Nigeria ist das bevölkerungsreichste Land Afrikas

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Nigeria ist das bevölkerungsreichste Land Afrikas
Julius Berger Nigeria PLC (JBN)
Praxisbericht
Nigeria ist das bevölkerungsreichste Land Afrikas und verfügt über eine Vielzahl
an Bodenschätzen. Für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes ist eine funktionierende und leistungsfähige Infrastruktur von großer Bedeutung. Bereits
seit vielen Jahren bearbeitet Julius Berger Nigeria PLC (JBN) erfolgreich Infrastrukturprojekte
(Straßen- und Eisenbahnplanung, Bauausführung) in Nigeria. Dabei setzt man auf VESTRA CAD
wie z. B. beim Ausbau des Lagos-Badagry Expressway.
Von Wolfgang Turri
Lagos-Badagry Expressway (LBE)
Nigeria, ein in Westafrika am Golf
von Guinea liegender Bundesstaat, ist
eines der erdölreichsten Länder der
Welt. Der Öl-Boom seit Anfang der
1970er-Jahre ermöglichte einen Ausbau
des Straßennetzes, so dass Nigeria
als der verkehrsmäßig am besten erschlossene Staat Schwarzafrikas gelten kann. Aufgrund der fortschreitenden Mobilisierung der Bevölkerung
und der überproportional hohen
Verkehrsbelastung der vorhandenen
Straßen haben Erweiterungen und
Reparaturen des Straßennetzes neben
dem Bau neuer Verbindungen eine hohe
Priorität.
In den Jahren 1968 bis 1973 wurde
der Lagos-Badagry Expressway in einer Gesamtlänge von ca. 60 km
von Lagos-City bis zur grenznahen
Ortschaft Badagry als 4-spurige Straße
ge­plant und gebaut. Der LBE diente
fast ausschließlich als Hauptverbindung
zum Nachbarstaat Benin und dessen Hochseehafen „Porto Novo“. Der
Expressway führte einst durch weitestgehend unberührte Landschaft.
Heute liegt der LBE innerhalb der
ers­ten 35 km im Stadtbereich von Lagos.
Entlang des LBE haben sich mittlerweile
ganze Stadtviertel mit der typischen
schwar­z afrikanischen Infrastruktur
(lokale Märkte, Händler etc.) unkoordiniert etabliert. Die Straßenfunktion
wird einerseits durch das hohe Verkehrs­
auf­kommen und andererseits durch
den schlechten Straßenzustand aufgrund stetiger Überbelastung stark
beein­t rächtigt. Ständige kilometer­
lange Verkehrsstaus mit mehrstündigen Wartezeiten sind die Folge.
Aufgabenstellung
Anfang 2009 schrieb der Lagos State
das erste Los in einer Gesamtlänge
von 7,2 km des LBE-Ausbaus mit einer Gesamtbreite von bis zu 100 m aus.
Den Zuschlag erhielt die Julius Berger
Nigeria PLC (JBN) mit einer Bauzeit
von 24 Monaten. Baubeginn war im
November 2009. Dieser Auftrag umfasst:
Straßenbau:
• 10-spuriger Gesamtausbau des LBE
mit Mautstraße (2-spurig), Service
Roads (2-spurig) sowie einer separaten Busspur
• 2 Mautstationen mit je 6 Spuren
• 3 Park-and-Ride-Parkplätze
• Vorbereitung eines 15 m breiten
Korridors in der Mitte des LBE für
die zukünftige Stadtbahn (LRT)
Entwässerung/Infrastruktur:
• ca. 30 km offene Oberflächenen­t­
wässerung
• Leerrohrsysteme für Strom,
Telekommunikation etc.
Ingenieurbauwerke:
• 3 Brücken à 170 m • 4 Brücken à 37 m
• 3 Fußgängerbrücken
• Bus-Depot mit Infrastruktur
Die Abteilung Planung und Ver­
messung (P+V) der Bilfinger Berger
Nigeria GmbH in Wiesbaden wurde
im April 2009 mit der baubegleitenden Planung von der JBN beauftragt.
Als Planungswerkzeug wird VESTRA
CAD (Build 31) eingesetzt.
Grundlagen
Die vom Kunden bereitgestellte, sehr
grobe Aus­schrei­bungs­unter­lage bildete
die Basis der Ausführungsplanung. Die
Ist-Situation wurde hierbei nur rudimentär wiedergegeben. Das KundenDesign in Lage (Achse) und Höhe
(Gradiente) lehnt sich größtenteils an
den bestehenden LBE an. Als Entwurfs­
geschwindigkeit wurden 100, 80 bzw.
60 km/h für Mautstraße, Bus­spur und
Service Road angestrebt.
Vermessungstechnische, aktuelle topografische Informationen waren nur
teilweise vorhanden. Als Planungs­
grundlage diente ein Bestands-DGM
aus den Jahren 2003/2004, das ständig
durch neue terrestrische Vermessungen
ergänzt und aktualisiert wird. Die visuelle Kontrolle über die 3D-Ansicht der
einzelnen Phasen unterstützt wesentlich das aktuelle Projekt-Design hinsichtlich Einbindung in die bestehende
Örtlichkeit und Ist-Situation.
PROFILE 2/2010
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Praxisbericht
Julius Berger Nigeria PLC (JBN)
Oberflächenentwässerung
Trassierung
Zur Festlegung und Dimensionierung
der Straßenverkehrsanlagen auf der
Strecke und an den Knotenpunkten
waren zunächst eine verkehrstechnische
Beurteilung und Überprüfung des
Kundenentwurfs und dessen Vorgaben
erforderlich. Die Überprüfung wurde
auf der Grundlage der nigerianischen
Richtlinien (Nigerian Highway Manual)
vorgenommen. Weiter fanden folgende
Regularien Berücksichtigung: British
Standard (BS) und American Association
of State Highway and Transportation
Officials (ASSHTO).
Aufgrund des nicht modifizierbaren
Regel­querschnitts (Kundenwunsch)
und den örtlichen politischen Gegeben­
heiten (die Gesamtbreite von ca. 80 m
durfte in bestimmten Bereichen nicht
überschritten werden) musste die Ent­
wurfs­geschwindigkeit für Maut-, Bus­
spuren und Service Roads auf 60 km/h
reduziert werden (vgl. Abb. Reduzierung
der Entwurfsgeschwindigkeit).
Im Zuge der Entwurfs-, Geneh­
migungs- und Ausführungs­pla­nung
wurden verschiedene Varianten er­
arbeitet und nach den Wünschen des
Auftrag­g ebers mehrfach geändert.
Jede Planänderung wurde anhand der
Quer­schnitte in Bestand und Neubau
(Decken­buch mit 28 Spuren!) mittels
Massen­optimierung und Einbeziehung
der Oberflächenentwässerung geprüft
und angepasst.
Besonders zu erwähnen ist, dass die
parallel verlaufenden offenen U-Kanäle
der Oberflächenentwässerung alle als eigene Spuren mit separaten Gradienten
im Deckenbuch eingebunden sind (vgl.
Abb. Regelquerschnitt (grün: bestehender
LBE)).
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PROFILE 2/2010
Eine große Herausforderung stellt die
Planung der Oberflächen­entwässerung
dar. Wegen des generell hoch anstehenden Grund­wasser­spiegels und des geringen natürlichen Gefälles ist es in Lagos
üblich, weitestgehend auf verrohrte
Entwässerungssysteme zu verzichten. In
der Regel werden im Innenstadtbereich
von Lagos parallel zu den Straßen verlaufende, u-förmige, oben offene Kanäle
eingesetzt.
Der LBE liegt küstennah und war
ursprünglich als Dammstraße gebaut,
wobei das Oberflächenwasser seitlich
in das unbebaute Gelände abgeleitet
wurde. Der Bauabschnitt liegt heute
vollständig im Innenstadtbereich. Die
aktuelle Bebauung liegt niveaumäßig
tiefer als die bestehende Straße. Es gibt
nur drei Vorfluten, in denen das gesamte Oberflächenwasser abgeleitet werden kann.
Der Ansatz des Bemessungsregens
von 390 l/sec*ha für offene bzw.
500 l/sec*ha für geschlossene Gerinne
(Deutschland: ca. 110 l/sec*ha) zeigt,
mit welchen Wassermengen aufgrund des subtropischen Klimas zu
rechnen ist. Die Dimensionierung
der offenen Kanäle bei minimalsten
Längs­gefällen der Straßen wurde mit eigenen Routinen berechnet, die auf die
Datenbasis von VESTRA CAD (Achse,
Gradiente, Deckenbuch) per CSV-Datei
zurückgreifen.
Julius Berger Nigeria PLC (JBN)
Praxisbericht
Infrastruktur
Im Baufeld liegen die verschiedensten
Versorgungssysteme (Trinkwasser, Gas,
Strom etc.). Eine Hauptwasserleitung
DN 1200 von Lagos verläuft teilweise parallel (ca. 4 km) zur bestehenden Straße. Einer Verlegung in
einen zukünftigen separaten Infra­
struktur­korridor wurde vom Kunden
nicht zugestimmt. Daraufhin mussten Gradienten angehoben werden,
um mit einer Mindestüberdeckung die
Sicherheit der Wasserleitung nicht zu
gefährden. Die bestehenden Schacht­
bau­werke erfordern wesentliche Ver­
stärkungen auf die Beanspruchung
durch den künftigen Schwerlastverkehr.
LBE: Zukünftiger Toll Link Interchange – Kreisverkehr in der 2. Ebene
kannt. Die Zusage des Bauherrn, alle
Systeme vor Beginn der Bauarbeiten
umzulegen, wurde nicht eingehalten
und einfach auf den Auftragnehmer verspätet übertragen. Mit weiteren kurzfris­
tigen Änderungen der Planung während
der Bauphase ist somit zu rechnen.
Datenstruktur/Datenaustausch
Die Vielschichtigkeit des Projekts mit
all seinen Abhängigkeiten, die sehr
knappe Bauzeit von ca. 24 Monaten und
die kurzfristigen Änderungswünsche
des Kunden erfordern eine maximale
Flexibilität im Planungsablauf. Bis zu 10
Mitarbeiter arbeiten parallel am Projekt.
mehrere Gradienten innerhalb des
„Decken­buch/Höhenbezuges“ einzusetzen und zu variieren, wäre der komplexe Regelquerschnitt nicht zeitnah
umzusetzen. Die Flexibilität bei der
Bearbeitung in Lage-, Querschnitt-,
Decken- und Höhenplan sowie bei der
Massen­optimierung und Infra­struktur­
planung ermöglicht zeitnahe qualifizierte Aussagen über die Machbarkeit
von Änderungswünschen und zusätzlichen Forderungen des Kunden.
Projektübergreifende Nutzung der
VESTRA-Daten
Alle anderen Versorgungssysteme
kommen in einen eigenen geordneten
Korridor seitlich des LBE. Die Planung
wurde mit Spezialprogrammen durchgeführt. Der Datenaustausch von und
nach VESTRA CAD erfolgt über CSVDateien.
Das größte Problem im Gewerk
Infrastruktur ist allerdings ein anderes:
Nicht alle Versorgungssysteme sind be-
Die bidirektionale Kommunikation
zwischen den einzelnen Teilprojekten
und anderen Fachabteilungen erfolgt
über Listen, CSV- und DWG-Dateien,
die über VESTRA CAD erstellt werden.
Für die einzelnen Gewerke gibt es separate Datenmodelle als Grundlage für
die fachliche Planausgabe. Sie werden
unabhängig geführt und korrespondieren untereinander. Die Datenmodelle
sind für jeden Mitarbeiter jederzeit aktuell verfügbar.
Ein großer Vorteil besteht in der
prozess­unter­stützenden Nutzung der
VESTR A-Daten in anderen Fach­
abteilungen. Teilweise im Original­
format oder speziell aufbereitet werden
sie zur Verfügung gestellt. Eigen­ent­
wickelte, festgelegte Vorgaben und
Verfahren für den bidirektionalen
Daten­austausch und Informations­
fluss sorgen stets für die redundanzfreie Aktualität der Daten. Damit ist
VESTRA CAD ein wichtiges Element
für die Steuerung beim Projekt LagosBadagry Express­way.
Fazit
Sehr hilfreich und prozessunterstützend zeigen sich die intelligente Nach­
führung der Fahrbahnachsen und deren Korrespondenz mit den Breiten im
Deckenbuch. Ohne die Möglichkeit,
Dipl.-Ing. Wolfgang Turri
Der Autor ist Senior Engineer
bei der Bilfinger Berger Nigeria
GmbH.
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