Nanjing University, 2013-14

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Nanjing University, 2013-14
Erfahrungsbericht
Name:
Austauschjahr:
Gastuniversität:
Stadt:
Land:
Sven
2013/14
Nanjing University
Nanjing
China, VR
Aus Spam-Schutzgründen wird die E-Mail-Adresse nicht im Internet veröffentlicht, kann aber im
Akademischen Auslandsamt erfragt werden.
Bewerbung beim Akademischen Auslandsamt
Beim AAA kann man sich relativ unkompliziert bewerben. Wichtig ist, dass die Bewerbung rechtzeitig
und vollständig ankommt. Das erfordert vorab einige Wochen Vorbereitung, um alles erledigen und
klären zu können. Die Info-Veranstaltung des AAA zur Bewerbung lohnt sich ebenfalls, da dort die
Personen, die über die Bewerbung entscheiden werden, bereits einige persönliche Kriterien offenbaren und gute Tipps geben. Beim anschließenden Bewerbungsgespräch sollte man neben der Erläuterung der eigenen Pläne und Gedanken auch auf Fragen zur zukünftigen Rolle als Repräsentant
Deutschlands bzw. der Uni im Ausland oder spontanen Wechsel ins Englische vorbereitet sein. Das
Wichtigste für schriftliche Bewerbung und Vorstellungsgespräch sind jedoch konkrete Planungen.
Versetzt euch so genau wie möglich in eure Situation im Ausland hinein und recherchiert im Vorhinein all die organisatorischen Kleinigkeiten, die eventuell Probleme machen könnten, z.B. zu belegende Kurse, Bedingungen von Heimat- und Gastuni, Wohnungssituation, Sprachkurse, Einreiseformalitäten, kulturelle Differenzen etc.
Wohnung
Nach den Formalitäten der Uni in Deutschland und China und dem Beantragen des Visums ist die
Wohnungssuche der nächste wichtige Schritt. Um es gleich vorwegzunehmen, es ist nicht schwer,
eine Wohnung außerhalb des Uni-Wohnheims zu finden, braucht aber manchmal etwas Ausdauer.
Ich kann es trotzdem nur empfehlen, denn Atmosphäre und Preis-Leistungsverhältnis sind um Klassen besser als im Wohnheim. Bei mir hat es über das Forum „Hello Nanjing“ (www.hellonanjing.net)
geklappt, eine WG zu finden – dort gibt es auch immer gute Möglichkeiten, mit anderen Ausländern
oder aufgeschlossenen jungen Chinesen in Kontakt zu kommen. Falls das nichts wird, gibt es auch
noch unzählige Agenturen wie z.B. 我爱我家 / Wo Ai Wo Jia, die man an jeder Straßenecke findet
und die immer eine Menge Wohnungen im Angebot haben. Meistens zeigen sie allerdings erst einige
sehr schlechte Wohnungen, damit man – entnervt und müde – bei der etwas besseren, die dann
folgt, ohne großes Verhandeln zuschlägt. Geduld zahlt sich hier aus! Grundsätzlich sollte man nie
zusagen, ohne die Wohnung gesehen zu haben. Es ist kein Problem, innerhalb von ein bis zwei Wochen vor Ort etwas zu finden. Als vorübergehende Bleibe bietet sich das gemütliche Jasmine Hostel
(Adresse: 合群新村 7 号,近上海路 / He Qun Xin Cun 7, nahe Shanghai Road) an.
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Ankunft
Man kann aktuell per Direktflug von Frankfurt in Nanjing ankommen und dann mit der Metro in die
Stadt fahren (neu eröffnet im Juli 2014) oder z.B. aus Shanghai mit dem Zug nach Nanjing fahren.
Flüge nach Shanghai sind oft günstiger, die Reise dann aber auch etwas umständlicher. Zum Benutzen der Züge gibt es im Kapitel „Reisen“ weitere Infos. Zu den wichtigen Formalitäten nach der Einreise muss man sich die Informationen oft bei der Uni oder im Internet selbst zusammensuchen,
allerdings immer aktuell – während meines Aufenthalts haben sich die Bestimmungen für Ausländer
schon mehrfach geändert.
Alltag
Was die Umgebung der Uni betrifft, ist eigentlich alles da. Alle Standardkurse finden auf dem GulouCampus statt, fast unmittelbar im Stadtzentrum gelegen. Die alltäglich notwendigen Dinge, Geld abheben, Einkaufen etc. erledigen sich fast von selbst, so dicht liegt alles zusammen. Falls es etwas
Europäisches sein soll, gibt es im 德基广场 / Deji Plaza nahe 新街口/ Xinjiekou / Stadtzentrum im
Untergeschoss einen großen europäischen Supermarkt. Insbesondere bei ausgefallenen Kochzutaten
wie Sahne, Käse etc. wird man hier fündig. Alternativen sind auch einige Carrefours oder für größere
Eirichtungsgegenstände IKEA.
Das öffentliche Nahverkehrsnetz ist sehr gut und günstig. Mit Metro (5 Linien, 2 bis 5 RMB) und Bus
kommt man überall hin – vor allem Chinesisch-Anfänger sollten beim Busfahren z.B. den GoogleMaps-Routenplaner benutzen, um die richtige Haltestelle nicht zu verpassen (sehr praktisch mit Anzeige aller Stationen etc.). Die Ansagen und Schilder in der Metro sind dagegen vollständig auf Englisch übersetzt. Nachts und für abgelegenere Orte bieten sich die vielen und günstigen Taxis an, etwas Ausdauer und Einsatz beim Taxi anhalten vorausgesetzt (ab 11 RMB für die ersten Kilometer).
Zum Essen ist nur zu sagen: Probiert alles aus! Es ist vieles unglaublich lecker – meistens genau da,
wo es für europäische Augen so gar nicht danach aussieht. Sogar für mich als Vegetarier gab es nie
Probleme. Bestellen kann man zu Beginn mit Händen und Füßen oder auch persönlich in der Vorratskammer…
Es gibt viele Sportmöglichkeiten, schon an der Uni, aber auch in vielen Fitnessstudios oder Vereinen
außerhalb. Von Schwimmen über Basketball oder Fußball bis zu Yoga und Zumba ist alles dabei. Anmelden zum Uni-Sport kann man sich hinter dem Uni-Sportplatz in dem Gebäude, wo auch das UniSchwimmbad ist.
Zum Feiern gibt es nicht allzu viel Auswahl. Nach dem Besuch einer Bar geht es meistens in einen der
Clubs des Viertels „1912“ (1912 商业街,近太平北路和长江后街的路口 / 1912, nahe Kreuzung
Taiping North Road und Lower Changjiang Street).
Einleben in eine fremde Kultur
Das Wichtigste gleich vorweg: Sie sind eigentlich genau wie wir! Sie haben die gleichen Probleme und
Gefühle und es gibt genauso sympathische und unsympathische, lustige und nervige Leute. Sie haben
eben etwas andere Gewohnheiten, die man aber nach einiger Zeit so verstehen oder sogar übernehmen kann, dass am Ende des Aufenthalts im Alltag nichts mehr fremd scheint.
Anfangs kommt man natürlich ab und zu in Situationen, die einem merkwürdig erscheinen. Ohne
Erfahrungswerte ist es dann schwer zu beurteilen, welche Aktionen des Gegenübers besonders sind
und welche normal und alltäglich – wann also vielleicht die eigene Unkenntnis schamlos ausgenutzt
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wird und wann man besser aus Respekt vor einer unbekannten Tradition schweigen sollte. Im Zweifelsfall ist meiner Meinung nach Zurückhaltung die bessere Wahl.
Eines habe ich leider immer wieder beobachtet: Manche Europäer schauen auf China bzw. „die Chinesen“ herab. Und das spürt das Gegenüber natürlich sofort, auch ohne gemeinsame Sprache. Ein
guter Leitfaden ist, glaube ich, das Sprichwort „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.“ Welche Erfahrungen man macht, liegt in erster Linie an einem selbst.
Trotz besten Integrationswillens muss man allerdings Eines akzeptieren: Anders als in Europa oder
den USA sind wir Europäer in China schon wegen unseres Äußeren klar als Ausländer zu erkennen.
Und das wird sich trotz beliebig langer Zeit in China, trotz besten Sprachniveaus und kulturellen Wissens nicht ändern. Immer wieder wird man auf der Straße neugierig angeschaut oder angesprochen
und oft kann man in nächster Nähe haarsträubende Unterhaltungen über 老外 (Lao Wai / ugs. für
Nicht-Chinesen) mithören. Das Wissen über Ausländer ist in China geschichtlich und politisch bedingt
noch geringer als bei uns. Jeder Auslandsaufenthalt trägt da zum kulturellen Austausch bei, kann auf
beiden Seiten Interesse wecken und Vorurteile entkräften.
Universität (Sprachkurs)
Der Sprachkurs der Universität Nanjing ist gut. Es gibt verpflichtende Sprachmodule vormittags (8-12
Uhr) und Wahlmodule nachmittags (z.B. Kalligrafie, chinesische Malkunst, Konfuzianismus etc.).
Wichtig zu wissen ist, dass es anfangs eine Einstufungsprüfung gibt, deren Ergebnis allerdings entgegen vorheriger Behauptungen der Uni nicht bindend ist. In den ersten Wochen kann man alle Kursniveaus ausprobieren und sich eine Klasse aussuchen. Es gibt folgende Schwierigkeitsgrade, sortiert
von leicht nach schwer: 初 / Chu / Anfänger, 中 / Zhong / Fortgeschritten, 高 / Gao / Profi und 文化 /
Wenhua / Kultur. Jeder Schwierigkeitsgrad ist nochmals unterteilt in Niveau 上 / Shang / 1 und 下 /
Xia / 2. Traut euch da ruhig etwas mehr zu, auch, wenn ihr den Lehrer erst kaum versteht – der Fortschritt in den ersten Wochen ist enorm! Falls man zwei Semester bleibt, sollte man nach den Semesterferien ein Niveau überspringen, sonst wird es langweilig. Die Niveaus sind nicht als aufeinanderfolgendes Lernprogramm gedacht! Die Vorlesungszeiten des Sprachkurses gingen dieses Jahr von
Anfang September bis kurz vor Weihnachten und von Mitte Februar bis Mitte Juni.
Das Wichtigste für die Verbesserung Aussprache ist ein Sprachpartner. Es gibt nur diesen einen Weg,
die verschiedenen Töne und Laute irgendwann zu beherrschen, denn im Unterricht kommt man immer nur kurz zu Wort und wird oft gar nicht korrigiert. Bittet euren Sprachpartner um explizite Korrekturen, denn sonst gibt es aus Höflichkeit nur Lob und keine Verbesserungen. Zum Knüpfen von
Kontakten gibt es die Möglichkeit, im Goethe-Institut (Deutschkurse für Chinesen), direkt gegenüber
des Wohnheims auf der anderen Seite der 上海路 / Shanghai Road einen Zettel aufzuhängen oder
auch im Internet zu suchen (z.B. im Forum „Hello Nanjing“, s.o.)
Um einen Sprachnachweis mit nach Hause zu bringen, bietet sich der staatliche HSK-Test an. Es gibt
sechs HSK-Niveaus. Nach 初下 / Chu Xia / Anfänger 2 ist HSK 4, nach 中下 / Zhong Xia / Fortgeschritten 2 auch HSK 5 zu schaffen. Anmelden kann man sich online (http://www.chinesetest.cn). Der Test
kann jeden Monat wiederholt werden und ein Versuch kostet ca. 500 RMB. Das Wichtigste in der
Vorbereitung sind die Vokabellisten, die jedes Jahr online veröffentlicht werden.
Krankheit
Es gibt in China kein Hausärztenetz – wenn man zum Arzt muss, geht man ins Krankenhaus. Bei Lappalien ist die Behandlung z.B. im Gulou-Krankenhaus neben dem Uni-Campus problemlos und zuverlässig. Alternativ gibt es auch ein internationales Ärztehaus (国际 SOS, 中山东路 319 号 / Interna-
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tional SOS Nanjing Clinic, 319 East Zhongshan Road) mit englischsprachigen Ärzten aus dem Ausland,
allerdings ohne stationäre Aufnahme. Im Falle von kritischen Beschwerden hat sich bei einer guten
Freundin gezeigt, dass man sich am besten gleich von dort in die BenQ-Klinik (竹园路 181 号,近玉
山路站,2 号出口 / 181 Zhuyuan Road, nahe Metrostation Yushanlu, Ausgang 2) einweisen lässt,
die deutlich verlässlicher ist als das Gulou-Krankenhaus.
Reisen
Zug: Verbindungen und Preise kann man online abrufen, z.B. sogar in englischer Sprache auf
http://www.travelchinaguide.com/china-trains. Buchen kann man am Bahnhof, online mit chinesischem Bankkonto, an vielen kleinen (offiziellen) Schaltern an der Straße (z.B. schräg gegenüber des
Wohnheims auf der anderen Seite der 上海路 / Shanghai Road) oder auch auf Englisch im Reisebüro,
z.B. im EG des Wohnheims. Buchen kann man immer nur für die nächsten Wochen, die genaue Frist
kann sich spontan ändern. Vor der Abfahrt sollte man etwas mehr Zeit einplanen als in Europa, denn
die Abfertigung an großen Bahnhöfen ähnelt der am Flughafen, Schlangen am Sicherheitsscheck etc.
inklusive. Es gibt zwei weitgehend getrennte Eisenbahnnetze in China, die traditionellen, langsamen
Verbindungen (T, Z, K, Y, N, L) und die Hochgeschwindigkeitszüge (D, G, C). Letztere sind mit dem
deutschen ICE zu vergleichen und verbinden vor allem die großen Städte im Osten. Das Netz wird
ständig ausgebaut und ist schon jetzt das größte der Welt. Aber auch die Fahrt mit den traditionellen
Zügen gehört zu jedem China-Erlebnis unbedingt dazu. Man kann wählen zwischen 软卧 / Ruan Wo /
Soft Sleeper, 硬卧 / Ying Wo / Hard Sleeper, 硬座 / Ying Zuo / Hard Seat oder 无座 / Wu Zuo / No
Seat. Bei Nachtfahrten kann man, falls nötig, Essen im Zug kaufen, auf jeden Fall gehören Ohrenstöpsel ins Gepäck. So kommt man günstig durch das ganze Land, Fahrzeiten können gut und gerne 20 bis
40 Stunden betragen.
Bus: Wo es keine Eisenbahn gibt, da gibt es in China mit Sicherheit einen Überlandbus. Für Reisen in
abgelegenere Gebiete ist das die beste Art zu reisen. Die Preise sind vergleichbar mit ähnlichen Strecken in den traditionellen Zügen. Wo es Busverbindungen gibt, findet man am besten im Internet
heraus. Es gibt aktuell noch keinen gesammelten Busfahrplan im Netz, sodass meistens der schnellste
Weg zum Ziel eine Suchanfrage bei Baidu, dem chinesischen Google (http://www.baidu.com) ist – z.B.
für eine Reise von A nach B mit dem Schema: 从 A 到 B 的汽车 / Cong A Dao B De Qiche / Bus von A
nach B. Die Suchergebnisse sind meistens schon mit ersten Chinesischkenntnissen zu verstehen. Besonders an den (in ganz China gleichen) Feiertagen mit entsprechendem Reiseverkehr weiß man zu
schätzen, dass Busse im Gegensatz zu Zügen nur wenige Tage vorher gebucht werden können. Wer
einige Stunden vor Abfahrt vor Ort ist, ergattert fast mit Sicherheit noch ein Ticket. Die Fahrten dauern angesichts der Entfernungen in China oft den ganzen Tag und im Gegensatz zu den pünktlichen
Zügen sind Busse oft mehrere Stunden verspätet. Man sollte an genügend Proviant für die doppelte
der geplanten Fahrzeit denken.
Flugzeug: Die Preise für Flugtickets sind in China ungefähr so hoch wie bei uns und deswegen für
China eher teuer. Buchen kann man z.B. über Ctrip (http://english.ctrip.com).
Unterkunft: Auf Reisen ist die Suche nach Unterkünften normalerweise problemlos. Oft gibt es internationale Hostels mit englischsprachigem Service (http://www.hostelworld.com) aber auch ein Spaziergang durch die Umgebung führt fast immer in kürzester Zeit zu einem 宾馆 / Bin Guan / Gasthaus
mit freien und oft akzeptablen Zimmern. Für ca. 50 RMB pro Person und Nacht findet man bereits
Unterkünfte auf dem Niveau deutscher Jugendherbergen.
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