1 Erfahrungsbericht Erasmus Ecole Normale Supérieure Paris (ENS

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1 Erfahrungsbericht Erasmus Ecole Normale Supérieure Paris (ENS
Erfahrungsbericht Erasmus Ecole Normale Supérieure Paris (ENS)
September 2010 bis Juni 2011
VORBEREITUNG
Der Vorbereitungsprozess auf das Auslandsemester wurde von der Europauniversität Viadrina
Frankfurt (Oder) bestens organisiert, dank dem hervorragenden Team um und mit Frau Seeger.
Die Bewerbung an der ENS erforderte über das reguläre Erasmus-Bewerbungsverfahren eine
separate Bewerbung in Form eines französischen Lebenslaufes und Motivationsschreibens. Im
Anschluss an die direkte Zusendung an die ENS entschied diese, ob man als Student „geeignet ist“
bzw. aufgenommen wird. Sinnvoll ist das erbetene Sprachniveau B2.
Da die ENS erst seit 2010 im Austausch mit der Europa Universität Viadrina stand, gab es keine
Erfahrungsberichte oder Informationsmaterial auf das zurückgegriffen werden konnte.
Informationen zur ENS waren von Deutschland aus nur über die Internetseite der ENS zugänglich, die
hinsichtlich der Kursauswahl vorab nicht immer auf dem neusten Stand war bzw. unübersichtlich
hinsichtlich der vielen Departements und Instituten, mit denen die ENS zusammenarbeitet und bei
denen man als Erasmusstudent auch Kurse belegen kann (was aber nirgends steht). Wichtig bei der
Auswahl der Kurse für das Learning Agreement ist die Einteilung der Seminare in S1
(Wintersemester) und S2 (Sommersemester), denn nur diese werden zu gegebenen Zeitpunkt
angeboten.
Die sprachliche Vorbereitung musste in Deutschland selbstständig vorgenommen werden. Von der
ENS wurde Anfang September ein 10-tägiger Sprachkurs organisiert. Zu diesem hatte ich mich auch
angemeldet, allerdings keine Bestätigung der Anmeldung erhalten, sodass ich nicht teilnahm.
Rückblickend weiß ich, dass man nicht immer Antwort bekommt, aber trotzdem hingeht und teilnimmt
(was für alle Kurse gilt). Eigenverantwortlich habe ich mir im September einen 3-wöchigen
Intensivsprachkurs an der Alliance Francaise organisiert, für den ich vom Deutsch-Französischen
Jugendwerk (www.dfjw.org) ein Stipendium erhalten habe.
Mitte September gab es einen Tag an dem alle internationalen Studenten der ENS sich einschreiben.
Das heißt, man sucht den Raum in dem man eingeschrieben wird (Einschreibung heisst, seinen
Namen nennen, denn es liegen alle Daten bereits vor). Am ersten Tag meiner Ankunft wurde ich vom
Pförtner wieder weggeschickt, weil der nicht mein Ansprechpartner war und somit nichts von mir
wusste. Jedoch machen das alle anderen Studenten um ihren Schlüssel für die Zimmer zu
bekommen, da es sich bei der ENS auch um ein Internat handelt. Einen Tag zu spät, habe ich mich
dann im Studentenbüro gemeldet, meine Unterlagen, eine Tasche und jede Menge
Informationsmaterial mit u.a. Vorlesungsverzeichnis und Telefonnummern und Internetzugängen
erhalten. Darüber hinaus muss man sich seine carte etudiante (Foto wird dort gemacht) abholen, die
wichtig ist für Restaurant, Bibliothek, Zugang zu Gebäuden und Kopien. ENS Studenten kommen
zudem in den Genuss bei zwei französischen Banken (Societé General) ein Konto eröffnen zu können
und bis zu 100 Euro als Geschenk zu erhalten.
Darüber hinaus veranstalte die ENS im September eine Einführungswoche in der sich alle
Departments in gesonderten Veranstaltungen vorgestellt haben - inklusive deren Inhalten,
Vorlesungen und Professoren.
UNTERKUNFT
Die Unterkunft als Erasmusstudent an der ENS ist eigenständig in Paris zu organisieren. Die ENS, als
Schule mit integriertem Internat bekannt, verfügt über 2 Campi (Rue d´Ulm im 5. Arrondisment und
Boulevard Jourdan im 14. Arrondisment) die beide auch über Zimmer verfügen und einen dritten
Wohnkomplex etwas außerhalb von Paris.
Laut mündlichen Erfahrungsberichten anderer Studenten vor Ort kann man dort auf Anmeldung und
Verfügbarkeit auch wohnen. Ich habe allerdings keinen Erasmusstudenten an der ENS kennengelernt,
der dort wohnte. Die Zimmersuche in Paris hingegen gestaltet sich sehr schwierig, sollte man nicht
über das nötige Kleingeld und Beziehungen verfügen. So ist der Durchschnittspreis bei 500 Euro pro
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Monat, gern auch mehr. In Frankreich kann aber jeder Student Caf (www.caf.fr) beantragen und somit
einen Zuschuss an Wohngeld erhalten, wenn man nicht (Auslands)Bafög bezieht. Dies erfordert aber
jede Menge Geduld und etlicher Nachweise, die man aus Deutschland mitbringen muss.
Ansonsten kann man sich als Student rechtzeitig mit Motivationsschreiben an der Cité U (www.ciup.fr)
bewerben.
Ich bin während meines Parisaufenthaltes insgesamt 5 Mal umgezogen, habe aber immer aufgrund
von Freunden und Bekannten eine Möglichkeit zum Wohnen gefunden.
DAS STUDIUM AN DER ENS
Der Start an der ENS gestaltete sich aus diversen Gründen schwierig. So erfolgte von Seiten der ENS
keine gesonderte Einweisung für Erasmusstudenten – die eine hingegen aller anderen Studenten und
Schüler eine absolute Außenseiterrolle einnehmen - und auch auf Erfahrungsberichte von Studenten
konnte ich nicht zurückgreifen. Das Studiensystem an der ENS ist recht kompliziert zu durchschauen,
so gibt es 3 Stati der Studenten. 1) Eleve die 1200 € im Monat verdienen 2) Etudiant die normal
eingeschrieben sind und 3) Section international deren Programme auf 2 Jahre beschränkt sind.
Zu Beginn des Semesters wurde für alle internationalen Studenten (einschließlich Erasmusstudenten
von denen es ca. 15 gab) eine Begrüßungsveranstaltung mit kleinem Buffet organisiert, wo also alle
gemeinsam orientierungslos waren. Aber das hat keinen Kontakt zu den erfahreneren ENS Studenten
geknüpft.
Kooperationen mit anderen Universitäten und Instituten
Die ENS selbst bietet viele Kurse an in diversen Departments an, und hat zudem viele Kooperationen
mit den anderen Pariser Universitäten, sodass es Gang und Gebe ist, dass die Studenten den
Großteil der Kurse an anderen Universitäten belegen. Diese Information und somit Option wurde
allerdings nicht direkt an die Studenten kommuniziert, sondern habe ich durch Gespräche mit
Studenten herausgefunden. Wie dies hinsichtlich der Validierung von Kursen abläuft ist mir allerdings
unbekannt, da ich von dieser Option aus mangelndem Wissen keinen Gebrauch machen konnte.
Professoren und Tutoren
Die Professoren an der ENS sind oftmals renommierte Persönlichkeiten mit erstklassigem
theoretischem und pädagogischem Niveau. Zudem sind sie erfahrungsgemäß sehr unterstützend und
hilfsbereit gegenüber den Studenten und sprechen mit ausländischen Studenten - wenn nötig - auch
englisch. Wichtig: An der ENS steht jedem Studenten – auch den Erasmusstudenten - ein Tutor zu. Er
ist dazu da einen bei Lernzielen und Thesenfindungen zu unterstützen. In der Regel ist es der
Professor, bei dem man am meisten Kurse belegt bzw. ein Professor der eigenen Wahl. Dieser ist
nicht zwingend notwendig, außer man möchte seinen Aufenthalt um ein Semester verlängern, dann
muss er die Verlängerung absegnen. Als Student muss man selbst diesen auswählen und auf ihn
zugehen.
Studium: Kurse und Niveau
Im französischen Universitätssystem wird zwischen seminaire (was einer Vorlesung entspricht) und
einem atelier (was einem Seminar entspricht) unterschieden. Grundsätzlich ist das französische
System wesentlich verschulter. An der ENS ist die Organisation aus meiner Erfahrung heraus etwas
umständlich. Ich habe mich für mehrere Kurse aus verschiedenen Departments interessiert doch hat
jedes Department unterschiedliche Kursbeginne und Ferienzeiten. So gibt es Kurse die von Mitte
November bis Mitte Mai gehen. Oder viele interessante Kurse erst im 2. Halbjahr (entspricht SoSo)
angeboten werden. Als Masterstudentin musste ich feststellen, dass viele Kurse im ersten Semester
nur auf dem Masterniveau M1 angeboten wurden, und erst im 2. Halbjahr Kurse auf dem Niveau M2.
Das Erasmus Austauschprogramm mit der ENS ist allerdings nur 5 Monate (1 Semester) vorgesehen,
sodass damit eine große Herausforderung besteht, sinnvoll Kurse belegen zu können. Da das
französische Universitätssystem nicht in Semestern sondern in Jahren rechnet (das heisst, man
macht immer ein Anné), ist meines Erachtens ein fruchtender Erasmusaufenthalt von 2 Semestern
notwendig. Hinsichtlich des Niveaus sind die M1 Kurse und selbst viele M2 Kurse Einführungen in die
jeweiligen Themengebiete. Aufgrund sprachlicher Barrieren war das Studium für mich anspruchsvoll.
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Sprachenlernen an der ENS
Als (Erasmus)Student kann man nach Belieben Sprachen an der ENS belegen. Verantwortlich ist
hierfür das ECLA (www1.ens.fr/ecla), vor dessen Büro sämtliche Anmeldeformulare liegen. Meine
Erfahrungen hinsichtlich des Französischkurses (der von Niveau debutant bis avancé + angeboten
wird) ist eher mittelmäßig, sodass ich nach dem Testen verschiedener Niveaus beschlossen habe
mich selbst und mit Hilfe eines Tandempartners zu trainieren. Das Tandem-Programm der ENS startet
einmalig pro Jahr im September (Ausschreibungen beachten!). Wer also zu spät kommt, könnte es
schwer haben noch einen geeigneten Partner zu finden.
ALLTAG UND FREIZEIT
Rahmenprogramm
Im Rahmen der ENS kann man beim Cof (www.cof-ulm.fr) Mitglied werden und an vielen
Veranstaltungen der ENS vergünstigt teilnehmen. Zudem hat die ENS ein breites Sportangebot – es
erfordert nur ein ärztliches Attest (was ich nicht verstanden habe wo und wie sich dieses zu besorgen
ist) – und viele zusätzliche kulturelle Veranstaltungen: Konzerte, Diskussionen, Vorträge,
Filmprojektionen, Konferenzen, Studentenreisen, Partys etc. aus den verschiedenen Fachbereichen
die immer allen Studenten zugängig sind.
Streik
Von Dezember bis Ende Mai befand sich das Restaurant in dem Universitätskomplex Rue d´Ulm im
Streik, sodass kein günstiges Essen (3 Gänge plus Salat und Wasser für 3,80 Euro) für Studenten
möglich war.
Außerhalb des Rahmens der ENS musste ich aufgrund des geringen Erasmusgeldes – was in Paris
einem Tropfen auf den heißen Stein gleicht – in meiner Freizeit viel arbeiten, um mich finanzieren zu
können. Die typischen Studentenjobs sind kellnern und babysitten, was beides in Paris relativ
unkompliziert zu organisieren ist.
FAZIT
Am schwierigsten war die Phase meiner zweimonatigen Krankheit, die mich Anfang des Jahres
heimsuchte, deren Folge eine halbseitige Gesichtslähmung war. Ich war diesbezüglich nicht mehr
100% fähig soziale Kontakte aufrecht zu halten und das Studium zu verfolgen, was mich um einiges in
meinem Französisch zurück warf. Allerdings habe ich durch den ganzen französischen Ärztemarathon
gekämpft und letztlich viel dazugelernt. Folglich habe ich entschlossen, noch ein Semester zu
verlängern, um noch weiter von der ENS, Frankreich und Paris profitieren zu können.
Alles in allem, war es eine unbezahlbare Erfahrung ein Auslandssemster in Paris zu machen und
unendlich viel auf interkultureller Ebene gelernt zu haben. Für mich als Studentin des Masters
„Intercultural Communication“ – welches jedoch nicht im Curriculum des Masters integriert ist, eine
unabdingbare Erfahrung. So konnte ich dieses Auslandssemster dafür nutzen mein Schulfranzösisch
auszubauen, freundschaftliche und geschäftliche Kontakte zu knüpfen und mein interkulturelles
Wissen durch Selbsterfahrung auszubauen, was unabdingbar für meine Selbstständigkeit als Coach
auf interkultureller Ebene ist.
Zusammenfassend kann ich sagen, die ENS hat in Frankreich einen hoch angesehen Status der den
Franzosen immer ein anerkennendes Staunen bei Erwähnung dieser ins Gesicht zaubert. Allerdings
wird auch dort lediglich mit Wasser gekocht, sodass man sich nicht hinter falscher Erfurcht verstecken
und eingeschüchtert sein muss. Erasmusstudenten sind für die ENS relativ uninteressant und
genießen keine explizite Aufmerksamkeit, sodass man immer etwas außen vor sein wird.
Bonne chance et profitez-en-bien!
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