Liestal (Gemeinde) - Historisches Lexikon der Schweiz

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Liestal (Gemeinde) - Historisches Lexikon der Schweiz
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14/01/2010 |
Liestal (Gemeinde)
Polit. Gem. BL, Hauptort des gleichnamigen Bez. und des Kantons
Basel-Landschaft. Die Altstadt liegt auf einem Felssporn zwischen der
Ergolz und dem Orisbach zwischen Basel und den versch.
Juraübergängen (Hauenstein). Sie weist einen fächerförmigen Grundriss
auf, bestehend aus einer breiten Hauptgasse (Gassenmarkt) und zwei
Nebengassen. Im 18. Jh. entwickelten sich vor dem Unter- und dem
Obertor kleine Vorstädte. Bereits im 17. Jh. entstand an einem Kanal
das Gewerbeviertel Gestadeck. 1225 Liestal. Das früher als
Dieser Artikel wurde
Ersterwähnung genannte Jahr 1189 geht auf eine gefälschte Urkunde
für die Buchausgabe des HLS mit Bildern
zurück. L. ist Sitz der kant. Behörden und erfüllt als Verwaltungs- und
illustriert. Bestellen Sie das HLS bei
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Dienstleistungszentrum sowie als Mittelpunkt des unteren Ergolztals
zentralörtl. Funktionen.
Bevölkerung Liestal
Jahr
Einwohner
1497
450
1680
1 236
1798
1 575
1837
2 642
Jahr
1850
1870b
1888
1900
1910
1930
1950
1970
1990
2000
Einwohner
3 032
3 863
4 850
5 403
6 072
6 698
8 449
12 500
12 853
12 930
5,7%
6,4%
7,1%
6,6%
7,1%
6,6%
7,1%
5,7%
5,2%
5,0%
4 802
5 270
5 866
6 514
8 041
10 125
10 368
10 759
38
65
112
89
126
174
154
122
Italienisch
4
57
78
83
244
1 623
971
660
Andere
6
11
16
12
38
578
1 360
1 389
a
Anteil an Kantonsbevölkerung
Sprache
Deutsch
Französisch
Religion, Konfession
Protestantisch
Katholischc
2 701
3 321
4 001
4 660
5 111
5 613
6 850
7 924
7 030
5 995
331
495
716
691
899
1 010
1 495
4 316
4 039
3 641
57
133
52
62
75
104
260
1 784
3 294
84
52
55
33
24
17
9
8
44
522
699
74
942
1 644
Andere
davon jüdischen Glaubens
davon islamischen Glaubens
d
davon ohne Zugehörigkeit
Nationalität
Schweizer
2 834
3 599
4 443
4 922
5 420
6 158
7 923
9 767
9 882
9 688
Ausländer
198
274
407
481
652
540
526
2 733
2 971
3 242
a
Gebietsstand 2000
b
Einwohner: Wohnbevölkerung; Religion, Nationalität: ortsanwesende Bevölkerung
c
1888-1930 einschliesslich der Christkatholiken; ab 1950 römisch-katholisch
d
zu keiner Konfession oder religiösen Gruppe gehörig
Quellen:Autor; eidg. Volkszählungen
1 - Römische Zeit
In und um L. sind die Überreste mehrerer bedeutender antiker Bauwerke bekannt: Die röm. Villa Munzach,
eine Wasserleitung, Teile einer röm. Strasse, sowie das anstelle des heutigen Kirchhofs zu vermutende
spätröm. Kastell. Die Wasserleitung begann an der Ergolz unterhalb von Lausen und führte in das 6,5 km
entfernt gelegene südl. Stadtgelände von Augusta Raurica (Augst). Sie dürfte im frühen 1. Jh. gebaut worden
und bis ins 3. Jh. funktionstüchtig gewesen sein. Vermutlich bildete sie die Voraussetzung für die Eröffnung
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der sog. Zentralthermen von Augusta Raurica in der 2. Hälfte des 1. Jh. Sichtbar und zugänglich sind Teile der
Leitung an der Heidenlochstrasse und am Oberen Burghaldenweg.
Der Kieskoffer der röm. Strasse wurde an der Burg- sowie an der Langhagstrasse festgestellt. Von hier aus
führt sie Richtung Bad Bubendorf und tritt als leicht überhöhter Feldweg nach dem Steinenbrüggli (Übergang
über die Frenke) in Erscheinung. Ob die Brücke selbst röm. Ursprungs ist, lässt sich heute nicht mehr
ausmachen. Die 1988 neu beurteilten Funde aus der Kirchengrabung von 1948 belegen, dass auf dem Sporn
im Bereich der St. Martin geweihten Stadtkirche (7./8. Jh.) eine röm. Siedlung noch unbekannter Form die
Krisenzeit des späten 3. Jh. überdauert hat. Das annähernd quadrat. Häusergeviert um die Kirche mit seinen
regelmässigen, mittseits liegenden Zugängen erinnert stark an ein kleines, spätröm. Strassenkastell (4. Jh.),
vergleichbar mit jenen in Irgenhausen und Schaan. Eine kontinuierl. Besiedlung seit spätröm. Zeit ist
anzunehmen, kann z.Z. aber noch nicht belegt werden.
Autorin/Autor: Jürg Ewald
2 - Vom Frühmittelalter bis zur Kantonsgründung
2.1 - Bis zum Übergang an die Stadt Basel (1400)
Auf dem Areal des vormaligen röm. Gutshofs Munzach und im Bereich der Stadtkirche und des
Regierungsgebäudes (Geländesporn zwischen Ergolz und Orisbach) müssen sich frühma. Siedlungen
befunden haben. Eine weitere, 1991-92 und 2002 im vorderen Röserntal untersuchte, frühma.
Gewerbesiedlung (Eisenverarbeitung) vermittelt Eindrücke über das Leben im 9. bis 12. Jh.
Wohl in die Zeit vor der ersten urkundl. Erwähnung 1225 reicht die Entstehung des von Gräben umgebenen
Freihofs (curtis) zurück. Dieser dürfte mit der Kirche den Kern gebildet haben, aus dem das Städtchen L.
hervorgegangen ist. Die Lage vor der Gabelung der beiden Hauensteinpässe war von den Stadtgründern
verkehrstechnisch gut gewählt. Der Terrassensporn bot Schutz und ermöglichte ohne besondere Kunstbauten
die Nutzung der Wasserkraft innerhalb der Mauern (Stadtmühle). Unter Gf. Hartmann von Frohburg wurde L.
um 1240 zur Stadt erhoben. Bereits zuvor wurde unweit des Zusammenflusses von Frenke und Ergolz ein
Markt gefördert, der möglicherweise bereits in frühma. Zeit bestanden hatte. Der Flurname Altmarkt erinnert
an diesen Handelsplatz. Im 13. Jh. wurde der Marktplatz von den Gf. von Frohburg in den Bereich der Kirche
St. Martin verlegt, wo sich bereits das Kornhaus befand. Nachdem diese Siedlung bis zur Mitte des 13. Jh.
befestigt worden war, bevorzugte auch die Bevölkerung der nahen Siedlungen Munzach und LausenBettenach den sicheren Platz, was zur Auflassung der beiden Siedlungen führte. Ein Schultheiss ist für L. ab
1277 fassbar. 1275 wird die Siedlung als municipium, 1288 als civitas bezeichnet. Bürger werden die
Bewohner L.s erstmals 1295 genannt.
Bereits um 1265 kam L. an die mit den Frohburgern verwandte jüngere Linie der Homberger, welche 1303 mit
Hermann in der männl. Linie ausstarben. Seine Schwester Ida, Gemahlin des Gf. Friedrich von Toggenburg,
verkaufte L. 1305 an den Bf. von Basel, der den künftigen Schultheissen einsetzte. 1323 verpfändete der
Bischof L. für einige Zeit an Ritter Ulrich von Ramstein und 1374 für ein Jahr an Hzg. Leopold von Österreich.
Kaum war das Städtchen nach dem Erdbeben von 1356 wieder aufgebaut, wurde es 1381 von Letzterem
erobert und niedergebrannt. Die den Bischof ständig drückende Schuldenlast führte 1400 zum Verkauf der
Herrschaften L., Homberg und Waldenburg an die Stadt Basel.
Autorin/Autor: Dominik Wunderlin
2.2 - Reformation und Herrschaftsentwicklung bis 1654
Die neue Herrschaft bezeichnete L. vorübergehend nicht mehr als Stadt, sondern als Schloss. Das
Schultheissenamt wurde fortan durch einen Basler Stadtbürger besetzt. Es kam zu Konflikten mit den Herren
von Basel, weil Männer aus L. auf der Seite der Eidgenossen in der Schlacht bei St. Jakob an der Birs (1444)
und in den Burgunderkriegen (1476, 1477) teilnahmen und im Schwabenkrieg (1499) die in die Schlacht bei
Dornach ziehenden Eidgenossen mit Speis und Trank versorgten. Die Vertreter L.s beschworen Basels
Aufnahme in die Eidgenossenschaft 1501 mit Begeisterung. Ab 1520 wirkte der Leutpriester Stephan Stör in
L., der für eine Glaubenserneuerung eintrat und sich auch im Bauernkrieg von 1525 engagierte. Sein in
reformator. Fragen unentschiedener Nachfolger Johannes Brunwiler wurde mit der Einführung der
Reformation 1529 durch den Basler Rat erster ref. Pfarrer von L. Schon vor der Reformation und bis 1763, also
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zwei Jahre vor dem Abbruch der Pfarrkirche Munzach, wirkte der dortige Geistliche auch als Helfer an der
Stadtkirche von L.
Das Engagement im Bauernkrieg von 1653 führte zu einer bitteren Demütigung: L. wurde von der baselstädt.
Obrigkeit entwaffnet, das Ratssilber beschlagnahmt, das Stadtsiegel zerstört, die Privilegien aufgehoben und
die Bürgerschaft zu gewöhnl. Untertanen degradiert. Für ein Jahr standen L. und die ganze Landschaft im
Ausnahmezustand. Mit der erneuten Huldigung vom Sept. 1654 und der gleichzeitigen Inkraftsetzung der
neuen Landesordnung wurden Ausnahmezustand und militär. Besetzung aufgehoben. Die überarbeitete
Landesordnung trachtete nach Beseitigung oder Einschränkung möglichst vieler alter Sonderrechte. Sichtbar
wurden diese Bemühungen im verschärften Huldigungseid und in der Beschneidung der
Selbstverwaltungsrechte: 20 Jahre lang stand nur noch ein Schultheiss aus Basel an der Spitze, wodurch
dieses Amt zu einer Landvogteistelle wurde. Erst ab 1673 gab es wieder eine zweite Schultheissenstelle, so
dass ein Liestaler und ein Basler das Amt abwechselnd ausübten. Der Liestaler Rat wurde durch ein Gericht
und einen Beisitzer ersetzt.
Die Gründung der ersten Schule dürfte ins 13./14. Jh. zurückgehen, die früheste Quelle stammt allerdings erst
von 1492. Die 1536 zur obrigkeitl. Deputatenschule erhobene Institution leitete bis 1767 der jeweilige Pfarrer
zu Lausen. Ab 1759 erlaubte die Schulordnung für die Landschaft, dass auch Kinder aus Fam. in bescheidenen
wirtschaftl. Verhältnissen die Schule besuchen konnten, weil ihnen das Schulgeld bezahlt wurde. 1820
entstand in L. die erste Realschule auf der Landschaft.
Vermutlich bald nach der Gründung der Stadt L. muss ein Spital in der Nähe des oberen Tores entstanden
sein, das dort bis 1813 betrieben wurde. Ob die Pest, die 1349 auch in L. einige Opfer gefordert hatte, direkt
zur mutmasslich adeligen Stiftung des Siechenhauses (auch unteres Spital genannt) führte, ist unsicher. Das
in der Folge v.a. für die Pflege der Aussätzigen dienende Haus, eine halbe Wegstunde nördlich des Ortes an
der Strasse gegen Basel gelegen, wurde 1766-69 neu gebaut.
Autorin/Autor: Dominik Wunderlin
2.3 - Das Liestaler Handwerk, das Ende des Ancien Régime und die Kantonsteilung
Einzelne Zweige des Landhandwerks dürften sich spätestens ab den 1580er Jahren ämterweise in sog.
Meisterschaften organisiert haben. Im 18. Jh. war in L. ein vielfältiges Gewerbe und Handwerk zu finden, die
beide teilweise vom Durchgangsverkehr lebten. 1774 sind 10 Schneider, 29 Schuhmacher, 3
Handschuhmacher, 7 Strumpfweber, 5 Säckler, 9 Leinen- und 4 Wollweber erwähnt. Wie die 17 Küfer und 6
Drechsler arbeiteten sie nicht nur für den lokalen Bedarf des damals rund 1'500 Einwohner zählenden Orts,
sondern auch für das Umland. Gering war die Anzahl der Bandstühle: 1770 wurden 8, 1786 immerhin 44
gezählt. Die meisten Einwohner betrieben neben einem Gewerbe oder Handwerk auch etwas Landwirtschaft
und Rebbau.
Die kleinstädt. Handwerkerschaft entwickelte sich gegen Ende des Ancien Régime zu einem massgeblichen
polit. Faktor. Sie begann sich im 18. Jh. aus der städt. Zunftordnung zu befreien und wurde eine treibende
Kraft beim Umsturz der alten Ordnung. Eine Gruppe von Liestaler Handwerkern sandte im Juli 1790 eine
Bittschrift nach Basel, in der u.a. die Abschaffung der Leibeigenschaft gefordert wurde. Am 27.12.1790
beschloss der Basler Rat die teilweise Aufhebung der Leibeigenschaft. Am 1.1.1798 nahmen in Basel unter
rund 150 Revolutionsanhängern auch acht Liestaler an der "patriot. Mahlzeit" teil, einer wichtigen Präliminarie
der Basler Revolution. Den von Liestalern ausgearbeiteten "Vier Punkten", worin am 13.1.1798 gleiche Rechte
und Freiheiten für die Landbürger gefordert wurden, stimmten die Gemeindeausschüsse zu. Einige Tage zuvor
war in L. einer der ersten Freiheitsbäume auf Schweizer Boden errichtet worden. Mit der Übergabe der
Freiheitsurkunde am 22. Januar durch eine Basler Delegation in Liestal erlangte die Basler Landschaft als
erstes Untertanengebiet in der Eidgenossenschaft die ersehnte Freiheit und Gleichstellung.
Auch in den Basler Trennungswirren (1830-33) spielte L. die führende Rolle, wobei die Handwerker stark an
der Bewegung beteiligt waren. 1831 wurde in L. die erste provisor. Regierung der Landschaft gebildet. Die
Folge war die Beschiessung und Besetzung L.s durch stadtbasler. Truppen. 1832 wurde die Partialtrennung
beschlossen (Totaltrennung 1833) und der Halbkanton Basel-Landschaft gegründet, L. wurde
Kantonshauptort.
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Autorin/Autor: Dominik Wunderlin
3 - Liestal seit der Kantonsgründung 1833
3.1 - Die politisch-administrative und baugeschichtliche Entwicklung
Die Kanzlei des fünfköpfigen Regierungsrats des neuen Kantons zog in den fortan "Regierungsgebäude"
genannten Komplex beim ehem. Untertor, der 1775-79 an der Stelle des Freihofs und der früheren Stadtburg
(und somit am Ursprung der Stadtanlage) neu gebaut worden war. Der gesetzgebende, zunächst aus 45
Mitgliedern bestehende Landrat tagte zunächst im städt. Rathaus, bis 1837 der Landratsaal im
Regierungsgebäude bezugsbereit war. 1850 erweiterte Hochbauinspektor und Architekt Benedikt Stehle das
Regierungsgebäude, das jahrzehntelang die Kantonalverwaltung, einen Saal sowie Gerichts-, Archiv-,
Bibliotheks- und Museumsräume beherbergte. Mit dem Bau des Kantonsspitals (1852-54, Neubau 1961)
weitab der Altstadt setzte Stehle trotz L.s zaghafter Entwicklung als Hauptort einen neuen monumentalen
Akzent. 1862 wurde die Kaserne in Betrieb genommen. Bis zu ihrer Sanierung 2004 beherbergte sie die
Infanterieschulen, seither die Übermittlungs- und Führungsunterstützungstruppen. L. ist seit 1874 kant.
Waffenplatz.
Für Statthalteramt, Bezirksschreiberei und Bezirksschule erbaute Johannes Bay 1879-81 das Amtshaus, das
als repräsentatives Pendant zum Regierungsgebäude gestaltet wurde. Das 1853-54 von Stehle im Auftrag der
Gem. gebaute Orisschulhaus am Bahnhofplatz diente nach dem Kauf durch den Kanton 1914 als
Gerichtsgebäude, Kantonsbibliothek sowie als Arbeits- und Lehrlingsamt. Der Verwaltungsbezirk an der
Rheinstrasse entstand ab 1950 und vereint die meisten Amtsstellen und Direktionen des Kantons. Die 1864
gegr. Kantonalbank hat ihren Sitz seit 1873 am Anfang der Rheinstrasse; zuvor befand sich der Geschäftssitz
im Regierungsgebäude.
Die Stadtregierung bezog 1939 das neu errichtete Hintergebäude des Rathauses. Eine namhafte Erweiterung
erfolgte 1995 mit dem Bezug der Liegenschaft an der Ecke Salzgasse/Fischmarkt. Die Liestaler Regierung war
bis zu Beginn des 21. Jh. zumeist bürgerlich dominiert. Nur 1987-96 war der Stadtpräsident ein
Sozialdemokrat. 2002 wurde einer Verkleinerung des Stadtrats von sieben auf fünf Sitze zugestimmt. Im 40
Mitglieder umfassenden Einwohnerrat, der als Folge der Gemeindeorganisation von 1972 die
Gemeindeversammlung ersetzt, dominieren die FDP und die SP.
Im Besitz der Bürgergemeinde befinden sich 1'025 ha Wald und weitere Grundflächen. Die Bürgergemeinde
führt ein eigenes Alters- und Pflegeheim und unterhält einen Forstbetrieb. Ihr gehören auch die Domänen
Sichternhof und Talacker.
Autorin/Autor: Dominik Wunderlin
3.2 - Siedlungsentwicklung und Infrastruktur
Bis ins 19. Jh. beschränkte sich das Siedlungsgebiet auf die ma. Stadtanlage und das Gestadeck. An den
Ausfallstrassen vor dem oberen und dem unteren Tor entstanden noch im 18. Jh. einige wenige Bauten, z.B.
das repräsentative Landgut des Basler Indienne-Fabrikanten Samuel Ryhiner (1768). 1827-28 fiel das
Untertor. An der Ausfallstrasse in Richtung Basel sowie vor dem Obertor entstanden in den folgenden
Jahrzehnten die ersten Quartiere ausserhalb der ma. Stadtanlage. Der Bahnbau führte in den 1850er Jahren
zur Entstehung eines Bahnhofsquartiers und hatte gleichzeitig zur Folge, dass die Überlandstrasse zum
Hauenstein massiv an Bedeutung verlor. Neue Wohnquartiere im Süden, Osten und Westen des alten
Zentrums entwickelten sich erst ab ca. 1900 und lagen meist in der Nähe grösserer Produktionsstätten. Nach
1945 wurden der Schleifenberg (Südhang), die gegenüberliegenden Höhen, die Ebenen des vordersten
Frenkentals, des Röserntals und jene nordwärts gegen Frenkendorf und Füllinsdorf überbaut. Seit Ende des
20. Jh. ist der Ort mit den Nachbargemeinden im Ergolztal zusammengewachsen.
1854 erfolgte die Eröffnung der Eisenbahnlinie Basel-L., die 1858 auch Olten und somit das schweiz.
Mittelland erreichte. 1880 entstand die Waldenburgerbahn (1953 elektrifiziert), die als Schmalspurbahn das
Waldenburgertal mit L. verbindet. Der 2001 eröffnete Adlertunnel ist Bestandteil des nationalen Projekts Bahn
2000. L. ist Ausgangspunkt versch. Buslinien, die teilweise zuvor als Pferdepost betrieben worden waren, so
ab 1853 nach Augst bzw. Rheinfelden und ein Jahr später nach Reigoldswil. 1905 wurde die Linie nach
Reigoldswil eröffnet, welche als älteste konzessionierte Automobilverbindung der Schweiz gilt. Das seit 1930
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als Autobus AG Liestal tätige Transportunternehmen betrieb ab 1928 auch eine Linie nach Basel und ab 1976
diejenigen nach Lausen, Frenkendorf und Füllinsdorf.
Obwohl L. an dem ab 1583 bestehenden Postkurs (Fussboten) Basel-Bern lag und am später eingerichteten
Mailänder Kurs, wurde erst in der Helvetik 1799 ein Postbüro eröffnet; es blieb bis zur Kantonstrennung das
einzige auf basellandschaftl. Boden. Das Telegrafenbüro wurde 1853, das Telefon 1884 eingeführt (neun
Abonnenten). Nach den Plänen von Hans Auer entstand 1891-92 beim Bahnhof ein repräsentatives Post- und
Telegrafengebäude (heute Kulturhaus Palazzo).
Seit dem MA versorgte die Oristalquelle alle Brunnen innerhalb der Stadtmauern. Wasserständige
Gewerbebetriebe bezogen ihre Kraft von künstlich angelegten Kanälen, gespiesen von Orisbach, Frenke und
der Ergolz. 1877 wurde die Hauswasserversorgung angelegt. Nachdem eine 1890 durch die Oristalquelle
verursachte Typhusepidemie 21 Todesopfer gefordert hatte, erfolgte die Fassung der Helgenweidquelle bei
Hölstein und ab 1913 die Einrichtung von Grundwasserpumpwerken. Ein städt. Gaswerk war zwischen 1873
und 1926 in Betrieb und sorgte bis 1892 auch für die Strassenbeleuchtung. Ab 1926 bezog L. Gas vom
Gaswerk Basel (heute Erdgas). Am 24.12.1892 leuchteten erstmals elektr. Strassenlaternen; den Strom
lieferten die Kleinkraftwerke einer Tuchfabrik und der Sägemühle. Ab 1900 übernahm die 1898 gegr. Elektra
Baselland das städt. Lichtwerk und damit die Versorgung L.s mit Elektrizität.
Autorin/Autor: Dominik Wunderlin
3.3 - Wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung
Im Niederschönthal, im Grenzgebiet Liestal-Füllinsdorf, wird bereits im 14. Jh. eine Mühle erwähnt. Hier
entwickelte sich am Gewerbekanal ab dem 18. Jh. eine Industriesiedlung mit Drahtzügen, Schmieden,
Giesserei, Eisenkonstruktionswerkstätte, Webereien und Spinnereien mit den dazugehörigen Wohngebäuden.
In L. entstand am gleichen Kanal um 1825 die Färberei, Bleicherei und Walke von Ambrosius Rosenmund (ab
1920 Tuch- und Deckenfabrik Schild AG), an der Frenke ab 1862 die Firma Schwarz (1884 übernommen von
Carl Albert Handschin, später Hanro AG) und im Oristal ab 1826 die von Michael Spinnler gegr. Weberei. Die
Textil- und Bekleidungsindustrie, wozu auch Bandfabriken und mit der 1872 gegr. Firma Köttgen eine frühe
Schuhfabrik der Schweiz zählten, entwickelte sich neben dem Metall- und Maschinenbau zum wichtigsten
Wirtschaftszweig. Die aufkommenden Industriebetriebe veränderten die Beschäftigungsstruktur: Waren die
Einwohner bis anhin v.a. Ackerbauern (mit Obst- und Weinbau), Handwerker und Gastwirte, zählte L. 1878
neun Fabriken mit 325 Arbeitern. Die Stadt blieb bis 1940 der am stärksten industrialisierte Ort im Kanton.
Noch um die Mitte des 20. Jh. arbeiteten mehr als die Hälfte der im 2. Sektor Beschäftigten in der
Bekleidungs- oder Textilindustrie sowie in der Metall- und Maschinenindustrie, u.a. bei der Giesserei
Erzenberg AG (1840), der Giesserei Chrétien (1848), bei der Konrad Peter AG (Landmaschinen und
Kommunalfahrzeuge, 1894) und der Prometheus AG (elektr. Haushaltsgeräte, 1899). Wichtige Arbeitgeber
wurden zudem die chem.-pharmazeut. Betriebe Knoll AG (1893) und CIS AG (1921), die Druckerei Lüdin AG,
Herausgeberin der einzigen Tageszeitung im Kanton ("Basellandschaftliche Zeitung"), die seit Sept. 2006 als
Kopfblatt der "Mittelland Zeitung" erscheint, sowie die 1850 eröffnete Brauerei Ziegelhof, die sich als einzige
mittelständ. Brauerei der Nordwestschweiz ins 21. Jh. retten konnte, aber im Mai 2006 das gesamte
Biergeschäft an die Eichhof Getränke AG Luzern übergab. Veränderte Wirtschaftslagen und
Strukturbereinigungen führten von den 1980er Jahren an zur Schliessung oder Verlegung fast aller der
obgenannten Firmen. Die ausgedehnten Industrieanlagen der Textil-, der Maschinen- und Gerätebauindustrie
wurden umgenutzt oder abgerissen. 2000 war noch knapp ein Drittel der Beschäftigten im 2. Sektor tätig
(1910: 60%).
Ab etwa 1870 hatte L. den Ruf eines Kurorts und war eine beliebte Zwischenstation für Nordeuropäer, die sich
vor der Weiterreise in die Alpen und nach Süden akklimatisieren wollten. Ihnen standen der 1868-69 zum
Solbad ausgebaute Gasthof Falken, das ebenfalls 1869 ausgebaute Bad Schauenburg und Bad Bienenberg
(1875-76) zur Verfügung. Die Blütezeit der Kur- und Solbäder endete in der Zeit um den 1. Weltkrieg.
Autorin/Autor: Dominik Wunderlin
3.4 - Kultur, Bildung, religiöses Leben
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1837 errichtete Basel-Landschaft als einer der ersten Kantone der Schweiz ein eigenes Kantonsmuseum (seit
1982 im ehem. Korn- und Zeughaus). Ein Jahr später wurde die Kantonsbibliothek eröffnet. Sie hat ihren Sitz
seit 2005 im umgebauten Weinlager beim Bahnhof. Die Naturforschende Gesellschaft Baselland wurde 1900,
die Gesellschaft für Baselbieter Heimatforschung (heute Gesellschaft für regionale Kulturgeschichte
Baselland) 1961 ins Leben gerufen. Das 2000 eingerichtete Dichter- und Stadtmuseum präsentiert nebst
zahlreichen stadtgeschichtl. Zeugnissen u.a. Dokumente der mit L. verbundenen Dichter Georg Herwegh,
Josef Viktor Widmann, Carl Spitteler und Hugo Marti.
Seit 1991 besteht das privat geführte Harmonium-Museum. Kulturelle Veranstalter wie z.B. der
Orchesterverein, die Laienbühne oder die Organisation Baselbieter Konzerte finden aufgrund der Konkurrenz
des nahe gelegenen Basel keine idealen Bedingungen vor. Das 1979 gegr. Kulturhaus Palazzo stellt
avantgardist. Kunst aus.
Nach der Kantonstrennung entwickelte sich L. zu einem schul. Zentrum: Die seit 1820 bestehende Realschule
wurde in eine Bezirksschule umgewandelt, 1875 die Gewerbeschule gegründet (heute Gewerblich-industrielle
Berufsfachschule L.), 1896 die Handelsschule KV Baselland, 1963 das erste basellandschaftl. Gymnasium,
1966 das kant. Lehrerseminar (das 2001 in eine Pädagog. Hochschule umgewandelt wurde und seit 2006 Teil
der Pädagog. Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz ist) und im gleichen Jahr die Schule für
psychiatr. Krankenpflege, die ab 1974 Schule für Spitalberufe hiess und seit 2004 als Berufsfachschule
Gesundheit in Münchenstein angesiedelt ist. Seit 1933 ist L. zudem Ausbildungsort der Eidg. Zollverwaltung.
Die ref. Kirchgemeinde ist für die Gläubigen von L. und für jene der Nachbargemeinde Seltisberg zuständig.
1866 erfolgte die Weihe der kath. Kirche (Patrozinium Bruder Klaus), nachdem bereits ab 1835 wieder kath.
Gottesdienste im Chor der ref. Stadtkirche gefeiert und vom Landrat die Kirchgem. L. errichtet worden war,
wurde diese 1853 auch vom Bischof anerkannt. Heute erstreckt sie sich über acht polit. Gemeinden. Der Bau
der jetzigen Kirche erfolgte nach Plänen von Fritz Metzger (Einweihung 1961). Verschiedene weitere christl.
Glaubensgemeinschaften besitzen in L. Gotteshäuser, so die Methodisten (1862) und die
Chrischonagemeinschaft (um 1900). Auch die Heilsarmee ist seit 1888 in L. verankert. Die Mennoniten
betreiben seit 1957 auf dem Bienenberg ihre europ. Bibelschule (heute Tagungs- und Ausbildungszentrum
Bienenberg). Seit 1976 unterhält die islam. Gemeinschaft im Palazzo einen Gebetsraum. Eine jüd. Gemeinde
existierte zwischen 1871 und 1956 (1880 rund 100 Personen). Ab etwa 1900 befand sich das Betlokal im
Obergeschoss des Gasthofs Zur Eintracht. Der nahe Gasthof Falken war bis zum 1. Weltkrieg ein bevorzugter
Ort für festl. Anlässe elsäss. Judenfamilien.
Autorin/Autor: Dominik Wunderlin
Quellen und Literatur
Literatur
– J.J. Brodbeck, Gesch. der Stadt L., 21872
– K. Gauss, Gesch. der Stadt L., 1910
– K. Bütler, Die wirtschaftl. Entwicklung der Stadt L., 1954
– F. Klaus, Heimatkunde von L., 1970
– Kdm BL 2, 1974
– INSA 5
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