Weidenobjekte
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Weidenobjekte
Gestaltung 68 Weidenobjekte FASZINIERENDES FLECHTEN Weidenobjekte werden in Gärten immer beliebter, sei es für Deko-Objekte, Zäune oder Spielhäuschen – Flechtwerkgestalter Simon Mathys über seinen seltenen Beruf und darüber, was es beim Pflanzen und Verflechten von Weiden zu beachten gilt. Schweizer Garten 5/2014 Der erst einjährige Weidenzaun, der als Blickschutz dient, ist bereits grün. K ätzchen ihr der Weide, wie aus grauer Seide, wie aus grauem Samt! O ihr Silberkätzchen, sagt mir doch, ihr Schätzchen, sagt, woher ihr stammt», dichtete einst Christian Morgen stern, über die Flaumbällchen staunend, die auftauchen, wenn noch alles andere im Winterschlaf liegt. V IEL ARBEIT Nicht nur Christian Morgenstern, auch Simon Mathys wurde von der Weide massgeblich beeindruckt. So sehr, dass er sich nach der Schule entschied, eine Lehre als Korb- und Flechtwerkgestalter zu absolvieren. Heute ist der 27-Jährige aufs Flechten von trockenen und lebenden Weidenzäunen und Sichtschutzelementen spezialisiert. Zusammen mit sei- Schweizer Garten 5/2014 LEBENSR AUM FÜR TIERE Anders als das Handwerk ist die Weide selbst nicht vom Aussterben bedroht. Sehr wohl aber ihr Lebensraum. Die meisten Weiden bevor zugen Standorte an Wasserläufen und in Moorgebieten – Landschaften, die in den vergangenen Jahrzehnten fast verschwunden sind. Dabei sind Weiden von unschätz barem Wert für die Artenvielfalt. Weil sie sehr früh blühen, finden Bienen und Wildbienen bei ihnen die erste Nahrung. Weiden werden von über 1000 Insektenarten aufgesucht, darunter zahlreiche Schmetterlingsarten wie der Trauermantel und der Grosse Schillerfalter. Und je hohler und morscher der Baum, desto häufiger dient er als Lebensraum für Vögel und Fledermäuse. Rustikaler Trockenweidenzaun. IN FÜNF JAHREN EIN BAUM Als Pionierpflanzen gehören Weiden zu den ersten Gewächsen, die Gebiete nach Überschwemmungen und Erdrutschen besiedeln. Ausserdem wachsen sie vergleichsweise schnell – ideal für jene Gartenbesitzer, die Aus Weiden können vielerlei Gegestände geflochten werden – hier ein Rankobelisk. Gestaltung ner Partnerin Salome Portmann hat er die Firma Flechtart in Affoltern a. A. gegründet. Auf Anfrage stellen die beiden auch Weidenpavillons, Möbel und Deko- Objekte her. «Das Flechten ist eines der ältesten Handwerke überhaupt und war einst weitverbreitet», so Mathys. Heute, wo vieles aus Kunststoff hergestellt würde, könne man sich kaum noch vorstellen, wie viele Gebrauchsgegenstände früher geflochten worden seien – «und wie viel Arbeit darin steckte». 69 Gestaltung rasch zu einem lichten Schattenplätzchen kommen möchten. «Diese Gehölze haben die geniale Fähigkeit, aus einem einzelnen Trieb innert fünf Jahren zu einem stattlichen Baum heranzuwachsen», erklärt Simon Mathys. Grund genug also, die Weide im heimischen Garten anzusiedeln. Zu mal sich aus ihrer Flechtbarkeit fast grenzenlose Möglichkeiten in der Gestaltung ergeben. 70 TROCKEN ODER LEBEND ? Man unterscheidet dabei zwischen trockenen und lebenden Weiden bauten. Aus trockenen Ruten flechtet man Beetumrandungen, Staudenstützen oder Rankobelisken, etwa für Clematis oder Stangenbohnen. Fortgeschrittene Flechter fertigen Kugeln, Windlichter oder Stuhllehnen an. Das Material erhält man über Gartenbaubetriebe oder städtische Unterhaltsbetriebe. «Manche Gemeinden Arbeiten von Simon Mathys: Stern, Säule und Nest. Alles aus Weide: Rankhilfen für die Bohnen und Einfassungen für die Beete. BUCHTIPP Lebendige Kunstwerke Welche Weidenarten sind zum Flechten am besten geeignet? Wie funktioniert das Ernten, Sortieren und Lagern? Lebendes Weiden material wird zu Tunneln, Tipis, wachsenden Gartenmöbeln oder -lauben verflochten. Aber auch totes Material wird genutzt, um Klettergerüste und geflochtene Zäune herzustellen. Ungewöhnliche Materialien finden Verwendung, der Fantasie und Kreativität sind in der Flechtkunst keine Grenzen gesetzt. Ein Buch für Profi- und Hobbyflechter, Gartenbesitzer und kreative Gärtner. «Weidenflechtwerke»: Marion Fröhlich und Hans-Peter Sturm, gebunden, 155 Seiten, 124 Farbfotos, 162 Farb zeichnungen, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, ISBN 978-3-8001-4895-0, ca. CHF 45.– Simon Mathys und Salome Portmann hinter einem Weidenzaun in Zug. Statt von Buchs ist dieses Blumenbeet von geflochtenen Weidenruten umgeben. bewirtschaften noch Kopfweiden, also Weiden, deren Äste jedes Jahr wieder bis auf den Stamm zurückgeschnitten werden», sagt Simon Mathys. An vielen Orten seien in den vergangenen Jahren Weidenbauten bei Spielplätzen, Schulen oder Badeanstalten erstellt worden. HOCHBE TRIEB IM WINTER Weiden werden nach dem ersten Frost und vor dem neuen Austrieb geschnitten, also noch während der Saftruhe. Für Simon Mathys und Salome Portmann herrscht deshalb im Winter Hochbetrieb. Ihre Trockenzäune und Sichtschutzwände flechten sie oft in eisiger Kälte. «Diese Objekte sind sehr beliebt, da sie natürlich aussehen, keine Pflege brauchen und im Gegensatz zu Hecken oder lebenden Weidenzäunen nur wenig Platz einnehmen», so Mathys. Je nach Witterung halte ein solcher Zaun bis zu zehn Jahre. Als Stützen verankern die beiden Flechter Eisenstangen in den Boden, um die Zaunelemente in kurzer Zeit erneuern zu können. Ihre lebenden Zäune und Weidenobjekte pflanzen und verflechten sie, sobald keine längeren Fröste mehr zu erwarten sind – im Idealfall an einem hellen, feuchten Platz, da die Weiden sonst asymmetrisch wachsen. IGLUS UND SIT ZPL ÄT ZE Je nach Grösse des Objekts werden die noch wurzellosen Ruten zwischen 30 und 80 cm tief eingegraben. Eine Anreicherung des Bodens mit Kompost oder Dünger ist nicht notwendig, im ersten Jahr sollten die Schweizer Garten 5/2014 Triebe aber gut gegossen werden, um das Wurzelwachstum zu fördern. Mit Kokosschnur wird das Grundgerüst aus einzelnen, dickeren Trieben oder ganzen Triebbündeln, sogenannten Bindern, fixiert. Anschliessend können dünnere Triebe eingeflochten werden. So entstehen Weidenzäune, Torbögen, kleine Iglus, Tunnel für Kinder oder grössere Weidenpavillons mit lauschigen Sitzplätzen für die ganze Familie, welche oft bereits im ersten Jahr üppig ausschlagen. MEHR ZEIT IM SOMMER «Um zu verhindern, dass sich das Spielhäuschen in einen Dschungel verwandelt, müssen Weidenobjekte einmal jährlich, am besten im Januar, zurückgeschnitten werden», erklärt Simon Mathys. Weiden bilden übrigens keine Ausläufer. Allerdings muss man, wenn ein Weidenobjekt aufgelöst werden soll, den ganzen Wurzelstock ausgraben, da die Pflanze ansonsten immer wieder nachwächst. Grössere Weidenobjekte sollten wegen ihres erhöhten Nährstoff- und Wasserbedarfs nicht direkt neben einem Gemüsegarten gepflanzt werden. Ende Mai können Simon Mathys und Salome Portmann tief durchatmen. Im zweiten Halbjahr haben sie dann genügend Zeit, um zu reflektieren und neue Pläne zu schmieden. ALTE TECHNIKEN Nicht ohne Grund haben sich die beiden auf Sichtschutz und Zäune spezialisiert. «Unser Handwerk ist enorm vielfältig», freut sich Salome Portmann. «Aber damit wir mit Gestaltung nserem seltenen Beruf überleben u können, müssen wir eine Nische besetzen und darin innovativ bleiben.» In Zukunft möchten die beiden deshalb versuchen, alte Flechttechniken neu zu interpretieren und auch grössere Objekte, etwa Verkehrskreisel, zu erarbeiten. Auch mit anderen Materialien wollen sie experimentieren. Die Weide aber wird auch zukünftig massgeblicher Bestandteil ihrer Arbeiten bleiben. 71 Sandra Weber (Text) Sandra Weber, Carmen Siegrist (Bilder) Ein sogenanntes Weidenauge: kunstvoller Zierknoten an der Lehne des Gartenstuhls. Flechten ohne Grenzen Simon Mathys und Salome Portmann experimentieren, entwickeln, entwerfen und probieren, denn das Gestalten mit Weiden kennt keine Grenzen. Vom grossen, stabilen Bauwerk bis hin zum feinen, filigranen Geflecht, von Dekorationen, Möbeln und Lampen bis hin zu überdimensionalen Wand installationen und Kunstobjekten ist alles möglich. Dies hat auch die Jury der Gartenmesse Giardina beeindruckt, die die Firma Flechtart mit dem «Giardina Award Gold» in der Kategorie bis 40 m2 prämierte. Kontakt: Flechtart GmbH, Telefon 043 817 15 49 und www.flechtart.ch