Rechtsdienst - Bundesvereinigung Lebenshilfe
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Rechtsdienst - Bundesvereinigung Lebenshilfe
Rechtsdienst der Lebenshilfe Praxis gestalten – Innovation wagen Nr. 4/04, Dezember 2004 ISSN 0944–5579 Postvertriebsstück: D 13263 F Durchbruch für die Verbandsklage in zweiter Instanz! Aus dem Inhalt: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) München hat eine richtungsweisende Entscheidung zugunsten der Verbandsklage nach § 63 SGB IX getroffen (Beschluss vom 17.11.2004, 12 CE 04.1580). Es ging um die Frage, ob der Landesverband der Lebenshilfe Bayern im Wege der Verbandsklage die Rechte eines behinderten Menschen vertreten kann, der die Aufnahme in eine Werkstatt der Lebenshilfe begehrt. Die Vorinstanz VG Augsburg wies die Klage als unzulässig ab (RdLh 03/2004, S. 115 ff.). Die Sozialhilfe im Veränderungsprozess Was bleibt Werkstattbeschäftigten vom Einkommen nach Inkrafttreten des SGB XII? Zur Kürzung von vereinbarten Entgelten durch den Sozialhilfeträger Kein Anspruch gegen die Schulverwaltung Der VGH folgte der Argumentation des Landesverbandes Bayern und stellt darauf ab, dass es bei der Frage, ob eine Interessenkollision vorliegt nur darauf ankommen kann, ob der klagende Verband und der behinderte Mensch voneinander abweichende Prozessziele verfolgen und die Interessen deshalb kollidieren. Nur in diesen Fällen komme den klagenden Verbänden eine Doppelrolle zu, die der Gesetzgeber verhindern wolle. Andere Auslegungen würden der Zielsetzung des Verbandsklagerechts gem. § 63 SGB IX zuwiderlaufen: dieses solle die gerichtliche Geltendmachung von Rechten behinderter Menschen erleichtern. Der Lebenshilfe Landesverband Bayern habe keine wirtschaftlichen Vorteile aus einer Aufnahme des Beigeladenen in die rechtlich und tatsächlich unabhängige Lebenshilfe-Werkstatt. In der Sache selbst wurde der Antragsgegner zur vorläufigen Bewilligung der Aufnahme in die WfbM verpflichtet. Der Antragsgegner hatte die Aufnahme abgelehnt, weil der Beigeladene eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht. auf Stellung eines Integrationshelfers Grundsatzurteil des BSG zur Leistungspflicht privater Pflegekassen für Kinder Zum Zwischenbericht der Enquetekommission zur Patientenverfügung Dies bedeutet eine den Absichten des Gesetzgebers entsprechende und behinderte Menschen stärkende Auslegung des Verbandsklagerechts, die dieses Instrument erst praktikabel macht. Herausgegeben von der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 geistiger Behinderung e. V. Unter Beteiligung von: Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e. V. (CBP) Bundesverband Evangelische Behindertenhilfe e. V. (BEB) Verband für Anthroposophische Heilpädagogik 145 Sozialtherapie und Soziale Arbeit e. V. INHALT Sozialpolitik Die Sozialhilfe im Veränderungsprozess von Klaus Lachwitz ...................................................................... 147 Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsberatung ..................................................... 151 Beitragszuschlag zur Pflegeversicherung für kinderlose Werkstattbeschäftigte ......................................... 152 Sozialhilfe Was bleibt Werkstattbeschäftigten vom Einkommen nach Inkrafttreten des SGB XII? von Dr. Sabine Wendt ................................................................. 152 Zur Kürzung von vereinbarten Entgelten durch den Sozialhilfeträger ................................................... 157 Stellung eines Integrationshelfers ist Schulsache von Norbert Schumacher ........................................................... 159 Kein Anspruch gegen die Schulverwaltung auf Bereitstellung eines Integrationshelfers .................. 163 Autismustherapie als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung ..................................... 163 Zur Leistungspflicht der Sozialhilfe für Brillengläser .............................................................................. 164 Grundsicherung Keine Anrechnung des Kindergeldes auf Leistungen der Grundsicherung ............................... 166 Grundsicherungsanspruch für Schüler ................... 167 Gesetzliche Krankenversicherung Zur häuslichen Krankenpflege in Wohngemeinschaften ......................................................................... 168 Zahlungsanspruch für Leistungen nach Auslaufen der Vergütungsvereinbarung ..................................... 169 Wahlrecht der Versicherten unter verschiedenen Hilfsmitteln ................................................................... 170 Anspruch auf Bewegungsfreiheit durch tragbares Sauerstoffsystem ........................................................... 171 Lagerungsrollstuhl kein Hilfsmittel der Krankenversicherung? ................................................................ 171 Schwenkbarer Autositz als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung ...................................... 172 Heimrecht Kein Anspruch auf Abschluss eines Heimversorgungsvertrages ......................................................... 176 Zivildienst Eigenhaftung eines Zivildienstleistenden ................ 178 Strafrecht Bestellung eines Pflichtverteidigers für einen Beschuldigten mit geistiger Behinderung im Ermittlungsverfahren ................................................... 178 Recht und Ethik Übersicht: Zum Arbeitsprogramm der Enquetekommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ ........................................................................ 179 Zwischenbericht der Enquetekommission zur Patientenverfügung ..................................................... 180 Ethikrat empfiehlt (fortgesetztes) Verbot des therapeutischen Klonens ........................................... 182 Präimplantationsdiagnostik (PID) - Eindrücke angesichts der Diskussion in Österrreich ............... 183 Bücherschau .............................................................. 185 Impressum .................................................................. 191 Dieser Ausgabe liegt eine Beilage für Abonnementwerbung für die Zeitschrift „Neues Arbeitsrecht für Vorgesetzte“, Bonn, (Postvertriebskennzeichen: G 13439) bei. Pflegeversicherung Grundsatzurteil zur Leistungspflicht privater Pflegekassen für Kinder (Pflegestufe III) ................ 173 Verhinderung übermäßiger Nahrungsaufnahme als Pflegebedarf ............................................................. 175 Keine Bindung der Pflegekasse an die Feststellungen einer privaten Pflegeversicherung ......... 176 146 Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 SOZIALPOLITIK Die Sozialhilfe im Veränderungsprozess Das SGB XII: Noch nicht in Kraft und schon verändert! von Klaus Lachwitz Das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) das ab 01. Januar 2005 an die Stelle des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) treten wird, unterliegt bereits vor seinem Inkrafttreten einem Reformprozess. Der Deutsche Bundestag hat am 22.10.2004 einige Änderungen des ab 01.01.2005 geltenden SGB XII beschlossen (Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch (BT-Drs. 15/3673; 15/3977 und BR-Drs. 811/04)). Der Bundesrat hat dieser Gesetzesnovelle am 05.11.2004 zugestimmt. Die Änderungen können damit noch pünktlich zum 01.01.2005 wirksam werden. Notwendiger Lebensunterhalt in Einrichtungen Ein zentraler Punkt des Änderungsgesetzes ist die Neuregelung des § 35 SGB XII. § 35 Abs. 1 hatte zunächst folgenden Wortlaut: „Der notwendige Lebensunterhalt in Einrichtungen umfasst den darin erbrachten sowie in stationären Einrichtungen zusätzlich den weiteren notwendigen Lebensunterhalt.“ § 35 Abs. 1 wird aufgrund der vom Deutschen Bundestag am 22.10.2004 beschlossenen Änderungen um folgenden Satz 2 ergänzt: „Der notwendige Lebensunterhalt in Einrichtungen entspricht dem Umfang der Leistungen der Grundsicherung nach § 42 Satz 1 Nr. 1-3 SGB XII.“ Nach dem bisher geltenden – zum 31.12.2004 außer Kraft tretenden – § 27 Abs. 3 BSHG umfasste die Hilfe in besonderen Lebenslagen, zu der gem. § 27 Abs. 1 Nr. 3 BSHG die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und gem. § 27 Abs. 1 Nr. 5 BSHG die Hilfe zur Pflege gehören, auch den in Einrichtungen gewährten Lebensunterhalt, d. h. insbesondere die Kosten der Unterkunft und Verpflegung. Damit galt hinsichtlich des Einsatzes von Einkommen die besondere Einkommensgrenze des § 81 Abs. 1 BSHG, wonach dem Hilfesuchenden die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten ist, wenn das monatliche Einkommen eine Einkommensgrenze nicht übersteigt, die sich aus einem Grundbetrag in Höhe von 809,63 EURO pro Monat zuzüglich der Kosten der Unterkunft und einem Familienzuschlag ergibt. Dennoch mussten sich viele vollstationär betreute behinderte Menschen an den Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 Kosten der stationären Eingliederungshilfe einschließlich Lebensunterhalt beteiligen, weil gem. § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG der Einsatz des Einkommens auch unter der Einkommensgrenze verlangt werden kann, soweit aufgrund der vollstationären Unterbringung Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart werden (§ 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 BSHG) bzw. eine Kostenbeteiligung in angemessenem Umfang verlangt werden kann, soweit die/der Hilfebedürftige einen anderen nicht überwiegend unterhält (§ 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG). Für die Eltern eines vollstationär betreuten Menschen hatte die Vorschrift des § 27 Abs. 3 BSHG zur Folge, dass sie gem. § 91 Abs. 2 BSHG für die Kosten der vollstationären Eingliederungshilfe (einschließlich Lebensunterhalt - § 27 Abs. 3 BSHG) nur zu einem Unterhaltsbeitrag in Höhe von monatlich 26 EURO herangezogen werden konnten. Aufgrund der Streichung des § 27 Abs. 3 BSHG kommt ab 01.01.2005 der durch BT-Beschluss vom 22.10.2004 neu gefasste § 35 SGB XII zur Anwendung. Danach legt der Gesetzgeber fest, dass der Anteil des notwendigen Lebensunterhalts, der in einer stationären Einrichtung gewährt wird, dem Umfang der Leistungen der Grundsicherung nach § 42 Abs. 1 Nr. 1-3 SGB XII entspricht, d. h. sich rechnerisch aus dem für den Leistungsberechtigten maßgebenden Regelsatz nach § 28 SGB XII, den angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der durchschnittlichen angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für die Warmmiete eines Ein-PersonenHaushaltes und aus Mehrbedarfen entsprechend § 30 SGB XII sowie einmaligen Bedarfen entsprechend § 31 SGB XII zusammensetzt. Der Verweis in § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB XII auf die Grundsicherung verwundert auf den ersten Blick, weil der Träger einer vollstationären Einrichtung, in der behinderten Menschen Eingliederungshilfe oder Hilfe zur Pflege gewährt wird, vom Träger der Sozialhilfe eine Vergütung erhält, die sich aus einer Grundpauschale für Unterkunft und Verpflegung, einer Maßnahmepauschale und aus einem Betrag für betriebsnotwendige Anlagen einschließlich ihrer Ausstattung (Investitionsbetrag) errechnet. Die Grundpauschale orientiert sich der Höhe nach nicht am Grundsicherungsanspruch des vollstationär betreuten Leistungsberechtigten, sondern an dem zwischen 147 SOZIALPOLITIK dem Träger der Einrichtung und dem Sozialhilfeträger verhandelten und vereinbarten Vergütungsanteil für Unterkunft und Verpflegung. Das Gleiche gilt für den Investitionsbetrag, der sich auch auf die betriebsnotwendigen Anlagen erstreckt, die der Sicherung des Lebensunterhalts dienen (Beispiel: Küche). Der neu eingeführte § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ändert nichts daran, dass die tatsächlich in einer Einrichtung anfallenden Kosten für den Lebensunterhalt nach Maßgabe des § 76 Abs. 2 SGB XII (bisher § 93 Abs. 2 SGB XII) vergütet werden. Da es jedoch sehr aufwändig wäre, für jeden in einer Einrichtung untergebrachten behinderten Menschen zu ermitteln, welcher Anteil aus der Grundpauschale und dem Investitionsbetrag hinsichtlich des in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalts auf ihn entfällt, hat sich der Gesetzgeber entschlossen, bei der Berechnung des Kostenanteils für den notwendigen Lebensunterhalt in der Einrichtung nicht auf die Vergütung gem. § 76 Abs. 2 SGB XII, sondern auf die Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung gem. § 42 Satz 1 Nr. 1-3 SGB XII abzustellen. Die Leistungen der Grundsicherung sind also nur eine Rechengröße, die dazu dient, die Höhe des notwendigen Lebensunterhalts zu bestimmen, für den der leistungsberechtigte behinderte Mensch einen Kostenbeitrag aus Einkommen und Vermögen an den Träger der Sozialhilfe entrichten muss. Ob das Verfahren zur Berechnung der Kostenbeteiligung für den notwendigen Lebensunterhalt durch die Einfügung des § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB XII tatsächlich wesentlich erleichtert wird, ist zweifelhaft. Zum einen verweist der Gesetzgeber in § 35 Abs. 1 Satz 2 auch auf § 42 Nr. 3 SGB XII, d. h. auf die „Mehrbedarfe entsprechend § 30 SGB XII“. Diese Mehrbedarfe knüpfen jedoch gem. § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII bei voll erwerbsgeminderten Personen unter 65 Jahren an den Nachweis an, dass ein Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „G“ vorliegt. Dies wird die Frage aufwerfen, ob bei der Bestimmung der „Rechengröße“ Grundsicherung der Mehrbedarf gem. § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII (nur) bei den in einer Einrichtung betreuten behinderten Menschen zu berücksichtigen ist, die über das Merkzeichen „G“ verfügen. Plausibel wäre dies nicht, denn höhere Mehrbedarfe führen durch den Verweis in § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB XII n. F. auf § 42 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 30 SGB XII zu einem höheren Kostenanteil für den notwendigen Lebensunterhalt, obwohl in der Praxis der durch das Merkzeichen „G“ nachgewiesene Mehrbedarf nicht den Lebensunterhalt, sondern den Bedarf an Betreuung und Unterstützung bei der Fortbewegung betrifft. 148 Zum anderen verweist § 35 Abs. 1 Satz 2 auch auf § 42 Nr. 1 SGB XII und damit auf den für den Grundsicherungsberechtigten maßgebenden Regelsatz nach § 28 SGB XII. Dieser umfasst gem. § 28 Abs. 3 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 der Regelsatzverordnung vom 03.06.2004 auch die Bekleidung. Diese zählt jedoch gem. § 35 Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz SGB XII zum „weiteren notwendigen Lebensunterhalt“, zu dessen Kosten der vollstationär betreute Leistungsberechtigte ebenfalls aus eigenem Einkommen und Vermögen beitragen muss. Recht schwierige Detailfragen stellen sich nicht nur bei der Bestimmung der „Rechengröße“ Grundsicherung i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, sondern auch bei der Heranziehung Unterhaltspflichtiger zu Kostenbeiträgen für die behinderten Menschen, die die Kosten des notwendigen Lebensunterhalts in Einrichtungen nicht aus eigenen Mitteln finanzieren können. Auch hier schwebt dem Gesetzgeber eigentlich eine „einfache“ Lösung vor: Ab 01.01.2005 sollen die Eltern volljähriger unterhaltsberechtigter Personen, die behindert i. S. v. § 53 SGB XII (Eingliederungshilfe) oder pflegebedürftig i. S. v. § 61 SGB XII (Hilfe zur Pflege) sind, einen Unterhaltsbeitrag für die Kosten der Eingliederungshilfe/Hilfe zur Pflege von bis zu 26 EURO pro Monat zahlen und zusätzlich einen Betrag von 20 EURO pro Monat für die Kosten des Lebensunterhalts aufbringen (vgl. § 94 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Dies setzt allerdings voraus, dass ein Unterhaltsanspruch des leistungsberechtigten behinderten Menschen gegenüber seinen Eltern besteht. Ein derartiger Anspruch entfällt, wenn der behinderte Mensch bereits aus eigenem Einkommen und Vermögen für die Kosten des notwendigen Lebensunterhalts i. S. d. § 35 SGB XII aufkommen kann. Diese Fallkonstellation kann z. B. auftreten, wenn ein behinderter Mensch nach 20-jähriger Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) über eine Erwerbsunfähigkeitsrente verfügt, die höher ist als der Gesamtbetrag, der sich aus der Berechnung des notwendigen Lebensunterhalts i. S. d. § 35 SGB XII nach folgendem Schema ergibt: Grundsicherungsleistungen i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB XII zuzüglich der Kosten des weiteren notwendigen Lebensunterhalts i. S. d. § 35 Abs. 2 SGB XII, d. h. insbesondere zuzüglich der Kosten für Bekleidung und angemessenem Barbetrag (89,70 EURO pro Monat) Ein Unterhaltsbeitrag gem. § 94 Abs. 2 SGB XII in Höhe von 20 EURO monatlich für die Kosten des Lebensunterhalts kann von den Eltern des Leistungsberechtigten nur verlangt werden, wenn das von diesem für den notRechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 SOZIALPOLITIK wendigen Lebensunterhalt einzusetzende Einkommen und Vermögen den Gesamtbetrag aus dem notwendigem Lebensunterhalt i. S. d. § 35 Abs. 1 SGB XII und dem weiteren notwenigen Lebensunterhalt gem. § 35 Abs. 2 SGB XII unterschreitet, d. h. eine ungedeckte Lücke verbleibt. Liegt der Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen Kosten des notwendigen Lebensunterhalts gem. § 35 Abs. 1 und Abs. 2 SGB XII und dem vom Leistungsberechtigten aus eigenem Einkommen und Vermögen finanzierten Kostenbeitrag für den Lebensunterhalt im Einzelfall unter 20 EURO pro Monat (Beispiel: Der Differenzbetrag beläuft sich lediglich auf einen ungedeckten Restbetrag von 10 EURO monatlich), so kann von den Eltern ein Unterhaltsbeitrag nur in Höhe von 10 EURO monatlich verlangt werden. Viele Eltern werden angesichts des Grenzbetrags für den Lebensunterhalt in Höhe von 20 Euro monatlich gem. § 94 Abs. 2 SGB XII auf eine „kleinliche“ Berechnung ihres Unterhaltsbeitrags verzichten; dennoch ist es angebracht, vor dem Inkrafttreten des SGB XII auf die korrekte Berechnungsmethode für den Unterhaltsbeitrag hinzuweisen. Besonderheiten sind zu beachten, wenn der behinderte Mensch grundsicherungsberechtigt i. S. d. § 41 ff. SGB XII ist. Beispiel: Ein vollstationär untergebrachter volljähriger behinderter Mensch erhält Eingliederungshilfe und verfügt über keinerlei Einkommen und Vermögen. In einem solchen Fall ist zu prüfen, ob der behinderte Mensch Grundsicherung bei Erwerbsminderung gem. § 42 SGB XII beanspruchen kann. Dies ergibt sich daraus, dass gem. § 19 Abs. 2 Satz 3 SGB XII die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel (§§ 27-40 SGB XII) vorgehen. Besteht ein solcher Anspruch und wird die Grundsicherungsleistung gem. § 41 Abs. 1 SGB XII beantragt, so deckt die Grundsicherung zwar den notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen gem. § 35 Abs. 1 SGB XII, weil – wie ausgeführt – der notwendige Lebensunterhalt i. S. d. § 35 Abs. 1 SGB XII der Höhe nach dem Umfang der Leistungen der Grundsicherung entspricht. Sie reicht jedoch nicht aus, um den weiteren notwendigen Lebensunterhalt (insbesondere Bekleidung und Barbetrag) i. S. d. § 35 Abs. 2 SGB XII zu finanzieren. Insoweit wird in all den Fällen, in denen der Leistungsberechtigte (ganz oder teilweise) Grundsicherung beanspruchen kann, eine Heranziehung der Eltern zu einem Unterhaltsbeitrag in Höhe von 2 0 EURO monatlich gem. § 94 Abs. 2 SGB XII in Betracht kommen. Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 Einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 20 EURO monatlich für Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII müssen auch diejenigen Eltern leisten, deren behinderte Tochter/behinderter Sohn keine Leistungen der Grundsicherung erhält, weil ihr jährliches Gesamteinkommen i. S. d. § 16 SGB IV einen Betrag von 100.00 EURO übersteigt. Die Zahl dieser Fälle dürfte allerdings gering sein, weil gem. § 43 Abs. 2 Satz SGB XII vermutet wird, dass das Gesamteinkommen der Eltern im Regelfall jährlich unter 100.000 EURO liegt. Erleichterungen der Zuzahlungspflichten von Heimbewohnern für nicht verschreibungspflichtige Medikamente, Heil- und Hilfsmittel u. a. Für große Unruhe haben in den letzten Monaten Berichte gesorgt, wonach viele Bewohner von Alten- und Behindertenheimen aus dem ihnen zur Verfügung stehenden „Barbetrag“ (Taschengeld) in Höhe von 89,70 EURO monatlich einen erheblichen Teil für Zuzahlungen an die gesetzlichen Krankenkassen aufbringen müssen. Der Gesetzgeber hat sich deshalb entschlossen, die Träger der Sozialhilfe zu verpflichten, den Zuzahlungsbetrag als Darlehen zu gewähren. Die entsprechenden Regelungen sind in § 35 Abs. 3-5 SGB XII n. F. enthalten. § 35 Abs. 3 n. F. sieht vor, dass der Sozialhilfeträger für Leistungsberechtigte nach § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII, also für Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und einen Barbetrag (Taschengeld) in Höhe von mindestens 26 v. H. des Eckregelsatzes erhalten, die Zuzahlungen in Form eines ergänzenden Darlehens (§ 37 SGB XII) übernimmt, sofern der Leistungsberechtigte nicht widerspricht. Die Zuzahlungsverpflichtung beläuft sich für in Heimen lebende barbetragsberechtigte Menschen, die an einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung leiden, im Jahr 2005 auf 41,40 EURO (alte Bundesländer) bzw. 39,72 EURO (neue Bundesländer). Für barbetragsberechtigte Heimbewohner, die nicht wegen einer chronischen Erkrankung in Dauerbehandlung sind, aber dennoch zuzahlungspflichtige Leistungen in Anspruch nehmen, ist die jährliche Zuzahlungsgrenze doppelt so hoch: 82,8 0 E U R O (alte Bundesländer), 78,44 EURO (neue Bundesländer). In Höhe der von den einzelnen Heimbewohnern bis zur Belastungsgrenze (vgl. § 62 SGB V) zu leistenden Zuzahlungen gewährt der Sozialhilfeträger ein sogenanntes ergänzendes Darlehen i. S. d. § 37 SGB XII, das er direkt an die zuständige Krankenkasse auszahlt, 149 SOZIALPOLITIK sofern der Leistungsberechtigte nicht widerspricht. Erfolgt kein derartiger Widerspruch und wird das Darlehen an die Krankenkasse ausgezahlt, so erfolgt die Rückzahlung in gleichen Teilbeträgen über das ganze Kalenderjahr (§ 37 Abs. 2 SGB XII n. F.), d. h. für chronisch kranke Heimbewohner, deren Zuzahlungsgrenze bei jährlich 41,40 EURO (West) oder 39,72 EURO (Ost) liegt, müssen monatliche Teilbeträge von 3,45 EURO (alte Bundesländer) bzw. 3,31 EURO (neue Bundesländer) an den Sozialhilfeträger zurückgezahlt werden. Der Sinn des Widerspruchsrechts besteht darin, dass einige Heimbewohner die Zuzahlung, die sie leisten müssen, selbst leisten wollen, indem sie die erforderlichen Beträge entweder direkt aus ihrem Barbetrag aufbringen wollen oder darauf vertrauen, dass Dritte (Verwandte, Freunde u. a.) die Zuzahlung übernehmen. Der Widerspruch setzt keine Geschäftsfähigkeit voraus, weil es sich bei dem vom Sozialhilfeträger zu gewährenden Darlehen um einen geringfügigen Betrag i. S. d. § 105 a BGB handelt: Diese Vorschrift regelt, dass auch die von einer geschäftsunfähigen Person abgegebene Willenserklärung wirksam ist, wenn sie sich auf ein Geschäft des täglichen Lebens von geringfügigem Wert bezieht. Das vom Sozialhilfeträger zur Erfüllung der Zuzahlungsverpflichtungen gewährte Darlehen schützt den leistungsberechtigten Heimbewohner nur dann vor weiteren Zuzahlungen über der Belastungsgrenze des § 62 SGB V, wenn er von seiner Krankenkasse rechtzeitig eine Bescheinigung erhält, aus der sich ergibt, dass für den Rest des Kalenderjahres keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind (§ 62 Abs. 1 Satz 1 SGB V). § 35 Abs. 4 SGB XII n. F. sieht deshalb vor, dass die Krankenkassen den Trägern der Sozialhilfe für die Personen, die sich spätestens bis zum 01.11. des Vorjahres als leistungsberechtigt gemeldet haben, die Befreiungsbescheinigung zur Weitergabe an den Leistungsberechtigten zuleiten. Da sich dieses Verfahren für das Jahr 2005 nicht mehr umsetzen lässt, gilt gem. § 35 Abs. 5 SGB XII n. F. die Sonderregelung, dass die Befreiungsbescheinigung von der Krankenkasse direkt an die barbetragsberechtigten Heimbewohner erteilt wird, die der Träger der Sozialhilfe der zuständigen Krankenkasse spätestens bis zum 01.01.2005 mitteilt. 150 Dies wird die Frage aufwerfen, wie es den Sozialhilfeträgern gelingen kann, die für die Leistungsberechtigten zuständigen Krankenkassen rechtzeitig zu ermitteln, denn die Heimbewohner in den einzelnen Einrichtungen gehören häufig ganz unterschiedlichen Krankenkassen an. Es wäre deshalb sehr hilfreich, wenn die Träger der Einrichtungen, denen die Krankenkassenmitgliedschaft ihrer Bewohner in der Regel bekannt ist, die entsprechenden Informationen sammeln und noch im Dezember 2004 an die zuständigen Sozialhilfeträger weiterleiten. Bestandsschutz für den Zusatzbarbetrag Der Anspruch auf einen zusätzlichen Barbetrag nach § 21 Abs. 3 Satz 4 BSHG ist nicht in das SGB XII übernommen worden. Auch diese Leistungsstreichung hat zu Protesten geführt. Der Gesetzgeber hat darauf reagiert und durch Einfügung eines § 133 a SGB XII n. F. geregelt, dass „für Personen, die am 31.12.2004 einen Anspruch auf einen zusätzlichen Barbetrag nach § 21 Abs. 3 Satz 4 des Bundessozialhilfegesetzes haben, diese Leistung in der für den vollen Kalendermonat Dezember 2004 festgestellten Höhe weiter erbracht wird.“ Die Folge dieser Regelung ist eine „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ in Alten- und Behindertenheimen: Die Heimbewohner, die vor dem 31.12.2004 vollstationäre Hilfe in einem Heim erhalten haben und einen zusätzlichen Barbetrag gem. § 21 Abs. 3 Satz 4 beanspruchen konnten, erhalten diesen Geldbetrag weiter (allerdings nur in Höhe des Betrages, den sie im Dezember 2004 erhalten haben); alte und behinderte Menschen, die erst nach dem 01.01.2005 in einem Heim betreut werden, müssen dagegen auf den Zusatzbarbetrag verzichten, obwohl sie möglicherweise höhere Kostenbeiträge aus eigenem Einkommen und Vermögen an den Sozialhilfeträger abführen als ihre Mitbewohner, die in den Genuss der Besitzstandsregelung des § 133 a SGB XII n. F. kommen. Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 SOZIALPOLITIK Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsberatung Das Bundesministerium der Justiz hat einen Diskussionsentwurf eines Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) vorgelegt. Mit der beabsichtigten Neuregelung soll das aus dem Jahre 1935 stammende Rechtsberatungsgesetz abgelöst werden. Der Gesetzentwurf regelt die unentgeltliche Rechtsberatung. Nach geltendem Recht (Art. 1 § 1 Abs. 1 des Rechtsberatungsgesetzes) bedarf die Rechtsberatung ohne Unterschied zwischen haupt- und nebenberuflicher oder entgeltlicher und unentgeltlicher Tätigkeit der behördlichen Erlaubnis. Von wenigen Ausnahmen abgesehen – etwa Mietervereine und Verbraucherschutzverbände – ist die Rechtsberatung nahezu ausschließlich zugelassenen Rechtsanwälten vorbehalten. Das Bundesverfassungsgericht hat diese sehr restriktive Regelung der Rechtsberatung mehrfach in Frage gestellt (zuletzt im Beschluss vom 29.07.2004, AZ. 1 BVR 737/00 – Zulässigkeit der unentgeltlichen Rechtsberatung eines pensionierten Richters). Regelungsbereich des Entwurfs Der Regelungsbereich des geplanten Gesetzes beschränkt sich auf außergerichtliche Rechtsdienstleistungen. Auch wird an der bisherigen rechtlichen Konstruktion des Verbotsgesetzes mit Erlaubnisvorbehalt festgehalten. Unter Rechtsdienstleistungen versteht der Diskussionsentwurf nur Tätigkeiten in konkreten fremden Angelegenheiten, die eine umfassende rechtliche Prüfung erfordern (§ 2 Abs. 1 des Entwurfs). Nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen damit allgemeine Rechtsinformationen oder Bagatelltätigkeiten sowie jede Geschäftsbesorgung, die ohne individuelle rechtliche Prüfung erfolgt. Damit soll Rechtssicherheit im Bereich der Medien, insbesondere für Ratgebersendungen, die beispielhaft Rechtsinformationen vermitteln, geschaffen werden. Zulässigkeit unentgeltlicher Rechtsdienstleistungen Nach der vorgeschlagenen Neuregelung sind unentgeltliche Rechtsdienstleistungen erlaubt (§ 6 Abs. 1 des Entwurfs). Der Entwurf unterscheidet zwischen Rechtsberatung innerhalb der Familie, der Nachbarschaft oder ähnlich enger persönlicher Beziehungen und Rechtsberatung außerhalb dieses Personenkreises. Im ersteren Fall bedarf es keiner beruflichen Qualifikation. Wer sich in diesem persönlichen Umfeld beraten lässt, weiß in der Regel, auf was er sich einlässt. Im letzteren Fall – Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 also außerhalb des vorstehenden Personenkreises – darf unentgeltliche Rechtsberatung nur durch Volljuristen oder unter deren Aufsicht erfolgen (§ 6 Abs. 2 des Entwurfs). Mitgliederberatung durch Vereine Mit § 7 des Gesetzentwurfs wird die Befugnis zur Rechtsberatung über die berufsständischen Vereinigungen hinaus auf alle zur Wahrung gemeinschaftlicher Interessen gegründeten Vereinigungen ausgeweitet. Erfasst werden damit nunmehr neben den bereits bisher unter den Begriff der berufsstandsähnlichen Vereinigungen gezählten Mieter- und Grundbesitzervereine alle Vereinigungen mit gesellschaftlicher, sportlicher oder kultureller Zielsetzung, darunter fallen auch die großen Automobilclubs. Ferner sind unentgeltliche Rechtsdienstleistungen durch anerkannte freie Träger der Jugendhilfe gemäß § 75 SGB VIII und Träger der freien Wohlfahrtspflege nach § 5 SGB XII erlaubt, soweit sie innerhalb des jeweiligen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs erbracht werden (§ 8 Nr. 5 des Entwurfs). Rechtsdienstleistung aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen können auch wie bisher von Personen mit besonderer Sachkunde erbracht werden, die nicht die Qualifikation von Volljuristen aufweisen. Hierunter fallen etwa Rentenberater und Inkassounternehmer. Die bisherige Erlaubnispflicht wird durch eine Eintragung in ein elektronisches öffentliches Rechtsdienstleistungsregister ersetzt. Anmerkung Die Aussichten, dass dieser Diskussionsentwurf zumindest in seinen wesentlichen Inhalten das Gesetzgebungsverfahren übersteht, sind als gar nicht so schlecht zu betrachten. Zwar hat die Bundesrechtsanwaltskammer sich gegen einige Neuregelungen ausgesprochen, so etwa gegen die Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch Interessenvereinigungen und Verbände, und Bedenken geäußert gegen eine zu enge Definition des Begriffs der Rechtsdienstleistung, aber an dem grundsätzlichen Monopol der Rechtsberatung für Rechtsanwälte scheint auch die Rechtsanwaltschaft nicht festhalten zu wollen. Darüber hinaus wird sich der Gesetzgeber dem Änderungsdruck in Folge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kaum entziehen können. (Di) 151 SOZIALPOLITIK/SOZIALHILFE Beitragszuschlag zur Pflegeversicherung für kinderlose Werkstattbeschäftigte Ab Januar 2005 soll der Beitragssatz für kinderlose Mitglieder der Pflegeversicherung ab dem 23. Lebensjahr um 0,25 Beitragspunkte erhöht werden, der von den beitragspflichtigen Versicherten alleine zu erbringen ist (kein Arbeitgeberbeitrag). Dies sieht das Gesetz zur Berücksichtigung der Kindererziehung im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung (Kinderberücksichtigungsgesetz, KiBG, BT-Drs. 15/3837, BT-Drs. 15/3671) vor, das nach Einspruch des Bundesrats dem Vermittlungsausschuss zugewiesen und inzwischen vom Bundestag verabschiedet wurde. Nach einer Empfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales sollen neben Mitgliedern, die vor dem 01.01.1940 geboren sind, Wehr- und Zivildienstleistenden auch Bezieher von Arbeitslosengeld II von der erhöhten Beitragszahlung ausgenommen werden. Nicht erwähnt werden Sozialhilfe- und Grundsicherungsleistungsbezieher nach dem SGB XII, die demnach die höheren Beiträge an die Pflegeversicherung zu zahlen haben, wenn sie nicht nachweisen, dass sie Kinder haben, § 55 Abs. 3 SGB XI. Für diese werden nach § 32 SGB XII die Beiträge für die Pflegeversicherung im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt oder als Bedarf der Grundsicherung nach § 42 Nr. 4 SGB XII übernommen. Die Werkstätten tragen diese Beiträge für behinderte Beschäftigte mit einem die Geringfügigkeitsgrenzen nicht überschreitenden Verdienst alleine, erhalten sie aber von dem zuständigen Kostenträger erstattet, § 251 Abs. 2 Satz 2 SGB V, § 20 Abs. 1 Nr. 7 SGB XI. Auch wenn behinderte Menschen selbst nicht mit den höheren Beiträgen belastet werden, weil diese von dem Sozialleistungsträger übernommen werden, ist unverständlich, warum sie nicht in die Befreiungsregelung einbezogen worden sind. Nur eine kleine Minderheit hat Kinder, für viele ist dies aufgrund ihrer Behinderung ausgeschlossen. (We) Was bleibt Werkstattbeschäftigten vom Einkommen nach Inkrafttreten des SGB XII? von Dr. Sabine Wendt Mit dem neuen Sozialhilferecht ändern sich im kommenden Jahr die Leistungsansprüche behinderter Beschäftigter in Werkstätten. Nachfolgend soll eine Bilanz gezogen werden, welche finanziellen Auswirkungen dies hat (siehe dazu auch: Lachwitz, RdLh 4/ 04 S. 149 und Wendt, RdLh 3/04 S. 102 ff.). Änderungen bei einer ambulant betreuten Wohnform Die Grundsicherungsleistung kann von Werkstattbeschäftigten nicht erst bei Beschäftigungsbeginn in der Werkstatt beantragt werden, sondern bereits, wenn der Fachausschuss eine Stellungnahme dazu abgegeben hat, § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII. Sofern Werkstatteinkommen und Rente niedriger sind als der Bedarf an Grundsicherungsleistungen nach § 42 ff. SGB XII, wird die Leistung auch bewilligt werden. Bezugsgröße für die Berechnung sind weiterhin die Regelsätze der Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Regelsätze werden nach § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB XII auf Landesebene festgesetzt. Noch unklar ist, in welchem Umfang die Bundesländer von dieser Kompetenz Gebrauch machen, oder ob sie sich an den in § 20 Abs. 152 2 SGB II vorgegebenen Werten der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts von 345 EURO West bzw. 331 EURO Ost orientieren. Neu ist der Wegfall des Zuschlags von 15 v. H. für die einmaligen Beihilfen, die jetzt im Regelsatz integriert sind. Statt der einmaligen Beihilfen für Bekleidung etc. werden nur noch die in § 31 SGB XII genannten einmaligen Bedarfe gewährt, wobei für das ambulant betreute Wohnen die Erstausstattung der Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten übernommen wird. Der Mehrbedarf für vollerwerbsgeminderte Personen mit einem Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen G ist von 20 auf 17 v. H. abgesenkt worden. Der Mehrbedarf für Krankenkost nach § 30 Abs. 5 SGB XII ist jetzt Teil der Grundsicherungsleistung und muss nicht mehr zusätzlich im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt beantragt werden. Das Arbeitsförderungsgeld von 26 EURO bleibt in Zukunft anrechnungsfrei, § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII. Dies wird sich aber nicht einkommenssteigernd auswirken, weil der Freibetrag vom Werkstatteinkommen für die Hilfe zum Lebensunterhalt in Form von Grundsicherung und für die Eingliederungshilfe für die ambulante Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 SOZIALHILFE Unterstützung beim Wohnen von einem Drittel auf ein Achtel des Eckregelsatzes nach § 82 Abs. 3 SGB XII abgesenkt wurde. Damit wurde die bisher nur für den stationären Bereich geltende Freibetragsregelung auch für das Leben außerhalb von Einrichtungen übernommen. Die Bedarfslage ist jedoch nicht die gleiche: Die Bekleidung wird in der Einrichtung als weiterer notwendiger Lebensunterhalt extra vergütet, muss aber ambulant aus dem pauschalierten Regelsatz finanziert werden. Hinzu kommt ab Dezember 2005 der Wegfall der Weihnachtsbeihilfe in Höhe von 10 v. H. des Regelsatzes. Damit wären 34 EURO von der in den meisten Werkstätten gezahlten Weihnachtsprämie anrechnungsfrei geblieben, so dass dies einen weiteren Einkommensverlust bedeutet. Der Vermögensfreibetrag für die Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege sowie für den Lebensunterhalt von Leistungsberechtigten für die Grundsicherung wird nach § 1 Abs. 1 a und b der Verordnung zur Durchführung von § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII von 2301 auf 2006 EURO angehoben. Ein Vermögenseinsatz wird jedoch nur verlangt, wenn keine der in § 92 Abs. 2 SGB XII genannten Hilfen gewährt werden. Für diese (z. B. Beschäftigung in einer Werkstatt, § 92 Abs. 2 Nr. 7 SGB XII oder einer Tagesförderstätte, § 92 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII) kann nur ein Kostenbeitrag aus dem Einkommen für den in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt beansprucht werden. Voraussetzung ist allerdings, dass das Einkommen die Höhe des doppelten Eckregelsatzes übersteigt, § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII. Ein Übergang eines Unterhaltsanspruches für geleistete Eingliederungshilfe nach § 94 Abs. 2 SGB XII in der Werkstatt oder einer Tagesförderstätte findet nicht statt, da für diese Hilfen kein Einkommens- und Vermögenseinsatz vorgesehen ist. Dies gilt auch für den dort geleisteten Lebensunterhalt. Hat die leistungsberechtigte Person ein so niedriges Einkommen, dass die Kosten des Lebensunterhaltes in der Einrichtung von ihr nicht bezahlt werden können, fehlt es an einem Anspruch des Sozialhilfeträgers auf finanzielle Beteiligung, der auf die Eltern als Unterhaltsforderung übergehen könnte. Ist das Einkommen höher, kann ein möglicher Unterhaltsbedarf durch den Einsatz des Einkommens für das Mittagessen als Lebensunterhalt in der Einrichtung von der leistungsberechtigten Person selbst abgedeckt werden, so dass kein darüber hinausgehender Unterhaltsbedarf gegenüber den Eltern geltend gemacht werden kann (§ 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII). Berechnungsbeispiel für ambulante Betreuung Berechnungsbeispiel für einen Werkstattbeschäftigten mit einem Schwerbehindertenausweis G und einem Werkstattlohn von 120 EURO einschließlich Arbeitsförderungsgeld, der in Nordrhein-Westfalen bei einer Warmmiete von 250 EURO alleine wohnt. Er erhält zusätzlich Eingliederungshilfe durch einen ambulanten Dienst in Höhe von 300 EURO monatlich (zur besseren Übersicht wird auf Cent-Beträge verzichtet, abgerundete EURO-Beträge). Bedarf Grundsicherung 2005 SGB XII Bedarf Grundsicherung 2004 GSiG/BSHG Regelsatz (West) Haushaltsvorstand 345 EURO Regelsatz NRW Haushaltsvorstand davon Zuschlag 15 v. H. Warmmiete Mehrbedarfszuschlag Merkz. G Summe abzgl. einzusetzendes Einkommen Grundsicherungsleistung Warmmiete Mehrbedarfszuschlag Merkz. G Summe abzgl. einzusetzendes Einkommen Grundsicherungsleistung 250 EURO 58 EURO 653 EURO 35 EURO 618 EURO Kostenbeitrag 2005 Kostenbeitrag 2004 Werkstatteinkommen 120 EURO abzgl. Arbeitsmittelpauschale 5 EURO abzgl. Arbeitsförderungsgeld 26 EURO nach § 82 (2) bereinigtes EK 89 EURO abzgl. 1/8 Regelsatz 43 EURO verbleiben 45 EURO davon 25 v. H. 11 EURO ergibt Freibetrag § 82 (3) 54 EURO einzusetzendes Einkommen 35 EURO (bereinigtes Einkommen von 89 EURO abzgl. Freibetrag von 54 EURO) Verbleibendes Einkommen 85 EURO Werkstatteinkommen abzgl. Arbeitsmittelpauschale nach § 76 (2) bereinigtes EK Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 296 EURO 44 EURO 250 EURO 59 EURO 649 EURO 13 EURO 636 EURO 120 EURO 5 EURO 115 EURO abzgl. 1/3 Regelsatz 98 EURO verbleiben 17 EURO davon 25 v. H. 4 EURO ergibt Freibetrag § 76 (2) Nr. 2a 102 EURO einzusetzendes Einkommen 13 EURO (bereinigtes Einkommen von 115 EURO abzgl. Freibetrag von 102 EURO) Verbleibendes Einkommen 107 EURO 153 SOZIALHILFE Mit dem SGB XII tritt für den Werkstattbeschäftigten damit ein Einkommensverlust (geringerer verbleibender Werkstattlohn) von 22 EURO ein. Die Grundsicherungsleistung wird um 18 EURO niedriger ausfallen. Der finanzielle Nachteil durch die Neuregelung beträgt nach diesem Beispiel 40 EURO. Für den Lebensunterhalt stehen damit 2005 bei dem ambulant betreuten Wohnen 703 EURO (Grundsicherungsleistung von 618 EURO und verbleibendes Einkommen von 85 EURO) zur Verfügung, gegenüber 743 EURO 2004 (Grundsicherungsleistung von 636 EURO und verbleibendes Einkommen von 107 EURO). Bedarf Eingliederungshilfe 300 EURO: Kein Einkommenseinsatz, da das verbleibende Einkommen von 85 EURO die Einkommensgrenze nach § 85 Abs. 1 SGB XII von 940 EURO nicht übersteigt. Die Einkommensgrenze berechnet sich aus dem Grundbetrag in Höhe des zweifachen Eckregelsatzes (690 EURO) und der Miete von 250 EURO, ein Familienzuschlag entfällt, da keine weitere Person unterhalten wird. Änderung gegenüber BSHG: Der Grundbetrag war mit 853 EURO nach § 81 Abs. 1 BSHG höher, ebenfalls kein Einkommenseinsatz, da das verbleibende Einkommen unter der Einkommensgrenze liegt. Bedarf Lebensunterhalt in der Werkstatt (Mittagessen), § 92 Abs. 2 Nr. 7 SGB XII: Da das Einkommen den zweifachen Eckregelsatz von 690 EURO nicht überschreitet, wird kein Mitteleinsatz verlangt, § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII. Änderung gegenüber BSHG: Die Regelung in § 43 Abs. 2 Satz 2 BSHG ist gleichlautend. Ein Einkommenseinsatz wird nicht verlangt, wenn es den zweifachen Regelsatz des Haushaltsvorstands nicht überschreitet. Der doppelte Regelsatz war mit 592 EURO jedoch niedriger, so dass Personen mit einem um 98 EURO geringeren Einkommen einen Kostenbeitrag leisten mussten. Unterhaltsbeitrag der Eltern Den Eltern verbleibt nach überwiegender Ansicht der Rechtsprechung das Kindergeld von 154 EURO, das danach nur bei einer tatsächlichen Zuwendung an das Kind als dessen Einkommen angerechnet werden darf. Der Leistungsanspruch auf Grundsicherung setzt vor154 aus, dass ihr Jahreseinkommen 100.000 EURO nicht überschreitet, so dass darüber hinaus kein Unterhaltsbeitrag für den Lebensunterhalt zu leisten ist. Sie müssen sich aber an dem Bedarf der Eingliederungshilfe für das ambulant betreute Wohnen mit einem Unterhaltsbeitrag von 26 EURO nach § 94 Abs. 2 SGB XII beteiligen. Es ist damit keine Änderung gegenüber der Unterhaltszahlung 2004 gegeben. Änderungen bei dem stationär betreuten Wohnen in einem Wohnheim Der Lebensunterhalt in der Einrichtung ist nicht mehr Bestandteil der Eingliederungshilfe, sondern wird neben dieser erbracht, § 35 SGB XII. Der notwendige Lebensunterhalt ist aber weiterhin gemeinsam mit der Eingliederungshilfe Bestandteil der Vergütung, die von dem Sozialhilfeträger an die Einrichtung gezahlt wird, § 75 ff. SGB XII. Durch das SGB XII ÄndG wurde in § 35 Abs. 1 SGB XII festgelegt, dass dieser notwendige Lebensunterhalt in der Einrichtung dem Umfang nach der Leistung der Grundsicherung in § 42 Satz 1 Nr. 1 bis 3 entspricht. § 82 SGB XII wurde um einen Abs. 4 ergänzt, der den Einkommenseinsatz für den Lebensunterhalt in der Einrichtung auf die häusliche Ersparnis begrenzt, und darüber hinaus bei längerer Zeit der Pflege eine Aufbringung der Mittel im angemessenen Umfang vorsieht. Damit wurde eine Regelung im Wortlaut von § 88 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII übernommen, die diesen Einkommenseinsatz auch unterhalb der Einkommensgrenze der Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege vorsieht. Durch diese Ergänzung soll sichergestellt werden, dass das Einkommen bei stationärer Betreuung sowohl für den Lebensunterhalt als auch für die Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege unter Berücksichtigung der nach § 82 Abs. 2 und 3 SGB XII abzusetzenden Beträge in angemessenem Umfang einzusetzen ist. Die Prüfung der Angemessenheit ergibt sich nach § 87 Abs. 1 SGB XII aus der Art des Bedarfs, der Art oder Schwere der Behinderung oder der Pflegebedürftigkeit, der Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie der besonderen Belastungen der nachfragenden Person. Damit sind die bereits in § 84 Abs. 1 BSHG benannten besonderen Belastungen gemeint, die gesondert geltend gemacht werden müssen, um eine Überprüfung der Angemessenheit zu ermöglichen. Die Trennung des Lebensunterhaltes von der Eingliederungshilfe hat für die Bedarfsdeckung in der Einrichtung keine Folgen, da diese weiterhin durch die Einrichtungsvergütung gewährleistet ist, wohl aber für den Einsatz von Einkommen und Vermögen. Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 SOZIALHILFE Für den Leistungsberechtigten selbst ergibt sich kein Unterschied, weil er sein Einkommen auch unterhalb der Einkommensgrenze einsetzen muss, § 88 SGB XII. Ist er aber mit einer Person verheiratet, die nicht in der Einrichtung lebt und über Einkommen verfügt, gilt für diese der Schutz der Einkommensgrenze für die Eingliederungshilfe nach § 85 Abs. 1 SGB XII nicht mehr; Das Einkommen muss mit den in § 82 SGB XII genannten Freibeträgen voll für die Bedarfsdeckung des Lebensunterhalts des Ehepartners eingesetzt werden. Dies kann z. B. auf Werkstattbeschäftigte zutreffen, die aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit erst nach einer Eheschließung behindert wurden. Die Kleidung und ein angemessener Barbetrag zur persönlichen Verfügung in Höhe von 26 v. H. des Eckregelsatzes wird als weiterer notwendiger Lebensunterhalt in § 35 Abs. 2 SGB XII definiert. Der bisher nach § 21 Abs. 3 Satz 4 BSHG erbrachte Zusatzbarbetrag von bis zu 44 EURO (5 v. H. des Einkommens) ist als notwendiger Lebensunterhalt in Einrichtungen nach § 35 Abs. 2 SGB XII nicht mehr genannt. In dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch ( SGB XII -ÄndG) ist jetzt eine Besitzstandsregelung in § 133 a SGB XII vorgesehen. Danach erhalten Personen, die am 31.12.2004 einen Anspruch auf einen Zusatzbarbetrag hatten, diesen Betrag auch in Zukunft. Dies schafft jedoch eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von Heimbewohnern. Durch die Begrenzung des Umfangs des Lebensunterhaltes in der Einrichtung in § 35 Abs. 1 SGB XII durch das SGB XII ÄndG auf die Leistung der Grundsicherung entfällt für Eltern vollstationär betreuter Grundsicherungsberechtigter zwar ein Unterhaltsbetrag für den Lebensunterhalt in der Einrichtung nach § 43 Abs. 2 SGB XII, wenn ihr Jahreseinkommen unter 100.000 EURO liegt. Für den weiteren notwendigen Lebensunterhalt, für den Barbetrag und die Bekleidung nach § 35 Abs. 2 SGB XII, der den Grundsicherungsbedarf übersteigt, muss nach § 94 Abs. 2 SGB XII ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von 20 EURO gezahlt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn insoweit ein ungedeckter Bedarf besteht, der nicht durch den Einkommenseinsatz des behinderten Menschen abgedeckt wird. Der Vermögensfreibetrag von 2600 EURO wird nach § 1 Abs. 1 a der Verordnung zur Durchführung von § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII auch bei der Hilfe zum Lebensunterhalt für Personen über 60 Jahre sowie voll Erwerbsgeminderte gewährt, so dass Werkstattbeschäftigte für den Lebensunterhalt in der Einrichtung keinen höheren Vermögenseinsatz leisten müssen als im Rahmen der Eingliederungshilfe. Berechnungsbeispiel für stationäre Betreuung Berechnungsbeispiel für einen Werkstattbeschäftigten mit einem Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen G, der in einem Wohnheim in Westdeutschland betreut wird. Er hat eine EU-Rente in Höhe von 800 EURO und ein Werkstatteinkommen von 120 EURO einschließlich des Arbeitsförderungsgeldes. Die Vergütung der Einrichtung beträgt 2000 EURO monatlich, die Pflegeversicherung zahlt Leistungen nach § 43 a SGB XI in Höhe von 256 EURO. Die durchschnittliche Warmmiete eines Einpersonenhaushaltes als Berechnungsgrundlage für die stationären Unterkunftskosten im Rahmen der Grundsicherung nach § 42 Nr. 2 SGB XII beträgt 250 EURO. Es wird ein Barbetrag von 89 EURO gewährt sowie eine monatliche Pauschale für die Bekleidung von 25 EURO. Kostenbeitrag für den Lebensunterhalt in der Einrichtung in Höhe der Grundsicherungsleistung, § 35 Abs. 1 SGB XII und für den weiteren notwendigen Lebensunterhalt, § 35 Abs. 2 SGB XII (Barbetrag und Bekleidung) Bedarf Lebensunterhalt in der Einrichtung Regelsatz eines Haushaltsangehörigen (ab 14 Jahren 80 v. H. des Eckregelsatzes West 345 EURO) Unterkunftskosten Mehrbedarf § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII Summe Bedarf 276 EURO 250 EURO 46 EURO 572 EURO Kostenbeitrag EinkommenEU-Rente Werkstattlohn Summe Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 800 EURO 120 EURO 920 EURO 155 SOZIALHILFE Bereinigung nach § 82 Abs. 2 SGB XII abzgl. Arbeitsmittelpauschale abzgl. Arbeitsförderungsgeld Bereinigtes Einkommen aus Abs. 2 Freibetrag aus dem Werkstattlohn nach § 82 Abs. 3 (s. Berechnung Fallbeispiel ambulant) Bereinigtes Einkommen aus Abs. 3 abzgl. Bedarf Lebensunterhalt in der Einrichtung Verbleibendes Einkommen abzgl. Bedarf Barbetrag (89 EURO) und Bekleidung (25 EURO) Verbleibendes Einkommen 5 EURO 26 EURO 889 EURO 54 EURO 835 EURO 572 EURO 263 EURO 114 EURO 149 EURO Da der Bedarf für den Lebensunterhalt vollständig aus dem Einkommen abgedeckt werden kann, entfällt ein Unterhaltsbeitrag der Eltern in Höhe von 20 EURO nach § 94 Abs. 2 SGB XII. Kostenbeitrag für die Eingliederungshilfe, § 54 SGB XII Bedarf: Vergütung für die Einrichtung nach §§ 75 ff. SGB XII Abzgl. Grundsicherungsleistung für den Lebensunterhalt in der Einrichtung abzgl. Leistungen nach § 43 a SGB XI Ungedeckter Bedarf 2.000 EURO 572 EURO 256 EURO 1.172 EURO Nach § 88 Abs. 1 Nr. 3 einzusetzendes Resteinkommen 149 EURO Es werden keine besonderen Belastungen geltend gemacht, so dass nach Berücksichtigung des Arbeitsförderungsgeldes und des einheitlichen Einkommensfreibetrages nach § 88 Abs. 2 und 3 SGB XII das gesamte Resteinkommen einzusetzen ist. Da der Bedarf aus dem Einkommen nicht abgedeckt werden kann, kann zusätzlich ein Unterhaltsbeitrag von 26 EURO von den Eltern nach § 94 Abs. 2 SGB XII verlangt werden. Von dem Werkstattlohn von 120 EURO verbleibt der gleiche Restbetrag von 85 EURO wie bei der ambulanten Wohnbetreuung, hinzu kommt der Barbetrag von 89 EURO, insgesamt steht ein Einkommen von 174 EURO für die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens zur Verfügung. Berechnung nach BSHG Bei der Berechnung eines Kostenbeitrags bei vollstationärer Betreuung wurde nicht unterschieden, ob Hilfe zum Lebensunterhalt oder Eingliederungshilfe erbracht wurde, da der Lebensunterhalt in der Einrichtung nach § 27 Abs. 3 BSHG als Hilfe in besonderen Lebenslagen von der Eingliederungshilfe mit umfasst war. Es wurde daher nur ein einheitlicher Kostenbeitrag für die gesamte Hilfe in der Einrichtung nach § 85 Abs. 2 BSHG verlangt. Dieser entspricht betragsmäßig der Regelung in § 88 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB XII, so dass sich keine Mehrbelastung für den Leistungsberechtigten durch das SGB XII ergibt 156 Hinzu kam ein Barbetrag nach § 21 Abs. 3 BSHG in Höhe 89 EURO (30 v. H. des Regelsatzes von 296 EURO), der dem Barbetrag nach § 35 Abs. 2 SGB XII entspricht, und ein Zusatzbarbetrag in Höhe von 15 v. H. des Regelsatzes von 296 EURO, der 44 EURO beträgt. Dieser Zusatzbarbetrag wird nach § 133 a SGB XII für Personen, die vor dem 01.01.2005 im Wohnheim aufgenommen waren, weiter gewährt. Die Einkommensverschlechterung gegenüber der BSHG-Regelung in diesem Fallbeispiel beträgt somit für Personen, die später in das Wohnheim ziehen, 44 EURO. Der Unterhaltsbeitrag für die Eltern war nach BSHG auf 26 EURO für die Eingliederungshilfe beschränkt, Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 SOZIALHILFE es ergibt sich somit keine Mehrbelastung in dem Fallbeispiel gegenüber dem Unterhalt nach SGB XII. Bei einem niedrigeren Einkommen müsste allerdings bei einem ungedeckten Bedarf für den Lebensunterhalt in der Einrichtung ein weiterer Unterhaltsbeitrag von 20 EURO geleistet werden. Für die ambulante Wohnbetreuung muss jedoch ab 2005 nach diesem Beispiel 40 EURO mehr gezahlt werden, als bisher. Für eine vollstationäre Betreuung macht der Einkommensverlust 44 EURO aus. Zur Kürzung von vereinbarten Entgelten durch den Sozialhilfeträger VG Augsburg, Urteil vom 28.09.2004 – Az: Au3 K 04.854 Sachverhalt Urteil Der Bezirkstag Schwaben (einer von sieben überörtlichen Sozialhilfeträgern in Bayern) hat im März 2004 während der Laufzeit von Vergütungsvereinbarungen im Bereich Altenhilfe und Eingliederungshilfe (September 2003 bis September 2004) beschlossen, aufgrund der angespannten Finanzlage die vereinbarten Entgelte ab 01.04.2004 pauschal um 5 % zu kürzen. Der Beschluss wurde trotz zahlreicher Proteste der Leistungserbringer und der Verbände durch die Verwaltung des Bezirks Schwaben umgesetzt: seit dem 01.04. 2004 erhalten die Einrichtungsträger nur noch um 5 % geringere Entgelte. Die Klage wurde mit Urteil vom 28.09.2004 abgewiesen. Daraufhin klagte die Diakonie Augsburg, ein Träger von Alten- und Behindertenheimen, und beantragte, zum einen den Bezirk zur Zahlung der – bezifferten - ausstehenden Beträge zu verurteilen sowie zum anderen festzustellen, dass die pauschale Kürzung der Gesamtentgelte von 5 % durch den Beklagten rechtswidrig ist und dementsprechend der Beklagte verpflichtet ist, die Pflegesätze nebst Kosten der Unterkunft, Verpflegung und Investition gemäß den bestehenden Vergütungsvereinbarungen ungekürzt an den Kläger auszuzahlen. Das Gericht ließ erhebliche Zweifel an der Aktivlegitimation des Klägers zur Geltendmachung des Zahlungsanspruchs erkennen. Es bezweifelte also, ob der Einrichtungsträger überhaupt befugt sein kann, vom Beklagten die vollständige Zahlung der Vergütung zu verlangen. Deshalb wurde hilfsweise beantragt festzustellen, dass die aus den Vergütungsvereinbarungen zwischen den Parteien resultierenden Pflichten vom Beklagten über den 01.04.2004 hinaus in voller Höhe zu erfüllen sind. Der Beklagte beantragte Klageabweisung wegen fehlender Aktivlegitimation. Der Kläger könne den Anspruch auf Gewährung von Sozialleistungen nicht in eigenem Namen geltend machen. Der Anspruch stünde allein den jeweiligen Hilfesuchenden zu. Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrages zwischen den Entgelten gemäß der Vergütungsvereinbarung und den tatsächlich – um 5 % gekürzten – ausbezahlten Beträgen. Zur Begründung führte das VG Augsburg folgendes an: a) Das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis erlaube keinen direkten Zahlungsanspruch des Einrichtungsträgers gegen den Kostenträger. Die Vergütungsvereinbarungen seien abstrakte Regelungen, die den Sozialhilfeanspruch des Hilfeempfängers ausgestalten. b) Der Heimträger erbringe nicht gegenüber dem Sozialhilfeträger eine Leistung, sondern nur gegenüber dem Hilfeempfänger. Hier seien die gegenseitigen Ansprüche im Heimvertrag geregelt. Der Heimbewohner wiederum habe einen Anspruch gegen den Sozialhilfeträger auf Deckung seines sozialhilferechtlichen Bedarfs, der in einem entsprechenden Bescheid anerkannt werde. Grundlage für die Aufwendungen, die mit der Bedarfsdeckung notwendig sind, seien wiederum die Vergütungsvereinbarungen zwischen Sozialhilfeträger und Heimträger. Daraus ergebe sich aber kein direkter Leistungsanspruch des Heimträgers gegen den Sozialhilfeträger. c) Gegen einen direkten Leistungsanspruch spreche die Tatsache, dass bei sich nachträglich herausstellender Rechtswidrigkeit der Hilfegewährung, etwa wegen fehlender Bedürftigkeit, die Rücknahme und Kostenerstattung nur im Verhältnis zum Hilfesuchenden erfolge. d) Die Vergütungsvereinbarung habe in erster Linie angebotssteuernde Wirkung als Maßnahme zur sinnvollen Begrenzung des Angebots an Sozialeinrichtungen und solle der Tendenz zur stationären Hilfe entgegenwirken. 157 SOZIALHILFE e) Die Vergütungsvereinbarungen stellen keinen Vertrag zugunsten Dritter (hier des Heimbewohners) dar. f) Die Übersendung einer Kopie des Bewilligungsbescheides über die Sozialhilfe an den Heimträger begründe wegen mangelnden Rechtsbindungswillens keine eigene Verpflichtung des Sozialhilfeträgers. Die Übersendung des Bescheides bewirke lediglich eine Erleichterung des Zahlungsverkehrs zur Vermeidung unangemessenen Verwaltungsaufwandes. g) Eine Abtretung des sozialhilferechtlichen Anspruchs des Heimbewohners an das Heim durch die Regelung im Heimvertrag, dass der Heimträger direkt mit dem öffentlichen Leistungsträger abrechnen könne, könne nicht angenommen werden. Ansprüche auf Sozialhilfe können gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 BSHG nicht abgetreten werden. h) Auch in den §§ 85 ff. SGB XI sei wohl ein eigener Leistungsanspruch des Heimträgers gegen die Pflegekasse nicht gegeben. Die Grundsätze des SGB XI seien aber ohnehin nicht auf das Sozialhilferecht übertragbar, selbst wenn man im SGB XI von einem direkten Zahlungsanspruch des Heimträgers ausginge. i) Die Feststellungsklage wurde aus Gründen der Subsidiarität abgewiesen. j) Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag wurde abgewiesen, weil gem. § 43 Abs. 1 VwGO nur das Feststellen des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden könne. Die Vergütungsvereinbarungen stellten zwar einen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar, jedoch fehle es an einem daraus ableitbaren Recht des Klägers gegen den Beklagten, weil nach Ansicht des Gerichtes eben kein Leistungsanspruch begründet wird. Es bestehe eben keine Rechtsbeziehung dergestalt, dass bei den Abrechnungen die vereinbarten Entgelte beachtet werden müssen. Dem Feststellungsantrag fehle es insgesamt am Rechtsschutzbedürfnis. k) Die Berufung wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit zugelassen, da die zu entscheidenden Rechtsfragen bislang obergerichtlich nicht geklärt sind. Bewertung Das VG Augsburg hat mit seiner Entscheidung ein völlig praxisfernes Verständnis des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses zugrundegelegt. Wenn diese Auffassung Bestand hat, verlieren die Vergütungsvereinbarungen nach §§ 93 ff. BSHG dramatisch an Bedeu158 tung, weil sie mangels effektiver Durchsetzbarkeit für den Einrichtungsträger keine verlässliche Grundlage mehr bilden. Sie würden allenfalls noch einen Richtwert für die Einrichtungsvergütung darstellen, der durch den Sozialhilfeträger faktisch in Gutsherrenart gekürzt werden kann, wogegen der Einrichtungsträger keine selbstständige Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzung der vereinbarten Vergütung hat. Die einzige Möglichkeit der Träger, die vereinbarte Vergütung geltend zu machen, bestünde über den Umweg des Heimbewohners. Der Träger müsste den Heimbewohner auffordern, die vollständige – im Heimvertrag festgelegte – Vergütung zu bezahlen, also die gekürzten 5 % aus eigener Tasche zu ersetzen. Dazu ist dieser nicht in der Lage und müsste sich deshalb an den Sozialhilfeträger wenden und beantragen, die Leistung vollständig zu übernehmen. Wenn der Sozialhilfeträger dies ablehnte, könnte der Heimbewohner den Sozialhilfeträger verklagen, weil nur durch die vollständige Zahlung der Vergütung sichergestellt ist, dass der mit dem Kostenübernahmebescheid anerkannte sozialhilferechtliche Bedarf erbracht wird. Einer derartigen Klage würde – nach Aussagen des Vorsitzenden Richters im Laufe der mündlichen Verhandlung – höchstwahrscheinlich stattgegeben. Die vom Kläger vorgebrachten Argumente, die für einen eigenen Leistungsanspruch des Einrichtungsträgers sprechen, fanden keine Berücksichtigung. Der Sozialhilfeträger bedient sich des Einrichtungsträgers wie eines Beauftragten, wenn er den Leistungsanspruch des Hilfeempfängers in dessen Einrichtung erfüllen lässt. Dann muss er dem Einrichtungsträger aber auch die verursachten Aufwendungen voll erstatten. Die Aufwendungen, die bei der Erfüllung des Auftrags erstattungspflichtig sind, werden vorher in den Vergütungsvereinbarungen festgelegt und müssen dann auch vom Auftragnehmer eingeklagt werden können. Zumindest konkludent und gefestigt durch jahrelange Praxis tritt der Sozialhilfeträger durch die Übersendung einer Kopie des Kostenübernahmebescheides der Schuld des Heimbewohners bei. Jede andere Auffassung ist völlig praxisfern und erschwert die Beziehungen im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis dramatisch, weil ein Beteiligter – der Leistungserbringer – letztlich nur Risiken trägt und kaum realistisch durchsetzbare Rechte hat. Unzutreffend ist jedenfalls der Hinweis auf eine „angebotssteuernde Funktion“ der Vergütungsvereinbarung. Dies ist nach den seit 1996 geltenden §§ 93 ff. BSHG gerade nicht der Fall: nach dem Willen des Gesetzgebers sollte ein Wettbewerb zwischen den potentiellen Anbietern entstehen. Eine Bedarfsprüfung ist nicht bezweckt. Die Frage des Bedarfs darf kein EntscheidungsRechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 SOZIALHILFE kriterium bei der Ermessensprüfung sein, ob eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen ist. Ziel war lediglich, zu verhindern, dass Einrichtungen unwirtschaftlich arbeiten. Durch die Entscheidung des VG Augsburg wird nunmehr eine Klagewelle der Heimbewohner gegen den Sozialhilfeträger, ausgelöst durch die vertragswidrige Kürzung der Entgelte, die durch Zahlungsaufforderungen der Leistungserbringer an die Bewohner weitergegeben werden müssen, entstehen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Klagen dann zeitnah behandelt werden und der beklagte Sozialhilfeträger durch die zu erwartende Verurteilung zu rechtmäßigem und vertragstreuem Han- deln zurückfindet. Daneben wird der Kläger durch Einlegung der Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eine grundsätzliche obergerichtliche Rechtsprechung herbeiführen. Dies ist aus Gründen der Rechtssicherheit für die Einrichtungsträger dringend geboten. Es bleibt zu hoffen, dass der VGH eine der Praxis entsprechende Auffassung zum sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis vertritt. Mit der Auffassung des VG Augsburg wäre staatlicher Willkür und Leistungsgewährung nach Kassenlage der Kostenträger Tür und Tor geöffnet. (Ursula Schulz, Rechtsanwältin, Lebenshilfe Landesverband Bayern, Erlangen) Stellung eines Integrationshelfers ist Schulsache Erläuterungen zu den Urteilen des OVG für das Land NRW vom 09.06.2004 – Az: 19 A 1757/02 und 19 A 2962/02 von Norbert Schumacher Das OVG hatte in zwei ähnlich gelagerten Fallgestaltungen über die Frage zu entscheiden, ob der Sozialhilfeträger gegenüber dem Träger der Grundschule einen Anspruch auf Kostenerstattung (zzgl. Zinsen) wegen der Finanzierung eines Integrationshelfers für einen behinderten Schüler hat. In den genannten Verfahren hatte der örtliche Sozialhilfeträger die Kosten gemäß § 44 BSHG vorläufig übernommen. Im Verfahren 19 A 1757/02 hatte das Gericht über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Der im Februar 1990 geborene Schüler ist schwerbehindert und besuchte in der Zeit vom August 1997 bis Juli 2001 eine Gemeinschaftsgrundschule. Nach dem Besuch einer integrativen Kindertagesstätte bei Zurückstellung vom Schulbesuch für ein Jahr wurde der Schüler im August 1997 eingeschult. Zuvor hatte der Schulleiter der Grundschule einen Antrag auf Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs wegen einer geistigen Behinderung gestellt. Der Träger der Grundschule hatte dem Antrag der Eltern auf integrative Beschulung unter dem Vorbehalt zugestimmt, dass die Personalkosten des Integrationshelfers für die Betreuung in der Schule nicht übernommen werden könnten. Sozialhilfeträger zur Kostenübernahme verurteilt Die Eltern beantragten beim Sozialamt im Juni 1997 die Übernahme der Kosten für den Einsatz eines Zivildienstleistenden. Das Sozialamt lehnte die Gewährung von Eingliederungshilfe mit der Begründung ab, dass eine Selbsthilfe im Sinne des § 2 Abs. 1 BSHG durch Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 die vorrangige Inanspruchnahme des Schulträgers möglich sei, der in Kenntnis der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Zivildienstleistenden der Beschulung des Schülers zugestimmt und somit auch die notwendigen Kosten zu tragen habe. Auf die hiergegen gerichtete Klage verpflichtete das VG Arnsberg den Sozialhilfeträger, dem Schüler Leistungen der Eingliederungshilfe für den zu seiner schulischen Betreuung eingesetzten Integrationshelfer zu gewähren. In den Gründen führte das Gericht aus, dass zwar der Schulträger die Kosten für den Integrationshelfer grundsätzlich tragen müsse, da die schulbegleitende Betreuung durch einen Zivildienstleistenden in den Pflichtenkatalog des Schulträgers falle. Dieser Anspruch gegen den Schulträger genüge allerdings nicht, um den Nachrang der Sozialhilfe greifen zu lassen. Denn der Schüler habe keine rechtliche Handhabe, einen Anspruch gegenüber dem Schulträger kurzfristig durchzusetzen (Urteil vom 19.05.1999 – Az. 9 K 2297/98). Die hiergegen gerichtete Berufung wies das OVG NRW mit Urteil vom 15.06.2000 zurück (Az. 16 A 3108/99 – RdLh Nr. 4/2000, S. 168 f.). Mit der Klageerhebung macht der Sozialhilfeträger geltend, dass der beklagte Schulträger für die vorfinanzierten Kosten des Integrationshelfers erstattungspflichtig sei, weil dieser nach dem Schulfinanzgesetz für das Land NRW sämtliche Personalkosten für die nicht als Lehrer im Schuldienst tätigen Bediensteten zu tragen habe. Mit der Entscheidung des Schulamtes, den Schüler integrativ zu beschulen, sei ein Bedarf entstanden, der nicht durch den Träger der Sozialhilfe, sondern allein durch den Schulträger zu decken sei. Aufgrund der Erteilung der Zustimmung zur integrativen Beschulung sei der Schulträger nicht befugt gewesen, die Übernah- 159 SOZIALHILFE me der Personalkosten für den Einsatz von Integrationshelfern auszuschließen. Das Verfahren 19 A 2962/02 betraf eine ähnliche Fallgestaltung. Der Schulträger hatte dem Besuch der Grundschule unter dem Vorbehalt zugestimmt, dass die Finanzierung einer Betreuungsperson während der Schulzeit gesichert sei. Zunächst war als schulischer Förderort eine Schule für geistig Behinderte bestimmt worden. Für das 1. Schuljahr erfolgte die Finanzierung durch eine Spende, zum Beginn des 2. Schuljahres hatten die Eltern einen Antrag auf Sozialhilfe gestellt. Kostenerstattungspflicht des Schulträgers? Das VG Arnsberg hat die Klagen abgewiesen (Urteile vom 20.03.2002 – Az. 10 K 1529/00 und 10 K 2035/ 01), das OVG hat die erstinstanzlichen Entscheidungen bestätigt: Dem Sozialhilfeträger stehe der mit der Klage geltend gemachte Erstattungsanspruch gegen den Schulträger nicht zu. 1. Auf etwaige Kostenerstattungsansprüche des Schülers könne der Sozialhilfeträger sein Erstattungsbegehren schon deshalb nicht stützen, weil er einen vermeintlichen Anspruch des Schülers gegenüber dem Schulträger nicht auf sich übergeleitet habe (Anmerkung: Zur Verwirklichung des für die Sozialhilfe geltenden Nachrangprinzips hat der Sozialhilfeträger die Möglichkeit, Ansprüche des Hilfeempfängers gegenüber anderen, vorrangig verpflichteten Dritten gemäß § 90 BSHG auf sich überzuleiten). 2. Ob die sachlichen Voraussetzungen für einen dem Grunde nach bestehenden Erstattungsanspruch aus eigenem Recht nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag erfüllt seien oder sonst eine sonstige Anspruchsgrundlage in Betracht komme, könne dahinstehen. Denn dem Erstattungsbegehren stehe der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben sei die Geltendmachung von Ansprüchen unzulässig, wenn sie missbräuchlich erscheinen. Eine solche unzulässige Rechtsausübung liege dann vor, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs in objektiv rechtswidriger Weise begründet worden seien und der Anspruchsteller im Falle der Durchsetzung des Anspruchs grundlos Rechtsvorteile erhielte. Das sei hier der Fall, weil die Entscheidung des Schulträgers über den sonderpädagogischen Förderort objektiv rechtswidrig sei und der Sozialhilfeträger im Verhältnis zum Schulträger für die finanziellen Folgen der rechtswidrigen Entscheidung des Schulamtes aufzukommen habe. 160 3. Die Entscheidung des Schulamtes über den sonderpädagogischen Förderort sei objektiv rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für eine Unterrichtung des behinderten Schülers in der Grundschule nicht vorlagen. Gemäß § 7 Abs. 2 Schulpflichtgesetz NRW könne in der Primarstufe mit Zustimmung des Schulträgers die sonderpädagogische Förderung auch in der Grundschule erfolgen, soweit die Grundschule hierfür über die erforderliche personelle und sächliche Ausstattung verfüge. Diese Voraussetzungen haben nicht vorgelegen, weil die Grundschule nicht über die erforderliche personelle Ausstattung für die integrative Beschulung verfügte. Die Grundschule verfüge nur dann über die für eine integrative Beschulung erforderliche personelle Ausstattung, wenn die Integrationshelfer entweder durch das Land NRW als Lehrer oder durch den Schulträger als sonstige Bedienstete der Schule eingestellt worden seien. 4. Nach den Vorschriften des Schulfinanzgesetzes NRW gehörten die Kosten für den Einsatz von Integrationshelfern in Grundschulen und in weiterführenden allgemeinen Schulen zu den Schulkosten, bei denen eine ausschließliche Kostenträgerschaft des Landes NRW oder der Schulträger bestehe. Dies lasse eine Kostenträgerschaft durch Dritte, insbesondere private Dritte, nicht zu. Die Personalausgaben für den Einsatz von Integrationshelfern seien Schulkosten i. S. des Schulfinanzgesetzes NRW. Ohne ihren Einsatz hätte der Schüler die Grundschule nicht besuchen können. 5. Der Zuordnung der Personalausgaben für die Integrationshelfer zu den Schulkosten stehe nicht entgegen, dass die Kosten für eine Einzelbetreuung eines Schülers über das gewöhnliche Maß der pädagogischpflegerischen Betreuung erheblich hinausgingen. Ebenso wenig stehe entgegen, dass die Kosten im Zusammenhang mit der Deckung eines – vom Schulbesuch unabhängigen – allgemeinen Lebensbedarfes entstünden. Denn der allgemeine Lebensbedarfes eines Schülers sei kein zur Auslegung des Begriffs Schulkosten geeignetes Kriterium. Die Schule sei aufgrund ihres Erziehungs- und Bildungsauftrages verpflichtet, in der Schule einen „allgemeinen Lebensbedarf“ der Schüler zu decken. Erziehung und Bildung durch die Schule seien nämlich Teil des „allgemeinen Lebensbedarfs“ ihrer Schüler. Die im Schulorganisationsgesetz normierten Ziele verdeutlichten, dass die Unterscheidung zwischen einem vom Schulbesuch abhängigen Bedarf und dem allgemeinen Lebensbedarf kein für die Bestimmung der Schulkosten geeigneter Anknüpfungspunkt sei. Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 SOZIALHILFE Integrationshilfeleistungen sind Schulkosten Rechtsfolge der Zuordnung der Personalausgaben für den Einsatz von Integrationshelfern zu den Schulkosten sei, dass die Kosten vom Land NRW oder dem Schulträger zu tragen seien. Eine Kostenträgerschaft durch Dritte kenne das Schulfinanzgesetz nicht. Die Aufnahme eines Schülers in den gemeinsamen Unterricht dürfe nicht von der Erklärung der Eltern abhängig gemacht werden, die Kosten für eine Einzelbetreuung selbst zu tragen. Der Einsatz von Integrationshelfern aufgrund eines Auftrags der Erziehungsberechtigten eines Schülers sei deshalb mit den Vorgaben des Schulfinanzgesetzes nicht vereinbar. Die ausschließliche Kostenträgerschaft des Landes oder des Schulträgers in Bezug auf Personalkosten der Schule diene dem Zweck, sicherzustellen, dass zur Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrags der Schule nur solche Lehrer und andere Bedienstete tätig seien, auf deren Auswahl und konkrete Tätigkeit ein rechtlich hinreichend gesicherter Einfluss ausgeübt werden könne. Darüber hinaus müsse ein hinreichend rechtlich gesichertes Weisungsrecht des Lehrers gegenüber dem Integrationshelfer gewährleistet sein. Der Erziehungsund Bildungsauftrag der Schule werde gefährdet, wenn es dem Lehrer nur über Dritte möglich sei, dem Integrationshelfer verbindliche Anweisungen zu erteilen. Keine Pflicht zum Einsatz von Integrationshelfern Schließlich sei der Schulträger auch nicht verpflichtet gewesen, die personellen Voraussetzungen für eine integrative Beschulung des Schülers durch Begründung eines Dienstverhältnisses mit Integrationshelfern zu schaffen. Eine Verpflichtung zur Einstellung von Integrationshelfern ergebe sich nicht aus den schulrechtlichen Vorschriften. Die Verpflichtung des Schulträgers, Grundschulen zu errichten, begründe keine Verpflichtung zur Schaffung der personellen Voraussetzungen für die integrative Beschulung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Eine Pflicht der Beklagten zur Schaffung der Voraussetzungen für eine integrative Beschulung lasse sich weiter nicht aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz 1999 herleiten. Der Schulträger sei schließlich nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, die personellen Voraussetzungen für eine integrative Beschulung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu schaffen. Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 Für integrative Beschulung besteht Finanzierungsvorbehalt Zwar sei der Staat grundsätzlich gehalten, für behinderte Kinder und Jugendliche schulische Einrichtungen bereitzuhalten, die auch ihnen eine angemessene schulische Erziehung, Bildung und Ausbildung ermöglichten. Staatliche Maßnahmen zum Ausgleich einer Behinderung oder Beeinträchtigung stünden allerdings auch in Bezug auf die integrative Beschulung von Schülern unter dem Vorbehalt des finanziell, personell, sachlich und organisatorisch Möglichen. Die Überweisung in eine Sonderschule, die der Schüler besuchen müsse, wenn eine integrative Beschulung nicht in Betracht komme, stelle nur dann eine unzulässige Benachteiligung i. S. des Grundgesetzes dar, wenn der Besuch der allgemeinen Schule durch einen vertretbaren Einsatz von sonderpädagogischer Förderung ermöglicht werden könne, was sich im vorliegenden Fall nicht feststellen lasse. Berücksichtigung von Gemeinschaftsbelangen Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts obliege dem Gesetzgeber ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Einschätzungsspielraum bei der Entscheidung über die Einführung über Möglichkeiten integrativer Beschulungen, weil er bei seinen Entscheidungen auch andere Gemeinschaftsbelange berücksichtigen und sich die Möglichkeit erhalten müsse, die nur begrenzt verfügbaren öffentlichen Mittel für andere Belange einzusetzen, wenn er dies für erforderlich halte (BVerfG, Beschluss vom 08.10.1997 – Az. 1 BVR 9/97 – RdLh 4/1997, S. 187 ff.). Ein solcher Einschätzungsspielraum obliege auch dem Schulträger. Dieser müsse bei seiner Entscheidung nicht nur die grundrechtlichen Schutzwirkungen zugunsten der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, sondern auch andere Gemeinschaftsbelange berücksichtigen und abwägen. Der Träger der Schule habe eine Vielzahl von Selbstverwaltungs- und Pflichtaufgaben zu erfüllen. Die Haushaltswirtschaft sei so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert sei. Angesichts der nur begrenzt zur Verfügung stehenden gemeintlichen Mittel müsse der Träger Prioritäten setzen sowie unter Berücksichtung des Erfordernisses des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts die zahlreichen Aufgaben und die ihr hieraus entstehenden finanziellen Aufwendungen in eine umfassende Gesamtplanung einfügen. 161 SOZIALHILFE Einzelfallprüfung erforderlich Der Schulträger überschreite seinen Einschätzungsspielraum, wenn die Ablehnung, die personellen Voraussetzungen für eine integrative Beschulung zu schaffen, unter Berücksichtigung seiner finanziellen Möglichkeiten den Verhältnissen des Einzelfalls ersichtlich nicht gerecht werde, weil der Besuch einer Sonderschule anstelle einer integrativen Beschulung in einer allgemeinen Schule für die Entwicklung des jeweiligen Schülers offensichtlich nachteilig sei. Dies lasse sich im vorliegenden Fall nicht feststellen. Es sei nicht geltend gemacht, dass allein eine gemeinsame Unterrichtung an einer allgemeinen Schule gewährleiste, dass der Schüler eine angemessene Schulausbildung erhalte. Zustimmung zur Integration setzt Bereitschaft zur Kostentragung voraus Die Entscheidung des Kreisschulamtes über den schulischen Förderort sei auch deshalb rechtswidrig, weil die erforderliche Zustimmung des Schulträgers zur integrativen Beschulung nicht vorgelegen habe. Zwar habe dieser seine Zustimmung erteilt, sie sei jedoch unwirksam. Die Zustimmung habe den Vorbehalt enthalten, dass der Schulträger keine Personalkosten für den Einsatz von Integrationshelfern trage. Ein derartiger Vorbehalt verstoße gegen höherrangiges Recht, weil der Schulträger seine Zustimmung nur dann erteilen könne, wenn er zur Tragung der sächlichen und personellen Mehrkosten der gemeinsamen Unterrichtung eines Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf bereit und in der Lage sei. Wenn zur gemeinsamen Unterrichtung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf der Einsatz von Lehrern nicht genüge, sondern zusätzlich der Einsatz von Integrationshelfern erforderlich sei, müsse der Schulträger außerdem prüfen und entscheiden, ob er die personellen Mehraufwendungen durch den Einsatz von Integrationshelfern trage. Das Erfordernis der Zustimmung gemäß § 7 Abs. 2 und Abs. 4 Schulpflichtgesetz NRW habe den Zweck, den Schulträger vor der Entscheidung über den Förderort eines Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Prüfung zu ermöglichen, ob und inwieweit Mehrkosten bei der integrativen Beschulung anfielen, und ob er bereit und in der Lage sei, die Mehrkosten zu tragen. Nach Treu und Glauben seien die Folgen der objektiv rechtswidrigen Entscheidung des Schulamtes über den schulischen Förderort nicht dem Schulträger, sondern dem Sozialhilfeträger zuzurechnen. Ansonsten würde dieser grundlos einen Rechtsvorteil zu Lasten des Schulträgers erhalten. Aus § 18 Abs. 8 Schulverwal162 tungsgesetz NRW folge, dass der Kläger für die finanziellen Folgen sämtlicher Entscheidungen des Schulamtes aufzukommen habe. Nichts anderes ergebe sich daraus, dass der Kläger als örtlicher Sozialhilfeträger bei der Gewährung von Eingliederungshilfe an die Entscheidung des Schulamtes über den schulischen Förderort gebunden sei. Die Bindungswirkung bestehe nur im Verhältnis des Sozialhilfeträger zum Hilfeempfänger. Landesgesetzgeber muss Voraussetzungen für integrative Beschulung schaffen Der Senat verkenne nicht, dass angesichts der gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht auszuschließen sei, dass Schulträger in Anbetracht der allgemeinen kommunalen Haushaltslage aus Kostengründen nur noch in Einzelfällen die in ihrem Ermessen stehende Zustimmung zur integrativen Beschulung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf erteilten und deshalb ein Rückgang der an sich wünschenswerten integrativen Beschulung zu verzeichnen sein könnte, obwohl die integrative Beschulung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Schulpflichtgesetz NRW gleichrangig neben der sonderpädagogischen Förderung in einer Sonderschule stehe. Es sei Sache des Landesgesetzgebers, entweder das Land oder die Schulträger zu verpflichten, die personellen und sonstigen finanziellen Voraussetzungen für eine integrative Beschulung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu schaffen. Gegen die Entscheidungen hat der Senat die Revision nicht zugelassen. Bewertung Die Urteile stellen eine Kehrtwende in der Rechtsprechung des OVG zur Integrationshilfe in der Schule dar. Ziemlich genau vier Jahre vorher hatte der gleiche Senat für den gleichen Schüler die Stellung eines Integrationshelfers rechtlich als Eingliederungshilfe nach dem BSHG bewertet und eine vorrangige Leistungspflicht des Schulträgers verneint. Jetzt wendet der Senat das Territorialitätsprinzip an: Soweit und solange es um Integrationshilfe in der Schule gehe, sei dies Angelegenheit des Schulträgers, dem im Falle der Zuerkennung des Anspruchs auch die Kostentragungspflicht obliege. Die Entscheidung über die Bereitstellung einer Integrationshilfe stehe im Ermessen des Schulträgers, der fiskalische Gesichtspunkte berücksichtigen darf. Angesichts leerer Haushaltskassen wird damit de facto vielen behinderten Schülern in NRW der Zugang zur allgemeinbildenden Schule massiv erschwert. Schon die Notwendigkeit der Hilfe für den Toilettengang kann das Aus für die integrative Beschulung bedeuten. Jetzt ist Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 SOZIALHILFE der Landesgesetzgeber gefordert. Ansonsten würde der viel beschworene Paradigmenwechsel in der Behindertenhilfe durch die Schaffung von SGB IX und Gleichstellungsgesetzen geradezu konterkariert. Die Weichen für eine möglichst umfassende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden in der Kindheit gestellt. Kein Anspruch gegen die Schulverwaltung auf Bereitstellung eines Integrationshelfers OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.07.2004 – Az: 12 A 10701/04.OVG Der im Juni 1995 geborene Schüler leidet an Autismus verbunden mit einer leichten Intelligenzminderung und Verhaltensstörungen in Form von Angstzuständen. Den Antrag auf Kostenübernahme für einen Integrationshelfer als schulbegleitende Maßnahme in der Grundschule lehnte der Jugendhilfeträger mit der Begründung ab, dass Leistungen der Schulverwaltung gegenüber der Jugendhilfe vorrangig seien. Im gerichtlichen Eilverfahren wurde daraufhin der Jugendhilfeträger verpflichtet, dem Schüler vorläufig die Kosten für einen Integrationshelfer zum Besuch der Schule zu gewähren. Mit der Klage macht der Jugendhilfeträger im Wesentlichen geltend, dass es sich bei den Kosten des Integrationshelfers um Schulkosten handele. Die Schulbehörde sei verpflichtet, Kinder mit Lernschwierigkeiten und Lernstörungen in der Grundschule besonders zu fördern. Die Schule selbst habe einen uneingeschränkten Integrationsauftrag für behinderte Kinder. Die Förderpflicht nach dem Schulgesetz gehe Leistungen nach dem SGB VIII vor. Die Entscheidung einer Schulbehörde, Kinder, die einer besonderen Förderung bedürften, in einer Regelschule auf Kosten der Jugendhilfe zu unterrichten, greife unzulässig in die Selbstverwaltungsgarantie des Landkreises nach Art. 28 Grundgesetz ein. Ihm fehlten so die Mittel für die Erfüllung weiterer Selbstverwaltungsaufgaben. Schon jetzt könne der Kreis seine Selbstverwaltungsaufgaben wegen des defizitären Haushaltes nicht alle erfüllen. Das OVG hat die erstinstanzliche Entscheidung des VG Neustadt an der Weinstraße vom 26.02.2004 (Az. 2 K 2673/03.NW) bestätigt und einen Anspruch gegen die Schulver waltung auf Bereitstellung eines Integrationshelfers oder auf Übernahme der dadurch bedingten Kosten zum Besuch der Grundschule verneint. Zunächst lasse sich aus den landesrechtlichen Schulgesetzen keine dahin gehende Verpflichtung her- leiten. Auch seien Beschränkungen der Selbstverwaltung mit Art. 28 Grundgesetz vereinbar, soweit sie deren Kernbereich unangetastet ließen. Die zum Kernbereich zählende Finanzausstattungsgarantie sei erst dann verletzt, wenn das Selbstverwaltungsrecht ausgehöhlt und einer sinnvollen Betätigung der Selbstverwaltung die finanzielle Grundlage entzogen werde. Eine Verletzung der Finanzausstattungsgarantie im oben beschriebenen Sinne liege nicht vor. Kritik an der gegenwärtigen Rechtslage Schließlich stehe dem Kläger auch kein Erstattungsanspruch zu, weil er nach dem SGB VIII kompetenzmäßige Hilfe leiste. Der Senat verkenne allerdings nicht, dass die geltende Rechtslage für die Träger der Sozialhilfe und der öffentlichen Jugendhilfe unbefriedigend sei. Die vermehrte integrative Unterrichtung behinderter Kinder außerhalb von Sonderschulen führe zu einer Kostenverlagerung aus dem Bereich der Schulverwaltung auf die Träger der Sozialhilfe und der öffentlichen Jugendhilfe. Dem könne dadurch Rechnung getragen werden, indem weitergehende Förderverpflichtungen der Schule oder Erstattungsverpflichtungen des Landes eingeführt werden. Andernfalls werde zu prüfen sein, in wieweit das Land nach seiner Verfassung den Gemeinden und Gemeindeverbänden die zur Bereitstellung von Integrationshelfern erforderlichen Mittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern habe. Anmerkung Vergleiche hierzu auch die vorstehend erläuterten und im Ergebnis anders lautenden Urteile des OVG für das Land NRW. (Sch) Autismustherapie als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung OVG Lüneburg, Beschluss vom 19.04.2004 – Az: 12 ME 78/04 Der 1992 geborene und an frühkindlichem Autismus leidende Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung einer ambulanten Autismustherapie als Hilfe zu einer angemessenen Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 Schulbildung im Sinne der §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 4 BSHG. Die Vorinstanz (Urteil des VG Braunschweig vom 03.02.2004, Az. 3 B 384/03) hatte entschieden, dass es sich bei der vom Antragsteller begehrten Autismus163 SOZIALHILFE therapie um eine Leistung zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft im Sinne der §§ 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG i. V. m. § 55 SGB IX handele, die nur einkommensabhängig zu gewähren sei. Das OVG hat dem Antrag stattgegeben und den Leistungsträger zur einkommensunabhängigen Hilfeleistung verpflichtet. Entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichtes handele es sich vorliegend um eine Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung. Wie das Gericht bereits in seiner Entscheidung vom 17.12.2002 (vgl. RdLh 1/03, S. 17 f.) entschieden habe, genüge für die Annahme einer Verpflichtung des Sozialhilfeträgers, die Kosten einer Autismustherapie als Eingliederungshilfeleistung i. S. der §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 4 BSHG zu übernehmen, wenn diese Therapie als heilpädagogische Maßnahme erforderlich und geeignet sei, den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht in dem Sinn zu erleichtern, dass das betroffene Kind in die Lage versetzt werde, die Schule erfolgreicher zu besuchen. Dass diese Voraussetzung erfüllt sei, könne jedenfalls für das Eilverfahren mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Bei dem Anspruch handele es sich um eine sog. MussLeistung. Der zunächst nur begrenzte Leistungszeitraum ermögliche eine zeitnahe Erfolgskontrolle. Im Übrigen müsse die eingliederungshilferechtliche Behandlung von Autismustherapien bei schulpflichtigen behinderten Kindern und Jugendlichen nicht stets als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung qualifiziert werden. Voraussetzung hierfür sei vielmehr einerseits eine genaue Untersuchung des bestehenden individuellen Förderbedarfs und dessen Abdeckung durch die jeweils besuchte Einrichtung, andererseits die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Therapie für einen jedenfalls erleichterten bzw. erfolgreicheren Schulbesuch. Weiterhin müsse auch der Gesichtspunkt einer etwaigen Überforderung des behinderten Kindes oder Jugendlichen durch mehrere Therapieformen Berücksichtigung finden. Diese Gesichtspunkte seien jedoch im Eilverfahren nicht zu prüfen. Anmerkung Die Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung sind ab dem 01.01.2005 in § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII geregelt. Die Vorschrift ist weitgehend unverändert aus dem BSHG übernommen worden. Die einkommensunabhängige Leistungsgewährung bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ergibt sich ab 01.01.2005 aus § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII. (Sch) Zur Leistungspflicht der Sozialhilfe für Brillengläser Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 02.09.2004 – Az: 12 CE 04.979 und VG Regensburg, Beschluss vom 27.05.2004 – Az: RO 8 E 04.1007 Bedürftige können auch weiterhin einen Anspruch darauf haben, dass ihre Kosten für Brillengläser durch das Sozialamt getragen werden. Das haben der Bayerische VGH und das VG Regensburg in den o.g. Beschlüssen festgestellt. Dem beim Bayerischen VGH anhängigen Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Antragsteller ist im Alltagsleben und bei der Arbeit nach fachärztlichem Attest auf eine Bifocalbrille (Brillengläser mit Leseteil) angewiesen. Sein Sehfehler liegt bei mehr als 4 Dioptrien. Der Antragsteller bezieht Arbeitslosenhilfe und erhält vom Sozialamt ergänzende Sozialhilfe. Das Sozialamt hatte die Kostenübernahme für die Brillengläser in Höhe von 212 EURO abgelehnt, weil nach § 1 der Regelsatzverordnung seit dem 1. Januar 2004 die Kosten für Brillengläser aus dem Sozialhilfe-Regelsatz zu bestreiten seien. Das VG München hatte den Sozialhilfeträger mit Beschluss vom 17.03.2004 (Az. M 15 E 04.736) verpflichtet, die Kosten für die Brillengläser vorläufig als Darlehen zu gewähren. 164 Brillengläser zählen zum notwendigen Lebensunterhalt Nach Ansicht des VGH hat der sozialhilfebedürftige Antragsteller nicht nur einen Darlehensanspruch, sondern einen weitergehenden Anspruch auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt in Form einer einmaligen Geldleistung für die Kosten der Brillengläser (§§ 11, 12, 21 Abs. 2 BSHG). Die Brillengläser gehörten zum notwendigen Lebensunterhalt i. S. von § 12 BSHG. Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 BSHG seien einmalige Leistungen auch zu gewähren, wenn der Hilfesuchende zwar keine laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt benötige, den Lebensunterhalt jedoch aus eigenen Kräften und Mitteln nicht voll beschaffen könne. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatzverordnung gehörten zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens auch die laufenden Leistungen u. a. für Kosten bei Krankheit. Der Gesetzgeber habe mit den am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Neuregelungen deutlich gemacht und klargestellt, dass u.a. notwendige Sehhilfen vom Leistungskatalog des BSHG erfasst werden, bzw. dass Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 SOZIALHILFE es sich um einen sozialhilferechtlich anzuerkennenden Bedarf handele, der durch Leistungen des Sozialhilfeträgers zu decken sei. Insofern sei es unerheblich, dass einem Sozialhilfeempfänger diese Leistungen nicht mehr wie bisher als Leistungen der „Hilfe bei Krankheit“ gemäß §§ 36 bis 38 BSHG, sondern als Leistungen der „Hilfe zum Lebensunterhalt“ gewährt werden. Der notwendige Bedarf bestimmt sich nicht nach dem Recht der Krankenversicherung Der Umstand, dass die gesetzlichen Krankenkassen diese Leistung ihren Versicherten nicht mehr gewährten, diene deren finanzieller Entlastung, um das System der gesetzlichen Krankenversicherung aufrecht zu erhalten. Eine Begrenzung oder Minderung der von den Sozialhilfeträgern zu erbringenden Leistungen habe der Gesetzgeber mit den Neuregelungen nicht gewollt. Die Hilfe zum notwendigen Lebensunterhalt habe den im Einzelfall notwendigen Bedarf in voller Höhe zu befriedigen. Deshalb könne es auch nicht darauf ankommen, welche Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse nach früherer Rechtslage übernommen worden seien. Maßgebend sei allein der tatsächlich notwendige Bedarf. Der Senat ist der Überzeugung, dass Art. 29 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) mit § 22 Abs. 1 BSHG nicht vereinbar und § 1 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatzverordnung deshalb nicht anwendbar ist. Der von der Landesregierung gemäß § 22 Abs. 2 BSHG festgesetzte Regelsatz decke entgegen Art. 29 GMG keine einmaligen Bedarfe ab. Der Verordnungsgeber konnte und kann „Leistungen für Kosten bei Krankheit“ bei der Festsetzung der Regelsätze nicht berücksichtigen. Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 BSHG seien die Regelsätze so zu bemessen, dass der laufende Bedarf dadurch gedeckt werden könne. Eine Regelsatzleistung, mit der auch einmalige Bedarfe abgedeckt werden, gebe es nicht und könne nach der geltenden Rechtslage nicht festgesetzt werden. Für das geltende Recht regele Art. 29 GMG folglich etwas nicht Mögliches. Die Vorschrift sei mit § 22 BSHG nicht zu vereinbaren, da sie mit dem Leistungssystem des Bundessozialhilfegesetzes nicht in Einklang zu bringen sei. Zu den Gegebenheiten, die bei der Gestaltung eines Gesetzes beachtet werden müssten, gehöre auch die Rücksichtnahme auf die gebotene Einheit der Rechtsordnung. Die Rechtsordnung dürfe nicht in sich widersprüchlich sein. Neue Regelsatzverordnung ist mit dem BSHG nicht vereinbar Die Änderung des § 1 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatzverordnung durch Art. 29 GMG bringe eine gesetzliche Ungereimtheit mit sich. Nach dem bisherigen Leistungssystem des BSHG würden nur die laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach Regelsätzen gewährt, wobei die Regelsätze so zu bemessen seien, dass der laufende Bedarf und nicht der einmalige Bedarf dadurch gedeckt werden könne. Nach dem gesetzgeberischen Willen sollen nunmehr auch alle im Einzelfall nicht mehr von der Krankenkasse gewährten medizinischen Leistungen und damit auch einmalige Bedarfe von Beziehern von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt aus den ihnen gewährten Regelsätzen bestritten werden. Der Gesetzgeber belaste damit die Regelsätze mit Anteilen einmaliger Leistungen der Krankenhilfe und habe dazu keinerlei Regelungen über eine etwaige Anpassung der Regelsätze getroffen. Das sei systemwidrig und widersprüchlich. Nach allem weiche der Gesetzgeber mit § 1 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatzverordnung von dem Leistungssystem der §§ 21 und 22 BSHG ab, ohne dieses zu ändern. Die Vorschrift sei mit dem BSHG nicht vereinbar. Die Abweichung von einem sonst befolgten Prinzip indiziere einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot. Der Zwang, Geld zu sparen, berechtige nicht dazu, eine systemwidrige Abweichung vorzunehmen, sondern mache es erforderlich, das ganze System zu korrigieren. Der VGH sieht nur im Hinblick darauf, dass es sich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes handelt, von einer Vorlage nach Art. 100 GG zum Bundesverfassungsgericht ab. Auch das VG Regensburg hat den Sozialhilfeträger zur Kostenübernahme verpflichtet. Die Antragstellerin habe einen Anspruch auf eine einmalige Leistung der Sozialhilfe für die Anschaffung einer neuen Brille. Sie könne die angemessenen Kosten für die erforderliche Anschaffung einer neuen Brille im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt geltend machen. Die Versorgung mit einer notwendigen Sehhilfe gehöre zu den elementaren Bedürfnissen, deren Befriedigung Aufgabe der Hilfe zum Lebensunterhalt sei. Die Kosten für die erforderliche Anschaffung einer Brille aus dem Regelsatz aufzubringen, würde Sinn und Zweck des Rechtsinstitutes „Regelsatz“ zuwider laufen, der lediglich den laufenden Bedarf decken solle. Der Höhe nach sei der Anspruch beschränkt auf die notwendige Bedarfsdeckung. Es sei davon auszugehen, dass eine ausreichende Versorgung mit den Festbeträ- Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 165 SOZIALHILFE/GRUNDSICHERUNG gen gewährleistet werde, die im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gelten. Nach der vom Gericht eingeholten Auskunft beliefen sich die Festbeträge für die der Antragstellerin zustehenden Bifokal-Gläser auf ca. 80 EURO. Zu diesem Preis seien die Gläser auch tagsächlich bei den großen Optikanbietern erhältlich. Setze man die Kosten für ein einfaches Brillengestell mit ca. 20 EURO an, so ergebe sich ein der Antragstellerin zu gewährender Betrag von 100 EURO. Anmerkung Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof kritisiert in beachtenswerter Deutlichkeit die Gesetzgebungstätigkeit des Gesetzgebers im Rahmen der jüngsten Gesundheitsreform. Im Hinblick auf Sozialhilfeempfänger sei unpraktikables Recht geschaffen worden (vgl. hierzu auch den Beitrag im Rechtsdienst der Lebenshilfe Nr. 3/04, S. 123 ff.: Das Dilemma der Rechtsprechung zur Kostenübernahme von Gesundheitsleistungen durch die Sozialhilfe). Das vom Gericht angesprochene Leistungssystem des BSHG mit der Unterscheidung zwischen laufenden Leistungen (Regelsatz) und einmaligen Bedarfen wird im Rahmen der Einordnung der Sozialhilfe in das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) geändert. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII wird künftig der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Sonderbedarfe nach den §§ 30 bis 34 SGB XII nach Regelsätzen erbracht. Nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift werden die Regelsätze so bemessen, dass der Bedarf nach Abs. 1 dadurch gedeckt werden kann. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass Sehhilfen im Wert von mehreren 100 EURO wie im vorliegenden Fall von den Regelsätzen erfasst werden, dürfte nach neuem Recht für derartige Fallkonstellationen § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII gelten: Danach werden die Bedarfe u.a. abweichend festgelegt, wenn im Einzelfall ein Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von dem durchschnittlichen Bedarf abweicht. (Sch) Keine Anrechnung des Kindergeldes auf Leistungen der Grundsicherung Niedersächsisches OVG, Urteil vom 30.09.2004 – Az: 12 LC 144/04 (nicht rechtskräftig, Revision ist eingelegt) Die Klägerin ist eine vollerwerbsunfähige Behinderte, die im Haushalt ihrer Eltern lebt. Der beklagte Landkreis Gifhorn gewährt ihr Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz unter Anrechnung des für sie an ihre Eltern gezahlten Kindergeldes. Der hiergegen gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht Braunschweig mit Urteil vom 11.03.2004 (Az. 3 A 406/03) mit der Begründung stattgegeben, Kindergeld sei Einkommen der Eltern, nicht des Kindes, und könne nur dann angerechnet werden, wenn es in einem gesonderten, zweckorientierten Zuwendungsakt weitergegeben werde. Die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung des Beklagten hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Es hat sich der Auffassung angeschlossen, dass das nach § 31 EStG und §§ 62 ff. EStG gezahlte Kindergeld nicht Einkommen des Kindes sei, für das es gezahlt werde, sondern es sich grundsätzlich um Einkünfte des Kindergeldberechtigten, d. h. regelmäßig der Eltern, handele. Nach der – zur Berücksichtigung von Kindergeld bei Sozialhilfeleistungen – ergangenen Rechtsprechung des Bundes166 verwaltungsgerichts hänge die Möglichkeit, Kindergeld als Einkommen des Kindes auf gewährte Sozialleistung anrechnen zu können, davon ab, ob im Einzelfall die zweckorientierte, mit Rücksicht auf das Kind dem jeweils Anspruchsberechtigten gewährte Sozialleistung an das Kind weitergereicht werde, ihm also zugewendet werde. Voraussetzung für die Anrechnung sei daher die unverzichtbare Feststellung, dass die zweckorientierte Leistung dem Kind zugewendet werde. Das sei nicht schon dann der Fall, wenn das Kindergeld dem Kind im Rahmen des ihm im Haushalt gewährten Familienunterhalts als Naturalleistung, wie z. B. Unterkunft, Kost oder Bekleidung, zugute komme. Es genügt deshalb nicht, dass das Kindergeld in einen „gemeinsamen Topf“ fließe, aus dem der Aufwand für den Lebensunterhalt der Haushaltsgemeinschaft insgesamt bestritten werde. Erforderlich sei vielmehr, dass der Lebensunterhalt des Kindes gerade mittels des zweckorientierten und mit Rücksicht auf das Kind gewährten Kindergelds, d. h. gerade aus dem Kindergeld, bestritten werde. Diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 60, 18 ff.) sei auf die EinkommensanRechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 GRUNDSICHERUNG rechnung bei Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz übertragbar. Die Vermutung der Vorteilszuwendung könne auch nicht auf eine entsprechende Anwendung von § 16 BSHG gestützt werden. Denn die im Gesetzentwurf noch vorgesehene Verweisung auf diese Rechtsvorschrift sei im Gesetzgebungsverfahren gestrichen worden (ebenso: VGH München, Urteil vom 09.02.2004, Az. 12 B 03.2299). Auch aus der künftigen Gesetzeslage nach § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII könne eine Anrechnung des Kindergelds nicht abgeleitet werden, da diese nur für Minderjährige, aber nicht für volljährige Grundsicherungsbezieher gelte. Darüber hinaus halte es der Senat nicht für zulässig, die Entscheidung des Gesetzgebers, Unterhaltsansprüche behinderter Kinder gegenüber ihren Eltern in den Fällen des § 2 Abs.1 S.3 GSiG nicht zu berücksichtigen, dadurch zu unterlaufen, dass Teile des Elterneinkommens, wie etwa das Kindergeld oder der Ortszuschlag, unabhängig von der Einkommenshöhe auf die nach dem Grundsicherungsgesetz gewährten Leistungen angerechnet würden. Für die Nichtanrechnung des Kindergelds spreche auch ein Vergleich zu den stationär untergebrachten Behinderten. Diesen verbliebe der Kindergeldanspruch, ihr Unterhaltsbeitrag sei auf 26 EURO beschränkt. Eine Anrechnung des Kindergelds benachteilige daher finanziell erwachsene Behinderte, die von ihren Eltern zu Hause betreut werden. Dies könne auch einen ökonomischen Anreiz für eine stationäre Unterbringung bedeuten, die der Gesetzgeber verhindern wollte (BR-Drs. 764/00). Die abweichende Ansicht des OVG NRW (Beschluss vom 02.04.04, Az.12 B 1577/03), das Kindergeld sei zwar nicht als Einkommen, wohl aber bedarfsmindernd zu berücksichtigen, vermöge nicht zu überzeugen. Die nicht näher belegte Annahme, bei „lebensnaher Betrachtung“ liege eine tatsächliche Unterhaltsgewährung in Höhe gerade des Kindergeldes vor und begründe faktisch eine „unwiderlegbare Vermutung der Vorteilszu- wendung“, sei mit der Rechtsprechung des BVerwG nicht vereinbar, wonach das Kindergeld keine zu einem ausdrücklichen Zweck gewährte Leistung i. S. d. § 77 Abs.1 BSHG sei, (Urteil vom 22.12.98, BVerwGE 108, 222). Für den Fall der Erziehung eines Kindes in einer betreuten Wohnform habe das BVerwG entschieden, dass im Rahmen eines fortbestehenden Eltern/ Kindkontaktes auch eine Heimunterbringung Raum gebe für eine besondere Zweckbestimmung des Kindergelds, zur wirtschaftlichen Entlastung der kindbedingten Mehrkosten der allgemeinen Lebensführung beizutragen. Dies gelte in gleicher Weise, wenn das Kind mit den Eltern in häuslicher Gemeinschaft lebt. In diesem Fall seien die von den Eltern zu tragenden Aufwendungen (z. B. für gemeinsame Unternehmungen, erhöhte Haushaltskosten, Kosten für Fahrten zu Ärzten und Therapien) regelmäßig erheblich höher als bei einer Heimunterbringung. Die Anrechnung von Kindergeld sei auch nicht, wie nach Ansicht des OVG NRW, geboten, um eine nicht gerechtfertigte Besserstellung gegenüber Grundsicherungsbeziehern zu vermeiden, an die das Kindergeld nach § 74 Abs. 1 EstG unmittelbar ausgezahlt werde. Dass behinderte volljährige Kinder, deren Eltern ihrer Unterhaltspflicht nachkommen, materiell besser gestellt seien, sei zwar zutreffend. Derartige Unterschiede wurzelten jedoch ausschließlich im familiären Bereich, es sei aber nicht Aufgabe des Grundsicherungsgesetzes, diese Unterschiede zu nivellieren. Die von dem Beklagten geltend gemachte Verfassungswidrigkeit des Grundsicherungsgesetzes aufgrund der Regelung des § 4 GSiG sei nicht entscheidungserheblich, da die dort getroffene Zuständigkeitszuweisung landesrechtlich überlagert sei durch § 1 des niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Grundsicherungsgesetz (NdsAG-GSiG), der die Zuständigkeit der Leistungsgewährung auch dem Beklagten zugewiesen habe. Die finanziellen Folgen würden im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs nach § 2 NdsAG-GSiG berücksichtigt. (We) Grundsicherungsanspruch für Schüler VG Halle, Urteil vom 23.08.2004 – Az: 4 A 266/04 HAL Die Klägerin ist geistig behindert, sie erhält Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 und hat einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen G, H und RF. Es wurde nach Volljährigkeit noch während der Schulzeit ein Antrag auf Grundsicherungsleistungen für sie gestellt. Dies wurde von dem beklagten Grundsicherungsamt abgelehnt, da der Antragsberechtigung der Klägerin nach § 1 Nr. 2 GSiG der Besuch einer Sonderschule für geistig Behinderte entgegenstehe. Dies ergebe sich im wesentlichen aus Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 einer vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen Broschüre. Dort sei ausgeführt, dass bei behinderten jungen Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, von einer Erwerbsminderung und damit von einer Antragsberechtigung im Sinne der Grundsicherung noch nicht auszugehen sei, solange sich diese Menschen in Schul- oder Berufsausbildung befänden. 167 GRUNDSICHERUNG/GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG Dieser Auffassung folgte das Verwaltungsgericht nicht. Zu dem Personenkreis des § 1 Nr. 2 GSiG gehörten Personen, bei denen das Kriterium der Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung vorliegen müsse, sodass der Betroffene auf Dauer nicht in der Lage sei, seine Arbeitskraft zum Erwerb des Lebensunterhaltes einzusetzen. Weitere Voraussetzungen bestünden für die Antragsberechtigung nicht. Nach den vorgelegten Unterlagen sei ersichtlich, dass bei der Klägerin eine volle Erwerbsminderung vorliege, da sie vermutlich nicht in der Lage sei, auf Grund der Schwere ihrer Behinderung in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt zu werden. Da die Eltern der Klägerin ihr gleichwohl die Teilnahme an einer Sonderschule ermöglicht hätten, dürfe die Klägerin nicht gegenüber solchen Behinderten benachteiligt werden, die über eine ähnliche Grunderkrankung verfügten, bei denen aber mangels Erfolgsaussicht von dem Besuch einer Sonderschule abgesehen werde, die dann aber nach Auffassung der Beklagten antragsberechtigt für Grundsicherungsleistungen seien. Vor diesem Hintergrund bestünde auch für die Klägerin für die Zeit des Schulbesuchs ein Anspruch auf Leistung nach dem Grundsicherungsgesetz. Hierbei dürfe das ausgezahlte Kindergeld in Höhe von monatlich 154 EURO nicht als Einkommen der Klägerin bedarfsmindernd in Einsatz gebracht werden. (Mitgeteilt von Rechtsanwalt Döpke, Lutherstadt Eisleben) Zur häuslichen Krankenpflege in Wohngemeinschaften LSG Berlin, Urteil vom 05.05.2004 – Az: 9 KR 759/01 Die 1931 geborene Klägerin bedarf infolge eines im Jahre 1999 erlittenen Schlaganfalls der Pflege. Sie bewohnt in einer insgesamt 145 qm großen Wohnung ein 14 qm großes Zimmer. Neben der Klägerin wohnen in der Wohnung regelmäßig fünf weitere Menschen, die, wie die Klägerin, ebenfalls pflegebedürftig sind. Alle Bewohner der Wohngemeinschaft zahlen ein monatliches Entgelt in eine Haushaltskasse. Aus dieser Kasse werden u. a. die Lebensmitteleinkäufe bezahlt. Soweit sie dazu gesundheitlich in der Lage sind, nehmen die Bewohner am Einkauf und auch an der Zubereitung der Speisen teil. Über die Ausstattung und Möblierung der Wohnung entscheiden sie allein, ebenso darüber, wer bei Auszug oder Tod eines Bewohners neu einzieht. Die Tagesstrukturierung erfolgt entsprechend den individuellen Wünschen und Bedürfnissen. Durch den Mietvertrag ist der Vermieter neben der Überlassung des Gebrauchs der Mietsache lediglich zur ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung der Mietsache verpflichtet. Wegen eines Stauungsekzems erhielt die Klägerin aufgrund ärztlicher Verordnung häusliche Krankenpflege in Form von Behandlungspflege. Die beklagte Krankenkasse lehnte die Übernahme der Kosten mit der Begründung ab, dass Behandlungspflege nur in dem eigenen Haushalt des Versicherten gewährt werden könne. Bewohner therapeutischer Wohngemeinschaften führten jedoch keinen eigenen Haushalt, so dass Leistungen der häuslichen Krankenpflege nicht gewährt werden könnten. 168 Eigener Haushalt in Wohngemeinschaft möglich Das SG Berlin hat die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 23.07.2001 abgewiesen (Az. S 87 KR 803/ 01). Die Klägerin verfüge über keinen eigenen Haushalt, da ein solcher schon begrifflich ein gewisses Maß an eigenwirtschaftlichem Haushalten voraussetze, wozu die Klägerin aber nicht fähig sei. Das LSG hat der Berufung stattgegeben und die Krankenkasse zur Kostenerstattung für die Behandlungspflege verurteilt. Denn die Klägerin habe die Behandlungspflege in ihrem eigenen Haushalt erhalten. Das von der Klägerin angemietete Zimmer sowie die von ihr genutzten Gemeinschaftsflächen seien ihr Haushalt im Sinne des Gesetzes. Nach Ansicht des Senats ist nicht Voraussetzung für die Gewährung von Behandlungspflege als häusliche Krankenpflege, dass ein gewisses Maß an eigenwirtschaftlichem Haushalten gegeben sein müsse. Diese Auffassung hätte zur Folge, dass Versicherte wegen der möglicherweise fehlenden Fähigkeit, eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen, Behandlungspflege selbst in ihrer eigenen Wohnung nicht erhalten könnten. Dies würde u.a. dem gesetzgeberischen Zweck des Betreuungsrechts, dem zu Betreuenden ein Höchstmaß an Autonomie zu belassen, widersprechen. Bei der Umschreibung des Aufenthaltsortes des Versicherten im Rahmen der Behandlungspflege sei es dem Gesetzgeber vor allem um die Abgrenzung zur Leistungserbringung im stationären Bereich gegangen. Der Anspruch des Versicherten auf Behandlungspflege Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG könne deshalb ebenso wie im Bereich der Pflegeversicherung nicht davon abhängen, ob er sich zu Hause aufhalte. Im Hinblick auf den vorrangigen Zweck der Behandlungspflege, das Ziel der ärztlichen Behandlung zu sichern, sei der Aufenthaltsort des Versicherten – sofern nicht Krankenhausbehandlung oder vollstationäre Pflege vorliegen – ohne Belang. Dies sei hier der Fall, da die der Klägerin gewährte Behandlungspflege nicht in einem Krankenhaus und auch nicht im Rahmen einer Heimpflege erfolge. Die Heimunterbringung setze schon begrifflich neben der Überlassung einer Unterkunft die Gewährung oder Vorhaltung von Verpflegung und Betreuung voraus (§ 1 Abs. 1 Heimgesetz). Zu einer solch umfassenden Leistungserbringung „aus einer Hand“ sei der Vermieter der Klägerin nicht verpflichtet. Die von der Klägerin gewählte Wohnform stelle schließlich auch keine unzulässige Umgehung des Heimgesetzes dar. Zwischen dem Abschluss des Mietvertrages und dem Abschluss des Pflegevertrages bestehe kein zwingender Zusammenhang. Der Bestand des Mietvertrages sei von dem Bestand des Pflegevertrages nicht abhängig. Die Leistungspflicht des Pflegeunternehmens beschränke sich im Übrigen auf die Erbringung ambulanter Pflegeleistungen. Nach alledem handele es sich in dem hier vorliegenden Fall um eine Form des sog. betreuten Wohnens, die auch nach dem Willen des Gesetzgebers von der stationären Heimunterbringung abzugrenzen sei. Anmerkung Das LSG macht den Anspruch auf häusliche Krankenpflege gemäß § 37 SGB V davon abhängig, ob es sich bei der gewählten Wohnform um ein Heim i. S. des Heimgesetzes oder um betreutes Wohnen handelt, das nicht dem Heimgesetz unterstellt ist. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang die Frage offen gelassen, ob bei einer doppelten Funktion des Leistungsanbieters als Vermieter und als Pflegeanbieter oder sofern der Vermieter die Versorgungs- und Betreuungsleistungen durch Dritte erbringen lässt, von einer Heimbetreuung i. S. des Heimgesetzes auszugehen ist. Siehe hierzu auch das Urteil des SG Münster vom 09.12.2002 (RdLh Nr. 2/2003, S. 68 f.). (Sch) Zahlungsanspruch für Leistungen nach Auslaufen der Vergütungsvereinbarung BSG, Urteil vom 13.05.2004 – Az: B 3 KR 2/03 R Streitig ist die Vergütung für ambulante Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Die Klägerin bietet häusliche Krankenpflegedienste an, die Beklagte ist eine Krankenkasse. Der bestehende Rahmenvertrag und die damit verbundene Vergütungsvereinbarung waren von der Beklagten zum Ende des Jahres 1997 gekündigt worden. Die Klägerin versorgte gleichwohl in den Jahren 1998 und 1999 weiterhin auch Versicherte der Beklagten und stellte dafür die früheren Beträge in Rechnung. Die beklagte Krankenkasse zahlte daraufhin nur deutlich niedrigere Beträge mit der Begründung, zu diesen Preisen hätte sie die Versorgung ihrer Versicherten durch andere Pflegedienste sicherstellen können. Mit der Klage begehrt der Pflegedienst die Verurteilung der beklagten Krankenkasse zur Zahlung der in dem gekündigten Rahmenvertrag festgelegten (höheren) Vergütung. Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg. Die Beklagte sei unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zur Zahlung verpflichtet. Ebenso wie die Vorinstanzen verneinte das BSG jedoch einen vertraglichen Anspruch. Die bloße Behandlung von Versicherten trotz Kenntnis der fehlenden Einigung über die Bezahlung könne nicht als schlüssige AnnahRechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 me des Angebots der Beklagten bewertet werden. Der Senat hat offen gelassen, ob der objektive Wert der Leistung der Klägerin nach den geltend gemachten marktüblichen Preisen zu bemessen sei, die die Mehrzahl der Krankenkassen zahlten, oder ob es subjektiv auf den Aufwand ankomme, den die Beklagte durch die Leistung der Klägerin erspare. Denn beides stimme hier überein. Die Beklagte habe den Nachweis versäumt, dass ihr die Versorgung ihrer Versicherten durch Vereinbarungen mit anderen Leistungserbringern zu niedrigeren Vergütungssätzen möglich gewesen wäre. Mit der Benennung nur eines Pflegedienstes, der zu den von ihr angebotenen Preisen die häusliche Pflege durchführe, habe sie nicht den Nachweis erbracht, dass sie damit ihren gesetzlichen Auftrag zur Versorgung ihrer mit häuslicher Krankenpflege bei Auswahlmöglichkeiten der Versicherten und mehreren Leistungserbringern hätte erfüllen können. Der Fall möge anders zu beurteilen sein, wenn die beklage Krankenkasse weitere Pflegedienste benannt hätte, mit denen sie in dem hier streitigen Zeitraum ebenfalls Vergütungsvereinbarungen zu niedrigeren Sätzen abgeschlossen hatte, und wenn sie zudem nachgewiesen hätte, dass dadurch die Ver169 GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG sorgung ihrer Versicherten gesichert gewesen wäre. Die Folgen dieses fehlenden Nachweises treffe nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast die beklagte Krankenkasse. Deshalb könne auch von einer „aufgedrängten Bereicherung“ keine Rede sein. aller Sozialgesetzbücher verneint, soweit keine anders lautende spezialgesetzliche Regelung vorhanden ist. Das Gleiche gilt für das Verneinen eines „allgemeinen Fortgeltungsgrundsatzes“ dergestalt, dass die bisherige Vergütungsvereinbarung trotz Kündigung bis zum Abschluss einer neuen vertraglichen Übereinkunft fortbesteht. Anmerkung Diese zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergangene Entscheidung ist nicht ohne weiteres auf andere Sozialleistungsbereiche übertragbar. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass das BSG das Vorliegen vertraglicher Ansprüche nach einer rechtswirksamen Kündigung eines Vertrages für Leistungen Zahlungsansprüche können wegen Fehlens einer vertraglichen Grundlage dann ausschließlich auf Bereicherungsrecht gestützt werden. Grundsätzlich ist bei Vorliegen der Voraussetzungen der Bereicherte zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Da dies wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich ist, muss Wertersatz geleistet werden. (Sch) Wahlrecht der Versicherten unter verschiedenen Hilfsmitteln LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 05.05.2004 – Az: L 4 KR 277/01 (nicht rechtskräftig) Die 1968 geborene Klägerin wohnt auf der Insel Borkum. Sie leidet an einer spastischen Lähmung beider Beine, ein Laufen ist ihr ohne Gehhilfen nicht möglich. Mit Gehhilfen kann sie eine Strecke von max. 500 m zurücklegen. Die beklagte Krankenkasse hat den Antrag auf Kostenübernahme für ein Versehrten-Fahrrad mit der Begründung abgelehnt, dass es sich bei dem beantragten Fahrrad nicht um ein Hilfsmittel i. S. des Krankenversicherungsrechts handele. Mit der Klage macht die Klägerin u.a. geltend, dass ein Rollstuhl, der sonst als Hilfsmittel zu bewilligen wäre, zum einen sehr viel teurer sei, zum anderen bei dessen Benutzung das für sie absolut notwendige Training der noch vorhandenen Beinmuskulatur entfalle. Das SG Aurich hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 13.11.2001, Az. S 8 KR 106/00). Das LSG hat die Berufung der beklagten Krankenkasse zurückgewiesen. Die Klägerin habe einen Anspruch auf das VersehrtenFahrrad, bei dem es sich um ein Hilfsmittel i. S. des § 33 Abs. 1 SGB V handele. Insbesondere sei es kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, da ein Versehrten-Fahrrad von Gesunden regelmäßig nicht benutzt werde. Nach der Rechtsprechung des BSG würden nur mittelbar die Organfunktionen ersetzende Mittel lediglich dann als Hilfsmittel i. S. der gesetzlichen Krankenversicherung angesehen, wenn sie die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigen oder mildern und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffen. Hierzu zähle auch die „Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums“. Allein mit Unterarmgehstützen sei das Grundbedürfnis der Klägerin auf Bewegungsfreiheit nicht gewährleistet. 170 Da inzwischen viele kleine Geschäfte durch große Supermärkte im Außenbereich ersetzt würden, Poststellen geschlossen seien und überdies der öffentliche Nahverkehr erheblichen Einschränkungen unterliege, müssten regelmäßig deutlich größere Entfernungen als max. 500 m zurückgelegt werden, um seine Alltagsgeschäfte erledigen zu können. Außerdem könne die Klägerin die üblichen Alltagsgeschäfte wie Einkaufen von Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs mit den beiden Unterarmgehstützen nicht bewerkstelligen. Sie habe beim Gehen mit den Unterarmgehstützen bereits ohne Belastungen Schwierigkeiten. Mit dem Versehrten-Fahrrad könne sie die Alltagsgeschäfte ohne weiteres bewältigen. Zu berücksichtigen sei überdies, dass ihr die Krankenkasse dauerhaft die Versorgung mit einem Rollstuhl zugesagt, sie jedoch eine derartige Versorgung nicht gewollt habe, weil sie nur mit einem Versehrtenfahrrad das noch verbliebene Restleistungsvermögen ihrer Beine erhalten könne. Zwischen der Versorgung mit einem Rollstuhl und einem Versehrten-Fahrrad stehe der Klägerin ein Wahlrecht zu. Der Versicherte habe unter verschiedenartigen, aber gleichermaßen geeigneten und wirtschaftlichen Hilfsmitteln, von denen zur ausreichenden Deckung des Bedarfs aber nur das eine oder andere erforderlich sei, die Wahl (§ 33 SGB I – Allgemeiner Teil). Die Vorschrift entfalte ihre besondere Bedeutung auch in den Fällen eines bloßen Auswahlermessens. Die Klägerin habe in zulässiger Weise von dem ihr zustehenden Wahlrecht Gebrauch gemacht. Denn das Versehrten-Fahrrad sei in gleicher Weise wie ein Rollstuhl zum Ausgleich ihrer Beeinträchtigung geeignet und überdies deutlich billiger. (Sch) Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG Anspruch auf Bewegungsfreiheit durch tragbares Sauerstoffsystem LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17.03.2004 – Az: L 4 KR 217/01 Die Klägerin leidet an einer schweren chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung, ist aber völlig mobil. Die beklagte Krankenkasse hat ein stationäres Sauerstoffsystem für den häuslichen Bereich zur Verfügung gestellt. Der Sauerstoff wird dem Patienten über eine max. 15 m lange Zuleitung in die Nase eingeführt. Das Gerät erzeugt einen erheblichen Geräuschpegel. Daneben versorgte die beklagte Krankenkasse die Klägerin mit einer tragbaren Einheit, die dem Patienten bis zu 8 Stunden völlige Mobilität ermöglicht. Das Tragegerät hat ein geringes Gewicht und wird ähnlich einer Handtasche über der Schulter getragen. sauerstoff außerhalb der eigenen Wohnung gewährleistet werde. Auch die Bewegungsfreiheit innerhalb der eigenen Wohnung sei ein Grundbedürfnis der Lebensbetätigung. Außerhalb der Versorgung mit dem mobilen Tragegerät sei die Klägerin an den max. 15 m langen Schlauch der stationären Versorgungseinheit gebunden. Dadurch sei die völlig mobile Klägerin in unzumutbarer Weise in ihrer freien Beweglichkeit eingeschränkt. Sie wäre in dieser Zeit wie eine Gefangene an eine Leine gefesselt. Den Antrag auf Versorgung mit zwei bis drei Tankfüllungen pro Monat mit Flüssigsauerstoff für das tragbare Sauerstoffsystem lehnte die Beklagte ab. Das SG Hannover hat die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 28.08.2001 (Az. S 11 KR 310/00) abgewiesen: Die monatliche Tankfüllung ermögliche es der Klägerin, sich an neun Tagen im Monat für jeweils bis zu acht Stunden außerhalb der Wohnung zu bewegen. Bei einer geringeren Befüllung des mobilen Gerätes sei ein mehrstündiger Aufenthalt außerhalb der Wohnung an allen Tagen des Monats zu bewerkstelligen. Ein solches Ergebnis widerspreche der Pflicht der Krankenkasse zur humanen Krankenbehandlung, wie sie in § 70 Abs. 2 SGB V ausdrücklich verankert sei. Mit einer humanen Krankenbehandlung sei es unvereinbar, eine völlig mobile Versicherte innerhalb ihrer Wohnung dermaßen an die Kette zu legen. Das gelte um so mehr, als der finanzielle Aufwand, mit dem ein solcher Zustand vermieden werden könne, im Verhältnis zu den Zumutungen für die Klägerin gering sei. Für die zweite Tankfüllung fielen monatliche Kosten von nicht einmal 100 EURO an. Hinzu komme, dass die Klägerin nach ihrem übrigen Gesundheitszustand nach den Bekundungen ihrer behandelnden Ärzte ihre Beweglichkeit unbedingt trainieren solle, um ihre Mobilität aufrecht zu erhalten. Mit der Gewährung einer zweiten monatlichen Tankfüllung Flüssigsauerstoff sei die Klägerin für insgesamt 10,8 Stunden täglich mobil. Damit werde das Maß des Notwendigen nicht überschritten. (Sch) Bewegungsfreiheit in der eigenen Wohnung ist ein Grundbedürfnis Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und einen Anspruch auf Versorgung mit einer zweiten monatlichen Tankfüllung Flüssigsauerstoff bejaht. Aus Sicht des Senats kommt es nicht allein darauf an, in welchem Umfang die Bewegungsfreiheit durch den Flüssig- Pflicht zur humanen Krankenbehandlung Lagerungsrollstuhl kein Hilfsmittel der Krankenversicherung? BSG, Urteil vom 22.07.2004 – Az: B 3 KR 5/03 R Im Rechtsdienst der Lebenshilfe Nr. 2/04 (S. 72 f.) haben wir über ein aus Sicht der Klägerin positives Urteil des LSG für das Land NRW berichtet, das der in einem Pflegeheim lebenden schwerstpflegebedürftigen Frau (Pflegestufe III) einen Lagerungsrollstuhl zugesprochen hat. Das BSG hat das Urteil aufgehoben und einen Anspruch verneint. Die Krankenkasse sei nicht zur Leistung verpflichtet, weil der Rollstuhl zum Ausgleich der verlorenen Geh- und Sitzfähigkeit nur noch von untergeordneter Bedeutung sei und die Pflege ganz im Vordergrund stehe. Zur Pflege gehörten auch aktivierende MaßnahRechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 men, um vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und der Gefahr einer Vereinsamung des Pflegebedürftigen entgegenzuwirken. Dafür sei die gesetzliche Krankenkasse als Rehabilitationsträger nicht mehr zuständig. Die Abgrenzung der Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von der Vorhaltepflicht des Heimträgers bei der Hilfsmittelversorgung in Pflegeheimen habe danach zu erfolgen, ob noch eine Krankenbehandlung und ein Behinderungsausgleich i. S. medizinischer Rehabilitation stattfinde oder aber ganz überwiegend die Pflege im Vordergrund stehe, weil eine Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am 171 GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG Leben in der Gesellschaft nicht mehr möglich sei. Nach diesen Grundsätzen sei eine Krankenkasse nicht verpflichtet, einen sog. Lagerungsrollstuhl zu gewähren, wenn die Heimbewohnerin nicht mehr zur aktiven Teilhabe am Gemeinschaftsleben fähig sei. Da der Klägerin eine verantwortungsbewusste Bestimmung über das eigene Schicksal nicht mehr möglich sei, sei sie wegen Fehlens eigengesteuerter Bestimmungsmöglichkeiten quasi zum „Objekt der Pflege“ geworden. Diese Abgrenzung zwischen der Leistungsverpflichtung der GKV und der Vorhaltepflicht des Heimträgers verstoße auch nicht gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen. Anmerkung Das Urteil wird in der Behindertenhilfe große Besorgnis hervorrufen: 1. Ob ein Heimbewohner gegenüber seiner Krankenkasse einen Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln hat, hängt nach Ansicht des 3. Senats beim BSG davon ab, ob die betreffende Person noch zur aktiven bzw. selbstbestimmten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fähig ist. Wird dies verneint, kommt im Ergebnis allein eine Leistungspflicht des Heimträgers in Betracht. Da Rollstühle keine Pflegehilfsmittel sind, scheidet ein direkter Anspruch des Pflegebedürftigen gegenüber seiner Pflegekasse aus. Das Gericht gesteht zu, dass die vom Heimträger vorzuhaltenden Hilfsmittel zum einen vom Versorgungsauftrag und den Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen abhängen und zum anderen zum großen Teil von den Heimbewohnern refinanziert werden. Wird ein Anspruch gegenüber der Krankenkasse verneint, bedeutet dies für viele Heimbewohner zumeist, dass sie auf das Hilfsmittel verzichten oder es aus der eigenen Tasche finanzieren müssen. 2. Menschen mit sehr hohem Hilfebedarf sind auf die besondere Fürsorge des Staates angewiesen. Das im Grundgesetz verankerte Sozialstaatsgebot und das Diskriminierungsverbot behinderter Menschen verpflichten den Staat, gesetzliche Vorkehrungen dafür zu treffen, dass Ansprüche von Menschen wegen ihres hohen Hilfebedarfs nicht verkürzt werden. Das gegliederte System der sozialen Sicherung ist auf den Prüfstand zu stellen, wenn es zu einer Zweiklassengesellschaft unter behinderten Menschen führt. Dies ist der Fall, wenn die passive Teilhabe am Leben im Verhältnis zur aktiven Teilnahme im Sozialleistungsrecht nicht nur als ein Aliud, sondern als ein Weniger angesehen wird („Nur passives Reagieren, nicht Agieren“). Für den, dem die aktive Teilhabe am Leben nicht (mehr) möglich ist, kann passive Teilhabe eine sehr große Bedeutung haben. 3. Bei Abgrenzungsversuchen stellt sich zwangsläufig die Frage der klaren und eindeutigen Grenzziehung: Wann, z. B. ab welchem Grad von Demenz, Pflegebedürftigkeit oder geistiger Behinderung, ist der kranke oder behinderte Mensch nicht mehr in der Lage, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen? Wer hat das Recht, dies festzulegen? Dürfen Gerichte eine rein wertende Betrachtungsweise zur Grundlage von Ansprüchen machen? 4. Ab dem 01.01.2005 ist das BSG auch für die Sozialhilfe zuständig. Für fast alle geistig behinderten Menschen stellt die in der Sozialhilfe verortete Eingliederungshilfe die weitaus bedeutsamste Rechtsgrundlage dar. Für die Behindertenhilfe stellt sich die bange Frage, ob das Gericht auch einen Anspruch auf Eingliederungshilfe für geistig und körperlich schwerstbehinderte Menschen verneinen wird, weil diese zu einer aktiven Teilhabe am Gemeinschaftsleben nicht mehr fähig sind. Gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII (bis 31.12.2004: § 39 Abs. 1 BSHG) erhalten Personen, die durch eine Behinderung wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Damit ist die Aufgabe der Eingliederungshilfe nicht auf die Verwirklichung einer aktiven Teilhabe beschränkt. Für noch nicht eingeschulte schwerstbehinderte und schwerstmehrfachbehinderte Kinder folgt dies unmittelbar aus § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB IX. (Sch) Schwenkbarer Autositz als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung? BSG, Urteile vom 16.09.2004 – Az: B 3 KR 19/03 R und B 3 KR 15/04 R In beiden Verfahren ist zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits die Ausstattung eines PKW mit einem schwenkbaren Autositz zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung streitig. 172 Im Verfahren B 3 KR 19/03 R beantragten die Kläger für ihre Tochter, die nach einem Atemstillstand im Wachkoma und schwerstpflegebedürftig war, die Kostenübernahme für einen schwenkbaren Autositz, Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG/PFLEGEVERSICHERUNG die Möglichkeit zu haben, die Tochter zum Klinikum und zu Therapeuten zu fahren. Der behinderungsgerecht angepasste Autositz sollte es ermöglichen, die Versicherte vom Rollstuhl in den PKW zu befördern und dort zu fixieren. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das LSG für das Land NRW hat ausgeführt, der Autositz sei nicht als Hilfsmittel zu gewähren, weil weder das Autofahren als solches noch die Möglichkeit, damit Ärzte und Therapeuten aufzusuchen, zu den Grundbedürfnissen zählten. Der Sitz diene auch nicht der Krankenbehandlung (Az. L 5 KR 234/02, Urteil vom 11.09.2003). Die Revision der Kläger hatte Erfolg. Die beklagte Krankenkasse habe es zu Unrecht abgelehnt, den Autositz als Hilfsmittel zu bewilligen. Es handele sich um ein Mittel zum Behinderungsausgleich bei einem Grundbedürfnis. Dazu gehöre auch das Bedürfnis, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen. Die Vorschriften über die Leistungen der Krankenversicherung für Krankentransporte (§ 60 SGB V) seien nicht abschließend in dem Sinn zu verstehen, dass Hilfsmittel zu Transportzwecken nicht in Betracht kämen. Der Verweis auf die Inanspruchnahme von professionellen Krankentransporten sei nur dann berechtigt, wenn die genannte Alternative möglich, zumutbar und mit geringeren Kosten verbunden wäre. Eine überschlägige Berechnung der Transportkosten ergebe aber, dass schon nach einem Jahr die Kosten des Autositzes erreicht worden wären. Im Verfahren B 3 KR 15/04 R hatte das Gericht über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Die 1964 geborene Versicherte leidet an einer chronischen Polyarthritis und ist ständig auf einen Rollstuhl angewiesen. Ihren Antrag auf Ausstattung des PKW ihres Ehemannes mit einem schwenkbaren Beifahrersitz lehnte die beklagte Krankenkasse mit der Begründung ab, Autofahren gehöre nicht zu den Grundbedürfnissen. Das LSG für das Land NRW hat in der vorinstanzlichen Entscheidung zusätzlich ausgeführt, dass das Grundbedürfnis der Klägerin nach Mobilität durch den zur Verfügung gestellten Rollstuhl mit Hilfsantrieb sowie das Rollfiets sichergestellt sei (Urteil vom 12.02.2004, Az. L 5 KR 77/03). Mit der Revision macht die Klägerin u.a. geltend, das Bedürfnis nach menschlichen Kontakten dürfe nicht auf den Nahbereich beschränkt werden. Nach Ansicht des BSG, das die vorinstanzliche Entscheidung bestätigt hat, ist das bloße Bedürfnis, mit dem Auto zu fahren, um damit den Bewegungsspielraum zu vergrößern und menschliche Kontakte zu erleichtern, kein Grundbedürfnis, für das die Krankenkasse im Wege der Hilfsmittelversorgung einzutreten hätte. Das Gleiche gelte für den Zweck, von fremder Hilfe unabhängiger zu werden. Anmerkung Nach Ansicht des BSG hängt der Anspruch gegenüber der Krankenkasse somit davon ab, ob durch das Hilfsmittel ein Grundbedürfnis befriedigt wird. (Sch) Grundsatzurteil zur Leistungspflicht privater Pflegekassen für Kinder (Pflegestufe III) BSG, Urteil vom 13.05.2004 – Az: B 3 P 7/03 R Die Klägerin, bei der Beklagten privat pflegeversichert, hatte im Dezember 1998 erstmals einen Antrag auf Höherstufung des Pflegegelds von Pflegstufe 2 auf 3 für ihren im November 1994 geborenen Sohn beantragt. Die daraufhin von der Beklagten beauftragte Gesellschaft für medizinische Gutachten (Medicproof) sah im Gutachten vom Januar 1999 die Voraussetzungen für die Pflegestufe 3 nicht als gegeben an. Die Klägerin widersprach dieser Beurteilung, so dass die Beklagte ein weiteres Gutachten einholte, dass im Juli 1999 zu dem gleichen Ergebnis kam. Die Beklagte lehnte deshalb im August 1999 den Antrag ab. Die daraufhin von der Klägerin erhobene Klage wurde zunächst vom Sozialgericht abgewiesen, noch während des erstinstanzlichen Verfahrens hatte die Beklagte ein weiteres Gutachten Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 eingeholt, welches im Januar 2001 die Voraussetzungen für die Pflegestufe 3 bestätigte. Die Beklagte erklärte sich daraufhin zur Erbringung von Pflegegeld nach der Pflegestufe 3 rückwirkend ab November 2000 bereit. Im Berufungsverfahren verfolgte die Klägerin ihren Antrag weiter, wonach Leistungen in der Pflegestufe 3 seit 18.11.1999, nämlich dem Erreichen des 5. Lebensjahres des Sohnes, zu gewähren seien. Das Landessozialgericht gab der Berufung statt. Die Beklagte rügte mit ihrer Revision in erster Linie, dass für die Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe 3 seit 18.11.1999 kein Antrag vorgelegen habe, da 173 PFLEGEVERSICHERUNG der im Dezember 1998 gestellte Antrag der Klägerin mit der Leistungsablehnung im August 1999 seinen Abschluss gefunden habe. Die gerichtliche Überprüfung habe sich deshalb nur auf den Zeitraum bis zur ablehnenden Entscheidung durch die private Pflegeversicherung zu beschränken. Das Bundessozialgericht sah dies anders und nahm gleichzeitig noch zu einer Vielzahl weiterer im Bereich der Pflegeversicherung bedeutsamer Fragen Stellung. Leistungspflicht ab Antragstellung bis zur letzten mündlichen Verhandlung Zwar sei für den Beginn der Leistungen aus der Pflegeversicherung sowohl bei der gesetzlichen Pflegeversicherung als auch bei der privaten Pflegeversicherung ein Antrag notwendig, dieser Antrag sei aber nicht durch die ablehnende Entscheidung der Pflegeversicherung erloschen bzw. abschließend erledigt. Grundsätzlich sei für die Beurteilung des Klagebegehrens bei sozialrechtlichen Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich, was der ständigen Rechtsprechung des BSG entspreche und auch einhellige Meinung in der rechtswissenschaftlichen Literatur sei. Der Umstand, dass die Beteiligten einen dem Privatrecht unterfallenden Versicherungsvertrag geschlossen haben, vermöge diesen Grundsatz nicht in Zweifel zu ziehen, denn auch im Zivilprozess sei jedenfalls bei Leistungsklagen die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung entscheidend, so dass eine Verurteilung zur Leistung selbst dann erfolgen könne, wenn der Klageanspruch erst nach Rechtshängigkeit entstehe oder fällig werde. Insofern sei auch im Zivilprozess anerkannt und stoße auf keine Bedenken, dass eine Verurteilung zulässig sei, obwohl sich der zur Leistung Verurteilte zunächst vertragsgemäß verhalten habe und seine Leistungsverweigerung zunächst zu Recht erfolgt sei. Später eintretende tatsächliche Änderungen der Verhältnisse müssten deshalb noch in die abschließende Entscheidung mit einbezogen werden. Dies entspreche der Prozessökonomie, folge aber auch zwingend aus der Rechtskraftwirkung von Urteilen, und zwar sowohl im Sozial- wie im zivilgerichtlichen Prozess, was sich aus § 141 Abs. 1 SGG und § 322 Abs. 1 ZPO ergebe. Für das sozialrechtliche Verfahren habe der Antrag eine Doppelnatur, weil er zumeist sowohl für die Einleitung in den Gang des Verfahrens als auch materiell-rechtlich für die Entstehung des Anspruches selbst erforderlich sei. Das durch den Antrag in Gang gesetzte Verfahren werde in der Regel erst durch den Erlass einer abschließenden Verwaltungsentscheidung im Sinne von § 8 SGB X beendet. Dies gelte jedoch nicht, wenn die ergangene Verwaltungs- 174 entscheidung in einem gerichtlichen Verfahren angefochten werde, also nicht in Rechtsbindung erwachse. In diesem Fall wirke der Antrag weiter fort, dass Verwaltungsverfahren werde erst mit dem Abschluss des Gerichtsverfahrens beendet. Die Grundsätze würden zwar unmittelbar nur für den Bereich der sozialen Pflegeversicherung gelten, sind jedoch auch auf die private Pflegeversicherung zu übertragen, denn auch § 6 Abs. 1 Satz 1 MB/PPV 1996 setze im Bereich der privaten Pflegeversicherung einen Antrag voraus, der auch hier auf die Gewährung einer Dauerleistung abziele. Richterliche Ergänzung der gutachterlichen Feststellung: Löffeltraining und Hautpflege als Pflegebedarf Das BSG bestätigt sodann noch einmal seine Rechtsprechung, wonach gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 VVG Versicherer und Versicherungsnehmer an die Feststellungen des ärztlichen Sachverständigen gebunden seien, wenn dies – wie durch § 6 Abs. 2 MB/PPV 1996 – vertraglich vereinbart wurde. Die Feststellungen des Arztes seien allerdings nur dann nicht verbindlich, „wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen“, wobei auf den Sachstand und die Erkenntnismittel zum Zeitpunkt der Begutachtung abzustellen sei. Dabei sei grundsätzlich das Gesamtergebnis des Sachverständigengutachtens maßgeblich; seien abgrenzbare Teilbereiche der gutachterlichen Feststellungen fehlerhaft, so seien diese – soweit „offenbar erheblich“ – selbstständig angreifbar und nur der Rest bleibe verbindlich. Liege der Fehler indessen in der Unvollständigkeit des Gutachtens, weil bestimmte Sachverhaltselemente gar nicht angesprochen und berücksichtigt worden seien, so sei insoweit der Weg offen für eine richterliche Entscheidung, soweit die Unterlassung durch den Sachverständigen unbewusst erfolgt sei. Diese Voraussetzung sah das BSG als gegeben an, weil der Sachverständige weder das Einreiben mit Öl und Fett im Zusammenhang mit der Körperhygiene noch das Löffeltraining berücksichtigt habe. Es handele sich dabei also um erhebliche Abweichungen, da die zusätzlich zu berücksichtigenden Pflegezeiten nach den Feststellungen des LSG im Verhältnis zu den vom Sachverständigen festgestellten Werten eine höhere Pflegestufe begründeten und einen Umfang von mehr als 25 % hätten, womit sie über dem Richtwert der Rechtsprechung der Zivilgerichte lägen (etwa 15 % – BGH, Urteile vom 01.04.1987 – IV a ZR 139/85 –, VersRecht 1987, 601 und vom 28.02.1986 – IX a ZR 138/84 –, VersRecht 1986, 482). Die Abweichung sei zudem auch offensichtlich gewesen, da die Unvollständigkeit des Gutachtens für einen sachkundigen und unbefangenen Beobachter nach gewissenhafter Prüfung klar und deutlich zutage getreten sei. Das Einreiben mit Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 PFLEGEVERSICHERUNG Öl bzw. Fett sei als verrichtungsbezogene Tätigkeit im Zusammenhang mit der Verrichtung des Waschens zu sehen, das Löffeltraining, das darauf abziele, den Sohn der Klägerin bei der Nahrungsaufnahme zum selbständigen Umgang mit dem Löffel anzuleiten, sei ebenfalls als verrichtungsbezogene Anleitung zu sehen. Einen erhöhten Mehraufwand bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (Reinigen des Orts der Nahrungsaufnahme und des Therapiestuhls sowie erhöhter Wäscheaufwand) sah das BSG ebenfalls als gegeben an, nachdem die Klägerin in den Vorinstanzen den Aufwand dargelegt hatte. Das BSG stellt dazu fest, dass der Umfang dieses Mehraufwandes der tatrichterlichen Feststellung unterliege und die Möglichkeit der freien Schätzung gemäß § 287 ZPO eröffnet sei. Begutachtungsrichtlinien sind Verwaltungsbinnenrecht Das BSG sah sich in dem Urteil auch veranlasst, zu der rechtlichen Qualität der Begutachtungsrichtlinien noch einmal Stellung zu nehmen. Es betont, dass die Richtlinien keinen nach außen verbindlichen Rechtscharakter aufweisen und weder die Qualität einer Rechtsverordnung noch einer Satzung besäßen, sie stellten lediglich sogenanntes Verwaltungsbinnenrecht dar. Deshalb sei die Vorinstanz auch im Rahmen einer pauschalierenden Betrachtungsweise befugt gewesen, den Zeitabzug für den Hilfe- und Erziehungsbedarf nicht beeinträchtigter Kinder entsprechend ihrem Entwicklungsfortschritt stufenweise zu bestimmen, ohne dabei an die tabellarischen Mittelwerte der Richtlinie gebunden zu sein, zumal es für letztere bislang kein wissenschaftlich fundiertes Datenmaterial gebe (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 9 und 10). Der von dem LSG vorgenommene Zeitabzug bei den Tabellenwerten von 5 Minuten pro Lebensjahr im Bereich „Ernährung“ und 10 Minuten pro Lebensjahr im Bereich „Mobilität“ sei daher nicht zu beanstanden. Der für die Pflegestufe 3 erforderlich nächtliche Pflegebedarf sei erfüllt, da das Kind mindestens einmal in der Nacht umgelagert werden müsse und hierzu aus eigener Kraft nicht in der Lage sei (BSG SozR § 3-3300 § 14 Nr. 14). Anmerkung Das Urteil reiht sich in die bislang nur spärlich vorhandenen Entscheidungen zur privaten Pflegeversicherung ein und verfolgt auch hier wieder die Tendenz, die Versicherten im Bereich der privaten Pflegeversicherung nicht anders zu stellen, als diejenigen, die gesetzlich pflegeversichert sind. Auch die Darlegungen des Gerichtes zur Verbindlichkeit der Begutachtungsrichtlinien und die ausdrücklich für zulässig erklärte über die Richtlinie hinausgehende Differenzierung der Abzugswerte für den Hilfe- und Erziehungsbedarf nicht behinderter Kinder dürfte zukünftig die Einstufung von Kindern in die einzelnen Pflegestufen der Pflegeversicherung erleichtern. Hinsichtlich der Zuordnung von Versorgungsleistungen zu den verrichtungsbezogenen Tätigkeiten bestätigt das BSG seine bisherige Rechtsprechung noch einmal in erfreulicher Klarheit. Von besonderer Bedeutung sind indessen die Ausführungen des BSG zu der Frage, welcher Beurteilungszeitraum einer gerichtlichen Entscheidung zu Grunde zu legen ist. Hier stellt das BSG unmissverständlich auf den Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung ab. Bliebe das BSG uneingeschränkt bei dieser Aussage, so ergäben sich daraus weitreichende Konsequenzen aufgrund der Überführung des Sozialhilferechtes in die gerichtliche Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit aufgrund des Artikels 38 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechtes in das Sozialgesetzbuch. In sozialhilferechtlichen Sachen galt bislang der Grundsatz, dass auch die Gerichte bei ihren Entscheidungen nur den Sachverhalt zu Grunde legen durften, der zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung der Behörde gegeben war. Änderungen der Tatsachen, die danach eintreten, sind bei der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in sozialhilferechtlichen Sachen nicht zu berücksichtigen, was in Anbetracht der langen Verfahrensdauern immer wieder zu Problemen führte. (Rechtsanwalt Hoffmann, Bremen) Verhinderung übermäßiger Nahrungsaufnahme als Pflegebedarf SG Münster, Urteil vom 25.06.2004 – Az: S 6 P 212/02 (rechtskräftig) Der 1993 geborene Kläger leidet an dem Fragilen XSyndrom, das mit einem nicht beherrschbaren Esszwang verbunden ist, der zu einem erheblichen Übergewicht geführt hat. Das Sozialgericht sprach dem Kläger die Pflegestufe I zu und berücksichtigte dabei auch den Pflegeaufwand für die Aufsicht bei der unbeherrschten Nahrungsaufnahme. Zwar habe das BSG in seinem Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 Urteil vom 28.06.2001, Az. B 3 P 7/00 R, entschieden, dass die Beaufsichtigung zur Verhinderung einer übermäßigen Nahrungsaufnahme auch während der Mahlzeit bei der Bemessung des Pflegebedarfs als allgemeiner Aufsichtbedarf unberücksichtigt bleiben müsse. Maßnahmen zur Verhinderung der Nahrungsaufnahme fielen nicht gewöhnlich in dem Ablauf des tägli175 PFLEGEVERSICHERUNG/HEIMRECHT chen Lebens an, sondern nur bei uneinsichtigen Personen wie z. B. Kindern oder geistig behinderten Menschen. Solche Maßnahmen zählten zu deren allgemeinem Aufsichtsbedarf, den der Gesetzgeber bislang bewusst noch nicht in den berücksichtigungsfähigen Pflegebedarf einbezogen habe. Dieser Auffassung schloss sich das Sozialgericht nicht an. Die Verrichtung der Nahrungsaufnahme umfasse über den rein mechanischen Vorgang des Aufnehmens von Nahrung hinaus auch die Fähigkeit, Speisen sachgerecht auszuwählen und das Essen und Trinken sinnvoll zu dosieren. Nach diesem Verständnis könnten auch Maßnahmen zur Begrenzung, Verlangsamung, Beendigung oder Verhinderung von Nahrungsaufnahme als Hilfen bei der Nahrungsaufnahme aufgefasst werden. Sei hierzu ein geistig behinderter Mensch nicht in der Lage, werde eine Hilfeleistung unabweisbar. Dies gelte auch für die Person des Klägers aufgrund seines bestehenden erheblichen Übergewichts und der damit verbundene gesundheitlichen Risiken. Die von dem Sachverständigen dafür benannten Zeiten von 5 Minuten für die mundgerechte Zubereitung und 10 Minuten für die Hilfe bei der Aufnahme der Nahrung sei maßvoll. Sie könnten auch nicht durch pflegevermeidende Maßnahmen etwa durch die Beschränkung des Essensangebotes begrenzt werden. Im Hinblick auf das Leitbild der aktivierenden Pflege, die kulturelle Bedeutung des Essens und die Wichtigkeit von bei den Mahlzeiten in der Familie gepflegter Kommunikation lasse sich der Aufsichts- und Anleitungsbedarf im Falle des Klägers nicht vollständig vermeiden, ohne dessen Menschenwürde zu tangieren. (Mitgeteilt vom Vorsitzenden der 6. Kammer des Sozialgerichts Münster, Kuß) Keine Bindung der Pflegekasse an die Feststellungen einer privaten Pflegeversicherung BSG, Urteil vom 13.05.2004 – Az: B 3 P 3/03 R Der 1981 geborene Kläger hat das Down-Syndrom und erhielt zunächst Pflegegeld nach der Pflegestufe I aus einer privaten Pflegeversicherung, in der er durch seinen beamteten Vater versichert war. Mit der Aufnahme einer Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen wurde er pflichtversichert in der sozialen Pflegeversicherung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 SGB XI. Die beklagte Pflegekasse lehnte die Weitergewährung von Pflegegeld ab, nachdem der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) lediglich einen Hilfebedarf von nur 28 Minuten täglich festgestellt hatte. Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Nach Ansicht des BSG haben die Vorinstanzen zu Recht eine Bindung der gesetzlichen Pflegekasse an die Leistungszusage eines privaten Pflegeversicherungsunternehmens verneint. Eine solche Bindung müsse vom Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet werden. Hieran fehle es, so dass eine Berufung auf Vertrauensschutz nicht möglich sei. Das Fehlen einer Bindung der Pflegekasse an die Feststellungen eines privaten Versicherungsunternehmens sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. (Sch) Kein Anspruch auf Abschluss eines Heimversorgungsvertrages LG Memmingen, Urteil vom 08.03.2004 – Az: 2 O 2297/03 (nicht rechtskräftig) Streitig sind Rechte aus dem Apothekengesetz und dem Heimgesetz. Der klagende Apotheker beliefert seit über 15 Jahren Bewohner eines Alten- und Pflegeheims des Heimträgers mit Medikamenten. Im August 2003 trat § 12 a Apothekengesetz (ApoG) in Kraft. Danach ist Voraussetzung für die Versorgung von Bewohnern von Heimen der Abschluss eines schriftlichen Vertrages der Apotheke mit dem jeweiligen Heimträger. Der beklagte Heimträger schloss einen solchen Vertrag mit einer anderen Apotheke ab. Der klagende Apotheker fordert 176 den Abschluss eines solchen Versorgungsvertrages auch mit ihm. Der Heimträger weigert sich, einen schriftlichen Vertrag gemäß § 12 a ApoG zu schließen und künftig Medikamente für Heimbewohner entgegenzunehmen, die vom Kläger oder dessen Bevollmächtigten angeliefert werden. Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Zunächst habe der Kläger keinen Anspruch gegen den Heimträger auf die im Hauptantrag geltend gemachte Entgegennahme und bewohnerbezogene Aufbewahrung von angelieferten Medikamenten. Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 HEIMRECHT § 11 Abs. 1 Nr. 10 Heimgesetz verpflichte den Träger eines Heimes zwar dazu, die Medikamente seiner Bewohner bewohnerbezogen und ordnungsgemäß aufzubewahren. Aus den Vorschriften des Heimgesetzes, insbesondere § 2 Abs. 1 Heimgesetz, werde deutlich, dass durch das Heimgesetz lediglich die Belange der Heimbewohner und der Heimträger geregelt werden sollten. Apotheker seien in den Schutzbereich des Heimgesetzes nicht einbezogen. Der Kläger könne auch aus der Fürsorgepflicht des Heimträgers für seine Heimbewohner keine Rechte herleiten. Einerseits seien von der Fürsorgepflicht eines Heimträgers nicht diejenigen Arzneimittelvorräte erfasst, die der Heimbewohner in Eigenregie erwerbe und aufbewahre. Andererseits sei zu beachten, dass für den Heimbewohner die Möglichkeit bestehe, die Medikamente selbst entgegenzunehmen oder durch Personen seines Vertrauens abholen zu lassen. Deshalb sei von § 12 Abs. 3 ApoG nicht auch die Anlieferung und daraus folgende Entgegennahme von Arzneimitteln durch den Heimträger umfasst. Vertragsapotheke werde der normale Heimbetrieb und die Versorgung der Heimbewohner am wenigsten beeinträchtigt. Der hilfsweise geltend gemachte Antrag auf Abschluss eines Versorgungsvertrages bestehe ebenfalls nicht. Weder unmittelbar noch im Wege der verfassungskonformen Auslegung ergebe sich ein Anspruch auf Vertragsabschluss aus § 12 a Abs. 1 Satz 1 ApoG. In der Vorschrift werde lediglich ein Vertragserfordernis statuiert. Ein Kontrahierungszwang ergebe sich aus dem Gesetz nicht. Durch § 12 a Abs. 1 sei nicht die Berufsfreiheit des Apothekers gemäß Art. 12 GG berührt. Die Vorschrift wahre die Belange der freien Berufsausübung. Heimbewohner hätten weiterhin die Möglichkeit, bei der Apotheke ihrer Wahl Arzneimittel einzukaufen oder zu bestellen. Zur Neuregelung der Versorgung von Heimbewohnern mit Arzneimitteln durch das Gesetz zur Änderung des Apothekengesetzes vom 21. August 2002; vgl. den Beitrag im Fachdienst der Lebenshilfe Nr. 4/2003, S. 21 ff. (Sch) Im vorliegenden Fall liege eine Berufsausübungsregelung vor, die zur Rechtfertigung vernünftiger Erwägungen des Allgemeinwohls getroffen worden sei und Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit beachte. Sinn und Zweck der Schaffung von § 12 a Abs. 1 ApoG sei es gewesen, die wilde Belieferung von Heimen durch Apotheken einzudämmen und so einen höheren Schutz der Heimbewohner zu erhalten. Nur besonders ausgewählte Apotheken sollten weiterhin beliefern dürfen. Berechtigte Belange der Heime wie deren ungestörter Arbeitsablauf sollten gewahrt werden. Durch die Belieferung von Medikamenten nur noch durch eine Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei eingehalten, da vor der Vergabe des Lieferauftrages eine qualifizierte Ausschreibung stattgefunden habe. Die Vergabe sei nicht willkürlich erfolgt, sondern chancengleich für alle Apotheker, die sich am Vergabeverfahren beteiligt hätten. Schließlich ergebe sich kein Anspruch aus der Tatsache, dass es einem Heimträger unbenommen sei, mehrere Apotheker an der Versorgung zu beteiligen. Letztlich unterliege es der freien Entscheidung des Heimträgers, mit wie vielen Apotheken er Versorgungsverträge abschließen möchte. Eine Kontrolle sei nur durch das Willkürverbot statuiert. Der Heimträger dürfe die Versorgung mit Medikamenten auf einen Anlieferer beschränken, wenn dadurch Vorteile für den Heimbetrieb entstünden. Auszug aus § 12 a Apothekengesetz (1) Der Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke ist verpflichtet, zur Versorgung von Bewohnern von Heimen im Sinne des § 1 des Heimgesetzes mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten mit dem Träger der Heime einen schriftlichen Vertrag zu schließen. Der Vertrag bedarf zu seiner Rechtswirksamkeit der Genehmigung der zuständigen Behörde. .... (2) Die Versorgung ist vor Aufnahme der Tätigkeit der zuständigen Behörde anzuzeigen. (3) Soweit Bewohner von Heimen sich selbst mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten aus öffentlichen Apotheken versorgen, bedarf es keines Vertrages nach Absatz 1. 177 ZIVILDIENST/STRAFRECHT Eigenhaftung eines Zivildienstleistenden BVerwG, Urteil vom 29.04.2004 – Az: BVerwG 2 C 2.03 Ein bei einer Einrichtung beschäftigter Zivildienstleistender überfuhr auf einer Dienstfahrt ein Rotlicht und verursachte einen Unfall. Die Versicherung der Einrichtung ersetzte den Schaden und verlangt in dem vorliegenden Verfahren den Ersatz von der Bundesrepublik Deutschland. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der Klägerin lediglich ein geringer Teil der entstandenen Kosten zu erstatten ist. Es führt aus, dass mit der Anerkennung einer Einrichtung als Beschäftigungsstelle nach dem Zivildienstgesetz zwischen dem jeweiligen Träger und dem Bund ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis entstehe. Die Beklagte habe ihre daraus resultierenden Pflichten verletzt, weil sie die ihr gegenüber dem Zivildienstleistenden zustehenden Rückgriffsansprüche nicht vor deren Verjährung geltend gemacht hat. Der Bund ist verpflichtet, einen Zivildienstleistenden, der dem Träger der Beschäftigungsstelle einen Schaden zugefügt hat, im Wege der Drittschadensliquidation auf Ersatz dieses Schadens in Anspruch zu nehmen. Durch die Fristversäumung habe die Beklagte diese Pflicht grob fahrlässig verletzt. In Bezug auf die Höhe des zu leistenden Schadensersatzes sei allerdings auch für den Fall der Drittschadensliquidation die in der Einziehungsrichtlinie vorgeschriebene Haftungsbeschränkung anzuwenden. Diese Haftungsbeschränkung im Innenverhältnis beim Schadensausgleich zwischen Dienstherrn und Dienstleistendem sei in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn begründet. Danach ist ein Zivildienstleistender, ebenso wie Beamte und Soldaten, zum Schadensersatz nur insoweit heranzuziehen, wie dies angemessen, verhältnismäßig und billig ist. Auch für Ersatzansprüche wegen eines dem Träger einer Beschäftigungsstelle zugefügten Schadens gelte die auf der Fürsorgepflicht des Dienstherrn beruhende Beschränkung von Ersatzansprüchen des Bundes. Die beklagte Bundesrepublik hat daher Schadensersatz nur in entsprechend geringer Höhe zu leisten. (H-G) Bestellung eines Pflichtverteidigers für einen Beschuldigten mit geistiger Behinderung im Ermittlungsverfahren AG Aachen, Beschluss vom 25.02.2004 – Az: 37 Gs 3/04 Die nachfolgende Entscheidungsmitteilung soll das Augenmerk auf die wenig bekannte, jedoch bei der Verteidigung von Beschuldigten mit geistiger Behinderung aus mehreren Gesichtspunkten äußerst wichtige Vorschrift des § 141 Abs. 3 StPO lenken, auf deren Grundlage sich die Beiordnung des Verteidigers im Ermittlungsverfahren vollzieht.1 Gegen den Beschuldigten mit geistiger Behinderung wurde wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung (§ 177 StGB) ermittelt. Ein Glaubwürdigkeitsgutachten des mutmaßlichen Tatopfers war bereits eingeholt worden und kam zu dem Ergebnis, dass die Angaben des mutmaßlichen Tatopfers glaubwürdig sind. Nunmehr stand die Begutachtung des Beschuldigten mit geistiger Behinderung im Hinblick auf Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) und Gefährlichkeitsprognose (§ 63 StGB) an. Zu diesem Zeitpunkt wurde eine ausführlich begründete Anregung an die Staatsanwaltschaft gerichtet, einen Antrag nach § 141 Abs. 3 StPO zu stellen. Die Staatsanwaltschaft folgte dieser Anregung und stellte bei dem zuständigen Gericht einen entsprechenden Antrag, dem das Gericht entsprach. 178 Anmerkung Das Ermittlungsverfahren kann das Hauptverfahren bis hin zum Urteil in einer für den Beschuldigten nachteiligen Weise prägen – Fehler und Mängel sind in aller Regel in der Hauptverhandlung nicht mehr ungeschehen zu machen und führen fast zwangsläufig zu einem objektiv falschen Urteil zu Lasten des Beschuldigten bzw. Angeklagten.2 Die Gewährleistung der „Waffengleichheit“ bereits im Ermittlungsverfahren ist zur Sicherung der Rechtsstellung des Beschuldigten als Verfahrensbeteiligtem in den späteren Verfahrensabschnitten daher zwingend erforderlich. Dies gilt umso mehr, wenn es sich bei dem Beschuldigten um einen Menschen mit geistiger Behinderung handelt. Wie im dargestellten Fall spielen hier häufig Gutachten zu Fragen der Glaubwürdigkeit, der Schuldfähigkeit und/oder der Gefährlichkeitsprognose eine herausragende Rolle. Aus diesen Gründen kommt der Vorschrift des § 141 Abs. 3 StPO bei der Verteidigung von Menschen mit geistiger Behinderung eine zentrale Bedeutung zu. Die h. M. legt § 141 Abs. 3 StPO dahinRechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 STRAFRECHT/RECHT UND ETHIK gehend aus, dass allein der Staatsanwaltschaft das Recht zusteht, einen Antrag auf Beiordnung eines Verteidigers im Ermittlungsverfahren zu stellen und ein Antrag des Beschuldigten lediglich eine Anregung an die Staatsanwaltschaft darstellt, ihrerseits einen Antrag an den Vorsitzenden des für das Hauptverfahren zuständigen Gerichts zu stellen.3 Diese h. M. billigt mithin der Staatsanwaltschaft ein Ermessen zu. Es ist deshalb Aufg abe der Verteidigung, die Anregung auf Pflichtverteidigerbeiordnung so zu begründen, dass sich der Beurteilungsspielraum auf Null reduziert. Argumente können – je nach Konstellation – sein, dass zu wichtigen Gutachten Stellung genommen werden muss4 oder dass eine Fallgruppe gegeben ist, die eine Beiordnung in einem Hauptverfahren zwingend machen würde (insoweit seien insbesondere §§ 140 Abs. 1 Nr. 2; Nr. 1 i. V. m. § 74 Abs. 1, 2 GVG genannt). Auch die Persönlich-keitsstruktur des Beschuldigten kann bei der Begründung Relevanz entfalten. Sollte die Staatsanwaltschaft trotz ausführlicher Begründung die Antragstellung ablehnen, so ist diese Ablehnung nach h. M. nicht anfechtbar. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist die Rechtssprechung zu § 141 Abs. 3 StPO nicht sehr umfangreich und veröffentlichte Entscheidungen zu der hier thematisierten Fragestellung erkennbar nicht vorhanden. Der Beschluss des AG Aachen bietet deshalb Gelegenheit, die große Bedeutung, die Rechtsgrundlage und den Verfahrensgang der Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Ermittlungsverfahren gegen Beschuldigte mit geistiger Behinderung darzustellen, damit dieses Element wirksamen Rechtsschutzes zum Wohl der Betroffenen in der Praxis weitere Verbreitung findet. (Mitgeteilt von RA Oliver Kestel, Echzell-Bingenheim) 1) Auf die Sonderregelungen der §§ 117 IV, 118 a Abs. 2 2, 126 a Abs. 2 138 c Abs. 3, 408 b, 418 Abs. 4 StPO soll hier nicht näher eingegangen werden. 2) Klemke in StV, 2003, Seite 413 ff. (413) 3) Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 141, Rn. 5; der Diskussionsstand soll hier nicht näher beleuchtet werden, vgl. dazu Klemke in StV, 2003, Seite 413 ff. (414) 4) Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 141, Rn. 5; Übersicht: Zum Arbeitsprogramm der Enquetekommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ Die Einsetzung der Enquetekommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ (BT-Drs. 15/464) im Februar 2003 stütze sich im Wesentlichen auf zwei Motive: Zum einen wollte man auch in der 15. Wahlperiode der Tatsache gerecht werden (können), dass in Bezug auf Fragen moderner Biomedizin ein nach wie vor hoher Diskussions- und Entscheidungsbedarf besteht („Zur Fortsetzung und Vertiefung der öffentlichen Diskussion und zur Vorbereitung politischer Entscheidungen hat die Kommission die Aufgabe, unter angemessener Berücksichtigung aller betroffenen gesellschaftlichen Gruppen, Institutionen und Verbände sowie der Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, Empfehlungen für gesetzgeberisches und administratives Handeln in Bezug auf wissenschaftliche Zukunftsfragen und für deren ethische Bewertung zu erarbeiten.“). Zum anderen hatte die VorläuferEnquete, die Enquetekommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ in der vorausgegangenen Wahlperiode nicht alle die ihr aufgegebenen Themen ausführlich und abschließend behandeln können; eine Reihe ungelöster Problembereiche formulierten die Konturen zukünftiger Themen („Desiderate“, vgl. BT-Drs. 14/ 9020, 189 ff.). Zu diesen „Überhängen“ gehören unter anderem die Forschung an nichteinwilligungsfähigen Menschen, die Allokationsproblematik in der modernen Medizin, medizinische Perspektiven der NanobioRechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 technologie, die Möglichkeiten der Pflanzengenomik zur Produktion pharmazeutischer Wirkstoffe und deren Auswirkungen auf den Menschen, die gesellschaftliche Debatte um Organtransplantation (Xenotransplantation und Lebendspende), Perspektiven der molekularen Medizin zwischen Therapie (treatment) und Verbesserung (enhancement) sowie Grundlagen und Kriterien der Selbstbestimmung in allen Lebensphasen (bereits RdLh 2003, S. 43). Aber auch die schon aufbereiteten Themenfelder sind nicht von der Tagesordnung verschwunden. Hinzuweisen ist auf die ausstehende Umsetzung der Biopatent-Richtlinien und das ausstehende Gentest- bzw. Gendiagnostikgesetz. Die neue Enquete steht somit inhaltlich – in weiten Teilen auch personell – für Kontinuität, indem sie unmittelbar an die Vorgänger Enquete „Recht und Ethik der modernen Medizin“ (BT-Drs. 14/3011) anknüpft. Auch der Arbeitsstil setzt sich fort: Wieder sollen in Zwischenberichten und in einem Abschlussbericht Empfehlungen für den Gesetzgeber erarbeitet werden. Während die erste Kommission vor allem den Beginn des Lebens in den Blick nahm und sich intensiv der Stammzellenforschung und der Präimplantationsdiagnostik angenommen hat, geht man nun auf die letzte Lebensphase des Menschen ein; Fragen der Sterbebegleitung und der Palliativmedizin sowie die sozialpo179 RECHT UND ETHIK litischen Auswirkungen und der Schutz von Patienten und Probanden in der klinischen Forschung finden sich in den folgenden vier Themenblöcken, die gleichsam das noch ausstehende Arbeitsprogramm umschreiben: 1. „Allokation“ (Priorisierung im Gesundheitswesen); 2. „Ethik in der biowissenschaftlichen und medizinischen Forschung“ (Patienten- und Probandenschutz, die Arbeit der Ethikkommissionen, Beobachtung wissenschaftlicher Entwicklungen in der Stammzellforschung und innerhalb der Nanotechnologie; 3. „menschenwürdig leben bis zuletzt“ (Patientenverfügung, Strukturfragen in der Palliativmedizin und Hospizarbeit, Sterbebegleitung); 4. „Transplantationsmedizin“ (hier besonders die Lebendorganspende). Zum Thema „Patientenverfügung“ (Abschlussberatung am 30. August) liegt seit dem 23. September 2004 ein Bericht (BT-Drs. 15/3700 – vgl. Anmerkung „Zwischenbericht der Enquetekommission zur Patientenverfügung“ in diesem Heft) vor, ein weiterer Zwischenbericht zum dem Problembereich „Lebendorganspende“ ist für das Frühjahr 2005 vorgesehen. Die weiteren Inhalte werden in den Schlussbericht einfließen, der für April 2006 terminiert ist und dem Bundestag damit fünf Monate vor der Bundestagswahl zur Verfügung stehen würde. (W-K) Zwischenbericht der Enquetekommission zur Patientenverfügung Die Diskussion über Art und Umfang der Patientenautonomie am Lebensende bleibt kontrovers (vgl. bereits RdLh 2004, 135 ff.). Zwischenzeitlich hat (auch) die Enquetekommission „Ethik und Recht in der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestags ihren erwarteten (vgl. RdLh a.a.O., 139) Bericht vorgelegt (Zwischenbericht der Enquete-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin – Patientenverfügungen – vom 13. September 2004, BT-Drs. 15/3700). Mehrheitlich plädiert die Kommission dafür, die Grundlagen und Grenzen so genannter Patientenverfügungen auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Im Gegensatz zu den Empfehlungen der von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries eingesetzten „Kutzer-Kommission“ (vgl. RdLh, a.a.O., 137) und anders als deren Votum für eine umfassende Stärkung des Selbstbestimmungsrechts durch eine Bundesgesetzgebung, empfiehlt die Enquetekommission, solche Verfügungen, die das Unterlassen lebenserhaltender Schritte vorsehen, nur eingeschränkt für verbindlich zu erklären. Nach dem Enquete-Mehrheitsvotum sollen Patientenverfügungen rechtlich nur dann bindend sein, wenn „eine Krankheit irreversibel ist“. Die Einzelheiten des Enquete-Mehrheitsvotums (unten I.) zeigen die Lücken der aktuellen Debatte (unten II.) auf. Eine baldige Gesetzesinitiative erscheint daher unter vielen Gesichtspunkten verfrüht (dazu unten III.). Mehrheitsvotum gegen ein umfassendes Selbstbestimmungsrecht Die Enquetekommission stellt ihre Befunde und Empfehlungen zum Thema Patientenverfügungen in einen Gesamtkontext, der Fragen der Sterbehilfe, -begleitung und Palliativmedizin berührt (BT-Drs., a.a.O., 5). Aufgrund einer umfassenden Analyse der gegenwärtigen Rechtslage formuliert der Bericht mit Blick auf die 180 BGH-Rechtsprechung (vgl. RdLh, a.a.O.), dass der Einsatzbereich von Patientenverfügungen „nicht abschließend geklärt“ und daher eine Rechtsunsicherheit gegeben sei, da es eben „explizite gesetzliche Regelungen zu Patientenverfügungen bisher nicht“ gebe (BT-Drs., a.a.O.). Daher sieht die Enquetekommission gesetzgeberischen Handlungsbedarf (siehe BT-Drs., a.a.O., 5 u. 38 – auch zu den folgenden Fundstellen) und empfiehlt, „im Rahmen einer gesetzlichen Regelung die Gültigkeit von Patientenverfügungen, die einen Behandlungsabbruch oder -verzicht vorsehen, der zum Tode führen würde, auf Fallkonstellationen zu beschränken, in denen das Grundleiden irreversibel ist und trotz medizinischer Behandlung nach ärztlicher Erkenntnis zum Tode führen wird.“ Im Vordergrund stehe damit „die Stärkung der Patientenverfügung“, verstanden als Ausdruck der Selbstbestimmung. Eine Ausweitung über die genannten Fallgruppen hinaus würde es aber ermöglichen, „Ärzte und Pflegepersonal durch Patientenverfügungen darauf zu verpflichten, in einer Weise zu handeln, dass der Tod eines Patienten bzw. einer Patientin nicht durch dessen Leiden oder Krankheit verursacht würde, sondern durch ein Unterlassen im Hinblick auf vitale Lebensfunktionen.“ Eine Beschränkung der Reichweite von Patientenverfügungen ergebe sich daher aus der objektivrechtlichen Verpflichtung des Staates zum Lebensschutz, die ihm die Pflicht auferlege, „die Entstehung eines Klimas zu vermeiden, in dem Druck auf ältere und/oder schwerkranke Menschen ausgeübt werden kann, ihr Leben mittels einer Patientenverfügung willentlich beenden zu lassen (…).“ Zudem solle gesetzlich geregelt werden, dass Patientenverfügungen der besonderen (Schrift-)Form bedürfen (BT-Drs., a.a.O., 40). Im Einzelnen münden diese wie auch weitere Detailempfehlungen in den Vorschlag eines § 1901 b BGB (BT-Drs., a.a.O., 45), der die Grundlagen und empfohlenen Grenzen einer Patientenverfügung präzisiert (Hat die Patientenverfügung den Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 RECHT UND ETHIK Verzicht oder Abbruch einer medizinisch indizierten oder ärztlicherseits vorgeschlagenen lebenserhaltenden Maßnahme zum Ziel, darf der Betreuer die Patientenverfügung nur umsetzen, wenn das Grundleiden irreversibel ist und trotz medizinischer Behandlung nach ärztlicher Erkenntnis zum Tode führen wird.). Lücken und Widersprüche Bereits innerhalb der Enquetekommission sind die zentralen Mehrheitsvorschläge umstritten. Hingewiesen wird auf den Widerspruch, das Rechtsinstitut „Patientenverfügung“ einerseits stärken, andererseits aber einschränken zu wollen. Zudem hält Rainer Beckmann in seinem Sondervotum (BT-Drs., a.a.O., 55 ff.) dem Regelungskonzept der Enquetemehrheit vor, es leiste mit der Idee einer Stärkung der Patientenverfügung einer schleichenden Selbstentwertung alter und kranker Menschen Vorschub und verstärke den falschen Eindruck, gerade Patientenverfügungen seien dazu geeignet, „ein menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen bzw. ‚Planungssicherheit am Lebensende’ zu gewährleisten’.“ Andere Enquetemitglieder (Sondervotum Albers, Mayer, Reimann und Volkmer bzw. Kausch, Flach, Merkel und Stöckel, BT-Drs., a.a.O., 60 ff. bzw. 66 ff.) bewerten die vorgeschlagene Einschränkung der Reichweite einer Patientenverfügung hingegen als eine nicht tragbare Beschneidung des Selbstbestimmungsrechts und empfehlen – im Gegensatz zum Mehrheitsvotum – die Rechtsverbindlichkeit von Patientenverfügungen im Rahmen einer gesetzlichen Regelung uneingeschränkt anzuerkennen. Die Kritik weist unabhängig von ihrer inhaltlichen Ausrichtung auf die offensichtlichen Defizite des Mehrheitsvotums hin. Das Papier bleibt einen fundierten Nachweis darüber schuldig, welche Umstände im Detail ein Gesetzgebungsbedürfnis begründen. Auch fehlt es an einer nachvollziehbaren verfassungsrechtlichen Rechtfertigung für die vorgeschlagene Einschränkung des grundrechtlich verankerten Selbstbestimmungsrechts. Im Dunkeln bleibt die Grundlage für eine kausale Verknüpfung des unterstellten Regelungsbedarfs mit dem vorgelegten Folgekonzept, das auf die vermeintliche Stärkung des Selbstbestimmungsrechts (einzig) innerhalb des Betreuungsrechts abstellt, um gleichzeitig das angeblich gestärkte Selbstbestimmungsrecht derart einzuschränken, dass nur ein irreversibles Grundleiden die Beachtung autonomer Patientenentscheidungen zulässt. Allein der Hinweis auf die in der Tat nicht widerspruchs- Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 freie Rechtsprechung des BGH (vgl. etwa Oliver Tolmein Selbstbestimmungsrecht und Einwilligungsfähigkeit, Frankfurt am Main 2004, 255 ff.) vermag nicht zu erklären, wie das Selbstbestimmungsrecht durch eine gesetzliche Begrenzung gestärkt werden soll. Doch auch die spezifischen Einwände gegen ein Tätigwerden des Gesetzgebers im Bereich des Sterbehilferechts müssen reflektiert werden. Beckmanns in der Presse mehrfach rezipierte Warnung, das „Instrument der Patientenverfügung“ führe zu einer „schleichenden ‚Selbstentwertung’ alter und kranker Menschen“, verlangt ebenso eine abwägende Überprüfung postulierter Gesetzgebungsinitiativen wie seine Überlegung, schriftliche Behandlungsverzichtserklärungen würden indirekt die Botschaft transportieren, dass schwerwiegende Krankheitszustände mit einem hohen Betreuungs- und Pflegeaufwand „unerwünscht und vermeidbar“ seien. Ob auch vor diesem Hintergrund ein (drängendes) Bedürfnis besteht, Verfügungen möglichst bald schon „einen rechtlichen Rahmen zu geben“ (BT-Drs., a.a.O., 56; vgl. auch Hartmut Kühne, Patientenverfügung/ Ein Standpunkt zum Votum der Enquete-Kommission, Rheinischer Merkur vom 23.09.2004), bleibt zumindest zweifelhaft. Basis für eine Gesetzgebung? Die Defizite des Enquetevotums zeigen, dass es noch immer an einer vertieften Auseinandersetzung gerade mit den gesellschaftlichen und den verfassungsrechtlichen Implikationen des Sterbe(hilfe)rechts und der in diesem Kontext diskutierten Patientenautonomie fehlt (vgl. RdLh, a.a.O., 140). Noch nicht ausreichend scheinen alle Überlegungen zu Akzeptanz, Möglichkeiten und Grenzen einer Patientenverfügung in den Enquetebericht eingeflossen zu sein. Gefordert bleibt also nach wie vor eine vielschichtige Verständigung über die gesellschaftlichen verfassungsrechtlichen Grundlagen und Schranken für ein „Sterbe(hilfe)recht“, dessen Standards an grundrechtlichen Vorgaben ausgerichtet und nicht von den einfachgesetzlichen Ansprüchen des Betreuungsrechts her entwickelt werden. Dies verlangt Zeit, anders: Die Debatte ist breiter anzulegen. Der Bericht hat hierzu (lediglich) einen Teilbeitrag geleistet; das Mehrheitsvotum bildet derzeit keine überzeugende Grundlage für eine an den Kommissionsvorschlägen orientierte Gesetzgebung. (W-K) 181 RECHT UND ETHIK Ethikrat empfiehlt (fortgesetztes) Verbot des therapeutischen Klonens Die im September dieses Jahres vorgelegte Stellungnahme des Nationalen Ethikrates (NER) formuliert unter dem Titel „Klonen zu Fortpflanzungszwecken und Klonen zu biomedizinischen Forschungszwecken“ (hrg. v. NER, Berlin 2004) Empfehlungen in Bezug auf die rechtlichen und ethischen Grenzen einer Zulassung des Klonens beim Menschen. Das Papier will der Ethikrat nach Auskunft seines Vorsitzenden, Prof. Spiros Simitis, auch als Material für die Beratungen bei den Vereinten Nationen verstanden wissen (Ärztezeitung vom 14.09.2004, 6), wo seit längerem über die Reichweite eines weltweiten Klonverbots gestritten wird (vgl. RdLh 2003, 42 u. 88). Nach über einem Jahr Beratung plädiert das 25köpfige Gremium dafür, reproduktives Klonen (weiterhin) zu verbieten und auch das therapeutische Klonen – zumindest derzeit – nicht zuzulassen. Darüber hinaus offenbart der vorgelegte Text jenseits der Erfassung des aktuellen wissenschaftlich-historischen Sach- und Forschungsstandes sowie der gleichsam deskriptiven Darlegung der Rechtslage anderen Ländern (S. 34 ff. der Stellungnahme) keine Einigungsfähigkeit im Detail, soweit es um die Bewertung der Grenzen des therapeutischen Klonens geht. Einstimmigkeit: Das Verbot des reproduktiven Klonens Hinsichtlich des „reproduktiven“ Klonens, also der künstlichen Herstellung eines menschlichen Organismus – gerichtet auf die Erzeugung eines Menschen mit identischen Erbanlagen –, steht der Ethikrat (S. 39 ff. der Stellungnahme) einmütig für ein Verbot: „Der NER spricht sich einstimmig für ein weltweites Verbot des Klonens von Menschen zu Fortpflanzungszwecken und für eine Präzisierung der deutschen Rechtslage im Sinne eines strafrechtlichen Verbots aus. Ebenso einmütig ist der NER der Auffassung, dass das Klonen von Menschen zu Fortpflanzungszwecken nicht nur mit Rücksicht auf den gegenwärtigen Stand von Wissenschaft und Forschung, sondern unbedingt abgelehnt werden muss.“ Zur Begründung weist der NER darauf hin, dass das Fortpflanzungsklonen gegen das Selbstverständnis und die grundlegenden Werte einer Gesellschaft verstößt, „die sich auf die Achtung vor der Unverfügbarkeit jedes Menschen gründet.“ Auch verstoße das reproduktive Klonen „gegen die Menschenwürde derjenigen Person, die geklont wird“ und verletze „die im menschlichen Selbstverständnis verankerte Vorstellung davon, wie Menschen entstehen sollen.“ 182 Drei Voten zum therapeutischen Klonen Drei unterschiedliche Positionen vertreten die Ratsmitglieder zum therapeutischen Klonen: Die entsprechenden Voten reichen von der Forderung nach einer Beibehaltung des strikten Verbots (1.), über ein momentanes Verbot (3.) bis hin zur begrenzten Zulassung des therapeutischen Klonens (2.). (1.) Fünf Mitglieder des Ethikrates, unter ihnen HansJochen Vogel und Peter Radtke, haben sich für ein umfassendes Klonverbot ausgesprochen. Sie stellen darauf ab, dass – ebenso wie im Falle des Fortpflanzungsklonens – auch für das Forschungsklonen ein weltweites Verbot anzustreben sei, das im nationalen Bereich, derzeit im ESchG verankert, als strafrechtliches Verbot zudem zu präzisieren sei. Der Präzisierung bedürfe ein solches Verbot „insbesondere durch […] die Klarstellung, dass das Verbot auch für den Fall gilt, dass die Entwicklungsfähigkeit des Embryos durch Eingriffe vor und/oder nach dem Kerntransfer begrenzt oder beseitigt wird.“ Falls es nicht zu einem weltweiten Verbot komme, „sollte außerdem wie beim Stammzellgesetz die Strafbarkeit deutscher Täter auch für im Ausland begangene Verstöße gegen die entsprechenden Strafbestimmungen normiert werden.“ (2.) Dem gegenüber formulieren zwölf NER-Mitglieder eine Forderung nach einer „begrenzten Zulassung des Forschungsklonens“ (S. 63 ff. der Stellungnahme). „Die Verwendung von durch Klonen hergestellten menschlichen Blastozysten im Rahmen der Grundlagenforschung mit therapeutischer Zielsetzung“ sei danach, wenngleich es genauer Regelungen bedürfe, „prinzipiell vertretbar“. Es gebe weder ein moralisches Gebot, „einer derartigen Blastozyste den Status einer Person zuzusprechen“, noch verlange das Grundgesetz, „sie als Träger der Menschenwürde und des Rechts auf Leben anzusehen.“ Die ‚Forschungsbefürworter’ stellen die mit dem therapeutischen Klonen verbundenen Hoffungen, in Zukunft schwere Krankheiten und körperliche Schädigungen (z. B. Querschnittslähmung) heilen zu können, in den Vordergrund und verweisen auf die grundgesetzlich garantierte Forschungsfreiheit. (3.) Schließlich formuliert die dritte Position eine vermittelnde Auffassung. Unter der Maßgabe „Verbot des Forschungsklonens zum gegenwärtigen Zeitpunkt“ (S. 84 der Stellungnahme“) formuliert eine Fünfergruppe um den Vorsitzenden Simitis: „Die Herstellung menschlicher Embryonen auf dem Wege des Klonens für wissenschaftliche oder therapeutische Zwecke ist derzeit ethisch nicht vertretbar. Sie muss durch entsprechende Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 RECHT UND ETHIK rechtliche Regelungen untersagt werden. Sollten sich in der Forschung ethisch vertretbare Möglichkeiten ergeben, Stammzellen auch ohne die Verwendung von Embryonen zu gewinnen, sind solche Ansätze zu fördern.“ Diese Position verweist damit auf (zukünftige bzw. alternative) „Perspektiven der Forschung“, und zudem wird dem Postulat der Forschungsfreiheit das Prinzip der „Forschungsverantwortung“ (S. 86 der Stellungnahme) entgegengehalten. Diese verlange, die Zulässigkeit eines Forschungsprojekts an der Verhältnismäßigkeit, an seiner Alternativlosigkeit und an der Hochrangigkeit des Forschungsvorhabens zu messen. Derzeit gebe es jedoch „gute Gründe, an der therapeutischen Nutzbarkeit des Klonens zu zweifeln.“ Gemeinsamer Nenner: Verbot zum jetzigen Zeitpunkt auch zum Forschungsklonen – formuliert auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner: „Der Nationale Ethikrat verständigt sich – unbeschadet der dargestellten divergierenden Voten – auf die Empfehlung, das Forschungsklonen in Deutschland gegenwärtig nicht zuzulassen.“ Mit dieser Formel meint man, eine politische Lösung gefunden zu haben (Ärztezeitung, a.a.O.). Der Formelkompromiss kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Mehrheit im NER einer Öffnung hin zu einer Zulassung des therapeutischen Klonens offen gegenübersteht. Die Bezugnahme auf ein Verbot zum gegenwärtigen Zeitpunkt beendet die Debatte nicht, sondern vertagt sie, ohne den politischen Entscheidungsprozess entscheidend vorangebracht zu haben. Das Votum des Ethikrates – „ein Baukasten der Beliebigkeit“ (Hanno Kautz, Ärztezeitung vom 15.09.2004) – offenbart die Grenzen ethischer Beratungsgremien und formuliert die Frage nach deren Relevanz. (W-K) Die vermittelnde Ausrichtung der ‚Simitis-Gruppe’ bildet die Grundlage für eine gemeinsame Empfehlung Präimplantationsdiagnostik (PID) – Eindrücke angesichts der Diskussion in Österreich In Österreich gibt es kein ausdrückliches gesetzliches Verbot der PID, jedoch wird aus dem bestehenden Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) ein Verbot abgeleitet. Befürworter der PID wünschen sich daher eine Abänderung des FMedG zugunsten einer ausdrücklichen Zulassung der PID innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen. Die Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt, welche im Sommer 2001 von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ins Leben gerufen wurde, hat nun nach mehr als einjähriger Beschäftigung mit dem Thema am 19. Juli dieses Jahres ihren ausführlichen Bericht bezüglich der PID veröffentlicht. Zwölf Mitglieder der Kommission empfehlen in diesem Bericht eine beschränkte Zulassung der PID, sieben Mitglieder sind für eine Beibehaltung der bestehenden Gesetzeslage. Die Kommission betonte den Empfehlungscharakter ihrer Stellungnahme und den Wunsch nach einer breiten öffentlichen Diskussion zum Thema. Fand eine Diskussion statt? Als in Deutschland schon lange über PID in vielen verschiedenen Zusammenhängen (Kongressen, Veranstaltungen) diskutiert wurde, war hierzulande der Begriff PID noch in den meisten Bereichen ein Fremdwort. Erst allmählich kam auch in Österreich das Thema auf – bei verschiedenen Konferenzen, zu allererst in den medizinischen Bereichen, oder vereinzelt in den Medien. Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 Relativ bald – und wohl auch aus der unmittelbaren, eigenen Betroffenheit heraus – begannen sich die Behindertenorganisationen mit dem Thema PID zu beschäftigen, doch hier fanden die Diskussionen vor allem „hinter verschlossenen Türen“, also intern, statt. Innerhalb der „Behindertenszene“ in Österreich lassen sich angesichts der PID-Thematik, vereinfacht dargestellt, zwei Meinungsströmungen ausmachen: Da sind zunächst Menschen mit Behinderung. Sie sind in den meisten Fällen gegen eine Zulassung der PID, da diese Untersuchungsmethode in ihren Augen ein „Selektionsinstrument“ darstellt, durch das der eigene Lebenswert in Frage gestellt bzw. die eigene Lebensberechtigung abgesprochen wird. Eine andere Meinungsrichtung findet sich bei vielen Angehörigen, da von diesen das Leben mit einem behinderten Familienmitglied – verstärkt durch Vorurteile des Umfeldes sowie aufgrund sozialer Isolation – oftmals als Belastung erlebt wurde. Aus diesem persönlichen Erleben heraus sehen sie durch die PID eine mögliche „Garantie“ auf ein gesundes Kind gewährleistet. Sie wollen Belastungen ersparen: Den Familien und auch den behinderten Menschen selbst. Die Professionisten – jene, die in der Behindertenbetreuung arbeiten – befinden sich, soweit das erkennbar ist, mit ihrer Meinung zwischen diesen zwei starken Polen. Da in den Behindertenorganisationen beide Strömungen aufeinander treffen, verläuft die Diskussion zur PID hier zum Teil sehr emotional und kontrovers. 183 RECHT UND ETHIK Die österreichweiten Medien – Fernsehen und Zeitung – griffen das Thema PID erst auf, nachdem die Stellungnahme der Bioethikkommission des Bundeskanzlers mittels Pressekonferenz diesen Sommer bekannt gegeben wurde. Was in diesem Zusammenhang gerne verknüpft wird: In Österreich ist nach derzeitiger Gesetzeslage ein Schwangerschaftsabbruch bis unmittelbar vor der Geburt aufgrund einer „embryopathischen Indikation“ zulässig, wenn […] die ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde (§ 97 Abs. 2 StGB-Ö). PID wird vor diesem Hintergrund als „das kleinere Übel“ angeführt, das Frauen eine Spätabtreibung erspare. Die Verknüpfung dieser beiden Problembereiche macht die öffentliche Diskussion in Österreich noch spannungsgeladener, hat doch das Thema „Embryopathische Indikation“ – oder auch „Eugenische Indikation“ genannt – in den letzten Jahren immer sofort hitzige politische Debatten um die Fristenregelung ausgelöst. Auf die Bekanntmachung der Stellungnahme der Bioethikkommission des Bundeskanzlers folgten kritische Stellungnahmen der Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderungen sowie der „Aktion Leben“, die im Juli auch 64.000 gesammelte Unterschriften für ein klares Verbot der PID dem Parlament übergab. Auch von Seiten der Kirche kam massive Kritik. Die Österreichische Bischofskonferenz spricht sich in ihrer Stellungnahme vom Juli dieses Jahres gegen eine Zulassung der PID aus; diese sei ein „unmittelbares Instrument zur Selektion und mittelbares Instrument zur Tötung von Menschenleben […]. Menschen mit Behinderungen würden einem unerträglichen und entwürdigenden Druck ausgesetzt werden“. In den Medien kamen dann nicht zuletzt auch die führenden Mediziner und Wissenschaftler des Landes zu Wort – allesamt für eine Legalisierung der PID, zumindest aber für eine begrenzte Zulassung mittels eines Indikationenkataloges. Und auch bei einigen feministischen Gruppen finden sich Befürworterinnen der PID im Sinne einer propagierten Selbstbestimmung der Frau. Eine Planbarkeit der Schwangerschaft solle – wenn schon die Technologien dafür vorhanden wären – auch 184 eine Planbarkeit des Kindes miteinschließen. Von politischer Seite verkündete die neue Justizministerin Karin Miklautsch diesen Sommer, dass die PID eine „wirklich heikle und politische Frage sei“, über welche sie in jedem Fall noch eine breite öffentliche Debatte begrüßen und wünschen würde. Perspektiven: Eine breite öffentliche Debatte Nun, wir können nur hoffen, dass die „breite öffentliche Debatte“ noch stattfinden wird. Bisher gab es nur vereinzelte, heftige, kurze Debatten. Die Materie weckt viele Emotionen. Das Thema PID schafft sofort unfreiwillige Lager in der öffentlichen Diskussion: Auf der einen Seite Medizin, Forschung und Wissenschaft, oft Hand in Hand mit zukünftigen Eltern. Sie alle wollen „Leid vermeiden“ und aus diesem Blickwinkel heraus Schwangerschaften „optimieren“ und die Geburt behinderter Kinder weitmöglich verhindern. Der anderen Seite werden Behindertenverbände, Philosophen, Ethiker und Kirche zugeordnet. Hier ist man besorgt um neue Möglichkeiten der „Menschenselektion“ bzw. erschreckende Dimensionen einer Lebensrecht/Lebenswert-Diskussion, die nicht zu unrecht eng verknüpft mit den Erinnerungen an die geschichtliche Vergangenheit dieses Landes sind. Die selten stattfindenden öffentlichen Diskussionen werden polemisiert – „Lager 1“ wird darin gleichgesetzt mit „der Wissenschaft, die vor nichts zurückschreckt“ – „Lager 2“ mit „jenen, die dem Menschen Leid und leidvolle Erfahrungen aufzwingen möchten und von ihm fatalistisches Ergeben in sein Schicksal fordern.“ Wir, die Lebenshilfe Wien, wünschen uns eine differenziertere Diskussion, eine Diskussion, · in der auch die so genannten „normalen Bürger von der Straße“ für das Thema sensibilisiert werden; · die viel mehr Nuancen und Schattierungen in den einzelnen Standpunkten und offene Fragen zulässt; · in die sich auch die Politik einbringt und ethische Verantwortlichkeiten in den Fragestellungen wahrnimmt. (Susanne Haslinger Lebenshilfe Wien / Öffentlichkeitsarbeit und Interessenvertretung) Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 BÜCHERSCHAU Bücherschau Sigrid Graumann u. a. (Hg.): Ethik und Behinderung – Ein Perspektivenwechsel, „Kultur der Medizin“: Geschichte – Theorie – Ethik, Band 12; Frankfurt am Main 2004: Campus-Verlag, 197 Seiten, 20 EURO, ISBN: 3-593-37619-9 Menschen mit Behinderungen leben nach wie vor in einer Umwelt, die nicht ausreichend auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet ist. Im wissenschaftlichen Diskurs wird ihre Perspektive häufig ausgeblendet, an der ethischen Urteilsbindung in der Gesellschaft werden sie zu wenig beteiligt. Wie aber kann eine Ethik aussehen, die Differenz anerkennt und gleichzeitig die Verletzlichkeit des Menschen berücksichtigt? Diese Frage wird in der Publikation anhand unterschiedlicher Themen diskutiert: Der Definition von Behinderung, der Idee der Fürsorgeethik, der Pränataldiagnostik, der Sterbehilfe, der Frage nach einem „Recht auf Verschiedenheit“ und mit Blick auf weitere Aspekte; mit Beiträgen unter anderem von Johann S. Ach, Adrienne Asch, Klaus Dörner, Eva Feder Kittay, Jürgen Link, Elisabeth List, Dietmar Mieth und Gerhard Wolff, mit einem Geleitwort von Robert Antretter sowie mit der von Bundespräsident Johannes Rau gehaltenen Eröffnungsrede zu der Tagung „Differenz anerkennen – Ethik und Behinderung, ein Perspektivenwechsel“, die von den Herausgebern dieses Bandes vorbereitet wurde. Veit Müller: Die Normierung der Fortpflanzung – Der Einfluss eugenischer und humangenetischer Erkenntnisse und Forderungen auf das menschliche Reproduktionsverhalten; Baden-Baden 2004: NomosVerlagsgesellschaft, 117 Seiten, 41 EURO, ISBN 38329-0543-X Die Privatisierung der Biopolitik schreitet voran – ihr Adressat: Die vorsorgende Frau. Die Studie von Veit Müller geht dieser pointierten These und damit einer – nicht nur von neoliberaler Seite – verbreiteten Sichtweise moderner Bio-Wissenschaften auf den Grund. Er setzt sich mit der daraus resultierende Position auseinander, wonach der Zugriff auf die pränatale Diagnostik („auf der Grundlage des genetischen Wahrheitsspiels“) als vernünftiges und verantwortliches Verhalten anzusehen sei. Die damit verknüpfte Begründung, Risiken seien so minimierbar und Freiheitsspielräume für die Frau gewonnen, unterzieht der Autor sodann einer eingehenden Kritik. Letztendlich werde, so Müller, durch diese Zuschreibungen ein vorauseilender Gehorsam der Frau provoziert, sich und das Ungeborene genetisch überwachen zu lassen. Diese Reduktion auf Risiken führe als genetischer Determination zu dem Ergebnis, dass Angst- und Schuldgefühle zusammen mit einem Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 vermeintlichen Gewinn an Sicherheit und Selbstbestimmung entstehen. Mit ihren zugespitzten Thesen ist Müllers Arbeit ein anregender Beitrag innerhalb der aktuellen Bioethikdebatte. Andreas Spickhoff: Aktuelle Rechtsfragen des medizinischen Behandlungsverhältnisses – Zivilrechtsdogmatische Überlegungen de lege lata und de lege ferenda; München: Verlag C. H. Beck, 64 Seiten, 20 EURO, ISBN 3-406-52081-2 Die gewachsene Bedeutung des Medizinrechts spiegelt sich im Bereich des Zivilrechts bislang nur eingeschränkt wider. Das gilt insbesondere für genauere Regelungen des medizinischen Behandlungsvertrages. Spickhoff wirft daher in seiner Schrift die Frage nach Reform- bzw. Kodifikationsbedarf auf und beleuchtet zwei problematische Bereiche des Behandlungsverhältnisses im Krankenhaus: Den Honoraranspruch des privat liquidierenden Arztes (und seine Aktivlegitimation) sowie das Problemfeld der Haftung von Arzt und Krankenhausträger unter Berücksichtigung der Frage nach der entsprechenden Passivlegitimation. Oliver Tolmein: Selbstbestimmungsrecht und Einwilligungsfähigkeit – Der Abbruch künstlicher Ernährung bei Patienten im vegetative state in rechtsvergleichender Sicht: Der Kemptener Fall und die Verfahren Cruzan und Bland; Frankfurt am Main 2004: Mabuse-Verlag, 311 Seiten, 32 EURO, ISBN 3935964-73-0 In der aktuellen Debatte um Sterbehilfe und Patientenautonomie am Lebensende wird immer wieder die Notwendigkeit betont, das Selbstbestimmungsrecht der Patienten zu stärken. Der Autor zeigt am Beispiel der Wachkoma-Patienten, dass dieser Ansatz zu kurz greift und in Einzelfällen sogar fatale Konsequenzen haben kann, weil noch immer diskriminierende Vorstellungen über Behinderung die Debatte über den Abbruch von Behandlungen und das Leben und Sterben in Würde prägen. Gefährlich sei es vor allem, so der Autor, wenn Angehörige oder Betreuer auf Basis einer „mutmaßlichen Einwilligung“ so entscheiden, wie der Betroffene angeblich selbst entscheiden würde. Um zu verhindern, dass gerade Schwerstbehinderte, die sich nicht selbst artikulieren können, einer neuen Euthanasie zum Opfer fallen, entwickelt Tolmein einen bedürfnisorientierten Entscheidungsstandard. Vor diesem Hintergrund liefert die Studie einen aktuellen Beitrag zur gegenwärtigen Debatte über ein „Sterbehilferecht“. 185 BÜCHERSCHAU Birgit Hoffmann, Thomas Klie: Freiheitsentziehende Maßnahmen – Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen im Betreuungsrecht und – praxis; mit der Münchener Studie zu Freiheitsentziehenden Maßnahmen in Pflegeheimen von Prof. Dr. Thomas Klie und Thomas Pfundstein; Heidelberg 2004: C. F. Müller, Verlagsgruppe Hüthig : Jehle : Rehm, 204 Seiten, 29 Euro, ISBN 3-8114-3106-4 Das Betreuungsrecht regelt seit 1992 Voraussetzungen und Grenzen eines Eingriffs in Freiheitsrechte durch eine zivilrechtliche Unterbringung bzw. durch freiheitsentziehende Maßnahmen. Dieses Buch informiert Betreuer, Bevollmächtigte und alle anderen, die an der Entscheidung über die Anwendung entsprechender Maßnahmen beteiligt sind, über die rechtlichen Grundlagen. Materiellrechtliche Voraussetzungen, vormundschaftsgerichtliche Genehmigung, vormundschaftsgerichtliches Verfahren und Durchführung der Unterbringung bis hin zu zivilrechtlicher Haftung und strafrechtlicher Verantwortung sind verständlich dargestellt. Die „Münchener Studie“ aus dem Jahr 2002 hatte zum Inhalt, sowohl die Erscheinungsformen als auch die rechtliche Legitimation von freiheitseinschränkenden und –entziehenden Maßnahmen in Münchener Pflegeheimen realistisch nachzuzeichnen. Ein Rechtsprechungsteil sowie Mustertexte vervollständigen diese empfehlenswerte Neuerscheinung. Till Gutenberger: Das Haager Übereinkommen über den Internationalen Schutz von Erwachsenen – Schriften zum deutschen, europäischen und vergleichenden Zivil-, Handels- und Prozessrecht, Band 217; Gieseking-Verlag 2004, 313 Seiten, 78 EURO, ISBN 3-7694-0950-7 In dieser Dissertationsschrift analysiert der Autor das am 02.10.1999 von der Haager Konferenz für internationales Privatrecht verabschiedete Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen. Auf der Grundlage eines kurzen rechtsvergleichenden Überblicks der Rechtslage zum Erwachsenenschutz in ausgewählten Staaten erfolgt eine eingehende Untersuchung der zentralen Regelungen des Haager Übereinkommens über die internationale Zuständigkeit von Behörden in Fürsorgeverfahren, zum anzuwendenden Recht und zur Anerkennung von Entscheidungen der Mitgliedsstaaten untereinander. Fünf Beispielfälle, die das praktische Funktionieren des Haager Übereinkommens im Vergleich zur derzeit geltenden Rechtslage illustrieren sollen, runden die Arbeit ab, die an Aktualität gewinnt durch die vom Bundesministerium der Justiz vorgelegten Referentenentwürfe von Gesetzen zur Ratifizierung und zur innerstaatlichen Umsetzung des Haager Übereinkommens. 186 Martin Löhnig: Das Recht des Kindes nicht miteinander verheirateter Eltern. Abstammung – Sorgerecht – Umgangsrecht – Namensrecht – Unterhalt; Berlin 2004: Erich Schmidt Verlag, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, 136 Seiten, 19,95 EURO; ISBN 3 503 07864 Das Kindschaftsrecht unterscheidet seit der Kindschaftsrechtreform im Jahre 1998 nicht mehr zwischen ehelichen und nicht ehelichen Kindern. An die Frage, ob Eltern verheiratet sind oder nicht, knüpfen sich allerdings nach wie vor wichtige Rechtsfolgen, so dass noch immer zwischen dem „Recht des Kindes nicht miteinander verheirateter Eltern“ und dem „Recht des Kindes verheirateter Kinder“ unterschieden werden muss. Bedeutsame Regeln für das Kind nicht miteinander verheirateter Eltern enthalten das Abstammungs-, Sorge-, Umgangs-, Namens- und das Unterhaltsrecht. Martin Löhnig erörtert praxisnah die aktuellen Regelungen unter Dokumentation einschlägiger Rechtsprechung. Die leicht verständliche Darstellung wendet sich sowohl an fachlich mit den einschlägigen Rechtsgebieten befasste Personen als auch an nicht miteinander verheiratete Eltern und deren Kinder. Jürgen Damrau (Hrsg.): Praxiskommentar Erbrecht; Angelbachtal 2004: Zerb Verlag, 2125 Seiten mit CDROM, 98 EURO, ISBN 3-935079-15-X Mit diesem Buch hat der Verfasser einen Kommentar geschaffen, der sich vorwiegend an Juristen wendet, die auf dem Gebiet des Erbrechtes arbeiten. In diesem Praktikerkommentar ist die Rechtsprechung des BGH und der Obergerichte mit eingearbeitet. Für diejenigen, die das Buch mit CD-ROM erwerben, besteht die Möglichkeit, auf alle wichtigen Entscheidungen direkt zuzugreifen. Die Kommentierung zu den einzelnen Vorschriften geht ausführlich auf Tatbestand, Rechtsfolgen, Verfahrensfragen, steuerrechtliche Folgen etc. ein. Daneben gibt sie dem Benutzer praktische und prozesstaktische Hinweise. Der Ausrichtung auf den konkreten Praxisbezug dient auch der Anhang, der eine kurze Einführung in das Rechtsvergütungsgesetz und eine Übersicht zu den verschiedenen Gegenstandswerten und Kosten im Erbrecht gibt. Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 BÜCHERSCHAU Michael Bohnefeld/Hanspeter Daragen/Manuel Tanck: Arbeitshilfe im Erbrecht, Hrsg. Heinrich Nieder; Angelbachtal: Zerb Verlag, 1. Ergänzungslieferung 2004, Kosten des Grundwerkes 68 EURO, ISBN 3-935079-13-3 Dieses bietet in seiner Komplexität eine ausgezeichnete Arbeitshilfe für im erbrechtlichen Bereich arbeitende Praktiker. Es enthält die Gesetzestexte zivilrechtlich bedeutsamer Regelungen, wie BGB, FGG, GBO, Höheordnung, aber auch Heimgesetz, BSHG usw. und auch die steuerlich wichtigen Regelungen, wie insbesondere Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, aber auch das Bewertungsgesetz und Auszüge aus dem Einkommenssteuergesetz. Weiterhin bietet das Werk eine umfangreiche Darstellung über Fristen und Kosten in Erbschaftssachen, gibt Hinweise zu Berechnungen und Formulierungen. Ergänzt wird es durch Übersichten und Checklisten zur Klärung des Sachverhaltes und zum Aufbau letztwilliger Verfügungen, durch Tabellen und ein umfangreiches Adressverzeichnis. Die 1. EL März 2004 enthielt im Wesentlichen steuerrechtliche Änderungen, u.a. im Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht, in der Abgabenordnung und im Umsatzsteuergesetz. Norbert Joachim: Pflichtteilsrecht für die gerichtliche, anwaltliche und notarielle Praxis; Berlin 2004: Erich Schmidt Verlag, 404 Seiten, 58 EURO, ISBN 3-503-07867-3 Dieses Buch kann und soll juristischen Praktikern Hilfe bei der Bewältigung der rechtlichen Probleme, die sich aus der Zuwendung des Pflichtteiles für nahe Angehörige ergeben, bieten. Es richtet sich aber auch durchaus an interessierte Nichtjuristen, die sich einen Überblick über das Pflichtteilsrecht verschaffen wollen. Dem Leser wird ein Leitfaden an die Hand gegeben, der es ihm ermöglicht, sich einen umfassenden Überblick über die vielfältigen Problembereiche des Pflichtteilsrechtes zu verschaffen. Der Verfasser legt Wert auf die praktische Anwendbarkeit und trägt dem durch die Behandlung von in der Praxis wichtigen Fallkonstellationen, zahlreiche Muster und Hilfestellungen zur Durchsetzung von Ansprüchen Rechnung. Das Buch behandelt alle Problembereiche, die für die juristische Praxis wesentlich sind und belegt sie umfangreich mit Rechtsprechung und Literatur. Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 Walter Zimmermann: Erbschein und Erbscheinsverfahren für die gerichtliche, anwaltliche und notarielle Praxis; Berlin 2004, Erich Schmidt Verlag, 440 Seiten, 58 EURO, ISBN 3-503-07838-3 Dieses Buch stellt die wichtigsten Fragen des Erbscheinsrechtes dar. Es geht sowohl auf das materielle Erbscheinsrecht als auch auf das Verfahrensrecht ein und legt ein besonderes Gewicht auf Kostenfragen, weil hier der Erbscheinsantragsteller manchmal sparen kann. Es werden auch Hinweise auf Sonderregelungen in den einzelnen Bundesländern gegeben. Daneben werden Erbscheinsfragen nach dem Tod eines Ausländers ausführlich in die Darstellungen mit einbezogen. Das Buch berücksichtigt auch die aktuelle Rechtsprechung. Es stellt sowohl für den in der juristischen Praxis tätigen als auch für den interessierten Laien eine gute Möglichkeit dar, sich umfassend über die Thematik zu informieren. Jutta Prem, Monika Reinert, Thomas Uhlig: Das neue Sozialhilferecht – SGB XII Einführung, Text zum SGB XII, Regelsatz- und Budgetverordnung; Köln: Bundesanzeiger Verlag, 16,80 EURO, 155 Seiten, ISBN 3-89817-392-5 Die Autoren sind Mitarbeiter in dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Referat Gesetzgebung auf dem Gebiet der Sozialhilfe, Leistungen an Ausländer, internationale Sozialhilfefragen. Daher ist die Einführung, die sich mit den inhaltlichen Schwerpunkten des Gesetzes befasst, an der offiziellen Gesetzesbegründung orientiert. Hilfreich ist die Wiedergabe einer Kurzsynopse BSHG-SGB XII vor dem Gesetzestext und die Veröffentlichung von vier Verordnungen, die für die Umsetzung des SGB XII maßgeblich sind. Das Buch ist damit eine wichtige Praxishilfe für den Start des SGB XII. Nicht berücksichtigt sind allerdings die Änderungen, die durch das SGB XIIÄndG erst im November verabschiedet worden sind. Katrin Fastabend/Egbert Schneider: Das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung; Berlin 2004, Erich Schmidt Verlag, 420 Seiten, 49,80 EURO, ISBN 3-503-07427-9 Das vorliegende Werk vermittelt einen schnellen, aber dennoch verlässlichen Überblick über das aktuelle Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Buch schließt damit eine Lücke. Entsprechend seinem Charakter als Einführungswerk orientiert es sich vor allem an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Die Autoren sind als Richter am Sozialgericht tätig und kennen das Krankenversicherungsrecht aus 187 RECHT UND ETHIK ihrer eigenen beruflichen Praxis. Allen, die mit dem Recht der Krankenversicherung befasst sind, steht ein kompaktes, aktuelles (Rechtsstand 1.1.2004) und gut lesbares Werk zur Verfügung. Karl Hauck/Wolfgang Noftz: Sozialgesetzbuch SGB III – Arbeitsförderung, Kommentar; Berlin: Erich Schmidt Verlag, 39. bis 42. Lieferung 2004, 150,20 EURO, ISBN 3-503-04341-1 Mit den jüngsten Ergänzungslieferungen wird der Kommentar aktuell und zuverlässig fortgeführt. Zahlreiche Kommentierungen sind den zwischenzeitlichen Gesetzesänderungen angepasst worden. Weitere Vorschriften (z.B. §§ 404 ff. und §§ 418 ff.) sind neu kommentiert. Mit der 42. EL ist der Kommentar auf dem Stand vom 1. September 2004. Die Nutzer können somit weiterhin auf eine aktuelle und fundierte Kommentierung zu allen Fragen der Arbeitsförderung zurückgreifen. „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit“ neu erschienen Neu aufgelegt und herausgegeben hat das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“. Einbezogen sind die Inhalte neuer Gesetze wie z. B. des SGB IX und des Infektionsschutzgesetzes. In seiner Pressemitteilung weist das Ministerium darauf hin, dass die „Anhaltspunkte“ weiter „als antizipierte Sachverständigengutachten wie untergesetzliche Normen“ gelten. Das Buch kann über die Homepage des B MG S im Internet (www.bmgs.bund.de) sowie per Telefax unter 0180/ 5151511 zum Preis von 13 EURO zuzüglich Versandkosten bestellt werden. Kunz/Butz/Wiedemann: Kommentar; München: C. H. Beck Verlag, 10. Auflage 2004, 574 Seiten, 45 EURO, ISBN 3-406-51694-7 Der bewährte Kommentar zum Heimgesetz orientiert sich an den Bedürfnissen der Praxis. Die Autoren sind ausgewiesene Kenner des Heimrechts. Die 10. Auflage berücksichtigt die tiefgreifenden Änderungen durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Heimgesetzes und beinhaltet die Kommentierung der neuen Heimmitwirkungs-Verordnung. Damit sind jetzt im Werk alle heimrechtlichen Verordnungen mitkommentiert (Heim-Mindestbauverordnung, HeimMitwirkungsverordnung, Heim-Sicherungsverordnung und Heim-Personalverordnung). Weitere praxisrelevan188 te Vorschriften wie das neu verkündete Altenpflegegesetz runden den Kommentar in gelungener Weise ab. Stefan Schick: Rechts- und Unternehmensformen; Baden-Baden, 1. Auflage 2 003: Nomos-Verlagsgesellschaft, 101 Seiten (Studienkreis Management in der Sozialwirtschaft), 19,80 EURO, ISBN 3-83290208-2 Die neuen Rahmenbedingungen in der Sozialwirtschaft führen dazu, dass vorhandene Organisationsstrukturen überprüft werden müssen. Die Aufbauorganisation muss ihrerseits in rechtliche Gestaltungsformen umgesetzt werden. Dazu ist die Kenntnis der Organisationsstrukturen der verschiedenen Rechtsformen unabdingbar. In der Praxis stellt man sich darüber hinaus häufig Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Rechts- und Organisationsform, die im Einzelfall rasch beantwortet werden müssen. Der vorliegende Band gibt einen verständlichen Überblick über die verschiedenen Rechtsformen sozialwirtschaftlicher Einrichtungen. Behandelt werden u. a. folgende Themen: Grundprinzipien verschiedener Rechtsformen (Aufb auorganisation, Finanzierung, Haftung); Privatrechtliche Rechtsformen (Personen- und Kapitalgesellschaften, Vereine, Stiftungen); Vergleiche der Rechtsformen und ihre Eignung für sozialwirtschaftliche Unternehmen; Öffentlich-rechtliche Rechtsformen (Stiftungen, Anstalten, Körperschaften). Zahlreiche Schaubilder und Zusammenfassungen erleichtern zudem einen schnellen Einstieg in die Materie. Max Troll/Rolf Wallenhorst/Raymond Halaczinsky: Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine, Stiftungen und der juristischen Personen des öffentlichen Rechts; München 2004: Verlag Vahlen, 5. Auflage, 907 Seiten, 79 EURO, ISBN 3-8006-2956-9 Das vorliegende Buch enthält eine umfassende Darstellung der praktisch relevanten Aspekte der Versteuerung gemeinnütziger Vereine, Stiftungen und juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Es beschäftigt sich auch mit der Besteuerung von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben gemeinnütziger Körperschaften und setzt Schwerpunkte bei besonders praxisnahen Themen, wie Sponsoring, Leistungen an Stifter, Stiftungsspenden und Spendenhaftung. Daneben enthält es umfangreiche Ausführungen zu den Themen steuerliche Gemeinnützigkeit, steuerbegünstigte Zwecke, wirtschaftliche Betätigungen und Spendenrecht. Durch seine transparente systematische Darstellung aller relevanten Steuerarten, bedeutsamer Spezialthemen, der Einarbeitung einschlägiger Gerichtsentscheidungen, Verwaltungs anweisungen und Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 ANZEIGE Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 189 BÜCHERSCHAU Literaturmeinungen und nicht zuletzt dem nützlichen Anhang, bestehend aus Satzungsmustern, einem Register zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und Rechenbeispielen wird dieses Buch zu einem nützlichen Werk der jeweils mit der Thematik befassten Fachwelt. Rudolf Aufhauser, Hanna Brunhöber, Peter Igl: Arbeitssicherheitsgesetz, Handkommentar; BadenBaden: Nomos-Verlagsgesellschaft, 3. Auflage 2004, ca. 415 Seiten, 49 EURO, ISBN 3-8329-0428-X Dieser Kommentar enthält eine umfassende und dennoch komprimierte Darstellung aller Bestimmungen des Arbeitssicherheitsgesetzes auf aktuellem Stand. Die Gesetzabschnitte über Betriebsärzte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit und für diesen Bereich geltende „gemeinsame Vorschriften“ werden anschaulich unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Schrifttum erläutert. Der umfangreiche Anhang enthält alle für den Bereich Arbeitssicherheit wichtigen Gesetzestexte, Unfallverhütungsvorschriften, Verwaltungsvorschriften und Richtlinien sowie Mustertexte. Eric Hilgendorf (Hrsg.): Informationsstrafrecht und Rechtsinformatik; Berlin 2004: Logos-Verlag, 206 Seiten, 39 EURO, ISBN 3-8325-0536-9 Mit der zunehmenden Digitalisierung unserer Lebenswelt und dem damit einher gehenden Wandel hin zur Informationsgesellschaft beginnt sich ein neues Rechtsgebiet herauszubilden: das Informationsrecht. Es handelt sich um eine Querschnittsmaterie, zu der neben zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Fragestellungen in erheblichem Umfang auch strafrechtliche Probleme gehören. Hilgendorfs Band ist dem Informationsstrafrecht gewidmet. Behandelt werden Probleme mit Grundlagenbezug ebenso wie Fragen des „Hacking“ und „e-learning“. Ergänzt wird der Sammelband, dessen Autoren dem Umkreis des Würzburger Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsinformatik entstammen, durch Beiträge zum „Outsourcing von Versicherungsdaten“ und durch Befunde über „Strafrechtliche Instrumentarien gegen Schadprogramme im Computer“. In den Beiträgen wird ganz überwiegend wissenschaftliches Neuland betreten. Gleichzeitig findet der Nutzer moderner Informationsmedien wichtige rechtliche Orientierungspunkte. 190 Hans Jochem Mayer / Ludwig Kroiß (Hrsg.): Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Handkommentar; BadenBaden 2004: Nomos-Verlagsgesellschaft; 1227 Seiten, 69 EURO, ISBN 3-8329-0496-4 Nach fast 50 Jahren löst das neue Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) ab. Das RVG unterscheidet sich wesentlich vom bisherigen Recht. Anstelle der über 130 BRAGO-Paragraphen wird es nur noch 61 Paragraphen enthalten, und die Gebührensätze werden in einem gesonderten Vergütungsverzeichnis (VV) zusammengestellt. Mit der Einführung des RVG ändert sich z. B. das Recht der Erstberatung und ihrer kostenmäßigen Begrenzung (Deckelung). Konnten diese Kostenerleichterung für eine erste Beratung in einer Rechtsangelegenheit bis 30. Juni 2004 alle Rechtsuchenden in Anspruch nehmen, so haben nunmehr lediglich noch „Verbraucher“ (§ 13 BGB), also natürliche Personen, diese Möglichkeit (VV 2102). Damit ist eindeutig, dass unter anderem Idealvereine nicht unter diesen personalen Verbraucherbegriff fallen. Zudem regelt das RVG auch die Vergütung in sozialrechtlichen Angelegenheiten neu (§ 3 RVG). Diese und andere Neuerungen lassen sich mit dem Kommentar rasch erschließen. Der NOMOS-Kommentar bietet damit eine wichtige Orientierungshilfe für alle, die sich über die Kostenseite rechtlicher Beratung und Vertretung informieren wollen bzw. müssen. Peter Mrozynski: SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe, Kommentar; München 2004: Verlag C. H. Beck, 4. neu bearbeitete Auflage, ca. 500 Seiten, 26 EURO, ISBN 3-406-51619-X Das Kinder- und Jugendhilferecht ist nicht nur für Juristen, sondern für alle in der Kinder- und Jugendarbeit beschäftigen Berufsgruppen von hohem Interesse. Der Standardkommentar erleichtert den Zugriff auf die komplexe Materie und hebt die Querverbindungen zu den wichtigen ergänzenden gesetzlichen Bestimmungen hervor. Die Neuauflage steht im Zeichen der Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch, berücksichtigt werden aber auch Änderungen, die das Gesundheits-Modernisierungsgesetz gebracht haben. Das Buch stellt damit ein nützliches Hilfsmittel für alle in der Jugendhilfe Tätigen dar. Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 BÜCHERSCHAU/IMPRESSUM Stefan Muckel: Sozialrecht; München 2003: Verlag C. H. Beck, 507 Seiten, 21 EURO, ISBN 3-406507711-5 Das in der Reihe Grundrisse des Rechts erschienene Buch stellt den gelungenen Versuch dar, das komplexe Sozialrecht vollständig, aber dennoch relativ knapp darzustellen. Es zeigt die gemeinsamen Strukturen der verschiedenen Bereiche auf und stellt die Materie mit Hilfe von Details und Beispielsfällen anschaulich dar. Neben den sozialen Leistungen enthält das Buch auch eigene Kapitel zum Verwaltungsverfahren und zum Rechtsschutz. Schließlich sind die in einem eigenen Teil aufgearbeiteten immer wichtiger werdenden internationalen Bezüge des Sozialrechts positiv zu erwähnen. Neuerscheinung aus dem Lebenshilfe-Verlag Marburg Klaus Lachwitz Mehr Chancen für ein selbstbestimmtes Leben? Das persönliche Budget in Fragen und Antworten 1. Auflage 2004, DIN A5, Drahtheftung, 72 Seiten, ISBN 3-88617-521-9, Bestellnummer LER 521 7,50 Euro [D]; 13.– sFr. Mit dem Persönlichen Budget ist ein Mehr an Selbstbestimmung möglich, es ist aber auch mit mehr Eigenverantwortung behinderter Menschen verbunden. Neben allgemeinen Informationen und Hinweisen werden in 34 Fragen und Antworten die wichtigsten Anliegen aus Sicht von Menschen mit Behinderung angesprochen. Bestellungen bitte an: [email protected] Gestaltung: Dieter Jeuck Druck: Andreas Seip, Hausdruckerei Vertrieb: Lahn-Werkstätten Marburg Rechtsdienst der Lebenshilfe (RdLh) Herausgeber: Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e. V. Raiffeisenstr. 18 35043 Marburg Telefon: (06421) 491-0 Telefax: (06421) 491-167 Internet: http://www.lebenshilfe.de E-mail: [email protected] Vorsitzender: Robert Antretter Bundesgeschäftsführer: Dr. Bernhard Conrads Chefredakteur: Klaus Lachwitz (La), Justitiar Redaktion: Ulrich Hellmann (He), (geschäftsführender Redakteur) Peter Dietrich (Di) Renate Heinz-Grimm (HG) Norbert Schumacher (Sch) Dr. Michael Wagner-Kern (W-K) Dr. Sabine Wendt (We) Mit Autorennamen ausgewiesene Beiträge geben die Meinung der Verfasser/-innen wieder und sind urheberrechtlich geschützt. Außerhalb der Grenzen des Urheberrechts sind Reproduktionen - durch Fotokopie, Nachdruck oder andere Verfahren - bzw. die Übertragung oder Veröffentlichung dieser Beiträge in Datenverarbeitungsanlagen ohne Einwilligung der Autoren nicht statthaft. Im Übrigen ist der Nachdruck von Beiträgen mit Quellenangabe honorarfrei gestattet - zwei Belegexemplare erbeten. Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04 Postvertriebsstück: D 13263 F Auflage: 5.150 Redaktionsschluss: 25.11.04 Erscheinungsweise: 1 x pro Quartal ISSN: 0944 - 5579 Jahresabonnement einschl. Zustellgebühr und gesetzlich vorgeschriebener MwSt. 20,00 EURO, für Mitglieder der Lebenshilfe 15,00 EURO; Einzelheft 6,00 EURO; Mitglieder der Lebenshilfe 4,00 EURO. Sparkasse Marburg-Biedenkopf 60070 BLZ 533 500 00 Am Rechtsdienst der Lebenshilfe sind ebenfalls beteiligt: Verband für Anthroposophische Heilpädagogik Sozialtherapie und Soziale Arbeit e. V. Tel.: (0 60 35) 81-1 90, Bundesverband Evangelische Behindertenhilfe e. V. Tel.: (07 11) 2159-425 Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie CBP e. V. Tel.: (07 61) 2 00-0 Die vier Fachverbände repräsentieren über 90 % der Angebote für Menschen mit geistiger Behinderung und treffen sich regelmäßig in einem gemeinsamen Arbeitskreis Behindertenrecht sowie in Kontaktgesprächen. Dieser Rechtsdienst ist auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. 191 Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. ISSN: 0944 – 5579 Raiffeisenstr. 18 35043 Marburg Telefon: (06421) 491-0 Telefax: (06421) 491-167 Postvertriebsstück: D 13263 F Entgelt bezahlt Veranstaltungshinweis: Zukunft der Werkstatt – Werkstatt der Zukunft Werkstätten der Lebenshilfe im Wandel 11. Treffen der Führungskräfte aus Werkstätten für behinderte Menschen der Lebenshilfe für Geschäftsführungen, Werkstattleitungen, Leitungen Begleitender Dienste, Verwaltungsleitungen, Leitungen des QM-Systems vom 27. – 29. April 2005 in der Musik- und Kongreßhalle, Lübeck Teilnahmebeitrag zzgl. Übernachtungskosten: 395,00 Euro ; Frühbucherpreis: 355,00 Euro bei Anmeldung bis zum 07.01.2005 unter der Nummer 05252 bei Heidi Becker, Tel.: (0 64 21) 4 91-1 72, Direktfax: (0 64 21) 4 91-6 72, E-Mail: [email protected] www.kaufen-mit-herz.de Im Internet einkaufen und damit die Lebenshilfe-Arbeit unterstützen! Über die Lebenshilfe-Seite www.kaufen-mit-herz.de kommen Sie zu mehr als 400 unabhängigen Online-Anbietern wie Amazon, Tchibo oder OTTO. Für jede Bestellung erhält die Lebenshilfe durchschnittlich drei Prozent des jeweiligen Kaufpreises – Sie zahlen deswegen nicht mehr, und Ihre Daten bleiben geschützt. Sie müssen nur eines tun: Beim Online-Kauf einfach immer den Weg über www.kaufen-mit-herz.de gehen! Probieren Sie es mit Ihren Weihnachtskäufen doch gleich mal aus – wir danken Ihnen! Ihre Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V., Marburg 192 Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/04