unmittelbaren
Folgen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Deutschland konnte
demzufolge auch seinen Titel als jahrelanger Exportweltmeister im Berichtsjahr leider nicht halten, China ist
neuer globaler Exportweltmeister geworden. Während zunächst die in den
internationalen Welthandel eingebundenen Unternehmen durch Einbruchsnachfrage bei Produkten „made in
Germany“ die Auswirkungen der Krise
zu spüren bekamen, haben im Verlauf
des Jahres dann auch die eher auf den
nationalen Wettbewerb ausgerichteten Unternehmen die weltweiten Auswirkungen zu spüren bekommen.
Auch der deutsche Factoring-Markt
musste erstmals in seiner Geschichte
aufgrund der Umsatzeinbrüche bei
den Anschlusskunden laut den Halbjahreszahlen per 30. Juni 2009 einen
deutlichen Einbruch in Höhe von
14,78 % auf 43,26 Mrd. Euro (im ersten
Halbjahr 2008 waren es noch 50,76
Mrd. Euro gewesen) vermelden. Die
Detailzahlen des zweiten Halbjahres
befinden sich in der Auswertung und
werden erst Mitte März 2010 vorliegen, doch ist von einem deutlichen
Minus für das Gesamtgeschäft 2009
auszugehen. Warum Einbrüche bei
Bestandskunden auch bei FactoringUnternehmen, also den Ankäufern der
Forderungen, selbst zu Umsatzrückgängen geführt haben, ist leicht erklärlich: Wenn ein Kunde aus dem
Sektor Stahlindustrie beispielsweise
für 80 Mio. Euro jährlich Rechnungen
schreiben konnte und in der Krise
der Umsatz auf 55 Mio. Euro eingebrochen ist, verspüren naturgemäß
auch Factoring-Unternehmen den damit einhergehenden Umsatzrückgang
deutlich. So wundert es auch nicht,
dass in einigen Branchen erschreckende Umsatzeinbrüche von bis über
40 % zu verzeichnen waren, was auch
zu signifikanten Veränderungen in
den Factoring-Schwerpunktbranchen
führte: Im Ranking der 19 wichtigsten
Factoring-Branchen stürzte Metallerzeugung und -verarbeitung, noch
vor einem Jahr auf Platz 1, nun exemplarisch auf Position 10 ab.
Dennoch oder gerade wegen der
Umsatzveränderungen auf der Kundenseite war eine verstärkte Nachfrage
nach Factoring vor allem von Neukundenseite zu verspüren. Offenbar ganz
besonders vor dem Hintergrund der
nach wie vor anhaltenden Restriktionen auf den nationalen wie internatio-
Dr. Alexander Moseschus vom Deutschen Factoring-Verband.
F.: DFV
nalen Kreditmärkten als Folge der globalen Finanzmarktkrise haben immer
mehr Unternehmen erkannt, dass sie
ihre Forderungen zur Liquiditätssicherung und -verstärkung sinnvoll und
zeitnah einsetzen können. Die im
Deutschen Factoring-Verband zusammengeschlossenen Factoring-Unternehmen konnten daher auch für das
erste Halbjahr 2009 einen bemerkenswerten Anstieg ihrer Kundenzahlen
von 5 900 auf 8 700 Kunden feststellen,
was einer Steigerung von über 47 % allein innerhalb eines Jahres entspricht.
Trotz Neuaufnahmen in den Verband,
die auch zu einem Anwachsen der
Kundenzahlen beigetragen haben mögen, ist dieser statistische Anstieg ein
Zeichen, dass vielen deutschen Unter-
nehmen auch bei sich verschlechterten Kreditrahmenbedingungen mit
Factoring geholfen werden konnte, in
der Krise ihre Liquiditätsanforderungen zu halten und zu erfüllen. Es ist
dabei davon auszugehen, dass sich
auch für das Gesamtjahr 2009 dieser
Halbjahrestrend bestätigen wird.
Factoring hat sich in der Krise
dienstleistungsorientiert weiter in
Richtung Mittelstand entwickelt; die
im Mittelstand typischen Forderungsvolumina wurden im ersten Halbjahr
nochmals, insbesondere in den kleinen Forderungssegmenten bis 7,5 Mio.
Euro, stark nachgefragt und von Mitgliedsunternehmen des Deutschen
Factoring-Verbands entsprechend angeboten. Trotz allgemein beengter Liquidität leistet damit Factoring einen
wesentlichen Beitrag zur Krisenbewältigung. Nicht umsonst spricht der
Gesetzgeber bei der Finanzaufsicht für
Factoring auch davon, dass Factoring
bei der Finanzierung der deutschen
Industrie und insbesondere bei der Finanzierung des Mittelstands eine zentrale Rolle spielt. In diesem Zusammenhang appelliert der Verband nach
wie vor nachdrücklich an die Bundesregierung, das KfW-Sonderkreditprogramm auch für Factoring-Gesellschaften zu öffnen, wie jüngst bereits
für unabhängige Leasing-Gesellschaften geschehen: Factoring-Unternehmen kaufen bekanntlich Forderungen
von über 3 Mio. Debitoren an. Daher
sollte gerade jetzt frische Liquidität für
den Mittelstand zur Verfügung gestellt
werden, um die Abwärtsspirale in den
Lieferketten der deutschen Wirtschaft
zu stoppen und den Aufschwung des
Mittelstands gerade jetzt, wo die Konjunktur wieder anzuziehen scheint,
nicht zu gefährden. Die Bundesregierung sei hier nachdrücklich an die Ausführungen im Konjunkturpaket II, Ziffer 3.3, erinnert, wonach es heißt, dass
zusätzlich neue Bürgschaftsinstrumente zur Stützung der Unternehmensfremdfinanzierung geprüft werden
(sollen), mit dem Ziel, insbesondere
die Finanzierungssituation von Fac-
toring-Gesellschaften zu verbessern.
In einem Ausblick für 2010 ist davon
auszugehen, dass Factoring nach wie
vor stark nachgefragt wird. Die Kreditvergabekapazitäten klassischer Banken werden weiter begrenzt sein. Hinzu kommt, dass gerade Unternehmen
in ökonomisch wieder anziehenden
Zeiten verstärkt auf frische Liquidität
angewiesen sein werden, um einen
hoffentlich dynamischen Aufschwung
finanzieren zu können. Factoring steht
bereit: nicht nur in Zeiten der Krise,
sondern auch danach.
*RA Dr. Alexander Moseschus ist
Geschäftsführer des Deutschen
Factoring-Verbands in Berlin
VOM FROSCH ...
Factoring galt bei Unternehmen und
Unternehmern über die Jahrzehnte
hinweg, gerade im konservativ denkenden Deutschland, als ein Finanzierungsinstrument, das nur in äußerster Not Anwendung fand. Seine
Forderungen zu verkaufen galt geradezu als anrüchig. Die angelsächsischen Länder waren uns da weit voraus, hier sind heute Factoring-Quo-
ten (angekauftes Forderungsvolumen
zu Bruttoinlandsprodukt) von bis zu
knapp 20 % (Großbritannien) üblich –
in Deutschland sind es gerade einmal 3,58 %, auch wenn die Tendenz
stark nach oben weist (Stand 2008,
die Zahlen 2009 kommen erst Mitte
März).
Wie dringend Unternehmen auch nach
der Krise Liquidität benötigen, zeigen
die vielen Insolvenzen des Jahres
2009. Neben berühmten und traditionsreichen Unternehmen wie Karstadt,
Märklin, Rosenthal oder Edscha traf es
laut Creditreform insgesamt 34 300 Betriebe. Die daraus entstandenen Schäden belaufen sich auf 48,6 Mrd. Euro.
Etwa 521 000 Arbeitsplätze fielen so
2009 der Pleitewelle zum Opfer.
Fortsetzung Seite 26
Die Pleitewelle kommt noch
factoring.plus | Wachstum braucht Liquidität
VON THOMAS ROHE*
E
s gibt sie also doch, die positiven
Nachrichten. Im dritten Quartal
2009 verzeichnete Deutschland
ein leichtes Wachstum, die Stagnation
im vierten Quartal war wohl dem harten Winter zuzuschreiben. Unternehmer sehen wieder zuversichtlich in die
Zukunft, die Wirtschaft in der Europäischen Union soll 2010 um 2,0 %
wachsen.
Aber Wachstum braucht Liquidität.
Das trifft insbesondere jetzt zu. Verluste mussten während der Krise über den
Abbau von Lagerbeständen finanziert
werden. Wenn nun neue Aufträge vergeben werden, muss der Einkauf in der
Lage sein, schnell und umfassend zu
reagieren. Wer Glück hat, bekommt von
seiner Hausbank eine Aufstockung seiner Betriebsmittellinie. Darauf blindlings vertrauen sollte man nicht, haben
die Banken doch aufgrund schlechterer
Eigenkapitalpositionen ihre Kreditvergaberichtlinien deutlich verschärft.
Noch schwieriger wird es für Unternehmer, die Investitionen zurückgestellt haben und diese jetzt dringend
nachholen müssen. Auch anstehende
Projekte stellen hohe Anforderungen
an die Vorfinanzierungskraft.
Zu allem Überfluss wird die aktuelle betriebswirtschaftliche Auswertung,
Firmen sollten nicht blindlings auf
eine Aufstockung ihrer Betriebsmittellinie vertrauen, so Thomas Rohe,
Vorstand der factoring.plus.AG. Das
Unternehmen finanziert jährlich Forderungen in Höhe von ca. 100 Mio.
Euro.
Foto: factoring.plus
die mit den guten Zahlen der Vorjahre
nicht mithalten kann, bei Kapitalgebern vermutlich nur ein Stirnrunzeln
hervorrufen. Aus diesen Gründen wird
uns die eigentliche Pleitewelle erst
nach der Krise treffen.
Damit Unternehmen im Aufschwung
nicht die Insolvenz droht, ist es unabdinglich, die Finanzierungsstruktur
grundlegend zu überprüfen. Dabei
kommt es auf den richtigen Mix zwischen konventionellen und alternativen Kapitalgebern an. Neben Banken
und Sparkassen leisten Beteiligungen,
Leasing und Factoring einen wichtigen
Beitrag zu Sicherung der Liquidität.
Beim Factoring zum Beispiel können Firmen ihre Forderungen sofort
zu Geld machen. Das geschieht unkompliziert. Die factoring.plus.AG mit
Sitz in Leipzig hat sich auf mittelständische Unternehmen mit Jahresumsätzen zwischen 500 000 und 15 Mio.
Euro spezialisiert.
Die factoring.plus AG kauft die Forderungen ihrer Kunden an und überweist den Rechnungsbetrag umgehend an sie. Deren Debitoren zahlen
dann im Rahmen ihrer Zahlungsziele
an factoring.plus. Sollte dies einmal
nicht fristgerecht geschehen, kümmern wir uns um das Mahnwesen und
sichern darüber hinaus unsere Kunden gegen Zahlungsausfall ab.
Die zusätzliche Liquidität durch
Factoring kann für Unternehmen in
dieser Zeit überlebenswichtig sein und
verleiht ihnen darüber hinaus Spielraum zur Nutzung von Skonti oder
Reduzierung der Beanspruchung des
Betriebsmittelkredits.
*Thomas Rohe ist Vorstand
der factoring.plus.AG
Die schönsten Rechnungen sind
die, die sofort bezahlt werden.
Wir bieten Ihnen 100 %-ige Sicherheit für Ihre Forderungen und sorgen dafür, dass Sie schnell liquide sind.
Die SüdFactoring ist eine Tochtergesellschaft der LBBW-Unternehmensgruppe, die in der Mittelstandsfinanzierung eine bedeutende Rolle spielt. Diese Verbindung steht nicht nur für Seriosität und Sicherheit,
sondern auch für die enge Verzahnung klassischer Finanzierungsformen mit innovativen Instrumenten,
wie der Forderungsfinanzierung.
Für weitere Informationen: Telefon + 49 711 127-772, www.suedfactoring.de
22
MÄRZ 2010
Factoring
WirtschaftsKurier
Heilmittel gegen die Finanzklemme
Dresdner Factoring | Der Verkauf von Forderungen stabilisiert den Finanzkreislauf
VON BERNWARD J. ROHMANN*
N
ach einer aktuellen
en Umfrage
der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernstt & Young
wird jeder fünfte Mittelständler
ndler durch
akute Finanzierungsprobleme
me geplagt:
Knappes Eigenkapital – kein
in Bankkredit. Dazu kommt, dass die Finanzkraft
vieler mittelständischer Unternehmen
nternehmen
in der Wirtschaftskrise noch
h zusätzlich
strapaziert wird. Denn viele
le Lieferanten werden jetzt von ihren Abnehmern
in die Rolle des Finanzierers
rs gedrängt.
Neue Aufträge werden systematisch
ystematisch
von der Einräumung großzügiger
ügiger Zahlungsziele oder Verlängerung
ung bestehender Zahlungsziele abhängig
hängig gemacht. Das Dilemma zeigt sich schnell
in aller Schärfe: Geben die Lieferanten
den Wünschen nach Zahlungszielen
lungszielen
nicht nach, verlieren sie den
en Kunden.
Räumen sie notgedrungen großzügige
Zahlungsziele ein, überfordern
fordern sie
leicht ihre eigene Finanzkraft.
aft. Mit anderen Worten: Die „Finanzierungszierungsklemme“ ist da.
Factoring schafft Liquidität
quidität
durch Forderungsverkauff und
ist somit ein schnell wirkendes
ndes
Heilmittel gegen eine drohende „Finanzierungsklememme“. Die „Verabreichung“ von
Liquidität stabilisiert den
Finanzkreislauf des mittelelständischen Lieferanten. Die
Inhaber beziehungsweisee
das Management können
n
sich wieder – ohne Gefahr
einer mehr oder weniger
regelmäßigen Kreislaufschwäche – mit voller
Konzentration und Energie um ihr eigentliches Ge-schäft kümmern.
Der Wirkungsmechanismus ist einfach: Nach Abschluss eines FactoringVertrags bietet ein mittelständisches
Unternehmen fortlaufend kurzfristig
fällige Forderungen aus erbrachten Lieferungen und Leistungen einem Factoring-Institut zum Kauf an. Dieses
erwirbt die angedienten
Umsatzforderungen
und stellt den Kaufpreis sofort als Liquidität zur Verfügung.
Gleichzeitig kommt
der Factoring-Kunde
in den Genuss zweier
zusätzlicher Vorteile, die
in ihrer Bedeutung ge-
ting durch seine Bank einen besseren
Wert liefert, der sich in Form einer Kreditlinie und/oder besseren Kreditbedingungen „auszahlt“.
Die Laufzeit des Factoring-Vertrags
wird individuell vereinbart. Eine kurze
Laufzeit ist nicht empfehlenswert. Die
Zusammenarbeit zwischen Kunde und
Factoring-Institut ist auf Dauer angelegt. Der Kunde gewinnt die Sicherheit, dass seine Umsatzfinanzierung
langfristig zur Verfügung steht und
sich seinen Umsatzverläufen anpasst. Er
„Viele Lie
Lieferanten
kann also seine Liquidität planen. Aus
werden in di
die Rolle des
der täglichen ZusamFinanzierers gedrängt.“
menarbeit entsteht
Bernward J. Rohmann
R
zwischen Kunde und
Factoring-Institut ein
ausgeprägtes Vertrauensverhältnis, das
dem Kunden – besonders in schwierigen Zeiten – zugutekommt.
Oft kann ein Factoring-Institut finanzieren, wenn Kreditgeber (noch)
nicht zur Darlehnsvergabe bereit sind.
Woran liegt das? Der erste Grund ist
rechtlicher Natur: Factoring ist ein
Kaufgeschäft, das beide Vertragspartner – Kunde und Factoring-Institut –
sofort erfüllen. Dadurch wird das Geschäft insolvenzfest und kann im Fall
der Insolvenz des Kunden nicht angefochten werden. Im Gegensatz dazu
ist ein Kreditgeber, dem der Forderungsbestand seines Kreditnehmers
als Sicherheit abgetreten wird, dem
Risiko ausgesetzt, dass er seine Sicherheiten bei Insolvenz des Kunden
verliert. Der zweite Grund besteht darin, dass das Factoring-Institut über
die personellen und organisatorischen Voraussetzungen verfügt, um
die Bonität der jeweiligen Forderungsschuldner (Debitoren) zu prüfen und
rade in schwierigen Zeiten nicht zu
unterschätzen sind. Er schützt sich vor
meisbösen Überraschungen, denn meis
Factoring-Institut
tens übernimmt das Factoring-Institu
Forderungsausdas Risiko des Forderungsaus
der
falls. Außerdem kann de
Factoring-Kunde seine
sein
Bilanz um den verkaufverkauf
ten ForderungsbeForderungsbe
oft
stand verkürzen – of
mit der wohltuenden
RaFolge, dass das Ra
jede einzelne Forderung zu erfassen
und zu bewerten. Fällt die Bonitätsprüfung des Debitors positiv aus und/
oder steht die Deckungszusage einer
Warenkreditversicherung zur Verfügung, kauft und finanziert der Factor
die Forderung. Mit anderen Worten:
Das Factoring-Institut stützt seine Finanzierungsentscheidung nicht nur
auf Bonität und Zahlungsfähigkeit seines Kunden, sondern auch auf die Bonität der Debitoren.
Deswegen kann Factoring in vielen
Situationen eingesetzt werden, in
denen ein Unternehmen nach den –
durchaus sinnvollen und bewährten –
Regeln des Kreditgeschäfts noch nicht
oder nicht mehr als kreditwürdig gilt
beziehungsweise seine Kreditlinien erschöpft hat.
Gute Lösung für
junge Unternehmen
Junge Unternehmen müssen in die
Kreditwürdigkeit oft erst „hineinwachsen“. Die Ratingverfahren vieler Kreditgeber verlangen historische Daten
für mehrere Jahre. Junge Unternehmen können diese Datenreihen naturgemäß noch nicht vorlegen. Ihr Bankrating wird auch durch typische Anlaufverluste negativ beeinflusst. Wenn
diese Unternehmen aber schon Umsätze erzielen, kann Factoring frühzeitig als Finanzierungsinstrument
eingesetzt werden und helfen, dass
Factoring-Kunden sich am Markt behaupten und „kreditwürdig“ werden
können.
In der angespannten Situation der
vergangenen Monate mussten viele
Unternehmen erhebliche Umsatzrückgänge hinnehmen; die Ertragssituation verschlechterte sich oft drastisch.
Verluste sind immer ein ernstes Warn-
zeichen für Kreditgeber. Die Finanzierung durch Forderungsverkauf kann
auch in einer solchen Krise ganz erheblich zur Stabilisierung des Finanzkreislaufs beitragen. Auch nach der
Krise – wenn sich Auftragslage und
Umsätze wieder bessern – zeigt Factoring seine Flexibilität und passt sich
dynamisch den wachsenden Umsätzen an.
Factoring hilft auch, wenn die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der letzten Monate zu einer Insolvenz geführt
haben. Dann sind die Beziehungen zu
Kreditgebern oft belastet; neue Bankverbindungen können kaum aufgebaut werden. Factoring hilft dem Insolvenzverwalter dann, durch Forderungsverkauf die zur Fortführung des
Betriebs erforderliche Liquidität in der
gebotenen Schnelligkeit zu realisieren.
Sanierung und Neustart können vorbereitet und vollzogen werden.
Der Nutzen des Factorings und die
vielfältigen Einsatzmöglichkeiten werden in der Wirtschaftskrise besonders
deutlich. Der erfreuliche Nebeneffekt:
Die Einstellung zum Factoring wendet
sich nachhaltig zum Besseren. Viele
Großunternehmen, die als Debitoren
in der Vergangenheit Factoring kategorisch ausschließen und keine direkte
Zahlung an das Factoring-Institut leisten wollten, geben jetzt – auch zur
Stützung ihrer Lieferanten – diesen Widerstand auf, stimmen dem Factoring
und der Zahlung an das FactoringInstitut zu. Auch Banken und Sparkassen empfehlen Factoring für effizientes Finanzmanagement; sie arbeiten
partnerschaftlich mit Factoring-Instituten zusammen.
*Bernward J. Rohmann ist Vorstandsvorsitzender der Dresdner Factoring AG
Keine Zeit für Trauer
Eine Finanzierung, die mitwächst
Equitable Settlement | Firmen müssen kreative Lösungen suchen
Bibby Financial Services | Chancen des Exportfactoring
VON NASCHAAT SIAM*
D
ie Wirtschafts- und Finanzkrise war nicht bloß ein kurzes,
heftiges Gewitter, nach dem
sich der Himmel restlos aufhellt und
man wieder zur alten Tagesordnung
zurückkehren kann, auch wenn es
viele gern so hätten. Aber die Schäden
der Krise sind noch gar nicht abzusehen und der größte Schaden liegt wohl
in dem Vertrauensverlust, der sich wie
ein Flächenbrand auf alle Bereiche des
Wirtschaftslebens ausgebreitet hat.
Viele Banken können ihre Rolle als
FACTORING-VORTEILE
Die Vorteile von Factoring liegen –
unabhängig von der wirtschaftlichen
Lage – auf der Hand:
■ Der Factoring-Kunde kann mit
dem Geld, das ihm sein Factorer
überweist, wesentlich mehr Aufträge annehmen und umsetzen,
als es ihm ohne Factoring möglich wäre. So hebt er die Frequenz
seiner Umsätze stark an.
■ Er kann, um in Zeiten globaler
Preiskämpfe wettbewerbsfähig
zu bleiben, neue Produkte entwickeln und anbieten, um seine
Marktchancen zu erhöhen, oder
ins Ausland expandieren.
■ Er macht sich etwas unabhängiger
von Banken und Kreditinstituten.
■ Mit unseren Factoring-Sonderformen SIF und SDF steigert unser
Anschlusskunde seinen Umsatz
mit seinen sorgfältig ausgewählten, besten Kunden. Das führt dazu, dass der Kunde die Güte seines Unternehmens ständig weiter verbessert. Auch die Equitable
Settlement AG als Factorer profitiert von der steigenden Bonität
ihrer Anschlusskunden, wodurch
eine dreifache Win-Situation für
die Beteiligten entsteht.
Partner kleiner und mittelständischer
Unternehmen kaum noch ausfüllen –
zu viele Vorgaben und Bestimmungen
gilt es zu erfüllen. Das Resultat: die
viel beklagte „Kreditklemme“, die gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stark blockieren kann.
Viele Unternehmer haben, um Umsatzeinbrüche der vergangenen 18
Monate abzufedern, ihr Umlaufvermögen so gut wie möglich zu Geld gemacht. Sie haben ihre Lagerbestände
dezimiert, ihre ausstehenden Forderungen eingebracht, ihrer Belegschaft
Kurzarbeit verordnet oder gar Mitarbeiter entlassen müssen, alles um das
Unternehmen aufrecht erhalten zu
können. Nun kommen neue Aufträge
herein – doch es fehlen die Ressourcen, diese umzusetzen. Das Umlaufvermögen ist ja bereits für Löhne und
andere Fixkosten verbraucht worden
und die Hausbank lehnt eine Erhöhung der Kreditlinie ab. Was Unternehmern jetzt hilft, ihre Pläne trotz
der Ausgangslage umzusetzen, sind
Innovation und Kreativität. Wer den
alten Modellen nachtrauert, hat schon
verloren.
Wohl dem Unternehmer, der jetzt
mit einem guten Factorer zusammenarbeitet. Im deutschsprachigen Raum
hat sich vor allem Full-Factoring, der
Erwerb aller vorfälligen Forderungen
eines Kunden, durchgesetzt. Doch diese Form des Forderungskaufs ist nicht
für jedes Unternehmen sinnvoll. Die
Equitable Settlement AG mit Hauptsitz in der Schweiz und Filialen in
Europa und Nordamerika bietet ihren
Kunden, vor allem kleinen und
mittelständischen Unternehmen, daher spezielle Sonderformen des
Forderungskaufs an: Single Invoice Discounting (SID) ist
der Ankauf einzelner, überfälliger Forderungen mit
Abschlag. Mit SID können Unternehmer aus
fälligen, überfälligen und
selbst Not leidenden Forderungen
noch Liquidität erzielen. Im Bereich
der vorfälligen Forderungen verfügt
die Equitable Settlement AG über
maßgeschneiderte Factoring-Spezialangebote. Unter Single Invoice Factoring (SIF) versteht man den Ankauf
einzelner vorfälliger Rechnungen.
Beim Selected Debtors Factoring
(SDF) werden Rechnungen ausgewählter Debitoren der Kunden bis zu
einer jeweils individuell festgelegten
Höchstgrenze erworben.
Forderungskäufe im Rahmen von
SIF und SDF sind bei dem Schweizer
Unternehmen durch einen der weltweit größten Rückversicherer abgesichert. Das ist eine Art „Gütesiegel“ in
einer Zeit, in der die Factoring-Branche in Fachkreisen eher als risikobehaftet gilt. Die Equitable Settlement
AG versteht sich als Partner speziell
kleiner und mittlerer Unternehmer. In
dieser Funktion möchte sie mit ihren
Angeboten dazu beitragen, den KMU
den Rücken frei zu halten von unproduktiven Tätigkeiten wie dem Mahnwesen, damit sich diese voll und ganz
ihrem Kerngeschäft widmen können.
*Naschaat Siam ist Verwaltungsrat
und Geschäftsführer der
Equitable Settlement AG
VON JÖRG FREIALDENHOVEN*
W
ährend in den vergangenen
beiden Jahren die weltweite
Krise und die Bekämpfung
der Auswirkungen das Thema Nummer eins bei den deutschen Mittelständlern war, dominiert Anfang 2010
industrieübergreifend verhaltener Optimismus. Im Fokus der Unternehmen
stehen nun die strategische Ausrichtung und die optimale Aufstellung für
die Zukunft. Für Mittelständler, die auf
internationale Expansion und Wachstum setzen, ist Export-Factoring die
ideale Finanzierungsalternative, um
Chancen zu maximieren und Risiken
zu minimieren.
Der Export von Waren und Dienstleistungen bietet nach wie vor große
Chancen für den deutschen Mittelstand: Mit der Diversifizierung des Angebots, dem Ausbau des grenzüberschreitenden Geschäfts und der internationalen Expansion streuen sie das
Risiko und schaffen Möglichkeiten,
langfristiges Wachstum zu generieren
und die Wettbewerbsposition national
wie international zu stärken. Die Erschließung neuer Märkte birgt allerdings nicht nur Absatzpotenzial, sie ist
auch mit großen Herausforderungen
und finanziellen Risiken verbunden.
Essenzieller Punkt für
eine erfolgreiche Umsetzung der Wachstumsstrategie ist die Finanzierung und die Absicherung des Cashflows. Aufgrund der nach wie vor
restriktiven Kreditvergabe
der Banken droht
jedoch be-
Nach der Krise steht die optimale
Aufstellung für die Zukunft im Fokus:
Jörg Freialdenhoven von Bibby Financial Services. Foto: Bibby Financial
reits im Anfangsstadium der Planung
ein Scheitern. Hier hat sich ExportFactoring als erfolgreiche Alternative
zum Bankkredit etabliert, da aufgrund
der umsatzkongruenten Finanzierung
das internationale Wachstum aus dem
laufenden Geschäft mitfinanziert werden kann.
Ganz wie beim inländischen Factoring tritt das Unternehmen seine Auslandsforderungen beim Export-Factoring an ein auf internationale Geschäftsbeziehungen spezialisiertes
Factoring-Unternehmen wie zum Beispiel Bibby Financial Services ab. Im
Gegenzug erhält es bis zu 90 % der Forderungsbeträge innerhalb von 24 Stunden, der Rest folgt abzüglich einer
geringen Gebühr, sobald der Debitor
die Forderungen beglichen hat. Der
entscheidende Vorteil von Export-Factoring ist neben der Steigerung der
Liquidität und der Absicherung des
Cashflows folgender: Das Risiko des
Forderungsausfalls für die Unternehmen entfällt, da Bibby Financial
Services auch im grenzüberschreitenden Handel Zahlungsausfallschutz ge-
währt. Außerdem werden die Unternehmen mit der Übertragung des
internationalen Forderungsmanagements an einen Spezialisten von den
administrativen Schwierigkeiten befreit, die sich durch Sprachbarrieren,
Währungsunterschiede und nicht zuletzt Rechtssysteme ergeben.
Beim Export-Factoring koordiniert
der Factoring-Anbieter die Zahlungen
über ein Partnerunternehmen im zu
beliefernden Ausland. Da das Factoring-Unternehmen über den Partner
vor Ort ist, werden Zahlungsläufe
enorm beschleunigt – rechtliche, währungstechnische und kommunikative
Problemstellungen werden auf ein
Mindestmaß reduziert. Hierfür ist die
internationale Ausrichtung beziehungsweise Vernetzung des FactoringUnternehmens selbstverständlich unabdingbar. Bei Bibby Financial Services gewährleisten 43 eigenständige
Niederlassungen weltweit, eine spezialisierte Unternehmenseinheit mit Services in über 90 Ländern und die Unabhängigkeit vom Bankensektor einen
reibungslosen Ablauf. Darüber hinaus
verfügt Bibby Financial Services als
Mitglied der renommierten International Factors Group (IFG) über einen Zugriff auf das professionelle Netzwerk
der IFG in über 50 Ländern.
Bisher sind die Vorteile des Factorings und Export-Factorings vor allem
im Zusammenhang mit Krisenprävention und -bewältigung in Erscheinung
getreten. Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten beider Finanzierungsmodelle und die Tatsache, dass sie sich automatisch an die Unternehmensstrategie
bzw. das Wachstum anpassen, belegen
jedoch, dass Factoring und ExportFactoring in Bezug auf die Unternehmensfinanzierung ebenfalls ideale Lösungen für eine erfolgreiche unternehmerische Zukunft sind.
*Jörg Freialdenhoven ist Geschäftsführer
der Bibby Financial Services GmbH
MÄRZ 2010
23
Factoring
WirtschaftsKurier
Langsam geht’s aufwärts
SüdFactoring | Die Wirtschaft leidet unter der unsicheren Bonität der Kunden
VON HORST J. WIELAND*
leidenden Forderungen erreichen historische Höchstwerte.
Insgesamt ist festzustellen, dass die
staatlichen Hilfen den Anpassungsprozess nur temporär verschieben
können. Ob Abwrackprämie, Kurzarbeit, Kredite oder Bürgschaften – irgendwann laufen die Hilfen aus und
die Anpassung an die veränderten
Marktbedingungen ist unvermeidbar.
N
ach dem dramatischen Einbruch der Weltwirtschaft deu- Suche nach neuen Wegen
ten am Anfang des Jahres 2010 Dieses wirtschaftliche Umfeld führt
viele Indikatoren auf ein moderates die Unternehmenslenker auf innovaWachstum hin. Der Tiefpunkt der Kri- tive Wege im Bereich der Unternehse scheint hinter uns zu liegen. Noch mensfinanzierung. Wie kann sich ein
ist nicht klar, wie lang die Erholungs- mittelständisches Unternehmen in
phase sein muss, bevor die Wirtschaft der derzeitige Situation von seinen
einen kraftvollen Aufstieg schaffen Wettbewerbern distanzieren?
kann. Gefahren für den Aufschwung
Der gesamte Wirtschaftskreislauf
gibt es genug. Die Arbeitslosigkeit leidet unter der Verknappung der Listeigt weiter, neue Erschütterungen quidität und der Unsicherheit über
des internationalen Finanzsystems die wirtschaftliche Bonität der Kunsind möglich. Die staatlichen Kon- den. Das Spannungsfeld kann durch
junkturprogramme sind nicht weiter den regresslosen Verkauf von Fordefinanzierbar. Die Haushalte der öffent- rungen überwunden werden.
lichen Hand haben kaum finanziellen
Diese Finanzdienstleistung ist als
Spielraum für Investitionen. Ein selbst Factoring seit Langem am Markt eintragender Aufschwung ist für das Jahr geführt und bekannt, erlebt jedoch
2010 nicht in Sicht.
aktuell einen Boom. Die Kombination
Die voraussichtliche moderate Er- aus Finanzierung, Risikotransfer im
holung spiegelt sich auch in der ak- Debitorenbestand und Serviceangetuellen Insolvenzprognose der Euler bot ist aktueller denn je. Die SicheHermes Kreditversicherung wider. Da- rung der Zahlungsfähigkeit ist für jenach wird die Zahl der Firmeninsol- des Unternehmen ein strategischer
venzen 2010 zwar nicht mehr so dra- Erfolgsfaktor.
matisch steigen wie im Rezessionsjahr
Das schwierigere wirtschaftliche
2009, aber von einer nachhaltigen Ent- Umfeld hat zur Folge, dass die drei
spannung
kann keine bitteschön
Rede sein, vor
Service-Bausteine der SüdFactoring
…hier
die Factoring-Bu
Hier die
allem nichtbitteschön
in Deutschland.
Die
Not weiter an Bedeutung gewinnen werFactoring-Bu
Hier die
Factoring-Bu
den:
eine Zahlungsgarantie für alle
bitteschön Hier die Factoring-Bu bitteschön
Hier
rechtlich begründeten Forderungen,
Hier die Factoring-Bu bitteschönbitteschön
ein professionelles ForderungsmaDer Weg führt nach oben, vor allem mit Factonagement sowie die Finanzierungsring. Das findet auch der Rotaugenlaubfrosch
option.
in unserer Factoring-Beilage.
Fotos: Fotolia
Der Vorteil von Factoring liegt in der
Kombination seiner Dienstleistungsbestandteile: Durch den regresslosen
Verkauf der Forderungen erhält ein
Unternehmen 100 %ige Sicherheit.
Abnehmerinsolvenzen tangieren den
Forderungsverkäufer nicht mehr. Er
erhält zudem auf Wunsch sofortige
Liquidität auch bei Einräumung langfristiger Zahlungsziele. Die umsatzkongruente Finanzierung bei einem
starken, verlässlichen Finanzinstitut
bringt Sicherheit.
Liquidität als Erfolgsfaktor
für die Zeit nach der Krise
Sobald die Krise sich dem Ende nähert, sind zeitnah Lagerbestände zu
erhöhen. Dies erfordert ausreichende
Liquidität.
Die weitere Expansion von mittelständischen Unternehmen ins Aus-
Horst J. Wieland von SüdFactoring
warnt vor Risiken. Foto: SüdFactoring
land wird keinesfalls erschwert, da die
Factoring-Gesellschaft ihr übergreifendes Erfahrungswissen im interna-
tionalen Forderungsmanagement sowie aktuelle Informationen zu den
Debitoren zur Verfügung stellt.
Die Risiken für 2010 sind zahlreich.
Einsetzende Inflation aufgrund der
hohen Staatsverschuldung, stark steigende Rohstoffpreise, eine DollarKrise, geopolitische Spannungen, ein
Crash in Asien oder zunehmender
Protektionismus sind nur einige mögliche Szenarien.
Die Konjunkturprognosen sehen
1,5 % Wachstum für 2010 als möglich
an. Vielleicht der Beginn einer moderaten Erholung. Falls nicht, wird es
schwierig für all diejenigen Unternehmen, die sich nicht rechtzeitig und
ausreichend mit Liquidität versorgt
haben.
*Horst J. Wieland ist Geschäftsführer der
SüdFactoring GmbH in Stuttgart
Ideale Ergänzung zum Kredit
Deutsche Factoring Bank | Schlechte Zahlungsmoral sorgt für Boom
sitiven Auswirkungen auf das Bonitätsrating.
Mit dem Kauf der Forderungen
übernimmt die Factoring-Gesellschaft
zudem im Rahmen zuvor festgelegter
Debitorenlimits zugleich in voller
Höhe das Ausfallrisiko. Dieser Aspekt
ist insbesondere vor dem Hintergrund
der erstmals seit dreieinhalb Jahren
wieder ansteigenden Zahl von Firmenpleiten wichtig.
VON DR. KARL-JOACHIM LUBITZ*
S
chlagzeilen in der Wirtschaftspresse wie „Kreditklemme bedroht deutsche Unternehmen“
sind Ausdruck der jüngsten weltweiten Finanzkrise. Kein Wunder, dass
derzeit die größte Sorge vieler mittelständischer Unternehmen den immer
schwierigeren Rahmenbedingungen
für die Sicherstellung ihrer Finanzierung gilt. Drängend stellt sich Unternehmern die Frage, welche Ergänzungen es zur traditionellen Kreditaufnahme gibt.
Insbesondere eine immer schlechtere Zahlungsmoral haben dem Finanzierungsinstrument Factoring schon
in den vergangenen Jahren einen wahren Boom beschert. Der deutsche Factoring-Markt ist von 2002 bis 2008 um
durchschnittlich 23 % gewachsen. Im
abgelaufenen Jahr 2009 dürften jedoch geringere Umsatzzuwächse bei
den Mitgliedern des Deutschen Factoring-Verbands erzielt worden sein, da
die Krise zu deutlichen Umsatzrückgängen bei den meisten Unternehmen
im Inlands- und Exportgeschäft geführt hat.
Einfache Konstruktion –
optimale Wirkung
Insgesamt bleibt aber festzuhalten,
dass der Forderungsverkauf mittels
Factoring schon länger und unabhängig von der derzeitigen Wirtschaftskrise voll im Trend liegt und einen
ähnlich hohen Stellenwert wie das
Leasing genießt. Vergessen sind die
Zeiten, in denen Factoring womöglich
als nicht „salonfähig“ galt.
Die Konstruktion dieser sinnvollen
Alternative im Finanzierungsmix ist
einfach: Das Unternehmen veräußert
kontinuierlich seine offenen Rechnungen an eine Factoring-Gesellschaft. Das Institut seinerseits begleicht sofort einen Großteil des offenen Betrags, bis zu 90 %, bevor der
Bedarfsgerechte Lösungen
für den Mittelstand
Dr. Karl-Joachim Lubitz von der
Deutschen Factoring Bank weiß,
dass Factoring inzwischen längst
„salonfähig“ ist. Foto: Dt. Factoring Bank
Schuldner gezahlt hat. Und es kümmert sich um die Abrechnung und
Überwachung aller Zahlungseingänge. Zudem versichert Factoring gegen
Kreditausfälle. Die Unternehmen bekommen ihr Geld selbst dann, wenn
einer ihrer Schuldner in die Insolvenz
geht.
Factoring sorgt somit für Liquidität, schützt vor Forderungsverlusten,
schafft mehr finanzielle Unabhängigkeit und erleichtert die Finanzdisposition. Forderungen aus Inlands- und
Exportgeschäften werden mit Factoring sozusagen zu Bargeld.
Dem Unternehmen, das sich dieses
Finanzierungsinstruments bedient,
kommen zahlreiche Vorteile zugute:
Mit den durch Factoring frei gewordenen Mitteln können Verbindlichkeiten,
vor allem gegenüber Vorlieferanten,
abgebaut und verstärkt Skonto- und
Preisvorteile genutzt werden. Steigen
die Forderungen infolge Mehrumsatzes, wächst die Factoring-Finanzierung automatisch mit.
Durch den Forderungsverkauf erhöht sich außerdem automatisch die
Eigenkapitalquote – und dies mit po-
Für die Bevorschussung der Forderungen berechnet das Factoring-Institut
vom Zeitpunkt des Ankaufs bis zum
Zahlungseingang vom Zahlungsverpflichteten Zinsen, wie sie von den
Banken für Kontokorrentkredite in
Rechnung gestellt werden. Daneben
erhebt es für die Forderungsverwaltung und die volle Übernahme des
Delkredere-Risikos eine Provision, die
sich am Umsatz des Kunden orientiert. Ferner beteiligt der Factor seine
Kunden an den Kosten für die Bonitätsprüfung der Abnehmer.
Zielgruppe der Factoring-Anbieter
sind eindeutig mittelständische Unternehmen, deren speziellen Anforderungen die Finanzdienstleistung mit ihrem modularen Aufbau (Finanzierung,
Ausfallschutz, Forderungsmanagement) besonders gerecht wird. Bedarfsgerechte Lösungen stehen im Vordergrund.
Fazit: Immer mehr tritt in das Bewusstsein der Unternehmen, dass Forderungsverkauf eine attraktive Ergänzung zum klassischen Bankkredit
darstellen kann. Das Interesse an der
Finanzierungsform Factoring wird deshalb weiter zunehmen – auch und
gerade in Zeiten stürmischer Finanzmärkte.
*Dr. Karl-Joachim Lubitz ist Sprecher
der Geschäftsführung der
Deutschen Factoring Bank, Bremen
ren Kongress
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29. April 2010, Rh
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24
MÄRZ 2010
Factoring
WirtschaftsKurier
Die Guten ins Töpfchen
BFS finance | Chancen und Risiken der Kundenbeziehungen müssen abgewogen werden
VON STEFAN BENDT*
D
er Wettbewerbsdruck in der
Factoring-Branche erhöht sich.
Die Erwartungshaltung der
Kunden gegenüber den angebotenen
Serviceleistungen steigt. Aber welcher
Kunde verdient in Zeiten anhaltender
Wirtschaftskrise Konditionsverbesserungen und noch mehr Service? Für
ein Factoring-Unternehmen stellt sich
hier die Frage, wie eine individuelle
Steuerung der Kunden erfolgen kann –
und muss. Antworten auf diese Frage
gibt nur eine Gewichtung der Perspektiven von Chancen und Risiken einer
Kundenbeziehung.
Die heute am Markt tätigen Factoring-Gesellschaften können nur profitabel agieren, wenn die Chancen und
Risiken einer Kundenbeziehung zielgerichtet analysiert und gesteuert werden. Für die Umsetzung ist ein effektives Risikomanagement- und Controllingsystem erforderlich.
In der Praxis werden Risiken im Rahmen des Risikomanagements häufig
isoliert als negative Auswirkung eines
Ereignisses betrachtet. Zu dieser Betrachtungsweise verleiten insbesondere die meist gesetzlichen Rahmenbedingungen. Factoring-Institute sind
seit dem Jahr 2009 als Finanzdienstleistungsunternehmen klassifiziert und
haben insofern die aufsichtsrechtlichen Erfordernisse unter anderem des
KWG (Gesetz über das Kreditwesen)
und der MaRisk (Mindestanforderungen an das Risikomanagement) zu erfüllen. Aufgrund dessen wird verständlich, weshalb Factoring-Unternehmen
den negativen Auswirkungen von Risiken ein hohes Gewicht einräumen und
nennenswerte Ressourcen an der Überwachung von Risiken ausrichten.
Im Hinblick auf gute Kundenbeziehungen reicht das jedoch nicht aus.
Zusätzlich müssen die Chancen aus
der Kundenbeziehung in das wirtschaftliche Sichtfeld einbezogen werden. Nur diese ganzheitliche Betrachtung macht alternative Wege zur Erfolgsbeurteilung möglich.
Branchenüblich werden Kundenrisiken im organisatorischen Rahmen
durch Reviews und Revisionen analysiert und bewertet. Ein Rückblick scheint
aber als Methode für die Art und Form
der Prüfung und zukünftigen Ausrichtung nicht immer geeignet. Eine Prüfung der Kundenrisiken im Vorfeld versteht sich als erste Einschätzung, ob der
Kunde Factoring nutzen kann und die
risiko- und chancenbezogenen beiderseitigen Vorstellungen (Kunde und Factor) erfüllt werden. Insofern ist es hier
unabhängig vom Zahlenmaterial wichtig, die organisatorischen Strukturen des
Kunden sowie den leistungswirtschaftlichen Prozess und dessen Qualität in einem gemeinsamen Gespräch zu sondieren und abschließend festzustellen, ob
Factoring für den Kunden das richtige
Produkt im Finanzierungskonzept ist.
Die wesentlichen Risiken in einer
Kundenbeziehung im Factoring sind
das debitorische Risiko, das Veritätsrisiko und zunehmend Rechts- sowie Insolvenzrisiken.
Das debitorische Risiko unterliegt einer gesonderten Betrachtung, da es
nicht hinsichtlich des Anschlusskunden
Factoring-Unternehmen können nur rentabel agieren, wenn sie ihre Kunden
genau analysieren, rät Stefan Bendt von BFS finance.
Foto: BFS finance
besteht, sondern zum Debitor. Dem Anschlusskunden werden die Forderungen
zwar vorfinanziert, die Rückzahlung erfolgt allerdings vom Debitor. Die zeitgerechte Bezahlung hängt insofern von
der betriebswirtschaftlichen Situation
und der Bonität des Debitors ab. Gemäß
den von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) herausgegebenen MaRisk zählt das debitorische Risiko zu den Adressausfallrisiken.
Dennoch ist es im Rahmen der Factoring-Geschäftsentscheidung strukturell
dem Anschlusskunden/den Kundenrisiken zuzuordnen, weil sie unmittelbar im
Zusammenhang mit der Geschäftspolitik und Strategie des Kunden stehen.
Das Debitorenportfolio lässt zudem
starke Rückschlüsse auf das Geschäft
des Kunden zu und beeinflusst die Entscheidung des Factors hinsichtlich eines
Engagements maßgeblich. Für die kalkulatorischen Planungen des Factors
hinsichtlich eines möglichen Engagements sind die debitorischen Risiken
von großer Bedeutung. Fallen die vom
Kunden angekauften Forderungen aus,
trägt der Factor das in der Regel mit dem
Kunden vereinbarte Delkredererisiko.
Das kann erhebliche Auswirkungen auf
die Ertragslage des Factoring-Unternehmens haben. Die Erkenntnis aus den
Gesprächen mit den Kunden über die
Debitoren sollte daher sein, die potenziellen Gefahren bezüglich der Debitorenstruktur zu erkennen und zu bewerten, damit ein entsprechender Risikopreis ermittelt werden kann.
Das Veritätsrisiko basiert auf dem
juristischen Bestehen der angekauften
Forderung. Die Kundeneinzelrisiken,
wie etwa nicht werthaltige bzw. bestandsunwirksame Rechnungen oder
Einreden, treten üblicherweise erst
dann auf, wenn die wirtschaftliche Situation des Kunden problematisch ist.
Durch die bereits angespannte Finanzlage des Kunden kann die Rückforderung dann leicht zur Insolvenz führen.
In der zeitlichen Dimension des Factoring-Prozesses geht das Veritätsrisiko
dem Eintritt einer Insolvenz voraus.
Aus diesem Grund sind Veritätsrisiken
und Insolvenzrisiken zu trennen. Veritätsrisiken können auch im Rahmen
von Audits mit qualitativen Informationen analysiert werden.
Das Spektrum der Anschlusskunden
ist vielfältig. Die Unterschiede ergeben
sich über die Branche, die Rechtsform,
den Umsatz und die Anzahl der Beschäftigten. Unabhängig davon sollten
aber die Chancen einer Kundenbeziehung transparent und nach gleichen
Kriterien bewertet werden. Die Deckungsbeiträge bewähren sich unter
anderem als Instrument der Betrach-
tung, da neben der Ertragsseite auch
die Kostenseite berücksichtigt wird.
Durch Kostenunterschiede (Risikokosten, Anzahl der Forderungsabrechnungen) können die Deckungsbeiträge erheblich variieren. Die Geschäftsverbindung und die dazugehörigen Prozesse
zwischen Kunde und Factor werden mit
der Zeit effizienter, da sich auch beiderseitige Lerneffekte ergeben. Wünschenswert ist es, wenn sich der Kunde
möglicherweise als Multiplikator entwickeln kann und die Factoring-Gesellschaft weiterempfiehlt, auch wenn der
Kunde zunächst nicht profitabel ist.
Der Factoring-Markt verzeichnete in
den beiden vergangenen Jahren starke
Umsatz- und Kundenzuwachsraten. Der
jüngst wahrgenommene Wettbewerb
lässt jedoch einen intensiver werdenden
Preiskampf erkennen, was zur Folge hat,
dass sich die Factoring-Unternehmen
zukünftig noch kundenorientierter und
kundennäher aufstellen müssen. Das
bedeutet, Kunden mit guter Bonität und
Profitabilität dürfen Kunden mit
schlechter Bonität nicht subventionieren. Dem Kunden wird insofern ein
wahrnehmbarer Nutzen widerzuspiegeln sein, der sich insbesondere im Serviceangebot niederschlagen kann.
Die BFS finance hat sowohl ihr Risikomanagement als auch ihr Kundenmanagement vor dem Hintergrund eines zuverlässigen Dienstleistungs- und
Servicepartnergedankens bereits danach ausgerichtet und wächst hierdurch qualitativ weiter.
*Stefan Bendt ist Leiter Risikomanagement bei BFS finance GmbH
Naturgesetz der Volkswirtschaft
2010 – das Jahr der Hoffnung?
VR Factorem | Die Insolvenzflut kommt erst nach der Krise
Crefo Factoring | Alternative Finanzierungsformen gefragt
VON HAUKE KAHLCKE*
E
s ist eine Art volkswirtschaftliches Naturgesetz: Wenn die
Wirtschaft das Schlimmste
überstanden hat, erreichen die Insolvenzen traditionell ihren Höchststand.
Für viele kleine und mittlere Unternehmen kann Factoring ein wirksames Mittel zur Stabilisierung und Absicherung sein – aber auch zur Wachstumsfinanzierung.
Die Anzeichen häufen sich. Im Vorfrühling gibt es mehr und mehr positive Signale für ein Ende der konjunkturellen Talfahrt. So wies der ifo-Geschäftsklimaindex zuletzt Monat für
Monat nach oben. Der unerwartete
Dämpfer im Februar wurde von vielen
auf den strengen Winter geschoben.
Mit Blick auf ihre Geschäftsentwicklung äußerten sich die befragten Unternehmen unter dem Strich zuversichtlicher. Das bedeutet jedoch nicht,
dass es ab sofort keine Probleme mehr
gäbe. Die Lage ist unverändert ernst
und bleibt es zunächst auch. Die Folgen der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise werden uns noch Monate und
Jahre beschäftigen. Allein im vergangenen Jahr stiegen laut Creditreform die
Insolvenzen um 16 %. Die Summe der
Insolvenzschäden lag bei fast 49 Mrd.
Euro. Pro Insolvenzfall stehen im
Schnitt 1,1 Mio. Euro Forderungen aus.
Die in vielen Branchen turbulent
schwierige Entwicklung während der
vergangenen Monate und die sich nun
abzeichnende wirtschaftliche Erholung stellen die Unternehmen vor neue
Herausforderungen. Immer wieder
wird dabei auf die schon eingetretene
oder noch erwartete Ratingverschlechterung vieler Firmen verwiesen. Erfahrungsgemäß steigt das Insolvenzrisiko
jetzt auch bei bislang gut positionierten Unternehmen. Zum Ende des
Zyklus führen wachsende Umsätze
zu einem sprunghaft ansteigenden
Finanzierungsbedarf. Jedoch sind die
Kreditlinien vielfach ausgeschöpft,
Vorräte und Lager heruntergefahren –
die Krise musste schließlich finanziert
werden. Mit den oftmals schlechter
Die Anzeichen für ein Ende der Talfahrt häufen sich, so Hauke Kahlcke
von VR Factorem.
Foto: VR Factorem
ausfallenden Unternehmensbilanzen
wird es für die Unternehmen vielfach
schwieriger, sich mit ausreichend Kapital zu versorgen. Nach einer Creditreform Mittelstandsbefragung, an der
4 000 Unternehmen teilnahmen, äußerten 83,4 % der Befragten, sie müssten bei Finanzierungen mehr Sicherheiten hinterlegen. 33,9 % beklagten
höhere Kreditzinsen und knapp ein
Viertel (23,6 %) erhielt den Kredit nicht
in der gewünschten Höhe.
Ein europäischer Vergleich zeigt,
dass Factoring eine attraktive Finanzierungslösung für mittelständische
Unternehmen sein kann. Während
Frankreich, Italien oder Großbritannien im Jahr 2008 Factoring-Quoten von
6 % bis 14 % aufwiesen, liegt diese in
Deutschland noch immer bei lediglich
KRISEN-PROBLEME
■
Schon eingetretene beziehungsweise erwartete Ratingverschlechterung aufgrund schwieriger Zahlen 2009.
■ Steigendes Insolvenzrisiko, auch
bei bislang gut positionierten Unternehmen.
■ Zunehmender Finanzierungsbedarf zum Ende der Krise bei wieder wachsenden Umsätzen.
3,58 %. Ein Grund für diesen deutlichen Unterschied ist, dass Factoring
im Ausland traditionell von kleinen
und mittelständischen Unternehmen
genutzt wird. Hierzulande dagegen
konzentrierten sich die Factoring-Institute bislang vor allem auf die großen
Mittelstandskunden. Dies spiegelt sich
auch beim durchschnittlichen Factoring-Umsatz pro Kunde wider: Lag er
in den meisten Ländern bei rund zwei
Mio. Euro, waren es in Deutschland im
Durchschnitt rund zehn Mio. Euro.
Die Vorteile von Factoring liegen für
den Kunden auf der Hand: Mit dem sofortigen Zufluss frischen Geldes können Vorräte und Lager bezahlt und
aufgefüllt werden. Dem Unternehmen
fließen zusätzliche Erträge im Einkauf
zu, weil Skonto und Sonderkonditionen genutzt werden können. Der Ausfallschutz und aktuelle Informationen
über die Bonität der Abnehmer garantieren sichere Vertriebswege. Wird das
Forderungsmanagement ausgelagert,
bringt dies eine administrative Entlastung. Mit Blick auf die Unternehmensbilanz hat Factoring gleichfalls positive
Auswirkungen: Der Forderungsverkauf
verkürzt die Bilanz, führt zu besseren
Bilanzkennzahlen und – in der Folge –
zu einem besseren Rating.
*Hauke Kahlcke ist Geschäftsführer der
VR Factorem GmbH
VON VOLKER BAUER*
B
edingt durch die internationale
Finanz- und Wirtschaftskrise ist
die deutsche Wirtschaft zur Jahreswende 2008/2009 in bisher nicht
gekannten Ausmaßen eingebrochen.
Seit dem zweiten Quartal 2009 ist es,
insbesondere durch geld- und fiskalpolitische Impulse, gelungen, den Abwärtstrend zu stoppen und die Wirtschaftsleistung auf niedrigem Niveau
zu stabilisieren. Trotz dieser leicht positiven Tendenzen rechnet das statistische Bundesamt für das Gesamtjahr
2009 mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 5 %. Dieser gesamtwirtschaftliche Rückgang hat
auch bei einer Vielzahl von Unternehmen zu Umsatzrückgängen und Ertragseinbußen geführt. Zur Stabilisierung der Liquiditätssituation haben
diese Unternehmen Lagerbestände,
Kundenforderungen und nicht notwendiges Betriebsvermögen deutlich
abgebaut. Mit der dadurch gewonnenen Liquidität konnten die entstandenen Finanzlöcher zum Teil kompensiert werden, sodass diese Firmen bisher nicht zwingend auf Fremdkapital
angewiesen waren.
Für das Jahr 2010 rechnet die Deutsche Bundesbank mit einer deutlichen
Erholung der Gesamtwirtschaft und
einem Wachstum des BIP
um 1,6 %. Steigende Umsätze führen bei den Unternehmen zu einem wieder steigenden Bedarf an
Betriebsmitteln. Aufgelaufene Verluste haben die Liquiditätsreserven der Unternehmen in der Krise je-
Volker Bauer von Crefo rechnet mit
knapperen Krediten nach der Banken-Bilanzsaison. Foto: Crefo Factoring
doch nicht selten völlig aufgezehrt.
Diese Firmen sind nun zwingend auf
Fremdkapital zur Finanzierung der
steigenden Umsätze angewiesen. Auch
wenn aktuell nicht von einer flächendeckenden „Kreditklemme“ gesprochen werden kann, haben sich die
Finanzierungsbedingungen der Unternehmen durch die Finanz- und Wirtschaftskrise und die damit einhergehenden Bonitätsveränderungen weiter
verschlechtert.
Lieferantenkredite
erhöhen die Risiken
So prognostizierte die KfW Bankengruppe in ihrem Ende 2009 veröffentlichten Kreditmarktausblick eine nochmalige Beschleunigung des Rückgangs
der Kreditzusagen im vierten Quartal
2009. Spätestens wenn von den Banken die Jahresabschlüsse für das Jahr
2009 vorgelegt werden, sind Kreditreduzierungen, zusätzliche Sicherheiten oder zumindest verschärfte Kreditbedingungen
mit erhöhten Zinsen zu erwarten. Ein möglicher Ausweg, öffentliche Finanzierungshilfen in
Anspruch zu nehmen, scheitert
oft daran, dass die Hausbanken die
Finanzierungsanträge nicht begleiten.
Um künftige Liquidität für Unternehmenswachstum zu schaffen, sind
daher zunehmend alternative Finanzierungsinstrumente gefragt. Die Factoring-Branche hat in den vergangenen
Jahren mit meist zweistelligen Wachstumsraten ihre gestiegene volkswirtschaftliche Bedeutung unterstrichen.
Factoring bietet Unternehmen die
Möglichkeit, durch den Verkauf ihrer
Forderungen einen erheblichen Mittelzufluss zu generieren. Dem Unternehmen fließen in der Regel mindestens
80 % des Forderungsbestands als sofortige Liquidität zu. Der Restbetrag wird
nach vollständiger Begleichung der
Rechnung ausbezahlt. Sollte der Debitor die Rechnung nicht begleichen, erfolgt die Restzahlung spätestens 150
Tage nach Fälligkeit durch den Factor.
In Krisenzeiten gewinnt auch der
Lieferantenkredit zunehmend an Bedeutung. Abnehmer drängen vermehrt
zwingend auf die Einräumung langer
Zahlungsziele oder eine deutliche
Verlängerung bestehender Zahlungsziele. Diese Entwicklung verschärft
die Liquiditätsproblematik in vielen
Branchen und ist mit einer gravierenden Erhöhung der Forderungsausfallrisiken verbunden. Laut Creditreform
sind die Unternehmensinsolvenzen in
Deutschland im Jahr 2009 um 16 % auf
34 300 angestiegen. Steigende Insolvenzquoten führen zu erhöhten Ausfallrisiken bei den gewährten Lieferantenkrediten. Durch Factoring werden
diese Risiken auf den Factor übertragen, da er das Ausfallrisiko der angekauften Forderungen vollständig übernimmt. Die durch Factoring mögliche
risikolose Verlängerung von Zahlungszielen ist in der aktuellen Situation ein
erheblicher und eventuell entscheidender Wettbewerbsvorteil.
Factoring kann mittelständischen
Unternehmen folglich helfen, die Krise zu bewältigen und sich bietende
Wachstumschancen zu realisieren. Es
erleichtert vielen Unternehmen die
Liquiditätsbeschaffung und ist daher
ein wichtiger Baustein zur Vermeidung
einer Kreditklemme.
*Volker Bauer leitet die Crefo Factoring
Südwest GmbH & Co. KG
MÄRZ 2010
Zahlungsmoral steigt wieder
Schlechtes Rating – hohe Kosten
Coface | Deutschland und Frankreich mit Aussicht auf Bestnote
Vantargis | Sale-und-lease-back-Verfahren polieren die Bilanz auf
F
actoring ist im Kontext der komplexen Unternehmensfinanzierung ein Modul zur Optimierung insbesondere des Liquiditätsmanagements. Darin stecken zugleich
aber weitere Bausteine des Forderungsmanagements. Mit dem Forderungsverkauf erhält der Kunde gewissermaßen ein Nutzenbündel oder
eine Wertschöpfungskette, die aus
den Gliedern Information, Absicherung und Finanzierung besteht.
Aktives Kreditmanagement beginnt
idealerweise mit der Information über
Länder, in die ein Unternehmen exLand
Bisheriges Januar
Rating
2010
Deutschland
A2
A2
Frankreich
A2
A2
Belgien
A2
A2
Niederlande
A2
A2
Österreich
A2
A2
Norwegen
A2
A2
Schweden
Griechenland
A1
A1
A3
A3
Polen
A3
A3
Türkei
B
B
Albanien
USA
D
D
A2
A2
Kanada
A2
A2
Chile
A2
A2
Kolumbien
A4
A4
Dom. Rep.
B
B
Jamaika
C
C
Japan
A2
A2
Australien
A2
A2
Neuseeland
A2
A2
Singapur
A2
A2
Hongkong
A2
A2
Malaysia
A2
A2
Taiwan
A2
A2
Israel
Vereinigte
Arabische
Emirate
Jemen
25
Factoring
WirtschaftsKurier
A4
A3
A3
A2
C
D
Schwarze Pfeile: Unter Beobachtung für eine
Auf- bzw. Abwertung; Quelle: Coface
portiert oder in denen es agieren will.
Eine Absicherung des Ausfallrisikos ist
damit zwar noch nicht verbunden.
Doch schon im Vorfeld von Geschäftsbeziehungen können Risiken minimiert werden. Im Coface-Länderrating
ist neben makroökonomischen sowie
geopolitischen Aussichten das Zahlungsverhalten der Unternehmen wesentlicher Bestandteil bei der Beurteilung der einzelnen Länder. Regelmäßig werden über 150 Länder beobachtet.
Zum Jahresende 2009 registrierte
Coface eine Besserung im Zahlungsverhalten von Unternehmen. Infolgedessen zeigt sich der internationale
Forderungsspezialist erstmals seit Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise
grundsätzlich bereit, viele Industrieländer, aber auch einige Schwellenländer im Rating wieder besser zu
bewerten. Für 2010 geht Coface von
einer leichten Erholung der Märkte
aus, sieht diese aber auch durch mögliche Finanzblasen bedroht.
Verfall der Zahlungsmoral
Während der weltweiten Krise in den
vergangenen beiden Jahren erreichten
die Zahlungsausfälle ein Ausmaß, dass
das der Krisen in den letzten Jahrzehnten bei Weitem übertraf. „Bereits Anfang 2008 stellten wir einen rapiden
Verfall der Zahlungsmoral fest. Während die Ausfälle in der ersten Hälfte
von 2009 weltweit nochmals drastisch
anstiegen, entspannte sich die Lage
ab dem Spätsommer. Die Talsohle
war erreicht“, so der Vorstandsvorsitzende von Coface Deutschland, Benoît
Claire.
Nachdem die Nummer eins auf
dem deutschen Factoring-Markt seit
2008 in mehreren Schritten zahlreiche
Abstufungen im Länderrating vornehmen musste, werden demnach die
Aussichten für die Industrieländer
wieder optimistischer. Dies gilt insbesondere für die USA, Kanada und
Japan sowie sieben westeuropäische
Länder. Für sie hat Coface das Rating
entweder unter Beobachtung für eine
Aufwertung gestellt oder die Möglichkeit einer Abwertung revidiert. Vor
allem für Deutschland und Frankreich
besteht somit Aussicht auf die Rückkehr zur Bestnote A1. Ausgenommen
sind allerdings Großbritannien, Irland
sowie Portugal, Italien, Griechenland
LINKS ZUM THEMA
Die regelmäßig aktualisierten Coface-Länderratings und Informationen zu Zahlungsausfällen sind auf
folgenden Internetseiten gebührenfrei abrufbar: www.coface.de und
www.laenderrisiken.de. Über die
jüngsten Änderungen und Entwicklungen informiert der News-Bereich
auf www.laenderrisiken.de. Zudem
ist auf dem Portal die Anmeldung
zum jährlich stattfindenden Kongress Länderrisiken in Mainz möglich. Termin: 29. April 2010.
und Spanien. Sie alle werden weiterhin mit A3 bewertet und stehen dabei
zum Teil noch unter Beobachtung
für eine Abwertung. Die Bewertungen
folgen einer ähnlichen siebenstufigen
Skala wie die der Ratingagenturen:
A1 bis A4 entsprechen Investmentgrades, B, C und D stehen für ein mittleres bis hohes Risiko.
Die Dynamik in den Schwellenländern stabilisiert das Wachstum der
Weltwirtschaft. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verflechtungen weltweit
konnten die aufstrebenden Länder
der schwierigen Lage zwar nicht
aus dem Weg gehen. Doch in den
meisten Fällen demonstrierten die
Länder, dass sie die richtigen
Lehren aus früheren Krisen gezogen haben. So hat Coface die
Beobachtung für eine Abwertung
der A2-Ratings von Hongkong, Malaysia und Taiwan aufgehoben, ebenso
die der Ratings von Polen (A3), der
Türkei (B) und von Chile (A2).
Die Erholung der Märkte bleibt indessen labil. Risiken drohen insbesondere durch die hohen Staatsschulden einiger Länder, durch spekulative
Blasen an den Aktienmärkten sowie
durch die Absicht Chinas, die umfangreichen Kredite in Bereichen mit
Überkapazitäten zurückzufahren. Die
Erfahrung zeige, dass auch beim gesamtwirtschaftlichen Turnaround die
Sicherheit nicht sofort und automatisch zunehme, sagt Claire. Vielmehr
sei damit zu rechnen, dass selbst eine
große Zahl eigentlich gesunder Unternehmen Insolvenz anmelden muss,
weil sie nicht mehr über ausreichende
Liquidität verfügen, um am allgemeinen Wachstum nach der Krise teilzuhaben zu können.
E
ine lahmende Konjunktur,
schwacher Konsum und der begrenzte Zugang zu Bankkrediten setzen derzeit den Mittelstand besonders unter Druck. Laut einer aktuellen Ifo-Studie klagen rund 44 % – das
sind fast die Hälfte aller Unternehmen – über einen schwierigen Zugang
zu Bankkrediten. Die Gefahr einer Kreditklemme wird gerade im Mittelstand
immer realer, sogar die Bundesbank
hat kürzlich davor gewarnt. Die Banken handeln dabei nicht böswillig,
sondern unterliegen auferlegten
Zwängen von außen. Aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Lage verschlechtern sich die Ratings der Kunden. Daher müssen Banken für dasselbe Kreditvolumen mehr Eigenkapital
hinterlegen – dieses ist jedoch auch
bei den Banken Mangelware.
zum Beispiel Grundstücke, Gebäude,
Lagerbestände, Forderungen und Maschinen. Auch Marken, Patente und
Lizenzen können zur Liquiditätssteigerung beitragen.
In der Praxis funktioniert die Liquiditätsbeschaffung zum Beispiel über
ein Sale-and-lease-back-Modell. Bei
dieser alternativen Finanzierungsform
verkauft das Unternehmen zunächst
das gebrauchte Anlagevermögen beispielsweise an die Vantargis Leasing
und erhält dafür den Kaufpreis sofort
ausgezahlt. Direkt im Anschluss least
es dieses dann zurück. Besonders für
das produzierende Gewerbe stellt dieses Vorgehen eine intelligente Möglichkeit zur Liquiditätssteigerung dar.
Denn beim Sale-and-lease-back wird
In vielen Bilanzen
schlummert Liquiditätspotenzial
Mit einer strukturierten Finanzierung
und intelligenten, alternativen Finanzierungsformen gewinnen Unternehmen Liquidität und somit Handlungsspielraum zurück. Die Möglichkeiten
an alternativen Lösungen sind vielfältig und ergänzen die klassische Bankfinanzierung. Erfolgreiche Betriebe
bauen dabei auf eine strategische
Planung mit einem Mix an Finanzierungsbausteinen. Welche Lösungen
für ein Unternehmen in der aktuellen
Lage geeignet sind, um die Kreditklemme zu umgehen, richtet sich nach
der jeweiligen Situation und Anforderung. Gerade in den Bilanzen vieler
mittelständischer Firmen – besonders
in den inhabergeführten – gibt es noch
ein erhebliches Potenzial, Liquidität
aus vorhandenen Ressourcen zu generieren. Dazu gehören in den Aktiva
Anlagevermögen mobilisiert, es
ermöglicht eine Liquiditäts- und
Ertragsbeschaffung aus der Substanz
des Unternehmens. Verbindlichkeiten
können beglichen, neue Investitionen
getätigt werden. Für das Unternehmen „fühlt“ sich das Ganze wie die
Nutzung
eines
besicherten
Tilgungsdarlehens an, jedoch mit Assets, die bisher dafür kaum nutzbar
waren.
Gute Lösungen bei
langen Zahlungszielen
Bei hohen Außenständen aufgrund
langer Zahlungsziele ist Factoring eine
geeignete Lösung. Hierbei verkauft das
Unternehmen fortlaufend die Forderungen an einen Factor und bekommt
sofort Geld. Factoring-Kunden erhalten so kurzfristig und planbar Liquidität ohne zusätzliche Sicherheiten und
sie können auf diese Weise einen fast
umsatzkongruenten Liquiditätsrahmen erhalten.
Schnellzahler
werden ausgeschlossen
Neben der Finanzierung sind beim
klassischen Factoring außerdem der
Ausfallschutz der Forderungen und
die Übernahme des Debitorenmanagements in einer Dienstleistung enthalten. Zwischenzeitlich habt sich eine
Vielzahl unterschiedlicher Modelle am
Markt etabliert und Factoring-Gesellschaften wählen nach den Gegebenheiten und Wünschen ihrer Kunden
das passende Angebot aus. Besonders beliebt ist zum Beispiel das
Ausschnitts-Factoring,
bei dem der Kunde
Schnellzahler oder
auch bestimmte
Ku n d e n g r u p p e n
vom Factoring ausschließt und auf die
Weise unnötige Gebühren einspart.
Der wichtigste Vorteil der genannten Finanzierungsmodelle ist
die Verkürzung der Unternehmensbilanz, wodurch eine verbesserte
Eigenkapitalquote erreicht wird. Aufgrund der aktuellen Lage verbrauchen jedoch viele Gesellschaften das
verfügbare Eigenkapital und damit
die Liquidität, weil sie so ihre
For derungen
begleichen.
Dadurch sinkt
das Rating und
die
Aufnahme
neuer Kredite wird immer schwerer
oder zumindest teurer.
Mit der aus Sale-and-lease-back
oder dem Factoring gewonnenen Liquidität besteht hingegen die Möglichkeit, Kredite zurückzuführen. Es gibt
im Alltag verschiedenste Lösungsansätze parallel zur Bankenfinanzierung,
ganz nach dem Liquiditätsbedarf eines
Unternehmers. Einsatzgebiete können
Neuinvestitionen genauso sein wie
eine Umfinanzierung von Verbindlichkeiten, das Auflösen hoher Außenstände, die Finanzierung von Unternehmensnachfolgen oder das Heben stiller Reserven.
Factoring für den Dachdecker
Coface Deutschland | Einfache Kundenbindung durch weitgehend automatisiertes Verfahren
H
andwerksbetriebe erfreuen und personellen Aufwand erfordere.
Die Full-Service-Lösung sollte wiesich häufig einer guten Auftragslage. Allerdings sind die derum eine einfache technische KunAußenstände meist hoch und es fehlt denanbindung zulassen. Am besten ist
an liquiden Mitteln. Zahlt bereits ein es, wenn die Anschaffung einer speziwichtiger Kunde nicht, sind finan- ellen EDV-Ausstattung erst gar nicht
zielle Schwierigkeiten vorprogram- erwartet wird, die Debitorenbuchhalmiert, die schnell existenzbedrohend tung über Standardlösungen erfolgt
werden können. Als alternative Finan- und die Rechnungskopien per Mail,
Fax oder Post an den
zierungsform bietet Coübermittelt werface Deutschland auch
„Wir müssen als Factor
den können.
Handwerkern seit NeuSchließlich sollte das
estem Factoring an. Seit Anbieter auf einige
Factoring-Unternehdem vergangenen Jahr
Besonderheiten
men auch Konditionen
kommt die Nummer
des Handwerks
und Vertragsgestaltung
eins auf dem deutschen
eingehen.“
auf das Segment der
Factoringmarkt speziell
Franz J. Michel,
kleinen Unternehmen
dem Bedarf kleiner mitCoface Deutschland
abstimmen. „Hier ist
telständischer Unterhohe Transparenz genehmen nach.
„Allerdings müssen wir als Anbie- fragt“, erläutert das Vorstandsmitglied.
ter auch auf einige Besonderheiten im Eine Gebührentabelle auf Basis von
Handwerk eingehen“, erklärt Franz Umsatzstufen gewährleiste dies und
J. Michel, Vorstandsmitglied von Co- biete zugleich einen geringen Beraface Deutschland und Geschäftsführer tungsaufwand, eine schnelle Vertragsder Coface Finanz. So sei es sinnvoll, annahme und kurze Entscheidungsdie Handwerksbetriebe mit einer Full- wege. Optimal sei ein weitestgehend
Service-Lösung zu unterstützen. Sie automatisiertes Verfahren, das bereits
schließe das Verbuchen von Zahlungs- die Beantragung über das Internet mit
eingängen, das Überwachen der Zah- einschließt.
Michel weiter: „Als wir bei Coface
lungen, das Mahnwesen sowie die außergerichtliche und gerichtliche Bei- Finanz im Frühjahr 2009 mit Coface
treibung mit ein. Denn in aller Regel Finanz@dvantage auf die Nachfrage
verfügten die kleinen Unternehmen nach Finanzierungsmöglichkeiten für
nicht über ein professionelles Debito- kleine Unternehmen mit einem Jahrenmanagement, das hohen zeitlichen resumsatz von bis zu 5 Mio. Euro re-
agiert haben, war es uns wichtig, all
dies zu berücksichtigen.“ Bedarf und
Nachfrage seien groß. Nun könne mit
„DHF Finanz@dvantage PLUS“ auch
Handwerksbetrieben des Baunebengewerbes wie Dachdeckern, Elektrikern, Sanitärbetrieben und Malern
Factoring offeriert werden. Gegenüber
der Standardlösung seien hier Bedingungen aus der bundesdeutschen Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) und des B2C-Geschäfts berücksichtigt. Der Vertrieb er-
folge in erster Linie über die DHF
Deutsche Handwerk Finanz GmbH in
Stuttgart, laufe aber auch über Coface
Finanz direkt, so Michel.
Die Betriebe müssen
strukturell gesund sein
Generell muss das Unternehmen, das
sich für eine Factoring-Lösung interessiert, strukturell und wirtschaftlich gesund sein. Und es darf keine
Bonitätsmängel und Defizite im Rechnungswesen geben. Bei der Bonitäts-
einschätzung gibt es eine Mindestvoraussetzung für eine Zusammenarbeit. Die Gefahr einer Insolvenz muss
ausgeschlossen sein. Die Prüfung
kann wiederum über ein automatisiertes Scoringverfahren erfolgen. Forderungen sind dann passend für Factoring, wenn Lieferung und Leistung
erbracht und abgenommen und keine
Gegenforderungen vorhanden sind.
Außerdem sollten die Forderungen
nicht anfällig für Bestreitbarkeit sein.
Bei revolvierenden Geschäften mit ei-
nem Zahlungsziel von 60 bis 90 Tagen
ist dies in der Regel kein Problem.
Mit dem fortlaufenden Verkauf der
Forderungen aus Warenlieferungen
und Dienstleistungen an eine Factoring-Gesellschaft lassen sich eigene
Finanzierungspotenziale mobilisieren
und der externe Kapitalbedarf reduzieren. Kein Ausfallrisiko, direkte Liquidität und eine verbesserte Bilanz
sind die drei wesentlichen Effekte des
Factorings für das Unternehmen – und
auch für den Handwerksbetrieb.
26
MÄRZ 2010
Factoring
WirtschaftsKurier
Rückwärtsgewandte Prognosen
Marsh | Die Krise war auch eine Krise der Ratingagenturen und Risikobewertungen
VON JÖRG MIELKE*
D
ie Finanz- und Wirtschaftskrise hat nahezu alle Branchen erfasst und die Insolvenzprognosen verheißen nichts
Gutes. Viele Instrumente und Gepflogenheiten müssen überprüft und
völlig neu bewertet werden. In der
Krise treten die Schwächen erst deutlich hervor. Aber genau das ist die
große Chance für jeden Einzelnen,
um die Weichen für die Zukunft neu
zu stellen.
Die Risikobeurteilungen der Ratingagenturen, der Banken und der
Kreditversicherer sind zu Recht arg
in die Kritik geraten. Es stellte sich
heraus, dass die Ratings maßgeblich
auf die Entwicklungen der Unternehmen in der Vergangenheit abgestellt
wurden und Prognosen auf Simulationsbasis (Stresstests) oftmals nicht
vorhanden waren oder nur unzureichend durchgeführt wurden.
Zudem wurden viele Entscheidungen nur auf unzureichend
umfangreichem
oder aktualisiertem Datenmate-
rial getroffen. Dies führte nicht selten
zu großer Unsicherheit in der Bewertung des Insolvenzrisikos von Unternehmen und zu heftigen Reaktionen
insbesondere bei den Kreditversicherern. So wurden vielfach Portfolios
bereinigt und Tausende von Kreditlimit-Entscheidungen nach unten
korrigiert. Ganze Branchen wurden
vom Deckungsschutz nahezu ausgeschlossen.
Die Auswirkungen haben sowohl
kreditversicherte Unternehmen, aber
auch die Factoring-Gesellschaften
hart getroffen, da diese in der Regel
durch Kreditversicherungen rückversichert sind. Die Factoring-Nehmer
wurden doppelt hart getroffen, weil
neben dem Deckungsschutz auch
noch die Finanzierung verringert
wurde.
Gängige Bewertungen
führen zu Herabstufungen
Die Systematik der Risikoanalyse und
-bewertung muss seitens der Banken,
Kreditversicherer und Factoring-Gesellschaften dringend optimiert
und angepasst werden, da sich die
Krise in den Bilanzen 2009 der
meisten Unternehmen widerspiegeln wird. Die alten Bewertungsmechanismen würden dann vielfach
flächendeckend zu weiteren Herabstufungen der Bonitäten sowie
zu Limitkürzungen oder gar
Aufhebungen führen. Dies
würde den Unternehmen die dringend benötigte Luft zum Atmen nehmen und
die Krise deutlich
verlängern. Zwei-
felsfrei hat sich das Insolvenzrisiko
per se beträchtlich erhöht.
Unternehmen, die bislang die Risikoanalyse und Bewertung der Debitoren outgesourct haben, sind aufgefordert, sich wieder zu emanzipieren
und eine eigene Analyse und Bewertung vorzunehmen. So etwas kann
kurzfristig und kostengünstig nur
durch ein IT-gestütztes, intelligentes
System umgesetzt werden. „Marsh
Credit Performance“ (MCP), eine Lösung, die Marsh gemeinsam mit dem
Softwarespezialisten Prof. Schumann
GmbH erarbeitet hat, wird diesem
Anspruch gerecht. Dabei werden bewährte Anwendungen mit neuen
Tools verknüpft, weshalb eine Implementierung in sehr kurzer Zeit (maximal vier Wochen) möglich ist. Der
modulare Aufbau erlaubt Schnittstellen zu Auskunfteien, Kreditversicherern, Banken und Zahlungserfahrungspools. Dabei wird zwischen
Basisleistung (eine Auskunftei, Coface @-Rating, Kreditversicherungslimite, Risikobewertungstool, Workshop, 5 Reports) zum Preis von unter
20 000 Euro und ergänzenden Premiumleistungen (weitere Schnittstellen
bel wählbar. Marsh Credit Performance
kann auf jede Software aufgesetzt werden (SAP und non-SAP), ist äußerst
anwenderfreundlich und unterstützt
neben der Risikophilosophie auch Ablaufprozesse im Unternehmen.
Autarke Risikoanalyse
im eigenen Haus
Jörg Mielke von Marsh rät Unternehmen dazu, ihre Risikobewertungen
wieder selbst zu machen. Foto: Marsh
zu diversen Informationsanbietern
und Dienstleistern, etwa Inkassogesellschaften, sowie Einbeziehung
der eigenen Zahlungserfahrungen) zu
fest geregelten Paketpreisen unterschieden. Somit kann jedes Unternehmen bestimmen, welche und wie
viele Informationsquellen in die Risikobewertung einfließen sollen. Der
Grad der Individualisierung ist flexi-
Mit Marsh Credit Performance haben
wir eine Lösung entwickelt, die Unternehmen bei ihrer Risikoanalyse und
Bewertung maßgeblich unterstützt.
Damit können sie sich von den
Entscheidungen und Bewertungen
Dritter und insbesondere von den
Konsequenzen unabhängiger machen.
Losgelöst von der aktuellen Geschäftsund Risikopolitik des Kreditversicherers oder Factors kann mit Marsh
Credit Performance die eigene Risikophilosophie umgesetzt werden. Die
Unternehmen werden die Gespräche
mit den Risikoträgern und Investoren
emanzipierter und erfolgreicher führen können.
*Jörg Mielke ist Geschäftsbereichsleiter Credit & Political
Risks bei der Marsh GmbH
Ein Mittel gegen Mietnomaden
Kreative Ergänzung zum Kredit
Readyfact | Sicherheit für Hausbesitzer
Wunderlich & Partner | Das Umlaufvermögen als Finanzinstrument
VON CHRISTIAN BRAUN*
F
actoring ist zum festen Bestandteil der Finanzierungsstrategie
von Unternehmen geworden,
um ihre „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen“ schnell in Liquidität umzuwandeln. Genauso wie
Unternehmen wollen Vermieter ihre
Forderungen aus der Vermietung von
Immobilien sofort und nicht erst nach
eventuell langer Auseinandersetzung
mit dem Mieter beglichen haben.
In einer Zeit der wirtschaftlichen
Dynamik nach unten und tendenziell
sinkender Zahlungsmoral sehen sich
immer mehr Immobilienbesitzer mit
neuen Herausforderungen konfrontiert. Nach Erhebungen der Eigentümerschutzgemeinschaft Haus & Grund
verzeichnen die Vermieter in Deutschland Mietausfälle in Höhe von rund
2 Mrd. Euro pro Jahr. Eine repräsentative Vermieterbefragung vom Oktober 2009 im Auftrag von ImmobilienScout24 offenbarte: Bereits jeder vierte Vermieter beklagt entweder ausbleibende oder nur unregelmäßige Mietzahlungen.
Mietausfälle beruhen meistens auf
Zahlungsschwierigkeiten des Mieters,
deren Ursachen beispielsweise in einer plötzlichen Arbeitslosigkeit oder
in familiären Problemen begründet
sind. Nicht zu unterschätzen ist die
Gruppe der Mieter, die durchaus zahlen kann, jedoch nicht zahlen will, um
das Geld für andere Dinge ausgeben
zu können. Richtig dramatisch sind
Mietnomaden, also Personen, die von
einer Mietwohnung in die nächste
ziehen und von vornherein nicht die
Absicht haben, für ihr Wohnrecht
finanziell aufzukommen.
Der Miet-Factoring-Spezialist Readyfact bietet seit 2007 eine neue Absicherung für berechtigte Mietforderungen an. Dabei wird das künftige Mietausfallrisiko des Vermieters auf das
Factoring-Unternehmen ausgelagert.
Der Vermieter sichert sich den Zahlungszufluss der Miete für den Fall,
dass der Mieter seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt oder
nicht nachkommen will.
Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sieht
im Miet-Factoring „die Möglichkeit,
dem Factor unter bestimmten Bedingungen rückständige Mietforderungen abzutreten“. Im Hinblick auf die
Abgrenzung zum typischen Factoring
heißt es in einem „Merkblatt – Hinweise zum Tatbestand des Factoring“ weiter: „Da die Mietforderungen fällig
Auch Vermieter wollen ihre Forderungen sofort haben und nicht erst
lang waren müssen, so Christian
Braun von Readyfact. Foto: Readyfact
sind, handelt es sich um einen Unterfall des Fälligkeits-Factoring, der nicht
unter § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG fällt,
wenn der Factor mit dem Ankauf das
Delkredererisiko übernimmt.“
Für private und gewerbliche Vermieter steckt im Miet-Factoring die
Chance, rückständige Mietforderungen gegen Zahlung einer jährlichen
Factoring-Vergütung (ab 2 % der Jahresnettomiete) abzutreten und damit
die eigene Liquidität zu stärken. Über
die Kaufpreiszahlung für die abgetretene Mietforderung erhält der Vermieter die ihm zustehende Mietzahlung innerhalb kurzer Zeit, egal ob
der Mieter zahlen kann und will oder
nicht. Das Factoring-Unternehmen
trägt dann für den Vermieter das komplette Risiko des Zahlungsausfalls.
Bei Readyfact kann der Vermieter den Gesamtumfang der abzutretenden Forderungen bei
Abschluss des MietfactoringVertrags individuell festlegen.
Zur Auswahl stehen Kontingente von sechs, neun oder
zwölf Nettomietforderungen, die während der Laufzeit des Factoring-Vertrags
im Bedarfsfall an Readyfact
abgetreten werden können.
Damit hat der Vermieter
genügend Zeit, um sich
von dem zahlungsunfähigen
oder zahlungsunwilligen Mieter zu trennen.
Miet-Factoring geht über das
pure Management der Mietforderungen hinaus. Im Rahmen der Antragsprüfung führt Readyfact eine Risiko- und Bonitätseinschätzung auf
der Basis zulässiger Informationen
über den Mieter durch. Denn ge-
schäftlich vernünftig lassen sich nur
bezifferbare Risiken per Miet-Factoring übernehmen. Davon hängt insbesondere die wirksame Refinanzierung
und die Zuverlässigkeit des Mietfactorings ab. Es werden Informationen
verschiedener Wirtschaftsauskunfteien genutzt, die von Readyfact analysiert werden. Dabei fließt zudem das
langjährige Erfahrungswissen der Mitarbeiter mit ein. Das Ergebnis der Einschätzung ist Grundlage für die Entscheidung über die Antragsannahme.
Übrigens kann bei neuen Mietverhältnissen das Ergebnis dieser Risikoeinschätzung durch Readyfact als Kriterium für den Abschluss des Mietvertrags vom Vermieter herangezogen
werden.
Das Leistungsportfolio von Readyfact wurde seit der Unternehmensgründung konsequent erweitert. Neue
Geschäftsfelder wie die Realisierung
bereits bestehender Mietforderungen
wurden integriert und eine Reihe
von Vertriebs- und Produktkooperationen mit Partnern aufgebaut. Im
Jahr 2009 wurde Readyfact zur Aktiengesellschaft umgewandelt. Derzeit
plant das Unternehmen die Übertragung des Geschäftsmodells auf andere Länder.
*Christian Braun ist Vorstand und
einer der Gründer der Readyfact AG
VON DR. TIM MENZEL*
E
ine Expansionsfinanzierung eröffnet Unternehmen Wachstumschancen durch Erschließung neuer Märkte und Geschäftsfelder. Wachstumsstarke Mittelständler
müssen die Ausweitung des Geschäfts
auch in Zeiten der Finanzmarktkrise
nicht zurückstellen – beispielsweise
die Systaic AG mit Sitz in Düsseldorf.
Systaic ist ein erfahrener Anbieter
von Photovoltaiktechnologie, der neben der Gebäudeintegration von Solaranlagen insbesondere im Bau und
in der Entwicklung von solaren Kraftwerken europaweit tätig ist. Zur Umsetzung und Vorfinanzierung neuer
Projekte in Spanien und Italien wurde
neues Kapital benötigt. „Die Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die
Finanzierungsmöglichkeiten mittelständischer Unternehmen stellten uns
vor völlig neue Herausforderungen“,
berichtet Michael Pack, Vorsitzender
des Vorstands der Systaic. Alternative
Finanzierer bieten auch für eine Auslandsexpansion interessante Lösungsmöglichkeiten.
Die Erschließung neuer Märkte im
In- und Ausland kostet Unternehmen
... ZUM PRINZEN
Fortsetzung von Seite 21
Heute haben nicht nur die Unternehmen – allein die im FactoringVerband zusammengeschlossenen
Institute weisen 8 700 Kunden
nden aus
– ihre Ansichten zum Einsatz
satz von
Factoring geändert, sondern
ern auch
die Finanzaufsicht ist der Meinung,
dass Factoring eine bedeutenedeutende Rolle bei der Finanzierung
rung des
deutschen Mittelstands spielt.
pielt.
Denn nur ein liquides Unternehmen
rnehmen
verfügt über genügend Spielraum,
pielraum,
um im In- und Ausland zu wachsen,
um neue Märkte angehen
n und in
innovative Produkte investieren
tieren zu
können und das langfristige
e Überleben im harten internationalen
len Wettbewerb zu sichern und damit
amit letzten Endes Arbeitsplätze zu
u erhalten
und neue zu schaffen.
Vielleicht hat die Krise dass noch
immer etwas stiefmütterlich
rlich
behandelte Finanzinstrument
nt
Factoring wachgeküsstt
und aus dem – gar nicht
so hässlichen – Frosch
wurde ein Prinz.
uk
in der Wachstumsphase viel Geld. Auch
die Finanzierung von Umlaufvermögen wie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe
(oder gar eine Absatzfinanzierung) bindet wertvolles Working Capital. Oftmals
versuchen mittelständische Unternehmen, die hierfür benötigte Liquidität
über Bankendarlehen sicherzustellen.
Soweit Banken, insbesondere in der gegenwärtigen Finanzmarktkrise, überhaupt bereit sind, Auslandsexpansionen
zu finanzieren, fordern sie zusätzliche
Sicherheiten. Auch ergeben sich durch
eine Finanzierung mit Fremdkapital
Nachteile für Bilanz und Rating.
Die Lücke kann durch bankenunabhängige Finanzierungspartner geschlossen werden, die individuelle Lösungen bieten. Hierzu zählen Projektfinanzierungen aus dem Umlaufvermögen oder immaterieller Wirtschaftsgüter. Systaic entschied sich für den Erwerb von Solarmodulen zum Bau solarer Kraftwerke im europä-ischen Ausland über eine Projektgesellschaft. „Die
Vorteile liegen darin, dass durch kurze
Zahlungsziele und den Erwerb größerer Mengen beispielsweise zusätzliche
Skonti-Vorteile erzielt werden können“,
erklärt Dr. Marc Henning Diekmann,
Vorstand der PartnerFonds AG. „Gerade in der stark wettbewerbsgeprägten
Photovoltaik-Branche rechnet sich das
für unser Unternehmen und ist für uns
eine höchst willkommene Ergänzung
zur unverzichtbaren klassischen Bankfinanzierung“, so Pack.
Die Finanzierung erfolgte über die
PartnerFonds AG, ein auf Wachstumsfinanzierung spezialisiertes Unternehmen mit Sitz in Planegg bei München.
Dabei finanzierte eine eigens zu diesem Zweck gegründete Projektgesellschaft den Erwerb der Solarmodule.
Das Kapital erhielt die Projektgesellschaft als Eigenkapital durch die finanzierende Fondsgesellschaft zu festen
Konditionen. Je nach Bedarf überließ
die Projektgesellschaft Solarmodule
für das jeweilige Bauprojekt. Lager und
Verwaltung verbleiben dabei im Unternehmen. Die Verfügbarkeit ist so jederzeit gewährt. Eine Veränderung gegenüber Geschäftspartnern ergibt sich
grundsätzlich nicht. Auf diese Weise
bleibt mehr Liquidität im Unternehmen, Finanzierungsmöglichkeiten werden erweitert und die Bilanzstruktur
kann verkürzt werden. Das operative
Geschäft wird nicht angetastet.
Der PartnerFonds stellt Mittel zwischen 1 und 20 Mio. Euro über eine
durchschnittliche Laufzeit von fünf
Jahren zur Verfügung. „Am wohlsten
fühlen wir uns in einer Bandbreite von
3 bis 9 Mio. Euro“, erläutert Diekmann.
Voraussetzung für ein Engagement der
Kapitalgeber ist mindestens ein BBRating für Unternehmen von einer unabhängigen mittelständischen Ratingagentur. Die Konditionen liegen in der
Regel etwas über denen eines klassischen Bankkredits. Derzeit sind sie
vergleichbar mit einer Mezzanine-Finanzierung oder sogar einen Tick
günstiger. Auch die Finanzierung von
Forschungs- und Entwicklungsprojekten sowie Projekten aus den Bereichen
Marketing und Vertrieb für die Expansion im In- und Ausland sind möglich.
*Dr. Tim Menzel ist Prokurist und Syndikus bei Wunderlich & Partner GmbH
Rhein & Ruhr
MÄRZ 2010
WirtschaftsKurier
27
Ökologie und Ökonomie im Einklang
Geld für kreative Köpfe
Treibstoff des Wandels
Nachhaltige Stadtentwicklung
SMS Siemag festigt seine weltweit führende
Rolle im Anlagenbau durch innovative
Energie- und Umwelttechnik.
Seite 28
Die NRW.Bank sowie Business Angels Netzwerke erkennen das Finanzierungsproblem
innovativer Gründer – und handeln.
Seite 29
Das einjährige Programm der Kulturhauptstadt
RUHR.2010 knüpft an den Mythos
dieser Region an.
Seite 30
Das dortmund-project zeigt, wie aus Visionen
Chancen werden. Wirtschafts- und Freizeitprojekte gehen Hand in Hand.
Seite 31
Chancen im Verbund
Cluster- und Standortpolitik in NRW | Unternehmen profitieren von Kooperationen in regionalen Netzwerken
VON CHRISTA THOBEN*
N
ordrhein-Westfalen (NRW) hat
den Ehrgeiz, wieder das führende Innovationsland in
Deutschland zu werden und auf den
vorderen Plätzen in der globalen Liga
mitzuspielen.
Schon lange geht die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit nicht
mehr nur von einzelnen Unternehmen
und Forschungseinrichtungen aus,
sondern von Standorten insgesamt.
Profilbildung und Internationalisierung von Wirtschaftsräumen sind daher wesentliche Bestandteile einer zukunftsgerichteten Standortpolitik. Um
in diesem Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können, muss NordrheinWestfalen auch künftig in der Lage
sein, in wichtigen Zukunftsmärkten Innovationen und marktreife Produkte
zu entwickeln.
Einzelne Akteure sind immer weniger in der Lage, die notwendigen Kompetenzen flexibel und bedarfsgerecht
aufzubringen. Deshalb brauchen wir
den gezielten Auf- und Ausbau strategischer Kooperationen entlang der
Wertschöpfungskette. Cluster sind
eine Antwort auf diese Entwicklungen und auf die damit verbundenen
Herausforderungen an eine gute und
funktionierende Zusammenarbeit aller Verantwortlichen.
Insbesondere für Firmen eröffnen
sich durch die Mitarbeit in Clustern
Chancen: Sie werden innovativer
und produktiver, beispielsweise durch
den clusterinternen Informations- und
Erfahrungsaustausch sowie durch
schnellere Verbreitung von Innovationen. Unternehmen, die im Verbund
mit anderen Unternehmen zusammenarbeiten, sind auch eher in der
Lage, interdisziplinär und grenzüberschreitend gemeinsam zu agieren. Die
Kooperationsanbahnung wird dabei
aktiv durch das Clustermanagement
unterstützt. Die Wettbewerbsfähigkeit
von Betrieben in Clustern steigt durch
bessere Ressourcennutzung, höhere
Auslastungsgrade sowie kostengünstigeren Einkauf. Unternehmen sind in
Netzwerken technologisch besser aufgestellt, da sie früher Trends erkennen
und nutzen. Vor allem in Krisenzeiten
bieten Cluster die Möglichkeit, ihre
sachlichen und finanziellen Ressourcen optimal auszuschöpfen.
Landescluster treiben
Innovationspotenziale an
Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen setzt, unterstützt und fördert die
Clusterstrategie. Die Clusterpolitik
stellt eine zentrale Säule unserer Innovations- und Wirtschaftspolitik dar. Sie
hat 16 Stärkefelder – sogenannte Landescluster – identifiziert, in denen
Nordrhein-Westfalen besondere Wettbewerbsvorteile und Wachstumspotenziale hat. Innerhalb der Landescluster arbeiten Wissenschaft, Wirtschaft und Politik in gleichberechtigter Partnerschaft zusammen, um neue
Impulse für mehr Innovation und
Wettbewerbsfähigkeit zu geben.
NRW strotzt vor Power
Um die 16 Landescluster beim Informations- und Erfahrungsaustausch
untereinander zu unterstützen, hat
die Landesregierung ein NRW-Clustersekretariat eingerichtet. Es geht insbesondere darum, zusätzliche Innovationen, die thematisch mehrere Cluster
betreffen – sogenannte „Cross-Innovationen“ – zu initiieren und durch
Know-how-Management ins Gespräch
zu bringen. Aktuelle Themen sind
Elektromobilität, Automotive meets
Communication, Smart Cities und
Cloud Computing.
Darüber hinaus unterstützt die Landesregierung die besten und erfolgversprechendsten Projekte im Rahmen
von Förderwettbewerben. Wir wollen
mit den Wettbewerben einen Wettstreit
um die besten Ideen und Verfahren
starten, um auf diese Weise eine Auswahl der innovativsten Vorhaben zu
erreichen. Mit dieser konsequenten
Orientierung am Konkurrenzgedanken
hat die Landesregierung eine neue Unterstützungsphilosophie geschaffen.
Christa Thoben hält Clusterstrategien
für unabdingbar.
Foto: MWME
Die Förderwettbewerbe sind das
zentrale Element und das sichtbare
Zeichen der Neuausrichtung der Innovationspolitik unseres Landes. Wir
wollen so ein günstiges Umfeld für
Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit
schaffen und damit die Voraussetzungen für mehr Beschäftigung.
Eine effiziente und moderne Standortpolitik setzt aber auch die Analyse
der eigenen Stärken sowie das Festlegen von Zielen und Maßnahmen im
Rahmen einer Entwicklungsstrategie
voraus. Mit der Förderung von regionalen Entwicklungskonzepten und
Regionalmanagements sowie mit der
Bereitstellung von Budgets können
auch die Regionen struktur- und
clusterpolitische Ziele umsetzen, um
lokale Entwicklungspotenziale zu stärken und Regionen insgesamt wettbewerbsfähiger zu machen. Damit
bündeln wir die Kräfte und schaffen
ein Bewusstsein für die eigenen, regionalen Chancen auf den globalen
Märkten. Beides, die Landescluster
und die regionalen Verbünde, sind
in einem Land von der Größe
Nordrhein-Westfalens unabdingbare
Voraussetzungen, um die eigenen
Chancen zu erkennen und zu nutzen.
*Christa Thoben ist Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie von NRW
www.national-bank.de
Energie | Gebündelte Energiekompetenzen in Essen
W
ie in vielen anderen Wirtschaftssektoren
nimmt
Nordrhein-Westfalen auch
im Bereich der Energie eine zentrale
Stellung ein. Die lokalen Unternehmen produzieren – mehrheitlich aus
Braun- und Steinkohle – etwa 30 % des
deutschen Stroms. NRW ist der deutsche sowie europäische energiewirtschaftliche Knotenpunkt. Hier haben
bedeutende Energieunternehmen ihren Sitz, darunter auch der Düsseldorfer E.ON-Konzern, der mit über 93 000
Mitarbeitern und einem Umsatz von
knapp 87 Mrd. Euro (2008) zu den
weltweit größten privaten Gas- und
Stromunternehmen zählt.
Ein weiterer bedeutender Player in
der Branche ist der Essener Energiekonzern RWE. Mit 67 000 Mitarbeitern
versorgt das Unternehmen 20 Mio.
Kunden mit Strom und 10 Mio. Kunden mit Gas. Damit gehört RWE zu den
fünf größten Versorgungsunternehmen Europas.
In direkter Nachbarschaft zum RWETurm steht der Evonik-Gebäudekomplex, im engeren Sinne auch ein „Branchennachbar“. Der Essener Mischkonzern bündelt seine Aktivitäten in den
drei Geschäftsbereichen Chemie, Energie sowie Immobilien und agiert mit
41 000 Mitarbeitern auch international. Im Zuge einer Konzentration auf
die Chemiesparte sollen jetzt die Immobilienaktivitäten verkauft werden.
Auch ein Ausstieg aus der Energiesparte steht zur Diskussion. Der Industriekonzern plant, baut und betreibt hocheffiziente Kraftwerke für
fossile Brennstoffe. In Deutschland
nimmt Evonik eine führende Stellung
bei erneuerbaren Energien wie beispielsweise Grubengas, Biomasse und
Geothermie ein.
Energiemetropole wird
Zentrum der Erneuerbaren
Als eine der führenden Gasgesellschaften in Europa zählt die E.ON Ruhrgas
AG unter anderem zu den bedeutenden Akteuren im Essener „Energiecluster“. Das E.ON-Tochterunternehmen
entwickelte sich zum Spezialisten für
den Transport, die Speicherung und
Einsatzmöglichkeiten von Erdgas.
Ein weiterer Protagonist der lokalen
Energiebranche ist die Deutsche BP
AG in der nahe liegenden Stadt Bochum. Das Mineralöl- und Energieunternehmen aus dem mittleren Ruhrgebiet spielt mit den Marken BP, Aral und
Castrol eine wichtige Rolle auf dem
Tankstellen- und Schmierstoffmarkt.
Essen ist die Energiemetropole in Deutschland. Hier verdichtet sich die
Branche zum energiewirtschaftlichen Kompetenzzentrum.
Mit rund 6 000 Mitarbeitern und einem
Jahresumsatz von über 42 Mrd. Euro
verfügt die Deutsche BP unter anderem über das zweitgrößte Raffineriesystem in Deutschland.
Die Stadt Essen hat im Laufe der
wirtschaftlichen Entwicklung den Titel
„Energiemetropole“ erworben. Die Expertise in der Energieumwandlung,
-versorgung und -technik beruht auf
den Erfahrungen aus der Montanzeit.
Heute sitzen nicht nur die führenden
Energiekonzerne in der Ruhrmetropole, sondern auch entsprechende Interessenvertreter wie der VIK Verband der
Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft oder der VGB PowerTech. Die
jährlich stattfindende internationale
Energiemesse E-world energy & water
perfektioniert die geballte Energiekompetenz in Essen und macht die
Kulturhauptstadt 2010 endgültig zum
Mekka der Branche.
Dabei spielen auch – dem Trend der
Zeit folgend – die erneuerbaren Energien eine immer stärkere Rolle. Der
Wirtschaftsstandort NRW entwickelt
sich zunehmend zum Zentrum für die
regenerativen Erzeugungstechnologien. Mittlerweile sind über 3 000 Unternehmen mit mehr als 18 000 Beschäftigten in dieser Branche aktiv. Der Bonner Konzern Solarworld zählt dabei
zu den bekanntesten Vertretern. Die
Landesregierung fördert die Themen
erneuerbare Energien und Energieeffizienz über die EnergieAgentur.NRW.
Wie der zukunftsorientierte Umgang
mit Energie beispielsweise aussehen
kann, zeigt die rhenag Rheinische
Energie AG aus Köln. Der regionale
Energie- und Wasserversorger berät
vor dem Hintergrund knapper werdender Ressourcen und steigender Preise
Industrie und öffentliche Einrichtungen in Fragen der Energieeinsparpotenziale. Mit innovativen Konzepten
sowie Dienstleistungen anhand interessanter Projekte – Erdgastank- und
Stromtankstellen – gewährleistet rhenag eine nachhaltige Energieversorgung und initiiert damit als regional
verwurzeltes Unternehmen eine „Energiewende“ vor Ort.
pht
Die Meisterklasse.
Kunst braucht Expertise. Service und Beratung auch. Unsere Beratung und unser
Service sind ausgezeichnet. Dies bestätigt die Zertifizierung „Service tested“.
Die Gesamtzufriedenheit der Kunden wurde mit der Note 1,69 bewertet. Unsere
Kunden schätzen vor allem die Zuverlässigkeit und die hohe Beratungsqualität
der NATIONAL-BANK. Wir danken Ihnen für Ihr Vertrauen. Kontakt: 0201 8115-357
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MÄRZ 2010
Rhein & Ruhr
WirtschaftsKurier
Global Player tief im Westen
Wirtschaftsstandort NRW | Die regionale Industrie profitiert von der dichtesten Wissenschafts- und Forschungslandschaft in Europa
Die nordrhein-westfälische Wirtschaft ist vielfältig strukturiert: vom Großkonzern bis zum Ein-Mann-Betrieb, von der Stahl- und Pharmabranche bis hin zu einer facettenreichen Dienstleistungsindustrie. Fotos: ThyssenK., Bayer, D. Post
VON PHILIPP TRÖBINGER
D
er Begriff Agglomeration trifft
wohl auf keine europäische
Region besser zu als auf
Nordrhein-Westfalen (NRW). Mit rund
18 Mio. Einwohnern ist es nicht nur
das bevölkerungsreichste und das am
dichtesten besiedelte, sondern auch
das wirtschaftlich stärkste Bundesland
in Deutschland. Die nordrhein-westfälischen Unternehmen erwirtschafteten 2008 ein Bruttoinlandsprodukt
von 541 Mrd. Euro. Mit einer Warenausfuhr im Wert von 172 Mrd. Euro im
Jahr 2008 ist das Bindestrich-Land der
deutsche Export-Champion und zählt
damit auch zu den ökonomisch relevantesten Regionen Europas. Besondere Bedeutung für NRW hat das
Rhein-Ruhr-Gebiet mit seinen 10 Mio.
Einwohnern, das zu den elf Metropolregionen Deutschlands gehört und
wegen seiner Bevölkerungsdichte
auch als Megacity bezeichnet wird.
Die geografisch günstige Lage im
Herzen Europas sowie die gute Infrastruktur sind entscheidende Faktoren
für den Erfolg des Wirtschaftsstandorts. An Rhein und Ruhr sind die Global Players zu Hause. Zehn der 30 DaxUnternehmen sowie zahlreiche Industriekonzerne und familiengeführte
Mittelständler steuern von hier aus
ihre nationalen sowie internationalen
Geschäfte. Zu den umsatzstarken Vorzeigeunternehmen zählen beispielsweise der Energiekonzern E.ON und
die Handelsgruppe Metro aus Düsseldorf, der Logistik- und Postdienstleister Deutsche Post und der Telekommunikationsspezialist Deutsche Telekom aus Bonn, das Essener Bauunternehmen Hochtief sowie der Pharmahersteller Bayer aus Leverkusen.
Duisburg ist die europäische
Hauptstadt der Stahlindustrie
Doch die Wirtschaft in NRW wird nicht
nur von Großkonzernen getragen,
sondern auch von einem starken Mittelstand. Rund 99 % der Unternehmen
sind Mittelständler – in Zahlen sind
das etwa 763 000 kleine und mittlere
Betriebe (KMU) –, die insgesamt über
70 % der Arbeitnehmer beschäftigen.
Die Agglomeration der sogenannten
Hidden Champions als wenig bekannte Weltmarktführer ist in dieser Region
bemerkenswert hoch. Aufgrund der
vielfältigen Struktur ist die nordrheinwestfälische Unternehmenslandschaft
von einer interessanten Charakteristik
geprägt: Vom internationalen Konzern
bis zum Ein-Mann-Betrieb, von der
Energiebranche bis zur Kulturwirt-
schaft ist die Bandbreite ökonomischer Aktivitäten weit gestreut.
Der Wirtschaftsraum an Rhein und
Ruhr bewältigte in den vergangenen
Jahrzehnten einen tief greifenden
Strukturwandel. Vom einstigen Zentrum der deutschen Schwerindustrie
entwickelte sich die nordrhein-westfälische Wirtschaft zu einem spannenden sowie innovativen Industrie- und
Dienstleistungsstandort. Während die
Bedeutung und Dominanz des Bergbaus abgenommen haben, entwickelten sich der Maschinenbau, die Elektro- und Automobilindustrie sowie
der Kunststoff- und Chemiesektor zu
Schlüsselbranchen in NRW. Die Relevanz der Metallerzeugung und -bearbeitung ist aber nach wie vor groß und
eine tragende Säule der regionalen
Ökonomie. Mehr als 40 % des deutschen Stahls werden an Rhein und
Ruhr hergestellt. Gemessen an der
Produktionsquote ist Duisburg nicht
nur die deutsche, sondern auch die
europäische „Hauptstadt“ der Metallund Stahlindustrie. Ein renommiertes
Unternehmen in diesem Wirtschaftssegment ist der Essener Werkstoff- und
Technologiekonzern ThyssenKrupp.
Mit etwa 188 000 Mitarbeitern ist er
der größte und bedeutendste Stahlkonzern in Deutschland. Nachdem
ThyssenKrupp auch von der Wirtschaftskrise nicht verschont wurde,
kehrte das Unternehmen im ersten
Quartal 2009/2010 überraschend in die
Gewinnzone zurück und beendete damit die rote Serie dreier vorhergehender Verlustquartale. Demnach verbuchte das Stahl- und Rüstungsunternehmen ein Vorsteuerergebnis im Auftaktquartal von 313 Mio. Euro, ein Plus
von 73 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahresquartal. Die Gründe für den positiven Trend liegen nach Vorstandschef Ekkehard Schulz in der höheren
Nachfrage, besseren Preisen, einer gestiegenen Produktivität sowie in einer
strikten Kostenkontrolle.
Die Automobilindustrie ist nach wie
vor ein starker Wirtschaftsfaktor
Neben den Größen der Stahl- und
Energiebranche sitzen noch viele weitere Konzernschwergewichte in NRW
– zum Beispiel die großen Logistikdienstleister wie die Essener Schenker
AG oder die Deutsche Post AG aus
Bonn. Aufgrund der geografisch günstigen Lage an Rhein und Ruhr sowie
einer gut funktionierenden Infrastruktur kommt diesem Wirtschaftssektor
eine enorme Bedeutung zu. Allein in
der regionalen Logistikbranche sind
250 000 Mitarbeiter beschäftigt. Eben-
Ökologie und Ökonomie im Einklang
SMS Siemag | Energie- und Umwelttechnik machen Anlagen profitabel
R
essourcen- und energiesparende
Produktionsprozesse stehen immer mehr im Fokus der Anlagenbetreiber. Um der stetig wachsenden
Bedeutung des Faktors Umweltschutz
gerecht zu werden, sind permanente
Innovationen unerlässlich. Ein gutes
Beispiel hierfür ist der Maschinen- und
Anlagenbauer SMS Siemag mit Sitz
in Düsseldorf und Hilchenbach, ein
Unternehmen der SMS group, der die
technischen Neuerungen im Produktportfolio kontinuierlich weiterentwickelt und umsetzt. Dieser stetige Innovationsprozess festigte die weltweit
führende Rolle des über 140-jährigen
Traditionsunternehmens im Markt für
Hütten- und Walztechnik.
Exemplarisch für die Expertise der
SMS Siemag sind maßgebliche Entwicklungen im Stahlwerksbereich sowie in der Stranggießtechnik. Durch
die erfolgreiche Generierung und Ein-
führung von CSP-Anlagen (Compact
Strip Production) verschaffte sich das
Unternehmen internationale Anerkennung in der Branche. Das neuartige
CSP-Verfahren erlaubt eine effiziente
Produktion von Stahlband durch die
direkte Kopplung des Gieß- und Warmwalzprozesses. Kurz: Die innovative
Technik ermöglicht gleichzeitiges Vergießen und Walzen von Stahl und erreicht dadurch enorme Energieeinsparpotenziale.
Der Maschinen- und Anlagenbauer
liefert die gesamte Wertschöpfungskette vom kompletten Stahlwerk über
maßgeschneiderte Anlagen bis hin
zum Maschinenequipment inklusive
Servicedienstleistungen. Vor dem Hintergrund stetig steigender Energieund Rohstoffpreise erweisen sich
für die Anlagenbetreiber von Stahl-,
Aluminium- oder NE-Metall-Werken
ressourcenschonende Produktions-
SMS GROUP
Unter dem Dach der Holding SMS
GmbH besteht die SMS group aus
einem Verbund von international tätigen Unternehmen des Anlagen- und
Maschinenbaus für die Verarbeitung
von Stahl und NE-Metallen. Die familiengeführte Gruppe ist in die Unternehmensbereiche SMS Siemag und
SMS Meer unterteilt, die als selbstständige Teilkonzerne gesteuert werden, aber dennoch eng miteinander
kooperieren. Für den Bereich Hüttenund Walzwerkstechnik entwickelt und
konstruiert SMS Siemag weltweit innovative Anlagen für die Stahl-, NEMetall- und Aluminiumindustrie. Das
Segment SMS Meer ist auf die Herstellung von Rohranlagen, hydraulischen Pressen, Ringwalzwerken sowie Kupfer-, Aluminium- und Gesenkschmiedeanlagen spezialisiert. Beide
Firmen sind in ihren Bereichen Marktund Technologieführer. Nach Umsatz
und Auftragseingang ist SMS Siemag
das größte Unternehmen im Verbund.
Die SMS GmbH als Dachorganisation
ist für die strategische Planung und
Kontrolle der Unternehmensgruppe verantwortlich. Alleineigentümer
der SMS group ist die Familie Weiss
in Form der Holding Siemag Weiss
GmbH Co. KG.
pht
Das Herzstück einer SMS-SiemagAnlage: die patentierte CSP Gießkokille.
Foto: SMS Siemag
methoden und moderne Rückgewinnungstechniken als nachhaltig profitable Investition. Aufgrund der zunehmenden Relevanz der Energie- und
Umwelttechnik verstärkte SMS Siemag
das ohnehin traditionelle Engagement
bei energieeffizienten sowie umweltfreundlichen Anlagen. Die neuen Techniken reichen von den Methoden der
Wärmeenergie-Rückgewinnung über
innovative Filtersysteme bis hin zu
kompletten Anlagen der Wasseraufbereitung. Die Faktoren der RessourcenEffizienz, Energie-Rückgewinnung und
des Umweltschutzes im Blick, bietet
die SMS Siemag kundenorientierte
Lösungsansätze an, die schlussendlich
zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil führen.
Effektivität und Effizienz werden bei
SMS Siemag großgeschrieben. Innovative Umwelt- und Rückgewinnungsverfahren unterstützen Unternehmen
in ihrer Wirtschaftlichkeit. Um diese
Abläufe kontinuierlich zu optimieren,
beschäftigt sich der Fachbereich Ener-
gie- und Umwelttechnik bei SMS Siemag mit der Frage: Wie kann man die
Wärmeenergie oder die Reststoffe, die
im Prozess gewonnen werden, auf kurzem Weg ohne aufwendige Umwandlungen direkt für andere Prozesse im
Werk nutzen? Die Abteilung ist das Pendant zu ähnlichen Verwaltungsstrukturen bei den Kunden und fungiert als Beratungsstelle in den Angelegenheiten
der Energie- und Umwelttechnik. Themen der Kooperationen sind beispielsweise die Unterstützung im Bereich
der weltweit unterschiedlichen Umweltschutzrichtlinien, die Schaffung
von Synergien zwischen den Produktsegmenten oder die Identifizierung von
Energie-Einsparmöglichkeiten.
Anhand der neu entwickelten Anlagen und Verfahrenstechniken aus dem
Hause SMS Siemag werden maßgeschneiderte sowie verbesserte Metalleigenschaften erzielt, die unter anderem zur Senkung der CO2-Emissionen
beitragen. Zur Veranschaulichung:
Würde man den Eifelturm mit heutigen Stahlsorten bauen, würde man
zwei Drittel weniger Stahl benötigen.
Doch nach den Stahlexperten aus Düsseldorf besteht in der Reduzierung des
Energieeinsatzes sowie der Emissionen noch Luft nach oben. Die Marschroute des Bereichs Energie und Umwelttechnik bei SMS Siemag ist klar
definiert: Ökologie und Ökonomie im
Einklang. „Umweltschutz und Energieeinsparungen müssen auch ökonomisch sinnvoll sein. Nur dann sind die
Techniken marktfähig und werden
von der Industrie eingesetzt“, erklärte
Dr.-Ing. Christian Fröhling, Leiter des
Fachbereichs Energie- und Umwelttechnik.
pht
so wird der nordrhein-westfälischen
IT- und Kommunikationsbranche ein
dynamisches Potenzial zugeschrieben.
Rund 135 000 Erwerbstätige arbeiten
in Firmen wie beispielsweise Vodafone, E-Plus oder Maxdata.
Obwohl keiner der großen deutschen Automobilproduzenten seine
Hauptniederlassung in NRW hat, werden an Rhein und Ruhr jährlich etwa
1 Mio. Fahrzeuge hergestellt. In den
Produktionsstätten von Ford (Köln),
Opel (Bochum), Daimler (Düsseldorf)
und Karmann (Rheine) sowie in der
Zulieferindustrie sind über 200 000
Mitarbeiter beschäftigt. Insgesamt sitzen rund 30 % der deutschen Zulieferer
in NRW.
Auch ein Drittel der bundesweiten
Umsätze in der Chemiebranche wird
in der Rhein-Ruhr-Region erwirtschaftet. In über 450 Chemie-Unternehmen
arbeiten ca. 110 000 Beschäftigte. Etwa
genauso viele Erwerbstätige sind in der
Gummi- und Kunststoffindustrie aktiv.
Zu den renommierten Unternehmen
in dieser Branche zählen zum Beispiel
Basell Polyolefine oder die Bayer MaterialScience.
Nordrhein-Westfalen ist auch das
Land der großen Handelsunternehmen. Hier haben der Aldi Discounter
(Nord und Süd), die Metro AG, der
Rewe-Konzern, die Unternehmensgruppe Tengelmann sowie der Schuhhändler Deichmann und die Douglas
Holding ihren Hauptsitz. NRW ist ohne
Zweifel, auch aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte, das Einkaufsland in
Deutschland. Sowohl die stark frequentierten Einkaufsstraßen in den Großstädten als auch die geräumigen Shopping-Zentren wie das Centro in Oberhausen unterstreichen diese Bedeutung. Großen Zuspruch erfahren auch
die gut besuchten Messestandorte in
Düsseldorf, Köln, Essen und Dortmund. Hier finden regelmäßig nationale wie internationale Leitmessen
über alle Branchen hinweg statt.
Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsstandort profitiert unter anderem von der dichtesten Wissenschaftsund Forschungslandschaft in Europa,
die in enger Verbindung mit der regionalen Industrie steht. 67 Hochschulen,
14 Fraunhofer-Institute, zwölf MaxPlanck-Institute sowie rund 100 an den
wissenschaftlichen Einrichtungen angesiedelte Forschungsinstitute zeugen
vom reichen Wissenschaftssegment in
NRW. In diesem innovativen Umfeld,
gepaart mit einer entsprechenden
Clusterpolitik, steckt das zukunftsorientierte Potenzial an Rhein und Ruhr
von morgen.
Handelsmarkt am Rhein
Finanzplatz NRW | Traditionsreiche Privatbanken
D
er progressive Industriestandort an Rhein und Ruhr wird
von einer starken Finanz- und
Versicherungswirtschaft begleitet. In
den mehr als 400 Banken und Sparkassen sowie 180 Versicherungsunternehmen sind rund 215 000 Mitarbeiter
beschäftigt.
Nordrhein-Westfalen ist mit der
deutschen AXA, der Provinzial NordWest, der Signal Iduna, der Ergo Versicherungsgruppe sowie den Gothaer
Versicherungen ein führender Assekuranzstandort in Deutschland. Neben
der traditionellen Versicherungsexpertise in der Region prägt ein facettenreicher und leistungsfähiger Bankensektor den nordrhein-westfälischen
Finanzplatz. Zu den bekannten Geldinstituten zählen zum Beispiel die
NRW.Bank, die WestLB, die Postbank,
die WGZ-Bank sowie die Targobank
(ehemalige Citibank Privatkunden).
Auch namhafte Privatbanken machen das bevölkerungsreichste Bundesland zu einem interessanten Finanzplatz. Das nach seinem Gründer
Hermann Lampe benannte Bankhaus
Lampe zählt zu den größten inhabergeführten Privatbanken in Deutschland. Der Stammsitz des 1852 gegründeten Traditionsunternehmens befindet sich in Bielefeld, Sitz der Geschäftsführung ist Düsseldorf.
Ein weiterer Player der Düsseldorfer
Privatbankenlandschaft ist die HSBC
Trinkaus, Tochtergesellschaft der britischen Bankengruppe HSBC. Mit dem
Stammsitz an der Königsallee wendet
sich die traditionsreiche Privatbank
(seit 1785) hauptsächlich an große und
mittlere Unternehmen sowie an vermögende private als auch an institutionelle Kunden.
Wie kaum ein anderes Kreditinstitut
prägt die National-Bank AG seit fast 90
Jahren das Ruhrgebiet. Das Geldinstitut mit Hauptsitz in Essen ist eine der
wenigen privaten Regionalbanken in
der Bundesrepublik Deutschland, die
in der von Fusionen gekennzeichneten
Branche ihre Unabhängigkeit bewahren konnte.
Doch in NRW wird nicht nur finanziert und versichert, sondern auch gehandelt – und zwar an der Börse Düsseldorf, die sich Aufklärung und Informationen für Anleger auf die Fahne geschrieben hat. Der Handelsplatz am
Rhein berechnet den NRW-MIX, ein
Index, der die 50 größten nordrheinwestfälischen Aktiengesellschaften
umfasst, die nicht im Dax 30 vertreten
sind. Der von der Börse Düsseldorf
entwickelte Aktienindex bringt die
unterschiedlichsten Unternehmen zusammen und gilt als aussagekräftiger
Indikator – ohne den Einfluss der DaxSchwergewichte – für die Dynamik
und Leistungsfähigkeit des NRW-Wirtschaftsstandorts.
pht
BRANCHEN : NRW-MIX
7
8
10
11
9
6
5
4
3
2
12
1
1
2
3
4
5
6
in Prozent
51,12 Industrie
5,20 Finanzdienstl.
1,90 Verbraucher
9,65 Bau
8,68 Chemie
5,34 Banken
7
8
9
10
11
12
0,16 Logistik
0,47 Telekomm.
2,56 Technologie
0,12 Software
6,63 Einzelhandel
8,16 Pharma&
Gesundheit
Quelle: Börse Düsseldorf / WirtschaftsKurier
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Rhein & Ruhr
WirtschaftsKurier
Kapital für kreative Köpfe
NRW.Bank | Die nordrhein-westfälische Förderbank unterstützt junge und innovative Unternehmen
D
as Ruhrgebiet ist Europas
Kulturhauptstadt 2010. Nicht
ohne Grund: In kaum einer
anderen Region zeigt sich der Wandel
von der Industrie- zur Wissensgesellschaft so deutlich. Vor allem Unternehmen in der sogenannten Kreativwirtschaft sind wesentliche Treiber
dieses Strukturwandels. Damit keine
gute Idee an der Finanzierung scheitert, hat die NRW.Bank als Förderbank
für Nordrhein-Westfalen einen Kreativwirtschaftsfonds aufgelegt. Er stellt
den kreativen Unternehmen Eigenkapital zur Verfügung.
„Wir stellen immer wieder fest, dass
viele Unternehmen der Kreativwirtschaft zu wenig Eigenkapital haben“,
weiß Peter Güllmann, Leiter des Bereichs Beteiligungen in der NRW.Bank.
„Das liegt zum einen an den für die
Branche typischen kleinteiligen Unternehmensstrukturen, die bislang
häufig keinen Zugang zum Kapitalmarkt ermöglichen. Zum anderen beobachten wir seitens der Banken teilweise Zurückhaltung bei Finanzierungsanfragen“, so Güllmann weiter.
Vornehmliche Gründe hierfür sind
Schwierigkeiten bei der ökonomischen Bewertung und Analyse von
kreativen Inhalten und Marktchancen
der Unternehmen.
Vor diesem Hintergrund legte die
NRW.Bank Mitte Januar 2009 einen Eigenkapitalfonds für kreative Unternehmen in Nordrhein-Westfalen auf. Damit leistet sie einen entscheidenden
Beitrag zur Förderung dieses wichtigen
Leitmarkts. Peter Güllmann: „Experten
sind sich einig, dass der jährliche Bei-
trag der Kreativbranchen zum Bruttoinlandsprodukt von derzeit 7 % in
den kommenden Jahren auf 10 % steigen wird. Keine Bank kann das unberücksichtigt lassen.“
stellungsmerkmal sowie ausreichende
Wachstumsperspektiven.
Mithilfe des NRW.Bank.Kreativwirtschaftsfonds konnten bislang drei Unternehmen aus der Kreativwirtschaft
gefördert werden. Dazu zählt neben
music network auch der Webradiovermarkter audimark. Beides sind gute
Beispiele für junge und innovative Unternehmen, die Wachstumspotenzial in
Nordrhein-Westfalen haben. Doch damit ist die Kreativität noch längst nicht
ausgeschöpft. Aktuell überprüft die
NRW.Bank weitere Projekte auf ihre
Förderfähigkeit.
Weitere Projekte auf dem Prüfstand
Jung, den Kopf voller guter Ideen und keiner traut sich an die Finanzierung. Die NRW.Bank unterstützt dieses
innovative Potenzial durch den Kreativwirtschaftsfonds und stellt damit Unternehmen aus Film und Fernsehen,
Musik, Design und Kunst Eigenkapital zur Verfügung.
Foto: Fotolia
Die Rolle der NRW.Bank, die mit der
Aussage „Wir fördern Ideen“ wirbt, ist
hier klar: Sie muss Impulsgeber für
Unternehmensgründungen, Innovationen und Kooperationen in Nordrhein-Westfalen sein. Güllmann: „Die
deutsche Wirtschaft kann es sich nicht
erlauben, dass gute Ideen nicht zur
Marktreife weiterentwickelt werden,
nur weil es an Kapital mangelt.“
Der Kreativwirtschaftsfonds verfügt
über Mittel in Höhe von 30 Mio. Euro.
Zielgruppe sind Unternehmen aus den
Bereichen Film und Fernsehen, Musik,
Werbung, Software, Games, Design,
Kunst und Events. Grundsätzlich gilt:
Alle Unternehmen der Kreativwirtschaft mit Sitz in Nordrhein-Westfalen
sind angesprochen.
Der NRW.Bank.Kreativwirtschaftsfonds stellt sowohl jungen als auch etablierten Unternehmen der Kreativwirtschaft gemeinsam mit Co-Investoren
Eigenkapital in Form von direkten Beteiligungen (bis zu 49 %) und eigenkapitalnahen Finanzierungsformen wie
stillen Beteiligungen oder Genussrechten (sogenanntes Mezzanine-Kapital)
zur Verfügung. Die Mittel sollen der Finanzierung von Investitionen, Akquisitionen oder für Kooperationen dienen.
Voraussetzung ist ein insgesamt schlüssiges Unternehmenskonzept, ein überzeugendes Team, ein belegbares Allein-
NRW.BANK IN KÜRZE
Die NRW.Bank ist die öffentlichrechtliche Förderbank für Nordrhein-Westfalen. Sie unterstützt ihre Eigentümer – das Land Nordrhein-Westfalen und die beiden
Landschaftsverbände Rheinland
und Westfalen-Lippe – bei wichtigen strukturpolitischen Aufgaben.
Im Jahr 2009 versorgte die NRW.
Bank insgesamt 13 023 Unternehmen mit Förder- und Kreditprodukten in Höhe von rund 2,4 Mrd. Euro. Die NRW.Bank agiert strikt wettbewerbsneutral und arbeitet im
Hausbankenverfahren mit den Banken und Sparkassen im Land zusammen – auf ihren Geschäftsfeldern Existenzgründungs- und Mittelstandsförderung, soziale Wohnraumförderung, Kommunal- und Infrastrukturfinanzierung sowie Individualförderung.
Paten gesucht
Ihre
Treffpunkte
2010
Business Angels | Großes Netzwerk in NRW
VON DR. ROLAND KIRCHHOF*
E
ssen 1826: Alfred Krupp übernimmt die kleine Fabrik seines
Vaters. Er will Stahl produzieren,
der in der Härte dem englischen ebenbürtig ist, er will dem Geheimnis des
Tiegelstahls auf die Spur kommen, sein
rischen Erfahrungsschatz helfen, die
vielen unbekannten Hürden für junge
Firmen zu überwinden. Und sie sind
für nützliche Kontakte gut. Dass sie
auch ein kritisches Auge darauf haben,
ob ihr Geld richtig verwendet wird, hat
schon manchen jungen Gründer vor
der Insolvenz bewahrt.
Dr. Roland Kirchhof ist Vorstand des
Business Angels Netzwerk Deutschland (BAND).
Dr. Ute Günther ist Vorstand der
Business Angels Agentur Ruhr
(BAAR) in Essen.
Fotos: BAND
Interesse gilt der Veredelung des Gussstahls. Seine große Vision: den besten
Stahl in Europa herstellen. Aber er hat
kein Geld zur Finanzierung seiner
Ideen. Sein Vetter Friedrich Müller leiht
ihm 10 000 Taler. Später erhält er in
Friedrich Sölling einen weiteren Geldgeber, der kritisch seine ausschweifenden Marketingfantasien beäugt.
Business Angels, auch wenn die Bezeichnung für sie erst in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts aus den
angelsächsischen Ländern zu uns gekommen ist, gab es in Nordrhein-Westfalen also schon immer. Und auch die
typische zeitliche Kapitalgeber-Reihenfolge: zunächst die drei F (family – wie
Friedrich Müller bei Krupp – friends
and fools) und dann die Business Angels. Die Besonderheit der Business
Angels liegt darin, dass sie nicht nur
Eigenkapital zur Finanzierung des jungen Unternehmens einbringen, sondern auch mit ihrem unternehme-
Der Unterschied zu damals: Heute
gibt es in NRW klare Strukturen für innovative Gründer, die eine Seed-Finanzierung suchen, Netzwerke, die helfen,
den richtigen Business Angel zu finden.
Da ist zum Beispiel die Business-Angels-Initiative der NRW.Bank win mit
Sitz in Düsseldorf, die Beratungstage in
einer Reihe von Technologiezentren
durchführt. Mehrmals im Jahr können
Start-ups auf Business-Angels-Marktplätzen ihre Ideen den Business Angels
bekannt machen. Einen ganz anderen
Weg geht NUK Neues Unternehmertum
Rheinland e. V. aus Köln. Ausgehend
von der Durchführung von Businessplan-Wettbewerben haben deren Teilnehmer die Chance, bei den regelmäßigen Treffen im NUK-Netzwerk für sie
geeignete Business Angels kennenzulernen.
Das mit zehn Jahren älteste und
mitgliederstärkste Netzwerk in NRW ist
die Business Angels Agentur Ruhr e. V.
(BAAR) in Essen. Sie präsentiert ihren
Mitgliedern achtmal jährlich in einem
strukturierten Prozess vier Start-ups
zum Kennenlernen. Ein Business Angel
fungiert anschließend als „Pate“ und
hält – unabhängig von einer finanziellen Beteiligung – den Kontakt zum Unternehmen. „Die Business Angels der
BAAR sind der letzte Teil eines Dreiecks
der Innovationsunterstützung, das wir
in der Metropole Ruhr aufgebaut haben“, erläutert Ute Günther, Vorstand
von BAAR, ihre Philosophie der Gründerunterstützung. Zunächst bedürfe es
eines guten Businessplans, den ein
Tochterunternehmen der BAAR, die
Startbahn MedEcon Ruhr GmbH, für
den Bereich Medizinwirtschaft durchführt. Des Weiteren müssten die Jungunternehmer durch ehrenamtliche
Mentoren Hilfe in allen Unternehmenslagen erhalten. Dies geschehe im Verein
Gründer Support Ruhr.
Weil eine gute Finanzierung durch
Business Angels so wichtig ist, sehen es
die Business-Angels-Netzwerke in NRW
auch als notwendig an, sich an dem von
der übergreifenden deutschen Netzwerkorganisation BAND – Business Angels Netzwerk Deutschland e. V. – gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsministerium ausgerufenen „Business
Angels Jahr 2010“ zu beteiligen. Diese
Aktion will für mehr Business Angels
und für mehr Gründer in Deutschland
werben. „So wie es selbstverständlich
ist, dass ich bei Zahnschmerzen zum
Zahnarzt gehe, muss es selbstverständlich werden, dass innovative Gründer
sich bei Eigenkapitalnöten einen Business Angel suchen. Die Business-Angels-Netzwerke sind in NRW dabei die
erste Ansprechposition“, sagt Ute Günther. Bundeswirtschaftsminister Rainer
Brüderle hat wegen der Bedeutung von
Business Angels in dem kürzlich veröffentlichten Konzept „Gründerland
Deutschland“ die Aktion „Business Angels Jahr 2010“ zu einer der Säulen dieses Konzepts erklärt. Die Politik hat
also verstanden.
*Dr. Roland Kirchhof ist Vorstand des
Business Angels Netzwerk Deutschland
2010
10.–13.03.
23.–24.03.
08.–11.04.
17.–18.04.
22.–25.04.
22.–25.04.
Sanitär Heizung Klima
KomCom NRW
Techno-Classica Essen
Heilpraktikertage
FIBO
Fibo Power
Fachmesse für Sanitär, Heizung, Klima und erneuerbare Energien
05.05.
STB Marketplace
Trendmesse der deutschen Veranstaltungsbranche
06.–08.05.
16.–21.05.
Briefmarken
18. WHEC 2010
Internationale Briefmarken-Messe
01.–04.06.
Reifen
No. 1 in tires and more
15.–17.06.
Kiosk Europe Expo*
Internationale Fachmesse für Self Service Terminals
15.–17.06.
03.–06.07.
Digital Signage Expo*
Modatex Fashion Fair*
Internationale Fachmesse für Digital Signage
25.–27.07.
United Sourcing
Fachmesse für Hersteller von Bekleidung, Schuhen und Accessoires
14.–16.09.
14.–16.09.
Aluminium
Composites Europe
Weltmesse der Aluminiumindustrie und Kongress
22.–24.09.
VGB Kraftwerke
VGB-Kongress mit Fachausstellung
24.–25.09.
Start
Die Messe für Existenzgründung, Franchising und junge Unternehmen
02.–03.10.
05.–08.10.
Euro Teddy
Security
Internationale Teddybären- und Steifftiermesse
21.–24.10.
Spiel
Internationale Spieltage mit Comic Action
04.–07.11.
06.–14.11.
Art & Antique
Mode · Heim · Handwerk
Internationale Verkaufsausstellung für Kunst und Antiquitäten
12.–13.11.
Azubi- & Studientage
Die Messe für Ausbildung und Studium
12.–14.11.
Patienta
Internationale Patientenmesse mit Patientenkongress
27.11.–05.12. Essen Motor Show
Die IT-Fachmesse für den Public Sector
Weltmesse für Oldtimer, Classic- + Prestige-Automobile und Motorsport
Fachausstellung und Kongress
Internationale Leitmesse für Fitness, Wellness & Gesundheit
Der Nr. 1 Treffpunkt der Bodybuilding- und Kraftsport-Szene
Internationale Welt-Wasserstoff Energie Konferenz und Ausstellung
Internationale Fachmesse für Braut- und Abendmode
Europäische Fachmesse & Forum für Verbundstoffe und Technologie
Weltmarkt für Sicherheit und Brandschutz
Die große Verbrauchermesse für die ganze Familie
Automobile/Motorsport/Tuning/Classics/Show & Action
* Nur für Fachbesucher | Termine Stand März 2010 | Auszug aus dem Veranstaltungsprogramm 2010 | Änderungen vorbehalten
www.messe-essen.de I Messe-Info 01805. 22 15 14
(0,14 Euro/Minute aus dem deutschen Festnetz)
30
MÄRZ 2010
Rhein & Ruhr
WirtschaftsKurier
Europäische Kulturhauptstadt
RUHR.2010 | Kultur als Treibstoff des Wandels
VON PROF. DR. OLIVER SCHEYTT*
M
it dem Programm der Europäischen Kulturhauptstadt
RUHR.2010 hat das Ruhrgebiet eine einmalige Chance, ein neues
Bewusstsein von diesem drittgrößten
Ballungsraum in der Europäischen
Union zu schaffen. „Das Ruhrgebiet
atmet nicht mehr Staub, sondern Zukunft“ – dieser Satz des Schweizer
Schriftstellers Adolf Muschg bringt das
Leitmotiv von RUHR.2010 „Wandel
durch Kultur – Kultur durch Wandel“
auf den Punkt. Die ehemals größte Ansammlung von Zechen und Stahlwerken, der bedeutendste Montanstandort in Europa hat jenseits dieser vergangenen Stärken neue Qualitäten
entwickelt. Nur noch 36 000 Menschen
arbeiten in der Montanindustrie, doch
es gibt schon mehr als 20 000 Unternehmen der Kreativwirtschaft. 5,3 Mio.
Menschen wird in den 53 Städten der
Metropole Ruhr eine Lebensqualität
geboten, die nicht nur vom dichtesten
Kulturangebot in ganz Europa geprägt
ist. Das Ruhrgebiet verfügt auch über
ein Radwegenetz mit 600 Kilometern
jenseits von Straßen und Autobahnen,
grüne Areale, eine herausragende Gesundheitsversorgung, mehr als 20 Universitäten, Fachhochschulen und exzellente wissenschaftliche Einrichtungen, aber auch starke Fußballclubs.
Das einjährige Programm von
RUHR.2010 knüpft an am Mythos
Ruhr, geprägt von Mut, Stolz, Solidarität, und will zeigen, dass Kultur der
Treibstoff für den Motor des Wandels
zu einer neuen Metropole ist. So wie
die 27 Staaten Europas nicht nur durch
eine gemeinsame Währung, sondern
vor allem durch kollektive Werte und
kulturelle Traditionen über Jahrhunderte währende Verbindungen haben,
gibt es im Ruhrgebiet eine gemeinsame kulturelle Identität. Das Ruhrgebiet hat seine Kultur nicht geerbt,
sondern erarbeitet. Zahlreiche Kunstund Kulturinstitutionen verdanken
ihre Existenz der Großzügigkeit von
Unternehmen und Mäzenen. Die
größte Einzelspende in der Geschichte
der Bundesrepublik für eine Kultureinrichtung ist das jüngste Beispiel
einer langen Kette: die von Berthold
Beitz bewirkte Spende der Alfried
Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung in Höhe von 55 Mio. Euro für den
Neubaukomplex des Museums Folkwang. Mit der Architektur von David
„Das Ruhrgebiet hat seine Kultur
nicht geerbt, sondern erarbeitet“, so
Prof. Dr. Scheytt.
Foto: RUHR.2010
schen an Ruhr, Emscher und Lippe leben und arbeiten, wie ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gestaltet
worden ist und wird. Vier Künstlerische Direktoren decken mit ihren jeweiligen Kompetenzen alle Bereiche
von Kunst und Kultur bis hin zur Baukultur ab. Auf zwei Feldern wird in besonderer Weise auf Nachhaltigkeit gesetzt: in der Kreativwirtschaft und in
der Auseinandersetzung mit Angeboten für und von Menschen mit Migrationshintergrund.
Kulturpolitik ist Strukturpolitik
Die Stadt Essen und das Ruhrgebiet feiern die neue Energie „Kultur“. Im Bild die Zeche Zollverein, die als imposantes Industriedenkmal zum Weltkulturerbe der Unesco gehört.
Foto: RVR
Chipperfield ist hier gleich zu Beginn
des Kulturhauptstadtjahres einer der
schönsten Museumsneubauten unserer Zeit eröffnet worden.
Die Kulturhauptstadt RUHR.2010
kann auf das Engagement von Unternehmen nicht nur aus dem Initiativkreis Ruhr setzen. Fünf Hauptsponsoren haben sich jeweils mit mindestens
2 Mio. Euro Finanz- und Sachmitteln
an der Kulturhauptstadt beteiligt: Deutsche Bahn/Schenker, E.ON Ruhrgas,
Haniel, RWE AG und die SparkassenFinanzgruppe. Weitere 30 Sponsorpartner und Förderer tragen auch mit ihren
eigenen Kommunikationsmaßnahmen
wesentlich zu einer neuen Wahrnehmung der Metropole Ruhr bei.
Das Programm von RUHR.2010 besteht aus 300 Projekten mit mehr als
2 500 Veranstaltungen und ist im Januar bei einer fulminanten Eröffnungsfeier mit 200 000 Besuchern in Anwesenheit von Bundespräsident Horst
Köhler und EU-Kommissionspräsident
José Manuel Barroso eröffnet worden.
RUHR.2010 fragt danach, wie die Men-
Drei Kriterien mussten alle Projekte
erfüllen, die in das Kulturhauptstadtprogramm aufgenommen wurden:
Modellhaftigkeit für Europa, Verknüpfung von Städten und künstlerischen
Genres sowie Nachhaltigkeit. Dies gilt
besonders für die Programme auf dem
Feld der Kreativwirtschaft. Die Kreativund Kulturwirtschaft im Ruhrgebiet
umfasst insgesamt elf Branchen und
gehört zu den dynamischsten in
Deutschland. Die ersten Kulturwirtschaftsberichte überhaupt wurden Anfang der 90er-Jahre in Nordrhein-Westfalen erarbeitet, insbesondere am Beispiel des Ruhrgebiets. Die RUHR.2010
hat inzwischen ein European Center
for Creative Economy gegründet, das
weit über das Jahr 2010 hinaus arbeiten soll. Wesentliche Aufgaben sind,
in den verschiedenen Disziplinen der
Kulturwirtschaft (wie Film, Games,
Musik, Design und darstellende Künste) die Hauptakteure zu vernetzen und
jenseits von Städtegrenzen die Cluster
der Kulturökonomie strukturell fort-
zuentwickeln. Auf diesem Feld ist Kulturpolitik Strukturpolitik. Kultur wird
zum Treiber der Stadtentwicklung in
Allianz mit der Wirtschaftsförderung.
Kreativ- und kulturwirtschaftliche Betriebe haben oft nur wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und arbeiten
heute schwerpunktmäßig in Netzwerken mit anderen spezialisierten Unternehmungen. Trotz aller möglichen Verknüpfungen über das Internet ist eine
stadträumliche Nähe ganz wesentlich
für den Erfolg solcher Netzwerke und
der einzelnen Akteure.
Fast jede Kulturhauptstadt hat nachhaltige Effekte in der Tourismuswirtschaft erzielen können. RUHR.2010 ist
es gelungen, die Metropole Ruhr schon
im Vorfeld des Kulturhauptstadtjahres
neu auf der touristischen Landkarte
Deutschlands und Europas zu positionieren. Als Partnerland der Internationalen Tourismusbörse in Berlin im
März 2009 gab es bereits eine außerordentlich hohe Aufmerksamkeit bei den
Reiseveranstaltern und Multiplikatoren
im Tourismus. RUHR.2010 ist derzeit in
Reisekatalogen mit einer Gesamtauflage von 12 Mio. Exemplaren im Umlauf.
Die Hotels haben schon zu Beginn des
Kulturhauptstadtjahres trotz des Rückgangs im Geschäftsreisemarkt Steigerungsraten zu verzeichnen. Durch ein
völlig neues touristisches Informationssystem mit fünf neuen Visitor Centern
in Duisburg, Oberhausen, Essen, Bochum und Dortmund, die eine Orientierung in den fünf größeren Arealen
der Metropole Ruhr geben, wird das
„Leistungsversprechen“ der Metropole
Ruhr auf neue Art eingelöst: Die Bilderketten in den Köpfen gehen aus von
einzigartigen Wahrzeichen wie dem
Welterbe Zollverein, dem Dortmunder
U oder dem Oberhausener Gasometer.
Voraussetzung für einen Erfolg wird es
sein, dass alle Glieder der touristischen
Leistungskette in Zukunft besser zusammenarbeiten. Wobei vor allem gelernt werden muss, das jeweilige Angebot nicht nur auf die einzelne Stadt,
sondern auf den gesamten Ballungsraum der Metropole Ruhr zu beziehen.
Mit den neuen Bildern der Metropole Ruhr kann die RUHR.2010 jetzt
punkten. Ein neues Selbstbewusstsein
und ein neues Bewusstsein sollen die
nachhaltigsten wirtschaftlichen Effekte
des Kulturhauptstadtjahres bringen.
*Prof. Dr. Oliver Scheytt ist
Geschäftsführer der RUHR.2010
Die Wiege des Wohlstands
Wirtschaftsstandort Metropole Ruhr | Die Chancen der Region liegen in den europaweit konkurrenzfähigen Clustern
VON EVA KIESSLER*
D
as Ruhrgebiet ist eine offene
Gesellschaft im besten Sinne.
Nicht Herkunft oder Klasse entscheiden hier über den Erfolg. Engagement, Kreativität und Fleiß waren und
sind gefragt.“ Treffender als es der frühere Miteigentümer und Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe Erich Schumann einst tat, kann man eine Region
kaum charakterisieren. Wer hier
Zukunft plant, muss die Historie beachten: In der Metropole
Ruhr sind 150 Jahre lang für
ganz Europa die Werte geschaffen worden, die den
Wohlstand gesichert haben. Die
Bergleute und die Stahlarbeiter
waren in der Hierarchie der Facharbeiter ganz oben. Das Selbstbewusstsein
dieser Tage ist allenthalben noch spürbar und auch künftig ein gewichtiges
Pfund, mit dem wir wuchern können.
Die hier lebenden Menschen sind
unverschnörkelt und offen, positiv und
zupackend. Ihnen ist es gelungen, industrielle Kerne zu sichern, eine wirklich gute Infrastruktur aufzustellen:
Stahl und Chemie im Weltmaßstab sowie die Nummer 1 unter den Energieregionen Deutschlands. Schauen wir
uns die Fakten der Metropole Ruhr genauer an: eine zentrale Lage im Herzen
Europas, mehr als 20 Mio. Menschen
erreichen das Ruhrgebiet innerhalb
von zwei Stunden und 16 der 100 größten deutschen Unternehmen haben
hier ihren Sitz.
In der aktuellen ökonomischen Bewertung liegen alle Chancen in den
Clustern beziehungsweise den Kompetenzfeldern. Sie tragen das Potenzial
für regionales Wachstum, In-
novationen sowie Beschäftigung und stehen
für technologischen Vorsprung. Hinzu
kommt das fachliche Know-how der
hier Beschäftigten. In der Metropole
Ruhr haben vor allem die Bereiche Logistik, Energie, Chemie, Gesundheitswirtschaft, IT und neue Werkstoffe
Clusterstrukturen herausgebildet, die
sich europaweit sehen lassen können.
Kluge Köpfe und kreative Unternehmen sind ebenfalls Treiber für kulturelle und wirtschaftliche Innovationen. Die Kreativwirtschaft hat sich
längst zu einem bemerkenswerten
Wirtschaftsfaktor entwickelt. Alle dies
hat zum neuen Bild der Region als
moderner und leistungsstarker Investitionsstandort
beigetragen.
Der Ballungsraum Ruhrgebiet: Die
gut ausgebaute Infrastruktur bildet
die Voraussetzung für die starke
Logistikregion.
Bild: RUHR.2010
Die Region ist nicht zuletzt aufgrund
ihrer Tradition der Montanindustrie im
Feld Energie national wie international
gut aufgestellt und damit Deutschlands
Energieregion Nummer eins. In der
Energieumwandlung, -versorgung und
-technik ist die Metropole Ruhr europaweit führend. Ihr Unternehmensspektrum umfasst 240 Firmen mit rund
50 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und einem Jahresumsatz
von 52 Mrd. Euro.
Ein wichtiger Fitmacher
für die regionale Wettbewerbsfähigkeit ist eine sinnvolle, in die europäischen
Netze eingebundene Verkehrsinfrastruktur. Sie macht
die Region zur Verkehrsdrehscheibe
Europas, verknüpft die Nord-Südsowie Ost-West-Achsen des Straßenund Schienennetzes und unterstützt
damit den Austausch von Personenund Warenströmen. Die vorhandene
Infrastruktur bildet die Voraussetzung
für eine starke Logistikregion. 33 der
Top-100-Logistikunternehmen haben
ihren Firmensitz in dieser Region, unter ihnen Ikea, SSI Schäfer, Schenker
AG, SimPlan AG und Rhenus AG, und
mit dem Duisburger Hafen liegt hier
der größte Binnenhafen der Welt. Er ist
wichtigster Logistikhub der Nordseehäfen. Im Bereich der sogenannten
Last Mile Logistik sind die Städte Gelsenkirchen, Herne und Herten führend,
während im Großraum Dortmund die
besondere Kompetenz im Schnittfeld
zwischen Handel, Logistik und IT liegt.
Chemieprodukte aus der Metropole
Ruhr sind aus unserem Alltag nicht
mehr wegzudenken. In Deutschland
bildet das Bundesland NRW mit dem
Ruhrgebiet die größte Chemieregion,
hier wird über ein Drittel der deutschen
Chemieumsätze erwirtschaftet.
Expertise im medizinischen Sektor
Die Gesundheitswirtschaft als überaus
personalintensiver Dienstleistungsbereich hat in den vergangenen Jahren
wesentliche Impulse für den regionalen Strukturwandel gesetzt. Mit
229 000 Beschäftigten stellt sie den
größten Arbeitsmarkt in der Metropole Ruhr dar. 127 Krankenhäuser und
Kliniken mit über 900 Fachabteilungen, drei medizinische Fakultäten und
8,4 Mrd. Euro Jahresumsatz belegen,
dass nirgendwo in Deutschland die
Menschen medizinisch so gut versorgt
sind wie hier. Die Ruhrmetropole gilt
als eine der dichtesten Kliniklandschaften Europas.
Nano,- Mikrosystem- und Werkstofftechnologie sind Querschnittstechnologien und zählen zu den Schlüsselfaktoren des 21. Jahrhunderts. Sie dienen
als Motor und Sprungbrett zugleich für
die Entwicklung neuer Produkte und
Verfahren in Anwenderbranchen wie
dem Maschinen- und Anlagenbau, der
Energie-, Informations- und Kommunikationstechnik, dem Automobilbau,
der Logistik, der Chemie oder dem Gesundheitswesen. In all diesen Feldern
weist die Metropole Ruhr sowohl im
Bereich der Forschung und Entwicklung als auch bei den Unternehmen
eine hohe Kompetenz auf. Dabei sind
die Nano-, Mikrosystem- und Werkstofftechnologie mit den weiteren
Kompetenzfeldern der Region eng verzahnt – und genau diese Verzahnung
trägt zum Ruf der Metropole Ruhr als
Technologiestandort bei.
Regionales Selbstbewusstsein ist
mindestens ebenso wesentlich wie Investorenakquise. Gerade für investitionswillige Unternehmen ist diese Vermittlung der Potenziale der Region,
also das Marketing, immens wichtig. Es
muss uns gelingen, jungen und gut
ausgebildeten Menschen hier die echten Arbeits- und damit auch Lebensperspektiven zu vermitteln und eine
breite, überregionale Öffentlichkeit von
der Attraktivität des Investitionsstandorts zu überzeugen.
*Eva Kießler ist Sprecherin der
Wirtschaftsförderung metropoleruhr
MÄRZ 2010
31
Rhein & Ruhr
WirtschaftsKurier
Auf dem Weg zur Metropole
Strukturwandel im Ruhrgebiet | Eine Region zieht Bilanz
Drei Generationen auf einem
Bild sieht man heute selten.
Die Bewältigung der demografischen Veränderungen ist
eine der Herausforderungen –
auch an der Ruhr.
Foto: Fotolia
VON PROF. DR. CHRISTOPH M.
SCHMIDT UND DR. UWE NEUMANN*
Z
weifellos hat das Ruhrgebiet einen tief greifenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Wandel auf dem Weg zur
„Metropole Ruhr“ durchlaufen. Dieser ist aber keineswegs abgeschlossen.
Die Fortschritte der Region betreffen die Überwindung der montanindustriellen Dominanz, die zunehmende Herausbildung von Unternehmen
der Hoch- und Spitzentechnologie und eine verbesserte kommunale Zusammenarbeit. Dabei
sind besonders hervorzuheben:
■ Der Aufbau neuer
Wirtschaftszweige, die
nicht mit dem Montankomplex verbunden sind,
bei gleichzeitiger Modernisierung der Stahlindustrie, die
auch Hochtechnologieproduktion
einschließt.
■ Eine zumindest ansatzweise
Herausbildung von entwicklungsfähigen HightechClustern im Umfeld von
Hochschulen, zum Beispiel Dortmund, verbunden mit einer stärkeren
Orientierung der Kommunen
auf die Ansiedlung „neuer“
Branchen und einer Verbesse-
rung der örtlichen Rahmenbedingungen für Investoren.
■ Begrenzte Ansätze zur Überwindung
der administrativen Fragmentierung
und der historisch bedingten „Egoismen“ der Kommunen.
Dies hat zwar insgesamt zur Minderung der Konjunkturanfälligkeit des
Ruhrgebiets beigetragen. Die über
mehrere Jahrzehnte andauernden wirtschaftlichen Anpassungsprobleme wirken aber bis heute nach. So führte die
Abwanderung jüngerer Menschen zur
Schrumpfung der Bevölkerung und zur
Veränderung ihres Altersaufbaus: Der
Anteil der Personen im Erwerbsalter –
ein wichtiger Wettbewerbsfaktor im
demografischen Wandel – etwa ist im
Ruhrgebiet erheblich geringer als in
konkurrierenden Metropolen.
Es gibt jedoch deutliche Anzeichen
einer Revitalisierung des Ruhrgebiets.
So zog es zu Beginn des 21. Jahrhunderts erstmals seit dem Schrumpfen
der Montanindustrie gegenüber den
anderen Regionen in Nordrhein-Westfalen in Bezug auf das Wirtschaftswachstum gleich. Allerdings wirkt sich
dies noch nicht umfassend auf die
Beschäftigung aus. Auch vollzieht sich
der wirtschaftliche „Aufholprozess“
momentan noch auf einer schwachen
technologischen Basis.
Grundsätzlich kann eine erfolgreiche
wirtschaftliche Erneuerung altindustrieller Regionen nur durch Wettbewerb
getragen werden. Wichtig ist es insbesondere, Maßnahmen der regionalen
Strukturpolitik, zum Beispiel die Clusterförderung, in einen Lernprozess einzubringen, in dem innovative Ansätze
erprobt, durch unabhängige wissenschaftliche Evaluationen begleitet und
im Zuge der Umsetzung verfeinert oder
bei unzureichenden Erfolgen eingestellt werden. Für die Strukturförderung des Ruhrgebiets bedeutet dies unter anderem eine weitere Optimierung
der Rahmenbedingungen zur Entstehung wettbewerbsfähiger, vor allem
kleinbetrieblicher Cluster, etwa durch
zeitlich begrenzte Förderung ausgewählter Schwerpunkte wie der Gesundheitswirtschaft oder der Mikrosystemtechnik. Anstrengungen zur Bewältigung des demografischen Wandels sind
zudem erforderliche Schritte.
Weichenstellungen der Politik, wie
die stärker wettbewerbsorientierte
Clusterpolitik der Landesregierung und
die Übertragung der Verantwortlichkeit
für die Regionalplanung auf den Regionalverband Ruhr, stimmen zuversichtlich, dass die Förderpolitik in Zukunft
stärker dazu beitragen kann, die Rahmenbedingungen zu verbessern.
Rückschläge wie beispielsweise die
Schließung der Bochumer Nokia-Produktionsstätte und die Befürchtungen
um den Erhalt des Bochumer OpelStandorts sollten aber eine Mahnung
für all jene sein, die gehofft hatten,
Strukturwandel sei eine einmalig zu
bewältigende Angelegenheit. Schließlich kann das Kulturhauptstadtjahr
2010 dazu beitragen, das Bewusstsein
für die neu entstehende „Metropole
Ruhr“ innerhalb und außerhalb der
Region zu schärfen, indem es die
Aufmerksamkeit auf die realen Verhältnisse lenkt, die abseits längst
überholter Klischeevorstellungen diese Region prägen.
*Prof. Dr. Christoph M. Schmidt ist
Präsident des RWI Essen,
Dr. Uwe Neumann ist wissenschaftlicher
Mitarbeiter im RWI
Ein Teil von uns …
bewegt die Welt.
Biotop für
junge Unternehmen
dortmund-project | Nachhaltige Stadtentwicklung
VON THOMAS ELLERKAMP*
D
ortmund zählt heute zu den
erfolgreichsten Städten der
neuen Wirtschaft in Deutschland. Die Stadt hat ihre Zukunft nach
dem Wegfall der alten Industrien aktiv
in die Hand genommen. Vor allem
durch die Förderung der Zukunftsbranchen wie der Informationstechnologien, der Logistik, der Mikro-/
Nano- und der Biotechnologie hat
Dortmund zu den führenden Hightech-Standorten Deutschlands aufgeschlossen. Zu dieser Entwicklung trägt
das dortmund-project als Impulsgeber
seit nunmehr zehn Jahren bei. Im Mai
2000 wurde es von der Stadt gemeinsam mit der ThyssenKrupp AG und
der Unternehmensberatung McKinsey
ins Leben gerufen. Seitdem bündelt es
mit breiter Akzeptanz aller Beteiligten
die Kräfte aus Stadt, Wirtschaft und
Wissenschaft in einem außergewöhn-
Das Phoenix-Gelände in Dortmund:
von der Stahlindustrie zum Innovationsstandort und attraktiven Wohnviertel.
Foto: dortmund-project
lichen Netzwerk. Das Motto lautet:
Aus Visionen Chancen machen.
Ziel des dortmund-project ist es, die
Spitzenstellung in den Zukunftsbranchen kontinuierlich auszubauen. Daher zählt zu seinen wichtigsten Aufgaben, optimale Rahmenbedingungen
für die Entwicklung der etablierten
Betriebe sowie für die Ansiedlung neuer Unternehmen zu schaffen. Dazu
trägt unter anderem die Gründungsinitiative start2grow mit ihrem umfas-
senden Coachingkonzept bei. Daneben arbeitet das dortmund-project
eng mit den Kompetenzzentren vor
Ort zusammen, die technologieorientierte Start-ups und junge Unternehmen mit Infrastruktur und technischem Know-how unterstützen. Den
ersten Firmen gelingt es bereits, sich
aus den Zentren heraus auf eigene
Beine zu stellen und in der unmittelbaren Umgebung anzusiedeln. Ich
bin davon überzeugt, dass viele weitere diesem Beispiel in Zukunft folgen
werden.
Als Hightech-Standort ist Dortmund
langfristig auf hoch qualifizierte Fachkräfte angewiesen. Mit Maßnahmen
wie der IT-Ausbildungskampagne Joy
oder dem Projekt jobtec fördert das
dortmund-project gemeinsam mit
Partnern die duale und akademische
Ausbildung sowie Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen in den neuen Technologien. Es weckt bei Schülerinnen
und Schülern schon frühzeitig das
Interesse an technologieorientierten
Berufen und macht sich zudem für
entsprechende Studienangebote an
den Dortmunder Hochschulen und
Ausbildungsplätze in den Unternehmen stark.
Einen weiteren Schwerpunkt bilden
Wohn-, Kultur- und Freizeitprojekte.
Das dortmund-project unterstützt eine
nachhaltige Stadtentwicklung, bei der
die Revitalisierung von Industriebrachen mit neuen Nutzungskonzepten
eine wichtige Rolle spielt. Das Leitprojekt ist die Entwicklung des Standorts
Phoenix, einer 200 Hektar großen ehemaligen Industriefläche. Das Gelände
bietet Raum für die Zukunftsbranchen
sowie für attraktive Wohnviertel mit
hohem Freizeitwert – auch rund um
den neu angelegten Phoenix See. Dortmund präsentiert sich heute als Wirtschaftsstandort mit hoher Lebensqualität. Und das nicht zuletzt auch durch
die Arbeit des dortmund-project.
*Thomas Ellerkamp ist
Leiter des dortmund-project
Was die Welt verbindet hat bei uns seinen Ursprung.
Wir projektieren, konstruieren und bauen weltweit
Maschinen und Anlagen für die Produktion und
Weiterverarbeitung von Stahl, Aluminium und Kupfer.
Das Resultat: Qualitätsprodukte, die höchsten
Beanspruchungen standhalten, sorgen auf der ganzen
Welt für nachhaltige Lebensqualität, die uns alle miteinander verbindet.
Weitere Informationen unter: www.sms-group.com
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Telefon: +49 (0) 211 881-0
Telefax: +49 (0) 211 881-4902
E-Mail: [email protected]
32
MÄRZ 2010
Reise & Urlaub
WirtschaftsKurier
Vom Elsass ins Burgund: Vive la France!
Frankreich | Eine kleine kulinarische Tour
Die „Champs-Elysées“ Burgunds führt zu den bekanntesten Weingütern.
F
rankreich ist ein Land für Genießer. Die unterschiedlichen Landschaften sind so verführerisch
für das Auge wie seine „Haute Cuisine“, die weltberühmte französische
Küche, für den Gaumen. Der raue
Westen, der milde Osten, der liebliche
Süden und der unverwechselbare
Charme der Hauptstadt Paris sind
reich an Kontrasten – wir stellen drei
Regionen vor, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten.
Das Elsass ist ein Idyll
Malerische Fachwerkdörfer, sanfte
Berge und Weinreben soweit das Auge
reicht – das Elsass ist ein Idyll, besonders beliebt bei den Deutschen. Landschaftliche Reize kombiniert mit einer
eher deftigen, regionalen Küche
locken Touristen aus fern und nah.
Viermal wechselte das Elsass seit 1871
die Nationalität und steht heute nach
Jahrzehnten der Versöhnungspolitik für
eine besondere, europäische Region.
Die Hauptstadt des Elsass, Straßburg,
begeistert vor allem durch die schöne
Altstadt. Wunderschöne Fachwerkhäuser, Paläste und Prachtbauten des
18. Jahrhunderts reihen sich hier aneinander. Mittelpunkt der Stadt ist jedoch das Straßburger Münster. Es
zeigt den Übergang von der Bauweise
der Romanik zur Gotik, das Besondere: von den geplanten zwei Türmen
der Fassade ist nur einer fertig geworden. Dieser Turm kann bestiegen werden. Eine beeindruckende Aussicht ist
demjenigen sicher, der die 330 Stufen
bewältigt. Vom Münsterplatz ist es
dann nicht mehr weit ins ehemalige
Gerberviertel La Petite France. Das
Viertel kann als gastronomisches Zentrum angesehen werden. Hier kann
Foto: Alain Doire – Bourgogne Tourisme
man Elsässer Flammkuchen, Schnecken oder Crêpes genießen. Dazu wird
gern ein edler Tropfen Wein gereicht.
Nach dem Mahl lohnt sich ein Spaziergang zur Ponts Couverts und das
Barrage Vauban, eine Schleuse im
Fluss Ill, die über ein begehbares Grasdach verfügt, von dem aus sich eindrucksvolle Perspektiven bieten. Wer
keine Lust mehr zum Laufen hat, der
kann auf ein Schiff umsteigen. Bei einer Rundfahrt auf der Ill sieht man alle
Sehenswürdigkeiten ganz entspannt
vorbeigleiten und entdeckt dabei viele
Kleinigkeiten, die in keinem Reiseführer zu finden sind.
gner bezeichnet werden, alles andere
ist und bleibt nur Sekt. Hier wird bereits seit dem vierten Jahrhundert Wein
angebaut. Damals ahnte jedoch noch
niemand, welch exklusives Getränk
einmal das Image dieser Region prägen
würde. Aufgrund der privilegierten
Lage im Herzen Europas entwickelte
sich die Champagne im frühen Mittelalter zu einem pulsierenden Handelszentrum. Die hochwertigen Weine der
Region erlangten so auch über Frankreichs Grenzen hinaus einen guten Ruf.
In den europäischen Adelshäusern erfreute sich der Wein größter Beliebtheit, Louis XIV. machte ihn zu seinem
Hauswein und leitete damit einen
Trend ein. Neben dem Weinanbau bestimmt vor allem Landwirtschaft und
Tourismus das Leben. Besucher können in der Champagne Kindererlebnisse aufleben lassen: So wurde in Charleville-Mézières die Marionette erfunden, was sich dort in vielen Geschäften
und Theatern wiederfindet. Im Lac du
Der Chantecoq kann im größten Stausee Frankreichs geplanscht werden und
Troyes ist für ihren Rummel bekannt.
Liebhaber gotischer Kunst sollten
Reims, die Hauptstadt dieser Region,
und ihre prachtvolle Kathedrale besichtigen. Reims ist neben Épernay, ein
weiteres Städtchen der Champagne,
das wichtigste Zentrum der Champagnerherstellung. Das edle Getränk la-
gert zum Teil in Kellern und Tunneln,
die schon zu Zeiten der Römer in die
Kalkfelsen gegraben wurden.
Das Burgund verdankt seinen Weltruf
großen Weinen. Die burgundische
Weinstraße liest sich wie die Etiketten
in gut sortierten Weinhandlungen: Die
Route des Grands Crus, bisweilen auch
als „Champs-Elysées“ Burgunds bezeichnet, führt von Dijon an 24 der insgesamt 33 Grand-Cru-Lagen Burgunds
vorbei. Die Route Touristique des
Grands Vins de Bourgogne durchquert
die Weinanbaugebiete des Pays de Maranges, des Couchois und der Côte
Chalonnaise. Die Route des Vins Mâconnais-Beaujolais schlängelt sich
durch den südlichsten Teil des burgundischen Weinlandes und gestattet Abstecher zur Felsformation der Roche de
Solutré. Im Norden Burgunds unterteilt
sich die Route Touristique des Vins de
l’Yonne in mehrere Rundstrecken um
die Weinzentren Chablis, Auxerre, Vé-
zelay, Tonnerre und Joigny. Ein Teilstück dieser Weinstraße bildet auch
die neu eröffnete Route du Crémant
im Umland von Châtillon-sur-Seine,
die den burgundischen Schaumweinen gewidmet ist. Ganz im Westen
verläuft außerhalb des Appellationsgebiets der Burgunderweine, aber immer noch in der Region Burgund, die
Route des Coteaux de Pouilly-Sancerre und lädt zu einer Entdeckung des
burgundischen Loiretals ein. Diese
Weinstraße lässt sich mit dem Auto
entdecken, aber auch zu Fuß, mit dem
Rad oder sogar hoch zu Ross auf den
zahlreichen Reitwegen. Unabhängig
von der Art der Fortbewegung wird jedem Reisenden überall ein herzlicher
Empfang bereitet – in Gästezimmern
und charmanten Landhotels, in der
Ferienwohnung direkt beim Winzer,
in den Restaurants und Landgasthöfen, bei Ausflügen in die Weinberge
oder bei Weinproben oder Weinfesten,
die über das ganze Jahr hinweg stattfinden.
INFORMATIONEN
DER REDAKTIONSTIPP
Die Weinstraßen des Burgund
❯
www.franceguide.com
www.tourismus-elsass.com
❯ www.tourisme-champagneardenne.com
❯ www.bourgogne-tourisme.com
❯
Champagner als Hauswein
Die Champagne ist berühmt für ihren
Champagner, der seit dem 17. Jahrhundert gekeltert wird. Nur Schaumwein
aus der Champagne darf als Champa-
Champagner-Bar
in den Bäumen
Champagner schlürfen mit einem
atemberaubenden Blick über die
Ebene der Champagne: Eine ungewöhnliche Location dafür ist die
PerchingBar bei Reims, die im Juni 2010 eröffnet wird. Mitten
durch die Bar
rankt sich ein
Baum und durch
die Rundum-Verglasung wird es
nie kühl. In sechs
Metern
Höhe
kann man aus einem Angebot von
Champagnern aus den bedeutenden Häusern der Region wählen.
❯ www.arboxygene.eu
Weinberge über dem Städtchen Thann in der Region Elsass. Foto: CRTAZvardon
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China-Turm in den Alpen
Erholung für die Urlaubskasse
Kärnten | Wellnesskonzept für „Kopflastige“
Zell am See | Sommercard für 25 Ausflugsziele
I
m Hotel Hochschober auf der
Turracher Höhe kann man Urlaub
mit Genuss-Faulenzen ebenso wie
sportlich-aktiv verbringen. Als „Haus
der Geschichten“ vereint das Hotel
vielfältige Ideen mit einem hohen Maß
an Serviceleistungen. Das beheizte SeeBad, ein orientalisches Hamam und ein
vierstöckiger Chinesischer Turm mitten in den Alpen erlauben Entspannung und Abwechslung gleichermaßen. Ab Mai ergänzt die neue Bibliothek das bunte Potpourri. Das Hotelangebot ist so gestaltet, dass auch Kinder
und Jugendliche eine Vielfalt von Möglichkeiten haben. Eine Besonderheit
für die Gesundheit ist die „HAKI-Methode“, die von Therapeut Harald Kitz
entwickelte ganzheitliche und maßge-
F
schneiderte Behandlungssinfonie für
„kopflastige Menschen“. Spezielle Massagegriffe und -techniken ergeben ein
wirksames Behandlungskonzept.
rühling, Sommer und Herbst in
Zell am See – die Natur zeigt
sich von ihrer schönsten Seite,
das Wasser lockt zum Baden, die Sonne zum Relaxen.
In dieser Saison erwartet die Gäste
zusätzlich ein ganz besonderes
Schmankerl: die Sommercard der Ferienregion Zell am See-Kaprun mit freiem Eintritt für über 25 verschiedene Ausflugsziele in
der Umgebung. Die Karte
gibt es vom 15. Mai bis 15.
Oktober 2010 gratis. Die kostenlosen Attraktionen schonen nicht nur die Reisekasse,
sondern machen auch Groß
und Klein Spaß, so dass der
Familienurlaub zum echten
Eine ganzheitliche „Behandlungssinfonie“ im Hotel Hochschober.
und unvergesslichen Hit wird. Für Familien bietet zum Beispiel das Sporthotel Alpenblick für alle Kleinen ein
spannendes Kinderprogramm mit professioneller Betreuung und der beliebten Eiszeit, während die Eltern die Zeit
im rund 1 100 Quadratmeter großen
Wellness- und Vitalbereich für sich genießen können.
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Freiluft-Sport statt Magenknurren
Urlaub fürs Büro.
Nordic Walking | Vorläufer ist der Sommer-Skilanglauf
E
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Urlaub für Unternehmer.de-Newsletter.
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s ist jedes Jahr dasselbe – irgendwann beginnt dieses leise
Flattern im Bauch – der Frühling ist da! Apropos Bauch, jetzt wird
so manchem (vor allem, aber nicht
nur, weiblichen Geschlechts) bewusst,
dass demnächst wieder die Freiluftsaison beginnt, was unweigerlich weniger Stoff am Körper nach sich zieht.
Die Frühjahrsdiäten einschlägiger
Frauenzeitschriften werden nun zu
Rate gezogen, schlecht gelaunt und
mit Magenknurren im Freundeskreis
diskutiert. Dabei ist Sport die viel bessere Alternative. Denn sobald die Vögel wieder um die Wette zwitschern,
macht auch die Bewegung an der frischen Luft viel Spaß. Nordic Walking
ist eine besonders geeignete Art der
Fortbewegung zu Trainingszwecken.
Für viele Menschen ist diese Methode
besser geeignet als Joggen. Arme und
Beine werden gleichermaßen kräftig
und mit fließenden Bewegungen eingesetzt, heftige Erschütterungen, wie
beim Joggen, dagegen vermieden.
Diese „entschleunigte“ Bewegungsart kommt übrigens aus Finnland. Bereits in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts überbrückten dort
Spitzenskilangläufer das Sommerhalbjahr mit Trainingseinheiten am Stock
ohne Bretter unter den Füßen. Vor einigen Jahren brachte dann der finnische Hersteller Exel spezielle WalkingStäbe auf den Markt, und aus dem
Leistungstraining entwickelte sich ein
entspannter Breitensport. Mittlerweile
zählt gut eine Million Finnen zu den
Anhängern des „sauvakävely“, wie
Nordic Walking dort genannt wird.
HOTELTIPPS
Unsere Hoteltipps für Ihren
sportlichen Urlaub:
Balance Resort Ifenblick,
Allgäu
❯ www.balance-resort.de
****Hotel Oswald,
Bayerischer Wald
❯ www.hotel-oswald.de
**** Hotel Via Salina,
Tannheimer Tal
❯ www.via-salina.at

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