Straga_Ausg_126 - I won`t go quietly

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Straga_Ausg_126 - I won`t go quietly
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Ausgabe 126 / Januar – Februar 2013
Das Schweigen gebrochen:
„I won‘t go quietly“
Medienfreiheit in Deutschland: Aids-kritischer Film von Anne Sono
zieht seine Kreise als Graswurzelbewegung
„I won‘t go quietly“ titelt der
Film, in dem die Berliner
Filmemacherin Anne Sono
sechs Frauen erzählen lässt.
Frauen, die tiefe Einblicke in
ihr Leben zeigen, ein Leben
mit der Diagnose „HIV positiv“. Ein Aids-kritischer Dokumentarfilm, indem auch
Expertinnen und Experten
zu Wort kommen, wie etwa
die Biologin Christl Meyer,
Dr. Stefan Lanka, Karl Krafeld, die Ärztinnen Juliane
Sacher und ihre russische
Kollegin Dr. I. Sazonova,
auch Homöopathin.
Anne Sono gelingt in diesem Film eindrucksvoll tief
zu berühren und gleichermaßen eine – sehr gut recherchierte – Wissensflut
verständlich zu vermitteln.
„HIV positiv“ – was steckt
hinter der vermeintlichen
Diagnose? Tatsächlich ein
Virus? Eine Krankheit? Ein
willkürlicher Augenblick
eines aus vielfältigen Gründen angegriffenen Körpers,
festgehalten in einem Test,
der über ein ganzes Leben
urteilen soll? Welche Interessen stecken hinter dem
vehementen Festhalten an
der Virus-Theorie?
Anne Sono gelingt mit ihrem
Film der schwierige Spagat
zwischen Wahrheitsfindung
und dem Verzicht auf Anklage. Nicht „gut und böse“ zählen, sondern die Wahrheit
mit all ihren neuen Fragen.
Im Zuge der Recherche zu
ihrem Film reist Anne Sono
nach Österreich, Norwegen und Russland. Überall
dort trifft sie die Frauen,
die betroffen sind von der
verhängnisvollen Diagnose
„HIV positiv“, die ihr Leben
aus den Bahnen riss.
Barbara – mit
den eigenen Kindern
erpresst
Barbara Seebald, über sie
hatte die „strassen gazette“
bereits öfter berichtet, besuchte sie in Österreich. Barbara wurde in Alter von 20
Anne Sono regt mit ihrem Dokumetarfilm „I won‘t go quietly“ eine offene Diskussion um das Thema HIV an. Auch in
Darmstadt war die Filmemacherin zu Gast.
Foto: Gabriele Lermann
Jahren 1989 ohne ihr Wissen
getestet, der Test fiel positiv
aus. Vier Jahre verbleibende
Lebenszeit gaben ihr die
Ärzte damals. Sie nahm nur
kurz das umstrittene „AidsMedikament“ AZT ein, setzte, nachdem sie die gravierenden Nebenwirkungen
spürte, wieder ab. Sie starb
nicht, wurde Mutter von vier
gesunden Kindern. Immer
unter Druck von Behörden
war sie glücklich, als ihr
HIV-Test beim vierten Kind
im Mutterschaftspass „negativ“ ausfiel. Endlich eine
ungestörte Hausgeburt und
ungestörte Stillzeit. Nicht
für die Behörden, Barbara
wurde das Stillen verboten,
nach einer Atemwegserkrankung der jüngsten Tochter
wurde Zwangsmedikamentation mit AZT für das Kind
angeordnet. Der Eintrag
im Mutterschaftspass auf
behördlichen Druck geändert! Barbara musste nicht
nur mit einer 14-monatigen
Haftstrafe auf Bewährung
leben, weil sie ihr Kind normal geboren hatte. Sie verlor das Sorgerecht für alle
vier Kinder, heute leben die
drei älteren Kinder nach
langem Aufenthalt in einer
Pflegefamilie wieder bei
der inzwischen verwitweten
Mutter, das jüngste Kind
immer noch in einem Kinderdorf, wo es weiter medikamentiert wird. Inzwischen
sind die Auswirkungen der
Medikamente an Entwicklungsverzögerungen des
Kindes deutlich sichtbar, der
tiefe Bruch, der durch den
frühen Entzug des Kindes
von der Mutter entstand,
ebenso. Nichts von dem, was
Barbara und ihren Kindern
in entscheidenden Jahren
aufgebürdet wurde, wird
jemals wieder gut zu machen
sein.
Lindsey – das einzige
überlebende Baby
Lindsey wurde ursprünglich
in Rumänien geboren und
von einer amerikanischen
Mutter adoptiert. Anne Sono
traf Mutter und Tochter
vor gut zwei Jahren beim
alternativen Aidskongress
in Wien. In Rumänien noch
negativ getestet fiel vor gut
20 Jahren ein zweiter Test
am Säugling Lindsey in Minnesota (USA) positiv aus.
Auch Lindsey musste die
aggressiven Medikamente
nehmen, woraufhin sie unter Untergewicht, Wachstums- und Motorikproblemen wie Schmerzen litt.
Ein Aids-kritischer Artikel
von Dr. Peter Duesberg aus
Berkely (mehrfach ausgezeichneter Professor für
Molekular- und Zellbiologie)
bewegte die Mutter, die Medikamente bei Lindsey abzusetzen. Das Kind erholte sich
schnell, wuchs und ist heute
ein glückliche junge Frau. Es
gab damals neben Lindsey
zwölf als HIV-positiv registrierte Kinder unter zwölf
Jahren in Minesota, alle
mussten die Medikamente
nehmen. Lindsey, deren
Adoptiveltern die Medikamente nach zwei Jahren
absetzten, ist die einzige
Überlebende.
Karri gab dem Film
seinen Namen
Karri, eine Frau mit strahlendem Charisma, erzählt
ebenso ihre Geschichte in
Anne Sonos Film. Sie wurde
nach ihrer zweiten Schwangerschaft positiv getestet.
Elf Jahre lang nahm sie die
Aids-Medikamente, lebte
mit den sehr schweren Nebenwirkungen bis sie sich
informierte und absetzte.
Vier glücklich-gesunde Jahre folgten für die zweifache
Mutter. Strahlend berichtet
sie vor Anne Sonos Kamera
wie wichtig ihr die Unterstützung ihres Mannes war
und wie sehr sie dies allen
Müttern und deren Kindern
wünscht, die in die Klauen
der Test-Diagnose gelangt
sind. Was sie zur Zeit der
Filmaufnahmen noch nicht
wusste: elf Jahre Medikamente hatten eine großes
Loch in ihren Darm gefressen, es meldete sich mit
Blutungen noch vor Ende
des Filmschnitts. Unter dem
enormen Zeitdruck, in den
sie geriet, während ihr Ärzte
als Medikamenten-Verweigerin und HIV-Positive Hilfe
versagten, stimmte sie der
Infusion mit Ganciclovir
(einem sehr umstrittenen
wie nebenswirkungsreichen
Wirkstoff gegen den HerpesVirus), als Vorrausetzung
für operative Hilfe, zu. In
sehr kurzer Zeit baute sie
ab, sie erblindete, verlor ihr
Sprachvermögen (keine so
genannten Aids-Symptome!)
und starb im April 2011. Sie
war eine starke Kämpferin
geworden, die nicht mehr
schwieg und weiter sah. In
ihrer Heimat USA war sie
keine leise Aidskritikerin.
„I wont‘go quietly“, war
Karri‘s Botschaft.
Zwei Jahre Haft für
Norwegerin Line
Norwegen gilt nebst Schweden als Spitzenreiter in
Bildung und Sozialwesen
innerhalb des europäischen
Kontinents. Im schönen
Norwegen lebt auch Line,
die Liebe und Lebensgemeinschaft zu einem
Schwarz-Afrikaner war das
Argument, Line und ihn als
Vater ihrer gemeinsamen
Tochter zum HIV-Test zu
überreden – beide wurden
HIV-positiv getestet. Der
Vater ging nach Paris, Line,
die Mutter, blieb alleine
mit Tochter in Norwegen.
Mit der Familienzerstörung
sollte die „Test-Diagnose“
nicht das erste Mal ihr Leben
getroffen haben, eine später
eingegangene Beziehung
musste Line wegen Gewalttätigkeit des Partners beenden. Einem Partner, der um
ihre HIV-Diagnose wusste
und diese stets gesund und
glücklich ignorierte. Als
seine geschlagene Partnerin
Line ihn verließ, rächte er
sich: er zeigte Line wegen
HIV-Übertragung an. Zwei
Jahre musste Line ihre geliebte Tochter verlassen und
ins Gefängnis gehen.
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Ausgabe 126 / Januar – Februar 2013
Anne Sono zu Gast
in Darmstadt
Der Film „I won‘t go quietly“ ist für 19,95 Euro im Internet über www.bluebell.de
oder www.iwontgoquietly.de zu erwerben. Es gibt ihn in deutscher wie in englischer
Fassung.
HIV-Sippenhaft
in Afrika
Aids in Afrika bleibt in Anne
Sonos Film nicht aus. Drei
von 15 „Aids-typischen“
Symptomen reichen in Afrika aus, erklärt sie, um die
diskriminierende Diagnose
HIV zu stellen. Beispiele sind
Hustenreiz, Hautausschläge,
Durchfall, Erbrechen. Biologische Unterversorgung
wie Nahrungsmangel und
fehlendes sauberes Wasser
sowie sozialem Stress wie
bittere Armut, Überlebensangst, Sorge um die Kinder
und ihre (noch) aussichtslose Perspektive sind Grund
genug für irgendwelche körperlichen Antworten. Das
traurige Massensterben in
Afrika hat sich bis heute
noch an keine Aids-Prognose, sondern an Regionen mit
massiver Unterversorgung
gehalten. Anstelle Aids könne da die Diagnose genauso
Hunger, Unterversorgung,
Hygiene-Krankheiten wie
Thyphus, Pilze, Tuberkulose und andere heißen.
Die „Aids-Statistik“ ist aber
heute ausschlaggebend für
internationale Hilfe. Somit
finden sich afrikanische
Staaten in der Situation,
nicht nur von global-kapitalistischen Interessen
nebst eigenen Problemen
aufgezehrt zu sein, sondern
gleichermaßen Aids als ausschlaggebenden Faktor für
internationale Hilfe einzusetzen zu müssen. Eine
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möglichst hohe „Aids-Rate“
kommt dabei einem afrikanischen Staat mehr „zu gute“
als die Bitte um soziale wie
ökonomische Selbsthilfe.
Der hauptsächliche Gewinner von Spenden – mit Sicherheit gut gemeint – bleibt
die Pharma-Industrie, nicht
die Menschen in Afrika.
Frauen und HIV
in Russland
Zwei Frauen aus Russland besuchte Anne Sono.
Schwangerschaft und HIVDiagnose, ein Schicksal,
dass inzwischen für Frauen
in Russland außerhalb der
typischen „Risikogruppen“
kein Einzelfall mehr ist. Zu
HIV-Test und Schwangerschaft erklärt Anne Sono:
„Der HIV-Test stellt keine
direkten Anti-Körper auf
einen Virus fest, sondern erhöhte Eiweißwerte. Da diese
aber auch auch natürlich
sind, muss das Blut stark
verdünnt werden, sonst
würde der Test bei jedem
Menschen positiv ausfallen.
Bei Schwangeren sind die
Eiweißwerte naturgemäß
erhöht, so dass wesentlich
mehr verdünnt werden
muss, die Gefahr, dass der
Test positiv ausschlägt, ist
bei Schwangeren viel höher,
ohne dass sie irgendeine
Krankheit haben.
So ging es auch der jungen
russischen Mutter Tatyana, in der Schwangerschaft
wurde sie positiv getestet.
Vielen russischen Frauen
wird nach solch eine Di-
agnose sogar zur Abtreibung geraten, bekommen
sie das Kind, müssen sie es
mit den aggressiven AidsMedikamenten behandeln
und selbst in der Schwangerschaft welche nehmen.
Vier Jahre Lebenszeit gaben
die Ärzte Tatyanas Tochter.
Ein Aids-kritischer Artikel
machte die junge Mutter
auf die fatalen Folgen der
Medikamente aufmerksam,
sie setzte sie ab. Tochter
Lisa ist inzwischen sieben
Jahre alt, gesund und gilt als
hochbegabt. Tatyana hatte
das Glück, Im Vorjahr aus
der Liste der HIV-Infizierten
gestrichen zu werden.
Auch die Russin Tamara
wurde während der Schwangerschaft zum zweiten Kind
positiv getestet. Die junge
Familie entschied sich für
das Kind und erhielt sogar
über die Kirchengemeinde
vor Ort Aids-kritisches Lesematerial. Sie gaben dem
Kind keine Medikamente und ließen auch keinen
HIV-Test machen. Auch ein
drittes Kind kam gesund zur
Welt. Die junge Familie war
glücklich, sich erfolgreich
gegen die typischen Aids.Maßnahmen gewehrt zu
haben.
Am Tag der deutschen Filmpremiere von „I won‘t go
quietly“ (9. März 2012, Berlin) wurde Tamara in Russland ermordet. Ein Taxifahrer hat die Tat gestanden
und wurde zu sieben Jahren
Haft verurteilt. Es bestehen
Zweifel daran, ob der tatsächlich der Mörder war.
Im Dezember wurde „I won‘t
quietly“ in Darmstadt gezeigt, Anne Sono war mit
vor Ort und stellte sich den
Fragen des Publikums. Wie
in vielen anderen Städten
auch war es auch in Darmstadt schwierig einen Ort zu
finden, an dem es mutige
Menschen gab, die bereit
waren, den Film zu zeigen,
der Kritik gegen den seit
über 25 Jahren geltenden
Mythos Aids Raum zu bieten. Auch die ursprünglich
geplante Vorführstätte in
Darmstadt sagte kurzfristig
ab, „Vortex Garden“ inmitten der Künstlerkolonie
Mathildenhöhe bot spontan
einen Raum an, der sich an
interessiertem Publikum
gut füllte.
„Es ist wie eine Graswurzelbewegung mit meinem
Film“, erklärt die Filmemacherin, zu groß seien die
Ängste, um dem Film einem
Plattform zu geben.
Auch die strassen gazette
nutzte die Gelegenheit, mit
Anne Sono über ihren Film
zu sprechen.
strassen gazette: Anne,
wie bist Du auf das Thema
gestoßen?
Anne Sono: Es war ein
Artikel vor über zehn Jahren. Das Thema erschütterte
und warf gleichzeitig soviel
Fragen auf.
strassen gazette: In Deinem Film sind es ausschließlich betroffene Frauen, die zu
Worte kommen, warum?
Anne Sono: Frauen sind
noch mal ganz anders von
der Thematik betroffen. Insbesondere als Mütter, wie an
den Frauen im Film deutlich
wird. Man versucht sie zu
zwingen, in ihren Schwangerschaften Medikamente
zu nehmen, ein gesundes
Mutter-Kind-Verhältnis zu
unterbrechen und ihren
Kindern diese aggressiven
Medikamente zu geben. Und
das bis hin zum Entzug des
Sorgerechts. Eine positive
„HIV-Diagnose“ wirkt sich
im Leben von Frauen wesentlich massiver als bei
Männern aus.
strassen gazette: Die Kritik an Diagnose wie Medikamente weltweit wächst.
Was glaubst Du passiert,
wenn sich Aids als Lüge
durchsetzt, die Menschen
den Glauben an die Mainstream-Meinung zu HIV
verlieren?“
Anne Sono: Nach so vielen
Toten glaube ich folgt eine
Explosion an Verfahren, die
niemand mehr gerecht werden könnte. Ich schätze eher,
je mehr kritische Aufmerksamkeit zum Thema wächst,
umso mehr „schleicht“ sich
HIV als Thema aus den
Medien und damit langsam aus den Gedächtnissen.
Insgesamt befreien sich die
Menschen immer mehr von
aufgebürdeten Dogmen,
hören mehr auf sich selbst
und treffen ihre Wahl zu
Experten, auch wenn sie
nicht populär sind, selbst.
Das ist eine sehr positive
Entwicklung.
strassen gazette: Wie
funktionieren die HIV-Tests
und warum können dieselben Menschen unterschiedliche Ergebnisse erreichen?
Anne Sono: Zunächst kann
der Test wie im Film gesagt
keinen speziellen Antikörper nachweisen, weil der
HIV-Virus bisher nicht wissenschaftlich nachgewiesen worden ist. Er existiert
nur als wissenschaftlicher
Konsens. Demzufolge kann
es auch keine Antikörper
zu HIV geben. Ein positiver Test zeigt erhöhte Eiweißproduktion an, was
unterschiedliche Ursachen
haben kann. Inzwischen
weiß man über 60 verschiedenen Umstände, die einen
positiven Test hervorrufen
können, beispielsweise eine
herkömmliche Grippe, eine
Impfung gegen Grippe, Hepatitis oder Tetanus oder
eine Organtransplantation.
Schwangerschaft ist ebenso
ein Auslöser. Lebensgefährlich ist es, dass die Menschen mit dieser Fehldiagnose in Todesangst versetzt
werden und dann angehalten werden, hochtoxische
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Medikamente einzunehmen. Außerdem werden die
eigentlichen Ursachen der
Gesundheitsprobleme, wie
in Afrika häufig Mangelernährung und die Versorgung
mit schlechtem Trinkwasser
nicht angegangen.
Die Kriterien der erhöhten
Eiweißproduktion sind
teilweise von Land zu
Land unterschiedlich, so
dass die Ergebnisse unterschiedlich ausfallen. Was
den getesteten Menschen
meistens vorenthalten
wird, ist der Beipackzettel
des Tests, hierin ist zu lesen, dass das Testergebnis
kein garantierter Nachweis für eine HIV-Infek-
tion sein kann. In Afrika
wird in den meisten Fällen gar nicht getestet, als
Aidspatient gilt, wer drei
von 15 „typischen AidsSymptomen“ wie etwa
Husten, Hautauschläge
oder ähnliches hat.
strassen gazette: Was ist
das schlimmste an einem
positiven Aids-Test?
Anne: Das schlimmste am
Test ist die Angst, die mit
dem Testergebnis in den
Menschen gepflanzt wird.
Selbst Aids-kritische Menschen sind nicht frei von
der Angst. Wer sich mental
auf den Gedanken einlässt,
da kann was totbringendes,
unwiderrufliches im Körper
schlummern, ist in Körper
und Psyche viel angreifbarer. Es ist eine injizierte
Todesangst.
strassen gazette: Du hast
sehr umfangreich recherchiert für Deinen Film, der,
wie Du selbst sagst, heute
ähnlich einer „Graswurzelbewegung“ sein Publikum
findet. Wie finanziert sich
das?
Anne: Der Film wurde ausschließlich über Spenden
und Eigenmittel finanziert,
ich bin sehr dankbar für die
Unterstützung. Die Tatsache, dass er bislang nicht
den offiziellen Weg über
einen Filmvertrieb in die
großen Kinos geschafft hat,
nimmt nichts von der Botschaft. Er regt eine Diskussion an, die sich ähnlich dem
berühmten Flügelschlag des
Schmetterlings von alleine
verbreitet.
strassen gazette: Du
klagst im Film nicht an,
lässt persönliche Erfahrungen und Experten für sich
selbst sprechen. Dennoch
ignoriert die vermeintliche
Gegenseite Deinen Film.
Wie würdest Du Dir das
wünschen?
Anne: Ich würde mir den
Dialog wünschen. Ich lade
auch immer wieder Menschen, die die breite Meinung zu Aids tragen und
verteidigen, zu Filmvorfüh-
rungen ein. Bislang blieb der
offene, konstruktive Dialog
leider aus.
strassen gazette: Wie
könnte sich der Umgang der
Menschen mit vor diktierten
„Wahrheiten“ wie zum Thema HIV ändern?
Anne: Es ist wie bei vielen anderen Themen auch.
Solange so mächtige Interessen daran interessiert
sind, ihren Vorteil daraus zu
ziehen, kann Veränderung
nur von unten kommen.
Wirtschaft und Politik wird
nichts ändern, es kann nur
der Mensch sein, der wachsamer darüber entscheidet,
was er annimmt und was
nicht.
Gesicht des Monats:
Renate Schirrmacher, ein unermüdlicher „Ruhrpott-Engel“
„Es gibt nichts gutes außer man tut es“, ganz nach
diesem Leitsatz lebt die
Mülheimerin Renate Schirrmacher. Tag für Tag setzt sie
sich seit vielen Jahrzehnten
für ihre Mitmenschen ein,
leistet im Hintergrund von
„Rampenlicht und Lorberen“ enormes.
Kulinarische Highlights
hausgemacht, dafür scheut
Renate Schirrmacher keine Mühe. Fruchtliköre wie
Kräuteröle und -Essig ansetzen, Marmelade einkochen,
Obst einlegen – hübsch
dekoriert bietet sie mit ihrer Freundin Monika Boll,
Schwester in St. MarienHospital ihre Waren auf
dem Nikolausmarkt in Saarn
(Mülheim an der Ruhr) an.
Seit Jahre lässt Renate Schirrmacher keine Gelegenheit aus,
Gutes zu tun. Auf dem Nikolausmarkt steht sie in ihrer
kleinen schmucken Bude und
verkauft alles für Menschen
in Not. Das ganze Jahr über
ist sie damit beschäftigt, sich
für die Zeit der Weihnachtsmärkte gut einzudecken. Nebenberuflich, an drei Tagen
in der Woche arbeitet sie.
Als sie vor sechs Jahren mit
dem Nikolausmarkt anfing,
gingen die Einnahmen an die
„Grüne Damen“ des katholischen Krankenhauses. Doch
mittlerweile weiß die „Mutter
Theresa aus dem Ruhrpott“
persönlich um Menschen in
Not. Und sie weiß, dass die
Renate Schirrmacher in ihrer Bude beim Nikolausmarkt in Saarn. Hier bietet sie ihre Ware
zugunsten bedürftiger Menschen an. Die „strassen gazette“ als Mittel zur Selbsthilfe findet
sie gut, deshalb kauft sie auch immer wieder gerne eine, begegnet ihr ein Verkäufer.
Foto: Ulrich Havighorst
Zahl der verarmten Familien
und Personen in Deutschland
leider drastisch zugenommen
hat. Sie spendet nicht mehr an
Organisationen, sondern direkt an bedürftige Menschen.
Und nicht nur den Erlös aus
ihren Leckereien vom Markt.
Das ganze Jahr
„auf Achse“
Während des ganzen Jahres
ist sie unterwegs um bei Pri-
Aufruf an unsere Leserinnen und Leser, Verkäuferinnen und Verkäufer:
Gerne würden wir monatliche tolle Menschen wie Renate Schirrmacher vorstellen.
Hierfür sind wir für jeden Tipp dankbar.
Wer Menschen mit außergewöhnlichem Engagement oder interessanter
Geschichte kennt, melde sich bitte bei der
Redaktion „strassen gazette“
Höchster Str.61
64750 Lützelbach
Telefon: 06165-389508
Fax: 06165-389509
E-Mail:[email protected]
vathaushalten, Kindergärten
und anderen Einrichtungen
nach Spenden zu fragen.
Kleidung, Möbelstücke, Kinderwagen – lange aufheben
muss sie nichts. Alles findet gleich einen dankbaren Abnehmer. Inzwischen
sprechen sie schon viele
Menschen an und erzählen ihr, wer was dringend
gebrauchen könnte. Ihre
Hilfe bleibt unmittelbar,
von Mensch zu Mensch.
Sie besorgt und gibt, was
gebraucht wird.
Ihr unermüdliches Handeln
für Menschen in Not währt
schon viele Jahrzehnte, vor
der Wende bereits schickte
sie Kleidung in die ehemalige DDR. Als bei ihr vor
Ort die ersten Flüchtlinge
in eine Turnhalle Einzug
hielten, war sie sofort zur
Stelle und brachte Dinge für
den nötigsten Alltagsbedarf.
Bis heute steht ihr Telefon
zu hause nicht still, immer
wieder suchen Menschen
Hilfe für sich selbst oder
andere, oder bieten Spenden
an. Und geht sie mal nicht
ans Telefon, dann ist sie
wieder für andere auf Achse,
mit praktischer Arbeit oder
ganz still, beim Begleiten
von Sterbenden im Krankenhaus.
Gabriele Lermann
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