Zusammen ist die Liebe schwieriger Die Kommune

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Zusammen ist die Liebe schwieriger Die Kommune
Kino
NUMMER 92
Getümmel
in der
Götterwelt
Film-Geflüster
Willem Dafoe stößt neu
zu „Justice League“
Willem Dafoe, 60, („Spider-Man“,
„John Wick“) stößt zu dem Superhelden-Team in „Justice League“.
Dem Hollywood Reporter zufolge
soll der für Bösewichtrollen bekannte Star diesmal eine liebenswerte
Figur spielen. In der SuperheldenStory der DC Comics kämpfen unter anderen Superman (Henry Cavill), Batman (Ben Affleck) und
Wonder Woman (Gal Gadot) gegen
eine böse Macht. Zack Snyder, 50
(„Batman v Superman: Dawn of
Justice“) führt Regie.
„Gods of Egypt“
VON FRED DURAN
„Die Unfassbaren 3“ unter
der Regie von Jon M. Chu
Kurz vor dem Kinostart von „Die
Unfassbaren 2“ unter Regie von
Jon M. Chu, 36 („G.I. Joe – Die Abrechnung“) soll bereits der dritte
Teil in der Planung sein. Wie der
Hollywood Reporter berichtet, will
das Studio Lionsgate den kalifornischen Regisseur auch für „Now
You See Me 3“ verpflichten. Den
Original-Thriller von 2013 um
eine Gruppe kriminelle Zauberer,
die clevere Raubzüge begehen,
hatte Louis Leterrier („Kampf der
Titanen“) inszeniert. Für den
zweiten Teil holte Chu das bewährte
Team um Jesse Eisenberg, Woody
Harrelson, Dave Franco und Mark
Ruffalo vor die Kamera.
US-Model verstärkt
„Baywatch“-Besetzung
Sie hat wenig Schauspielerfahrung,
doch das ist kein Hindernis für
Charlotte McKinney: Das blonde
US-Model, 22, wird an der Seite
von Zac Efron und Dwayne Johnson
in „Baywatch“
mitspielen. Variety zufolge
hatte sie bisher
nur kleine Auftritte vor Filmund TV-Kameras. Ihre ModelKollegin Kelly
Ch. McKinney
Rohrbach, 26, ist
als Nachfolgerin
von Pamela Anderson in der Rolle
der Bademeisterin C.J. Parker an
Bord. Zudem wirkt die indische
Schauspielerin Priyanka Chopra,
33, eine frühere „Miss World“, mit.
Regisseur Seth Gordon („Kill the
Boss“) dreht bereits. (dpa)
Unsere Wertungen
* sehr schwach
** mäßig
*** ordentlich
**** sehenswert
***** ausgezeichnet
Sonst noch angelaufen
● Visions Eveleigh, die ein Kind erwartet, will zusammen mit ihrem
Mann ein ruhigeres Leben abseits der
Stadt führen. Also ziehen die beiden auf ein hübsch gelegenes Weingut. Mit der Ruhe aber ist es bald
vorbei, Eveleigh wird von grausamen
Visionen heimgesucht. Ihr Ehemann nimmt von all dem nichts
wahr. Eveleigh macht sich daran,
ihm zu beweisen, dass sie ihren Verstand keineswegs verloren hat –
und findet heraus, dass auf dem
Weingut ein Fluch lasten soll. Regie bei diesem nur knapp über 80 Minuten langen US-Horrorstück führt
Kevin Greutert („Saw“). (Filmstart in
Ingolstadt, Neu-Ulm)
● Der Schamane und die Schlange
Im kolumbianischen Urwald, um
1900: In Schwarz-Weiß-Bildern erzählt Regisseur Ciro Guerra vom
Schamanen Karamakate, dem letzten
Überlebenden seines Stammes. Er
soll den deutschen Forscher Theodor
Koch-Grünberg heilen. Dafür
müssen sie aber erst die geheimnisvolle Yakruna-Pflanze finden. Der
Film um die Mysterien einer fast vergessenen Kultur und den Schrecken der Kolonialisierung ging in diesem Jahr für Kolumbien ins Rennen um den Oscar für den besten
nicht-englischsprachigen Film.
(Noch nicht in der Region)
dpa
DONNERSTAG, 21. APRIL 2016
Experiment mit offenem Ausgang: Ungeschminkt seziert Thomas Vinterberg das freigeistige Zusammenleben einer dänischen Kommune der Siebziger.
Foto: Prokino
Zusammen ist die Liebe schwieriger
Die Kommune Sieben Erwachsene und zwei Kinder besiedeln das Haus. Dann kommt noch
eine Geliebte in die freigeistige Wohngemeinschaft. Und das Leben wird komplizierter
VON MARTIN SCHWICKERT
Thomas Vinterberg, der mit seinem
legendären Dogma-Film „Das
Fest“ die bürgerlichen Familienstrukturen mit dramatischer Wucht
seziert hat, setzt sich nun in „Die
Kommune“ mit den wahlverwandtschaftlichen Verhältnissen in einer
linken Wohngemeinschaft während
der Siebzigerjahre auseinander.
Als der Architektur-Dozent Erik
(Ulrich Thomsen) das Haus seiner
Eltern erbt, ist die Versuchung
groß, das herrschaftliche Anwesen
in einem Kopenhagener Nobelviertel für einen Millionenbetrag zu verkaufen. Viel zu geräumig ist es für
ihn, seine Frau Anna (Trine Dyrholm) und Tochter Freja (Martha
Sofie Wallstrøm Hansen) – und im
Unterhalt zu kostspielig. Aber Anna
sieht in dem Haus mehr als den monetären Wert. Sie überredet Erik
mit ein paar Freunden eine Kommune zu gründen.
Schließlich lebt man in Dänemark
in den wilden Siebzigern, wo kollektive Wohnexperimente zum freigeistigen Lebensstil gehören. Schon
bald teilen sich sieben Erwachsene
und zwei Kinder das 420 Quadratmeter große Herrenhaus. Eine ulkiges WG-Chaos mit einem weinerlichen schwedischen Flüchtling, der
nie Geld hat, mit einer herrischen
Linken und einem kleinen Jungen,
der jederzeit sterben könnte. Es
wird viel getrunken, geraucht, palavert und abgestimmt. Einmal die
Woche erzählen alle am Küchentisch, wie es ihnen ergangen ist. Wer
seine Sachen nicht wegräumt, muss
damit rechnen, dass sie im Garten
verbrannt werden.
Es ist keine verkopfte Polit-Kommune, die Vinterberg hier entwirft,
sondern eine, die sich mehr über den
Spaß am Zusammenleben als über
endlose ideologische Diskussionen
definiert. Im Kino führte der retrospektive Blick auf die idealistischen
Lebensexperimente jener Zeit ja zumeist direkt in die Komödie. Anders
etwa als sein schwedischer Kollege
Lukas Moodysson in „Zusammen!“
besteht Vinterberg auf einen unironischen, undistanzierten Blick auf
das WG-Leben dieser experimentierfreudigen Epoche und verzichtet
auf die gängigen Kommune-Klischees wie Kiffen am Frühstückstisch oder ausgehängte Klotüren.
Vater der Dogma-Filmrevolution
● Thomas Vinterberg (*19. Mai
1969 in Fredriksberg/Dänemark)
wuchs in einer Kommune auf. Schon
mit 24 absolvierte er die Danske
Filmskole und sein Abschlussfilm war
für den Studenten-Oscar nominiert.
● Als seine revolutionärste Idee bezeichnet er das Dogma-Manifest,
das 1998 eine neue Art des Filmemachens ankündigte. Radikal ehrlich
sollten sie sein, nicht inszeniert, sondern aus dem echten Leben entnommen. So erzählt mustergültig der
erste Dogma-Film „Das Fest“, wie
während einer Familienfeier die Wahrheit über den Jahre zurückliegenden
Missbrauch eines Vaters an zwei seiner
Kinder ans Licht gebracht wird.
● Dasselbe Thema greift der Film „Die
Jagd“ 2012 wieder auf – allerdings
aus der Perspektive eines Erziehers,
der Opfer falscher Missbrauchs-Verdächtigungen wird. Mads Mikkelsen
wurde für die Rolle auf dem Festival
von Cannes mit dem Darstellerpreis
ausgezeichnet; für das Drehbuch
gab es den Europäischen Filmpreis.
● 2015 verfilmte Vinterberg den Roman „Am grünen Rand der Welt“
(1874) von Thomas Hardy: Eine unabhängige Gutsbesitzerin wird von drei
windigen Männern umworben. (loi)
„Die Kommune“ nimmt die alternativen Lebensentwürfe dieser
Generation ernst, zeigt die befreienden Aspekte kollektiver Utopien genauso wie die Grenzen, an die das
Paar gerät, als es die Gebote der freien Liebe in einer Dreiecksbeziehung
zu leben versucht. Denn als Erik
sich in die schöne Studentin Emma
(Helene Reingaard Neumann) verliebt, lädt Anna die Geliebte ihres
Mannes mit in die WG ein. Aus heutiger Sicht vielleicht ein aussichtsloses Unterfangen, aber im Film ein in
der Figur und ihrer Zeit schlüssiges
Experiment.
Trine Dyrholm, die bei der diesjährigen Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde, ist
fabelhaft in der Rolle dieser weitherzigen Frau, die versucht ihre Ehe
durch eine offene Partnerschaft zu
retten und sich dabei in schmerzlicher Hingabe vollkommen übernimmt. Mit seinem großartigen Ensemble und einem ausgeprägten
Sinn für Zeitkolorit wirft Vinterberg
einen nostalgiefreien Blick auf den
Lebensgeist dieser oftmals belächelten Ära, in der Wagnisse eingegangen wurden, die heute oft aus Bequemlichkeit zum Scheitern verurteilt werden.
****
O Filmstart in Augsburg, Ulm
Ein Regisseur sucht einen Mörder
Fritz Lang Er drehte legendäre Stummfilme. War sein Leben selbst ein Krimi?
VON GÜNTER H. JEKUBZIK
War Fritz Lang (1890–1976), der
bedeutendste deutsche Regisseur
der Vorkriegszeit, der Schöpfer von
„Die Nibelungen“ und „Metropolis“, ein Mörder? War er deshalb so
an der Geschichte des Düsseldorfer
Serienmörders Peter Kürten interessiert? Regisseur Gordian Maugg
verwebt auf packende Weise eine
fiktive biografische Geschichte um
Fritz Lang mit der Entstehung von
dessen Meisterwerk „M – Eine Stadt
sucht einen Mörder“ von 1931.
Ein verzweifelter Kokser, der mit
seinen eigenen Trieben kämpft und
nicht über eine verlorene Liebe hinwegkommt – so erleben wir den berühmten
Stummfilm-Regisseur
Fritz Lang (Heino Ferch) um 1930:
Weder Ruhm noch seine Ehefrau
und Schreibpartnerin Thea von
Harbou (Johanna Gastdorf) können
ihn interessieren. Aber eine Zeitungsmeldung über eine Düsseldorfer Mordserie lässt ihn sofort aufbrechen und an den Tatorten recherchieren. Auf der Spur des legendären Massenmörders Peter
Kürten trifft Lang einen Kommissar, der ihn noch immer verdächtigt,
und eine junge Frau, die ihn an eine
unter ungeklärten Umständen verstorbene Liebe erinnert.
Äußerst kunstvoll und elegant
setzt Regisseur Gordian Maugg
(„Hans Warns – Mein 20. Jahrhundert“, „Der olympische Sommer“)
seine bewährten Collagen von historischem und inszeniertem Material
ein, um schnell ein Gefühl der neuen
Vorkriegs-Zeit zu schaffen: Die
Schlagworte „entartet“ und grölende SA-Horden tauchen nicht mehr
nur am Rand auf, „Zeiten, die sich
ändern“, werden Lang angedroht.
Dabei „inszeniert“ Maugg eine ganze Zugreise von Berlin nach Düsseldorf mit historischem Material und
baut seinen Fritz Lang sogar in eine
prägnante Szene aus seinem eigenen
„M – Eine Stadt sucht eine Mörder“
ein. Erinnerungen an grausame
Kriegserfahrungen vermischen sich
mit richtigem Kintopp, wenn Lang
seine Kriegs-Pistole einpackt. Ganz
modern spürt Lang geradezu über-
Heino Ferch spielt den berühmten Stummfilmregisseur Fritz Lang.
Foto: W-film
Dank der Digitalisierung des Kinos
bevölkern die Leinwände ComicSuperhelden ebenso wie antike Götter. Nun unternimmt Alex Proyas
mit „Gods of Egypt“ einen bizarren
Ausflug in altägyptische Götterwelten. Tausend Jahre hat Osiris (Bryan Brown) mit seiner Regentschaft
den Frieden im Land bewahrt. Nun
soll der stattliche Sohnemann Horus
(Nikolaj Coster-Waldau) das Zepter
übernehmen, aber mitten in die
opulenten Krönungsfeierlichkeiten
platzt Onkel Set (Gerard Butler),
der den friedliebenden Bruder erdolcht und dem vermeintlichen
Thronfolger mit blanken Fingern
die magischen Augen herausreißt.
Ruckzuck wird das Volk versklavt und ins süße Jenseits darf
fortan nur, wer genug Gold in die
Waagschale werfen kann. Das betrübt vor allem den gewieften Dieb
Bek (Brenton Thwaites), dessen ermordete Geliebte Zaya (Courtney
Eaton) mittellos dem Todesgott
Anubis gegenübertritt. Er verbündet sich mit Horus und so beginnt
eine hindernisreiche Reise.
Mit ermüdender Einfallslosigkeit
stolpert der handlungsarme Plot von
einer Kampf- und Fluchtsequenz
zur nächsten. Um im Getümmel
Götter von Sterblichen unterscheiden zu können, hat man die mythologischen Gestalten einfach auf doppelte Größe hochgezoomt. Wenn es
ganz dicke kommt, verwandeln sie
sich in vergoldete Actionfiguren.
Aber die protzigen Alphatiere Gerard Butler („300“) und „Game of
Thrones“-Star Nikolaj Coster-Waldau können einpacken, sobald Elodie Yung als Göttin der Liebe echte
Vamp-Qualitäten beweist.
**
O Filmstart in vielen Kinos der Region
In der altägyptischen Götterwelt: Nikolaj
Coster-Waldau als Horus. Foto: Concorde
Platte
Powerfrau
sinnlich den Morden nach. Tatsächlich interessiert sich der sehr dichte
und vielschichtige Film im Kern wie
Truman Capotes „Kaltblütig“ für
die psychologische Struktur des Täters, der sich Lang beängstigend
verwandt fühlt.
Wie sehr sich Fritz Lang in die
Filmgeschichte eingeschrieben hat,
zeigt selbst das aktuelle Cannes-Plakat: Es ist eine Szene aus einem fiktiven Fritz Lang-Film, inszeniert
von Godard in „Le Mepris“, in dem
Lang sich selbst spielt, neben Brigitte Bardot! Aus der Fiktion, dass es
einen ungeklärten Mordfall in Langs
Vergangenheit geben soll, macht
Gordian Maugg mehrere Geschichten, die sich nahtlos ergänzen: die
aufgeheizte Zeitstimmung, den Krimi, die biografisch, psychologische
Analyse und die Film-Geschichte.
Das funktioniert erzählerisch und
ästhetisch hervorragend, trotz eines
anständigen, aber nicht herausragenden Heino Ferchs in der Hauptrolle. Denn auch diesmal – wie Peter
Lorre in „M“ – ist wieder der getriebene Täter (Samuel Finzi als Peter Kürten) eindrucksvoller. ****
Melissa McCarthy („Spy – Susan
Cooper Undercover“, „Taffe Mädels“, „Brautalarm“) ist in den USA
einer der erfolgreichsten Filmstars.
Wenn die schwergewichtige 45-Jährige in derben Frauen-Komödien
mitspielt, klingeln die Kinokassen.
Ihr neuester Film „The Boss – Dick
im Geschäft“ wird daran nichts ändern. Michelle Darnell (McCarthy),
schwerreiche Vorstandsvorsitzende
von drei Megafirmen, Motivationstrainerin und Powerfrau muss wegen Insiderhandels ins Gefängnis.
Zurück in Freiheit, quartiert sie sich
bei ihrer früheren Assistentin (Kristen Bell, „Veronica Mars“) und deren Tochter Rachel ein. Bei deren
Pfadfinder-Treffen soll der CharityVerkauf von Keksen vorangebracht
werden, aber Darnell schmiedet einen eigenen Plan. Mit einem
Brownie-Imperium soll es zurückgehen an die Spitze der US-Unternehmenswelt. Nicht nur bei der hanebüchenen Handlung und den
platten Charakteren hat der Film ein
Problem, sondern auch in Sachen
Witz. Den Kern bilden Zoten über
Geschlechtsteile, Vagina-Operationen und Oralverkehr. (dpa)
*
O Filmstart in Augsburg
O Filmstart in vielen Kinos der Region