Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und
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Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. Der Generalsekretär Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. Konrad-Adenauer-Ufer 11 . RheinAtrium . 50668 Köln Konrad-Adenauer-Ufer 11 RheinAtrium 50668 Köln Telefon (0221) 650 65-151 Telefax (0221) 650 65-205 E-Mail [email protected] www.grur.org 1. Oktober 2013 Stellungnahme der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen, COM (2012) 788 final Die Deutsche Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. ist eine als gemeinnützig anerkannte wissenschaftliche Vereinigung sämtlicher auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts tätigen Mitglieder von Berufsgruppen und Organisationen. Es sind insbesondere Hochschullehrer, Richter, Beamte, Rechtsanwälte, Patentanwälte sowie Vertreter von Verbänden und Unternehmen. Die GRUR bezweckt nach ihrer Satzung die wissenschaftliche Fortbildung und den Ausbau des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts auf der Ebene des deutschen, europäischen und internationalen Rechts. Die GRUR nimmt nachfolgend Stellung zu dem Entwurf einer novellierten Richtlinie über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen („Richtlinienentwurf“): Mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission, der zwischenzeitlich durch einen Beschluss des Ministerrats vom 21. Juni 2013 modifiziert wurde, haben unionsweite Harmonisierungsmaßnahmen eine neue Qualität erlangt. Die erheblichen Beschränkungen der Hersteller beim Zuschnitt ihrer Produkte Die Zeichen GRUR und die grüne Farben sind eingetragene Marken der Vereinigung. 1 / 13 und der Gestaltung der Verpackung hindern die Benutzung gewerblicher Schutzrechte, insbesondere von Marken und Patenten. Ferner weitet der Vorschlag den aus wettbewerbsrechtlicher Sicht äußert fragwürdigen Ansatz aus, beschreibende Elemente auf Tabakverpackungen unabhängig von einer konkreten Irreführungsgefahr pauschal zu verbieten. I. Regelungsüberblick Der Vorschlag der Kommission knüpft an die Richtlinie 2001/37/EG an. Folgende Neuregelungen werden kritisch gewertet und bedürfen der Überarbeitung: Die Mitgliedsstaaten verbieten das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen mit einem charakteristischen Aroma, wie etwa Menthol (Art. 6 Abs. 1). Jede Packung und jede Außenverpackung von Rauchtabak tragen kombinierte gesundheitsbezogene Warnhinweise, die 75% (Ministerrat: 65%) des äußeren Bereichs sowohl der vorderen als auch der hinteren Verpackungsfläche einnehmen (Art. 9 Abs. 1 Buchst. c). Dies schließt einen grafischen Warnhinweis ein. Eine Zigarettenpackung muss quaderförmig sein. Eine Packung von Tabak zum Selbstdrehen muss die Form eines Beutels haben, d.h. einer rechteckigen Tasche mit einer Klappe, die die Öffnung bedeckt (Art. 13 Abs. 1). Eine Zigarettenpackung darf aus einem Karton oder einem weichen Material bestehen und keine Öffnung mit Ausnahme des Klappdeckels (Flip-Top-Deckel) haben, die sich nach dem ersten Öffnen wieder verschließen oder versiegeln lässt. Das Scharnier des Klappdeckels einer Zigarettenpackung muss sich an der Rückseite der Packung befinden (Art. 13 Abs. 2). Die Verpackung von Tabakerzeugnissen darf weder Elemente noch Merkmale aufweisen, die sich auf das Aroma, den Geschmack, eventuelle Aromastoffe oder sonstige Zusatzstoffe oder auf deren Fehlen beziehen (Art. 12 Abs. 1). Zigaretten mit einem Durchmesser von weniger als 7,5 mm gelten als irreführend im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Buchst. a) und sind damit verboten. Nikotinhaltige Erzeugnisse mit einem Nikotingehalt von mehr als 2 mg je Einheit oder einer Nikotinkonzentration von mehr als 4 mg/ml dürfen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie gemäß der Richtlinie 2001/83/EG zugelassen worden sind. Der Kommission werden weitreichende Befugnisse eingeräumt, delegierte Rechtsakte zu erlassen. II. Kompetenzielle Bedenken Die Kommission stützt ihren Entwurf auf Art. 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union („AEUV“), der zu Rechtsangleichungsmaßnahmen im Binnenmarkt ermächtigt (vgl. vierter Erwägungsgrund). Ob es sich dabei tatsächlich um eine Maßnahme zur Harmonisierung des Binnenmarktes mit Tabakerzeugnissen handelt, die die Voraussetzungen des Art. 114 AEUV erfüllt, ist zweifelhaft. Zwar stellt Art. 114 Abs. 1 AEUV tatbestandlich keine hohen Hürden auf. Insoweit genügt es, dass auf dem Markt für Tabakerzeugnisse zwischen den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten entweder Handelshemmnisse oder spürbare Wettbewerbsverzerrungen bestehen. Handelshemmnisse bestehen bereits dann, wenn künftig mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Abweichungen in den mitgliedsstaatlichen Rechtsvorschriften über Tabakerzeugnisse zu erwarten sind. Selbst diese Voraussetzungen erfüllt der 2 / 13 Richtlinienentwurf jedoch nicht. Soweit bislang nicht erfasste Sachbereiche, wie die Inhaltsstoffregulierung, harmonisiert werden, fehlt es an den erforderlichen Handelshemmnissen. Im Übrigen verfehlt der Entwurf den angegebenen Zweck des Art. 114 AEUV, weil die Bestimmungen den Freiverkehr von Tabakerzeugnissen weder fördern noch sicherstellen. Im Einzelnen: 1. Fehlende Harmonisierungslage Die Erwägungsgründe des jetzt vorliegenden Entwurfs gehen im 14. Erwägungsgrund davon aus, dass das Fehlen eines harmonisierten Ansatzes für die Regelung der Inhaltsstoffe das Funktionieren des Binnenmarktes und den freien Warenverkehr in der EU behindern würde. Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass einige Mitgliedsstaaten Rechtsvorschriften erlassen oder bindende Vereinbarungen mit der Industrie getroffen haben, um bestimmte Inhaltsstoffe zuzulassen oder zu verbieten. Dies führt dazu, dass bestimmte Inhaltsstoffe in einigen Mitgliedsstaaten geregelt sind, in anderen nicht. Ausgehend hiervon bestünde danach Harmonisierungsbedarf. Denn es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass der freie Warenverkehr im Bereich der Tabakerzeugnisse beeinträchtigt ist, wenn Tabakerzeugnisse in einigen Mitgliedsstaaten verkehrsfähig sind, in anderen jedoch nicht, und zwar aufgrund der in ihnen enthaltenen Inhalts- bzw. Zusatzstoffe. Ein derartiger Harmonisierungsbedarf besteht aber nicht bei Zusatzstoffen, die ein charakteristisches Aroma herbeiführen. Denn derartige Stoffe sind durchgängig erlaubt. Dies gilt insbesondere für Menthol als „klassisches“ Aroma, das dem Tabak zugesetzt wird und nach dem Änderungsvorschlag als Zusatzstoff auch verboten werden soll, sofern es ein von Tabak unterscheidbares Aroma oder einen von Tabak unterscheidbaren Geschmack erzeugen kann (Art. 2 Abs. 4 Richtlinienentwurf). Damit liegen aber die Voraussetzungen des Art. 114 Abs. 1 AEUV nicht vor; denn die geplanten Vorschriften bezüglich der Inhaltsstoffe haben nicht das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand, sondern stellen eigenständige Regelungen im Gesundheitsbereich dar. Zur Regelung der Inhaltsstoffe fehlt der Union also bereits deshalb die Kompetenz, weil es keine Handelshemmnisse gibt, die eine unionsweite Regelung beseitigen würde. 2. Verfehlung des Harmonisierungszwecks: Behinderung des Binnenmarktes Der Entwurf verfehlt überdies den vorgeblichen Harmonisierungszweck. Selbst wenn und soweit unionsweite Regelungen unterschiedliche nationale Bestimmungen beseitigen, reicht dies für eine Rechtsangleichung auf der Basis von Art. 114 Abs. 1 AEUV nicht aus. Die vorgesehenen Regelungen müssten nämlich im Einzelfall tatsächlich das Funktionieren des Binnenmarktes verbessern. Für die Anwendung des Art. 114 Abs. 1 AEUV wäre es also nicht ausreichend, dass auf nationaler Ebene Rechtsunterschiede bestehen, also eine lediglich abstrakte Gefahr für den freien Warenverkehr. Durch die Rechtsangleichung müsste ein Mehrwert für den Binnenmarkt entstehen.1 Ein solcher „Mehrwert“ liegt hier schon deshalb nicht vor, weil mit dem Richtlinienentwurf gerade keine abschließende Liste verbotener bzw. erlaubter Zusatzstoffe vorgelegt wird, sondern lediglich nur ein allgemeines Verbot, das keine konkreten Inhaltsstoffe bzw. Höchstmengen bezeichnet. Eine Harmonisierung erfordert, dass der Freiverkehr mit Erzeugnissen, die der Richtlinie entsprechen, tatsächlich gefördert wird. Hierzu bedarf es als Minimalerfordernis einer Freiverkehrsklausel, die sicherstellt, dass richtlinienkonforme Erzeugnisse innerhalb der Union verkehrsfähig sind.2 Diese Vorausset1 2 Vgl. EuGH, Rs. C-376/98 – Deutschland/Parlament und Rat, Slg.2000, I-8419 Rn. 84. EuGH, Rs. C-376/98, Deutschland/Parlament und Rat, Slg. 2000, I-8419, Rn. 104. 3 / 13 zungen erfüllt der Richtlinienentwurf in der gegenwärtigen Fassung nicht. Weder ist die Richtlinie insgesamt darauf gerichtet, den Binnenmarkt mit Tabakerzeugnissen sicherzustellen, noch hat sie zur Folge, dass Tabakerzeugnisse, die die Voraussetzungen der Richtlinie erfüllen, in der Union verkehrsfähig sind. Denn Art. 24 Abs. 2 lässt es ausdrücklich zu, dass Mitgliedsstaaten „aufgrund übergeordneter Erfordernisse im Zusammenhang mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit“ strengere nationale Vorschriften beibehalten oder erlassen. Zwar erlaubt Art. 114 Abs. 4-8 AEUV solche nationalen Alleingänge unter strengen prozeduralen Voraussetzungen. Diese werden jedoch durch Art. 24 Abs. 2 des Richtlinienentwurfs schlichtweg umgangen. Art. 24 Abs. 2 des Richtlinienentwurfes verpflichtet die Kommission nämlich lediglich zu prüfen, ob die angemeldeten strengeren nationalen Vorschriften verhältnismäßig sind. Damit gilt der Sache nach derselbe Prüfungsmaßstab, der anwendbar wäre, wenn überhaupt kein Harmonisierungsrechtsakt existierte und Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34, 36 AEUV zu beurteilen wären. Wie schon im Bereich der Inhaltsstoffe hätte die Richtlinie keine Harmonisierung zur Folge, die den Binnenmarkt tatsächlich fördert. Vielmehr schließt der Richtlinienentwurf Maßnahmen ein, die den Binnenmarkt entgegen Art. 34 AEUV gerade nicht gewährleisten, sondern behindern. Die einzelnen Maßnahmen, insbesondere die Vergrößerung der Warnhinweise auf 75% bzw. 65% der Verpackungsvorderseiten in Verbindung mit Schockbildern, die Vereinheitlichung der Verpackungsgröße und gestaltung sowie das weitgehende Verbot produktbeschreibender Angaben errichten Marktzutrittsschranken, weil weitgehend die Möglichkeiten einer wirksamen Produktdifferenzierung, insbesondere eines wirksamen Brandings, eliminiert würden. Bei den erheblich vergrößerten kombinierten Warnhinweisen in Schrift und Bild verbliebe Tabakherstellern kein ausreichender Raum auf der Packung, um Marken, Logos, Farben und sonstige kennzeichnungskräftige Elemente aufzudrucken und auf diese Weise dem Verbraucher die betriebliche Herkunft der Erzeugnisse anzuzeigen. Dabei hat der EuGH gerade wiederholt die zentrale Bedeutung von Marken als „wesentliches Element des unverfälschten Wettbewerbs“3 hervorgehoben. Ohne die Möglichkeit, Zigarettenpackungen durch Marken und andere, produktbeschreibende Elemente unterschiedlich und prägend zu gestalten, werden nationale Tabakmärkte abgeschottet. Gegenwärtige Marktstellungen werden zementiert und Neuzutritte anderer Hersteller und Marken behindert. In Fusionskontrollentscheidungen hat die Europäische Kommission daher folgerichtig anerkannt, dass Möglichkeiten wirksamen Brandings im hochregulierten Tabaksektor „most important factors for the ability to compete“4 seien, da Marken unter jenen Umständen der „key communicator with the final customer“5 seien. Dieser Erkenntnis zuwider stellt es die Kommission den Mitgliedsstaaten ausdrücklich anheim, weitergehende Regelungen wie etwa Einheitspackungen einzuführen (41. Erwägungsgrund). Weil die Richtlinie selbst kein solches Plain Packaging vorschreibt, geht die Kommission offenbar davon aus, dass sie insoweit jedenfalls keine negative Sperrwirkung entfalte, so dass die Mitgliedsstaaten Einheitsverpackungen selbst einführen könnten. Dies verdeutlicht, dass die Richtlinie weder darauf abzielt, den Binnenmarkt mit Tabakerzeugnissen sicherzustellen, noch Vorkehrungen trifft, die geeignet wären, dieses Ziel zu erreichen. 3 4 5 EuGH, Rs. C-10/89, HAG, Rn. 13. Case COMP/M.4581, Imperial Tobacco/Altadis, Erwägungsgrund 68. Vgl. auch Case M.2779, Imperial tobacco/Reemtsma Cigarettenfabriken, Erwägungsgrund 57. Case COMP/M.4581, Imperial Tobacco/Altadis, Erwägungsgrund 68. 4 / 13 3. Ergebnis Auf Art. 114 AEUV kann die Kommission ihre geplanten Maßnahmen zur Änderung der Tabakproduktrichtlinie daher nicht stützen. III. Regulierung der Inhaltsstoffe 1. Beschreibung der Regelung Der Richtlinienentwurf enthält in Art. 6 unter der Überschrift „Regelung der Inhaltsstoffe“ lediglich rudimentäre Regeln über die Verwendung von Zusatzstoffen. Diese sind in Art. 2 Abs. 2 definiert als Stoffe, die in einem Tabakerzeugnis, in dessen Packung oder in dessen Außenverpackung enthalten sind, mit Ausnahme von Tabakblättern und anderen natürlichen oder unverarbeiteten Teilen von Tabakpflanzen. Inhaltsstoffe umfassen hingegen nach der Definition des Art. 2 Abs. 18 außer Zusatzstoffen auch den Tabak selbst sowie jede in einem endgültigen Tabakerzeugnis vorhandenen Stoffe, einschließlich Papier, Filter, Druckerschwärze, Kapseln und Kleber. Eine Regelung der Inhaltsstoffe in dem Sinne, dass entweder eine Positivliste aufgestellt wird oder aber bestimmte Stoffe, die als gefährlich bzw. das Suchtpotential von Tabakerzeugnissen erhöhend verboten werden (Negativliste), enthält Art. 6 jedoch nicht. Stattdessen wird in Abs. 4 vorgesehen, dass die Mitgliedsstaaten bestimmte Zusatzstoffe in Tabakerzeugnissen verbieten sollen, nämlich a) Vitamine und sonstige Zusatzstoffe, die den Eindruck erwecken, dass ein Tabakerzeugnis einen gesundheitlichen Nutzen hätte oder geringere Gesundheitsgefahren berge; b) Koffein und Taurin sowie andere Zusatzstoffe und stimulierende Mischungen, die mit Energie und Vitalität assoziiert werden; c) Zusatzstoffe, die färbende Eigenschaften für Immissionen haben. Auch sollen gemäß Abs. 5 die Mitgliedsstaaten die Verwendung von Aromastoffen in den Bestandteilen von Tabakerzeugnissen, etwa in Filtern, Papieren, Packungen, Kapseln und Klebern verbieten sowie die Verwendung sonstiger technischer Merkmale, mit denen sich das Aroma oder die Rauchintensität verändern lassen. Auch dürfen Filter und Kapseln keinen Tabak enthalten. Schließlich aber sollen die Mitgliedsstaaten das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen mit einem charakteristischen Aroma verbieten. Dieses ist definiert in Art. 2 Abs. 4 als ein von Tabak unterscheidbares Aroma oder ein von Tabak unterscheidbarer Geschmack, das bzw. der durch einen Zusatzstoff oder eine Kombination von Zusatzstoffen erzeugt wird, u.a. Früchte, Gewürze, Kräuter, Alkohol, Bonbon, Menthol oder Vanille – und das bzw. der vor oder bei der bestimmungemäßen Verwendung von Tabakerzeugnissen wahrnehmbar ist. Die bisherige Tabakproduktrichtlinie sieht in Art. 12 eine gemeinsame Liste zugelassener Inhaltsstoffe vor. Dabei ist der Begriff „Inhaltsstoff“ in der bisherigen Tabakproduktrichtlinie anders definiert; er stimmt im Wesentlichen mit dem Begriff des Zusatzstoffes nach dem Richtlinienentwurf überein. In Art. 12 der bisherigen Richtlinie ist allerdings vorgesehen, dass eine gemeinsame Liste der für Tabakerzeugnisse zugelassenen Inhaltsstoffe vorzulegen ist unter Berücksichtigung u.a. des Suchtpotentials dieser Stoffe. 2. Keine Gründe des Gesundheitsschutzes Abgesehen davon, dass der EU die Kompetenz für Regelungen des Gesundheitsschutzes als solches fehlt, können die genannten Regelungen der Inhaltsstoffe auch nicht einen „indirekten“ Harmonisie- 5 / 13 rungsbedarf begründen vor dem Hintergrund, dass die Mitgliedsstaaten selbst jederzeit aus Gründen des Gesundheitsschutzes die Verwendung von Zusatzstoffen in Tabakerzeugnissen einschränken könnten. Die Beschränkung des Zusatzes von Aromastoffen wird nämlich weder mit der besonderen Gefährlichkeit dieser Stoffe noch mit deren suchterhöhenden Potential begründet. Ob es ausreichende Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Stoffe selbst gefährlich sind und ob insoweit belastbare Studien dafür existieren, dass sie ein suchterhöhendes Potential haben, ist durchaus umstritten.6 Ein Beispiel hierfür ist die Diskussion betreffend Menthol. Dazu heißt es im 15. Erwägungsgrund, dass nähere Studien zeigen würden, dass mit Menthol versetzte Tabakerzeugnisse das Inhalieren erleichtern können und dass sie es möglicherweise auch jüngeren Menschen leichter machen, mit dem Rauchen anzufangen. Die Studien und Berichte, auf die sich die Kommission bezieht, enthalten jedoch keinerlei Angaben zum Anteil junger Menschen unter den Rauchern von Zigaretten bzw. Tabakerzeugnissen, die Menthol enthalten. In der jüngsten Eurobarometer-Umfrage der EU-Kommission finden sich vielmehr Hinweise darauf, dass die Annahme, Mentholzigaretten würden es jungen Menschen leichter machen, mit dem Rauchen anzufangen, nicht zutrifft: Danach haben nur 3% der befragten Raucher angegeben, aufgrund des Geschmacks von Mentholzigaretten mit dem Rauchen begonnen zu haben.7 Erst recht gibt es keine Untersuchungen zur Förderung des Konsums von Tabakerzeugnissen aufgrund anderer Stoffe, die ein „charakteristisches Aroma“ i.S.d. Richtlinienentwurfs hervorrufen. 3. Keine Verpflichtung aufgrund des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs Eine Verpflichtung zur Einführung eines Verbotes von Stoffen mit einem charakteristischen Aroma oder sonstigen Zusatzstoffen, die weder gesundheitsschädlich sind noch das Suchtpotenzial von Tabakerzeugnissen erhöhen, ergibt sich auch nicht aus dem WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (Framework Convention on Tobacco Control, „FCTC“), das in der Begründung zum Richtlinienentwurf unter 1.) erwähnt wird. Art. 9 FCTC enthält lediglich eine Verpflichtung der Unterzeichner dieses Rahmenabkommens, Richtlinien für die Untersuchung und Messung der Inhaltsstoffe und der Emissionen von Tabakprodukten vorzuschlagen und später entsprechende Maßnahmen zu erlassen. Eine Verpflichtung zur Regelung von Inhaltsstoffen, die insbesondere den Geschmack von Tabakerzeugnissen betreffen, lässt sich daraus nicht ableiten. Zwar ist in den zu Art. 9 verabschiedeten partiellen Leitlinien auch davon die Rede, dass Tabakerzeugnisse üblicherweise so hergestellt seien, dass sie attraktiv sind, um zu ihrem Gebrauch zu ermutigen, und dass es aus der Sicht der öffentlichen Gesundheit keine Rechtfertigung gebe, den Einsatz von Inhaltsstoffen, wie z.B. Aromastoffen zu gestatten, die dazu beitragen, Tabakerzeugnisse attraktiv zu machen. Abgesehen davon, dass die Leitlinien nicht verbindlich sind und schon deshalb keine Verpflichtung der EU auslösen können, angeblich attraktive Inhaltsstoffe zu regeln, eignet sich das auch in den 6 7 Brooks/Palmer/Strom/Rosenberg, Menthol Cigarettes and Risk of Lung Cancer, American Journal of Epidemiology, February 2012, 1, 2; Muscat/Chen/Knipe/Stellmann/Lazarus/Riechie, Effects of Menthol on Tobacco Smoke Exposure, Nicotine Dependence and NNAL-Glocuronidation, Cancer Epidemiology, Biomarkers and Prevention, 2009, 35, 39; Gaworski/Dozier/Gerhart/Rajendran/Brenneke/Arany/Heck, 13-Week Inhalation Toxicity Study of Menthol Cigarette smoke, in Food and Chemical Toxicity 1997, 683; Giovino/Sidney/Gfroerer/O´Malley/Allen/Richter/Cunnings, Epidemiology of menthol cigarette use, Nicotine & Tobacco Research 2004, 67, 69. Europäische Kommission: Special Eurobarometer 385 „Attitude of European towards Tobacco“, Brüssel Mai 2012, S. 70. 6 / 13 Erwägungsgründen 12 und 38 erwähnte Kriterium der Attraktivität nicht zur Begründung für eine Regelung von Tabakzusatzstoffen, die wissenschaftlich fundiert ist. In dem von SCENIHR (Scientific Commitee on Emerging and Newly Identified Health Risks) erarbeiteten Bericht “Addictiveness and Attractiveness of Tobacco Additives” wird festgehalten, dass es keine validierten Methoden und auch keine gesicherten Daten zur Messung oder Bewertung der Attraktivität von Zusatzstoffen in Tabakerzeugnissen gibt.8 Unabhängig davon ist es, wie oben b) ausgeführt, wissenschaftlich durchaus umstritten, ob bestimmte Geruchs- bzw. Geschmacksstoffe, die nicht dem Tabak als solchem eigen sind, zu einer Erhöhung der Attraktivität von Tabakerzeugnissen führen. Soweit allerdings derartige Stoffe derzeit dazu verwendet werden, eine gleichbleibende Qualität und einen gleichen, markenspezifischen Geschmack eines Tabakerzeugnisses zu gewährleisten, würde eine Beschränkung ihrer Verwendung zu einer Rezepturgesetzgebung führen, die durch keine objektiven Gründe gerechtfertigt ist. Aus diesem Grunde besteht auch für ein Verbot der Verwendung von Aromastoffen in sonstigen Bestandteilen von Tabakerzeugnissen (Papier, Filter, etc.) keine Rechtfertigung. 4. Mangelnde Qualität der Regelung Die Definition des Begriffs charakteristisches Aroma in Art. 2 Abs. 4 des Richtlinienentwurfs ist bei näherem Hinsehen nicht geeignet zu bestimmen, welche Zusatzstoffe von den Mitgliedsstaaten nicht verboten werden dürfen. Denn was ein von Tabak unterscheidbares Aroma ist, lässt sich nicht einfach bestimmen. Viele traditionell hergestellte Tabake erhalten Aromazusätze wie z.B. Zucker oder Kakao, die man in Vergleichstests zwar herausschmecken könnte, dem Tabak jedoch keinen anderen Geschmack als Tabakgeschmack verleihen. Diese Schwierigkeit sieht auch die Kommission in Art. 6 Abs. 2 des Richtlinienentwurfs. Diese Situation führt insgesamt dazu, dass die Regelung in ihrem bisherigen Ansatz genau das Gegenteil von dem bringt, was eine EU-einheitliche Harmonisierung bewirken soll, nämlich ein einheitliches und in allen Mitgliedsstaaten gleich anwendbares Recht. IV. Vergrößerung der Warnhinweise Die Kommission will in Art. 9 Abs. 1 Buchst. c) nicht lediglich die Warnhinweise auf 75% der Verpackungsvorder- und -rückseite erweitern, sondern die bisherigen Texthinweise um ein Schockbildelement ergänzen. Werbetechnisch gesehen setzt der Vorschlag auf eine alarmierende, angstsetzende Aktivierung. Gesetzestechnisch steht eine solche extrem auf Emotionalisierung setzende Verbraucheransprache in einem deutlichen Widerspruch zu dem in Rechtsprechung und Gesetzgebung vorherrschenden europäischen Verbraucherleitbild, das auf einen rational denkenden und entscheidenden mündigen Wirtschaftsbürger abstellt. Außerdem kontrastiert diese geplante Endverbraucherkommunikation mit einem in anderen Bereichen der Gesundheitswerbung geltenden Verbot einer Öffentlichkeitswerbung in abstoßender Weise (s. Art. 90 lit. k) Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel). Eine solche Regelung erscheint auch mit Blick auf bestehende Markenrechte bedenklich. Der EuGH hat die Bedeutung von Marken für einen funktionierenden Wettbewerb innerhalb der Union mehrfach herausgestellt. Darüber hinaus ist das Geistige Eigentum heute ausdrücklich im Rahmen des Eigentums8 SCENIHR (Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks), Addictiveness and Attractiveness of Tobacco additives, 2010, S. 85. 7 / 13 grundrechts in Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte („GRCh“) geschützt. Jede Einschränkung der Markenrechte muss daher gemäß Art. 52 Abs. 1 GRCh den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren und den Wesensgehalt des Eigentumsrechts an Marken achten. 1. Auswirkungen auf das Markenrecht Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfen Warnhinweise nur in einem Verhältnis zur Packungsgröße vorgeschrieben werden, „das den Herstellern dieser Erzeugnisse noch genügend Raum lässt, um dort andere Angaben, insbesondere bezüglich ihrer Marken, anzubringen“.9 Auch das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1997 mit Blick auf wesentlich kleinere Warnhinweise entschieden, dass der „unterschiedliche und prägende Gesamteindruck der verschiedenen Verpackungsgestaltungen trotz der Warnhinweise“ erhalten bleiben muss. 10 Dass der Richtlinienentwurf diese Grenzen noch wahrt, erscheint zweifelhaft. Die für den Aufdruck von Hersteller-Logos, Marken und Produktinformationen zur Verfügung stehende Verpackungsfläche auf den Schauseiten wird auf ca. 20% reduziert, wenn die vorgeschriebenen Steuermarken, die Markierungen für die Rückverfolgbarkeit und die Sicherheitsmerkmale mit eingerechnet werden. Überdies stehen großflächig dimensionierte Schockbilder, verbunden mit einem Textwarnhinweis, einer prägenden Wirkung von Marken auf den Gesamteindruck der Produktverpackung entgegen. Die Vergrößerung und Erweiterung der Warnhinweise um ein Bildelement zielen gerade darauf ab, die prägende Wirkung von Marken zu beeinträchtigen. Dies gilt grundsätzlich für alle Marken, in besonderem Maße jedoch für Wort-/Bildmarken, Bildmarken, Positionsmarken, etc., bei denen eine funktionsgerechte und damit rechtserhaltende Benutzung nicht mehr gewährleistet wäre. So entschied beispielsweise das Hanseatische Oberlandesgericht im Jahr 1984, dass die funktionsgerechte Benutzung einer Marke für Tabakerzeugnisse nicht mehr vorliegt, „wenn das Zeichen so unauffällig angebracht wird, dass es vom Verkehr als betriebliche Herkunftskennzeichnung nicht wahrgenommen wird.“11 Ähnlich stellte das Bundespatentgericht im Jahr 1976 fest, dass ein sehr kleinflächiger Aufdruck einer Marke für Tabakerzeugnisse nicht mehr rechtserhaltend ist, wenn und weil der Verkehr die jeweilige Marke dann übersehen würde.12 2. Fehlende grundrechtliche Sensibilität der Kommission Trotz dieser offensichtlichen grundrechtlichen Relevanz der vorgeschlagenen Maßnahmen findet in der amtlichen Begründung des Richtlinienentwurfs eine rechtsgutsbezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht statt. Eine Abwägung widerstreitender Rechte der Tabakhersteller und der Verbraucher einerseits mit den von der Regelung verfolgten Gemeinwohlbelangen unterbleibt durchweg. In der amtlichen Begründung des Richtlinienentwurfs stellt die Kommission lapidar fest: „Die den Herstellern, Importeuren und Vertreibern von Tabakerzeugnissen auferlegten Verpflichtungen sind erforderlich, um das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern und um zugleich ein hohes Gesundheits- und Verbraucherschutzniveau sicherzustellen …“. Jegliche differenzierte Auseinandersetzung mit den Grundrechtseingriffen fehlt. Der EuGH hat jüngst wiederholt entschieden, dass bei Maßnahmen mit Grundrechtsbezug ein strengerer Prüfungsmaßstab zu wählen sei. Der Gerichtshof fordert von den Unionsorganen heute eine „ausgewogene Gewichtung der verschiedenen beteiligten Interessen“ – und dies „vor dem Erlass“ 9 10 11 12 EuGH, Rs. C-491/01, British American Tobacco (Investments) and Imperial Tobacco, Slg. 2002, I-11453, Rn. 132. BVerfG NJW 1997, 2871 – Warnhinweise. Hans. OLG GRUR 1984, 449, 451 – King II. BPatG, Beschluss vom 19. Oktober 1976, 26 W (pat) 180/76 – Flip-Top-Box; vgl. auch BPatG GRUR 1983, 509 – Guy. 8 / 13 von Rechtsakten.13 Grundrechtseingriffe müssen sich auf das „absolut notwendige“ beschränken, darüber hinaus muss „zwischen den Erfordernissen des allgemeinen Interesses und dem Interesse des oder der betroffenen Einzelnen das Gleichgewicht gewahrt worden“ sein.14 Diesen Anforderungen genügt der jetzt vorgelegte Richtlinienentwurf nicht. Auch im Folgenabschätzungsbericht diskutiert die Kommission nicht das mildere Mittel, die Warnhinweise in ihrer gegenwärtigen Größe und Aufmachung zu belassen. Der Berater „RAND Europe“, der im Auftrag der Kommission unterschiedliche Optionen für eine Novellierung der Tabakproduktrichtlinie untersucht hatte, erwog diese Option hingegen noch und konnte keinen Unterschied in der Wirksamkeit von 50%-Warnhinweisen gegenüber erweiterten 75%-Warnhinweisen erkennen. 15 Die Kommission schlussfolgert hingegen schlicht, dass es keine weniger einschneidende Alternative zu den vergrößerten Warnhinweisen gäbe.16 Dies genügt nicht den Anforderungen an eine grundrechtlich gebotene Abwägung im Rahmen der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. 3. Schockbilder als potenzielle Meinungsäußerung? Weil die Zigarettenpackungen künftig nicht von Marken, sondern von kombinierten Warnhinweisen geprägt sein werden, stellt sich ferner die Frage, ob damit die negative Meinungsfreiheit der Hersteller verletzt wird. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1997 zu erheblich kleineren Texthinweisen entschieden, dass Verbraucher in den Warnhinweisen verpflichtende Informationen von dritter Stelle sehen und die Warnungen nicht den Tabakherstellern selbst zuschreiben würden. Allerdings waren die Warnhinweise zu jener Zeit erheblich kleiner als die heute in Rede stehenden kombinierten Warnhinweise und wurden ferner durch den orientierenden Hinweis „Die EG-Gesundheitsminister“ eingeleitet. Ob dies auch für 75%- bzw. 65%-Warnhinweise gilt, die die Packung mit kennzeichnungskräftigen Schockbildern dominieren, erscheint äußerst fraglich. V. Verpackungsgestaltung Die Kommission schlägt in Art. 13 des Richtlinienentwurfes eine Regelung vor, die bestimmt, dass Zigarettenpackungen quaderförmig sein müssen, aus Karton oder aus einem weichen Material bestehen müssen und keine Öffnung mit Ausnahme eines Klappdeckels (Flip-Top-Deckels) haben dürfen. Diese Regelung sollte ersatzlos gestrichen werden. Denn mit ihr würden gewerbliche Schutzrechte, vor allem Patente und Gebrauchsmuster, die Erfindungen im Bereich der Verpackung von Zigaretten betreffen, obsolet. Sie dürften nicht mehr benutzt werden. Die Wirkung des Patentes ist jedoch gerade, dass der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen (§ 9 Satz 1 PatG). Ein solches Benutzungsrecht des Schutzrechtsinhabers, das von Art. 17 Abs. 2 GRCh umfasst ist, würde durch das Verbot einer innovativen Verpackungsgestaltung vereitelt und das Schutzrecht damit wertlos. Ein solches Verbot erscheint deshalb als unverhältnismäßig, weil die Kommission nichts dafür vorträgt, weshalb andere Verpackungsformen, etwa mit abgerundete Kanten, mit anderen Deckeln oder innovativen Verschlussarten, dazu geeignet sein sollten, Verbraucher dazu zu bringen, mit dem Rauchen anzufangen. 13 14 15 16 EuGH, Verbundene Rs. C-92/09 u. C-93/09, Schecke und Eifet /Land Hessen, EuZW 2010, 939, Rn. 79. EuGH, Rs. C-402/05 P, Kadi, Slg. 2008, I-6351, Rn. 360. RAND Europe, Assessing the Impacts of Revising the Tobacco Products Directive, Study to suppport a DG SANCO Impact Assessment, Final Report, September 2012. Folgenabschätzungsbericht, S. 97. 9 / 13 Die Auswahl einer bestimmten Verpackungsform in Art. 13 erscheint damit in der Sache als willkürlich. Sie vermag eine de facto-Enteignung von Inhabern innovativer Verpackungspatente nicht zu rechtfertigen. VI. Verbot produktbeschreibender Angaben In Art. 12 des Richtlinienentwurfes will die Kommission produktbeschreibende Angaben auf der Verpackung verbieten, einschließlich solcher Elemente, die sich auf das Aroma, den Geschmack, eventuelle Aromastoffe oder sonstige Zusatzstoffe oder auf deren Fehlen beziehen (Art. 12 Abs. 1 Buchst. c). Weiterhin „gelten“ Zigaretten mit einem Durchmesser von weniger als 7,5 mm als irreführend und sind daher als irreführende Angabe gemäß Art. 12 Abs. 1 Buchst. a) untersagt. Mit diesen Bestimmungen ergänzt die Kommission die in Art. 7 der bestehenden Tabakproduktrichtlinie enthaltene Regelung. Diese untersagt die Benutzung von Namen, Marken oder sonstigen Angaben, die den Eindruck erwecken, dass ein bestimmtes Tabakerzeugnis weniger schädlich als andere sei, auf der Verpackung von Tabakerzeugnissen. Diese im Grundsatz sachgerechte Regelung beruhte auf Erfahrungen mit beschreibenden Angaben wie „light“ oder „mild“, die sich zwar zutreffend auf den Nikotinund/oder Teergehalt bezogen, dem Verbraucher dabei aber unter Umständen den Eindruck vermitteln konnten, der Genuss der betreffenden Zigaretten sei weniger schädlich als das Rauchen sogenannter Full-Flavour-Produkte. Dieser Eindruck war unzutreffend, weil eine Verringerung des Nikotingehaltes keinen Beitrag zur Herstellung „weniger schädlicher“ Tabakprodukte leistet. Vielmehr stehen die zahlreichen anderen Rauchinhaltsstoffe, die bei Light-Zigaretten jedoch weder in der Zahl noch in der Konzentration gegenüber herkömmlichen Zigaretten vermindert waren, im Verdacht, Gesundheitsschäden zu verursachen. Die nunmehr geplante Regelung greift aber wesentlich weiter und überdehnt dabei das Konzept des abstrakten Irreführungsschutzes, weil sie auch nicht irreführende Auslobungen verbietet. Es ist weder ersichtlich noch von der Kommission in irgendeiner Weise vorgetragen, dass Angaben etwa über das Fehlen von Zusatzstoffen (z.B. „additive free“) geeignet wären, Verbraucher über die Gefahren des Rauchens der betreffenden Produkte in die Irre zu führen. So wären beispielsweise auch beschreibende Angaben wie „würzig“ verboten, obwohl nicht erkennbar ist, in welcher Weise sich eine solche Angabe auf die Aufnahme des Rauchens bei Verbrauchern auswirken sollte. Besonders fragwürdig sind Fiktionen wie in Art. 12 Abs. 2: Hiernach „gelten“ Zigaretten mit einem Durchmesser von weniger als 7,5 mm als irreführend, ohne dass Anhaltspunkte dafür bestünden, weshalb eine Zigarette mit einem Durchmesser von 7 mm einen positiven Effekt auf die Aufnahme des Rauchens bei Verbrauchern haben sollte. Die Kommission argumentiert grundsätzlich und durchweg mit dem Begründungselement der „Attraktivität“ von Tabakerzeugnissen, die mit geeigneten Regelungen vermindert werden soll. Eine solche Argumentation macht indes die konkrete Darlegung nicht entbehrlich, in welcher Weise die getroffenen Regelungen eine Irreführung des Verbrauchers ausschließen sollen. Der Ministerrat hat dem entsprechend zwischenzeitlich für eine Herausnahme des Verbots derartiger Slim-Zigaretten aus dem Richtlinienentwurf gestimmt. Im Hinblick auf die durch Art. 11 Abs. 1 GRCh geschützte Meinungsfreiheit ist zu bedenken, dass Verbote bestimmter Angaben oder Werbemaßnahmen auf der Grundlage lediglich abstrakter Erwägungen des Verbraucherschutzes keinen Bestand haben können. Vielmehr bedarf es einer konkreten Gefahr für das geschützte Rechtsgut als Rechtfertigung für den Grundrechtseingriff. Dieses Erfordernis ist der Sache nach das Ergebnis einer rechtsgutsbezogenen Abwägung. 10 / 13 Dieses Erfordernis müsste auch die Kommission beachten, auch wenn das Schutzgut von Art. 12 des Richtlinienentwurfes weniger die Integrität des Leistungswettbewerbes, als der gesundheitsbezogene Verbraucherschutz ist. Als informationssteuernde Maßnahme kann Art. 12 nur darauf abzielen, eine Irreführung des Verbrauchers über gesundheitsbezogene Eigenschaften des Produktes auszuschließen. Will der Gesetzgeber aber einer solchen Irreführungsgefahr begegnen, dann muss er die Regelung so ausgestalten, dass sie nicht unterschiedslos sowohl irreführende und nicht irreführende Produktauslobungen erfasst. Mit Blick auf die Gewährleistung des Geistigen Eigentums in Art. 17 Abs. 2 GRCh ist Art. 12 des Entwurfes daher grundrechtskonform tatbestandlich einzuschränken, so dass nicht irreführende Angaben und nicht irreführende Produktformen, wie beispielsweise Zigaretten mit einem Durchmesser von weniger als 7,5 mm, vom Anwendungsbereich ausgenommen würden. VII. Einstufung nikotinhaltiger Produkte als Arzneimittel Der Vorschlag, nikotinhaltige Produkte bei einem Nikotingehalt von mehr als 2 mg oder einer Nikotinkonzentration von mehr als 4 mg pro ml als Arzneimittel einzustufen, widerspricht der Systematik des Europäischen Arzneimittelbegriffs, missachtet das Gebot der Kohärenz17 und bringt ohne Grund erhebliche Rechtsunsicherheit in seine ohnehin sehr schwierige Abgrenzung. Häufig sind derartige nikotinhaltige Produkte nicht zu therapeutischen Zwecken bestimmt und werden vom Konsumenten auch nicht zu diesem Zweck eingesetzt. Ob ein Stoff, der Körperfunktionen auf metabolischem Wege beeinflussen kann, auch dann als Funktionsarzneimittel zu behandeln ist, wenn er nach dem üblichen Gebrauch keine therapeutischen Ziele verfolgt, ist zweifelhaft. Im Zusammenhang mit den sogenannten Legal Highs (Designerdrogen) legte der BGH diese Frage jüngst dem EuGH zur Entscheidung vor. Der Vorschlag der Kommission nimmt diese Entscheidung für nikotinhaltige Produkte vorweg. Völlig unklar und in ihren Folgen noch gar nicht bedacht, sind dabei die Auswirkungen auf andere Produktgruppen, wie etwa die Legal Highs. Hält man eine Regulierung der nikotinhaltigen Produkte für richtig, so muss diese mit einem nachvollziehbaren und aus dem Gesundheitsschutz heraus wissenschaftlich begründeten Grenzwert versehen werden. Der Vorschlag der Kommission für Produkte unterhalb der Grenze zum Arzneimittel orientiert sich an Nikotinwerten bei Produkten zur Raucherentwöhnung. Damit werden Werte übernommen, die bei einem Arzneimittel mit therapeutischer Bestimmung festgestellt werden. Diese Raucherentwöhnungsmittel dienten dazu, Entzugserscheinungen beim Verzicht auf Zigaretten vorzubeugen. Der Wert, bei denen eine therapeutische Wirkung dieser Mittel eintritt, hat mit wissenschaftlich begründbaren Grenzwerten für ein Verbot nikotinhaltiger Produkte außerhalb der Arzneimittel nichts zu tun. Ein solches Verbot ist aber Folge der vorgeschlagenen Regelung, weil eine Zulassung als Arzneimittel für die heute gebräuchlichen Nikotinprodukte schon deshalb ausscheidet, weil sie auf keinen therapeutischen Nutzen abzielen. Damit führt der Vorschlag zu einem Verkehrsverbot für Produkte wie E-Zigaretten, sofern sie den Grenzwert überschreiten. Einen solchen Grenzwert gibt es auch bei herkömmlichen Zigaretten. Er wird dort aber eigenständig durch Gründe des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt. Eine sinnvolle und an Gleichbehandlung orientierte Regulierung für nikotinhaltige Produkte müsste sich deshalb an den Höchstwerten für andere Tabakprodukte orientieren, wobei die unterschiedlichen Gebrauchsgewohnheiten und Aufnahmeformen des Nikotins zu berücksichtigen sind. Dagegen ist die vorgeschlagene Übertragung der bei Präsentati17 Vgl. Ziffer 6. der Gemeinsamen Leitlinien für die redaktionelle Qualität der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften (1999/C 73/01), ABl. Nr. C 73 vom 17. März 1999, S. 1. 11 / 13 onsarzneimitteln festgestellten Werte auf Funktionsarzneimittel nicht möglich. Sie überträgt Werte, die als Mittel für die Behandlung von Entzugserscheinungen eher an der Untergrenze der durch Zigaretten verursachten Aufnahme liegen werden, und bestimmt sie als Höchstgrenze für eine neue Produktgruppe. Damit werden sachwidrige Kriterien für die Bestimmung des Grenzwerts herangezogen. Zu erheblichen Problemen führt auch die Ermächtigung an die Kommission, die Grenzwerte auf der Grundlage wissenschaftlicher Entwicklungen und erteilter Arzneimittelzulassungen neu zu bestimmen. Damit kann die Zulassung eines Präsentationsarzneimittels mit sehr geringem Nikotingehalt die Grenzwerte verschieben. Bis dahin verkehrsfähige Produkte würden dann zu nicht zugelassenen und angesichts ihrer Zweckbestimmung gar zu nicht zulassungsfähigen Arzneimitteln umqualifiziert. Dabei würde dieser Wechsel nicht aus Gründen des Gesundheitsschutzes zu rechtfertigen sein, sondern allein darauf beruhen, dass für ein völlig anders geartetes Produkt die Zulassung als Arzneimittel erteilt wurde. Zu Schwierigkeiten kann auch die Definition der nikotinhaltigen Erzeugnisse in Art. 2 Abs. 22 des Richtlinienentwurfes führen. Darin werden die nikotinhaltigen Erzeugnisse als Erzeugnisse beschrieben, denen Nikotin im Herstellungsprozess oder später durch den Verbraucher zugesetzt wird. Damit wären Produkte, die aus der Verarbeitung und Konzentration von Stoffen mit natürlichem Nikotin hergestellt werden, nicht erfasst. Der Entwurf führt deshalb auch insoweit zu einer sachlich kaum zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung unterschiedlicher Produkte mit vergleichbarem Nikotingehalt. VIII. Delegierte Rechtsakte Der Richtlinienentwurf sieht in einer Vielzahl von Normen die Befugnis der Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte nach Art. 290 AEUV vor18 und erweitert damit die bisherige Rechtssetzungskompetenz der Kommission in der gegenwärtigen Fassung der Tabakproduktrichtlinie in erheblichem Maß. Dem liegt nach Erwägungsgrund 38 der Gedanke zu Grunde, dass der Richtlinienentwurf nur auf diese Weise „vollständig operationell wird und damit technischen, wissenschaftlichen und internationalen Entwicklungen Rechnung getragen werden kann“. Es ist zu bezweifeln, dass die im Richtlinienentwurf vorgesehene weitreichende Rechtssetzungskompetenz mit Art. 290 AEUV in Einklang steht. Nach dieser Norm dürfen nur solche Befugnisse auf die Kommission übertragen werden, die eine Ergänzung oder Änderung nicht wesentlicher Vorschriften des jeweiligen Gesetzgebungsaktes betreffen (Art. 290 Abs. 1 UAbs. 1 AEUV). Demgegenüber sind die „wesentlichen Aspekte eines Bereichs dem Gesetzgebungsakt vorbehalten und eine Befugnisübertragung ist für sie deshalb ausgeschlossen“ (Art. 290 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 AEUV). Die Frage der Wesentlichkeit ist vom EuGH unter Geltung des EGV eher großzügig zugunsten der Befugnisse der Kommission ausgelegt worden. Auch eine Übertragung solcher Befugnisse war zulässig, die funktional gerechtfertigt waren, weil die Kommission am besten für die Umsetzung der Ziele der Gemeinschaft geeignet war.19 Diese Rechtsprechungslinie kann aber auf der Basis des AEUV nicht mehr aufrechterhalten werden. Zum einen sollte mit dem Vertrag von Lissabon die demokratische Legitimität der Union erhöht werden20. Dem entspricht es, wenn der demokratisch legitimierte Gesetzgeber die wesentlichen Grundent18 19 20 Siehe insbesondere Art. 3 Abs. 2 und 3, Art. 6 Abs. 3, 9 und 10, Art. 8 Abs. 4, 9 Abs. 3, Art. 10 Abs. 5; Art. 13 Abs. 3 und 4 des Richtlinienentwurfs. Vgl. EuGH, Rs. C-240/90 – Deutschland/Kommission, Slg. 1992, I-5383, Rn. 36 f. und. Rn. 40; EuGH Rs. C-356/97 – Molkereigenossenschaft Wiedergeltingen, Slg. 2000, I-5461, Rn. 21 ff. Vgl. Präambel zum Vertrag von Lissabon. 12 / 13 scheidungen selbst trifft und der Kommission nur in Randbereichen einen Entscheidungsspielraum beim Erlass delegierter Rechtsakte belässt. Zum anderen ist die Verbindlichkeit der EU-Grundrechtecharta gemäß Art. 6 EUV zu berücksichtigen. Art. 52 Abs. 1 Satz 1 GRCh sieht vor, dass jede „Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten […] gesetzlich vorgesehen sein [muss]“. Dieser Gesetzesvorbehalt hat zur Folge, dass Grundrechtseingriffe im die Kommission ermächtigenden Rechtsakt selbst vorgesehen sein müssen und nicht erst in einem delegierten Rechtsakt.21 Damit sind an die in dem Richtlinienentwurf vorgesehenen Delegierungen strenge Anforderungen zu stellen. Der Grundrechtseingriff hat bereits im Basisrechtsakt selbst stattzufinden.22 Ein Verstoß hiergegen eröffnet die Nichtigkeitsklage vor dem EuGH gemäß Art. 263 AEUV. Aus alledem folgt, dass der Kommission praktisch nur eine Detaillierung und Konkretisierung der im Basisrechtsakt enthaltenen Regelungen vorbehalten werden darf, die insbesondere den Erlass technischer Detailregelungen oder präzisierende Ausfüllungen unbestimmter Rechtsbegriffe umfasst 23. Diesen Anforderungen werden die meisten Delegationsnormen nicht gerecht. Insbesondere die Befugnis in Art. 8 Abs. 4 Buchst. b) des Richtlinienentwurfs, der zufolge die Kommission „Platzierung, Format, Layout und Gestaltung der in diesem Artikel festgelegten gesundheitsbezogenen Warnhinweise zu bestimmen [hat], einschließlich der Schriftart und der Hintergrundfarbe“ sowie der Ermächtigung in Art. 9 Abs. 3 Buchst. c), der zufolge die Kommission befugt ist, delegierte Rechtsakte zu erlassen, „um Platzierung, Format, Layout, Gestaltung, Wechselfolge (Rotation) und Proportionen der gesundheitsbezogenen Warnhinweise festzulegen“, dürften als wesentliche Vorschriften im Sinne des Art. 290 Abs. 1 AEUV einzuordnen sein. Darüber hinaus ist die oben bereits angesprochene Entscheidung des EuGH zur Tabakproduktrichtlinie24 hervorzuheben, nach der den Herstellern noch genügend Raum für eigene Angaben, insbesondere Marke verbleiben müsse, da anderenfalls eine Verletzung des Wesensgehalts der Grundrechte der Tabakhersteller vorliege. Eine weitere Verschärfung der bereits existierenden Anforderungen an die Aufmachung von Tabakprodukten, könnte daher als grundrechtswidrig einzustufen sein, weshalb Eingriffe – soweit sie überhaupt zulässig sind – in einem so sensiblen Bereich durch den Basisrechtsakt selbst und nicht durch delegierte Rechtsakte erfolgen dürfen. Dr. Kunz-Hallstein Präsident 21 22 23 24 Prof. Dr. Loschelder Generalsekretär Vgl. Kingreen in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 52 EU-GRCharta, Rn. 62; Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2010, Art. 52 GRCh, Rn. 20a; Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 50. ErgLief. 2013, Art. 290 AEUV, Rn. 42; s.a. EuGH, Rs. C-355/10, Parlament/Rat und Kommission, EuGRZ 2012, 625, Rn. 77. Ehlers in Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, § 14, Rn. 67. Gellermann in Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 290 AEUV, Rn. 6. EuGH, Rs. C-491/01, British American Tobacco (Investments) and Imperial Tobacco, Slg. 2002, I-11453. 13 / 13