Gefährdungsbeurteilung in der Fernwärmeversorgung

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Gefährdungsbeurteilung in der Fernwärmeversorgung
6. Rheinsberger Fachtagung 18.09.2013
Thomas Junge
Fachreferent Arbeitssicherheit
DREWAG – Stadtwerke Dresden
Kurz und gut – unsere Geschichte
1. Januar 1930
Gründung der ersten DREWAG in Dresden.
Mit ihr übernahm erstmals in Deutschland eine kommunale
Aktiengesellschaft die Versorgung mit
Gas, Wasser und Elektrizität – bis zum 7. August 1948.
September 1997
Der Name DREWAG wird wieder in das Handelsregister eingetragen: als Fusion aus den Unternehmen
Dresden Gas GmbH,
Dresden Elektrizität und Fernwärme GmbH und
Dresden Wasser und Abwasser GmbH.
Seitdem bündelt die neue DREWAG - Stadtwerke Dresden GmbH
Technik, Wissen und die Kräfte dieser Unternehmen. Und das
bedeutet mehr Effizienz und Kompetenz für unsere Kunden, unsere
Stadt und unsere Umwelt.
Fernwärme seit Dezember 1900 in Dresden
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Thomas Junge – Rheinsberg 18.09.2013
Themenübersicht
gesetzliche Grundlage
Besonderheiten des Fernwärmenetzes der Stadt Dresden
Ist- Erfassung, Analyse
Lösungsansätze
Umsetzung von Brandschutz, Lüftung, Flucht und Rettung als
Schwerpunkte
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Thomas Junge – Rheinsberg 18.09.2013
Gesetzliche Grundlagen
ArbSchG - Der Arbeitgeber hat
die für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen zu ermitteln,
durch eine Beurteilung des Arbeitsplatzes (Soll-Ist-Vergleich) den eventuellen Handlungsbedarf zu ermitteln und
erforderlichenfalls festzulegen, welche Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen.
BetrSichV - Der Arbeitgeber hat
bei der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 des ArbSchG … die notwendigen Maßnahmen
für die sichere Bereitstellung und Benutzung der Arbeitsmittel zu ermitteln.
die für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen zu ermitteln, … den
eventuellen Handlungsbedarf zu ermitteln und erforderlichenfalls festzulegen, welche
Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen.
ArbStättV
… nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber zunächst festzustellen, ob die
Beschäftigten Gefährdungen beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten ausgesetzt
sind oder ausgesetzt sein können.
GefStoffV
Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung als Bestandteil der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber festzustellen, ob die
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Beschäftigten Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausüben oder … geschädigt werden können.
Thomas Junge – Rheinsberg 18.09.2013
Zusammenspiel von Gesetz und Verordnungen
ArbSchG
BetrSichV
GefStoffV
ArbStättV
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Klassifizierung der Gefährdungsfaktoren
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DREWAG - Anlagenbestand Fernwärme
Gesamtrassenlänge: 519 km (Zentral- u. Inselnetze)
davon
149 km nichtbegehbare Kanäle
15 km begehbare Kanäle
90 km Gebäudeleitungen einschl. I-Gänge
243 km erdverlegt Leitungen (KMR, SMR, CFL…)
22 km Freileitungen
116 Wärmeübertragerstationen
13 Heizhäuser ( 4 HH in Fremdgebäuden)
2570 begehbare Schächte (1770 Stk. im Primärnetz, ca. 800 Stk. im
Sekundärnetz)
Stand 31.12.2011
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Auszug Gesamtkonzept SK Gorbitz
Quelle: DREWAG Netz
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Schacht- Kanaleinstieg, was tun?
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Gefahren
durch
• Sauerstoffmangel
• Gefahrstoffe (brennbar, toxisch)
• Elektrischen Strom
• Körperliche Belastungen
• Anstoßen, Ausrutschen
• Fehlende Flucht- und Rettungsmöglichkeiten
• Absturz
• Witterungseinflüsse
• Fehlende Sicherungsmaßnahmen
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Im Schacht
 Zwischen Einsteigenden und Aufsichtsführenden besteht
stets Sicht- und Rufkontakt.
 Auf den Zustand der Leiter/Steigeisen achten.
 Ggf. Schachtatmosphäre während der Arbeiten überwachen.
Insbesondere beim Umgang mit Gefahrstoffen, bei Beschichtungs-, Schweißoder staubenden Arbeiten sind Lüftungsmaßnahmen einzusetzen.
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Vor dem Einstieg
Beachten der Befahrerlaubnis/ Betriebsanweisung
 Wurde vorher schriftlich festgelegt, wer
die Aufsicht führt? Eine Arbeitsgruppe
besteht aus mindestens 2 Personen.
 Ist die notwendige persönliche Schutzausrüstung vollständig vorhanden?
 Sind eine wirksame Erste-Hilfe und die
schnelle Rettung verunfallter Personen
sichergestellt?
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Sammelkanäle / begehbare Kanäle
Quellen: SW Leipzig GmbH, DREWAG Netz
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Definition Sammelkanal / Kollektor
Begehbare Versorgungskanäle sind unterirdische Anlagen
der technischen Infrastruktur zur Verlegung und zum Betrieb
von Rohrleitungen und Kabeln der Ver- und Entsorgung. Sie
ermöglichen eine ständige Bedienung und weitgehend
aufgrabungsfreie Instandhaltung, Komplettierung und
Rückbau im Leitungsbestand. Sie sind hauptsächlich mit
Heizwasser- und Trinkwasserleitungen sowie Strom- und
Datenkabel belegt. Hinzu kommen für bestimmte Kanäle
Gasleitungen und Sondermedien. Zur uneingeschränkten
Nutzung ist die Begehbarkeit ständig zu gewährleisten. Dazu
bestehen Lüftungsanlagen, Betriebsstromanlagen,
Notausstiegsschächte sowie weitere betrieblichen
Einrichtungen.
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Sammelkanal – ungeregelte Sonderbauten
Begehbare Versorgungskanäle gelten im Sinne des baulichen
Brandschutzes als „ungeregelte Sonderbauten“. Es besteht
Unklarheit zur Anordnung, Auslegung und Bemessung von
Brandwänden, zum Einsatz Brandlast mindernder Materialien und
zu ergänzenden Brandschutz(ein)bauten. Im Betreuungsbereich
der BG ETEM befinden sich nach grober Schätzung ca. 900 km
begehbare Versorgungskanäle.
Quelle: Giba mbH
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Bauordnungsrechtliche Grundlagen
Ob Sammelkanäle den Brandschutzvorschriften der SächsBO
unterliegen ist nicht eindeutig rechtlich geregelt.
Einordnung als „Leitung“ oder als „bauliche Anlage“?
Bauliche Anlagen unterliegen dem Geltungsbereich der SächsBO,
aber Leitungen der öffentlichen Versorgung nicht.
Quelle: DREWAG – GRR 17
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Bauordnungsrechtliche Grundlagen
Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten
hergestellte Anlagen. Diese Definition trifft auch auf Sammelkanäle zu. Vom Wortlaut
her, könnten Sammelkanäle daher als bauliche Anlage qualifiziert werden, mit der
Folge, dass die Sammelkanäle in den Anwendungsbereich der SächBO fielen.
Leitungen sind Einrichtungen zum Transport von Stoffen (Kabel und Rohre). Der
Sammelkanal an sich dient zwar auch dem Schutz einer Mehrzahl von Leitungen sowie
deren Reparatur/Instandhaltung ohne Erdarbeiten. Der Hauptzweck dürfte jedoch im
Transport von Stoffen (Gas, Wasser, FW, Kommunikation…) liegen. Es dürfte daher
vertretbar sein, die Sammelkanäle lediglich als Leitungsummantelung zu betrachten
und sie damit als notwendigen Bestandteil der Leitung vom Geltungsbereich der
SächsBO auszunehmen. Außerdem lässt sich argumentieren, dass die
Brandschutzbestimmungen in erster Linie dem Schutz von Gesundheit und Leben
dienen sollen. Die Sammelkanäle dienen aber nicht dem Aufenthalt von Menschen,
sondern werden nur von besonders geschulten Personal betreten.
Da jedoch keinerlei Rechtssprechung zu der Frage existiert, dürfte es sich vertreten
lassen, die Sammelkanäle als Leitungen vom Geltungsbereich der SächsBO
auszunehmen. Dies wird z.T. aber auch anders gesehen, so z.B. von Frau RA Haase
vom Bauindustrieverband Hessen-Thüringen e.V.
Quelle: DREWAG – GRR
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Bauordnungsrechtliche Grundlagen / Bestandsschutz
Im Sammelkanal
Eine nachträgliche Einteilung in Brandabschnitte bzw. eine Abschottung durch
Brandwände ist aus bestandsschutzrechtlichen Gründen nicht erforderlich. Bei
der Sanierung/Instandsetzung bereits vorhandener Brandwände und Brandschotts
empfehlen wir jedoch die Beachtung der derzeit geltenden Bestimmungen.
Abgrenzung Sammelkanal zu nicht begehbaren Kanal mit Brandschutzschott
Aus den vorgenannten Gründen dürfte auch eine Abgrenzung zu nicht begehbaren
Kanälen durch Brandschotts aus bauordnungsrechtlichen Gründen nicht erforderlich
sein.
Abgrenzung Gebäudeeinführungen durch Brandschutzschotts
Bereits vorhandene Gebäudeeinführungen brauchen aus bauordnungsrechtlichen
Gründen nicht nachträglich mit Brandschotts abgedichtet werden, da auch dort
der Bestandsschutz greift.
Quelle: DREWAG – GRR
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Fachliche Grundlagen Brandschutz
Maßgeblich für die Planung des baulichen Brandschutzes in Kanälen, die vor 1990 errichtet
wurden, war die Komplexrichtlinie Sammelkanäle (nicht in Kraft getreten!) und die Vorschrift
159/84 der Staatlichen Bauaufsicht der DDR.
Darin sind folgende wesentliche Gestaltungsgrundsätze verankert:
Brandschutzmaßnahmen sind in Abhängigkeit der Belegung und der Brandlast
vorzusehen.
Brandschutztechnische Dokumentation als Bestandteil des Projektes;
Der Sammelkanal ist in Brand- bzw. Beschäumungsabschnitte zu unterteilen (Länge
max. 200 m), die mit Lüftungstechnik bzw. Lüftungsabschnitten abzustimmen sind.
Für Brandschutzkonstruktionen (Schotte, Trennwände, Türen) werden
Feuerwiderstände vorgegeben.
Je Brandabschnitt sind Anzahl und Querschnitt der Beschäumungsöffnungen vermerkt.
Sammelkanäle sind zu nicht begehbaren Kanälen durch Schotte abzugrenzen.
Öffnungen zur Oberfläche dürfen nicht durch Baum- oder Strauchbewuchs versperrt
werden.
An den Sammelkanälen in Gorbitz und Reick wurden die Projektanforderungen zum
baulichen Brandschutz zum größten Teil umgesetzt bzw. sind gegenwärtig nicht mehr
vollständig vorhanden.
Quelle: Giba mbH, BS-Konzept SK Gorbitz/Reick, DREWAG, 2008
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Richtlinien / Vorschriften bis 1989
Komplexrichtlinie Sammelkanäle; 1976
Quelle: Komplexrichtlinie Sammelkanäle DDR
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Richtlinien / Vorschriften bis 1989
Ordnung für den Bau und die Betriebsführung von Sammelkanälen in
der Stadt Dresden; 1974
Keine direkten Aussagen
zum Brandschutz
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DREWAG
Netz–/Rheinsberg
Dipl.-Ing. Jan
Beranek
Richtlinien / Vorschriften bis 1989
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Fachliche Grundlagen Brandschutz
Der Leitfaden zur Sicherheit in begehbaren Leitungsgängen (Begriff im
Sinne der Sammelkanäle) aus dem Jahr 2007 greift die vorgenannten
Vorgaben auf und ergänzt folgende Maßnahmen:
Abschottung unter Beachtung von Feuerwiderstandsklassen
zwischen Kanalstrecken und gegenüber Wohn- und
Arbeitsstätten;
Einsatz Brandlast mindernder Werkstoffe für Kabel und
Rohrleitungen bzw. Leitungen mit verzögertem Brandverhalten;
Lösungen zur Löschwasserableitung und zum Explosionsschutz
Quelle: Giba mbH, BS-Konzept SK Gorbitz/Reick, DREWAG, 2008
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Ausarbeitungen ab 1990
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Übung BFW Dresden + Hoyerswerda am 23.06.12
Quelle: SW Hoyerswerda
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Übung BFW Dresden + Hoyerswerda am 23.06.12
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Übung BFW Dresden + Hoyerswerda am 23.06.12
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Übung BFW Dresden + Hoyerswerda am 23.06.12
Simulierte Brandbekämpfung in einem stillgelegten Kollektor der
Versorgungsbetriebe Hoyerswerda (VBH) unter Beteiligung der BFW
Dresden, Hoyerswerda, VBH und DREWAG/DREWAG-Netz am 23.06.12
Ergebnisse:
Leichtschaumvariante entfällt (Schaum Luftgemisch -> Thermik)
Mittel- und Schwerschaumrohr hat zur Übung nicht funktioniert
Einblasen von Luft (freie Sicht; Einsatz von Lüftern)
Brand wird vor Ort mit Wasser bekämpft; Schaumdecke über Brandherd
Problem: nicht geschottete Kanalabgänge aus Sammelkanal
Beschäumungsöffnungen (nur SK Gorbitz) können als Abluftöffnungen
verbleiben
Vor Brandbekämpfung: Schriftliche Bestätigung durch DREWAG Netz,
dass Eltanlagen freigeschaltet sind
Die Spannungsebenen sowie die Leitungseigentümer sind im Lage- und
Einsatzplan / Betriebsplan darzustellen
Offene Wanddurchführen der Heizkanäle zum Gebäude sind Sache des
Eigentümers
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Umsetzung in DREWAG
Brandwandabstand: Richtwert 250 m
Der Abstand definiert sich
-
am Medienbestand im Kanal
-
der Lage der Festpunkte der Fernwärmeleitungen (Verschiebewege der Rohrleitungen)
-
den baulichen Aufwendungen
-
an der Einhaltung der internen, normativen u. berufsgenossenschaftlichen Vorschriften,
Regelwerke etc. (z.B. Mindestdurchgangsbreiten)
-
den örtlichen oberirdischen Verhältnissen (Rücklage-/Verkehrsfläche) zur
Anordnung der Notausstiege
-
dem Be-/Entlüftungskonzept (Brandwand = Unterbrechung des Luftstromes)
-
einer Risikobetrachtung (Versorgungsausfall aller Medienträger im betreffenden
Abschnitt, Höhe der Kosten für eine Wiederherstellung, Dauer der Wiederherstellung)
Feuerwiderstandsklasse F 90 (feuerbeständig)
Technisch geänderte Notausstiegsdeckel seit Anfang 2012
„So viel Sicherheit wie notwendig und nicht wie möglich“ (Wahrscheinlichkeit eines Brandes
gering [menschl. Versagen bei Arbeiten; Kabelmuffen, Eltverteiler])
Quelle: DREWAG Netz
Thomas Junge
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DREWAG
Netz–/Rheinsberg
Dipl.-Ing. Jan
Beranek
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Brandwände in Sammelkanälen
Quelle: DREWAG Netz
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Brandwände in Sammelkanälen
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Schachtabdeckung mit Notausstiegsfunktion
Quelle: DREWAG Netz / GAV / Huber
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Der historische Fernwärmekanal in Dresden
Hofkirche
Schloss
Ständehaus
Brühlsche Terrasse
Ein- /Ausgang
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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