am bändchen

Transcrição

am bändchen
TEST LAUTSPRECHER
AM
LAUFENDEN
BÄNDCHEN
Ein helles Köpfchen war notwendig, um in Rudi Carrells Spielshow
bestehen zu können. PiegasTP 3 wäre da genau die richtige
Kandidatin gewesen – der flinken Box entgeht nämlich kein Detail
von Carsten Barnbeck
ie kleine Dinge doch manchmal
die Welt – oder zumindest einen
Teil derselben – verändern können: Vor ziemlich genau einem Jahr hatten
wir die Gelegenheit, uns in Mannheim mit
Piegas kommender Frühjahrs- und Som-
W
merkollektion vertraut zu machen. Dabei
konnten wir natürlich einen ersten Höreindruck von einigen der Neuheiten gewinnen. Was
da zu fortgeschrittener Stunde aus
den Wandlern
tänzelte, hielten wir seinerzeit jedoch augenblicklich für einen Trugschluss, raumakustische Spielereien oder eine Folge des
viel zu leckeren Abendessens (oder vielleicht auch der geistigen Getränke, die dazu
gereicht wurden). Die Schweizer konnten
doch nicht, so erschien es uns in diesem
Moment, einfach eine Formel gefunden ha-
liegt der Teufel eben im Detail. Und tatsächben, um ihre ohnehin ultrapräzise aufspielich: Es ist kaum möglich, den Fortschritt in
lenden Alukreationen noch ein derartiges
Worte zu fassen. Im Charakter ist sich das
Stück nach vorn zu katapultieren.
Bändchen, das in zwei unterschiedlichen
Dass Essen, Getränke und RäumlichkeiFormen in beinahe allen Piega-Lautspreten wohl in Ordnung waren, bestätigte sich,
chern Verwendung findet, treu geblieben.
als wir im Dezember dann ein Paar taufriNach wie vor erfasst es jedes noch so kleine
scher TC 70x bekamen, das mit genau denDetail, bringt diese aber viel geschmeidiger,
selben aufpolierten Eigenschaften glänzte.
ausgewogen und vor allem um ein VielfaWas genau hatte Piega aber verändert, dass
ches natürlicher zum Hörer.
sich der Effekt so deutlich und unüberhörStellen Sie sich einfach vor, Sie sitzen in eibar in allen Modellen widerspiegelte?
ner umwerfenden Limousine, brausen
Die Antwort auf diese Frage ist viel einfaschnittig durchs Land und sind rundum
cher als man zunächst vermuten würde und
zufrieden mit sich, Ihrem Leben und all den
lautet schlicht: „Kleber“. Wichtige Bauteile
farbenfrohen Dingen drumherum. Und
in den berühmten Bändchen der Schweizer
dann – ganz unvermittelt – verschwindet
sind vernickelt und verchromt. Das ist eiein leises, unterschwelliges Nebengeräusch,
nerseits toll, da die Lebensdauer der Einzeldas man eigentlich gar nicht
teile damit ins geradezu Unendliche steigt. Beide BeschichtunDie Natürlich- wahrgenommen hat, und die
Fahrt gewinnt an Qualitäten, die
gen widerstehen enormer Hitze
keit im Klang- man vorher nie vermisst hätte.
und Kälte, platzen auch bei
So ungefähr fühlt sie sich an,
größerem Druck nicht ab und
bild der handdie neue kleine TP 3. Der Komlassen sich – wenn überhaupt –
lichen Piega hat
paktwandler, selbstverständlich
selbst von richtig biestigen Säuren nur mit Geduld anlösen. Wer uns schlicht und stilecht aus massivem Aluminiallerdings weder Tod noch Teu- ergreifend den um gefertigt, verschlägt einem
schlicht und ergreifend den
fel scheut, dem dürfte ein TröpfAtem verschla- Atem und als gäbe es Begriffe
chen Leim auch so ziemlich egal
gen
wie „Einspielzeit“, „Aufstellung“
sein. Kurz gesagt: Bislang war die
oder „Ausrichtung“ überhaupt
Haftung einiger Teile innerhalb
nicht, musiziert sie bereits auf dem Fußboder Hoch- und Mitteltöner nicht zur vollen
den so harmonisch, ausgewogen und
Zufriedenheit des Herstellers gelöst.
klangvoll, dass man sich unweigerlich suDas änderte sich aber im vergangenen
chend im Raum umdreht, um die tatsächliJahr, als man einen Spezialisten auftat, der
che Quelle dieses Klanges auszumachen.
es nicht nur versteht, die Materialien durch
Technisch ist das handliche Päckchen aus
Plasmabeschuss so vorzubehandeln, dass
Wohlklang und Verarbeitungsqualität
sie sich optimal verkleben lassen. Mit eidann aber wieder ganz weltlich: Den Kern
nem Hightech-Superkleber, der mikrodes Wandlers bildet ein geschwungenes
skopisch kleine Abstandhalter beinhaltet,
Alu-Gehäuse mit fest verklebter Schallsorgt er dabei außerdem für eine äußerst
wand, Boden- und Deckenplatte. Abgerunbefriedigende Serienkonstanz.
dete Kanten und ein flauschiges InnenfutMesstechnisch lasse sich der Unterschied
ter verringern Resonanzen und bedämpfen
zwischen den alten und den aktuellen
den gesamten Klangkörper. Mit knapp sieChassis kaum feststellen, teilte uns Firmenben Kilogramm bringt die TP 3 zudem ein
mitbegründer und Chefentwickler Kurt
für diese Größe ausgesprochen stattliches
Scheuch während einer Werksbesichtigung
Eigengewicht auf die Waage.
im Plauderton mit. Die klangliche AuswirIn zwei großen Fräsungen an der Front
kung sei jedoch phänomenal. Manchmal
sitzen ein 13 Zentimeter durchmessender
MDS-Tief-Mitteltöner und der erwähnte
Bändchen-Hochtöner, der es sich zum
Sport gemacht hat, den schwarzen
Treiber unter ihm zum Nebendarsteller zu degradieren. Die
filigranen Bändchen-Träger werDer 13-Zentimeter-Bass besteht fast nur
aus Magneten. In der Öffnung dahinter
erkennt man die gut gemeinte Dämmung des Gehäuseinneren
66 STEREO 12/2006
In die beiden Bassreflexöffnungen
bekommt man kaum
einen Zeigefinger.
Dennoch arbeiten sie
effizient und vor
allem ohne Strömungsgeräusche
den übrigens als
„Rohstoff“ von
Philips geliefert
und erst direkt
in Horgen in liebevoller Handarbeit zu den hochkomplexen Chassis verarbeitet. Ganz
ohne ist aber auch der konventionelle
Treiber nicht, da hier in jüngerer Vergangenheit einige Verbesserungen bei Aufhängung und Antrieb eingeführt wurden, um
das Chassis an den Tweeter anzupassen.
Familienangelegenheit
Piegas neue TP-Linie bietet LautsprecherVarianten für jeden Geschmack
o sagenhaft die winzige TP3 auch spielen mag,
in gewissen Disziplinen, zum Beispiel in Tiefbass
und Raumabbildung, kommt sie nicht gegen einen
ausgewachsenen Standlautsprecher an. Als Alternative bietet der Hersteller daher gleich zwei größere Modelle an, die im Charakter allerdings ungemein
dicht bei der schnittigen, kleinen Box liegen:
Mehr Volumen und Kraft in den unteren Lagen verspricht die TP5 (Paarpreis um 2540 Euro), die dem
Tief-Mitteltöner der Nummer drei noch einen
Basstreiber hinzufügt
und in einem immerhin schon 110 Zentimeter hohen Gehäuse steckt.
Ultimativ wird es
dann mit der 160 Zentimeter hohen TP 7
(Abbildung, Paarpreis
um 4000 Euro). Sage
und schreibe vier
Bässe und ein diskreter Mitteltöner sorgen dafür, dass auch
große Räume flächendeckend ausgeleuchtet werden.
Der samtige Oberton einer TP3 ist dank
identischer Bändchen
aber auch in den beiden großen Modellen
inklusive.
S
12/2006 STEREO 67
TEST LAUTSPRECHER
Die Rückseite der Box wird schließlich
von einem Single-Wire-Terminal in extrem
robuster WBT-Ausführung geziert, das bei
Bananen-Steckern wie bei Gabelschuhen
hervorragenden Kontakt gewährleistet.
Darüber befinden sich zwei kleine Bassreflexöffnungen, die kaum größer sind als die
Grifflöcher einer Bowlingkugel, ihren Einsatzzweck aber mehr als zufriedenstellend
erfüllen.
T E ST- K E TT E
Eine einsame Schraube
an der Rückwand verrät
CD-SPIELER: Marantz
SA-15S1, Naim CD5i
außerdem, dass die
Schweizer an die MögVOLLVERSTÄRKER:
Marantz PM-15S1, Symlichkeit einer Wand- oder
phonic Line RG14 Ed.
Deckenmontage gedacht
VOR-/ENDSTUFE: NAD
haben. Die Bodenplatte
C162/C272
bietet übrigens keine
LAUTSPRECHER: DynauBohrungen für Spikes
dio Focus140
oder zumindest kleine
Gummifüße zur Bedämpfung. Will man die TP 3 auf einen
Ständer oder in einem Regal platzieren,
sollte man bereits beim Kauf an geeignete
Füße oder Kegel denken.
In Verbindung mit einer flotAlles Handar- richtiggehend greifbar und haten Elektronik lief die Piega in
ben realistische Dimensionen.
unseren Hörräumen zu Höchst- beit: Jede Box Überhaupt leuchten die Wandwird von den ler den Hörraum sehr gleichleistungen auf und ließ die Musik geradezu aus ihren Membra- Schweizern mit mäßig aus, treten – eine sorgsanen sprudeln. Dabei begeisterte
me Aufstellung vorrausgesetzt –
uns immer wieder die Anmut, großer Sorgfalt als Schallquelle nicht in Erscheimit der sie ihre enorme Auflö- und Fachkennt- nung.
sung und den hohen DetailgeAuch aus dem Tiefton holen
nis zusammenhalt in den Höhen mit einer gedie Piegas das Beste heraus:
gesetzt
schmeidigen, samtigen WiederNatürlich entlockt man der TP 3
gabe verbindet. Selbst poppige
keinen Infraschall, dafür bleibt
Produktionen, wie das stark komprimierte
der Grundton aber auch bei hohen Pegeln
„Stadium Arcadium“ von den Red Hot
kontrolliert und sauber und hat vor allem
Chili Peppers wirkt da weder zu scharf
einen gehörigen Punch, durch den eine
noch schneidend. Im Gegenteil: Die funkig
Kickdrum ebenso kraftvoll wirkt, wie ein
groovende Gangart des Albums kommt
perkussiv angeschlagener E-Bass. Auch
über die wieselflinke und scharfsinnige Box
wenn der kleinen gegenüber einem ausgeerst so richtig hervorragend zur Geltung.
wachsenen Standlautsprecher ein bis zwei
Ebenfalls betörend sind ihre ausgewogenen, präsenten und natürlichen Mitten, die
zum Beispiel die facettenreiche, weibliche
Gesangsstimme auf Friend’n Fellows „Covered“ plastisch und lebendig in den Raum
projiziert. Die verspielten Vocals werden
Oktaven fehlen, klingt sie doch verblüffend vollständig. Nur in größeren
Räumen wird man sich nach einem
Subwoofer oder einer der beiden
größeren Alternativen aus der TP-Linie (siehe Kasten)sehnen.
Die überragenden Fähigkeiten dieses formschönen und tadellos verarbeiteten Alu-Wandlers haben einen
bleibenden Eindruck in unserer Redaktion
hinterlassen. Betrachtet man den Preis, so
wächst sich unser Zuspruch gar zu echter
Begeisterung aus. Selten zuvor haben wir in
dieser Bauform ein so klares, intelligentes
Köpfchen mit hoher Detailfülle und einer
derart sonoren und vor allem gesamtheitlichen Spielweise erlebt. Da wird das Hören
mit Piegas neuer TP 3 jedes Mal aufs Neue
zu einer wirklichen Entdeckungsreise.
PIEGA TP 3
Paarpreis ca. €1380
Maße: 19 x 31 x 21 cm
(BxHxT)
Garantie: 6 Jahre
Vertrieb: Piega, Tel.:
0041/44/7259042
www.piega.ch
Die kleine TP 3 ist der smarte Überflieger
der neuen Lautsprecher-Linie. Vom Klang
bis zum Preis stimmt hier einfach alles!
LABOR
FREQUENZGANG/IMPEDANZ
SPRUNGANTWORT
Ortsbegehung
STEREO durfte einen Blick hinter die Kulissen von Piega werfen
ie könnte ein Lautsprecher auch schlecht
klingen, der in so einem traumhaften
Ambiente erschaffen wird: Piegas Stammsitz,
in dem die meisten größeren Wandler montiert
werden, liegt so romantisch am Zürichsee,
dass es unserer Meinung nach verboten gehörte – oder zumindest gemein hoch besteuert!
Doch lange bevor die schönen Gehäuse Bekanntschaft mit dieser Idyllle machen, beginnt
ihr Weg bei Alcan in Singen am Bodensee. In
einer der riesigen Werkshallen befinden sich
gigantische Pressen, die mit einem Druck von
mehreren hundert Bar vorgewärmte Aluminiumzylinder von der Größe einer Badewanne
W
In Piegas herrlich gelegenem Stammsitz werden
neben den Bändchen-Chassis auch alle größeren
Lautsprecher-Modelle montiert
68 STEREO 12/2006
durch überdimensionale „Spritzgebäckformen“
drücken. Heraus kommt ein dutzende Meter
langer Alu-Strang, der im Querschnitt das Profil
eines Lautsprechers hat.
Zur weiteren Verarbeitung geht es anschließend ins Kanton Uri, wo die Rohgehäuse Feinschliff, Bohrungen, Fräsungen für die Chassis
und ihre edle Oberfläche erhalten. „Das Design
gibt’s bei uns übrigens gratis obendrauf“, witzelt Leo Greiner, einer der beiden Geschäftsführer an dieser Stelle. Das stimmt, denn
die Optik der Wandler ergibt sich aus
dem verwendeten Material und
seiner Verarbeitung, und auch
wenn Piega ein Pionier in
Sachen Aluminium war, sollte
man nicht den Fehler begehen,
die Firma als Design-Schmiede
misszuverstehen.
Bei diesem Prozedere hört man das Alu regelrecht schreien: Eine gigantische Presse drückt
die Zylinder durch eine Art „Plätzchenform“...
Relativ unspektakulär nehmen die Lautsprecher
von Piega ihren Anfang – als tonnenschwerer
Aluminiumzylinder bei Alcan in Singen
In Horgen selbst werden in filigraner Handarbeit schließlich alle Bändchen gefertigt. Vor
allem der Koax-Treiber, den man unter
anderem in der TC70x vorfindet, fordert viel Geschick von den Fachkräften. Nur wenige Exemplare
können pro Tag produziert werden. Das Bändchen selbst wird
von Philips geliefert, muss in
der Schweiz aber noch mit seiner markanten Struktur versehen
...und am anderen Ende kommt eine meterlange
Rohform heraus – hier PKW-Teile – die anschließend in handlichere Portionen gesägt wird
Piega-Entwickler und -Mitbegründer Kurt
Scheuch (r.) erläutert STEREO-Mitarbeiter
Michael Lang (l.) und Michael Höchtl (M.) vom
HiFi-Forum Baiersdorf die gehäusetechnischen
Finessen des Anniversary-Modells „Twen“
werden, um anschließend mit Magneten und
Gehäuse versehen zu einem vollwertigen Chassis zu mutieren.
Damit sind alle Rohmaterialien für die wohlklingenden Lautsprecher gesammelt, die dann
ebenfalls direkt vor Ort zusammengefügt werden, um aus dem überraschend großen Lager
im Erdgeschoss des Firmengebäudes ihre Reise
in aller Herren Länder anzutreten.
Vorher und nachher:
Die von Philips hergestellten und angelieferten Rohbändchen (links im Hintergrund) bekommen
in Horgen eine
klangverbessernde
Struktur „aufgestempelt“, bevor sie zu
Hochtönern verarbeitet werden
(unten)
Kein Anlass zur Klage in Piegas Kompaktklasse: Auch im Frequenzgang gibt sich die
kleine Box gelassen und souverän, spielt
von 300 Hertz bis 20 Kilohertz vorbildlich linear, und selbst bei einer Achsenabweichung von 30 Grad (gestrichelte Linie) zeigen sich keine nennenswerten Unterschiede. Um Bereich unterhalb von 300 Hertz
sorgt ein satter Hub für mehr Volumen und
Bass-Druck. Hierbei hat der Hersteller
ganze Arbeit geleistet, denn trotz dieses
akustischen Kniffs klingt die TP 3 im
Tiefton knochentrocken und strukturiert.
Weiterhin ist der Impedanzverlauf unkritisch, und auch die Sprungantwort kann
sich durchaus sehen lassen.