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§ 1 DAS VERWALTUNGSGERICHTLICHE URTEIL 1 § 1 Das verwaltungsgerichtliche Urteil A. Allgemeines Allgemeines Wie im Zivilrecht, so spielt auch im Öffentlichen Recht das Urteil als Klausurform eine wichtige Rolle. Nachfolgend werden Aufbaufragen, examensrelevante Formalia und zweitexamenstypische Zulässigkeits- und Begründetheitsprobleme der verschiedenen Klagearten dargestellt. Dabei werden die maßgeblichen Fragen dort behandelt, wo sie sich auch im Urteil wieder finden. 1 Durch die ständige Bezugnahme auf Kopp/Schenke (Kommentar zur VwGO) und Kopp/Ramsauer (Kommentar zum VwVfG) soll auch der Umgang mit den Kommentaren trainiert werden. Ein Muster für ein verwaltungsgerichtliches Urteil finden Sie u.a. bei Böhme/Fleck/ Kroiß unter Nr. 55. Form und Inhalt des verwaltungsgerichtlichen Urteils ergeben sich aus § 117 VwGO.1 Es unterscheidet sich vom grundsätzlichen Aufbau her nicht wesentlich vom Zivilurteil. Auch das Urteil des Verwaltungsgerichts (= VG) besteht aus Rubrum, Tenor, Tatbestand, Entscheidungsgründen und Rechtsmittelbelehrung. Der ebenfalls erforderliche Streitwertbeschluss nach §§ 63, 64 GKG ist oft - ebenso wie das Rubrum und der Tatbestand - erlassen. Hemmer-Klausur-Tipp Beachten Sie bitte stets genau den Bearbeitervermerk, um zu vermeiden, dass sie sich mit Problemen beschäftigen, die gar nicht gefragt sind; dies kostet Sie ansonsten wertvolle Zeit. I. Das Rubrum Rubrum Da das Rubrum meist erlassen ist, wird hier in unserem rein examensorientierten Skript, zumal es insoweit auch praktisch keine verwaltungsgerichtlichen Besonderheiten gibt, nicht intensiver darauf eingegangen. Deshalb wird die Darstellung auf die wenigen Punkte beschränkt, die - sollte das Rubrum einmal nicht erlassen sein auch wirklich Besonderheiten darstellen. Muster: W 2 K 11.234 Bayer. Verwaltungsgericht Würzburg Im Namen des Volkes In der Verwaltungsstreitsache Anton Tanheimer, Winzer, Jägerstr. 22, 97082 Würzburg - Kläger Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Michelangelo Tirolia, Haugerkirchgasse 3, 97070 Würzburg 1 Vgl. KOPP/SCHENKE, § 117 VwGO, Rn. 7 ff. 2 2 DIE ASSESSORKLAUSUR IM ÖFFENTLICHEN RECHT gegen den Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt Würzburg - Beklagter - beigeladen: Hans Hofer, Grundschullehrer, Jägerstr. 22, 97082 Würzburg wegen Baugenehmigung erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg, 2. Kammer, unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgericht Dr. Dehner, der Richter am Verwaltungsgericht Müller und Meier, sowie der ehrenamtlichen Richter Hinz und Kunz, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2011 folgendes U r t e i l: 2 1. Einleitung Einleitungssatz Zu Beginn des Rubrums wird das Gericht bezeichnet, welches das Urteil erlässt. Ein im Aktenauszug oder der Fallangabe angegebenes Aktenzeichen muss natürlich ebenso angegeben werden. Das Urteil muss ausdrücklich als solches bezeichnet werden und beginnt mit den Worten „Im Namen des Volkes“. Einleitend steht außerdem der Hinweis, dass es sich um eine verwaltungsgerichtliche Streitigkeit handelt. In Bayern ist dafür die Formel „In der Verwaltungsstreitsache“ üblich. 3 2. Beteiligte Beteiligte Der Beteiligtenbegriff ist in § 63 VwGO definiert. Als Besonderheit gilt es hier darauf zu achten, dass im Rubrum alle Beteiligten zu nennen sind, also auch der nach § 65 VwGO Beigeladene und auch der - allerdings in Klausuren eher seltener anzutreffende - Vertreter des öffentlichen Interesses. Anmerkung: Die Aufgabe des Vertreters des öffentlichen Interesses (VöI) in der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird in der LABV klargestellt (in Bayern Ziegler/Tremel Nr. 903). Er hat dafür zu sorgen, dass sich das Recht durchsetzt und das Gemeinwohl keinen Schaden leidet. Insbesondere in Prozessen des Bürgers gegen eine kreisfreie Stadt oder sonstige Gemeinde achtet die Landesanwaltschaft, die diese Aufgabe wahrnimmt, darauf, dass die Interessen des Freistaats Bayern gewahrt bleiben. Wichtig ist, dass der VöI als Beteiligter selbst Berufung einlegen kann und auch erst durch die Einlegung der Berufung von seinem Beteiligungsrecht Gebrauch machen kann (vgl. Kopp/Schenke, § 63 VwGO, Rn. 5). 2 Vgl. KOPP/SCHENKE, § 117 VwGO, Rn. 7 ff. 4 § 1 DAS VERWALTUNGSGERICHTLICHE URTEIL 3 Sofern ein Fall der Beiladung vorliegt (z.B. der Bauherr im klassischen Fall der Anfechtung einer Baugenehmigung durch den Nachbarn - vgl. Sie hierzu das obige Muster zum Rubrum!) ist zu beachten, dass im Rubrum nicht erscheint, ob es sich um eine einfache oder notwendige Beiladung handelt; der Beiladungsbeschluss ist kein Teil des Urteils und zudem unanfechtbar (§ 65 IV 3 VwGO). Die Nichtbeachtung solcher Förmlichkeiten erzeugt bei den Korrektoren, die schließlich Praktiker sind, unnötigen Unmut. Beim Wegfall der Beteiligungsfähigkeit gelten die Vorschriften der §§ 239, 246 ZPO entsprechend (in Verbindung mit § 173 S.1 VwGO3), d.h. im Falle des Todes des Klägers oder des Erlöschens der Rechtsfähigkeit des Klagegegners wird das Verfahren bis zur Aufnahme durch den Rechtsnachfolger unterbrochen, es sei denn die betreffende Partei war durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten. In diesem Fall findet die Unterbrechung nur auf Antrag des Rechtsnachfolgers statt. Im Rubrum wird in einem solchen Fall folgendermaßen formuliert: „Die Erben des verstorbenen A...“, wobei deren Namen und Adressen nicht angegeben werden müssen. Parteien kraft Amtes Parteien kraft Amtes sind wie im Zivilprozess kenntlich zu machen. Bsp.: „In der Verwaltungsstreitsache des Rechtsanwalts A, wohnhaft ..., als Insolvenzverwalter über das Vermögen des B, wohnhaft ...“. Gesetzliche Vertreter sind gem. § 117 II Nr.1 VwGO mit vollem Namen aufzuführen, da sich nur so feststellen lässt, wer für einen im Verfahren Prozessunfähigen aufgetreten ist. Anmerkung: Der gesetzliche Vertreter ist jedoch nicht identisch mit dem Prozessbevollmächtigten i.S.d. § 67 VwGO. Eine rein verwaltungsgerichtliche von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelte Besonderheit beinhaltet § 61 Nr.3 VwGO. Hier ist zu beachten, dass eine Behörde nur dann Verfahrensbeteiligte sein kann, wenn sie durch besondere landesrechtliche Bestimmungen für beteiligungsfähig erklärt worden ist. Für Bundesbehörden und Länder in denen uneingeschränkt das Rechtsträgerprinzip des § 78 I Nr.1 VwGO gilt (so z.B. in Bayern und BadenWürttemberg) kann deshalb nie der Fall eintreten, dass eine Behörde als solche Beklagte ist.4 Dementsprechend unterscheiden sich gegebenenfalls die Formulierungen. Bsp.: In Bayern etwa: „Stadt München, vertreten durch den Oberbürgermeister“ oder „Freistaat Bayern, vertreten durch die Regierung von Oberbayern“. In Nordrhein-Westfalen dagegen „Oberbürgermeister der Stadt Köln“ oder „Bezirksregierung Köln, vertreten durch den Regierungspräsidenten“. Eine Behörde kann aber jedoch in allen Bundesländern gemäß § 47 II 1 VwGO Antragstellerin eines Antrags auf Normenkontrolle sein.5 3 4 KOPP/SCHENKE, § 173 VwGO, Rn. 4. Übersicht zu den Bundesländern mit Spezialregeln bei KOPP/SCHENKE, § 61 VwGO, Rn. 13. 5 Siehe dazu Rn. 83. 4 DIE ASSESSORKLAUSUR IM ÖFFENTLICHEN RECHT 3. Streitgegenstand Streitgegenstand Nach den Beteiligten folgt ein konkreter Begriff, der kurz aber möglichst präzise den Streitgegenstand wiedergibt. 5 Bsp.: „wegen Erteilung einer Baugenehmigung“ 4. Bezeichnung des Gerichts Bezeichnung des erkennenden Gerichts Es folgt die Bezeichnung des Gerichts und der jeweiligen Kammer mit den Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben (§ 117 II Nr.2 VwGO). Hemmer-Klausur-Tipp Das VG entscheidet entweder in der Kammer oder durch Einzelrichter (§§ 5 II, III, 6 I-IV VwGO). Achten Sie unbedingt auf eventuelle Bearbeitervermerke. Die Angabe nur eines Richters (und am Ende nur eine Unterschrift!), obwohl die Entscheidung der Kammer vorzubereiten ist, wirkt unprofessionell. Sicher wird dadurch nicht die Klausur entschieden, aber ein guter Klausurbearbeiter arbeitet auch in diesem Bereich sauber. 6 Formulierungsbeispiel: ... erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 3. Kammer, unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgericht Dr. Bauer, der Richter am Verwaltungsgericht Dr. Hein und Sußmann, sowie die ehrenamtlichen Richter Ernst und Streng, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2011 folgendes U r t e i l: 6 Das durch den Einzelrichter erlassene Urteil enthält entsprechend natürlich nur den Namen des Einzelrichters. Die Formulierung „... erlässt ... folgendes Urteil“ ist die in Bayern gebräuchliche. In anderen Bundesländern findet sich in der Regel die Formulierung „... hat ... für Recht erkannt“. II. Tenor Tenor als wichtigster Teil des Urteils Der Tenor - auch Urteilsformel genannt - ist mit der wichtigste Teil des Urteils. Wie im Zivilprozess ist er auch hier Grundlage der Vollstreckung und muss daher knapp, eindeutig und vollständig abgefasst werden. Man bezeichnet ihn daher auch als Kondensat und Vorankündigung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Entscheidung.7 Hemmer-Klausur-Tipp Im Examen ist der Tenor das Erste, was der Korrektor von Ihrer Klausur wahrnimmt. Nachlässigkeiten und Fehler in diesem Bereich wirken sich doppelt aus. Zum einen bedeuten sie per se einen Punktabzug, zum anderen erzeugen sie einen gewissen Unmut, der sich später noch auswirken kann. Arbeiten Sie daher ganz besonders gründlich. Formal ist der Tenor von allen anderen Teilen des Urteils erkennbar abzusetzen. 6 Vgl. KOPP/SCHENKE, § 117 VwGO, Rn. 7 ff. 7 MARTENS, Die Praxis des Verwaltungsprozesses, S. 167; vgl. Sie auch KOPP/SCHENKE, § 117 VwGO, Rn. 9 ff. 7 § 1 DAS VERWALTUNGSGERICHTLICHE URTEIL 5 Er enthält neben dem Ausspruch zur Sache eine Kostenentscheidung (§ 161 VwGO) und muss sich gegebenenfalls über die Zulassung der Berufung oder der Revision äußern (§§ 124a I 1 VwGO, 132, 134 VwGO). In der Regel findet sich auch ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit, für die gem. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO die Grundsätze des Zivilprozessrechts gelten.8 Anmerkung: § 167 VwGO und § 173 VwGO sind wichtige Normen für Ihre Klausur. Immer wenn Sie keine Regelungen in der VwGO finden, werden Sie dort auf ZPO und GVG verwiesen. Nachfolgend werden einige wichtige Beispiele für Tenorierungen dargestellt, wobei hier klargestellt werden muss, dass die Bundesländer und sogar die Gerichte untereinander bisweilen differieren. Soweit Sie sich an die gesetzlichen Vorgaben halten, gehen Sie aber in jedem Fall auf Nummer sicher. 1. Erstinstanzliche Urteile9 a) Klageabweisung Klageabweisung Die Klageabweisung im Verwaltungsprozess unterscheidet sich nicht von der im Zivilprozess: 8 Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls nicht der Beklagte vorher Sicherheit in derselben Höhe leistet. Wie schon im Zivilprozess, so dürfen Sie die Klage im Tenor keinesfalls „als unzulässig“ oder „als unbegründet“ abweisen. Warum eine Klage abgewiesen wurde gehört allein in die Entscheidungsgründe. b) Erfolgreiche Anfechtungsklagen Anfechtungsklage Die Urteilsformel bei einer Anfechtungsklage ist durch § 113 I 1 VwGO vorgegeben. Für andere Gestaltungsklagen gilt diese Vorgabe entsprechend. aa) Kassatorische Entscheidung I. Der Bescheid des Landratsamts Regensburg vom ... und der Widerspruchsbescheid der Regierung der Oberpfalz10 vom ... werden aufgehoben. 8 Beachten Sie dabei jedoch, dass gemäß § 167 II VwGO bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen das Urteil nur hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden kann. 9 Siehe auch die Beispiele bei PIETZNER/RONELLENFITSCH, § 20, Rn. 36 ff.; KINTZ, Rn. 18 ff.; HAPP/ALLESCH/GEIGER/METSCHKE, S. 129 ff. 10 Beachten Sie, dass von dem grds. Wegfall des Widerspruchsverfahrens in einigen Bundesländern (so etwa Bayern und Niedersachsen) einzelne Rechtsbereiche ausgeklammert wurden. So steht dem Betroffenen wahlweise in Bayern die Möglichkeit der Einlegung eines Widerspruchs etwa im Kommunalabgabenrecht zu, Art 15 I 1 Nr.1 BayAGVwGO, richtet sich ein VA gegen mehrere Betroffene, so ist gemäß Art. 15 I 2 BayAGVwGO ohne Zustimmung der anderen das Vorverfahren in den in Art 15 I 1 BayAGVwGO genannten Rechtsbereichen weiterhin verpflichtend (dazu http://www.widerspruchsverfahren.bayern.de). Somit kann 9 6 DIE ASSESSORKLAUSUR IM ÖFFENTLICHEN RECHT II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.11 Hemmer-Klausur-Tipp Grob falsch wäre es zu formulieren: „Der Klage wird stattgegeben.“ Hier läge kein bestimmter und vollstreckungsfähiger Tenor vor. Differenzierung der Formulierung Bei der Tenorierung unter Ziffer I legen etliche Korrektoren auf folgende Unterscheidung Wert: je nach Inhalt des Widerspruchsbescheides Wurde der Ausgangsbescheid durch den Widerspruchsbescheid nicht verändert, sondern lediglich bestätigt, lautet die Formel wie oben. Erfolgte dagegen eine Abänderung des Ausgangsbescheides durch den Widerspruchsbescheid, ist zu tenorieren: „Der Bescheid des Landratsamtes Regensburg vom .... Gz. ... in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung der Oberpfalz vom ... Gz. ... wird aufgehoben.“ Teilaufhebung Bei einer Teilaufhebung wäre wie folgt zu formulieren: Der Bescheid des Landratsamts Regensburg vom ... in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Regierung der Oberpfalz vom ... wird insoweit aufgehoben, als dem Kläger ein Zwangsgeld von 250 € angedroht wurde. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger zu ¾ und dem Beklagten zu ¼ auferlegt. ... bb) Folgenbeseitigung nach § 113 I 2, 3 VwGO Folgenbeseitigung 10 I. Wenn oben bei aa. das Zwangsgeld bereits gezahlt worden wäre, wäre unter I. hinzuzufügen: II. „Der Beklagte wird verpflichtet, die Vollziehung durch Rückzahlung des Zwangsgeldes von 250 € rückgängig zu machen.“ cc) Abänderung nach § 113 II VwGO Abänderung i.S.d. § 113 II VwGO I. Der Bescheid des Beklagten vom ... wird dahin abgeändert, dass die vom Kläger zu entrichtende Gebühr auf 75 € festgesetzt wird. II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Eine besondere Relevanz besitzt § 113 II 1 VwGO allerdings nicht (in Kopp/Schenke, § 113 VwGO, Rn. 149 wird er sogar für überflüssig erklärt), da es keinen Unterschied gibt zwischen einer teilweisen Aufhebung eines Kosten- oder Gebührenbescheides oder der Neufestsetzung des tatsächlich geschuldeten Betrages. ein vorheriger Widerspruchsbescheid in einer Urteilsklausur durchaus noch relevant sein, auch wenn zugegebenermaßen die Examensrelevanz langfristig sinken wird. 11 In den Originalentscheidungen findet man üblicherweise keine bestimmten Beträge, das VG begnügt sich mit der auch hier vorgeschlagenen Wendung. Bevor viel Zeit mit einer Berechnung vertan wird, sollte man diese Formulierung übernehmen! 11 § 1 DAS VERWALTUNGSGERICHTLICHE URTEIL 7 Man kann von § 113 II VwGO also Gebrauch machen, wenn man nicht allzu umständlich formulieren will, sondern einen klaren neuen Betrag festsetzen kann. dd) Verbindung von Gestaltungs- und Leistungsurteil nach § 113 IV VwGO Kombination von Gestaltungs- und Leistungsurteil 12 I. Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung der Bescheide des Landratsamtes... und des Widerspruchsbescheides vom ... verurteilt, an den Kläger weitere 97,80 €, also insgesamt 387,80 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens zu je ½. Da ein „Leistungsurteil“ auch ein solches einer Verpflichtungsklage sein kann, besteht nach Kopp/Schenke, § 113 VwGO, Rn. 173 die Möglichkeit, § 113 IV VwGO auch auf den Fall der Konkurrentenklage anzuwenden als gesetzlich speziell vorgesehenen Fall der Stufenklage.12 c) Erfolgreiche Verpflichtungsklagen Verpflichtungsklage Auch hier gibt das Gesetz in § 113 V VwGO die Urteilsformel vor. Zu beachten ist hier, ob eine Vornahmeurteil (nur bei Spruchreife!) oder lediglich ein Bescheidungsurteil zu ergehen hat. Anmerkung: War ein Verpflichtungsausspruch beantragt, kann aber nur ein Bescheidungsurteil ergehen, so ist die Klage nach Erlass des Bescheidungsausspruches im Übrigen abzuweisen.13 Ist hingegen ein Bescheidungsurteil beantragt, so kann auch nur ein Bescheidungsurteil ergehen, selbst wenn nach der Prüfung der Begründetheit der Klage ein Verpflichtungsurteil in Betracht käme. Auch im Verwaltungsprozess gilt gem. § 88 VwGO der Grundsatz „ne ultra petita“. aa) Vornahmeurteil Vornahmeurteil Stattgebendes Vornahmeurteil: I. Der Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom ... und vom ... verpflichtet, dem Kläger eine Erlaubnis zum Betrieb der Gaststätte „Alter Wirt“ als Schank- und Speisewirtschaft nach Maßgabe des Antrags vom ... zu erteilen. II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Hemmer-Klausur-Tipp 12 Achten Sie auch hier auf eine genaue Tenorierung! Es muss eindeutig klar werden, welchen VA die Behörde aufgrund des Urteils zu erlassen hat. KOPP/SCHENKE, § 113 VwGO, Rn. 173 begrenzt dabei allerdings die Anwendbarkeit von § 113 IV VwGO auf den Fall, dass dem Übergangenen behördlicherseits mitgeteilt wurde, dass an seiner Stelle eine andere Person die Begünstigung erhielt; dies liegt daran, dass KOPP/ SCHENKE entgegen der h.M. ausschließlich für diesen Fall die Notwendigkeit einer Kombination von Anfechtungsund Verpflichtungsklage bei einer Mitbewerbersituation sieht; eine umfassende Darstellung des Streites findet sich bei KOPP/SCHENKE, § 42 VwGO, Rn. 48. 13 KOPP/SCHENKE, § 113 VwGO, Rn. 187. 13 8 DIE ASSESSORKLAUSUR IM ÖFFENTLICHEN RECHT bb) Bescheidungsurteil Bescheidungsurteil Stattgebendes Bescheidungsurteil: I. Der Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom ... und ... verpflichtet, den Kläger wegen der Zulassung zum städtischen Jahrmarkt 2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. d) Erfolgreiche allgemeine Leistungsklagen aa) Leistungsurteil Leistungsklagen 14 I. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.500 € nebst 8% Zinsen seit dem ... zu zahlen. II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. bb) (Evtl. vorbeugendes) Unterlassungsurteil I. Der Beklagten wird untersagt weiterhin zu behaupten die Klägerin sei eine lebensgefährliche Psychosekte. II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. e) Erfolgreiche Feststellungsklagen aa) Feststellungsurteil Feststellungsurteil 15 I. Es wird festgestellt, dass der Kläger für die Errichtung einer Halle auf dem Grundstück Gemarkung Huglfing, Flurstück 33/2, keiner naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung bedarf. II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. bb) Fortsetzungsfeststellungsklage I. Es wird festgestellt, dass die polizeiliche Sicherstellung des Wagens der Klägerin am ... rechtswidrig war. FFK III. Tatbestand Tatbestand § 117 II Nr.4, III VwGO schreibt vor, dass das Urteil einen Tatbestand enthält, der den Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darstellt. Hier gilt - soweit nicht verfahrensimmanente Besonderheiten zu beachten sind - im Wesentlichen das aus dem Zivilurteil zum Tatbestand bekannte.14 Aufbau Aufbau des Tatbestands: 14 1. Einleitungssatz (Präsens) 2. Feststehender Sachverhalt (Imperfekt) Vgl. KOPP/SCHENKE, § 117 VwGO, Rn. 12 f. 16 § 1 DAS VERWALTUNGSGERICHTLICHE URTEIL 3. Verfahrensgeschichte, d.h. Bescheid, Widerspruch, Widerspruchsbescheid (Imperfekt) 4. (kleine) Prozessgeschichte (Perfekt) 5. Behauptungen und Rechtsausführungen des Klägers (indirekte Rede, Präsens) 6. Antrag des Klägers (Präsens) 7. Antrag des Beklagten (Präsens) 8. Behauptungen und Rechtsausführungen des Beklagten (indirekte Rede, Präsens) 9. Ggf. Beigeladenenvorbringen und Antrag 10. Ggf. Replik, Duplik 11. Prozessgeschichte (Perfekt) 9 hemmer-Methode: Es gilt grds. das aus dem Zivilrecht zum Abfassen eines Tatbestand Bekannte, weshalb die nachfolgende Darstellung auf das Nötigste beschränkt wird. Achten Sie aber unbedingt darauf, ob Ihnen der Klausurensteller nicht vielleicht den Tatbestand erlassen hat15 und verschwenden Sie so keine Zeit mit Dingen, die nicht gefragt sind. 1. Einleitungssatz Einleitungssatz Der Einleitungssatz macht mit kurzen Worten klar worum es geht und dient der Orientierung des Lesers. Dem Korrektor zeigt er außerdem, dass sich der Bearbeiter gedankliche Klarheit über den Fall verschafft hat. 17 Bsp.: „Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung“ oder: „Der Kläger wendet sich gegen eine von dem Beklagten dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung“ Anmerkung: Im Einleitungssatz dürfen jedoch keinesfalls unklare Anträge ausgelegt oder andere der Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung vorbehaltene Dinge problematisiert werden. 2. Feststehender Sachverhalt Amtsermittlungsgrundsatz beachten! 15 Hierher gehört der Teil des Sachverhalts, den das Gericht ohne Beweisaufnahme seiner Entscheidung zugrunde legen kann. Im Unterschied zum Zivilprozess genügt hier wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes gem. § 86 I 1 VwGO nicht die Unstreitigkeit einer Tatsache. Die entsprechenden Umstände müssen für das Gericht vielmehr unzweifelhaft feststehen. Dies liegt in öffentlich-rechtlichen Assessorklausuren etwa in Bayern in der Regel vor. 18 10 DIE ASSESSORKLAUSUR IM ÖFFENTLICHEN RECHT Hemmer-Klausur-Tipp Hier müssen Sie exakt arbeiten, da Sie später - in den Entscheidungsgründen - nur verwerten können, was Sie im Tatbestand aufgeführt haben. Im Tatbestand müssen Sie also den Prüfungsstoff des Gerichts aufbereiten und niederlegen, um ihn in den Gründen rechtlich bewerten zu können. Bsp.: Im Rahmen einer baurechtlichen Nachbarklage, in der sich der Kläger gegen die Baugenehmigung des Nachbarn mit der Begründung wendet, dessen Vorhaben würde sich nicht in die nähere Umgebung einfügen, müssen Sie die Angaben des Sachverhalts - soweit sie als feststehend einzustufen sind - an dieser Stelle des Sachverhalts wiedergeben, um eine spätere Prüfung des § 34 I BauGB zu ermöglichen. In einem solchen Fall sähe der Teil des Tatbestands etwa wie folgt aus: „Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlurNr. 334/1 in Oberndorf, Donauweg 14, welches mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Der Beigeladene ist Eigentümer des unmittelbar angrenzenden Grundstücks FlurNr. 335/1 in Oberndorf, Donauweg 12, welches bisher unbebaut ist. In der näheren Umgebung des betreffenden Gebiets, für das kein Bebauungsplan besteht, befinden sich mehrere landwirtschaftliche Betriebe, Einfamilienhäuser, zwei Gaststätten, eine Tankstelle, sowie drei Handwerksbetriebe.“ Nur mit einer derart detaillierten Schilderung eröffnen Sie sich den Weg zu einer nachfolgenden umfassenden Prüfung. Hier etwas wegzulassen hätte unmittelbaren Einfluss auf die Tiefe der späteren Prüfung. 3. Verfahrensgeschichte Geschichte des Verwaltungsverfahrens (Ausgangs- und Widerspruchsverfahren) Nach dem feststehenden Sachverhalt erfolgt die Darstellung der Verfahrensgeschichte. Hierher gehören also Anträge der Beteiligten im Verwaltungsverfahren, die darauf folgende Entscheidung der Verwaltungsbehörde (ggf. mit kurzer Begründung im Konjunktiv), der Widerspruch des Klägers dagegen, sowie der Widerspruchsbescheid mit kurzer Begründung. Verwenden Sie nach Möglichkeit den Wortlaut der Bescheide und geben sie die Rechtsgrundlagen an, auf die sich die Behörde bei ihrer Entscheidung gestützt hat. 19 Soweit die Behörde über Ermessen bei ihrer Entscheidung verfügte, sind auch die von der Behörde angestellten Ermessenserwägungen anzugeben. Auch eventuelle Verfahrensverstöße oder das Vorliegen einer Verböserung im Widerspruchsbescheid (reformatio in peius) gehören hierher. exakte Angabe aller Daten Im Hinblick auf mögliche (und im Examen beliebte) Fristprobleme sind auch alle relevanten Daten exakt anzugeben, da ansonsten später keine Fristberechnung möglich ist. 4. „Kleine“ Prozessgeschichte „kleine“ Prozessgeschichte Soweit keine Besonderheiten vorliegen, bleibt hier nur Raum für die Angabe wann Klage erhoben wurde. Diese Angabe (mit den entsprechenden Daten) darf aber keinesfalls vergessen werden. Anmerkung: Beachten Sie, dass Klageerhebung mit dem Tag des Eingangs des Schriftsatzes bei Gericht erfolgt, nicht an dem Tag, an dem die Klageschrift verfasst worden ist (§ 81 VwGO).16 Fehler an dieser Stelle wirken sehr anfängerhaft. 16 Vgl. Sie für den genauen Zeitpunkt der Klageerhebung in verschiedenen Konstellationen KOPP/SCHENKE, § 74 VwGO, Rn. 8 ff. 20