Dionysos Rausch und Ekstase

Transcrição

Dionysos Rausch und Ekstase
Dionysos Rausch und Ekstase
Material und Anregungen
für den Ausstellungsbesuch
mit Schülergruppen und jungen Besuchern
“Prepare yourselves
for the roaring voice of the God of Joy!”
― Euripides, The Bacchae (Chorus)
*
Die nachfolgenden Seiten richten sich in erster Linie an Lehrer und Eltern, die in Begleitung von
Schulklassen, Kindern, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen die aktuelle Ausstellung besuchen wollen. Sie
finden hier Anregungen, Arbeitsmaterialien und praktische Informationen für den Besuch im Bucerius Kunst
Forum.
Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Besuch der Ausstellung!
DIONYSOS - KLEINES VORWISSEN FÜR NEUGIERIGE AUSSTELLUNGSBESUCHER
Als die Menschen Zeus ersuchten, ihnen zum Ausgleich für
das schwere Leben auf Erden den himmlischen Nektar zu gewähren, versprach der Göttervater stattdessen, er werde ihnen einen göttlichen Sohn mit einer Freude spendenden Gabe
senden. Dieser Sohn war Dionysos, und er brachte den Menschen den Weinstock.
Unter den Göttern der griechischen Antike ist Dionysos der
Jüngste. Neben seiner Zuständigkeit für den Wein wird heute
oft vergessen, dass er auch der Gott der Freude, des Wandels,
der Ekstase und des Wahnsinns ist.
Fern des Olymps, dem himmlischen Wohnsitz der Götter,
zog er in einer feierfreudigen Gesellschaft von Menschen und
Halbwesen durch die Lande.
„Wir sollten uns Dionysos nennen, Mann.“
„„W
Unverwechselbare Kennzeichen? Keine?
„...im Reigen tanzen und beim Flötenspiel fröhlich lachen und
die Sorgen vergessen.“
Dionysos oder auch Bacchus, wie
er in der römischen Antike genannt wurde, war wandelbar wie
kaum ein anderer der Götter. Veränderung war sein Prinzip. Er war
ein Formenwandler, der mal als
Stier, mal als Mann erschien. Mal
war er stattlich schön, mal alt und
verlebt.
Beste Kennzeichen sind seine
Vorlieben für ausgelassene Begleiter und spezielle Accesoires.
Euripides, Bakchen
Attribute
Efeu, Weinreben, der Thyrsos (ein kultischer
Stab, den Dionysos und sein Gefolge trugen) und
der Kantharos (ein Trinkgefäß für Wein). Ein
Tiger- oder Pantherfell kann auch dazu gehören.
Dionysische Schar
Zum Gefolge des Dionysos gehören die Unfug
treibenden Satyrn, die halb Mensch halb Tier
sind, und die tanzenden Mänaden.
The Doors (Einflußreiche Band der sechziger Jahre)
T
Verzweigte Familienbande
V
Geschwister
des Zeus
Eltern
Zeus
Hera
Semele
Geschwister
der Semele
EINE STERBLICHE*
GÖTTERVATER
Agaue
Ino
Autonoëihre
Illyrios
Polydoros
Halbgeschwister
er
des Dionysos
Di
Poseidon
Demeter
Hestia
Hades
Dionysos
göttliche Kinder des Dionysos
Athamas
A
sterbliche Kinder des Dionysos
mit Aphrodite
Unbekannte
Mütter
Methe
Pasithea
Thysa
Ino
Pflegeeltern**
s
o
ys
und etwa 900 andere.
on
Ares
Hephaestos
Artemis
Hermes
Athene
Apollon
...
Thyrsos mit Pinienzap
Pinienzapfen
pfen
Der andere Gott
mit Ariadne
Hymenaios
Priapos
In der römischen Mythologie
thologie
g sind
er des Bacchus
die Chariten die Kinder
und der Venus.
Iakkhos
(auch Aura gilt als
ls mögliche
Mutter)
Schenkelgeburt
Um die Geburt des Dionysos ranken sich unterschiedlichste Legenden. Die bekannteste berichtet davon, dass sich Göttervater Zeus in die Tochter des Königs
von Theben verliebt hatte. Davon hatte Hera, die eifersüchtige Gemahlin des
Zeus, Wind bekommen. Hera trat der schönen Prinzessin Semele in anderer Gestalt gegenüber und überredete sie, von Zeus als Liebesbeweis zu erbitten, sich
ihr in seiner wahren Gestalt zu zeigen. Zeus konnte ihr die Bitte nicht abschlagen, aber Semele war dem Anblick des Gottes, der ihr als Blitz erschien, nicht
gewachsen und verbrannte. Um das gemeinsame Kind, das Semele in sich trug,
zu retten, nähte sich Zeus den kleinen Dionysos in seinen Schenkel ein. Drei
Monate später kam das göttliche Kind ein zweites Mal auf die Welt.
Was danach geschah, kannst du in dem Abschnitt der Ausstellung sehen, der sich mit der Kindheit des Dionysos befasst. An welches
Motiv der Kunstgeschichte erinnern dich die beiden Gemälde aus
dem 18. Jahrhundert?
Die große Liebe
Dionysos hatte viele Liebschaften. Seine Liebe zu Ariadne aber war andauernd.
Der Held Theseus hatte mit Hilfe der jungen Frau den bösartigen Minotauros
besiegt. Zunächst schien er sein Versprechen zu halten und nach einem Sieg
Ariadne mit sich zu nehmen. Bei einer Reiseunterbrechung auf der Insel Naxos
aber ließ er sie zurück. Hier entdeckte sie Dionysos schlafend am Strand und
verliebte sich. Er nahm sie zur Frau, obwohl sie die enttäuschte Liebe zu Theseus
nicht verwunden hatte.
Überschneiden sich die beiden Liebesgeschichten der Ariadne in den
Bildern der Ausstellung?
Oenopion
mit Nyx
Unbe
Unbekannte
Mütt
Mütter
Phthonos
Deianeia, Eurymedon, Keamos, Maron, Narkaios, Paperethos, Philiasos, Staphylos, Thoas
*) Neben Semele sprechen andere Autoren von Demeter, Io, Persephone oder Lethe als Dionysos‘
Mutter. Der Semele-Mythos ist aber der populärste von allen. **) Andere Quellen behaupten, die
Regennymphen von Nysa hätten Dionysos aufgezogen; wieder andere gehen davon aus, er sei in der
Unterwelt bei Persephone aufgewachsen.
An ihre beiden Kunstgottheiten, Apollo und Dionysus,
knüpft sich unsere Erkenntnis, dass in der griechischen Welt
ein ungeheurer Gegensatz, nach Ursprung und Zielen, zwischen der Kunst des Bildners, der apollinischen, und der unbildlichen Kunst der Musik, als der des Dionysus, besteht.
Friedrich Nietzsche: Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der
Musik, 1872, S. 21
„apollinisch-dionysisch“
Der Philosoph Friedrich Nietzsche brachte Dionysos Endee
des 19. Jahrhunderts in aller Munde. Nachhaltig wirkte dass
von ihm eingeführte Begriffspaar des „apollinisch-dionysischen“ auf fast alle
Bereiche des Kunst- und Geisteslebens. Apollon stand hier für Maß und Besonnenheit, während Dionysos Rausch und Formlosigkeit verkörperte. Nietzsche
bedauerte das Übergewicht des apollinischen Prinzips zu seiner Zeit und sah
im Komponisten Richard Wagner einen Streiter für das Dionysische.
Und warum war Dionysos für die Künstler interessant? Wieso malten sie
lieber ihn als die Götter Hephaistos oder Demeter? Vielleicht findest du beim
Ausstellungsbesuch eine Antwort darauf.
Nördliche Krone (Corona Borealis)
Den Sternenkranz der Ariadne kannst du
am besten durch ein großes Teleskop
sehen. Eine gute Zeit dafür ist das
Frühjahr. Du findest die Krone, die Dionysos an den
Himmel geschleudert hat, in der Nachbarschaft von
Herkules und Bärenhüter.
Ariadnes Sternenkranz
Aphrodite überreichte Ariadne als Brautgeschenk eine Krone, die Hephaistos, der
Gott der Schmiedekunst, gefertigt hatte.
Dionysos schleuderte den funkelnden
Kranz an den Himmel, wo er bis heute
an die Liebe des Gottes erinnert.
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he
Κάνθα
Kantharos
ρος
(griechisch, Plural: Kantharoi)
altgriech. Trinkgefäß und Kultgegenstand.
Der Kantharos gehört zu den Attributen (typischen
Beigaben) des Dionysos. Er findet sich in vielen
Darstellungen des Gottes. Auffällig sind seine
großen Henkel, die wie abstehende Ohren aussehen.
HEUTE!!!
- Efeukranz winden
- Mänadendessertfür
Freunde zubereiten
- verrückt tanzen
- Satyr
y zähmen
- Kantharos malen
- Ausstellung besuchen
- Ariadnesterne am
Himmel finden
Mänadendessert
Trauben ppflücken
und wasch
che
hen
en.. In
große Schalee mit
griechischem Jogghhuuurtrt
rühren. Oben auf
eine kleine
Schicht braunen
Zucker. Kalt
stellen. Der
Zucker wird dann
flüssig und sieht
toll aus. Bei Tisch
unterrühren.
unterrühren
*) Mänad
weibliche e:Begle
des Dionysos iterin
Efeu wäc
wächst an vielen
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Orten. Am besten
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bevor du mit de
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Gartenschere einn ppaar
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Zweige abschneidest.
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Nimm flexible etwa 25 cm
lange Zweige und winde sieiee
mit ein wenig durchsichtgem Band zusammen.,
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Die Satyroi sind wilde
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schwesen wie es sie in
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häufig
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fig gibt. Ähnlich wie die
Mänaden ge
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Gefolgee dess Dionysos. Um
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äh brauchst
duu viel Mut und Geduld.
Der renommierte Privatgelehrte Prof. Dr. Traub Sorgenbrecher bekommt von einem Museum eine Anfrage. Auf den
ersten Blick scheint es sich bei dem ungewöhnlichen Objekt
um eine antike Vase zu handeln, deren Scherben weitgehend
wieder in die ursprüngliche Anordnung gebracht worden
sind. „Hmmm.“ murmelt Sorgenbrecher. Seine Stirn legt
sich in tiefe Falten. „Die Form ist die des Kantharos. Das ist
das Kultgefäß des Gottes Dionysos. Mir scheint aber, dass
die Scherben eigentlich nicht zusammengehören. Nur ...
woher stammen sie?“ Er kratzt sich an der Schläfe. „Ich
brauche Unterstützung.“
Hilfe für den Professor!
„Dionysos. Rausch und Ekstase“ im Bucerius Kunst Forum
Arbeitsblatt zur Ausstellung für Schülerinnen und Schüler ab Klasse 4.
Kannst du Prof. Sorgenbrecher helfen? Schau dir die
Werke der Ausstellung genau an!
Arbeitsblatt für Schülerinnen und Schüler ab Jg. 7
zur Ausstellung „Dionysos. Rauch und Ekstase“
Versteckte Bedeutungen
Begleiter des
Dionysos
Götter
In den Bildern des Dionysos
finden sich zahlreiche Elemente, die sich auf den ersten Blick
nicht leicht erklären lassen.
Manche Götter, Attribute, Figuren oder Tiere tauchen immer wieder auf. Einige dieser
erklärungswürdigen Bestandteile haben wir hier entschlüsselt.
Andere kannst du an unserem
Lesetisch im 1. Stock erforschen. Im hinteren Teil des ausliegenden Kataloges befindet
sich ein Verzeichnis, das viele
der Rätsel aufklärt.
*
os
ys
ion
e
Cod
Was für eine Bedeutung haben
die merkwürdigen Gegenstände? Welche wilden Gestalten
begleiten den Dionysos?
Findest du die Ausschnitte aus
unserer Kartei in der Ausstellung wieder?
Aulos
Hermes, Götterbote
Dionysos und Aphrodite werden selten als Paar gezeigt.
Dabei hatten sie einen gemeinsamen Sohn. Häufiger
werden sie zusammen mit
Demeter gezeigt. Dahinter
verbirgt sich folgende Weisheit: „Ohne Demeter und
Dionysos friert Aphrodite.
Ohne Brot und Wein verkümmert die Liebe.“
Die Legenden zur frühen
Kindheit des Dionysos weichen in zentralen Punkten
voneinander ab.
Eine der Beschreibungen
besagt, dass der Götterbote
Hermes den Jungen zu den
Nymphen nach Nysa brachte, um ihn vor dem Zorn der
eifersüchtigen Hera zu schützen.
ze
Tiere
Ziege
D
Attribute (lat. attribuo: „zuteilen“, „zuschreiben“; attributum:
„das Beigefügte)
In der Kunst versteht man unter
einem Attribut einen Gegenstand (es kann auch eine Pflanze
oder ein Tier sein), der einer Figur beigegeben ist. Ein Attribut
ist einerseits ein Kennzeichen
und unterstreicht andererseits
die Merkmale, Besonderheiten
oder Fähigkeiten einer Figur.
Aphrodite, Göttin der Liebe
Für das Leben der Menschen
in der Antike spielten Ziegen
eine große Rolle. Als Nutztiere
waren sie allgegenwärtig. Um
die Götter freundlich zu stimmen, wurden Ziegen auch geopfert. Dionysos tritt in manchen Geschichten mit einem
Ziegenfell bekleidet auf.
Gegenstände
Leopard
Man trifft den Weingott
häufig in Begleitung des
Leoparden oder Panthers
an. Mal reitet der Gott auf
ihm, mal zieht das Tier seinen Streitwagen. Er bringt
einige Charaktermerkmale
des Dionysos zum Ausdruck: Wildheit, Eleganz
und Unberechenbarkeit.
Demeter
Was verbindet Dionysos
mit der Göttin der Erde,
der Fruchtbarkeit und
des Ackerbaus?
Beide sind für Wachstum und Nutzpflanzen
zuständig. In der Antike
wurden sie selten zusammen abgebildet. Erst die
Maler der Neuzeit setzten sie häufiger gemeinsam ins Bild.
Stier
Verschiedene griechische
Götter erschienen den
Menschen als Stier. So
auch Göttervater Zeus
und eben auch Dionysos.
Er steht für Kraft, Männlichkeit und Fruchtbarkeit, kann aber auch seine
zerstörerische Kraft einsetzen.
Instrumente
griech. für Röhre
Dieses antike Instrument
spielte sich ähnlich wie ein
australisches Didgeridoo. Es
erzeugte eine unscharfe Melodie, die gut zu den antiken
Vorstellungen der dionysischen Feste passte. Angeblich hatte Athene den Aulos
erfunden, fand aber, dass das
Blasen ihre Züge entstellte
und warf ihn weg.
Kymbala
Diese Rhythmusintrumente heißen im Deutschen
„Zimbeln“. Im Umfeld
der griechischen Götter
tauchen sie häufig bei den
weiblichen Begleitern des
Dionysos, den Mänaden
oder Nymphen, auf.
Lyra
Zwar war die Lyra ein Geschenk des Hermes an
Apollon, aber zuweilen
findet sich das Instrument
auch im Umfeld des Dionysos. Die Lyra hatte einen
Klangkörper aus einem
Schildkrötenpanzer
und
war ein Zeichen für Frieden
und Kunst.
Weinheimer Landbote, 29. Feb 1983
„Dionysos. Rausch und Ekstase“
Arbeitsblatt zur Ausstellung für Schülerinnen und Schüler ab Jg. 9
FIKTIONALES
Interview mit einem Gott
Ein Mann in hellem Leinenanzug wartet am
frühen Abend zu vereinbarter Zeit auf den
Redakteur des WEINHEIMER LANDBOTEN.
Das Restaurant ist gut besucht und die Gäste
in angeregter Stimmung. Der junge Journalist
hat sich lange um dieses Gespräch bemüht.
Sein Gegenüber hat kein Mobiltelefon, keinen
E-Mail-Account und keine Facebook-Identität.
Ein Fossil, dem schwer auf die Spur zu kommen ist. Doch die Geduld hatte sich ausgezahlt.
Aber: Was hatte er zu treffen erwartet? Eine
Mythenfigur mit Efeu und Pantherfell? Der
Mann mittleren Alters hatte Lachfalten und
einen gepflegten Bart. Er war sympathisch und
kam dem jungen Mann bekannt vor.
F
rage: Herr Dionysos, wie darf ich Sie ansprechen?
D: „Dionysos“ und „Sie“ ist in Ordnung. Ich
lege wenig Wert auf überkommene Etikette.
Frage: Man hat lange nichts von Ihnen gehört. Ist Ihre große Zeit vorbei? Ihre und die
Ihrer Götterkollegen?
D – räuspert sich -: Bei manchen meiner Verwandten trifft das sicher zu. Die kennt heute
kein Mensch mehr. Aber Ares, Aphrodite und
ich haben uns nie über mangelndes Interesse
beschweren können. Hephaistos, Athene und
mein guter Apollon tun sich schwerer. Wer
interessiert sich für die Schmiedekunst? Weisheit und Kunst sind aus meiner Sicht auch im
Niedergang. Aber das ist meine sehr persönliche Meinung. Tut mir leid für die Kollegen.
An die Kellnerin gewandt: Ich nehme den Per- nur der fröhliche Zecher mit dem Efeukränzsephone-Teller, aber ohne Fleisch. Dazu ein chen, der gelegentlich eine Ziege verspeist...
Mineralwasser.
Frage: Mit Verlaub. Was sind Sie denn?
Frage: Persephone...Ist es wahr, dass Sie bei D: Ich bin der göttliche Experte für Wahnsinn,
ihr in der Unterwelt aufgewachsen sind?
Sorgen, Ekstase, Wachstum und ja ... auch für
D: Ja, eine der vielen alten Geschichten. Man- den Wein zuständig. Drei Monate im Jahresche sagen auch, ich hätte die Jugend bei mei- kreislauf bin ich der Hausgott des delphischen
ner Tante Ino und meinem Onkel Athamas Orakels.
verbracht, bis Hera die Ino in den Wahnsinn D nimmt einen Schluck aus dem Wasserglas
getrieben hat. Familien haben viele Legenden. und lächelt. Er hat Messer und Gabel auf den
Nicht nur bei den Göttern.
zur Hälfte geleerten Teller gelegt.
Frage: War da nicht die Rede von einem un- D: Wenn Sie es genau betrachten, bin ich dergewöhnlichen Kindermädchen, das leben- jenige unter den Göttern des alten Griechenlands, der die größte Nähe zu den Menschen
dige Schlangen als Gürtel trug?
hat. Schließlich war meine Mutter eine SterbD: Ach ja, die alte Mystis. Zugegeben, aus liche. Ich bin der Gott, der eure Geschicke erheutiger Sicht klingt es merkwürdig, aber es leichtert, der euch das Leid vergessen lässt.
ist eben sehr lange her und Götter werden
anders erzogen als die Sterblichen. Schon die Frage: Befürchten Sie, irgendwann doch verGeburten sind oftmals äußerst ungewöhnlich. gessen zu werden?
Aphrodite zum Beispiel, die Göttin der Liebe, D: Unwahrscheinlich, meinen Sie nicht? Wer
wurde aus Schaum geboren.
von Platon und Ovid besungen, von Botticelli,
Frage: Und bei Ihnen gibt es die Legende Rubens, Tizian und Michelangelo gemalt wurder Schenkelgeburt. Angeblich hat der Göt- de, der gerät nicht so schnell in Vergessenheit.
tervater Zeus Sie in seinen Oberschenkel Frage: Erkennen Sie sich in diesen Darsteleingenäht als Ihre Mutter vor der Geburt lungen wieder?
starb.
D: Ein Gott hat viele Gesichter.
Die Kellnerin bringt die Getränke und die SpeiD lächelt vielsagend und bedeutet dem jungen
sen.
Mann das Ende des Gesprächs. Er schaut sich
Frage: Sie trinken Wasser und essen vegeta- um und setzt sich dann an einen benachbarten
risch? Ist das nicht ein Gegensatz zu dem, Tisch, an dem sich eine heitere Runde versamwofür Sie stehen? Was ist aus Ihrer Vorliebe melt hat. Keiner scheint ihn für einen Fremden
für rohes Fleisch geworden?
zu halten.
D: Ihre Vorstellung von mir ist ziemlich eindi- Ein alter Mann beginnt ein Lied zu summen
mensional, junger Freund. Sie denken ich bin und die Stimmung hebt an.
Frage: Sie erwähnten Apollon, ihren Halbbruder. Ist der alte Zwist zwischen Ihnen
entschieden? Hat das Dionysische dem
Apollinischen nach Jahrhunderten den
Rang abgelaufen?
D: Pahh. Das hat ein übellauniger Philosoph
im 19. Jahrhundert verbreitet. Anfangs hat
mich das neue Interesse an mir noch ein wenig gefreut. Aber dann fingen Heerscharen
von Künstlern an, das Dionysische zu beschwören. Das war für mich enorm anstrengend und arbeitsaufwendig. Bei aller Bauchpinselei, das ging zu weit. War doch klar, dass
das irgendwann wieder ins Gegenteil schlagen
würde. Ist es dann ja auch, und ich war angeblich an allem Schuld. Denken Sie mal an die
Zeit der Prohibition in Amerika.
Eine Kellnerin bringt die Speisekarte. Der Journalist und D blättern die Karte durch.
Frage: Mögen Sie sowas? Tzatziki, Weinblätter und Gyros?
D: Das Restaurant haben Sie ausgesucht. Vermutlich, weil Sie es total lustig fanden, dass es Geheimes Treffen an unscheinbarem Ort: Würde der Gott erscheinen?
heißt wie ich.
Der Text macht seinem Leser/seiner Leserin einen Vorschlag, wie eine heutiger Dionysos sein könnte. Sie haben seine Darstellungen durch
die Jahrhunderte kennengelernt. Wie würde der Gott sich heute Ihrer Vorstellung nach geben?
Für Schülerinnen und Schüler ab Jahrgang 11
Arbeitsmaterial zur Ausstellung „Dionysos. Rausch und Ekstase“
Georg Heym: Dionysos (Februar 1910)
Am Wege sitzt er. An der Felder Schwelle.
Die Winde, die im weißen Korne spielen,
Sie tragen ihm des Landes Würze zu.
Dryaden zwei, die in den Wald geflohn,
Sie treten aus des Waldes Schatten vor.
Vorsichtig spähn sie über Weg und Feld.
Des Ölbaums grüner Schatten folgt der Sonne.
Im Kreise ziehn am Himmel hin die Stunden.
Nun ward es Mittag. Und der Wind schläft ein.
Sie sehn den G*tt und stürzen ihm zu Fuß:
O Vater, Vater. Ach er schläft. Sie tragen
Behutsam ihn zum Walde Schritt vor Schritt.
Die Panther stehen müde im Geschirr.
Wo ist ihr Goldglanz, der von India kam,
Der Welt Entzücken. – Sie sind alt und matt.
Die Panther folgen ihres Herren Spur.
Der Zug verzieht im Wald. Ein goldner Schein
Des Wagens schimmert durch die Stämme noch.
Der G*tt ist manches Jahr herumgestreift,
Verstoßnen Sklaven gleich, durchs Waldgebirge
Und niemand hat sich seiner mehr erbarmt.
Doch atemlos und stumm wird die Natur.
»Er ist gestorben« ruft es in den Dörfern.
Ein heißer Ostwind streicht durch Asia.
Durch Städte kam er, wo er einst geherrscht.
Die Tempel sind zerstört und schon zerfallen.
Kein Opfer netzt den heilgen Boden mehr.
Die Pest tritt in die niedren Türen ein.
Vorm Kruzifix zergeißelt sich das Fleisch,
Blut netzt des neuen Gottes bleichen Fuß.
Durch Dörfer kam er, wo sein Säulchen sonst
Mit Rosen jeden Morgen ward bekränzt
Und wo der Herden Erstling er empfing.
Kehr wieder, G*tt. Kehr wieder aus dem Reich
Des grünen Waldes. Denn erfüllt ist nun
Des neuen Gottes kummervolles Reich.
Der Exorzisten Horde in den Kutten
Trieb ihn mit Flüchen aus. Und Scheiterhaufen
Verbrannten seine letzten Söhne lang.
Der Usurpator muß vom Throne stürzen,
Die Bettlergilde die sich angemaßt,
Der Himmlischen Paläste zu bespein.
Ein neuer G*tt ist in das Land gekommen.
Des Kreuzwegs Heiligkeit ward frech entweiht
Von seinem Bilde, das am Kreuze hängt.
Der Himmel ist zum Tollhaus nun geworden.
Krankheit und Wahnsinn herrschen im Olymp.
Drei ward gleich eins. Und Brot ward dort zu Fleisch.
Nackt, fahl, und wund, so hängt er in dem Tag
Im goldnen Licht des Mittags, anzuschaun,
Ein Schandfleck der geschändeten Natur.
Sie passen in die Königskleider nicht,
Die Zwerge, die wie kleine Affen hocken
Im Götterpurpur auf der Blitze Thron.
Wo sind die Spiele hin, die Philosophenschulen,
Heros Akademos. Der Männer Schönheit.
Wo ist der Sang der stolzen Olympiaden.
Kehr wieder G*tt, dem Pentheus einst erlag.
Du G*tt der Feste und der Jugendzeit.
Kehr wieder aus des Waldes grünem Reich.
Wo sind die Götter hin. Sie sind verwandelt,
Sie sind zerstreut. Sie wohnen in der Erde.
O Aphrodite, die zur Spinne ward.
Kehr wieder, G*tt. Erlösung, rufen wir.
Erlöse uns vom Kreuz und Marterpfahl.
Tritt aus dem Walde. Finde uns bereit.
Er sieht herüber zu dem Götterberge.
Des eisern Haupt ins Blau des Himmels ragt.
Verlassen ist er. Einsam alle Zeit.
Wir wolln dir wieder Tempel bauen, Herr.
Wir wollen Feuer an die Kirchen legen,
Vergessen sei des Lebens 'Traurigkeit.
»Warum, warum.« Und seine Hände suchen
Beim Weinlaub Trost, das ihm zu Häupten hängt,
Und zitternd streicheln sie das reife Korn.
Wir flehn zu dir in mancher stillen Nacht.
Wir sehen hoffend zu den Sternen auf.
Tritt aus den Sternen. Hör das Rufen, Herr.
Die Tränen rinnen langsam ins Gesicht
Des greisen Gottes, in den Falten hängend.
Und wie ein Kind schläft er vom Weinen ein.
Georg Heyms Ruf nach der Wiederkehr des Dionysos ist ein Beispiel für die Wirkungsgeschichte Friedrich
Nietzsches. Ähnliche Spuren finden sich auch bei anderen Autoren des 20. Jahrhunderts, z. B. Hermann
Hesse oder Thomas Mann. Zwar wird die Gegenfigur des Apollon hier nicht wie bei Nietzsche aufgerufen,
aber dennoch läßt sich der Einfluß des Philosophen ablesen. Wer ist in Heyms Gedicht der Gegenspieler des
Dionysos – der „neue Gott“?
Im Gedicht finden sich einige Bilder, die auch in Werken der Ausstellung eine Rolle spielen. Wo können Sie
solche Parallelen ausmachen?
„Dionysos. Rausch und Ekstase“
Bucerius Kunst Forum
Arbeitsblatt für die Jahrgänge 11 und 12
Der andere Bruder
Wie Friedrich Nietzsche zwischen Apollon und Dionysos Zwietracht säte
Am Anfang schien alles in bester Ordnung zu sein. Auf einem schwarzfigurigen Wasserkrug in der Ausstellung stehen
sich beide Brüder auf Augenhöhe gegenüber. Sie sind einander zugewandt. So sah sie vor mehr als 2500 Jahren ein
angesehener Maler aus Attika: Apollon mit der ihm zugehörigen Kithara und Dionysos mit dem typischen Trinkgefäß.
Im Miteinander der beiden Gottheiten deutet nichts auf eine Konkurrenz.
Erst im Jahr 1872 kam es durch eine Buchveröffentlichung zum großen Knall. Friedrich Nietzsches schmales Bändchen über „Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“ fand zwar zunächst in der Wissenschaft nur wenig
Beifall, aber außerhalb der Universitäten begann ein weitgestreuter Kreis von Lesern die Schrift und insbesondere den
Dualismus von „Apollinisch-dionysischem“ begeistert aufzugreifen.
„An ihre [der Griechen] beiden Kunstgottheiten, Apollo und Dionysus, knüpft sich unsere Erkenntnis, dass
in der griechischen Welt ein ungeheurer Gegensatz, nach Ursprung und Zielen, zwischen der Kunst des
Bildners, der Apollinischen, und der
unbildlichen Kunst der Musik, als der des Dionysus,
besteht. Beide so verschiedne
Triebe gehen nebeneinander her, zumeist im
offnen Zwiespalt miteinander
und sich gegenseitig zu immer neuen
kräftigeren Geburten reizend,
um in ihnen den Kampf jenes Gegensatzes
zu perpetuieren, den das
gemeinsame Wort „Kunst“ nur scheinbar
Friedrich Nietzsche: Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der
überbrückt...“
Musik. In: Nietzsches Werke: Kritische Gesamtausgabe, Bd. 1.
Berlin/New York (1972), S. 21
Im Gegensatz zur
Hochphase der
griechischen Kultur
sah Nietzsche
das Gleichgewicht
zwischen
Apollinischem und
Dionysischem
n.
aus der Balance geraten.
Einer der
Gründe für das Ungleich-gewicht
zugunsten der apollinischen
Tugenden lag
für Nietzsche in der Vorherrschaft
des Christentums.
Der Doppelbegriff begann bald nach
Nietzsches
Veröffentlichung ein Eigenleben zu führen. Künstler,
Journalisten und Philosophen passten
das von Nietzsche wenngleich nicht erfundene, so doch weithin bekannt gemachte Konzept der gegensätzlichen und
sich dennoch ergänzenden Energien ihren Erfordernissen an. Bis zum 2. Weltkrieg finden sich die Spuren dieser Idee
in zahlreichen Werken, u.a. bei Thomas und Heinrich Mann, Hermann Hesse und Gottfried Benn.
In der Ausstellung befinden sich einige Werke, die nach
der Veröffentlichung von „Die Geburt der Tragödie aus
dem Geiste der Musik“ entstanden sind. Inwieweit läßt
sich Nietzsches Einfluß hier ausmachen?
Was für einen Beitrag leistet Nietzsches Einordnung für
unsere Zeit? Sehen Sie ein Übergewicht eines der beiden
Prinzipien?
Wie hat die Antike das Verhältnis der beiden
unterschiedlichen Brüder gesehen? Betrachten
Sie die attische Hydra, welche die Götter
zusammen zeigt.
Praktische Informationen für den Besuch mit Schulklassen
Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln
über die Haltestellen Rathaus oder Jungfernstieg
Öffnungszeiten
täglich (auch montags) 11 bis 19 Uhr,
donnerstags bis 21 Uhr
Schulklassenführungen im Bucerius Kunst Forum
Montags bis freitags von 9 bis 11 Uhr exklusiv für Schulklassen geöffnet;
Führungen sind aber auch täglich zwischen 11 und 19 Uhr möglich.
Eine vorherige Buchung ist erforderlich, auch dann, wenn Sie als Lehrer/Lehrerin selbst führen.
Sie können eine Führung buchen und anmelden über den
Museumsdienst Hamburg
T 040/42 81 31 0
www.museumsdienst-hamburg.de
[email protected]
Preise für Schulklassenführungen:
Führung, 60 Min.: € 25,–
Museumsgespräch, 90 Min.: € 40,–
Führung durch die Ausstellung mit anschließender kreativer Gestaltung im Atelier, 90 Min.:
€ 40,–
Atelier im Bucerius Kunst Forum
Sie können unser Atelier – nach vorheriger Anmeldung – für Vor- oder Nachbesprechungen
einer Führung kostenfrei nutzen. Bitte geben Sie dies bei der Buchung an.
Schüler führen Schüler
Die Leistungskurse Kunst des Wilhelm-Gymnasiums und des Gymnasiums Klosterschule führen
durch die Ausstellung:
Informationen und Anmeldung unter T 040/36 09 96 72
Bucerius Kunst Forum gGmbH
Rathausmarkt 2, 20095 Hamburg