Bericht von Mimi Krajczy vom 24.02.2016

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Bericht von Mimi Krajczy vom 24.02.2016
JOB-SHADOWING
POZNAN
MIMI KRAJCZY 18.01. – 27.02.2016
05.02. – 11.02.2016:
City Development Departmen Poznan, Wochenendschule für Erwachsene; Polnische
Lehrerkarte; ZS1-Svardedz; ZS 6-Poznan
INHALTSVERZEICHNIS
Inhalt
School Insight _____________________________________________________________________________________________________ 1
Vorbemerkung ____________________________________________________________________________________________________ 2
Poznan als Stadt des Wissens; Stadtentwicklung 2030 ________________________________________________________ 3
Die Polnische Lehrerkarte _______________________________________________________________________________________ 5
Fortbildung am Wochenende ____________________________________________________________________________________ 7
Zusammenarbeit VW-Poznan und ZS-Nr. 1 in Swarzędz _______________________________________________________ 9
Tatigkeiten an der Beruflichen Schule Nr. 6 „Lelewela“ ______________________________________________________ 12
Zusammenfassung ______________________________________________________________________________________________ 16
SCHOOL INSIGHT 05.02.-11.02.2016
School Insight
VORBEMERKUNGEN
POZNAN ALS STADT DES WISSENS; STADTENTWICKLUNG 2030
Die Informationen beziehen sich auf ein Gesprach mit Herrn Kaczmarek, dem fur das Programm
„Academic and Scientific Poznan“ zustandigen Sachbearbeiter bei der Stadtverwaltung Poznan. Das
Gesprach fuhrten wir am 05.02.2016
DIE POLNISCHE LEHRERKARTE
Die Informationen zu diesem Thema stammen von Herrn Piotr Kwiatkowski (20.01.2010), veroffentlicht
auf der Internetseite: www.polsko-niemiecka-wymiana-szkolna.pl/ (Zugriff am 08.02.2016) und aus
Gesprachen mit verschiedenen Lehrern und Lehrerinnen.
FORTBILDUNG AM WOCHENENDE
Ich habe am 06.02.2016 in der Zespołu Szkoł Odziezowych, ul. Kaziemierza Wielkiego 17, einen
Nachmittag hospitieren durfen und den Arbeitsbereich der Erwachsenenbildung kennengelernt.
ZUSAMMENARBEIT VW-POZNAN UND ZS-NR. 1 IN SWARZĘDZ
Am 09.02.2016 war ich Gast in der Zespołu Szkoł Nr. 1 in Swarzędz, die zusammen mit VW-Poznan
verschiedene industrielle Metall- und Elektroberufe ausbildet. Meine Gesprachspartner waren
Przemyslaw Jankiewicz, der Direktor der Schule und Lukasz Kalmucki, der bei VW zustandige
Berufsausbildungsleiter.
TÄTIGKEITEN AN DER BERUFLICHEN SCHULE NR. 6 „LELEWELA“
Die ZS-Nr. 6 in Poznan befindet sich im gleichen Gebaude wie das Zentrum zur Berufsorientierung von
Jugendlichen, in dem ich in der ersten Woche meines Poznan-Besuches war. Diese Schule hat eine
spezielle, nur fur diese Schule zustandige Berufsberaterin, Monika Stasik. Ich durfte ihre Arbeit
begleiten und selber eine Unterrichtsstunde zum Thema Berufsorientierung geben. Außerdem war ich
auf Einladung von Gosia Okonek, Englischlehrerin an der Schule, bei einer auf Englisch gefuhrten
Schulerdebatte dabei.
ZUSAMMENFASSUNG
Mimi Krajczy
14 Februar 2016
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Vorbemerkung
Ihr sagt:
„Der Umgang mit Kindern ermudet uns.“
Ihr habt recht.
Ihr sagt:
„Denn wir mussen zu ihrer Begriffswelt hinuntersteigen. Hinuntersteigen, uns herabneigen, beugen,
kleiner machen.“
Ihr irrt euch.
Nicht das ermudet uns. Sondern dass wir zu ihren Gefuhlen emporklimmen mussen. Emporklimmen,
uns ausstrecken, auf die Zehenspitzen stellen, hinlangen. Um nicht zu verletzen.
Powiadacie: Nuży nas obcowanie z dziećmi. Macie sluszność. Mówicie: Bo musimy się zniżać do ich poję ć.
Zniżać, pochylać, naginać i kurczyć. Mylicie się. Nie to nas męczy. Ale że musimy się wspinać do ich uczuć .
Wspinac, wyciagać , na palcach wstawać , sięgać. Żeby nie urazić.
Wenn man sich in Polen mit dem Thema Schule auseinandersetzt, begegnet man immer wieder Janusz
Korczak. Er hieß eigentlich Henryk Goldszmit (geboren am 22. Juli 1878 oder 1879 in Warschau;
gestorben nach dem 5. August 1942 vermutlich im Vernichtungslager Treblinka) und war ein polnischer
Arzt, Kinderbuchautor und bedeutender Padagoge. Bekannt wurde er vor allem durch seinen Einsatz fur
Kinder. So begleitete er die Kinder seines Waisenhauses beim Abtransport in ein Vernichtungslager,
obwohl das auch fur ihn selbst den Tod bedeutete.
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Poznan als Stadt des Wissens; Stadtentwicklung 2030
Ich habe ein Treffen mit Herrn Michal Kaczmarek, Stadtentwickler bei der Stadtverwaltung Poznan. Er
ist zustandig fur die Durchfuhrung eines von insgesamt 18 Programmen, die sich die Stadt Poznan als
strategische Ziele bis zum Jahr 2030 gesetzt hat. Das von ihm verantwortete Programm heißt „Academic
and Scientific Poznan“ und versucht, Poznans Stellung als Stadt des Wissens und der Wissenschaften zu
verbessern.
Das ist insofern schwierig, als die Universitats-Landschaft Poznans recht unubersichtlich ist. Anders als
in vielen Stadten zum Beispiel in Deutschland gibt es nicht eine Universitat mit verschiedenen
Fachbereichen. Insgesamt sind es hier 17 private und 8 staatliche Universitaten, die alle auf dem Markt
um neue Studierende buhlen. Dabei hat jede Universitat ihr eigenes Marketing und so verwundert es
nicht, dass Polnische Universitaten auf internationalen Rankinglisten eher weiter hinten rangieren. Die
Ausbildung mag gut oder sogar exzellent sein, aber die Einzeluniversitat ist zu klein und unbedeutend,
als dass sie sich auf dem internationalen Markt erkennbar durchsetzt. In der Regel treffen Studierende
bei der Wahl ihres Studienortes zunachst eine Entscheidung fur das Land, dann fur die Stadt und zuletzt
erst fur die Universitat. Man studiert also hier nicht in erster Linie in Poznan, sondern zum Beispiel an
der Adam-Mickiewicz-Universitat. Dieser Status Quo soll mit Hilfe des „Academic and Scientific Poznan“Programms geandert werden.
Im Kern besteht es aus zwei großen Elementen und einer Reihe kleinerer Veranstaltungen.
1.
Vergabe von Stipendien an Hochschulen fur die Verbesserung der Qualitat der Ausbildung,
Um diese Stipendien konnen sich junge Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung bewerben, die in
einem Bereich bei einer nationale Wissens-Olympiaden (vergleichbar vielleicht mit „Jugend forscht“ in
Deutschland) erfolgreich waren. Zu den Stipendiaten zahlen nicht nur die Besten aus Forschung und
Wissenschaft, sondern auch junge Menschen, die sich fur Kunst, Musik, Philologische Bereiche, etc.
interessieren. Schon zum 8. Mal bewerben sich in diesem Jahr circa 50-60 Schulerinnen und Schuler um
dieses Stipendium und etwa 30 Personen erhalten ein solches dann auch. Mit der Auszeichnung
bekommen sie fur ihr erstes Studienjahr einen Studienzuschuss in Hohe von 1.000 zl pro Monat, also
ungefahr 250 Euro. Auch nach Ablauf des Stipendiums versucht man diese besonderen Studentinnen
und Studenten in Poznan zu halten und bietet ihnen bei verschiedenen Alumni-Treffen Workshops und
kulturelle Events. Die Forderung von Frauen ist kein ausgesprochenes Ziel. Aber im vergangenen Jahr
sind 11 von 28 Stipendien an Frauen vergeben worden. Davon studiert eine Frau im Bereich
Computertechnik, die anderen 10 eher außerhalb des MINT (Mathematik, Informatik,
Naturwissenschaft, Technik) -Facherkanons. (4x Sprachen, 1x Kunstgeschichte, 1x Jura, 1x Tiermedizin
und 3x Medizin)
2.
Vergabe von Preisen fur herausragende Doktor- und Masterarbeiten
Die Preisverleihung richtet sich an herausragende Abschlussarbeiten, die sich in besonderer Weise mit
der Stadt Poznan beschaftigen oder sich um diese verdient machen. In jeder der beiden Kategorien
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werden jeweils drei Arbeiten geehrt. Eine Jury, bestehend aus 6 Universitatslehrenden und 4
Mitgliedern der Stadtverwaltung entscheidet uber die Vergabe. In diesem Jahr sind etwa 100
Bewerbungen eingegangen. Die besten Masterarbeiten erhalten ein Preisgeld von jeweils 3.500 zl
(ungefahr 875 Euro) und die besten drei Doktorarbeiten jeweils 7000 zl, also etwa 1.750 Euro.
Zu den weiteren Marketing-Elementen der Stadt Poznan gehoren:
3.
4.
5.
6.
7.
Offene Vorlesungen mit bekannten Kunstlern und Wissenschaftlerinnen
Diese Veranstaltungen sind offen fur alle, die Stadtverwaltung unterstutzt sie mit einem jeweils
75%igen Zuschuss zu den Kosten. Pro Jahr finden ca. 25 Veranstaltungen statt. Einzige Bedingung:
Die interessierte Universitat muss Veranstalterin sein. Ihr obliegt also die Gesamtplanung und das
Marketing. Sie beherbergt den Gast und lasst entsprechende Plakate mit gemeinsam entwickeltem,
festgelegtem Layout drucken (CI).
In jedem Herbst findet eine großangelegte Werbekampagne gemeinsam mit den Medien in Poznan
und dem Umland statt. Interessante Entwicklungen und innovative Studiengange werden
vorgestellt. Spezielle Agenten und Agentinnen besuchen Schulen in einem Umkreis von bis zu 150
Kilometer und informieren Schulerinnen und Schuler. Auch Studentinnen und Studenten beteiligen
sich bei dieser Promotion-Tour oder auch Unternehmen, die aus der Universitat heraus oder in
Zusammenarbeit mit der Uni ihr Geschaft entwickelt und aufgebaut haben.
Im Marz findet in den Messehallen eine große Bildungsmesse statt. Hier prasentieren sich in einer
kompletten Halle die Universitaten Poznans als Bildungsstandorte. Unter anderem werden die
Jugendlichen der Sekundar-II-Schulen und deren Eltern zum Besuch eingeladen. Leider ist bei
diesen wichtigen Zielgruppen die Resonanz nicht so groß.
Auch an anderen Messestandorten im In- und Ausland beteiligt sich die Stadt mit ihrem Konzept der
Uniwerbung. Es wird prognostiziert, dass sich die inlandischen Bewerberzahlen in den nachsten
Jahren zwar verringern werden, die auslandischen dafur umso mehr steigen. Im Moment gibt es
etwa 4000 auslandische Studierende. Das sind rund 3% aller Studierenden. Diese Quote mochte
man in den nachsten Jahren deutlich erhohen. Die meisten auslandischen Studierenden sind im
Fachbereich Medizin eingeschrieben. Sie kommen aus der Ukraine und Weißrussland, gefolgt von
Norwegen und den USA.
Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt des strategischen Vorhabens „Academic and Scientific Poznan“ ist
die Werbung uber eine Internetplattform (Poznan.pl/studia oder study in poznan.pl) und das
Erarbeiten von zweisprachigen Printmedien (z.B. Welcome, we are open)
Weitere Ziele der Gesamtstrategie Poznan 2030 betreffen die Gesundheits- und Sicherheitslage in der
Stadt, die okologische Situation, Poznan als Stadt fur den Sport, als interessante Destination fur
Tourismus usw.
Mir fallt auf, dass Jugendarbeit oder Jugendpolitik, Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an
offentlichen Entscheidungsprozessen, etc. als eigenstandiges Ziel leider keinen Zugang gefunden hat in
diesen Kanon der großen strategischen Ziele zur Stadtentwicklung.
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Die Polnische Lehrerkarte
Oft ist im Zusammenhang mit Schule von der Lehrerkarte die Rede. Dies ist ein fur mich etwas
verwirrender Bereich in der polnischen Bildungslandschaft. Deshalb widme ich ihm dieses Kapitel. Bei
der Polnischen Lehrerkarte handelt es sich entgegen meiner ersten Annahme nicht um eine Chipkarte
im Geldbeutel-Format, sondern um eine Personalakte uber die einzelne Lehrkraft, die im jeweiligen
Kuratorium verwaltet wird.
Im Gegensatz zum deutschen Bildungssystem, in dem die Kulturhoheit der Lander jedem der sechzehn
Bundeslander erlaubt, den Bildungsbereich durch eigene Bestimmungen zu gestalten, ist die Struktur
des Bildungswesens in Polen im gesamten Land identisch. Das Ministerium fur Nationale Bildung
verantwortet den Grundschul- und den Mittelschulsektor (die allgemeine Schulbildung), der
Hochschulbereich dagegen unterliegt dem Ministerium fur Bildung und Hochschulwesen.
Das Ministerium fur Nationale Bildung beaufsichtigt das Schulwesen mithilfe von sechzehn
Bildungskuratoren. In jeder Wojewodschaft gibt es einen Kurator, dessen Funktionen und Befugnisse
jedoch keinerlei Vergleich mit einem Kultusminister oder -senator in einem der deutschen
Bundeslander zulassen.
In den Zustandigkeitsbereich der lokalen Selbstverwaltungen fallt die Administration des Schulwesens.
So tragen Gemeinden die Verantwortung fur die Finanzierung und den ordnungsgemaßen Betrieb von
Kindergarten, Grundschulen und Gymnasien, fur die Verwaltung der weiterfuhrenden, ubergymnasialen
Schulen sind hingegen die Landkreise zustandig.
Ein Lehramtsanwarter in Polen muss einen Hochschulabschluss vorweisen, doch die weiteren
Anforderungen unterscheiden sich je nach Schulform. An Grundschulen und Gymnasien mussen die
Lehrkrafte einen Diplom- oder Magisterabschluss haben oder – dies gilt nur fur das Lehramt an
Grundschulen – das Lehrerkolleg absolviert haben, welches nach drei Jahren mit einer Diplomprufung
fur Lehrkrafte endet. An Schulen, die auf das Gymnasium folgen, konnen nur Lehrkrafte unterrichten,
die einen Magistertitel erlangt haben.
Die Lehrkraft muss die obligatorische padagogische Grundvorbereitung absolvieren, bei der Wissen und
Fahigkeiten aus den Bereichen Psychologie, Padagogik und Didaktik sowie Erfahrungen im
Fachunterricht und padagogischer Praxis vermittelt werden. Die padagogische Vorbereitung muss
mindestens 270 Stunden umfassen und mit einer bestandenen padagogischen Praxis (zumindest 150
Stunden) abgeschlossen werden. Dies kann die Lehrkraft in einem weiterfuhrenden padagogischen Kurs
erreichen.
Die polnischen Lehrerinnen und Lehrer konnen etliche Stufen der beruflichen Laufbahn erreichen. Die
Lehrerkarte regelt die einzelnen Stufen dieser Laufbahn. Sie beginnt mit einem Referendariat, die
nachsten Stufen sind Anstellung als Honorar-Lehrkraft, ernannte Lehrkraft und diplomierte Lehrkraft.
Diplomlehrkraften kann der Ehrentitel „Professor der Bildung“ zuerkannt werden. Von der erreichten
Karrierestufe hangt die Hohe des Gehalts ab.
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Die regulare Arbeitszeit fur Lehrkrafte in Polen umfasst 18 Wochenstunden direkte padagogische Arbeit
mit den Kindern und Jugendlichen. Zusammen mit den Zeiten fur Vor- und Nachbereitung des
Unterrichts, Korrekturen, Ausflugen, Schulaustauschen etc. arbeiten polnische Lehrkrafte 40 Stunden
pro Woche. Es wird erwartet, dass sie sich standig fort- und weiterbilden. Dies kann an den
Erwachsenenschulen am Wochenende geschehen oder bei speziellen Fortbildungen des Kuratoriums. Es
gibt Kurse, die grundsatzlich kostenfrei sind, solche fur die die Schule bezahlt und wiederum andere, die
die Lehrkraft aus eigener Tasche bezahlen muss. Fortbildungen konnen auch in den Ferien stattfinden,
da Lehrkrafte, wie andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch nur etwa 30 Tage Urlaub im Jahr
haben. Durch die Fortbildungen erhalt man Punkte oder Credits. Jede Lehrkraft muss eine bestimmte
Anzahl von Credits in ihrer Lehrerkarte nachweisen konnen. Credits bekommt man auch, wenn man
innerhalb der Schule bestimmte Funktionen ubernimmt oder zum Beispiel Lehramtsstudierende
wahrend ihrer Praxisphase betreut und anleitet, internationale Jugendaustausche begleitet oder sich um
auslandische Gaste wie mich kummert. Schulen, die zum Beispiel uber einen Fitnessraum verfugen oder
andere Sportmoglichkeiten, sind insbesondere in den Winterferien teilweise geoffnet und mussen
personell betreut werden.
Das Referendariat dauert ein Jahr und umfasst mindestens 9 Wochenstunden padagogische Arbeit mit
Kindern oder Jugendlichen. Es wird beendet mit einer Lehrprufung, bei der moglicherweise, aber nicht
unbedingt, jemand vom Kuratorium anwesend ist. Die anschließende Phase dauert 4 Jahre und muss in
Vollzeit (also 18 Stunden padagogischer Arbeit) abgeleistet werden, um laut Lehrerkarte zur nachsten
Karrierestufe zu fuhren. Die padagogischen Stunden mussen nicht notwendigerweise in einer Schule
abgeleistet werden, sondern konnen auf verschiedene Schulen verteilt werden.
Wenn man in Polen 7 Jahre als Lehrerin oder Lehrer gearbeitet hat, kann man -bei annahernd voller
Bezahlung und Beibehaltung aller sozialen Sicherungen- ein Sabbatjahr einlegen.
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Fortbildung am Wochenende
Die Thematik des lebenslangen Lernens wird in Polen sehr wichtig genommen. In vielen Beruflichen
Schulen ist es Erwachsenen moglich, uber Wochenendkurse eine qualifizierte Berufsausbildung zu
erlangen oder eine bestehende Ausbildung zu erganzen. Diese außerschulischen Bildungsmaßnahmen
konnen in Form von Kursen zur Erlangung beruflicher Fertigkeiten, Qualifizierungskursen und Kursen
zur Erlangung allgemeiner Kompetenzen organisiert sein. Die Kurse schließen mit einer Prufung ab, die
Pruflinge erhalten ein Zertifikat uber ihre erworbenen Kenntnisse und beruflichen Qualifikationen.
Als Raumlichkeiten dienen die am Wochenende leerstehenden Gebaude Beruflicher Schulen. Die
Lehrerinnen und Lehrer sind oft die gleichen, die unterhalb der Woche den regularen
Berufsschulunterricht erteilen. Die meisten Angebote sind kostenfrei.
Am 06.02.2016 habe ich die Moglichkeit in der Zespołu Szkoł Odziezowych an einem
Samstagnachmittag die Arbeit in verschiedenen Kursen zu beobachten. In dieser Berufsschule werden
wahrend der Woche junge Menschen insbesondere fur das Schneider- und Frisorhandwerk ausgebildet.
An diesem Samstag findet in einer Klasse ein Lehrgang fur zukunftige Masseurinnen statt. Als ich
anwesend bin, unterrichtet die Lehrerin die 7 Teilnehmerinnen gerade in polnischer Gebardensprache.
Am nachsten Tag sollen praktische Massageubungen stattfinden. Der Kurs dauert mehrere Semester.
In einem Qualifizierungskurs nebenan zum Arbeitsfeld „Buro“ ist nur eine Teilnehmerin anwesend.
Durch die Lehrerin erfahren wir, dass gerade das dritte Semester begonnen habe. Normalerweise seien
mehr Teilnehmerinnen da. Selbst wenn keine der Teilnehmerinnen an diesem Nachmittag kommen
wurde, muss die Lehrerin in der Schule bleiben, da sie ansonsten ihre Zeit nicht bezahlt bekommt.
Arbeitet man als Berufsschullehrerin am Wochenende, braucht man entsprechend weniger im regularen
Unterricht wahrend der Woche zu arbeiten. Die Jahresarbeitszeiten werden in der polnischen
Lehrerkarte registriert.
Hauptsachlich bin ich an diesem Nachmittag in einem Sprachkurs, in dem die Teilnehmenden Deutsch
lernen mochten. Die Motivation ist unterschiedlich, aber einige haben vor, spater in Deutschland zu
arbeiten oder zu studieren. Auch das Alter ist sehr unterschiedlich und reicht von 19 bis 62 Jahren. Der
Unterricht begann bereits um 7:30 am Morgen. Als die Lehrerin, Frau Magda, und ich um 14:00 Uhr den
Klassenraum betreten, liegen noch 2,5 Stunden Unterricht vor den Lernenden und zwar zum Thema:
Vergleichende Grammatik Polnisch-Deutsch. Ein etwas zahes Thema, wenn man bedenkt, dass viele
selbst in der Muttersprache keinen systematischen Grammatikunterricht genossen haben.
Frau Magda wahlt daher einen spielerischen Unterrichtsstil.
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Sie begrußt alle Anwesenden mit Handschlag und fragt nach deren Befinden. Es werden mogliche
Antworten wie „gut“, „sehr gut“, „so lala“ und so weiter gesammelt und aufgeschrieben. Ich werde in
die Aufgabe integriert und muss entsprechen polnische Aussagen finden.
Die Lernenden bilden einen Sitzkreis, eine steht in Mitte und fragt eine der Sitzenden: Wie geht es
dir? Bei Ausdrucken fur Wohlbefinden andert sich nichts, bei solchen zu negativem Empfinden
mussen die beiden Personen neben der Befragten die Platze tauschen und bei neutralen
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Empfindungen sollen alle die Platze tauschen. Ziel derjenigen in der Mitte ist es, einen Sitzplatz
wahrend des Platztausches zu finden und so eine neue Person in die Mitte zu schicken.
Nachdem die Lehrerin feststellt, dass einige Teilnehmende Probleme mit den unregelmaßigen
Verben haben, soll jeder und jede solche Verben im Infinitiv auf Zettel schreiben. Es werden zwei
Gruppen gebildet, die sich einander gegenuberstehen. Jeweils zwei Personen aus den beiden
Gruppen halten gleichzeitig einen Zettel hoch und zeigen sich ihr Verb. Wer zuerst das gegnerische
Verb in der Vergangenheitsform nennen kann, „gewinnt“ die andere Person fur das eigene Team. So
schrumpft mal das eine Team, mal wachst das andere.
Da die Motivation einiger Teilnehmenden fur den Deutschunterricht die Arbeitsaufnahme in
Deutschland ist, uben wir gemeinsam Vorstellungsgesprache. Frau Magda und ich sind Chefinnen
einer Firma und stellen auf Deutsch Fragen wie: Haben Sie gut hierher gefunden; Erzahlen Sie ein
wenig etwas uber sich, damit wir Sie kennenlernen; Was sind Ihre Starken, warum sollten wir uns
fur Sie entscheiden; Haben Sie selber noch Fragen; etc.
Wahrend wir die Fragen sammeln, bereiten sich die Teilnehmenden auf das Gesprach vor. Nur
wenige nutzen dafur das Worterbuch. Die meisten bedienen sich einer Ubersetzungs-App in ihrem
Smart-Phone.
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Zusammenarbeit VW-Poznan und ZS-Nr. 1 in Swarzędz
Am 09.02.2016 bin ich zu Gast in der Zespołu Szkoł Nr. 1 in Swarzędz, die zusammen mit VW-Poznan
verschiedene industrielle Metall- und Elektroberufe ausbildet. Meine Gesprachspartner sind
Przemyslaw Jankiewicz, der Direktor der Schule und Lukasz Kalmucki, der bei VW zustandige
Berufsausbildungsleiter.
Zunachst zeigt mir der VW-Ausbildungsleiter, der ausgezeichnet Deutsch spricht, eine Prasentation zur
Berufsausbildung bei VW in Poznan und beantwortet meine diesbezuglichen Fragen. Im Anschluss fuhrt
mich der Direktor der Beruflichen Schule durch die verschiedenen Werkstattbereiche und vermittelt mir
dann, ebenfalls in einer Prasentation, die wichtigsten Schwerpunkte seiner Schule.
1.
Die kooperative Ausbildung zwischen VW und Schule
Die VW-Academy in Deutschland legt die Standards fur Berufsausbildung bei VW weltweit fest. Diese
sind aus dem deutschen System der dualen Berufsausbildung entstanden. Die meist 3,5-jahrige
Ausbildungszeit findet z.B. fur Kassel im Werk Baunatal und im Berufsbildungszentrum in Korbach als
der zustandigen Berufsschule statt. Die Herausforderung fur die Personalabteilung in Poznan ist, dieses
deutsche System auf die polnischen Bedingungen zu ubertragen.
Die Ausbildung dauert in Polen anders als bei uns in allen Berufen einheitlich 3 Jahre. Jedes
Lehrprogramm fur einen Ausbildungsberuf muss zunachst aus dem Deutschen ubersetzt werden und
dann sucht man nach einem ahnlichen, anerkannten Berufsbild in Polen. Leichte Anderungen und
Erganzungen sind moglich. Da weniger Ausbildungszeit zur Verfugung steht, muss das Pensum
komprimiert werden, denn die Prufungen werden sowohl vor der polnischen Kammer als auch vor der
deutschen-polnischen Industrie- und Handelskammer (AHK) abgelegt. Die Bewerbung lauft in erster
Linie uber die Schule. Die jungen Menschen haben aber auch einen Vertrag mit VW als „jugendliche
Werk-Mitarbeiter“. Um als jugendlich zu gelten, durfen sie bei Ausbildungsbeginn noch nicht volljahrig
sein, da sonst das Konstrukt nicht funktioniert. Der Direktor meint, die Ausbildung in Polen sei mehr
von der Theorie gepragt als in Deutschland. Man konzentriere sich nicht so sehr auf den Beruf. Die
Jugendlichen erhielten aber durch die verschulte polnische Ausbildung ein großeres Allgemeinwissen.
Die polnischen Azubis besuchen nicht das Technikum, da dieses fur eine Ausbildung zu wenig
Praxisphasen bietet. Alle Jugendlichen, die bei VW arbeiten, sind Schulerinnen und Schuler dieser einen
Berufsschule. VW hat hier eigene Klassen, in denen nur jugendliche VW-Mitarbeiter beschult werden.
Fur die VW-Klassen gibt es etwa 2 Bewerbungen auf einen Platz. Die Jugendlichen mussen eine
schriftliche Bewerbung schreiben. Die Auswahl findet in den Sommerferien statt. Es gibt
Einstellungstests und kleine Assessments. Die Wahl treffen Schul- und VW-Vertreter gemeinsam.
VW bietet in Zusammenarbeit mit der Schule die Ausbildung in den Berufen Industrie-Mechatroniker/in
(seit 2005), KFZ-Mechatroniker/in (seit 2011) und Elektroniker/in fur Automatisierungstechnik (seit
2012). Sowohl der theoretische als auch zum Teil der praktische Unterricht findet in den Raumen des
Beruflichen Schulzentrum statt. Dafur unterstutzt VW die Schule bei der Anschaffung spezieller, fur die
Ausbildung wichtiger Maschinen und Materialien. Im ersten Ausbildungsjahr ist die Schule der alleinige
Ausbildungsort. Hier findet die Grundausbildung statt und zwar an 3 Tagen als theoretischer Unterricht
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in Klassenraumen und an 2 Tagen praktisch in den Lehrwerkstatten der Schule. Ab dem zweiten Jahr
muss ein einmonatiges Praktikum im Werk erfolgen, im dritten Ausbildungsjahr sind es 2-mal je einen
Monat Werkspraktikum. Da die Auszubildenden im Beruf KFZ-Mechatroniker/in nicht nur Kenntnisse in
der Montage von Wagen, sondern auch in der Reparatur von Autos brauchen, arbeiten Schule und VWWerk mit weiteren externen Partnern wie z.B. den Servicewerkstatten von Porsche zusammen.
Der Beruf der Gießereimechaniker/in (seit 2014) wird komplett im Werk ausgebildet, da die Schule
hierfur keine spezielle Lehrwerkstatt hat.
Weitere Berufsausbildungen sind geplant im Bereich: Werkzeugmechaniker/in, Lackierer/in und
Fachmann/frau fur Blechbearbeitung.
Es gibt insgesamt 241 Azubis, aufgeteilt auf 3 Jahrgange und 12 Klassen. Nur 6 Auszubildende sind
weiblich. Ausbildungsbeginn ist jeweils der 1. September eines Jahres. Die Ausbildung beginnt mit einer
großen Eroffnungsfeier, zu der im letzten Jahr sogar der deutsche Botschafter angereist war. Nicht alle
Azubis werden ubernommen. Seit 2008 wurden insgesamt 207 Personen zunachst mit einem
Jahresvertrag ubernommen. In diesem Jahr werden es 80 Leute sein. Der Bereich Berufsausbildung ist in
den letzten Jahren innerhalb der Personalabteilung stark gewachsen. Mittlerweile sind 3 Mitarbeiter
alleine fur den Prozess der Berufsausbildung (Eroffnungsfeier, Ausbildungsfragen, Prufungen,
Ausstattung, etc.) zustandig. Außerdem gibt es noch 2 Mitarbeiterinnen in der Personalabteilung, die
ebenfalls fur Azubis zustandig sind und zwar fur alle Regelungen bezuglich Urlaub, Krankheit usw. Im
Werk selber sind etwa 50 Personen mit Ausbildung beschaftigt. Diese Meister und Techniker sind aber
keine hauptberuflichen Ausbilder, sondern haben noch weitere Aufgaben. Man versucht in Zukunft mehr
reine Ausbilder zu beschaftigen. Nur im Bereich Gießerei gibt es bisher Ausbilder ohne weitere
Aufgabenbereiche. Im Werk gibt es nur eine Meisterin und einige Facharbeiterinnen in der Produktion.
Die Belegschaft ist uberwiegend mannlich.
VW-Poznan versucht gemeinsam mit der Berufsschule durch verschiedene Aktivitaten die Ausbildung
popularer zu machen.
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Maßnahmen wahrend der Ausbildung
In Deutschland findet jedes Jahr der Best-Practice-Award statt, zu dem die Werksniederlassungen
auf der ganzen Welt ihre besten Absolventinnen und Absolventen entsenden konnen.
Wahrend der Ausbildung haben die Azubis zusatzliche Workshops. Zum Beispiel ist die 3wochige
Auschwitz-Gedenkstattenarbeit obligatorisch fur Azubis aus Poznan.
Es gibt normalen Deutsch-Unterricht und zusatzlich noch Unterricht in technischem Deutsch.
Die Schule beteiligt sich an verschiedenen Erasmus-Austauschprogrammen.
Nach ihrer Ausbildung konnen die Besten dann fur ein Jahr in einem anderen Werk außerhalb
Polens arbeiten.
Maßnahmen vor der Ausbildung
Es gibt wie in Deutschland auch hier fur Schulerinnen und Schuler Tage der offenen Tur mit
Werksbesichtigungen und praktischen Anteilen.
Wenn die Mittelstufenschuler und -schulerinnen einen Besuchstag an der Beruflichen Schule
machen, wird ihnen auch das Ausbildungsmodell mit VW vorgestellt.
In diesem Jahr erstmals wurde ein Girls’Day durchgefuhrt. Es kamen 30 Madchen, die sich die
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Ausbildungsmoglichkeiten zeigen ließen. Das wird als großer Erfolg gewertet, denn bislang sind
sowohl die Berufsausbildung als solche und technische Berufe im speziellen bei jungen Frauen sehr
unpopular.
Schule und Werk nehmen an der großen Bildungsmesse im Marz jedes Jahr teil
2.
Das Berufsschulzentrum in Swarzędz
An der Schule werden insgesamt 29 verschiedene Berufe ausgebildet, vornehmlich im technischen
Bereich. Dazu kooperiert die Schule mit den verschiedenen Betrieben, in denen die Jugendlichen ihre
Praxisphasen absolvieren. Da die meisten Schulerinnen und Schuler den Weg uber das Lyzeum einer
Berufsausbildung vorziehen, erhalten im gewerblichen Bereich alle Bewerberinnen und Bewerber einen
Platz. Jedes Jahr kommen etwa 300 Schulerinnen und Schuler neu in die Schule.
Die Schule ist mehrfach ausgezeichnet worden fur ihre hervorragende Ausbildung. Daran hat auch das
sehr gute Verhaltnis zum hiesigen Landrat einen großen Anteil. Die Unterhaltung der Schule obliegt
namlich dem Landkreis. Die Schule ist sehr gut ausgestattet. Sie bietet den Lernenden einen guten
Arbeitsstandard in allen Klassen. Die Lerngruppen sind klein, die Arbeitsatmosphare sehr gut
Aber genauso wichtig wie die Inhalte einer Berufsausbildung zu vermitteln sind der Schulleitung soziale
Werte. Sie mochte die jungen Menschen auf das Leben vorbereiten, ihnen gutes Verhalten, Respekt und
Wertschatzung beibringen. Dazu zahlen auch Disziplin und technisches Kulturwissen wie Organisation
eines Arbeitsplatzes, Sauberkeit, Arbeitssicherheit usw.
Die Schule nimmt an verschiedenen Wettbewerben teil und veranstaltet spezielle Themen-Tage uber das
Jahr verteilt. In Zusammenarbeit mit einer Universitat findet z.B. eine Vorlesung zum Thema Sprachen
statt. Es gibt den Samowar-Tag, Historische Tage usw.
Mit diversen anderen Beruflichen Schulen im Ausland wird ein Austauschprogramm unterhalten.
Die Schule ist polnische Schulmeisterin im Hallenhockey. In ihrer Freizeit konnen die Jugendlichen
Sporthalle und Fitnessstudio sowie Computerraume und Bibliothek nutzen.
Man kann hier verschiedenste Zertifikate erwerben, z.B. einen Cisco-Nachweis oder einen Fuhrerschein
zum Fuhren eines Gabelstaplers.
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Tatigkeiten an der Beruflichen Schule Nr. 6 „Lelewela“
Die ZS-Nr. 6 in Poznan befindet sich im gleichen Gebaude wie das Berufliche Beratungszentrum fur
Jugendliche, in dem ich die erste Woche meines Poznan-Aufenthaltes verbrachte. Diese Schule hat als
Besonderheit eine spezielle, nur fur diese Schule zustandige Berufsberaterin, Monika Stasik. Am
12.02.2016 durfte ich ihre Arbeit begleiten und selber eine Unterrichtsstunde zum Thema
Berufsorientierung geben. Außerdem war ich auf Einladung von Gosia Okonek, Englischlehrerin an der
Schule, bei einer auf Englisch gefuhrten Schulerdebatte dabei.
1.
Meine Unterrichtseinheit
Ich bin gebeten worden, eine Unterrichtseinheit zum Thema Berufsorientierung fur Schulerinnen und
Schuler des letzten Schulbesuchsjahres im Technikum auf Englisch zu geben. Es sind insgesamt 9
Jugendliche da, davon ein junger Mann. Alle sind 19 Jahre alt und obwohl das Abitur und damit die
weitere Lebensplanung vor der Tur stehen, hat noch kaum jemand eine Idee dazu. Sie wollen studieren,
wissen aber nicht was. In der Prasentation nutze ich Ubungen und Arbeitsblatter, die ich auch in Kassel
mit Klassen, hier naturlich wesentlich jungere Jugendliche, anwende.
In Kleingruppen, gemeinsam oder jede fur sich arbeiten wir zu Themen wie: „Warum arbeiten wir
uberhaupt“, „Mein Baum des Lebens“ und stellen uns die Frage: „Wer sind meine Helfer und Helferinnen
und was zeichnet sie aus?“ Besonders interessant ist fur die Jugendlichen die Methode „Mindmapping“.
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Da das bislang unbekannt ist, gehe ich hierauf besonders ein. Nach einer Pause uberlegen wir
gemeinsam wie man mit Firmen in Kontakt treten kann und was man dabei beachten muss. Die
Jugendlichen arbeiten trotz der ungewohnten Unterrichtssprache gut mit. Auch fur mich ist es eine neue
und gute Erfahrung.
2.
Hospitation bei der Berufsberaterin
Frau Stasik, die Berufsberaterin an der Schule, hat neben ihrem Psychologiestudium an der Uni ein
spezielles Qualifikationsstudium als Berufsberaterin absolviert. Diese Kombination haben in Polen nicht
viele Menschen und noch weniger arbeiten genau in diesem Bereich. Berufsorientierung spielt in den
meisten Schulen eine eher untergeordnete Rolle. In der Lelewela-Schule leistet man sich diesen „Luxus.“
Frau Stasik arbeitet in der Regel 1 mal pro Monat fur 45 Minuten mit jeweils der Halfte der Klasse an
Themen wie Bewerbungen schreiben, Lebenslauf, Bewerbungsgesprache uben, usw. Die Stunden sind
eigentlich Klassenlehrerstunden. Die andere Halfte der Klasse macht normalen Klassenlehrerunterricht.
Frau Stasik fuhrt auch Einzelberatungen in ihrem Buro in der Schule durch.
In Polen ist es ublich, dass die Schulerinnen und Schuler zu den jeweiligen Fachlehrenden gehen und
nicht wie bei uns in ihrem Klassenraum verbleiben. An diesem Morgen ist Frau Stasiks Beratungsstunde
ausnahmsweise in die Stunde der Englischlehrerin gelegt worden, damit diese, falls notig, zu meiner
Unterstutzung ubersetzen kann. Besonders ungewohnt ist fur mich der Anblick von Madchen und
Jungen in Militaruniformen. Es handelt sich bei dieser Klasse um eine Spezialklasse, eben eine
Militarklasse. Funf Stunden in der Woche werden sie von einem fruheren Armee-Offizier unterrichtet.
und die Jugendlichen sind besonders militarischen Werten verpflichtet. Sie haben tatsachlich
Waffenkunde und Schießunterricht. Fur sie ist es Pflicht, in der Schule an allen Tagen außer freitags die
Uniform zu tragen. Das bedeutet aber nicht zwangslaufig, dass sie hinterher auch eine Karriere bei der
Armee anstreben. Ihre Matura ist allgemeinbildend und berechtigt zum Zugang unterschiedlichster
Studienfacher.
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SCHOOL INSIGHT 05.02.-11.02.2016
Funf der neun Jugendlichen sind Madchen. Nicht alle halten sich an das Uniform-Gebot. Drei Jugendliche
tragen ganz normale Alltagskleidung. Die Atmosphare in der Klasse ist lebhaft, die Jugendlichen
arbeiten gut mit. Sie sprechen uber den Lebenslauf und sollen einen eigenen anfertigen fur eine
Stellenausschreibung, die Frau Stasik aus dem Internet heruntergeladen hat. Man merkt den
Ergebnissen deutlich an, dass dies der erste Kontakt der jungen Menschen mit diesem Thema ist.
3.
Schulerdebatte „Religion“ auf Englisch
Diese Art der Schulerdebatte ist ein Novum fur die Schule. Die teilnehmenden Jugendlichen konnten sich
freiwillig melden, das Thema Religion ist vorgegeben. Sie haben die Hausaufgabe, sich auf insgesamt
vier Fragen vorzubereiten, die sie der Reihe nach beantworten. In jeder Runde beginnt jemand anderes
die Debatte. Die Jugendlichen sollen frei sprechen und nicht langer als eine Minute fur die Beantwortung
einer Frage in Anspruch nehmen. Es gibt eine wichtige Regel: Niemand darf beleidigt werden
Es sind 2 junge Frauen und 2 junge Manner, die am Vormittag den Raum betreten, um die vorbereiteten
Fragen zu debattieren. Alle vier sind in ihrem letzten Schulbesuchsjahr und sprechen hervorragend
Englisch. Sie werden nacheinander mit jeweils der gleichen Fragestellung von der Lehrerin zum Thema
Religion konfrontiert und sollen ihre Meinung kurz darlegen.
Die Fragen sind:
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What is Religion? What does religious practice mean to different persons?
What attracts people to one religion or the other?
How tolerant are you when it comes toReligion?
Without religion the world will be a better or peaceful place. Do you agree?
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Die Antworten sind erstaunlich unterschiedlich und sehr interessant. Immer wieder kommt es zwischen
den Statements zu kleineren Diskussionen und Streitgesprachen. Die Jugendlichen, nach eigenem
Bekenntnis eher atheistisch eingestellt, sind mit Herzblut bei der Sache.
Am Schluss darf jeder und jede noch eine Frage zum Thema an einen andern aus der Gruppe stellen,
bevor dann alle mit Kaffee, Tee und Kuchen bewirtet werden. Nicht nur die Englischlehrerin ist
begeistert, auch die Direktorin zeigt sich sehr angetan von diesen selbstbewussten jungen Menschen an
ihrer Schule.
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Zusammenfassung
Tatsachlich gibt es neben den Militarklassen einige nicht zu ubersehende Unterschiede zwischen
deutschen und polnischen Schulen. Zunachst das, was mir an polnischen Schulen gut gefallt:
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Das System der Erwachsenenbildung scheint mir hier viel weiterentwickelt als in Deutschland
Auch gefallt mir die vielfaltige Nutzung der Schulgebaude, insb. an Wochenenden
Lehrer und Lehrerinnen sind auch in einem Teil der Ferien zustandig fur Kinder und Jugendliche
Durch die Nahe der Schulen zum Landkreis oder der Stadt sind die Verwaltungsgremien viel naher
dran an den Schulen und tragen eine großere Verantwortung fur die Losung anstehender Aufgaben
Die personelle Ausstattung scheint mir viel besser. An allen Schulen gibt es z.B.
Schulpsychologinnen oder -psychologen.
Einiges finde ich aber in Deutschland besser geregelt:
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Das System der schulischen und betrieblichen Berufsorientierung ist wesentlich systematischer und
besser aufgestellt als in Polen. Selbst in Gemeinden ohne eigenes Ubergangsmanagement gibt es in
der Regel lokale oder landesweite Zusammenschlusse und Arbeitsbundnisse wie z.B. OloV, um den
Ubergang von der Schule in den Beruf zu verbessern.
Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren am Ubergang Schule-Beruf (Schulen,
Berufliche Schulen, Kammern, Arbeitsagentur, freie Trager…) scheint mir viel elaborierter und
gefestigter. Das mag aber meinem Kassel-Blick geschuldet sein und gilt vielleicht nur fur diese
Region.
Die duale Berufsausbildung hat in Deutschland einen viel hoheren Stellenwert als in Polen und ist
wesentlich besser angesehen.
Jugendliche gehen nicht unbedingt automatisch und ohne weiteres Nachdenken den Weg uber die
hohere Schule, wie das hier in Polen der Fall zu sein scheint.
Die Eltern der Kinder und Jugendlichen sind bei uns starker als Zielgruppe entdeckt worden.
Die Weisheit liegt wahrscheinlich wie so oft irgendwo in der Mitte. Jedes System hat sein Vor- und
Nachteile und der Koniginnenweg ist immer wieder: Voneinander lernen!
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