Arbeitsplätze für Erwachsene mit einer Behinderung

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Arbeitsplätze für Erwachsene mit einer Behinderung
Arbeitsplätze für Erwachsene mit einer Behinderung
Eric Bertels, Präsident Verein Zämme – das andere Hotel
Vieles entspricht hier einem normalen Hotel, einiges aber wiederum nicht. So war es für die Projektverantwortlichen
immer wichtig, dass man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer IV-Rente gut wahrnimmt, dass sie in Kontakt mit den Gästen kommen. In einem „normalen“ Hotel ist dies nicht so. In der Regel versteckt man das Personal
im Untergeschoss. Hier nicht. In unserem Hotel werden zum Beispiel die Pausen und Mittagessen hier in der HotelLobby abgehalten. Da kann es schon sein, dass sich in diesem Saal rund 10 - 15 Angestellte aufhalten, schwatzen
und von täglichen Erlebnissen berichten während der Gast dort im Sofa sitzt und auf seine Begleiter wartet, oder hier
an einem der Tische gerade sein Frühstück einnimmt. Dadurch ergeben sich spontane Begegnungen zwischen den
Gästen und Angestellten. Diese Zielsetzung wurde ein Stück weit auch bei den anderen Arbeitsräumen verfolgt. Die
Küche, Wäscherei, Lingerie usw. befinden sich im 2. OG, gleich beim Liftausgang. Sie sind so gestaltet, dass der
Gast Gelegenheit hat, einen Augenschein zu nehmen. Sie sehen also, oberstes Ziel dieses Projektes ist die Integration
und der Austausch zwischen Menschen mit und ohne Behinderung – wobei den Gästen ein ganz normaler Hotelaufenthalt geboten werden soll. Vermutlich ist dies auch eines der Geheimnisse, weshalb das Hotel bei vielen gut ankommt. Die Gäste erleben hier eine ähnliche Atmosphäre wie in einem Familienhotel.
Das zweite Ziel ist die Schaffung von niederschwelligen Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Menschen mit einer IVRente haben wie alle anderen Menschen spezifische Ressourcen, die sie in der Arbeitswelt einsetzen wollen. Auch
sie möchten Anerkennung und Wertschätzung erfahren, was die Lebensqualität erwiesenermassen erhöht. Für viele
Menschen mit einer Behinderung ist es aber schwierig, einen Arbeitsplatz zu finden, der optimal auf ihre Leistungsfähigkeit abgestimmt ist. Insbesondere für Erwachsene mit leichten Einschränkungen gibt es zu wenig Angebote, bei
denen sie sich entfalten können und vor allem nicht unterfordert werden. Diese Lücke schliesst dieses Hotel.
DASBREITEHOTEL ist eine Brücke zwischen den klassischen Behindertenwerkstätten und dem ersten Arbeitsmarkt. Es bietet den Mitarbeitenden mit einer IV-Rente Rahmenbedingungen, die sehr weit gehend der Situation an
einem „realen“ Arbeitsplatz entsprechen.
Leider können wir aber nicht einen leistungsgerechten Lohn bezahlen, da wir als Behindertenwerkstatt uns an die
Richtsätze des Bundes halten müssen. Dadurch verlassen uns auch immer wieder Mitarbeiter und suchen nach einer
Stelle im primären Arbeitsmarkt. Dort können sie, falls sie auf die IV-Rente verzichten, einen höheren Lohn erwirtschaften. Einerseits begrüssen wir solche Abgänge, denn auch dies ist eine Zielsetzung dieses Projekts. Drei Mitarbeiter haben seit Eröffnung diesen Schritt unternommen. Andererseits sind diese Abgänge auch schwierig für uns,
denn oft verlassen uns jene Mitarbeitenden, die eine hohe Produktivität haben. Zudem sind wir manchmal unsicher,
ob die Wahl wirklich immer klug ist. Aber wir gehen davon aus, dass gewisse Personen auch mal etwas ausprobieren müssen, damit sie sehen, was möglich ist und was nicht. Unsere Türen stehen für die ehemaligen Mitarbeiter
offen. Sie können, falls der Neuanfang nicht gelingt, in der Regel wieder zu uns zurückkommen.
PK 14 März 2007 - Referat Eric Bertels.doc
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Hier möchte ich kurz einen Blick auf die Situation im primären Arbeitsmarkt für Menschen mit einer Behinderung
werfen. Sie ist, so muss man leider heute feststellen, eine Misserfolgsgeschichte. Die Hürden für einen Einstieg in
den ersten Arbeitsmarkt sind für behinderte Personen oft sehr hoch. Selbst Betriebe, die in der Lage wären, Menschen mit einer Behinderung zu beschäftigen, sind kaum bereit dazu. Verbessern liesse sich diese Situation mit verstärkter Information, aktiver Akquisition von Beschäftigungsmöglichkeiten und externer Begleitung der Menschen
mit einer Behinderung am Arbeitsplatz. Die Massnahmen sind aber alle recht aufwendig und benötigen einen sehr
langen Atem. Wesentlich schneller und kostengünstiger zum Erfolg führen würde es, wenn man die Unternehmen
verpflichtet, Menschen mit einer Behinderung einzustellen. In vielen anderen Ländern gibt es solche Regelungen, in
der Schweiz nicht. Im Behindertengleichstellungsgesetz, welches seit 1.1.2004 in Kraft ist, hat man es unterlassen,
solche Bestimmungen aufzunehmen. Eine neue Gelegenheit böte die 5. IVG-Revision. Doch auch da haben sich eine
Mehrheit der National- und Ständeräte dagegen ausgesprochen. Ich persönlich finde es deshalb richtig, dass die 5.
IVG-Revision abgelehnt wird, denn ohne eine solche Verpflichtung wird es keine Besserung geben und wenn keine
zusätzlichen Arbeitsplätze für Menschen mit Einschränkungen im ersten Arbeitsmarkt geschaffen werden, wird auch
die Sanierung der Invalidenversicherung nie gelingen.
Allerdings könnten auch mit den besten Integrationsmassnahmen nicht alle behinderten Menschen im primären Arbeitsmarkt untergebracht werden. Es braucht parallel dazu immer auch Unternehmen wie DASBREITEHOTEL, die
längerfristige Arbeitsplätze für Personen mit einer Behinderung schaffen und wo auf die individuellen Bedürfnisse
dieser Arbeitnehmer Rücksicht genommen wird. Es wird immer Menschen geben, die einen geschützten Rahmen
benötigen. Sozialfirmen wie DASBREITEHOTEL, die mindestens 50% ihres Umsatzes selber, also ohne staatliche
oder private Unterstützung erwirtschaften, gibt es aber noch viel zuwenig.
Nun liegen die Zuständigkeiten betreffend Finanzzuschläge nicht mehr beim Bundesamt für Sozialversicherungen
(BSV) sondern bei den Kantonen. Es ist daher zu hoffen, dass Unternehmen wie DASBREITEHOTEL vermehrt
Schule machen und von den zuständigen Amtsstellen unterstützt und gefördert werden. In diesem Bereich besteht
nämlich noch ein grosses wirtschaftliches Potential.
PK 14 März 2007 - Referat Eric Bertels.doc
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