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Titel kinderstars Die Stunde der Wahrheit: Wer die erste Runde in Genf überstanden hat, steht jetzt im Dorfkino von Verbier VS vor der Kamera. Erst danach fällt der Entscheid. Mein Kind ist das schönste! 8 SonntagsBlick magazin Welches Mädchen träumt nicht von schönen Kleidern und einer Karriere im Rampenlicht? Beim grössten Casting für Kindermodels in der Schweiz versuchten 1750 Kinder vom Baby bis zum Teenager ihr Glück. Und manche Eltern holen ihre einstigen Träume nach. Text: Christian Maurer Fotos: Franca Pedrazzetti SonntagsBlick magazin 9 Titel Kinderstars « Ig ha bim Mami scho chli müesse ga müede, bis äs mi äntlech aagmäudet hät.» Cécile Vu (10) I ch bin so enttäuscht», sagt Kata rina Hofstetter aus Zürich. Man sieht es ihr an. Ihre zweijährige Tochter Lara hat sich in der letz ten Etappe des Castings für Kindermodels an die Mama geklammert, statt die Jurymitglie der anzulächeln. Damit, das weiss jede ambi tionierte Mutter, ist der Fall gelaufen – das Fotoshooting in Marokko und die Bilder von ihrem Kind im Kindermodemagazin «Babybook» kann sie vergessen. Der weite Weg nach Verbier VS und das ewige Warten den ganzen Tag über haben sich nicht gelohnt. Dem kleinen Mädchen mit dem wuscheligen Lockenkopf ist es offenbar herzlich egal. Kaum ist der Jurytermin vor bei, strahlt es wieder breit über beide Backen. Nur zehn Kinder, vom Baby bis zu Zwölfjährigen, werden an diesem Wochen ende im tiefverschneiten Walliser Nobel skiort aus 150 Finalisten des europaweit grössten Kindercastings ausgewählt. Aus gerechnet in Verbier, beliebter Skiort der Schönen und Reichen. Der britische Schmu sesänger James Blunt wohnt und wirtet hier, die US-Rockröhre Diana Ross ist Patin der Jumbo-Gondelbahn, und Lady Di kam schon zum Skifahren hierher, als sie noch Spencer hiess und nicht die Princess of Wales war. Ein bisschen vom Glamour des inter 10 SonntagsBlick magazin «Mach mir die Haare schön» – mehr ist nicht erlaubt, schon gar kein Make-up. Cécile aus Bern lässt sich den letzten Schliff geben. nationalen Jetsets soll auf die Gross- veranstaltung abfärben. Ursprünglich hatten sich über 7000 El tern mit Kindern für den grössten KinderModelwettbewerb interessiert. 1750 Kinder durften im vergangenen November zur Vorausscheidung im Genfer Messezentrum Palexpo antraben. Wer diese Runde über standen hat, ist jetzt im Dorfkino von Ver bier und wartet: am Vormittag auf den Foto termin in einer der vier Fotostationen auf der Bühne. Am Nachmittag auf den Auftritt vor der Jury, die letzten Endes über Sein oder Nichtsein als Neo-Fotomodell entscheidet. Die zehn glücklichen Auserwählten dür fen im März mit einem Elternteil für fünf Tage nach Marrakesch fliegen und dort im gesponserten Ferienambiente von Club Med für Modefotos posieren – in Kleidern, die ihnen ihre Eltern wohl nie bezahlen könnten: Dior, Armani, Gaultier, Hermès, Gucci – kaum ein grosser Couturier oder Designer, der nicht eine eigene Linie für Kinder kreiert hat. Für Kinder, die wie k leine Erwachsene aussehen. Doch der Weg dahin ist lang. Und auf wendig. 50 Franken kostet allein schon die Einschreibung zum Wettbewerb. Dazu kommen die Reisen an die Fotosessions, zu erst nach Genf, dann ins Wallis. Hier noch eine oder zwei Hotelübernachtungen, weil Chiara aus Neudorf LU: Immer schön in die Kamera gucken und lächeln – auch wenn die Pose mit der Zeit an den Muskeln zerrt. sonst der Aufnahmetermin am Samstag vormittag nicht einzuhalten wäre – und nach der Bekanntgabe der Sieger am Abend kein Zug mehr in die Deutschschweiz fährt. «Für uns ist es ein Familienausflug», sagt Loredana Bernardo, die mit dem 15 Mona te alten Gabriel aus der Region Zürich an gereist ist. «Wir geniessen einen Frauenaus flug», lacht Xuan Lan Vu Nguyen aus Bern. Sie und ihre ältere Tochter begleiten Nest häkchen Cécile, eine quirlige Zehnjährige mit fröhlichen Mandelaugen. Nach ihrem Auftritt hat Präsident Em manuel de Brantes seinem Jury-Kollegen Oli vier Ribardière verschwörerisch zugenickt. Als wollte er sagen: Die nehmen wir. De Brantes fragte die Mutter sogar, ob ihre Toch ter fürs Shooting im März in der Schule feh len könnte. Signifikant, weil eigentlich über flüssig, denn die Eltern mussten bereits im Voraus versprechen, dass sie ihre Kinder ge gebenenfalls aus der Schule nehmen würden. Fotograf R ibardière hat Cécile nach dem Vorsprechen geknipst – das tut er nur bei jenen, die für ihn in die ganz enge Auswahl kommen. «Etwa 20 Mädchen und Buben habe ich mir so notiert», wird er später sagen. Ribardières Wort gilt mehr als das der ande ren Jury-Mitglieder. Ohne sein Okay wird keines der Kinder unter den zehn Siegern sein. Gegen seinen Willen auch nicht. Schliesslich muss er dann in Marokko mit den Nachwuchsmodels, die ausser bei diesem Casting meist noch nie vor einer Kamera gestanden haben, die Modefotos fürs «Babybook»-Magazin machen. Darum reicht ihm ein schönes Gesicht allein nicht. Er will Charakter, Persönlichkeit, fotogene Präsenz, sagt er. Aber Mini-Zicken kann er zum Arbeiten nicht gebrauchen, kleine Diven auch nicht. Ungeduldige fallen raus, ebenso Grossmäuler, allzu Schüchterne, Heulsusen und unfolgsame Rebellen. Sowie alle jene Kinder, bei denen nicht sie s elber, sondern die Mutter die t reibende Kraft für die Teilnahme war. Diese letzte Anforderung hat Cécile allerdings spielend erfüllt. «Ig ha bim Mami scho chli müesse ga müede, bis äs mi äntlech aagmäudet hät», sagt das kecke Mädchen mit vietnamesischen Wurzeln in breitestem Berndeutsch. Die Mutter lächelt dazu. «Man muss sich doch schon fragen, ob so ein C asting eine gute Idee ist», erklärt sie Das sagt das Gesetz zu Kinderarbeit Für Babys, Kinder und Jugendliche gilt ein besonderer Arbeitsschutz. Arbeitsrechtlich als «jugendlich» gelten Mädchen und Buben ab der Geburt bis zum 18. Geburtstag. Das sagt die Jugendarbeitsschutzverordnung: Art. 7 Kulturelle, künstlerische und sportliche Darbietungen sowie Werbung 1 Jugendliche dürfen für kulturelle, künstlerische und sportliche Tätigkeiten sowie zu Werbezwecken im Rahmen von Radio-, Fernseh-, Film- und Fotoaufnahmen und bei kulturellen Anlässen wie Theater-, Zirkusoder Musikaufführungen, einschliesslich Proben, sowie bei Sportanlässen beschäftigt werden, sofern die Tätigkeit keinen negativen Einfluss auf die Gesundheit, die Sicherheit sowie die physische und psychische Entwicklung der Jugendlichen hat und die Tätigkeit weder den Schulbesuch noch die Schulleistung beeinträchtigt. 2 Die Beschäftigung von Jugendlichen unter 15 Jahren für Tätigkeiten nach Absatz 1 muss den zuständigen kantonalen Behörden 14 Tage vor deren Aufnahme angezeigt werden. Ohne Gegenbericht innert 10 Tagen ist die Beschäftigung zulässig.» Das heisst beim Fotoshooting: Kinder bis 13 Jahre maximal 3 Stunden pro Tag an höchstens 3 Tagen pro Woche. Titel Kinderstars «Wer die Chance hat, soll sie packen!» Das ABC der Model-Welt Agenturprovision: Gebühr für die Vermittlung des Models an den Kunden, die die Agentur berechnet und für sich einnimmt. Book (auch Portfolio): Fotomappe, mit der sich die Models bei Agenturen, Fotografen oder Castings vorstellen. Eine nicht zu grosse Auswahl der besten und professionellsten Fotos oder Arbeitsbelege (Cover, Zeitungsausschnitte). Booker: Sie arbeiten bei Modelagenturen oder bei Zeitschriften und vermitteln bzw. buchen Models für Produktionen. Casting: Termin, bei dem sich meist mehrere Models mit ihren Fotomappen bei einem Kunden vorstellen. Der Auftraggeber vergibt dann den ausgeschriebenen Job. Composite: Gedruckte Fotokarte eines Models, meistens im A5-Format. Porträtfoto auf Vorderseite, 3 bis 4 Fotos auf der Rückseite mit den Massen. Wichtig zum Verschicken an Kunden (Fotografen, Agenturen). Contest: Nachwuchswettbewerb für Mädchen und Jungen, die gerne Model werden möchten. Go-See: Sich bei Kunden, Fotografen, Agenturen zeigen – zur Kontaktpflege. Honorar: Ist vom Auftrag und der Dauer abhängig. Richtwerte für Werbeaufnahmen laut Elite-Modelkids: Für die erste Stunde 100 Euro, jede weitere Stunde 50 Euro, ein ganzer Tag (8 Stunden) 400 Euro. New Faces: Neu entdeckte Models, die am Anfang ihrer Karriere stehen. Option: Verbindliche Reservation eines Models. Kann bis kurz vor dem Auftragstermin vom Kunden kostenlos annulliert werden. Posing: Posieren für die Kamera oder vor Publikum. Freies Posing (nach eigenen Ideen) oder Posing nach Anweisungen. Set: Ort der Foto-/Filmproduktion. Scout: Talentsucher, der nach neuen Models sucht und passende Menschen anspricht, oft im festen Auftrag einer Agentur. Shooting: Die eigentliche Fotoproduktion. Testshooting: Fotoarbeiten ohne Auftrag. Für alle Beteiligten (Fotograf, Stylist, Visagist und Model) interessant, um neue Fotos für die Mappe zu bekommen. X-Factor: Das gewisse Etwas, das Top- Models von guten unterscheidet: Ausstrahlung, Persönlichkeit, Fotogenität und Charisma. 12 SonntagsBlick magazin Ursula Knecht ist die Doyenne des Modelbusiness in der Schweiz. Sie hat unzählige Mädchen von hier aus in den Orbit des internationalen Modebusiness geschickt. U rsula Knecht leitet die Schweizer Modelagentur Option und den Nach wuchswettbewerb Elite Model Look. Sie entdeckte die Stars Sarina Arnold, Nadine Strittmatter, Julia Saner, Ronja Furrer und Lejla Hodzic. Ursula Knecht, was braucht es ausser Schönheit und Charisma, um Model zu werden? Ganz wichtig ist die Grösse. Mindestens 1 Meter 75, höchstens 1,82. Ideal ist zwischen 1,78 und 1,80. «Gugus – dada!» Noch nicht einmal ein Jahr alt, aber vif wie ein alter Profi. Ömer aus Biel wacht immer genau dann auf, wenn er dran ist – und ist auch noch bester Laune. Seine Mutter Tugba (rechts) kennt das Metier von früher; sie hat vor Jahren selber gemodelt. ihr Zögern. «Was passiert mit ihr, wenn sie nicht genommen wird? Kann sie mit einer Enttäuschung umgehen? Fühlt sie sich dann schlecht und hässlich?» Eine berechtigte Frage, die wohl jeder Kinderpsychologe ambitionierten Eltern mit auf den Weg geben würde. Schliesslich aber hat Mutter Vu nach gegeben. Wie schon letztes Jahr, als die Klei ne unbedingt als Statistin beim Musical «Dällebach Kari» mitmachen wollte. «I stahne äbe uh gärn uf dr Büni», strahlt sie und gigelet. 30 000 Zuschauer haben sie dort gesehen, sie liebt das. Damit ist sie indes die einzige unter den vier Geschwistern der Familie Vu. «Uh nei», wehrt die ältere Schwester ab, das hätte sie nie gemacht. Die beiden grossen Brüder sicher auch nicht, meint die Mutter. Sogar als klar ist, dass sie das Rennen nicht gemacht hat, lacht Cécile noch. «Ig bi Beim Kindercasting ist es wie im richtigen Leben: Stundenlanges Warten für fünf Minuten vor der Kamera, die die Welt bedeutet. höchstens e haub Stund truurig», versichert sie. Nun geht sie vielleicht wieder ins Kunst turnen, das sie für ihre Statistenrolle aufge ben musste. Und dann hat sie ja noch das Klavier, das ihr auch grossen Spass macht. Sichtbar enttäuscht ist dagegen die zehn jährige Chiara aus Neudorf LU. Der Foto graf griff nicht zur Kamera, keine Frage zur Schulabsenz im März. Es ist klar, es wird nicht reichen. So lange Warten für nichts. Chiara ist geknickt, schon bevor das Verdikt gefallen ist, und klammert sich an ihre Mut ter. Sie hatte schon mal an einem Casting mit gemacht, 2009 für das Kinderheft «Maki». Damals wurde sie Dritte, ihr Bild gedruckt. Für Cécile aus Bern hat es, zwar knapp, aber eben doch nicht ganz gereicht. Das Ren nen macht stattdessen die sechsjährige Kim Li aus Safnern am Rand des Berner Juras. Auch sie eine kleine Asiatin – und zwei Asia tinnen wären zu viel gewesen. «Es war echt schwierig, wir hatten mehr asiatische Mäd chen und Mischlinge, als wir brauchen kön nen», erklärt Jury-Präsident de Brantes. An ders als bei einem Schönheitswettbewerb wissen die Auftraggeber eines Castings schon im Voraus, welche Typen sie in wel cher Anzahl brauchen. «Mädchen und Bu ben, alle Altersklassen, alle Kulturen», fasst es Veranstalter Richard Blat zusammen. Vor einem Jahr, beim letzten Casting, waren zu viele sechs- bis siebenjährige Jungs im Final, dieses Jahr dagegen waren die Buben rar. Trotzdem hats für Steven (11) aus Genf nicht geklappt. Dabei hat er schon zum vier ten Mal mitgemacht, weiss eigentlich, wie man sich geben soll. Vielleicht tat er wieder Und welche Babys und Kinder sind für eine Modelkarriere geeignet? Da kommt es noch viel mehr als bei Erwachsenen darauf an, wofür Models gesucht werden. Sie müssen etwas von einer Märchenfigur haben, einen Jöö- Effekt auslösen. Für Windelwerbung, zum Beispiel, sind es meist Kinder mit grossen, runden, blauen Augen. Schulen, die viel Geld verlangen und unrealistische Auftragsversprechungen machen. Wie lässt sich eine Karriere als Kindermodel planen? Das ist sehr schwierig, Kinder verändern sich so schnell. Ihr Erfolg dauert meist nur eine kurze Zeit. Darum sollte man, solange es passt, die Chance ergreifen. Also mit der Schule kurz aussetzen und voll aufs Modeln setzen? Nein, das gerade nicht. Aber wenn ein Kind Spass daran hat, nebenbei in der Freizeit zu modeln, ist das okay. Werden erfolgreiche Kindermodels später Laufstegstars? Eine Kinderkarriere lässt sich selten ins Erwachsenenleben durchziehen. Aber es ist wie im Juniorensport: Wer mit 14 oder 15 ins Profilager wechseln kann, sollte seine Chance packen. Interview: Christian Maurer Worauf müssen Eltern achten, wenn sie ihr Kind modeln lassen wollen? Der Wunsch, vor die Kamera zu stehen, muss, ausser bei Babys, immer von den Kin dern selber kommen. Und die Eltern müssen immer überprüfen, ob ein Angebot oder eine Agentur seriös ist. Woran lässt sich das erkennen? Schauen Sie auf der Website der Agentur nach, für wen sie arbeitet. Heikel sind sogenannte Model- Vor der Model-Karriere steht sie: Ursula Knecht hat schon viele Schönheiten entdeckt. Titel Kinderstars von «Babybook», eigentlich will: «Wir suchen natürliche Kinder», sagt er. Das heisst: Alltagskleider und kein Make-up. Und keine lange einstudierten Posen. Mit seinem Casting kommt Blat jedes Jahr zu neuen und noch unverbrauchten Gesichtern für seinen Modekatalog. Und weil es ein offenes Casting ist, hat er eine im mense Auswahl an Kindern aller Altersklas sen und verschiedenster Herkunft, die ihm keine Modelagentur bieten kann. Das hat einen unschätzbaren Wert in der Werbewelt. Zumal alle Fotos, die im Rahmen seiner Ver anstaltung von seinen Fotografen geschossen werden, in seinem Besitz bleiben und er sie je derzeit in seiner Zeitschrift verwenden kann. Die Eltern treten das Recht am Bild i hrer Kin der vertraglich an Blats Verlag ab. Eltern, welche Abzüge von den professionellen Cas ting-Bildern ihrer Sprösslinge fürs Familien album wollen, müssen nochmals in die Ta sche greifen und die Fotos kaufen. Nur etwa ein Fünftel macht das laut Blat. Sie legen im «Wie hat dir das Fotografieren denn heute so gefallen?» Jury-Präsident Emmanuel de Brantes (2. v. l.) und Modefotograf Olivier Ribardière wollen genau wissen, ob nicht etwa die Mutter ihre Tochter quasi auf den Laufsteg geschubst hat. etwas zu viel des Guten, posierte zu aufge setzt. Schliesslich will er Schauspieler werden. An den Namen seines Vorbilds kann er sich vor lauter Aufregung nicht erinnern. Er habe seine Eltern drängen müssen, damit sie ihn anmeldeten, erzählt er. Seine Mutter habe früher selber als Mannequin gearbeitet und finde das Milieu ungeeignet für ein Kind. Die Mutter widerspricht halbherzig, die Welt der Kindermodels sei eine andere als jene der Erwachsenen – lockerer, weniger verdorben und gefährlich, will sie wohl sagen. Auffallend oft standen schon die Mütter der Möchtegern-Kindermodels vor der Kamera. Tugba Demiral hat vor Jahren ne benbei ein bisschen gemodelt, bevor sie hei ratete, schwanger wurde, Ömer gebar – und den Traum einer Zukunft vor der Kamera begrub. «Ich war fasziniert von dieser Welt», sagt sie etwas wehmütig. So hat sie halt ihr Baby angemeldet, das während der langen Wartezeiten selig in ihren Armen schläft – und immer pünktlich auf den Fototermin und für das Jurygespräch die grossen Augen aufklappt, pausbäckig strahlt, mit drolligen Patschhändchen winkt – und dann friedlich 14 SonntagsBlick magazin eiterschläft. Ein bisschen Glamour für Tug w ba, um der Bieler Tristesse zu entfliehen, wo sie mit ihrem Mann, einem UPS-Paketfahrer, lebt und keinen Krippenplatz findet. Auch Sladana Dragisic stand schon vor der Kamera – «es war ein Shooting mit KowäUnterwäsche für den ‹Blick› vor etwa 20 Jah ren,» lacht die Mutter von Maxim. Ihn hat sie angemeldet, weil er sich zu Hause so gern fotografieren lässt. Unter die letzten zehn hats trotz Buben-Manko nicht gereicht. «Macht nichts, wir haben einen spannenden Familien ausflug gemacht», sagt Vater Danijel. Viele der hoffnungsfrohen Eltern sind Secondos. Sie haben ihre Wurzeln in Italien oder Spanien, auf dem Balkan oder in der Türkei, viele kommen auch aus Afrika. Eine Karriere auf dem Laufsteg ist einer von vie len Wegen für den schnellen sozialen Auf stieg – wie eine Karriere als Fussballer oder die Teilnahme bei Dieter Bohlens «Super star» oder Heidi Klums «Supermodel». An diesem langen Samstag im Wallis zeigt sich: Secondos haben meist auch ein unverkrampfteres Verhältnis zur Kamera als Schweizer, gehen lockerer um mit Selbstdar stellung, kleiden ihre Kinder gerne so, dass sie wie kleine Erwachsene aussehen – und die Kinder lassen es gern mit sich geschehen. Das allerdings ist es gerade nicht, was Richard Blat, Veranstalter des Castings, Familienvater und Erfinder und Verleger «Ich bin schon zum vierten Mal da.» Steven Eldring (11) aus Genf gibt alles. Aber auch dieses Jahr hats nicht gereicht. « Es war echt schwierig. Wir hatten mehr asiatische Mädchen und Mischlinge, als wir brauchen können.» Emmanuel de Brantes Schnitt nochmals 50 Franken auf den Tisch. Er verdiene kein Geld mit dem Casting, ver sichert Blat. Aber drauflegen tut er wohl auch nicht. Denn er vermeidet ja professio nelle Agenturen mit Modelscouts, die nicht für günstige Preise bekannt sind. Und zudem liefern diese meist Konfektionsware – Gesichter also, die man schon mal gesehen hat. Blat möchte ja frische Gesichter. Zudem setzt Blat auf den Multiplikator effekt der teilnehmenden Kinder. Jedes will doch sehen, ob sein Bild nicht doch noch ir gendwo Verwendung fand. Wer dabei war, so das Kalkül, wird das Kindermodeheft sogar dann kaufen, wenn das eigene Foto nicht drin ist. Bis jetzt ging die Rechnung ffenbar auf. Blat bereitet schon das nächs o te Grosscasting vor, das sechste, im nächsten Winter. Dann will er je eine Vorausschei dung in der deutschen und in der welschen Schweiz veranstalten. Zum Beispiel an der Spielwarenmesse Swisstoy in Bern. Der Final findet wieder im Schnee statt, vermutlich in den Waadtländer Alpen. Dort halt, wo Blat einen Skiort als Sponsor findet. Sein grosser Traum aber ist ein Kinder casting als TV-Show. Mit Publikumsvoting und viel Emotionen. Ein bisschen wie «The Voices of Switzerland». Einfach nur für Kinder. Und ohne Singen.