Stationäre Suchtkrankenhilfe der Christlichen Wohnstätten
Transcrição
Stationäre Suchtkrankenhilfe der Christlichen Wohnstätten
Abhängigkeitserkrankungen und ihre Auswirkungen auf familiäre Strukturen Vorstellung Christliche Wohnstätten Schmalkalden GmbH Psychosoziale Beratungsstelle für suchtgefährdete und suchtkranke Menschen sowie deren Angehörige Bad Salzungen Andreasstraße 11 36433 Bad Salzungen Tel: 03695/603053 Fax: 03695/621781 Mail: [email protected] Internet: www.cws-schmalkalden.de Seite 2 Zahlen und Fakten 2014 Hauptdiagnose Anzahl Männer Frauen Alkohol 299 243 56 Illegale Drogen 124 98 26 Medikamente 4 2 2 Essstörungen 0 0 0 14 12 2 4 4 0 38 6 32 483 365 118 Spielsucht Sonstige Angehörige Gesamt Seite 3 Abhängigkeitserkrankung …liegt vor, wenn während der letzten 12 Monate drei oder mehr der folgenden Kriterien gleichzeitig vorhanden waren: • Ein starker Wunsch oder eine Art zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren • Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums • Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums • Nachweis einer Toleranz. Um die ursprünglich durch niedrige Dosen erreichten Wirkungen hervorzurufen, sind zunehmend höhere Dosen erforderlich • Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Suchtmittelkonsums • Anhaltender Substanzkonsum, trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen Seite 4 DER SUCHTKRANKE MENSCH Kennzeichen eines Betroffenen Seite 5 Mögliche Auffälligkeiten im Sozialverhalten Aggressivität tritt einerseits ohne nachvollziehbaren Anlass auf Betroffene Person kann nicht mehr zwischen sachbezogener und persönlicher Kritik unterscheiden, bezieht zunehmend alles auf sich; eigene Fehler werden abgewehrt und geleugnet Schuld sind auf jeden Fall die anderen, entweder konkrete Person oder die widrigen Umstände – die Eigenverantwortung lässt erheblich nach Betroffene Person zieht sich zurück, meidet Kontakte zu anderen; in der direkten Begegnung wird der Blickkontakt vermieden oder das Gegenteil trifft zu Kontakte werden zu allen gepflegt, keine Gelegenheit zur Unterhaltung wird ausgelassen, vor allem Feste und Feiern ziehen die betroffene Person magisch an Seite 6 Häufig werden einige wenige Kontaktpersonen gesucht und gefunden, denen Einblicke in das Privatleben gewährt werden, auf der Suche nach Trost, Mitleid und Verständnis In Konfliktsituationen, in denen sich die oder der Betreffende in die Enge getrieben sieht, kann es zu erpresserischem Verhalten kommen – gelegentlich werden sogar Selbstmordgedanken geäußert Wenn das Geld immer knapper wird, werden Kolleginnen und Kollegen um finanzielle Unterstützung gebeten Im Laufe der gesamten Wesensveränderung tritt zunehmend ein negatives Denken für alle Lebensbereiche auf, verbunden mit einer restriktiven Haltung zu allgemein gesellschaftspolitischen Fragestellungen Seite 7 Auffälligkeiten im äußerem Erscheinungsbild ungepflegtes Erscheinungsbild, z.B.: nachlässige Kleidung, mangelnde Körperpflege oder im Gegenteil: übermäßig geschminkt und betont auf das äußere Erscheinungsbild achtend Aufgedunsenes Gesicht, gerötete Gesichtsfarbe Glasige Augen Gleichgewichtsstörungen beim Gehen/ überkontrolliertes Gehen Verlangsamte, verwässerte Sprache Häufige Schweißausbrüche und ständiges Lüften Übermäßige Müdigkeit Alkoholfahne, die eventuell bereits am Morgen vorhanden ist Alkoholfahne, die mit reichlich Rasierwasser oder Raumdüften oder Mundsprays oder Bonbons/ Kaugummis übertüncht und damit kaschiert wird Zittern der Hände Seite 8 Ursachen des Konsums Person Suchtmittel Umwelt Seite 9 Suchtverlauf Positive Einstellung Genuss Konsum Rausch Verstärkter Konsum Missbrauch Gewöhnung Abhängigkeit Seite 10 Was Sucht für die Familie bedeutet CO-ABHÄNGIGKEIT Seite 11 Angehörige von suchtkranken Menschen Durchlaufen einen Veränderungsprozess, dessen Phasen ähnlich der Entwicklung einer Suchterkrankung sind abhängige/ co-abhängige Familien Wesentliche Rolle nehmen Gefühle der co-abhängigen Person ein Angst Schuldgefühle Schmerz Scham Wut Einsamkeit Seite 12 DIE PHASEN EINER SÜCHTIGEN BEZIEHUNGEN Seite 13 Entschuldigungs- oder Beschützerphase Der Betroffene trinkt, spielt, kifft oder konsumiert anderweitig, überwirft sich mit den Freunden und behandelt den Partner lieblos und roh Der co-abhängige Partner versteht den Betroffenen („Es war ein schwerer Tag“) Bittet darum, zukünftig weniger zu trinken, zu spielen, … Eventuelle Reaktion ist Zustimmung, vorerst bleibt alles beim Alten Von Außenstehenden auf den Konsum des Partners angesprochen, wiederholen der Erklärungen und Entschuldigungen Bagatellisierendes Verhalten Co-abhängiger Partner meint zu wissen, was dem Betroffenen wirklich fehlt und möchte durch Liebe heilen Seite 14 Kontrollphase Betroffener hat Toleranz gegenüber dem Suchtmittel entwickelt, erste Folgen des Konsums werden deutlich Flaschen werden ausgegossen, Suchtmittel werden versteckt Nach Außen deckelt der Partner die Situation Je liebloser der Betroffene, desto freundlicher der Co-Abhängige, um die Paarwertung aufrecht zu erhalten Co-abhängige Person kann sich Ohnmacht gegenüber dem süchtigen Verhalten nicht eingestehen Entwickelt Verantwortlichkeit für Handlungen der betroffenen Person, entlastet damit „Was in der Familie passiert, geht niemanden etwas an.“ Daher: weiter schweigen, weiter kämpfen, weiter leiden. Seite 15 Anklagephase Betroffene Person = Sündenbock Vorwürfe und Klagen bestimmen das Beziehungsgeschehen Eventuell sucht co-abhängige Person Unterstützung bei Verwandte oder Freunden (neue Kraft sammeln, Abstand gewinnen, Bestätigung suchen) „Erholungsphasen“ dienen eher dazu, das Drama zu verlängern Ständige Wiederholungen in immer kürzer werdenden Zeitabschnitten (auf Streit folgt Versöhnung, auf Versprechen folgt Enttäuschung) Hoffnungshoch – Verzweiflungstief Keine Verbesserungen der Situation Seite 16 Hilflosigkeit Keine der Phasen ist geeignet, den Betroffenen zu verändern Betroffener verdeckt seinen Zustand vor sich selbst und vor anderen, um Selbstachtung zu erhalten und noch stärkeren Druck zu verhindern Sich der Sucht bewusst zu sein und nichts zu unternehmen ist nicht zu entschuldigen Mit Eingeständnis der Erkrankung ist nächste Folge der Entzug Angst ins Leere zu fallen Versuche, zur Einsicht zu bringen oder Abhängigkeit zu beweisen ist Angriff Ist außerdem weiterer Vorwand, Zuflucht im Suchtmittel zu suchen Erklärungen, Entschuldigungen und Hilfeleistungen von Außen verstellen Sicht auf die Wirklichkeit (solange alles läuft, kann es ja nicht so schlimm sein) Co-abhängiger Partner bleibt gedanklich immer beim süchtigen Verhalten des Betroffenen, keine Veränderungen möglich Seite 17 Zwickmühle Beziehung entspricht nicht mehr den Vorstellungen von Wärme, Geborgenheit, Partnerschaft,… Dennoch Hoffnung auf Besserung in der Zukunft, investieren viel Kraft für dieses Ziel Oder Trennung aus anderen Gründen nicht möglich ( den Kinder zuliebe, aus finanziellen Gründen, Angst vor dem Alleinsein,…) einziger Ausweg für co-abhängigen Partner ist fachkundige Unterstützung! Hilfreich dazu kann ein offenes Gespräch mit einer vertrauten Privatperson mit Hinweis auf Hilfsangebote sein Seite 18 Hilfe für Angehörige Informationsmaterialien Beratungsgespräche in den regionalen Beratungsstellen Teilnahme an Selbsthilfeangeboten Hilfe durch „Nicht-Hilfe“: Ängste um sich und Angehörige überwinden Anforderungen an das tägliche Leben wieder spüren lassen Loslösen von gegenseitigen Beschuldigungen Keine Androhungen, keine Belohnungen in Aussicht stellen Angekündigte Dinge konsequent durchführen Statt „HALTEN“ jetzt „LOSLASSEN“ Durchbrechen festgefügter Beziehungsmuster, Bewegung in erstarrte Beziehung bringen LOSLASSEN hat beziehungsgestaltenden Charakter, ist jedoch umfassender Prozess der Veränderung Seite 19 KINDER AUS SUCHTBELASTETEN FAMILIEN Seite 20 Suchtbericht 2014 In Deutschland leben etwa 2,65 Millionen Kinder und Jugendliche mit mindestens einem Elternteil zusammen, auf das die Diagnose Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit zutrifft. Zwischen 30.000 und 60.000 Kinder haben Eltern, die von illegalen Drogen abhängig sind. Kinder aus suchtbelasteten Familien sind besonders gefährdet Entwicklung einer eigenen Suchtproblematik Kinder aus suchtbelasteten Familien als Hochrisikogruppe Kinder aus suchtbelasteten Familien beginnen früher als nicht betroffene Gleichaltrige Weil eine Suchterkrankung noch immer stigmatisiert wird, fällt es allen Betroffenen schwer, Hilfe zu suchen. Kinder aus suchtbelasteten Familien oft keine adäquate Hilfe und Unterstützung von außen. Seite 21 Charakteristische Rollen von Kindern suchtkranker Eltern (nach Wegscheider-Cruse) Die Heldin bzw. der Held Übermäßig leistungsorientiert, überverantwortlich Braucht Zustimmung und Anerkennung von anderen Empfindet kaum Spaß Fehler und Misserfolg können nicht ertragen werden Starkes Bedürfnis nach Kontrolle und Manipulation von Situationen und Personen Häufig zwanghaftes Verhalten Mit Hilfe von Außen Entwicklung hin zu verantwortungsbewusster und kompetenter Person Werden zielorientiert, zuverlässig und erfolgreich Kommen leicht in Leitungspositionen Seite 22 Der Sündenbock/ das schwarze Schaf Gekennzeichnet durch seine Feindseligkeit und Abwehr Oft zurückgezogen, machen Ärger und werden kriminell Ohne Hilfe Schwierigkeiten in allen Lebensbereichen Entwickeln möglicherweise selbst eine Suchterkrankung Mit Hilfe: Entwickeln Mut Sind belastbar und realistisch Können auf Risiken eingehen und dieses ertragen Seite 23 Das verlorene/ stille Kind Oft Einzelgänger Ist einsam, belohnt sich auch allein (z.B.: mit Essen) Schwimmt durch sein Leben, wird kaum wahrgenommen und nicht vermisst Kann eine grundsätzliche Unzufriedenheit entwickeln Kaum Lebensfreude, lebt isoliert, kann keine Veränderungen eingehen Beziehung zu anderen meist gestört Mit Hilfe von Außen: Lebt unabhängig von der Meinung anderer Entwickelt sich kreativ, phantasievoll und erfinderisch Lernt sich zu behaupten Seite 24 Das Maskottchen/ der Clown Übermäßig niedlich, süß und nett Tut alles für Aufmerksamkeit und ein Lachen anderer Oft hyperaktiv, kurze Aufmerksamkeitsspanne, Lernschwierigkeiten Ängstlich und schutzbedürftig Kann zwanghafte Verhaltensweisen entwickeln und Stress nicht ertragen Suchen später oft einen Helden/eine Heldin als Partner Mit Hilfe von Außen: Entwicklung hin zu einer charmanten, geselligen Person Witzig, geistreich, humorvoll Einfühlsam und hilfsbereit, handelt unabhängig der Meinung anderer Seite 25 Wichtige Botschaften für Kinder suchtkranker Eltern 1. Sucht ist eine Krankheit. 2. Du hast sie nicht verursacht. 3. Du kannst sie nicht heilen. 4. Du kannst sie nicht kontrollieren. 5. Alle deine Gefühle sind erlaubt, egal ob Liebe, Trauer oder Wut. 6. Du kannst für dich selber sorgen, indem du über deine Gefühle mit Erwachsenen sprichst, denen du vertraust. 7. Mache schöne und alltägliche Dinge, die andere in deinem Alter auch tun. 8. Du kannst gesunde Entscheidungen treffen, für dich. 9. Du kannst stolz auf dich sein und dich selber lieb haben. 10.Du bist wertvoll. Seite 26 Angebote für Kinder und Jugendliche Online-Hilfsangebote: NACOA Deutschland - Interessenvertretung für Kinder aus Suchtfamilien e.V Kidkit.de – Internetauftritt des Vereins KOALA e.V. und der Drogenhilfe Köln Sucht-und-wendepunkt-ev.de – mit kostenfreiem bundesweitem Nottelefon an den Wochenenden Vor-Ort-Hilfe: Regionale Suchtberatungsstelle Regionale Familienberatungsstelle Regionale Projekte (zu erfragen bei Thüringer Fachstelle Suchtprävention in Erfurt) Seite 27 7 GOLDENE REGELN, um bei Thema Sucht im Gespräch zu bleiben Eine gute Gesprächssituation schaffen Eigene Sorgen klar definieren Situation klären, ohne „Geständnisse“ zu erzwingen Nicht provozieren lassen Den eigenen Umgang mit Suchtmitteln offen ansprechen Informationen einfließen lassen, ohne eine „Expertengespräch“ zu beginnen Ein gemeinsames Ziel ansteuern Seite 28 Verwendete Quellen: NORWOOD, Robin: „Wenn Frauen zu sehr lieben- Die heimliche Sucht gebraucht zu werden“, Rowohlt Verlag, 29. Auflage, März 2012 RENNERT, Monika: „Co-Abhängigkeit – Was Sucht für die Familie bedeutet“, Lambertus Verlag, 3. Auflage, 2012 KLEIN, Michael, MOESGEN, Diana, BRÖNING, Sonja, THOMASIUS, Rainer: „ Kinder aus suchtbelasteten Familien“, Hogrefe Verlag, 2013 Broschüre der Thüringer Fachstelle Suchtprävention und des Verbands der Drogen- und Suchthilfe (fdr): „Hilfen für Kinder aus suchtbelasteten Familien – Kompass für Thüringen“, 2014 Broschüre der DHS: „Frau, Sucht, Liebe – Co-Abhängigkeit und Beziehungssucht“ Broschüre der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe und der BKK: „ Kindern von suchtkranken Halt geben – Fakten, Risiken, Hilfen“, April 2012 Seite 29 Gibt es Fragen oder Anmerkungen? FRAGERUNDE/ DISKUSSION Seite 30 VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT! Seite 31