Organisations- und Qualitätsmanagementstrategien

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Organisations- und Qualitätsmanagementstrategien
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Angewandte Organisations- und Qualitätsmanagementstrategien
für das Pflegemanagement
von Frau Prof. Dr. Andrea Kerres
1.
2.
2.1
2.1.1
2.1.2
2.2
2.3
2.3.1.
Einleitung
Einführung in die Organisationsentwicklung
Grundlagen der Organisationsentwicklung
Das Phänomen der Gruppendynamik
Die Survey-Feedback-Methode
Prinzipien und Strategien der Organisationsentwicklung
Organisationsentwicklung - Wie geht das?
Die Unternehmenskultur als Fundament des Handelns im Organisationsentwicklungsprozeß
2.3.2 Qualitätsmanagement als ein Baustein im Rahmen von Organisationsentwicklung
2.4
Organisationsentwicklung als Aufgabe für das Pflegemanagement – Was spricht dafür?
3.
Literatur
1. Einleitung
Das Gesundheitssystem befindet sich in einem ständigen Umbruch. Kaum etwas ist wirklich
stabil, ständig werden neue Managementsysteme ausprobiert, neue politische Verordnungen
müssen integriert werden. Es ist schwer, in diesem hin und her die Orientierung zu behalten.
Die von der Gesundheitspolitik geforderten Sparmaßnahmen führen zu Einstellungsstops und
zur Schließung von Krankenhäusern. Dadurch entsteht auf dem Markt eine Wettbewerbssituation. Der Schonraum Krankenhaus, muß bedingt durch politische Vorgaben und der daraus
resultieren wirtschaftlichen Situation, aufgegeben werden.
Neben diesem politischen Wandel hat die Verschiebung der Alterspyramide zu einem veränderten Patientengut geführt, denn in Deutschland tragen die Trendsetter bekanntlich graue
Haare. Zwar prägt bis heute das gesellschaftliche Ideal der Jugend die Republik, doch gehört
die Zukunft den Alten. Denn der bereits berühmt-berüchtigte demographische Wandel beschert der Republik eine alternde und ihrer Kopfzahl nach schwindende Bevölkerung. Das
prognostizieren zumindestens die Bevölkerungswissenschaftler. Ihnen zufolge steigt der Anteil der über 60 jährigen an der Gesamtbevölkerung von 22% 1990 auf 31% 2020. Das ist ein
Plus von über 40% in 30 Jahren und das Ergebnis aus hoher Lebenserwartung und niedrigen
Geburtenzahlen. Beide Entwicklungen sorgen dafür, daß bis zum Jahr 2030 der Anteil der
Älteren noch einmal zunehmen wird, bis auf 37%. Bis dahin soll sich gleichfalls der Anteil
der Hochbetagten, also der über 85 jährigen, unter den Deutschen fast verdoppeln.
Zugleich melden die Demographen eine 'Verjüngung des Alters', da auf dem Arbeitsmarkt die
Altersgrenzen suksessive nach unten verschoben werden. Das durchschnittliche Pensionsalter
bzw. der Rentenbeginn hat sich deutlich unterhalb der gesetzlichen Altersgrenze von 60 bzw.
65 Jahren verlagert. Die Weiterentwicklung der Medizin und der Gerätemedizin tun ihres
gleichen dazu. Die Patienten werden älter, die Pflege wird mehr geriatrisch ausgerichtet sein
müssen und wesentlich mehr rehabilitative Elemente enthalten. Die medizinische Arbeit im
Krankenhaus wird sich, dadurch bedingt, stärker an eine Gerätermedizin orientieren. Für die
Pflege im Krankenhaus kann das z.B. heißen mehr Pflegemanagement – im Sinne eines Case
Managers - im Schwerpunkt zu leisten, d.h. sich hier als sozialer Dienstleister zu verstehen,
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der als Assistenzberuf (lat.: Helfer, Beisteher) seine Tätigkeit auf den Patienten in gleicher
Art und Weise ausrichtet wie der Arzt. Beide arbeiten zum Wohl des Patienten - jeder von
seiner Profession her. Leider fehlen dazu vielfach integrative Konzepte in Ausbildung und
Praxis, in der Pflege und Medizin intensiver zusammenarbeiten können. Möglichkeiten gäbe
es viele z.B. im Bereich der Kommunikation (Kerres, Falk & Seeberger, 1999), der Visite
(Kerres, 1998) oder der Diagnostik (Kerres & Hollick, 1998).
Neben diesen eher äußeren oder strukturellen Veränderungen hat die Professionalisierung des
Pflegeberufs auch zu inneren Veränderungsprozessen geführt.
Zur Zeit studieren ca. 1500 StundentInnen mit pflegerischem Erst-Beruf an deutschen Fachhochschulen pflege- und gesundheitswissenschaftliche Inhalte mit dem Ziel, der Akademisierung durch ein Diplom. Zugleich wird die Akademisierung der Weiterbildungslehrgänge und
die Nachdiplomierung der PDL's diskutiert. Diese Studiengänge eröffnen erstmalig in
Deutschland eine große akademische Chance für die Pflege. Darüber hinaus müssen - in der
nahen Zukunft - Promotionsmöglichkeiten aufgezeigt und geschaffen werden, um den Bezug
zwischen Wissenschaft und Praxis zu vertiefen. Gleichzeitig werden über solche Werdegänge
Karrierechancen eröffnet. Dies führt langfristig gesehen zur Professionalisierung der Pflege,
die notwendig ist, um nicht den Weg der Ab- und Ausgrenzung zu gehen, sondern um den
Vernetzungs- und Verzahnungsgedanken des interdisziplinären Arbeitens zu unterstützen
(Kerres & Seeberger, 1998). Diese Veränderung der Machtpositionen zeigt sich in einigen
Häusern in einer gleichberechtigten Stellung der Pflege zum ärztlichen und Verwaltungsdirektor an – eine Entwicklung, die sich in weiteren Häusern fortsetzen wird. Einen Hinweis
darauf findet sich auch in den Stellenausschreibungen, in denen zunehmend häufiger Pflegewirte gesucht werden. Um als gleichberechtigter Partner - nicht nur auf dem Papier Anerkennung zu finden, wird es notwendig sein, als Führungskraft Position beziehen zu können, Profil
zu zeigen (vgl. Kasten 1). Ein schwieriges Vorhaben, wenn man bedenkt, daß der Student von
heute, morgen bereits andere Anforderungen vorfindet, die er meist schon gestern hätte umsetzen sollen. Es gibt zur Zeit wenig Konstantes und Verläßliches – außer der eigenen Person
und das Zutrauen in diese. Ein Fakt, mit dem im Studium vermehrt gearbeitet werden sollte.
Professionalisierung bedeutet demnach den schnellen Wandel der Zeit mitgestalten zu können, das Wesentliche vom Unwesentlichen unterscheiden zu können, die Unsicherheit der
Situation auszuhalten und berufspolitische Meilensteine zu setzen, die auch den Standpunkt
der Pflege präzisieren.
Kasten 1
Es gibt Häuser, in denen es eine Pflegevisite gibt, weil die Ärzte das auch haben. Solche Projekte scheitern vielfach. Es geht nicht darum, etwas auch haben zu wollen, im Sinne einer
Profilierungs'neurose', sondern es geht darum zu schauen, was braucht der Patient von der
Pflegeperson bzw. vom gesamten Betreuungsteam. Was wird als die Kernkompetenz der Pflege in der entsprechenden Einrichtung angesehen? Wie wird Pflege hier definiert? Die Beantwortung der Fragen kann dabei für jedes Haus anders aussehen. Daher kann in einem Haus
die Pflegevisite wirklich zum Konzept passen und in mach anderen Häusern wirkt sie aufgesetzt. Wichtig in diesem Zusammenhang ist es sich darauf zu besinnen, was Pflege - und auch
Medizin - in der Institution heißt. Die Konzentration auf die Kernkompetenzen – wie es vergleichbar in der Industrie heißt – bedeutet Wettbewerbsvorteile erzielen - ein Prozeß der zukunftsweisend sein wird.
Auf dem Hintergrund dieser drei Herausforderungen – politische Veränderungen des Gesundheitssystems, Veränderungen der Altersstrukturen, Professionalisierung des Pflegeberufs -
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kann die Existenz eines Krankenhauses nur sichergestellt werden, wenn eine zielorientierte
Führung ökonomische, medizinische und ethisch/soziale Aspekte integriert. Die ökonomisch
orientierte Ausbildung obliegt dem Betriebswirt, die medizinische Ausbildung dem Arzt, –
und der ethisch/soziale Aspekt?
Was machen die Krankenhäuser, um mit den Herausforderungen fertig zu werden? Einige
haben angefangen Qualitätsmanagementüberlegungen aus der Industrie auf die eigene Institution zu übertragen. Manche nehmen die DIN ISO als Leitfaden, machen streben das Total
Quality Management an oder nehmen das Modell EFQM als Basis ihrer Handlungsschritte.
Vielfach werden Conrollingstellen geschaffen. Es folgen Einsparungen im Bereich Fort- und
Weiterbildungen oder es findet ein Stellenabbau statt, der als des Rätsels Lösung erachtet
wird. Einige wenige Häuser erarbeiten eine Unternehmensphilosophie oder ein Leitbild.
Der Berufsstand der Pflege spielt dabei oftmals eine Vorreiterrolle. Sie übernimmt die Erarbeitung eines Pflegeleitbildes, erstellt für ihren Bereich Pflegestandards, dokumentiert ihre
Handlungen, erstellt Pflegepläne usw. Sie zeigt sich auf der einen Seite sehr kooperativ und
auf der anderen Seite entstehen Grabenkämpfe um ‘Mein und Dein‘, Abgrenzungsstrategien
werden offenbar: Der Machtkampf hat begonnen. Die Verlierer werden dabei die Betroffenen
sein – auf der Ebene der Patienten und der Mitarbeiter - egal welcher Professionalität.
Die Erstellung eines Pflegeleitbildes ohne ein entsprechendes Miteinander mit den anderen
Berufsgruppen läuft fast immer auf der Handlungsebene ins Leere. In vielen Krankenhäusern
gibt es Pflegeleitbilder, in kaum einen ein Leitbild für die Ärzte oder die Verwaltung! Es ist
müßig über die Gründe zu spekulieren – aber es ist erwähnenswert. Gleiches gilt vielfach für
die Erarbeitung einer Qualitätspolitik und der sich daraus ableitenden Qualitätsziele. Vielfach
beginnt auch hier die Pflege neue Wege zu gehen - und der ‘Rest‘ der Hauses? Äußerungen
von Ärzten dazu lauten z.B.: ‘Dazu habe ich und meine Abteilung keine Zeit, wir müssen
operieren. Davon lebt das Haus.‘ Oder ‘Reden verändert die Welt auch nicht. Man muß auch
nicht jede Neuerung mitmachen‘.
Es ist bewundernswert welchen Elan die Pflege in solche Bereiche hineinsteckt, auf der anderen Seite verpufft viel Energie durch das mangelnde Miteinander. Es fehlt ein gemeinsamer
Überbau, eine zielorientierte Führung, die die unterschiedlichen Profesionalitäten versucht zu
integrieren.
Die Zukunft gestalten, heißt demnach Beziehungen zu gestalten: Beziehungen zum Patienten,
Beziehungen zu einander und Beziehungen zu anderen Berufsgruppen. Im Vordergrund steht
dabei die Medizin, als direkter und häufigster beruflicher Interaktionspartner im täglichen
Handeln. In der Managementliteratur würde man diesen Faktor der Gestaltung der Beziehung
oder Interaktionsfähigkeit - als ‘weichen Faktor‘ bezeichnen.
Nach Nefiodow (1997) steht die Erschließung dieser psychosozialen Kompetenz für das zukünftige Wachstum. Zu einer der wesentlichsten Kompetenzen für diesen Fortschritt im
Menschlichen, gehört nach Nefiodow genau diese psychosoziale Kompetenz. Dieses kann als
der Beginn einer Gesundheitsförderung im ganzheitlichen Sinne verstanden werden. Nach
Nefiodow wird der nächste Innovationsschub, durch das Streben nach dieser 'Gesundheit im
ganzheitlichen Sinne', erfolgen. Der Trend wird sich im wesentlichen auf den Gesundheitsmarkt im positiven Sinne auswirken. Daß heißt das Wirtschaftswachstum wird abhängig von
den Fortschritten im Menschlichen sein, als dessen wesentliche Grundlage die psychosoziale
Kompetenz angesehen wird.
'Die eigentlichen, wachstumsbedingten 'weichen' Faktoren' erscheinen in keiner Bilanz, in
keiner Gewinn- und Verlustrechnung und auch nicht in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung... ' (S. 134), dennoch sind es nach Nefiodow diese Faktoren, von denen die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Zukunft abhängen wird. Basis für diese 'weichen' Faktoren ist die Kommunikation.
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Betrachtet man sich nun das Pflegemanagement, dann werden genau diese Kompetenzen bereits in der Ausbildung geschult, durch die Praktikas trainiert und in den entsprechenden Fortund Weiterbildungen sowie an Hochschulen weiter ausgebildet und konsolidiert. Auch im
Vergleich zu anderen Berufsgruppen wie z.B. den Ärzten liegt hier für die Pflege ein Wettbewerbsvorteil. Das Pflegemanagement hat daher die Chance und die Möglichkeit mit ihrer
Einsatzbereitschaft, ihrer Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit sowie ihrer Fachkompetenz im wesentlichen zum wirtschaftlichen Erfolg ihres Unternehmens beizutragen. Managementmethoden, die gerade auf diesen sozialen eher ‘weichen‘ Kompetenzen basieren sind
(vgl. Abb. 1):
(1) theoretische und praktische Überlegungen und Umsetzungsstrategien aus der Organisationsentwicklung (OE).
(2) strategiesche Überlegungen zum Thema Unternehmenskultur/Unternehmensphilosophie –
sowohl im Sinne eines ethischen Ansatzes als auch als ein Instrument den Zerfall eines
Unternehmens zu verhindern. Es stellt die Handlungsbasis zur Weiterentwicklung eines
Unternehmens dar.
(3) Prozesse zur Qualitätssicherung und Verbesserung als kooperatives Projekt zwischen den
verschiedenen Berufsgruppen.
Diese Inhalte sollen im folgenden vorgestellt werden.
Bestandteile eines
Organisationsentwicklungsprozesses
Prozesse
tw
Leitbild
ick
lung
s
Unternehmensphilosophie
En
Abb. 1: Bestandteile eines Organisationsentwicklungsprozesses
2. Einführung in die Organisationsentwicklung (OE)
Organisationsentwicklung ist so vielfältig wie es unterschiedliche Unternehmen gibt und so
unterschiedlich wie es Menschen in Unternehmen gibt. Deshalb gibt es auch so viel unterschiedliche Erfahrungen und keine eindeutige Definition. Prinzipiell besteht der Begriff aus
zwei Worteinheiten: ‘Organisation‘ und ‘Entwicklung‘. Beide Begriffe sollen kurz erläutert
werden.
Organisation:
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Unter einer Organisation wird ein System definiert, das mit seiner Umwelt verbunden ist. Die
Organisation muß einen Ausgleich vermitteln zwischen den Aufgabe und den Bedürfnissen
der Organisationsmitglieder und der Leistungserbringung für die Umwelt.
Entwicklung:
Darunter versteht man den entsprechenden Prozeß zu initiieren, zusteuern und zu begleiten.
Vorschlag einer Arbeitsdefinition: Organisationsentwicklung ist ein Veränderungsprozeß einer Organisation und der darin tätigen Menschen, der sich an bestimmten Werten und Prinzipien orientiert (Comelli, 1985).
Die Ursprünge des OE Gedanken finden sich bereits in der Bibel (2. Buch Moses, Kapitel
18.): Am anderen Morgen setzte sich Mose hin, um dem Volke Recht zu sprechen, und die
Leute traten vor Moses vom Morgen bis zum Abend. Als aber Moses Schwiegervater sah, was
er alles mit dem Volk zu tun hatte, sprach er: Was machst du dir da mit dem Volk zu schaffen?
Warum sitzt du allein zu Gericht, während die Leute vom Morgen bis zum Abend vor dich
treten? Moses antwortete seinem Schwiegervater: Die Leute kommen zu mir, um Gott zu befragen. Denn wenn sie eine Rechtssache haben, so kommen sie zu mir und ich entscheide zwischen den Parteien und tue ihnen die Satzung Gottes kund.
Jethro, Moses Schwiegervater, kritisierte dieses Vorgehen und sprach:
Es ist nicht gut, wie du das machst. Du wirst dich selbst und diese Leute, die bei dir sind, völlig erschöpfen, denn die Sache ist für dich zu schwer, du kannst sie nicht alleine besorgen.
Er rät:
Sei du vor Gott der Anwalt für das Volk, und bringe du die Rechtssachen vor Gott .... Du aber
erwähle die aus dem ganzen Volk wackere und gottesfürchtige Männer, zuverlässige Leute,
die sich nicht bestechen lassen, und mache sie zu ihren Vorgesetzten, zu Vorgesetzten über je
tausend, je hundert, je fünfzig, je zehn, damit sie dem Volk jederzeit Recht sprechen. Jede
große Angelegenheit sollen sie vor dich bringen, jede kleine aber selbst entscheiden, so werden sie dir's leichter machen und dir tragen helfen ... und auch all diese Leute werden befriedigt heimgehen.
Nach der Umorganisation weist die Heilige Schrift auch noch auf das Ende eines OE Prozesses hin. Sie sagt nämlich:
Darauf entließ Mose seinen Schwiegervater, und dieser zog in seine Heimat.
Aus diesem Beispiel lassen sich zwei wesentliche Prinzipien der OE ableiten:
1.
Die Betroffenen sollen zu Beteiligten gemacht werden.
2.
Nachdem Prinzip ‘Hilfe zur Selbsthilfe‘ geht der Berater nach getaner Arbeit.
2.1 Die Grundlagen der Organisationsentwicklung
Die jüngeren Ursprünge der OE lassen sich zwischen den 30 - 40 Jahre in Deutschland bzw.
in der USA ausfindig machen. Hierzu zählen Überlegungen zur ‘Gruppendynamik‘ bzw. die
Entdeckung der ‘Survey-Feedback Methode‘.
2.1.1. Das Phänomen der Gruppendynamik
Im Zeitalter des Taylorismus wurde den Mitarbeitern unterstellt, daß sie faul seien und lediglich arbeiten gingen, um ihre Freizeit zu finanzieren. Um die Effektivität der Arbeit zu steigern und die Denkleistung der Arbeiter zu senken, wurden die Arbeitsabläufe in einzelne
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Teilschritte zergliedert (Fließbandarbeit). Wie es dem Einzelnen bei der Ausführung der monotonen Arbeit erginge, spielte in der Gedankenwelt der Arbeitgeber keine Rolle. Zwei Entwicklungen veränderten dieses Konstrukt:
1. Die amerikanische Untersuchung einer Forschergruppe der Harvard Universität untersuchte ursprünglich den Einfluß der Helligkeit auf die Arbeitseffektiviät der Mitarbeiter. Als
eine Art ‘Nebenprodukt‘ der Untersuchung, stellte sich heraus, daß die Tatsache ansich
Aufmerksamkeit durch die Untersuchung zu bekommen positiven Einfluß auf die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter hatte.
2. Die Überlegungen von Kurt Lewin, einem Vertreter der Gestaltpsychologie, dessen Forschungsinteresse nicht auf das Verhalten einer Einzelperson ausgerichtet war, sondern auf
das Ganze, dessen Zusammenhänge und Wirkweisen (Heckhausen, 1980). Ein in diesem
Zusammenhang bekannt gewordener Satz lautet, daß 'die Summe der einzelnen Teile mehr
sei als das Ganze.' Dieses gilt auch für den Entwicklungsprozeß von Organisationen.
Lewin untersuchte das Verhalten von Menschen in ihrer Lebensumwelt (Feldtheorie). Damit ergab sich zwangsläufig die Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Gruppe. Dabei machte er folgende Erfahrung: In einem Experiment sollten Effekte von Gruppendiskussionen untersucht werden. Zu diesem Zweck wurden Gruppen a 10 Personen gebildet,
die zu einem vorgegebenem Thema diskutieren sollten. Jeder Gruppe wurde ein Beobachter zugeordnet, dessen Aufgabe es war über Beobachtungsbögen den Verlauf der Diskussion zu protokollieren. Ursprünglich war geplant, daß die Beobachter ihre Ergebnisse nicht
vor der Gruppe referieren sollten, sondern lediglich dem Untersuchungsleiter. Die beobachtete Gruppe erhob gegen dieses Prozedere Einspruch. Sie wollten die Ergebnisse ebenfalls wissen. Bei diesem verändertem Vorgehen stellten sich dann spezifische, bis heute
wirksame Effekte heraus. Die Berichterstattung hatte folgenden Einfluß auf die Gruppe:
• Ein Gewinn an Selbsterkenntnis für die Gruppe und jeden Einzelnen.
• Das Wahrnehmungsspektrum wurde erweitert.
• Die Gruppe entwickelte sich in ihrer Diskussionsfähigkeit intensiver und schneller weiter.
Das heißt, die Rückmeldung der Wahrnehmung durch den Beobachters an die Gruppe hatte Einfluß auf den weiteren Prozeßverlauf (Comelli, 1985).
In der Weiterentwicklung dieser Idee bzw. Ergebnisse, entstanden Seminare und Methoden,
bei der die Teilnehmer bzw. Mitarbeiter u.a. in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit geschult wurden. Ziel war es dabei Antworten auf folgende Fragegruppen zu bekommen:
• Fragen zur eigenen Person: Wie ist mein Verhalten in Gruppen? Welche Wirkung hat mein
Verhalten?
• Fragen über die Anderen: Worin besteht die Verhaltensweise der Anderen? Wie wirken
diese auf die Gruppe?
• Fragen zur Gruppe: Wie funktioniert eine Gruppe und was löst spezifisches Verhalten aus?
• Fragen zum Lernprozeß: Wie lernt man aus eigenen Erfahrungen? Wie lernt man zu lernen?
Die Antworten wurden in Kleingruppen erarbeitet, bei denen im Zentrum das ‘Hier und Jetzt‘
stand und nicht gruppenfremde Probleme. Hinzu kamen theoretische Informationen und
selbsterfahrungsorientierte Übungen, die den Prozeß verstärken, unterstützen und lenken sollten.
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Die Erfahrungen mit dieser Konzeption waren gut. Die Wirtschaft unterstützte dieses Vorgehen und schickte ihre Leute in die Trainings. Es entwickelten sich die ersten Inhouse Seminare. Dabei machten die Trainer zwei interessante Erfahrung.
1. Diese Inhouse Gruppen stellten und vertieften Kontakte zwischen Menschen, die schon
jahrelang zusammen gearbeitet hatten.
2. Die Trainings veränderten die Menschen. Es stellten sich Effekte ein - allerdings waren
sie nach einem Jahr rückläufig, da z.B. das neu erlernte Führungsverhalten in der Firma
keine strukturelle Unterstützung fand.
Überträgt man diese Inhalte auf eine externe Beratung bzw. auf einen internen Prozeßverantwortlichen, dann heißt das, daß der entsprechende Berater u.a. in folgenden psychologischen
Inhalten geschult sein sollte:
• Theorien zur Gruppen und Gruppenprozessen
• Inhalte von Rollentheorien
• Kommunikationsmodelle
• Feedback Gespräche
• Mitarbeiterführung
Dies sind Inhalte, die in der Grundausbildung der Pflege angelegt und u.a. im Studium eines
Pflegewirtes vertieft werden.
2.1.2. Die Survey-Feedback-Methode
Unter dieser Methode versteht man die Durchführung einer Mitarbeiterbefragung innerhalb
einer Organisation mit anschließender Rückmeldung der Daten/Ergebnisse an die Betroffenen
sowie eine Verarbeitung der Ergebnisse in einem Workshop. Eigentlich war es bisher so, daß
Daten - wie auch immer sie erhoben wurden - zusammengeschrieben wurden, Hypothesen
gebildet und, wenn die Berater gut waren - auch noch Maßnahmen vorgeschlagen wurden.
Das ganze Paket wurde als Bericht dem Auftraggeber zugeschickt.
Jetzt wurde es anderes. Die Befragten wurden zu Betroffenen bzw. Beteiligten, welche nun
die Chance hatten, die Ergebnisse zu prüfen und mit ihre Sicht zu vergleichen (Validierung
durch den Betroffenen). Diese Vorgehen wird in der Literatur Aktionsforschung genannt.
Darunter versteht man einen Prozeß, in dessen Ablauf eine systematische Sammlung empirischer Daten über ein System in bezug auf dessen Ziele und Bedürfnisse erfolgt. Die Befragungsergebnisse werden Ausgangspunkt und Anlaß zum weiteren Vorgehen. Damit wird die
Befragung an sich zu einem wesentlichen Teilprozeß.
2.2 Prinzipien & Strategien der Organisationsentwicklung 1
• Aktive Mitbeteiligung der Betroffenen auf allen Ebenen
Die Mitarbeiter sind das Kapital durch das eine Organisation verdient. Die Mitarbeiter sind
die Ressource, durch die Veränderungsquellen aufgefunden werden können. Die Mitarbeiter
sind die Betroffenen, die die Veränderung durchführen und lebbar machen. Daher ist es notwendig und sinnvoll, die Mitarbeiter so früh wie möglich und so viel wie möglich am Prozeß
zu beteiligen. Die Realität sieht vielfach allerdings anders aus. Die Erfahrung zeigt, daß etwa
20% der Belegschaft sich aktiv an einem OE Prozeß beteiligen. Das gilt es zu akzeptieren!
Das heißt es gilt das Prinzip: Mit denen arbeiten, die wirklich wollen.
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In Anlehnung an Baumgartner, Häfele, Schwarz & Sohm (1996)
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• Respekt vor der Einmaligkeit jedes Systems
Jedes System, jede Organisation hat etwas einmaliges. Betrachtet man sich alleine die Entstehungsgeschichte eines Unternehmens, so wird man kaum zwei identische finden. Das gleiche
gilt für die Zusammensetzung der Mitarbeiter und dessen gemeinsamer Geschichte.
Der Veränderungsprozeß bleibt Theorie, wenn es nicht gelingt bei den betroffenen Mitarbeitern und Führungspersonen Bewußtsein und Energie genau dafür freizusetzen, und sie in ihren konkreten Situation dort abzuholen, wo sie stehen. Hier hört man als Berater oftmals: 'Sie
waren doch schon in anderen Häuser, können wir das nicht auch so machen. Sie könnten uns
doch deren Qualitätsmanagement (QM) - Handbuch geben.' (vgl. Kasten 2). Sicherlich muß
das Rad nicht jedesmal neu erfunden werden, aber der Sinn eines OE Prozesses oder die Implementierung eines QM Systems ist der Prozeß an sich und nicht das Ergebnis (vgl. Kasten 3).
Nur die Menschen machen den Prozeß lebbar, einmalig und entwicklungsfähig. Das heißt die
Erfolgsstrategie für den Prozeß ist ebenso einmalig wie das Unternehmen selbst und muß in
ihren Inhalten individuell zugeschnitten sein.
Kasten 2
Ein Maultier was mit Salz beladen war, mußte durch einen Fluß hindurch. Es fiel dabei hin
und blieb einige Augenblicke im Naß zur Erholung liegen. Als es wieder aufstand merkte es
eine große Erleichterung, denn das Salz hatte sich im Wasser aufgelöst. Als es am nächsten
Tag wieder durch den Fluß gehen mußte, ließ es sich absichtlich fallen, in der Hoffnung, daß
erneut eine Erleichterung der Last zu spüren sei. Das Maultier war beim Aufstehen aus dem
Wasser entsetzt. Diesmal war die Last zu schwer geworden, denn es hatte Schwämme geladen, die sich voller Wasser gesogen hatten.
Merke: Ein Mittel taugt nicht für alle Gelegenheiten.
Kasten 3
Einführung eines QM Systems in Anlehnung an die DIN ISO 9001. Das Unternehmen wurde
zertifiziert - aber die Mitarbeiterzufriedenheit stieg nicht an, obwohl alle Prozesse optimiert
worden waren. Was war passiert? Die Führung hatte das System aufoktroyiert, ohne dabei
auf die Belange der Mitarbeiter einzugehen. Das Handbuch war am grünen Tisch entstanden,
die Mitarbeiter hatten es auswendig gelernt. Die Probleme der Betroffenen fanden sich nicht
im Handbuch wieder.
• Lernen vs. Einsturz
Veränderung braucht Zeit. Gerade ein OE Prozeß löst, wenn er zu schnell und ohne ausreichende Information ausgelöst wird, Angst und Mißtrauen in der Mitarbeiterschaft aus. Die
Einführung von Neuerung führt zu Besitzstandsdenken, zum Festhalten am Alten.
Die Einführung eines veränderten Führungsverständnises z.B. durch Führungskräftetraining
benötigt neben dem Training an sich auch die entsprechenden Strukturen wie z.B. Mitarbeiterbesprechungen horizontal wie vertikal. Werden nun alle Veränderungen auf einmal eingeführt, dann bricht das System eher zusammen, weil Menschen sich nicht so schnell an Veränderungen anpassen können und vielfach nicht so umstellungsbereit sind. Ein ‘zu viel‘ an
Veränderung löst Widerstand und Angst aus, wenn der bekannte Boden zu schnell weggerissen wird und keine entsprechend erprobte Alternative vorhanden ist. Eine Veränderung muß
an das Tempo des Unternehmens bzw. seiner Mitarbeiter angepaßt werden. Die Implementierung von zu vielen Maßnahmen kann zu Stagnation führen. Das heißt, daß Lockern von eingefahrenen Gedankenmustern ist besser als die ‘alten‘ Muster zum Einsturz zu bringen.
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• Der Weg ist so wichtig wie das Ziel
Die Gestaltung des Prozesses ist gleichzeitig schon die Intervention. Mittel und Methoden
sollten nicht nur mit dem Verweis auf das Ziel gerechtfertigt werden, sondern an sich schon
Lernmöglichkeit darstellen. Die inhaltliche Auseinandersetzung löst meist so viel gruppendynamische Prozesse aus, daß der Wert des Prozesses größer anzusehen ist als die Zielerreichung.
• OE ist ein Grundhaltung, die im Alltag seinen Platz hat
Man kann nicht sagen 'Wir wollen ein bißchen Frieden‘. Das gleiche gilt für die Aussage,
‘Wir machen ein wenig OE‘. OE ist ein fortlaufend anhaltender Entwicklungs- bzw. Verbesserungsprozeß. Dabei gilt es darauf zu achten, daß OE nicht hinter verschlossenen Türen stattfindet, sonder im Alltag anwendbar und akzeptiert wird. Das heißt nicht, daß es nicht Seminare auch außerhalb der Institution geben kann, aber ausgerichtet auf das tägliche Handeln.
• OE ist lösungs- und ressourcen orientiert
Eine Ursachenanalyse ist immer bezogen auf das anstehende Problem notwendig. Es gilt ein
ausgewogenes Verhältnis zwischen Ursachenerforschung auf der einen Seite und Ressourcen
und lösungsorientiertem Verhalten auf der anderen Seite zu zeigen. Die Rolle des Beraters
läßt sich dabei wie folgt am besten beschrieben:
Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.
Galileo Galilei
Zusammenfassend kann man sagen: OE ist eine Form des geplanten Wandels von und in Organisationen. Managementtechniken im Sinne von OE Prozessen/Abläufen bedeutet demnach,
• Gesprächs- und Aktionskreise einzurichten, in denen die Betroffenen zu Beteiligten gemacht werden, in dem sie das, was sie betrifft und betroffen macht, zu Gehör bringen können.
• indem sie eine gemeinsame Problemansicht erarbeiten und
• indem sie gemeinsam Lösungsmöglichkeiten entwickeln und umsetzen.
Man könnte geneigt sein, diese Methode als bottom-up-Strategie zu bezeichnen. Dieser Begriff trifft nicht genau. Denn der Grundgedanke ist nicht, Problemsichtweisen und -lösungen
von unten nach oben zu entwickeln, sondern Dialoge zu institutionalisieren, die es ermöglichen, daß jeder mit jedem sprechen kann. Das Ziel und der Sinn dieser Dialoge ist es, daß
diejenigen, die an der Planung und Durchführung notwendigen Umstrukturierungsmaßnahme
beteiligt sind, mit denjenigen, die von der Maßnahme betroffen sein werden, zusammentreffen. Beide Gruppen sollen Verantwortung übernehmen für den Prozeß der Umstrukturierung
und auch für die Folgen und Nebenwirkungen, die mit dem Prozeß verbunden sind. Hier wird
noch einmal erneut der systemische Gedanke deutlich. Die Implementierung von Maßnahmen
bewirkt immer Veränderung auf verschiedenen Ebenen, d.h. hier muß mehrdimensional gedacht werden. Das ‘outsourcen‘ einer Küche mag wirtschaftlich zu vertreten sein, aber es hat
auch Einfluß z.B. auf die Kommunikationsformen in einer Institution.
2.3 Organisationsentwicklung - Wie geht das?
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Es gibt verschiedene Schritte, die man gewöhnlich zum OE Prozeß zählt (vgl. Abb. 2).
Kontakt
Evaluation
Maßnahmen
Vereinbarung
Organisation
Diagnose
Datensammlung
Datenfeedback
Abb. 2: Schritte im Rahmen einer Organisationsentwicklung
Als erstes wird ein Kontakt zum Berater hergestellt. Der Auftraggeber sollte sich im Vorfeld
u.a. folgende Fragen gestellt und in einem entsprechenden Kreis von Führungskräften (FK)
diskutiert haben:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Was soll das Ergebnis der Beratung sein?
Wie wird das Problem bzw. der angestrebte Zielzustand definiert?
Welche Theorie hat die Unternehmensführung für die Entstehung des Problems?
Wo gibt es Verbündete für den Prozeß?
Was sollte auf keinen Fall passieren?
Was sind vermutliche ‘Nebenwirkungen‘ des Prozesses und wie wirken sich diese auf die
Organisation aus?
Welche Bedeutung haben persönliche Merkmale (Alter, Geschlecht, beruflicher Werdegang usw.) des Beraters auf die FK bzw. auf die Mitarbeiter?
Wer muß innerhalb der Organisation informiert werden und warum?
Wer ist intern für das Projekt verantwortlich?
Wieviel Zeit wird dem Prozeß gegeben?
Entsprechende Vorgespräche werden geführt und es kommt zu einem Vertrag bzw. zu einer
Prozeßvereinbarung, die gewöhnlich sehr individuell aussieht. Es kann sich dabei um ein
Pauschalbetrag handeln, ebenso wie über Teilverträge, die jeweils nach einem OE Schritt weiter verhandelt werden.
Bereits nach der Vereinbarung sollten die Mitarbeiter über das Vorhaben, das Ziel, die Inhalte, den Verlauf und die Dauer des Projektes informiert werden.
Es folgt eine Datensammlung zum aktuellen IST Stand innerhalb der Institution (vgl. Kasten
4). Probleme entstehen vielfach, weil man die Dinge unterschiedlich betrachtet, weil man
glaubt zu wissen, was der Andere/die andere Abteilung über einen Selbst oder die Sache
denkt und meint.
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Diese Phänomen wurde bereits in den Ursprüngen der Gestaltpsychologie erkannt und durch
die ‘Kippbilder‘ entsprechend bekannt (vgl. Abb. 3). Je nachdem, was für den Betrachter ‘die
Figur‘ oder ‘den Hintergrund‘ des Bildes darstellt, nimmt er eine Vase oder zwei Gesichter
wahr (Zimbardo, 1988). Vergleichbares gilt für die Entstehung von Problemen und Konflikten Es gilt diese unterschiedlichen Bilder zu erfassen, zu kommunizieren und zu reflektieren.
Abb.3: Ein Wahrnehmungsphänomen (S. 179, Zimbardo, 1988)
Kasten 4
Mögliche Vorgehensweisen einer Datensammlung
Bereits bei der Auswahl bzw. Entwicklung eines Fragebogens gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen. Einige Berater ziehen vorgefertigte Fragebögen dazu heran, und formulieren
entsprechende Fragen um. Ein Vorgehen das sicherlich seine Berechtigung hat, auch entsprechende Vorteile im Sinne von Zeit- und Kostenersparnis darstellt.
Eine andere Möglichkeit liegt in der individuellen Erstellung eines Fragebogens mit den Mitarbeitern im Rahmen eines mehrtägigen Workshops. Der Vorteil: Die Mitarbeiter sind von
Beginn des Prozesses beteiligt. Die Akzeptanz des Fragebogens ist wesentlich höher und somit meistens auch die Rücklaufquote.
Ausgangspunkt für die Erstellung eines Fragebogens kann die Erarbeitung eines StärkeSchwächen Profils der Einrichtung sein. Dazu können u.a. folgende Leitfragen herangezogen
werden:
Zur Erstellung eines Stärken Profils:
• Womit können wir zufrieden sein?
• Was bedeutet uns viel?
• Was motiviert uns?
• Wozu sind wir noch fähig?
Zur Erstellung eines Schwächen Profils:
• Was sind unsere Schwierigkeiten?
• Welche schwierigen und schweren Erfahrungen haben wir gemacht?
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•
•
Welche Störungen gibt es bei uns im Haus?
Was passiert, wenn alles so weiter läuft?
An Hand der Antworten durch die Beteiligten lassen sich Oberbegriffe bzw. Oberthemen benennen, die für das Unternehmen von Bedeutung sind, wie z.B.:
• Führung
• Organisationsstrukturen
• Der Träger
• Die Mitarbeiter
• Der Umgang miteinander
Diese mit den Beteiligten erarbeiteten Oberthemen dienen als Ausgangspunkt für die Erstellung von Fragen oder Statements für den Fragebogen und zwar erneut unter zu Hilfenahme
u.a. von folgender Leitfrage:
Was macht gute Führung konkret aus?
• redet mit den Mitarbeitern (Frage/Statement: Mein FK informiert uns regelmäßig.)
• ist kritikfähig (Frage/Statement: Meine FK ist ausreichend kritikfähig.)
Über die Anzahl der Fragen sowie über die Skalenformen als Antwortmedium muß sich die
Gruppe - unter Berücksichtigung der entsprechenden statistischen Gegebenheiten (Bode,
1977) - einigen.
Bei der Durchführung der Erhebung sind ebenfalls zwei Wege möglich. Entweder es wird ein
halbstandarlisiertes Interview geführt oder man teilt den Fragebogen direkt an die Mitarbeiter aus (vgl. Rosenstiel, Molt, Rüttinger, 1995). Interviews haben den Vorteil, daß der Interviewer einen größeren Einblick in die Institution bekommt, die Atmosphäre spüren kann. Sie
erfahren mehr als nur die Antworten auf die Fragen. Allerdings werden meistens aus Zeitgründen nicht alle Mitarbeiter befragt. Die Interviewer sollten eine gewisse soziale Kompetenz aufweisen sowie in den Regeln der Gesprächsführung geschult sein.
Zur Erhöhung der Transparenz und zum Abbau von Widerständen und Ängsten vor einer Befragung – unabhängig welches Vorgehen gewählt wird - empfiehlt es sich den Mitarbeitern
den endgültigen Fragebogen vorab zu zeigen.2
Datenfeedback
Die Auswertung der Daten erfolgt durch die Berater bzw. durch Personen, die nicht zur Organisation gehören. Die Rückmeldung sollte in einem besonderen Rahmen stattfinden - eine Art
‘Happening‘ sein, denn es geht hier um die Mitarbeiter, die etwas geleistet haben und die es
nun gilt zu achten. Deshalb sollte die gesamte Führungsriege vorhanden sein. Die Rückmeldung ist ein heikles Thema. Sie sollte der Wahrheit entsprechen, offen und ehrlich aber nicht
vernichtend sein. Das heißt bei der Konstruktion der Fragebögen gilt es Fragen zu integrieren,
die auf jeden Fall auch Stärken hervorbringen. Es sollten Ressourcen dargestellt werden, aus
denen sich heraus auch Interventionen ableiten lassen, z.B. wird die Kollegialität unter den
Mitarbeitern als gut bewertet. Intervention: Schaffung von Arbeitsstrukturen, bei denen die
Kollegialität positiv verstärkt und genutzt werden kann wie z.B. bei der Einführung der Bereichspflege. Die Präsentation der Daten sollte niemanden bloßstellen, in dem z.B. wörtlich
aus dem Fragebogen zitiert wird.
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Die Mitarbeitervertretung sollte frühzeitig in den Prozeß integriert werden, so daß mit einer Zustimmung gerechnet werden kann.
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Datendiagnose
An Hand der Daten werden Vermutungen (vgl. Kasten 5) über die Institution geäußert - im
Sinne von Unternehmensregeln, die ausgesprochen oder in nicht ausgesprochener Art und
Weise in der Institution wirken (Unternehmenskultur).
Kasten 5
Beispiel: Es fehlen Strategien im Hinblick auf die Zukunft des Unternehmens. Das führt zu
Zukunftsängsten, Demotivation und Lustlosigkeit bei den Mitarbeitern sich an Prozessen zu
beteiligen. Die Potentiale liegen dadurch brach. Mögliche Maßnahme: Zukunfswerkstätten,
Stärkung der FK z.B. durch Coaching Maßnahmen.
Beispiel: Es werden auf der mittleren Führungsebene keine Entscheidungen getroffen, da die
obere Führungsebene doch alles anders macht. Mögliche Maßnahme: Klärung der Entscheidungskompetenzen.
Maßnahmen
Die Entwicklung der Maßnahmen leitet sich aus dem Datenfeedback und der Unternehmensdiagnose ab. Sie müssen sich logisch daraus entwickeln und für alle Beteiligen verständlich
sein. Dabei gilt es darauf zu achten, nicht lediglich das Symptom zu behandeln, sondern besonders die Wurzeln. Nach Baumgartner, Häfele, Schwarz, & Sohm (1996) kann zwischen
drei Arten von Maßnahmen oder Strategien unterschieden werden.
1. Die rationale Strategie. Hier werden die Veränderungsvorschläge durch die Experten
gemacht. Vorteile: (1) Die Betriebsblindheit ist geringer. (2) Die Vorschläge kommen im
Ganzen. Diese sind direkter, unverblümter und nicht so zaghaft. (3) Sie liegen schneller
vor. Nachteil: Die Betroffenen sind nicht am Entwicklungsprozeß beteiligt gewesen. Dadurch sinkt die Identifikation mit der Lösung und die Berater müssen Verbündete für ihre
Strategie suchen.
2. Machtstrategien. Die Umsetzung von Strategien geschieht durch die entsprechende Positionsmacht, auf dem Hintergrund der Überlegung, daß mächtige Personen auch wissen was
gut für das Unternehmen ist. Nachteil: Es erzeugt Abhängigkeit statt Autonomie. Vorteil:
schnelle Umsetzung möglich. Beispiel: Aufgrund der entsprechenden Ergebnisse einer
Mitarbeiterbefragung forderte die Leitung eine Mitarbeiterschulung zur internen und externen Kundenfreundlichkeit. Prinzipiell sicherlich eine gute Idee, allerdings muß man bedenken, daß zwar das Verhalten geschult, aber die Spannungen im Haus, die dazu geführt
haben, daß die Mitarbeiter unfreundlich sind, dadurch nicht behoben werden.
3. Entwicklungstrategien. Darunter versteht man, daß die Verantwortung für die Entwicklung der Interventionen immer im System selber liegt. Dem liegt die Annahme zu Grunde,
daß die Lösungsfähigkeiten im System bzw. bei jedem Einzelnen vorhanden sind. Es werden lediglich die entsprechenden Methoden (Zukunftswerkstätten, Open Space Veranstaltungen usw) benötigt, um dieses Wissen an die Oberfläche zu bringen bzw. es bei den Mitarbeitern zu aktivieren.
Zur Erarbeitung und Durchführung der entsprechenden Interventionen ist eine Steuerungsstruktur notwendig, die den Prozeß lenkt und innovativ stützt. Diese Steuerungsstruktur ist ein
Abbild des Hauses, in der Art wie miteinander umgegangen wird, z.B. im Bereich Offenheit
und Ehrlichkeit. Diese Gruppe hat starken Vorbildcharakter, den das Haus für den Prozeß
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braucht. Die Art wie das Direktorium den Prozeß unterstützt hat Einfluß auf die weitere Mitarbeitermotivation und somit auf den Prozeß an sich.
Ausgehen von dieser Steuerungsgruppe könne Arbeitsgruppen (AG) mit spezifischen Arbeitsaufträgen (Entwicklung von Gesprächsregeln; Erarbeitung von Standards) entstehen, die
sich aus interessierten Mitarbeitern zusammensetzen. Nach einem vorher festgelegtem Zeitplan stellt die AG ihre Ergebnisse der Steuerungsgruppe bzw. dem Direktorium vor.
Evaluation
Eine Evaluierung der Maßnahmen sollte in einem festgelegtem Rhythmus in einer definierten
Art und Weise vorgenommen werden. Das können z.B. Mitarbeiter- oder Kundenbefragungen
sein. Eine Maßnahme ist immer nur so gut wie die Definition der Ziele. Das heißt hier
schließt sich der Kreislauf. Wichtig neben der eigentlichen Evaluierung ist die Mitteilung der
Ergebnisse an die Mitarbeiter, so daß auch für den sich anschließenden Prozeß erneut eine
Motivation entstehen kann.
Dieser fortlaufende Entwicklungssprozeß soll die Arbeit des Menschen in der Organisation
verbessern, ihnen Raum für Persönlichkeitsentfaltung und Selbstverwirklichung geben. Andererseits soll OE die Leistungsfähigkeit der Organisation und ihre Anpassungs- und Innovationsfähigkeit steigern. Die beiden Zielsetzungen werden nicht als miteinander unverträglich
angesehen. Vielmehr strebt man nach Lösungen, bei der Mensch und Organisation in gleicherweise profitieren. OE wird durch diesen kontinuierlich, fortlaufenden Ablauf ein geplanter
und systematischer Prozeß zur Veränderung der Kultur, der Systeme und des Verhaltens einer
Organisation mit dem Ziel die Effektivität der Organisation bei der Lösung ihrer Probleme
und Erreichung ihrer Ziele zu steigern. OE ist ein umfassender, organisationsumgreifender
Veränderungsprozeß, der einer Steuerung und einer Betreuung bedarf (Comelli, 1985). Die
Vor- und Nachteile eines solchen kontinuierlichen Prozesses werden in Abb. 4 dargestellt.
Nachteile
Für die Mitarbeiter wirkt der Prozeß zu Beginn eher unstrukturiert und ziellos.
Das prozeßhafte Vorgehen verunsichert und kann zu einer Demotivierung führen.
Die Ziele sind nicht gut Quantifizierbar. Die Veränderungen sind auf der Verhaltensebene ausgerichtet und erschweren somit den Prozeß.
Die Erfolgsparameter schlagen sich nicht so schnell in der Bilanzbuchhaltung nieder.
Eine Einstellungs- bzw. Verhaltensänderung löst meistens mehr Widerstand aus.
Vorteile
Die Inhalte werden sehr stark durch die Mitarbeiter definiert.
Der Prozeß und die entsprechenden Interventionen werden durch die Mitarbeiter mit
bestimmt. Dadurch verringert sich der Widerstand.
Abb 4: Vor- und Nachteile eines OE Prozesses
Nach Petzold (1998) ist OE eine mehrperspektivische Beobachtung/Reflexion des Systems.
Dazu kommt die Implementierung entsprechender Interventionen auf verschiedenen Ebenen
des Systems, mit dem Ziel eine klare und substanzreiche Organisationsphilosophie, ein funktionales Organisationskonzept zu erlangen sowie eine prägnante und doch flexible Organisa-
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tionsidentität zu fördern. Um dieses Ziele zu erreichen, muß OE die vorhandenen Problemlösestrategien, Ressourcen und Potentiale optimal erkennen (IST Analyse), verbinden, weiterentwickeln und konsolidieren.
Das heißt, das Ergebnis der IST Analyse gibt die Organisationskultur wieder, in dessen Rahmen Weiterentwicklung möglich ist. Die Organisationskultur spiegelt somit das bestehende
Fundament des Prozesses wieder, der OE Prozeß bildet das Dach des Hauses, daß durch verschiedene Säulen/Maßnahmen wie z.B. QM, Controlling, Personalentwicklung (PE) getragen
bzw. sichtbar wird (vgl. Abb. 5).
Organisationsentwicklung
QM
PE
Abb. 5: Das Haus der OE
Im folgenden soll das Fundament des OE Prozeß in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt
werden. Es ist gleichzeitig Basis und Ressource für den Prozeß.
2.3.1 Die Unternehmenskultur als Fundament des Handelns im OE Prozess
Den Wert eines Unternehmens machen nicht Gebäude und Maschinen und auch nicht
seine Bankkonten aus. Wertvoll an einem Unternehmen sind die Menschen, die dafür
arbeiten und der Geist, in dem sie es tun.
H. Nordhoff
Der schnelle Wandel der Zeit, die Informationsflut und die Komplexität der Probleme überfordern uns vielfach. Eine kleine Veränderung im System, hat vielfache Auswirkungen. Unter
einem System versteht man nach Ulrich & Probst (S. 30, 1995) ‘...ein dynamisches Ganzes,
das als solches bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen besitzt. Es besteht aus Teilen,
die so miteinander verknüpft sind, daß kein Teil unabhängig ist von anderen Teilen und das
Verhalten des Ganzen beeinflußt wird vom Zusammenwirken aller Teile.‘ Dem gegenüber
steht das übliche linear-kausale Vorgehen bei strategischen Planungen, bei dem weiterhin ein
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Schritt nach dem Anderen erfolgt. Dabei entstehen u.a. folgende Fehler im Umgang mit anstehenden Problemen (Dörner, zit. nach Rückle, 1994):
• Mangelhafte Zielerkennung
• Beschränkung auf Problemausschnitte
• Nichtbeachtung von Nebenwirkungen
• Tendenz zu autoritärem Verhalten
Die Sicherheit des Handels wird dadurch eingeschränkt. Klare ‘wenn dann‘ Verbindungen
lassen sich kaum aufstellen. Die Forderung nach einem ganzheitlichen Management - oder
einer ganzheitlichen Pflege - kann angesichts der Komplexität eines Systems kaum nachgekommen werden – lediglich einer entsprechenden Annäherung. Das Erkennen, der Komplexität der Probleme nicht gerecht werden zu können, löst Unsicherheit und Haltlosigkeit aus. In
einer solchen Zeit wird der Ruf nach einer ‘großen, starken und charismatischen‘ Persönlichkeiten laut, der einen durch und aus der Unsicherheit heraus führt. In einer solchen Zeit stellt
man sich die Sinn- oder auch Wertefrage - privat wie beruflich. Werte werden ein wiedergefundenes Gut, daß sich in der Unternehmenskultur (vgl. Kasten 6) wiederfinden sollte. Für
Führungskräfte kristallisiert sich hier eine neue Aufgabe heraus.
Kasten 6
Nach Schein (S. 25, 1995) läßt sich die Kultur einer Gruppe wie folgt definieren: ‚Ein Muster
gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der Bewältigung ihrer Probleme externer
Anpassung und interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit als bindend
gilt, und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz für den
Umgang mit diesen Probleme weitergegeben wird.‘
Rückle (1994) versteht unter einer Unternehmensphilosophie die Gesamtheit der angestrebten Werte und Normen innerhalb des Unternehmens. Idealerweise ist sie Richtlinie für die
Gestaltung der Handlungen, der im Unternehmen tätigen Menschen nach innen und außen.
Sie bietet Orientierungshilfe und Rechtssicherheit. Die Unternehmensphilosophie ist nicht
identisch mit der Unternehmenskultur.
Die Unternehmenskultur charakterisiert die Summe der Selbstverständlichkeiten in einem
Unternehmen zu einer bestimmten Zeit. Sie umfaßt, die im Unternehmen vorhandenen positiven wie negativen Rituale, Sanktionen, Mythen und Meinungen. Die Unternehmenskultur besteht aus einem kleinen sichtbaren Bereich und einem größeren, unsichtbaren Bereich (Werte
und Normen). Sie wird sichtbar gemacht durch markante Objekte und Verhaltensweisen, wozu standardisierte Belohnungsrituale ebenso zählen wie Architektur oder prägende Leitbildfiguren.
Petzold (1998) versteht unter einer Unternehmenskultur die Gesamtheit aller expliziten und
impliziten tradierten Wahrnehmungsparameter, Bewertungs- und Interpretationsschematas in
einem System. Dazu gehören ebenfalls habitualisierte Interaktions- und Kommunikationsformen, Planungs- und Problemlösestrategien sowie Funktions- und Arbeitsabläufe einer Organisation. Die Gesamtheit dieser in den Köpfen der Mitarbeiter verankerten Strukturen konstituiert die Unternehmenskultur aus der heraus sich die Unternehmensphilosophie formulieren
läßt. Die Kultur bestimmt die innere Regulation der Organisation, ihr Verhalten, ihr Klima
und ihr Image nach innen und außen. Sie bestimmt die Interaktion der Subsysteme (z.B. Pflege –Medizin). Die Organisationskultur ist nach Petzold ein zentraler Bestandteil der Organisationsidentität (CI) und ein bestimmender Faktor jeder Entwicklungsdynamik in der Organisation.
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Goffee & Jones (1997) sind der Ansicht, daß die Kultur eines Unternehmens, der Stoff ist, der
ein Unternehmen – gerade in schwierigen Zeiten - zusammen hält. Nach Mühlbauer (1999)
hat sich die Führungsebene in Krankenhäusern mit einer systematischen Kulturentwicklung
noch gar nicht beschäftigt, womit ihnen gleichzeitig eine wesentliche Grundlage zum Beweis
ihrer Führungsfähigkeit fehlt. Nicht die ‘harten‘ Faktoren sondern die weichen Führungsfaktoren werden seiner Meinung nach über den Erfolg eines Unternehmens entscheiden.
Auch Sozialbetriebe brauchen - wie jede andere Organisation auch - eine Unternehmensphilosophie, eine Unternehmenskultur, zumal die traditionelle Philosophie der Sozialeinrichtung
z.B. die Gemeinnützigkeit oder die kirchliche Zuordnung heute oft ihre Wirkung verloren
haben bzw. die derzeitigen Führungskräfte nicht mehr die Entstehungsgeschichte der Organisation kennen. Gerade aber die Besinnung auf die Tradition, auf die Geschichte eines Unternehmens kann ein wesentlicher Bestandteil einer Unternehmenskultur sein. Ein hohes Alter
eines Unternehmens gilt als Hinweis für Vitalität und der bewiesenen Fähigkeit, Krisen überstanden zu haben. Das heißt nicht, an den bescheidenen Anfängen oder am Kerngeschäft festzuhalten. Zwar gelte ‘Ohne Herkunft keine Zukunft‘, auf der anderen Seite sagt das Festhalten
an alten Zöpfen nichts über deren Richtigkeit aus. Ein Unternehmen und seine Mitarbeiter
brauchen die Überlieferung als Orientierungshilfe, um der Arbeit Sinn zu geben. Zur Tradition gehöre auch das gewachsene Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitern,
das soziale Klima, das auch in konjunkturtrüben Zeiten trägt.
Für die Bewältigung der Zukunftsaufgaben eines Sozialbetriebes sind daher neben den bekannten Managementtechniken wie Kundenorientierung, Umorganisation und Kostensenkung, Ansätze einer zeitgemäßen Unternehmensphilosophie/Unternehmenskultur zwingend
notwendig (Seeberger & Kerres, 1997).
Eine gute Führung zeichnet sich daher dadurch aus, die Kultur des Unternehmens zu kennen
und entsprechende Maßnahmen auszuwählen, bei der Kultur und Intervention zusammenpassen. Prinzipiell kann auch die Kultur eines Unternehmens verändert werden, allerdings ist dies
ein schwieriges und auch zeitaufwendiges Unterfangen, daß einen geplanten und systematischen Prozeß - im Sinne eines OE Prozesses - benötigt. Dabei gilt, daß weder eine Unternehmensphilosophie noch eine Unternehmenskultur nachgeahmt werden kann. Sie ist auch nicht
käuflich, weil sie das Resultat einer Unternehmensgeschichte bzw. eines Denkprozesses ist,
der gewöhnlich über einen längeren Zeitraum verlief. Eine auf das Unternehmen zugeschnittene Unternehmensphilosophie bzw. Unternehmenskultur bietet in der Regel u.a.:
•
•
•
•
Wettbewerbsvorteile
Innovationspotentiale
Qualitätsverbesserungen
Servicevorteile.
In der Unternehmensphilosophie liegt ein wichtiger Schlüssel zur Motivation der Mitarbeiter
(vgl. Kasten 7). Sie bietet den Mitarbeitern Raum für ihre Sehnsüchte und ihre Selbstverwirklichung.
Kasten 7
Zur Entwicklung einer Unternehmenskultur bzw. -philosophie
Eine Unternehmensphilosophie umfaßt vielfach drei Annahmen (Seeberger & Kerres, 1997):
1. Annahmen über die Umwelt der Organisation
Die Annahmen über die Umwelt umfassen Gesellschaft, Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung, den eigenen Auftrag, den Markt, die Kunden und die sozialen Notlagen.
2. Annahmen über die spezifischen Zielsetzungen der Organisation
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Diese Annahmen geben an, welche Ergebnisse ein Sozialbetrieb für erstrebenswert hält, und
sie zeigen auf, wo sich die Sozialeinrichtung im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und sozialer Situation selbst einordnet.
3. Annahmen über konzeptionelle Grundlagen
Diese sind notwendig, um den Auftrag des Sozialbetriebes zu erfüllen.
Die Annahmen sollen der Wirklichkeit entsprechen, zu einander passen, im Unternehmen bekannt, verstanden und ununterbrochen auf ihre ‘Richtigkeit‘ für das Unternehmen überprüft
werden.
Vielfach wird als erster Schritt zur Entwicklung einer Unternehmensphilosophie ein Leitbild
für eine entsprechende Berufsgruppe erarbeitet. Für viele Mitarbeiter im Gesundheitswesen
ist die Entwicklung eines Leitbildes eine neue und auch durchaus spannende Aufgabe. So bilden sich in vielen Krankenhäusern, Altenheimen und Gesundheitsdiensten Arbeits- oder Projektgruppen mit dem Ziel, ein Pflegeleitbild zu entwickeln. Mit viel Elan und Schwung treffen
sich die Pflegenden ein- oder zweimal für einige Stunden und beginnen über Philosophie,
Menschenbild, Ethik, Würde und Respekt nachzudenken. Nach etlichen, oft auch gruppendynamisch spannenden Sitzungen, ist ein vorläufiges Leitbild entwickelt worden, was den übrigen Mitarbeitern der Einrichtung präsentiert wird. Hier stellt sich dann spätestens eine Ernüchterung der Beteiligten ein. Ein Feuerwerk von Killerphrasen entlädt sich vielfach auf die
Mitglieder der Arbeitsgruppe, und Demotivation, Frustration und Ärger sind meistens die
Folge (Seeberger & Kerres, 1997).
Als eine wesentlich Grundvoraussetzung, die auch für die Erarbeitung einer Qualitätsmanagement System von zentraler Bedeutung ist, ist die Unterstützung und Rückendeckung der
obersten Leitung. ‘Der Fisch stinkt am Kopf‘ so sagt ein Sprichwort. Das heißt, wenn die oberste Führung nicht 100% hinter einem Prozeß steht, dann läuft der Rest der Mannschaft im
Kreis. Das heißt, die oberste Leitung erstellt als Basis der Diskussion ihre Unternehmenskultur, ihre Unternehmensziele. Im nächsten Schritt erarbeiten die Berufsgruppen ihre Leitbilder, aus deren Summe dann eine gemeinsame Unternehmensphilosophie entstehen kann.
Im Bereich der Pflege kann als Hilfskonstrukt das Pflegekonzept als Arbeitsgrundlage für ein
Pflegeleitbild im Rahmen einer Unternehmensphilosophie herangezogen werden. Die von den
Krankenkassen zugelassenen Pflegeeinrichtungen müssen nicht nur ihr Leistungsangebot und
die dafür zu zahlenden Preise schriftlich darlegen. Sie müssen auch Pflegekonzepte vorweisen. Das bestimmen derzeit die „Gemeinsamen Grundsätze und Maßstäbe zur Qualität und
Qualitätssicherung“, die auf Bundesebene - getrennt für ambulante, vollstationäre, teilstationäre und Kurzzeit-Pflege-einrichtungen - vereinbart wurden.
Beck & Schwarz (1997) empfehlen u.a. folgende Leitfragen zur Annäherung bzw. Erarbeitung
einer Unternehmenskultur aus der eine Unternehmensphilosophie entstehen kann:
• Beschreiben Sie das Selbstverständnis des Unternehmens aus ihrer Sicht?
• Wodurch zeichnet sich das Unternehmen aus? Was ist das typische für das Unternehmen?
Was sind die Unterschiede im Vergleich zur Konkurrenz?
• Was ist das strategische Motto der Führung?
• Welches ist das zentrale Ziel der Leitung?
Goffee & Jones (1997) schlagen als Vorgehen das ‘klassische‘ medizinische Programm vor:
Anamnese, Diagnose, Therapie. Zur Anamnese und Diagnose kann ein entsprechender Fragebogen herangezogen werden, aus deren Ergebnis heraus sich dann die entsprechenden
therapeutischen Interventionen ableiten lassen.
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2.3.2 Das Qualitätsmanagement (QM) als ein Baustein im Rahmen von Organisationsentwicklung
Ein typischer QM Ablauf ist in Abb. 6 dargestellt. Es findet eine entsprechende Vereinbarung
mit einem Berater statt. Es wird eine IST Anlayse (Datensammlung) durchgeführt – meistens
in dem Sinne – was ist alles bereits zur Normerfüllung vorhanden. Entsprechend fällt die
Rückmeldung (Datenfeedback) aus, meistens an den Qualitätsbeauftragten selten an alle Mitarbeiter. Entsprechend der Ergebnisse werden Qualitätscircel (QC) gebildet, die die noch fehlenden Inhalte der einzelnen Normelemente erarbeiten und verschriften. Eine entsprechende
Evaluierung findet durch ein internes/externes Audit bzw. durch das Zertifizierungsaudit statt.
Abb. 6: Typischer Ablauf zur Erarbeitung der DIN Elemente
Die Nachteile/Vorurteile einer Normerfüllung werden vielfach in den folgenden Punkten gesehen:
• Es gibt einen Widerstand gegen die Norm, da diese aus der Industrie kommt und nicht für
soziale Dienstleister zu übertragen sei.
• Die Inhalte werden durch die Normelemente vorgegeben. Das heißt, der Einfluß der Mitarbeiter ist geringer.
• Die Erarbeitung der Inhalte ist anfänglich schwer, da die Sprache der Norm befremdend
klingt.
• Die Erarbeitung der Elemente wird als Pflichterfüllung angesehen, um das Ziel der Zertifizierung zu erreichen.
• Es findet eine Standardisierung statt, ohne tiefgreifende Veränderungen.
Die Vorteile einer Normerfüllung sind:
• Durch die Normforderungen werden Handlungsleitlinien vorgegeben.
• Die wesentlichen Inhalte eines Unternehmens - egal in welcher Branche - werden thematisiert, reflektiert und festgelegt.
• Die Norm hat als Ergebnis Struktur- und Prozeßklarheit.
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Eines reines QM System fragt selten nach den 'dahinterliegenden' Gründen, fragt selten nach
tiefliegenden Ursachen, wer es mit wem nicht kann usw. bzw. bietet selten dafür Lösungsmöglichkeiten an. Daher müssen die externen und internen Berater für diese Inhalte sensibel
sein bzw. über entsprechendes Wissen verfügen (Wissen über gruppendynamische Prozesse,
Aspekte der Führungspsychologie, Umgang mit Widerständen und Abwehrmechanismen).
Nur dann erfährt man was in der Organisation wirklich gespielt wird (vgl. Kasten 8). Der Prozeß, ein Qualitätsmanagementsystem in eine Einrichtung zu integrieren, sollte daher als ein
Weg verstanden werden, der Mängel erst sichtbar macht. Die Zertifizierung selbst ist nicht
der Endpunkt eines Prozesses, sondern der Beginn. Wer nur auf das Erlangen eines Zertifikats
aus ist, blickt zu kurz und damit am Ziel vorbei.
Kasten 8
Auf einer Krebsstation wurden die Abläufe optimiert. Vor dem Prozeß brachten die Krankenschwestern mehrmals am Tag entsprechende Proben selber zum Labor, daß einige Meter von
der Station entfernt lag. Sie waren pro Weg circa 5 - 10 Minuten unterwegs. Die Berater fanden, daß das nicht notwendig sei, und man dem qualifizierten Personal, diese Aufgabe nicht
mehr zumuten bräuchte. Das sei darüber hinaus auch zu teuer. Diese Aufgabe könnten Hilfskräfte übernehmen. Gesagt getan. Was ist passiert? Nach etwa 2 Monaten steigt der Krankenstand. Warum? Die Krankenschwestern brauchten den Weg um abschalten zu können, um
Distanz vom Sterben zu kriegen. Der Weg zum Labor - also Psychohygiene für die Einzelnen fiel nun weg. Das heißt eine Ablaufoptimierung alleine ist nicht Sinn und Zweck. Es geht immer um den betroffenen Menschen, der bei der Optimierung des Prozesses beteiligt sein muß.
Wie können nun beide Vorgehensweisen – OE und QM - mit ihren Vor- und Nachteilen, die
sicherlich jeweils ihre Berechtigung haben, miteinander verbunden werden?
Betrachtet man beide Abläufe, dann werden Berührungspunkte deutlich, die eine Verquickung beider Prozesse sinnvoll machen (vgl. Abb. 7).
Evaluation
Maßnahmen
Vereinbarung
Organisation
Diagnose
Datenfeedback
Datensammlung
Vereinbarung
Datensammlung
Audit
Organisation
Datenfeedback
Erarbeitung
d. Elemente
Abb. 7: Abläufe einer OE Prozesses (links) bzw. eines QM Prozesses (rechts)
Eine mögliche Verbindung beider Prozesse ist in Abb. 8 dargestellt. Im folgenden sollen lediglich drei Punkte dieser Synthese beschrieben werden.
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1. Führt man eine IST- Analyse (Datensammlung) an Hand eines durch die Mitarbeiter erarbeiteten Stärken - Schwächen Profils durch, das sich nicht an den Normelementen orientiert, dann wird die Analyse umfassender und tiefgreifender.
Nachteil:
• Der Zeit- und Kostenaufwand ist hoch.
• Für eine solche Maßnahme ist ein Prozeß know how notwendig. Bei einem ‘das
machen wir mal eben Vorgehen‘, kann es sehr schnell zu einer Demotivierung der
Mitarbeiter kommen.
Vorteil:
• Die Mitarbeiter sind von Beginn des Prozesses an beteiligt. Dadurch sinkt die
Angst und der Widerstand vor einer Veränderung.
• Schwierige, heikle Themen kommen sehr schnell an die Oberfläche.
2. Findet die Datenrückmeldung für alle Mitarbeiter statt, dann steigert dies die Transparenz
und das Vertrauen in den Prozeß. Der Einbezug und die Bedeutung der Mitarbeiter wird
deutlicher.
3. Die gemeinsame Auswertung und Entwicklung von Maßnahmen kann den Elementen der
Norm zugeordnet werden und dient somit als Strukturierungsmaßnahme für den Prozeß.
Die Verbindlichkeit der Inhalte wird gleichzeitig durch die Einführung von QM erhöht.
Dadurch sinkt der Widerstand gegenüber der Norm und die Akzeptanz der Interventionen
steigt.
Abb. 8: Verquickung beider Prozesse
An vielen Stellen gibt es also Berührungspunkte zum Aufbau eines QM Systems z.B. in Anlehnung an die DIN ISO 9000. Die alleinige Implementierung der DIN kann als befremdliches System angesehen werden, so daß keine Integration in die bestehenden 'alten' Strukturen
statt findet. Das heißt OE ist eine gute Voraussetzung für den Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems. Den nur dann kann QM im Sinne eines gelebten und von den Mitarbeitern
akzeptieren System, von den Mitarbeiter entwickelt, und mit aufgebaut werden. Dabei gilt,
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daß die Norm kreativ an die Bedürfnisse des Hauses angepaßt werden soll und nicht umgekehrt.
Die Erfahrung mit solchen integrierten Projektstrukturen lassen sich wie folgt zusammen fassen:
• Mitarbeiter und FK stehen einem solchen prozeßhaften Vorgehen zu Beginn eines Prozesses auf der einen Seite beeindruckt, fasziniert auf der anderen Seite vorsichtig, skeptisch
gegenüber. Beeindruckend ist, daß sich das Erleben und das eigene Verhalten tatsächlich
verändern kann. Es kommt die Hoffnung auf, daß dies auch anderen so ergehen könnte.
Die Faszination siegt meistens.
• Eine Mitarbeitermotivation läßt sich sowohl herstellen als auch aufrechterhalten, da
sichtbare Ergebnisse im Sinne von Meilensteinen immer wieder erarbeitet werden.
• Der Weg ist mindestens so wichtig wie das Ziel. Die Auseinandersetzung, die ermöglicht
wird zwischen Mitarbeitern und FK ist nicht immer leicht aber meistens der Beginn einer
furchtbaren Kommunikation.
• Die Verbindlichkeit u.a. auf der Handlungsebene steigt.
• Es entsteht eine Unumkehrbarkeit der Erwartungen bei den Mitarbeiter nicht wieder 'in
alte Zeiten fallen' wollen.
• Ein solches Vorgehen macht eine Projektkoordination notwendig, als Anwalt des Prozesses. Dies ist nichts was man zusätzlich ‘nebenbei‘ machen kann.
• Es findet eine langsame, langfristige Persönlichkeitsänderung bei Mitarbeitern und FK
statt, bedingt durch die ständigen Rückmeldungen (Fremd- und Selbstbildeffekte).
• Die FK sind Schlüsselstellen.
• Es findet im System eine innerbetrieblich Weiterbildung statt, die effektiver ist, da das
ganze System betroffen ist.
2.4 Organisationsentwicklung als Aufgabe für das Pflegemanagement - Was spricht dafür?
Soziale Dienstleistungsunternehmen und Wohlfahrtsverbände werden zunehmend in die Unabhängigkeit entlassen. Qualitätsmanagement wird eines von mehreren Verbindungsbrücken
zur Freien Wirtschaft sein. Wer für sein Unternehmen ein modernes Management in Anspruch nehmen will, kann weder auf eine Qualitätssicherung noch auf eine Unternehmensphilosophie verzichten, denn beides ist nicht voneinander zu trennen. Besonders ein Qualitätsmanagementsystem in einer Sozialen Einrichtung braucht einen ethischen Verbund, der beim
Qualitätsmanagement-Projekt sichtbar wird und sich in der Unternehmensphilosophie äußern
muß. Die verschiedenen Ansatzpunkte zur Veränderung und Weiterentwicklung einer Organisation bedingen nämlich einander (Seeberger & Kerres, 1997). OE greift hier als Prozeßmethode und als strategisches Planungsverfahren ein. Damit wird Menschen Raum gegeben
sich zu entwickeln. Es ermöglicht Menschen soziotechnische Systeme zu erneuern, zu gestalten und zu erwecken unter zu Hilfenahme spezifischer Umsetzungsstrategien.
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Ein solches Vorgehen ist aufwendig und kostenintensiv aber individuell an der Wurzel des
Problems orientiert - und es läßt sich mit der Einführung eines QM gut integrieren. Denn die
Implementierung eines QM Systems in ein bestehendes System/Unternehmen ist problematisch. Es ist vergleichbar mit einer Herz Transplantation - die OP ist schwer aber für Experten
machbar. Allerdings fängt der eigentlicher Genesungsprozeß später an, die Aufnahme des
neuen Organs in das System Mensch - und hier liegen die Probleme im System, in seinen Gedanken, seinen Gefühlen, seiner Kommunikationsfähigkeit. Wenn dieser Prozeß nicht gelingt,
dann nimmt das System das Herz nicht an, sonder stößt es ab.
Damit dies nicht passiert, ist OE ein Weg, der die Führungsperson in besondere Art und Weise fordert. Der Prozeß fordert die FK nicht in erster Linie als Fachmann, als Vorgesetzter
sonder er fordert sie als Mensch als ganze Person.
Warum sollen diese Aufgaben vom Pflegemanagement auch noch übernommen werden? Sie
bringen - im Vergleich - die besten Voraussetzungen dazu mit. Definiert man professionelle
Pflege in Anlehnung an Petzold (1998) als die Anwendung medizinischer, pflege- und sozialwissenschaftlicher, psychologischer und pädagogischer Erkenntnisse und Methoden im jeweiligen institutionellem Kontext und auf dem Hintergrund des mitmenschlichen Engagement
in zwischenmenschlichen Beziehungen, dann ist Pflege von der Struktur her interaktional und
intersubjektiv angelegt. Dies sind wesentliche Voraussetzungen um als interner Prozeßveranwortlicher das Steuer in die Hand zu nehmen. Sie können in dieser Funktion als Bindeglied
zwischen dem externen Berater und dem Prozeß fungieren, in dem Sie ihr Wissen über die
Institution und die Abläufe einbringen. Sie sind gleichzeitig die Nahtstelle zwischen den Berufsgruppen. Sie sind deren Vertraute, deren Verbündete.
Dazu kommt, daß durch die Aus- Fort- und Weiterbildung immer wieder die Fähigkeit zur
Selbstreflexion und Empathie gefordert und gefördert wird - ein wesentlicher Baustein für die
Entwicklung sozialer Kompetenz, die im Bereich der Führung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Nicht umsonst nehmen die Veröffentlichungen zum Thema ‘Emotionale Intelligenz‘
zu (vgl. Kasten 9). Denn auch hier wird gefordert, daß diese Eigenschaft eine notwendige
Erfordernis für Führung darstellt (Goleman, 1999). Nur wer seine eigenen Gefühle ebenso
wie die anderer Menschen versteht, ist in der Lage seine Mitarbeiter so zu steuern, daß die
Unternehmensziele erreicht werden. Hier könnte zielorientierte Führung, die ethisch eingebunden ist in eine Unternehmensphilosophie und sichtbar wird in einer Unternehmenskultur,
in ihrer Ausrichtung sowohl gewinnorientiert als auch auf das Individuum – im Sinne einer
persönlichen Entfaltung - ausgerichtet sein. Sie beeinflußt damit die Leistungsfähigkeit und
die Zufriedenheit einer Organisation.
Die Schaffung einer bewußten Kultur kann zersplitterte Kräfte bündelnd und entsprechend
wirken, wenn Führungskräfte erkennen, was Kultur für ein Unternehmen bedeutet Diese Herausforderung ist tiefgründig und sehr persönlich. Dies könnte sich zu einer Kernkompetenz
des Pflegemanagements heraus kristallisieren – es müßte wollen, zugreifen und den Platz besetzten. Die Voraussetzungen dafür bringt es mit. Das ist sicherlich keine einfache Aufgabe,
kein einfacher Prozeß. Er erfordert Zeit und Engagement. Aber der Nutzen, den sowohl der
Einzelne als auch das Unternehmen davon hat – lohnt den Aufwand.
Kasten 9
Wie läßt sich emotionale Intelligenz definieren?
Nach Golemann (1999) tragen folgende fünf Komponenten zur emotionalen Intelligenz bei.
(1) Die Fähigkeit zur Selbstreflexion, d.h. die eigenen Gefühle zu kennen und deren Wirkung
auf andere zu erkennen, mit dem Ziel u.a. einer realistische Selbsteinschätzung.
(2) Die Fähigkeit zur Selbstkontrolle nach dem Motto ‘erst denken dann handeln. Dadurch
entsteht u.a. Vertrauen und Integrität.
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(3) Die Fähigkeit zur Empathie, d.h. die Gefühlswelt anderer zu verstehen und mit entsprechendem Geschick bzw. Rücksichtnahme darauf zu handeln. Dies ist für die Personalentwicklung ebenso wichtig für die Kundenorientierung.
(4) Fähigkeit zur sozialen Kompetenz, d.h. Beziehungen aufzubauen, Netzwerke zu pflegen.
Durch die Schaffung einer gemeinsamen Basis ist u.a. das Herbeiführen von Veränderung
effektiver.
(5) Fähigkeit zur Motivation, die nicht nur auf Geld oder Status basiert.
3. Literatur
Baumgartner, I.; Häfele, W.; Schwarz, M. & Sohm, K. (1996): OE Prozesse. Haupt Verlag
Beck R. & Schwarz G. (1997): Personalentwicklung. Fachverlag Dr. Sandmann.
Bode, E. (1977): Grundwissen in Statistik. Reinhardt Verlag.
Comelli, G. (1985): Training als Beitrag zur Organisationsentwicklung. Hanser Verlag.
Goffee, R. & Jones, G. (1997): Kultur: Der Stoff, der Unternehmen zusammenhält. S. 41 –
54. Harvard Business manager 2/1997.
Goleman, D. (1999): Emotionale Intelligenz zum Führen unerläßlich. S. 27 – 36. Harvard
Business manager 3/1999.
Heckhausen, H. (1981): Motivation und Handeln. Springer Verlag.
Kerres, A. (1998): Die Pflegevisite. S. 35 - 38. Heilberufe 7/98.
Kerres, A. & Hollick, J. (1998): Medizinische Fachinformationen in der Pflege. Spitta Verlag,
1998.
Kerres A. & Seeberger, B. (1998): Strukturwandel im Pflegemanagement: Welche Aufgaben
kommen dabei auf die Fachhochschulen zu? S. 44 - 44. PflegeManagement 6/98.
Kerres, A., Falk, J. & Seeberger, B. (1999): Lehrbuch Pflegemanagement. Springer Verlag.
Mühlbauer, B. (1999): Bewußt gestaltete Unternehmenskultur – ein Mangel in deutschen
Krankenhäusern. S. 258 – 262. führen & wirtschaften im Krankenhaus 3/99.
Nefiodow, L. A. (1997): Der sechste Kondratieff. Rhein-Sieg Verlag.
Rosenstiel, L.; Molt, W. & Rüttinger, B. (1995): Organisationspsychologie. Kohlhammer
Verlag.
Petzold H.(1998): Integrative Suvervision, Meta-Consulting & Organisationsentwicklung.
Junfermann Verlag.
Rückle, H. (1994): Die Folgen des Wertewandels für das Personalmanagement und sein Führungsverständnis. In: J. Kienbaum (Hrsg): Visionäres Personalmanagement. Schäffer Poeschel Verlag.
Schein; E. (1995): Unternehmenskultur. Campus Verlag.
Seeberger, B. & Kerres, A. (1997): Pflegewissenschaftliche Grundlagen und Leitbildprozesse
als notwendige Bausteine eines Qualitätsmanagmentsystems. In: J. Bläsing & G. Friedrich
(Hrsg.): Impulse für Qualität und Menschlichkeit. TQU Verlag.
Ulrich, H. & Probst, G. (1995): Anleitung zum ganzheiltichen Denken und Handeln. Haupt
Verlag.
Zimbardo, P. (1988): Psychologie. Springer Verlag.