Anthonis van Dyck (1599 - 1641) Susanna im Bade um 1622/23

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Anthonis van Dyck (1599 - 1641) Susanna im Bade um 1622/23
Anthonis van Dyck (1599 - 1641)
Susanna im Bade
um 1622/23
Leinwand, 194 x 144 cm
München, Alte Pinakothek
Die Geschichte Susannas stammt aus dem Alten Testament. Im Buch Daniel 13, 1 64 wird erzählt, wie die schöne und gottesfürchtige Susanna, die Gemahlin von
Jojakim, beim Bad im Garten von zwei lüsternen alten Richtern bedrängt wird. Als
Folge ihrer Weigerung, sich den beiden hinzugeben, wird sie von ihnen des
Ehebruchs beschuldigt und zum Tod verurteilt. Erst durch das Eingreifen des jungen
Daniels wird die Schuld der Richter offenbar.
Van Dyck zeigt uns den dramatischen Höhepunkt der Geschichte: Als nun die
Mädchen sich entfernt, erhoben sich die Ältesten und liefen zu ihr hin und sagten:
„Das Gartentor ist abgeschlossen. Niemand sieht uns; wir sind voll Gier nach dir.
Ergib dich uns! Verkehre mit uns! Willst du das aber nicht, dann zeugen wir so gegen
dich, es sei ein junger Mann bei dir gewesen; du habest nur deshalb die Mädchen
von dir fortgeschickt.“ Auf überzeugende Weise gestaltet der flämische Maler die Not
Susannas. So versucht die entblösste und wehrlose Frau in grösster Bedrängnis ihre
Nacktheit zu verdecken, während die Richter mit Worten und Gebärden auf sie
eindringen. Eingeklemmt zwischen dem Amorbrunnen und der dunklen Masse der
Männer scheint es keinen Ausweg für sie zu geben.
Seit dem 16. Jh. bildeten sich zwei Szenen zu diesem Thema heraus: Susanna als
weibliche Schönheit im Einklang mit sich und der Natur und die beiden Alten als
versteckte Beobachter.
Diese eher lyrische Auffassungsweise zeigt deutlich das Bild des holländischen
Malers Jan Both (um 1618 - 1652), auch wenn durch die Lichtführung die beiden
Alten im Hintergrund in eine Verbindung zur ganz mit sich selbst beschäftigten
Susanna gebracht werden.
Die zweite Variante der bedrängten Susanna wurde wegen ihres dramatischen
Gehaltes von vielen Künstlern vorgezogen. Artemisia Gentileschis frühreifes
Meisterwerk, das sie als Siebzehnjährige 1610 geschaffen hat, zeigt wie bei van
Dyck die Verzweiflung Susannas. Abscheu und Angst drückt ihre abweisende
Körpergebärde aus, die trotz theatralischer Pose den dramatischen Moment gut
erfasst.
Ganz anders arbeitet der manieristische Künstler Alessandro Allori. Trotz der
skrupellosen Berührungen der beiden Alten ist nicht eine wirkliche Angst auf dem
Gesicht Susannas spürbar. Vielmehr steht im Zentrum des Bildes der hell
leuchtende, leicht verdrehte Frauenakt; ein Objekt der Begierde für die beiden
Ältesten im Bild als auch für den geniessenden (männlichen) Betrachter davor. Die
fehlende, nicht angestrebte seelische Ergründung der Situation als auch die
emailhafte, leuchtende Farbbehandlung sind typisch für viele manieristische Künstler.
Wieder anders fasst Lorenzo Lotto das Thema 1517 auf. Im durch eine Mauer
bühnenartig abgeschlossenen Vordergrund sieht man Susanna mit abwehrender
Geste, während die beiden Richter nach weiteren Personen rufen, um den
vermeintlichen Ehebruch bekanntzugeben. Im Vergleich zum barocken Naturalismus
wirken hier die Gebärden der drei Hauptfiguren rhetorisch, wozu auch die
altertümlichen Schriftbänder passen.
Mehr zu diesen Gemälden erfahren Sie im Seminar 6, das nach den Sommerferien
im August 2006 beginnt.