Er kocht mit der Feder

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Er kocht mit der Feder
KulturKreisKassel
Dienstag, 28. Oktober 2008
Er kocht mit
der Feder
Kultur-Termine
Musik
Traudl Schmaderer und Thomas
Pieper laden für Mittwoch, 19.30
Uhr, zu einem Gedichtzyklus von
Rainer Maria Rilke für Sopran und
Orgel in die Rosenkranzkirche am
Bebelplatz ein.
„Musikalische Märchen“ mit
dem Jazzgitarristen Jochen Krajewski gibt es morgen, 18.30 Uhr,
im Brüder Grimm-Museum.
Ein Märchentanzkurs für Erwachsene findet am Samstag, 1. November, von 14 bis 19 Uhr in der
Tenne statt. Anmeldung bis Freitag, Tel. 0561/775657.
Ein Klavierabend mit Johannes
Möller findet am Donnerstag,
19.30 Uhr, im ev. Gemeindehaus
von Sandershausen statt. Programm: Mozarts Sonate C-Dur KV
330; Ballade As-Dur op. 47 von
Chopin; Images Heft I von Debussy; vier Stücke aus „Vingt Regards
sur L’Enfant-Jesus“ und Préludes
von Messiaen.
Hellmuth Karasek las zum Abschluss der
Reihe „Leseland Hessen“ in der Relaunch
VON VERENA JOOS
Bühne
Das Schauspielhaus gibt am Mittwoch ab 19.30 Uhr eine Kostprobe von Frank Wedekinds Stück
„Frühlings Erwachen“.
Sein neues Programm „Glücksbringer“ zeigt der medizinische
Kabarettist Dr. Eckart v. Hirschhausen morgen, 20 Uhr, in der
Kasseler Stadthalle.
Kino
Der Filmladen zeigt morgen ab
17 Uhr den Spielfilm „Beweis“
mit Gwyneth Paltrow im Rahmen
des MathFilm-Festivals.
Vorträge, Lesungen
Der Vortrag von Sven Görtz zu
Paulo Coelho in der Buchhandlung am Bebelplatz am heutigen
Dienstagabend fällt aus, da der
Referent erkrankt ist.
Der heutige Vortrag von Prof.
Welzer in der Gedenkstätte-Breitenau zu „Tätern“ entfällt und
wird im November nachgeholt.
Prof. Dr. Regine Kather spricht
morgen im Festsaal des Augustinum ab 17 Uhr über „Von der
Schönheit der Natur - Landschaften mit allen Sinnen genießen“.
Roswitha Seiffert liest am Mittwoch ab 19.30 Uhr im Allee Café
aus „Sei Dank. Dichtung aus drei
Jahrzehnten“.
Rolf Bläsing liest morgen ab 20
Uhr in der Bücherei EspenauMönchehof aus seinem Roman
„Der Halbmarathon-Mann“.
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Ihr Kinoprogramm
vom
und
KS-KUL1
Unterhaltsame Zweitverwertung: Hellmuth Karasek las in der Relaunch aus seinen Zeitungsglossen.
Foto: Socher
KASSEL. Wie ein komfortabel
möbliertes Fernsehstudio präsentierte sich die gut gefüllte
Relaunch des Schlosshotels
Wilhelmshöhe
zum
Abschlussabend der Literaturreihe „Leseland Hessen“. Plausibel, dass der Star, der im roten
Lederlesesessel Platz nahm,
auch beleuchtungstechnisch
Studioatmosphäre einforderte: „Ich will die Zuschauer sehen!“
Solch luzide Raumdurchdringung ist Hellmuth Karasek aus den Zeiten des „Literarischen Quartetts“ gewohnt,
wo er sich jahrelang im Windschatten des „gefühlten Vierzigers“ Marcel Reich-Ranicki
der Medienaufmerksamkeit
eines Millionenpublikums erfreuen durfte. Mit einer Insider-Hommage an den streitbaren Fernsehpreisverweigerer startete er denn auch sein
Programm, das ansonsten aus
Glossen für das „Hamburger
Abendblatt“ und die „Berliner
Morgenpost“ bestand, in dem
Band „Vom Küssen der Kröten
und andere Zwischenfälle“
zwischen zwei Buchdeckel gepresst. Zweitverwertung also.
Karasek, plaudernd ein veritabler Entertainer, gab ausführlich Auskunft über seine
literarischen Vorbilder, von
Jonathan Swift über Johann
Peter Hebel bis hin zu Karl
Kraus, Alfred Polgar und,
schließlich, Rudolf Augstein.
Die geschliffensten Pointen
stammten denn auch aus den
Federn der genannten Autoren, mit Quellenangabe immerhin. Nein, ein Plagiator ist
Karasek nicht. Eher ein umfassend Gebildeter, der weiß, wo
er das passende „Seidenpapier“ findet, um „ein Nichts
einzuwickeln“, wie Polgar die
Beschaffenheit der Glosse beschreibt.
Da wird Shakespeare zur
Belegstelle für den Rinderwahn, Nietzsches schreiende
Krähen nehmen „schwirren
Flugs“ die Vogelgrippe vorweg. Ganz eigen wird Karasek
erst, wenn es um die Gerüche
und Geschmäcker der Kindheit geht. Seine Glossen rund
um die göttliche „Schlonzigkeit“ des schwäbischen Kartoffelsalats sowie die überschätzte Eisenhaltigkeit des Spinats,
damals noch blubblos, bildeten den poetischen Höhepunkt der Lesung. Auf dem
Terrain könnte gar Wolfram
Siebeck noch von ihm lernen.
Hellmuth Karasek: Vom Küssen der Kröten: und andere
Zwischenfälle. Hoffmann und
Campe, 174 Seiten, 17,95 Euro.
Sinn und
Unsinn
Jazzfest mit den
Dixie Allstars im Gleis 1
VON GEORG PEPL
KASSEL. Die Ereignisse überstürzten sich beim Jazzfest Kassel. Nur zehn Stunden nach
dem Ende der Langen Jazznacht
ging das Festival am Sonntagmittag im Gleis 1 mit den Dixie
Allstars und einer Session weiter. Berthold Althoff vom Förderverein Kasseler Jazzmusik
meinte mit Kassierer-Humor:
„Alle, die letzte Nacht überlebt
haben, sind wieder da.“ Und das
waren immerhin 40 Personen.
Die mit Kasseler Musikern
besetzten Allstars - Valerij Geneberg (Trompete), Werner Kiefer
(Klarinette),
Albrecht
Schmücker (Posaune), Natsuko
Inada (Klavier), Heiko Eulen
(Kontrabass) und Jörg Damm
(Schlagzeug) - spielten sich entspannt durch ehrwürdiges Repertoire wie „Dream A Little
Dream“ und ernteten freundlichen Applaus. Trotzdem durfte
man sich Gedanken über den
Sinn eines neuen DixielandSwing-Projekts machen. Die
Pianistin Natsuko Inada etwa
könnte dank ihres feinen Anschlags in einem zwischen Jazz
und Debussy angesiedelten Stil
sicher stärker punkten.
Nach einer Stunde folgte ein
Auftritt der Jubilee Ramblers oder genauer gesagt von „Fragmenten“ aus dieser Band, wie
Werner Kiefer formulierte. „Es
fehlen“, so Kiefer, „einige Leute, aber dafür sind andere doppelt da.“ Sinn und Unsinn lagen
eng beisammen.
Märchenhaftes für Klein und Groß
Das Spielraum-Theater mit der Premiere von „Frau Holle und Rumpelstilzchen“ im Kulturhaus Dock 4
VON KIRSTEN AMMERMÜLLER
KASSEL. „Es war einmal…“ bereits bei diesen ersten Worten spitzen viele Kinder die
Ohren, sind sie doch der Anfang zu spannenden Abenteuern. Und scheinbar aus dem
Nichts werden Welten heraufbeschworen, in denen Hexen
besiegt, Drachen getötet und
Zauber beseitigt werden. Ganz
in dieser märchenhaften Erzähltradition bringt das Spielraum-Theater zwei neue Bearbeitungen von „Frau Holle“
und „Das Rumpelstilzchen“
für Kinder ab drei Jahren auf
die Bühne.
Zwei Waschfrauen (Jutta
Damaschke und Gisela Honens) schweifen während ihrer Arbeit ab und erzählen mit
viel Fantasie und Humor die
beiden Märchen der Brüder
Grimm. Dazu reichen ihnen
schon zwei Tücher, das eine
ein Scheuerlappen und das andere ein Spitzendeckchen. Es
ist wie bei den beiden Schwestern bei Frau Holle: die eine
schön und fleißig, die andere
hässlich und faul.
Der Wäschekorb verwandelt sich vor den Augen der
staunenden Kinder in einen
Ofen voller Brot. Auch das
Strickzeug
der
zweiten
Waschfrau erwacht plötzlich
zum Leben. Das Wollknäuel
oben als Kopf aufgesteckt, und
schon steht das Rumpelstilzchen vor der schönen Müllerstochter und bietet ihr seine
Hilfe an. Diese ist nämlich
sehr verzweifelt. Ihr Vater, außerordentlich stolz auf seine
Tochter, hat dem König erzählt, sie könne Stroh zu Gold
spinnen.
Das Spielraum-Theater hat
mit seiner Bearbeitung von
„Frau Holle und Rumpelstilzchen“ wieder einmal bewiesen, dass es nicht viel braucht,
um ein Stück spannend und
vor allem kindgerecht zu ins-
Erzählerinnen: Die Waschfrauen
Jutta Damaschke (links) und Gisela Honens.
Foto: Ammermüller
zenieren. Stefan Becker und
Gisela Honens folgen mit ihrem Konzept dem kindlichen
Spiel. Sie hauchen den Dingen
Leben ein und verfolgen so
den Weg naiver Fantasie. Dadurch entsteht ein Theater,
das aus der reinen Spielfreude
zu einem ebenso unterhaltsamen wie poetischen Schauspiel wird, bei dem kleine und
große Zuschauer gleichermaßen Freude haben.
Weitere Termine: morgen,
29. Oktober, 17 Uhr, 30. November, 11 Uhr, und 1. Dezember, 10.30 Uhr, Deck 1 im Kulturhaus Dock 4. Karten unter
0561/710689.
Dies war das Ende vom Beat
Auf Abschiedstournee: Die HipHop-Hanseaten von Dynamite Deluxe in den Nachthallen Kassel
Du bist mein Kino
in Kassel
finden Sie auf
www.hna.de/kino
Ausstellungen
Das Naturkundemuseum im Ottoneum lädt für morgen, 18 Uhr,
zur Eröffnung der Sonderausstellung „Die Große Kette der Wesen
– Die Natur wird geordnet“ ein.
Restauratorin Katharina Lies
führt am Mittwoch ab 12.30 Uhr
in der Kunstpause die Restaurierung eines Empirestuhls im Hessischen Landesmuseum vor.
Das Naturkundemuseum lädt
morgen ab 19 Uhr zum Bildvortrag „Die Wunderwelt der Libellen“ ein.
Auf dem Friedrichsplatz veranstaltet die Kunsthalle Fridericianum morgen ab 15 Uhr das Ausstellungsgespräch „Ein Blindgänger auf dem Friedrichsplatz“.
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VON JONAS LEPPIN
KASSEL. Rap-Konzerte haben
einen unschlagbaren Vorteil:
Ob ein Künstler live etwas
taugt oder nicht, lässt sich
stets verlässlich überprüfen.
Und zwar immer dann, wenn
die selbst ernannten Wortakrobaten beginnen zu „freestylen“, also spontan versuchen, zu einem Beat möglichst
viele sinnvolle Sätze zu reimen.
Wenn einem Rapper wie
Samy Deluxe dann bei unglaublicher Geschwindigkeit
nicht nur einfällt, dass er selber „immer krasser werde“,
sondern ihm dabei fast gleichzeitig auch die „Kasseler Berge“ in den Sinn kommen,
dann ist das nicht nur unterhaltsam, sondern schlichtweg
gut.
Aber damit ist jetzt erst einmal Schluss. Denn obwohl die
drei Hamburger Samy Deluxe,
Tropf und DJ Dynamite am
Sonntagabend mehr als 500
Zuschauer in die Kasseler
Nachthallen lockten, befinden
sich Dynamite Deluxe in diesen Wochen auf Abschiedstournee.
Zusammen mit dem hessischen Rapper D-Flame zeigten
Dynamite Deluxe in anderthalb Stunden noch einmal all
das, was sie seit ihrem Debüt-
album aus dem Jahr 2000 so
wichtig für die deutsche Rapmusik machte: leichte Flows,
sportlicher Wettstreit und
schnelle, clevere Reime.
Flinker Dichter:
HipHopper Samy
Deluxe. Foto: Socher
Die erste Hälfte des Konzertes war eine Hommage an vergangene Zeiten mit Stücken
wie
„Hammerhart“
und
„Füxe“, die dem Hamburger
Eimbusch-Label in den 90erJahren zu Ruhm und Ehre verhalfen. Dabei wurde schmerzlich deutlich, was dem deutschen HipHop seit seiner ironielosen Erweiterung um Berliner Aggro-Lyrik à la Bushido
verloren gegangen ist.
Der zweite Teil des Auftrittes konzentrierte sich auf das
aktuelle Album „TNT“ und
stellte klar, dass Frontmann
Samy Deluxe, wie auch seine
Bandkollegen, natürlich weiterhin Musik machen werden.
Sie können gar nicht anders.
Zum Ende brachten es Dynamite Deluxe dann noch fertig, ihre zweideutigen Texte
auf die unschuldige Musik von
Soulsängerin Alicia Keys zu
rappen und ihr HipHop-Konzert, vermutlich einmalig, mit
einem Feuerzeug- Lichtermeer
zu beenden.