5. Fastensonntag C

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5. Fastensonntag C
5. Fastensonntag C
Wir haben einen neuen Papst.
Franziskus ist sein Name.
Und dieser Name ist mehr als nur eine Bezeichnung, um jemanden wie ihn von Benedikt
oder Johannes Paul zu unterscheiden. Der Name Franziskus ist Programm: für den
Erzbischof aus Buenos Aires persönlich, als auch für sein Wirken als Papst.
Kaum ist der Mann aus Südamerika zum Papst gewählt, der wie Franziskus von Assisi,
der „Anwalt der Armen“ genannt wird, da wird er – wie die Frau aus dem heutigen
Evangelium – in der Presse vor die Weltöffentlichkeit gezerrt und von Leuten, die nie in
einer Diktatur ihr Pressegeschäft erledigen mussten, verdächtigt, sich in der Zeit der
Militärjunta in Argentinien angeblich falsch verhalten zu haben.
Man will etwas Negatives suchen, um ihn auf irgendeine Weise so zu sagen „steinigen“ zu
dürfen. Das ist ein beliebtes Spiel der Presse – nicht immer – aber immer öfter. Man sucht
Fehler, Schwachstellen, um jemand als Amtsträger zu vernichten. Und dabei geht es gar
nicht mal darum, ob die Vorwürfe wirklich stimmen. Es sind oft nur Vermutungen,
Möglichkeiten …, so nach dem Motto: „Irgendetwas wird schon dran sein!“
Man möchte den neuen Papst in gewisser Weise „mundtot“ machen. Er soll nichts sagen
können, worauf ein Christ, eine Christin hören soll, weil er ja auch – wie alle anderen –
angeblich ein „Versager“ ist.
Gerade das müsste uns Christen ein Lächeln, ein Schmunzeln entlocken, denn Jesus hat
nur „Versager“ um sich gesammelt. Vorneweg „den Petrus“, den ersten „Papst“.
Hatte dieser Petrus nicht gerade unter den Bedingungen der römischen Militärjunta, der
Diktator des Hohen Rates und des römischen Statthalters Pilatus, Jesus verleugnet,
„verraten“, aus Angst um sein eigenes Leben?
Wie verhalten wir uns, wenn es auf Leben und Tod geht? Ist uns da nicht eventuell das
Hemd doch näher als die Jacke? Manche sind schon allein deswegen wie gelähmt und
handlungsunfähig, weil sie denken: „Was sagen denn die Leute dann über mich…?“
Soll Schuld eigentlich so gewertet werden, dass Schuld das Leben vernichtet? Gibt es
eigentlich nach dem Satz Jesu: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten
Stein“ – gibt es nach diesem Satz eigentlich noch eine Schuld, die das Leben irgendeines
Menschen vernichten darf?“ Ich kann das nicht erkennen.
Dieser Satz gibt keiner Schuld mehr das Recht, einen schuldig gewordenen Menschen zu
vernichten.
Jesus ist ein entschiedener Gegner jener Einstellung, bei der die Schuld das oberste und
wichtigste Beurteilungskriterium für einen Menschen ist, dass ein Mensch von Gott gewollt
und auf ewig geliebt ist. Das wichtigste Beurteilungskriterium ist für Jesus, dass ein
Mensch von Gott gewollt und auf ewig geliebt ist. Das ist für Jesus das Wichtigste. Und
das hat auch Petrus nach seiner Verleugnung erkannt und bitterlich geweint.
Schuldig wird jeder Mensch. „Leben“ heißt immer auch: „schuldig zu werden!“ Niemand
kann leben, ohne schuldig zu werden. Wäre unser Versagen, wäre unsere Schuld das
wichtigste und alles entscheidende Beurteilungskriterium, wir wären alle verloren – genau
wie diese Frau, die man vor Jesus hin zerrte.
Doch Jesus hebt das Todesurteil auf.
Aber nicht wie ein Richter, der über andere richtet, sondern als derjenige, der mit diesem
berühmten Wort jeden zum Richter über sich selbst macht.
Und genau das ist der richtige Weg.
„Beurteile Dich selbst!“ – Urteile über Dich als einer, der selbst Sünder ist.
Würdest Du Dich selbst zum Tode verurteilen?
Kennst Du eine Schuld, durch die Du Dich selbst zum Tode verurteilen würdest?
Ja, selbst wenn Du einen ermordet hättest, würdest Du Dich selbst zum Tode verurteilen?
Und selbst, wenn Du es tätest wie Judas es tat, der sich im Matthäusevangelium das
Leben nimmt, der sich selbst zum Tode verurteilte, so wissen wir: Das war und ist nicht
der Weg des Christen. Denn ein Christ hat die Gewissheit: Gott will, dass ich lebe, trotz
aller Schuld.
Unser Gott ist ein Anwalt des Lebens…, und zwar des Lebens, das immer schuldig wird.
Unser Gott ist kein Gott, der nur zum perfekten Menschen „JA“ sagt. Unser Gott ist der
Gott, der zum angeknacksten, zum gebrochenen und zerbrochenen Leben „JA“ sagt.
Es gibt nämlich keinen perfekten Menschen.
Unsere ganze Welt ist unvollkommen, ist immer im Werden, immer in der Entwicklung.
Andere zu verurteilen bedeutet immer auch: sich selbst zu verurteilen.
Als Jesus den Anklägern das deutlich macht, da lassen sie ihre Steine fallen.
Sie erkennen: Die Sünde gehört zum Leben dazu. Sie ist nicht „lebensfern“, sie ist
„lebensnah“. Das schreckliche ist, dass jeder Mensch mit dem Gedanken groß wird:
Sünde dürfe nicht zum Leben gehören.
Sünde müsse man ausrotten – vernichten.
Die meisten kommen nur soweit, dass sie sie geschickt unter den Teppich kehren…
Nein! Wir müssen mit der Sünde leben. Und zwar so, dass sie uns nicht dazu verführt,
dass wir sie zum höchsten Beurteilungskriterium eines Menschen machen, sondern sie
der Liebe Gottes unterordnen.
Sünde ist dazu da, die noch größere Liebe und Barmherzigkeit Gottes heraus zu
fordern…, die Vergebung, die Versöhnung.
Sünde ist die größte Herausforderung der Liebe.
Gottes Liebe scheitert nicht an der Sünde.
Und wie ist das bei uns?
Scheitert unsere Liebe an der Sünde der Menschen?
Haben wir eine Liebe, die nicht mehr vergeben kann?
Haben wir eine Liebe, die am Ende ist?
Eine Liebe, die endet, hat nie begonnen.
Was sind wir doch glücklich dran, dass Gottes Liebe zu uns Menschen niemals
endet. Amen.
Ferdinand Rauch als Pfarrer
www.katholische-kirche-poppenhausen.de