Städtetourismus – Touristenstädte - Nationalatlas
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Städtetourismus – Touristenstädte - Nationalatlas
Städtetourismus – Touristenstädte Peter Pez Alle Städte ziehen Besucher an. Die begriffliche Trennung zwischen einer touristischen und einer in der zentralörtlichen Bedeutung gründenden Reisemotivation ist deshalb problematisch. Wo liegt zum Beispiel die Grenze zwischen notwendigem Versorgungsverkehr und Einkaufstourismus? Sind Geschäftsreisen und Verwandten-/Bekanntenbesuche Teile des Städtetourismus? So schwierig wie eine Definition des Städtetourismus ist auch jene von Touristenstädten. Dabei erscheint diese Bezeichnung besonders sinnvoll für zwei Gruppen: Die erste besteht aus meist kleineren Städten in touristisch geprägten Regionen der Küsten und Gebirge. Sie konzentrieren Unterkunfts-, Versorgungs- und Freizeitangebote sowie – häufig im Übergang zu Kurstädten – auch eine medizinische Betreuung. Manchmal sind diese Orte erst durch die wirtschaftlichen Impulse des Tourismus zur Stadt im statistischen, rechtlichen und geographischen Sinne angewachsen. In jedem Falle ist ihre bauliche und funktionale Prägung durch den Fremdenverkehr am stärksten ausgeprägt. Die zweite Gruppe bilden kleine bis mittelgroße Städte mit überregional bedeutsamen Kulturangeboten und vor allem historisch wertvollem Baubestand Von Touristen belebter Marktplatz in Quedlinburg Westerland – vom Bauern- und Seefahrerdorf zum mondänen Bad 쐃 Quedlinburg UNESCO-Schutzgebiet und weitere Denkmalbereiche 1999 stra ße ä dt e r Do nn do Ägidiikirche Schreckensturm rf s ALTSTADT tr. An d. F QUEDLINBURG isc h teic he n Kl e NEUSTADT Ka i s W aß e We st - St ra ist unmittelbar verknüpft mit dem Badetourismus, der 1855 mit dem Aufstellen der ersten Badekarren begann und trotz einer zunächst noch beschwerlichen Anreise per Zug und Schiff einen raschen Aufschwung nahm. 1855 hatte Westerland erst 466 Einwohner – Bauern, Seefahrer und ihre Familien. Nach seinem Aufstieg zum wilhelminischen Badeort waren es fast dreimal so viele Einwohner und über 7000 Gäste. Weitere zwanzig Jahre später zählte man 2397 Bewohner und 23.887 Urlauber. Dank des Tourismus baute Westerland sukzessiv seine Versorgungseinrichtungen aus, erhielt 1905 das Stadtrecht und S tr a ß e Adler- und Ratsapotheke bed. Fachwerkhs. Hagensches Oeringer Str. B 6 Benediktik. Freihaus ße Rathaus Pulverturm Nikolaikirche Geburtshaus Haus Grünhagen D.C.Erxleben Blasiikirche ße ra Kruschitzkyturm MÜNZENFachwerkmuseum; st BERG Ständerbau Weißer Engel Gänsehirtenr turm st L.-Feininger-Galerie Haus mit Klopstockhs. Fachwerkurtina Jugendstil ipe Schlossmuseum he t Stiftskirche Ra SCHLOSS- St. Servatii Wipertikirche tto BERG Quedlinburg eg - S w traß e Am Sc h ble iffrz B ek Ha er touristische Intensität – Zahl der Gäste oder der Übernachtungen pro Einwohner; Messgröße für die touristische Prägung eines Ortes oder einer Region ße tra ss er W es te rh äu s e rst Mühlgr. B6 H a lb Westerland auf Sylt ist ein typischer Vertreter der ersten Gruppe von Touristenstädten. Seine Entwicklung zur Stadt Touristenstädte – Städte, die Reisende aus größeren (über den normalen zentralörtlichen Einzugsbereich hinausgehenden) Entfernungen anziehen. Anlass hierfür ist nicht immer die Attraktivität der Städte selbst, sondern vielfach auch der landschaftliche Reiz des Umlandes. Insofern gibt es keine einheitliche Form der baulichen Prägung. Während in Touristenstädten der Küsten und Gebirge Hotels, Kureinrichtungen, Restaurants/ Cafés etc. ortsbildprägend sind, verlieren sich diese in Mittel- und Großstädten zwischen anderen Zweckbauten. Dort sind deshalb eher die Touristenkonzentrationen im Bereich von Altstädten, Kultur- und Freizeiteinrichtungen ein Merkmal für die Prägung durch den Fremdenverkehr. Goe th str. e- B6 e traß Schillers BORNHOLZWEGSIEDLUNG wie großen, gut erhaltenen Altstadtvierteln oder Befestigungsanlagen. Im Gegensatz zu den Orten der ersten Gruppe, die ihre touristische Anziehungskraft aus der landschaftlichen Attraktivität der Region beziehen, schätzen Reisende an der zweiten Kategorie kulturelle Werte der Städte selbst. Während jedoch in den Küsten- und Gebirgsorten Aufenthalte von Urlaubern mit ein- bis mehrwöchigen Aufenthalten dominieren, überwiegen im stadtbezogenen Tourismus Kurzreisen und Ausflüge, so dass für diese Städte der Fremdenverkehr nicht das alleinige wirtschaftliche Standbein sein kann. Das gilt noch mehr für Großstädte. Auch sie ziehen mit Monumentalbauten (Kirchen, Rathäuser, Parlamentsgebäude etc.), periodischen oder episodischen Kulturveranstaltungen (Festspiele, Musicals, Ausstellungen u.a.) oder ihrem Freizeitangebot (Restaurants, Bäder, Theater, Museen, Kinos etc.) Reisende an. Zudem sind sie Hauptzielpunkte des Einkaufs- und Geschäftsreiseverkehrs. Dennoch ist ihre 쑺 touristische Intensität im Vergleich zu Städten der ersten beiden Gruppen eher gering ausgeprägt – der Tourismus ist für sie nur eine Branche unter vielen aus Industrie und Dienstleistung. er- od e O Denkmalbereich aus Jugendstilensembles industriehistorisch bedeutsamer Denkmalbereich 100 Gründerzeit und Moderne in Symbiose an der Strandpromenade von Westerland sonstiges historisch bedeutsames Profanbauwerk UNESCO-Schutzgebiet © Institut für Länderkunde, Leipzig 2002 SÜDERSTADT Autorin: K.Manz topographischer Karteninhalt: 0 Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Dörfer und Städte Legende 250 Maßstab 1:17500 1 500 m 쐋 Ausgewählte Touristenstädte 1998 Westerland Wyk auf Föhr Saßnitz Kappeln Husum Plön Westerland und Quedlinburg Einwohner und Gäste* pro Einwohner 1986-1998 Gäste*/Einw. 20 20 15 15 10 10 5 5 0 1986 1992 Westerland 1998 Cuxhaven Norden 1 2 3 4 5 Königstein i.T. Bad Homburg Kelsterbach Mörfelden-Walldorf Neu-Isenburg Wangerland Bremervörde Elb e Bad Zwischenahn Haren (Ems) Bad Bentheim 0 el Hav Quedlinburg Wese Horn-Bad Meinberg S Quedlinburg Ne Elb Bad Arolsen Winterberg Niederkrüchten zer sit Lau überflügelte in der zentralörtlichen Bedeutung den ursprünglichen Inselhauptort Keitum. Die Zeit der Weltkriege und der Weltwirtschaftskrise brachte zwar Einbrüche, seit den 1950er Jahren konnte sich Westerland aber wieder zu einer touristischen Metropole mit mehr als 250.000 Gästen pro Jahr entwickeln. Seine Anziehungskraft ist so groß, dass viele Urlauber einen Zweitwohnsitz erwerben: Von 13.915 Einwohnern waren nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes 1999 32,4 % mit Nebenwohnsitz gemeldet, so dass vielleicht nicht nur von einer Touristen-, sondern von einer Freizeitstadt zu sprechen ist (쑺쑺 Beitrag Faust/Kreisel, Bd. 10, S. 130). Bad Gandersheim Bad Lauterberg Bad Driburg Möhnesee Bad Harzburg Wernigerode e a al Bad Sassendorf Goslar Bad Pyrmont Bad Lippspringe © Institut für Länderkunde, Leipzig 2002 Schmallenberg e Meißen Lohfelden Fu lda ein Rh Bad Wildungen Bad Simmerath Münstereifel Bad Honnef Monschau Mos Bad Nauheim Bad Schwalbach Bad NeuenahrAhrweiler el 1 Boppard Mettlach Frankfurt a.M. Ma Main kar Nec Baden-Baden Bad Wildbad sonstige Gemeinde Binz Baiersbronn Beitrag H. Popp, S. 80 R he in Staatsgrenze Ländergrenze Breisach Bad Dürrheim Bad Krozingen TitiseeNeuenburg Neustadt Autor: P. Pez 0 25 75 in Tsd. 200 - 500 Staffelstein 100 - 200 50 - 100 < 50 Bad Windsheim Bad Mergentheim Übernachtungen in Tsd. Rothenburg o.d. Tauber Regensburg Dinkelsbühl Eichstätt Sindelfingen Leinfelden-Echterdingen FriedrichsIsny hafen Passau Inn Ismaning Lindau Ankünfte Unterhaching je Einwohner Bad Aibling Sont- Füssen hofen Bad Tölz GarmischPartenkirchen Bad Reichenhall schlossen, aber das bauliche Erbe ist bereits jetzt so imposant, dass die Altstadt Quedlinburgs sowie die romanische Stiftskirche St. Servatius am 24.3.1995 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurden. Die finanziellen Lasten der Sanierung drücken die Stadt trotz einer Förderung durch Land und Bund zwar sehr, dafür aber bringt 200 - 500 100 - 200 < 100 Übernachtungen je Einwohner _> 20 _> 50 10 - 20 30 - 50 5 - 10 20 - 30 2,5 < 100 km 15 - 20 5 2,5 < 15 Oberstdorf Maßstab 1: 3750000 © Institut für Länderkunde, Leipzig 2002 500 - 1 000 Waldkirchen Neustadt a.d. Donau Bad Wörishofen Überlingen > 1 000 Zwiesel Do n au München Bad Urach na Do Bad Säckingen 50 in r cka Ne Freudenstadt Ankünfte Würzburg Bad Schönborn Saßnitz Stadtrechtsgemeinde le Saa > 500 Heidelberg Walldorf Weimar Bad Kissingen 2 3 iße Sebnitz Eisenach Werra Bad SodenSalmünster 4 5 Rüdesheim Raunheim SeeheimBad Dürkheim Jugenheim Trier e r Bad Iburg * Übernachtungsgäste Quedlinburg � ist ein Vertreter der zweiten Gruppe, also des Städtetourismus im engeren Sinne. Die 922 erstmals erwähnte und heute 27.000 Einwohner zählende Stadt in Sachsen-Anhalt war im frühen Mittelalter eine bedeutende europäische Metropole mit zahlreichen Aufenthalten deutscher Kaiser und Könige. Trotz des politischen Bedeutungsverlustes im 16. Jh. ging es der Stadt wirtschaftlich zunächst noch gut. So entstand in der mit 93 ha sehr großen Altstadt mit über 1200 heute noch erhaltenen Fachwerkhäusern ein beeindruckendes Ensemble frühneuzeitlicher Baukunst. Die Weltkriege, vor allem aber die wirtschaftliche Schwäche des sozialistischen Systems hätten ihm fast den völligen Zerfall gebracht. Fäulnis, Holzschädlinge und Hausschwamm verursachten gravierende Schäden; der Abriss der nördlichen Altstadt war schon geplant. Bürgerproteste 1989 und die anschließende Wiedervereinigung verhinderten dies. Die Sanierungsmaßnahmen sind zwar noch lange nicht abge- S pr e Bad Nenndorf Einwohner Gäste/Einwohner Quedlinburg – Weltkulturerbe im nördlichen Harzvorland Templin Schneverdingen ree 25 Sp 25 Bad Segeberg r 30 de O 30 Scharbeutz u Tsd. Einwohner Binz Malente Bad Bramstedt Ems 쐇 * Dargestellt sind Städte mit > 10 000 Einwohnern, die i.d.R. _> 2,5 Gäste (Ankünfte) oder _> 15 Übernachtungen pro Einwohner aufweisen. relativ ebensoviele Ankünfte wie Übernachtungen der aufkeimende Kulturtourismus als Ergänzung zur landschaftlich geprägten Urlaubsregion des Harzes schon jetzt neue Chancen des wirtschaftlichen Aufschwunges: 1992 übernachteten erst 1212 Gäste in Quedlinburg, 1998 waren es 132.000 쐇. Städtetourismus – Touristenstädte 101