Meniskuserkrankungen

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Meniskuserkrankungen
Meniskuserkrankungen
Meniskuserkrankungen
K. Anagnostakos, F. Bachelier, D. Kohn
Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar
Meniskuserkrankungen gehören zu den häufigsten
Krankheitsbildern im Bereich der Orthopädie, welche
oft zu langwierigen Heilungsverläufen führen und die
Lebensqualität von Patienten stark einschränken kön−
nen. Abhängig vom Ausmaß und Lokalisation des
Schadens, dem Zeitpunkt der Diagnosestellung sowie
dem Alter des Patienten stehen verschiedene thera−
peutische Möglichkeiten zur Verfügung. Genaue ana−
tomische Kenntnisse der Menisken dienen nicht nur
der klinischen Diagnosestellung, sondern stellen eben−
falls unabdingbare Voraussetzungen für eine adäquate
operative Versorgung dar. In diesem Beitrag werden
systematisch die Anatomie, Ätiologie und Diagnostik
von Meniskuserkrankungen erläutert sowie ein ge−
naues Konzept zur Therapie und Nachbehandlung vor−
gestellt.
Einleitung
in der Hocke oder bei der Ausübung kniebelastender
Sportarten häufig zur Degeneration des Innenmenis−
kushinterhorns.
Bei jüngeren, aktiven Patienten ist die traumatische
Läsion häufiger. Dabei wird der Innenmeniskus bevor−
zugt geschädigt, da er mit dem Innenband fest ver−
wachsen ist, während der Außenmeniskus stärker be−
weglich ist und dem Femurkondylus besser folgt (s. u.).
Bei älteren Patienten treten bevorzugt degenerative
Meniskusschäden auf. Dabei gilt als Prädilektionsstelle
die Übergangszone zwischen dem kapselnahen und den
zwei zentralen Dritteln wegen der nutritiven Versor−
gung (s. u.). Degenerativ vorgeschädigte Menisken kön−
nen sogar während physiologischer Bewegungen rei−
ßen.
Eine Studie aus Anfang der 90er−Jahre ergab ein Ver−
hältnis von männlichen zu weiblichen Patienten von
2,5 : 1. Bei den männlichen Patienten traten die meisten
Verletzungen im Alter zwischen 31 und 40 Jahren auf,
bei den weiblichen Patienten lag der Altersgipfel zwi−
schen 11 und 20 Jahren. Im Kindesalter sind Meniskus−
verletzungen aufgrund der großen Gewebeelastizität
äußerst selten, wobei es sich dabei ausschließlich um
traumatische Läsionen handelt.
Epidemiologie/Ätiologie
Die Menisken übernehmen die Funktionen der Lastver−
teilung, Stoßdämpfung und Stabilisierung im Bereich
des Kniegelenkes. Durch ein akutes Trauma, rezidivie−
rende Mikrotraumata oder altersbedingte Degeneratio−
nen können verschiedene Meniskuserkrankungen ent−
stehen.
Meniskusschäden können sowohl isoliert als auch in
Kombination mit Bandläsionen auftreten.
" Ein Knieverdrehtrauma mit Kombination von axia−
ler Belastung und Rotationsscherkräften ist der typi−
sche Unfallmechanismus.
Ein direktes Trauma ist aufgrund der Lage der Menisken
zwischen Femur und Tibia sehr selten. Eine Ausnahme
bildet die begleitende Meniskusverletzung bei Tibia−
kopffrakturen. 1958 beschrieb O’Donoghue erstmalig
den Begriff der ¹Unhappy Triad“ (Ruptur des vorderen
Kreuzbandes [VKB], des Innenbandes und Innenmenis−
kusriss). Mittlerweile ist es bekannt, dass bei einer
Kombinationsverletzung mit dem vorderen Kreuzband
der Außenmeniskus häufiger betroffen ist. Beim VKB−
insuffizienten Knie ist allerdings das Risiko für Innen−
meniskusläsionen deutlich höher. Die Ursache dafür
liegt darin, dass das Hinterhorn des Innenmeniskus zur
Stabilisierung des Kniegelenkes beiträgt, indem es als
Barriere gegen die vordere Translation wirkt. Bei einer
primären Degeneration kommt es zu einem vorzeitigen
Alterungsprozess des jeweiligen Meniskus ohne ein
nachweisbares Trauma infolge von Überlastung und/
oder Achsenfehlstellung und/oder Knorpelschäden.
Darüber hinaus kommt es bei regelmäßigen Arbeiten
Anatomie
Die Menisken sind C−förmige, faserknorpelige Gewebe−
scheiben, die zwischen den Femurkondylen und der
Tibia liegen. Die Meniskusbasis ist an der Gelenkkapsel
befestigt, während die Menisken zum Zentrum in einem
dünnen, freiliegenden Keil enden. Die Oberflächen der
Menisken sind konkav und artikulieren mit den Femur−
kondylen, die Unterflächen sind flach und liegen auf
dem Tibiaplateau.
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 477 ± 494 ê DOI 10.1055/s−2006−944752
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Beckengürtel und untere Extremität
klinischer Verdacht auf Meniskusläsion
bildgebende Diagnostik (Rö, MRT)
Bei älteren Patienten mit unklarer Klinik,
MRT 6 Wochen nach Manifestation der Beschwerden
keine Meniskusläsion
Meniskusläsion
stabil
instabil
konservative
Therapie
operative
Therapie
weitere Diagnostik
Meniskusrefixation
durchführbar
nicht durchführbar
Meniskusnaht
Meniskektomie
partiell
subtotal
total
Abb. 1 n Algorithmus zum diagnostischen und therapeutischen Vorgehen bei Menis−
kuserkrankungen.
Menisken sind aus Faserknorpelgewebe aufgebaut.
75 % des Meniskus besteht aus Wasser, 25 % entfällt auf
Kollagen Typ I, Proteoglykane und Fibrochondrozyten.
Die Kollagenfasern bilden eine dreidimensionale arka−
denförmige Gitterstruktur, wobei die einzelnen Bogen−
fasern durch Zwischenbündel zu gröberen konzentri−
schen Bündeln vereinigt werden.
Innenmeniskus. Er ist halbmondförmig und durch−
schnittlich 3,5 cm lang. Im Bereich des Hinterhorns hat
er eine Breite von 13 ± 17 mm, wobei er sich nach vorn
auf 8 ± 9 mm verschmälert. Sein Vorderhorn inseriert in
der Area intercondylaris anterior, wobei sich die hinte−
ren Anteile des Vorderhorns mit dem Lig. transversum
genus vereinen, welches den Innen− und Außenmenis−
kus miteinander verbindet. Das Innenmeniskushinter−
horn ist in der Area intercondylaris posterior befestigt.
Der mediale Meniskus ist über seine gesamte Länge mit
der Gelenkkapsel verbunden.
Außenmeniskus. Er ist im Gegensatz zum Innenmenis−
kus fast ringförmig und sein Verlauf wird nur durch die
Eminentia intercondylaris unterbrochen. Er verfügt
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über eine gleichmäßige Breite (11 ± 13 mm) und bedeckt
einen größeren Anteil des tibialen Plateaus als der me−
diale Meniskus. Das Vorderhorn ist vor der Eminentia
intercondylaris und hinter dem Ansatz des vorderen
Kreuzbandes befestigt. Die Befestigung des Hinterhorns
liegt hinter der Eminentia und vor der Insertionsstelle
des Innenmeniskushinterhorns. Mit der medialen Flä−
che des Condylus femoris medialis in der Fossa inter−
condylaris ist der laterale Meniskus mittels des anterio−
ren (Humphrey) und posterioren (Wrisberg) menisko−
femoralen Ligamentes verbunden. Das Humphrey−Liga−
ment verläuft vor, das Wrisberg−Ligament hinter dem
hinteren Kreuzband. In seinem lateralen Verlauf wird
der Außenmeniskus durch die Sehne des M. popliteus
vom Stratum synoviale der Gelenkkapsel und dem
Außenband getrennt.
Blutversorgung. Blutgefäße sind nur in der Peripherie
der Menisken enthalten. 20 ± 30 % der Peripherie des
Innen− und 10 ± 25 % der des Außenmeniskus werden
durch die Gefäße der Gelenkkapsel und jeweils einen
Ast der A. inferior genus versorgt. Die Ausdehnung des
mit Blutgefäßen versorgten Randsaumes beträgt im
lastaufnehmenden Bereich unabhängig von der Menis−
kusbreite 1,5 ± 2 mm. Die mittlere Region der Menisken
wird teils durch Blutgefäße, teils durch Diffusion aus
der Synovialflüssigkeit versorgt. Der innere Anteil der
Menisken ist allerdings komplett avaskulär und wird
nur über Diffusion ernährt. Je nach Vorhandensein oder
dem Fehlen von Gefäßen wurde das Meniskusgewebe in
3 Zonen aufgeteilt:
n
rot−rot Zone (kapselnah),
n
rot−weiß Zone (bis ca. 2 ± 3 mm von der Kapsel
entfernt),
n
weiß−weiß Zone (Rest).
Aus klinischer Sicht hat die Abwesenheit von Blutge−
fäßen sowie das Vorkommen von Faserknorpel in den
inneren zwei Dritteln der Menisken Bedeutung für die
schlechte Heilung von Rissen in diesem Bereich.
Biomechanik
Durch ihre Form dienen die Menisken der Vergrößerung
der femorotibialen Kontaktfläche. So entsteht eine
Kniegelenkpfanne, bestehend aus den tibialen Gelenk−
flächen, den Menisken und den Kapselschalen. Dadurch
gelingt bei intakten Menisken eine Reduktion der direkt
auf den hyalinen Knorpel wirkenden Last um 45 ± 70 %.
Bei kompletter Meniskusentfernung steigt die Druck−
belastung hingegen um 200 ± 300 %. Zudem können die
Menisken bei straffen Bandverbindungen durch Verfor−
mung Stoßenergie absorbieren. Dies wird durch die in−
termeniskale Bandfixation durch das Lig. transversum
und die Fixation am Condylus femoris medialis mittels
Meniskuserkrankungen
der Ligg. meniscofemoralia Wrisberg und Humphrey
ermöglicht. Meniskotibiale sowie meniskokapsuläre
Verbindungen dienen der zusätzlichen Stabilisation des
Kniegelenkes. Während der Flexion gleiten die Femur−
kondylen nach posterior in Verbindung mit einer tibia−
len Innenrotation. Hierbei verhindern die Meniskus−
hinterhörner ein Überrollen der Femurkondylen bei
zunehmender Beugung und können sich in anteropos−
teriorer Richtung verschieben. Dafür steht dem Außen−
meniskus eine im Vergleich zum Innenmeniskus dop−
pelte Wegstrecke zur Verfügung (11,2 vs. 5,1 mm). Diese
Translation verhindert den Kontakt des dorsalen Fe−
murs mit dem Tibiaplateau bei endgradiger Flexion.
Im medialen Kompartiment ist der Meniskus fester
mit dem Bandapparat verbunden und es besteht ein
Verhältnis von Abrollen zur Translation des Femurkon−
dylus von 1 : 1. Im lateralen Kompartiment ist dieses
Verhältnis 1 : 4. So kann der Außenmeniskus durch sei−
ne vermehrte Mobilität der Kondyle besser folgen. Dies
wird für die geringere Häufigkeit von Außenmeniskus−
verletzungen verantwortlich gemacht.
Die Kongruenz des femorotibilalen Gelenkes wird
während des gesamten Bewegungsspiels durch gesunde
und mobile Menisken ermöglicht.
dorsal
a
f
lateral
b
e
Klassifikation nach Lokalisation des Schadens (Abb. 2).
Nach dieser Klassifikation werden Meniskusrisse nach
Ort der Rissbildung bezüglich der Zirkumferenz auf
Risse im vorderen, mittleren und hinteren Drittel un−
terteilt. Ebenso können Meniskusrisse nach der Scha−
denslokalisation bezüglich des radiären Querschnittes
in Risse im inneren, mittleren und peripheren Drittel
unterteilt werden. Eine Aussage über die Durchblutung
und Heilungschance eines Meniskusrisses ist anhand
dieser Einteilung möglich:
n
Risse im peripheren Drittel befinden sich in der gut
vaskularisierten roten Zone, in der eine Heilung
möglich ist.
n
Risse im zentralen oder auch inneren Drittel befin−
den sich in der weißen Zone, einem Teil des Menis−
kus, der durch Diffusion ernährt wird und keine ei−
gene Blutversorgung besitzt.
n
Bei Rissen des mittleren Drittels ist eine Heilung nur
bei Verwendung spezieller, die Gewebeheilung för−
dernder Maßnahmen möglich.
0 1
2
3
d
c
ventral
Abb. 2 n Schema zur Lokalisation von Meniskusläsionen (Quelle: Wirth CJ, Zichner L.
Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Band: Knie; Kohn D. Stuttgart: Georg Thieme
Verlag; 2005).
a
Abb. 3 n
Klassifikation
von Meniskus−
läsionen nach
der Rissform
(Quelle: Wirth CJ,
Zichner L. Ortho−
pädie und Ortho−
pädische Chi−
rurgie. Band:
Knie; Kohn D.
Stuttgart: Georg
Thieme Verlag;
2005).
Radiärriss
b
Klassifikation
Zur Standardisierung der klinischen Dokumentation
sowie für eine wissenschaftliche Auswertung wird die
Verwendung folgender Klassifikationen in der Original−
fassung empfohlen:
medial
Längsriss
c
Horizontalriss
d
e
Lappenriss
Korbhenkelriss
Klassifikation nach der Rissform (Abb. 3). Nach Trillats
Theorie gehen nahezu alle Rissformen des Innenmenis−
kus auf den häufigsten Riss, den basisnahen Längsriss
am Überhang vom mittleren zum dorsalen Drittel des
Innenmeniskus, zurück. Von ihm ausgehend können sie
sich zum Lappenriss bei Ruptur des zentralen dorsalen
Anteiles weiterentwickeln. Bei Ausweitung der Läsion
vom Längsriss im Bereich des mittleren zum hinteren
Drittel nach ventral kann sich ein sog. Korbhenkelriss
ausbilden. Dieser kann in das mediale Kompartiment
luxieren und dort symptomfrei bleiben oder allenfalls
geringe Symptomatik, gelegentlich auffallend als
¹federnde Streckhemmung“, bieten. Rupturiert der
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Beckengürtel und untere Extremität
¹Korbhenkel“, bilden sich ein vorderer und hinterer
Lappen, die das Gelenkspiel blockieren oder zu
Schnappphänomenen führen. Darüber hinaus wurde
von Smillie der Horizontalriss des Meniskushinterhorns
beschrieben, der in Lappenform ab Ober− oder Unterflä−
che des Meniskus abscheren kann. Radiärrisse beginnen
am inneren Rand des Meniskus und verlaufen bis zu
dessen Basis. Bei Komplexrissen handelt es sich meist
um kombinierte Verläufe von Lappen−, Längs− und Ra−
diärrissen auf dem Boden von degenerativen Läsionen.
Hierbei sind häufig Patienten über 40 Jahre betroffen,
die über schon längere Zeit bestehende Kniebeschwer−
den berichten, welche sich nun stetig verschlimmert
hätten.
Klassifikation der Läsion nach MRT. Nach Stoller kön−
nen Meniskusläsionen kernspintomographisch in Grade
unterteilt werden. Diese basieren auf der Beurteilung
intrameniskaler Signalveränderungen in Bezug zur
Meniskusoberfläche (s. bildgebende Verfahren). Mit
einer Treffsicherheit von 90 ± 98 % ist die Magnetreso−
nanztomographie theoretisch das bildgebende Diag−
nostikum der Wahl. Dies wird in der Praxis leider oft
eingeschränkt von der erreichten Auflösung und der
mangelnden Erfahrung des Radiologen.
Klassifikation nach Ursache. Meniskusschäden entste−
hen zumeist auf dem Boden von rezidivierenden indi−
rekten Kompressions− und Rotationsmikrotraumen.
Häufiger als isolierte traumatische Meniskusrisse sind
kombinierte Band− und Meniskusverletzungen. Primär
degenerative Meniskusverletzungen werden am häu−
figsten zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr beobach−
tet. Hierbei handelt es sich um einen vorzeitigen Ver−
schleiß ohne nachweisbares Trauma, begleitet von
Horizontal−, Lappen− oder Komplexrissen.
Bei Vorhandensein eines Scheibenmeniskus sollte
nur bei Symptomentwicklung ± mit oder ohne sichtbare
Meniskusläsion ± eine ausgedehnte Resektion bis auf
eine stabile Randleiste erfolgen.
" Cave. Gefahr besteht bei einer eingeschränkten ar−
throskopischen Übersicht, die zu einer zu ausgedehn−
ten Resektion unter Mitnahme der Randleiste führen
kann. Dies sollte vermieden werden, da es sich an−
schließend funktionell um eine komplette Meniskek−
tomie handelt.
Ein intakter diskoider Meniskus, der sich bei der Unter−
suchung asymptomatisch zeigte, ist arthroskopisch als
Zufallsbefund zu werten und bedarf keiner weiteren
Therapie.
Neben Rissen können in den Menisken sowohl Gan−
glien als auch Ossikel auftreten. Ein Meniskusganglion
steht im anatomischen Zusammenhang mit der Menis−
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Abb. 4
n
MRT−Darstellung eines Meniskusganglions (Pfeil).
kusbasis und wölbt sich meistens in Höhe des Gelenk−
spaltes nach außen vor (Abb. 4 ). In Einzelfällen sind
ausschließlich intraartikuläre Zysten ebenfalls be−
schrieben. Der Zysteninhalt besteht aus einer geleearti−
gen Substanz oder Flüssigkeit. Die Datenlage hinsicht−
lich Lokalisation ist uneinheitlich und reicht von einer
überwiegenden Lokalisation im Bereich des lateralen
Meniskus bis zu einer Gleichverteilung auf beide Me−
nisken. In der Mehrheit der Fälle bestehen gleichzeitig
Meniskusrisse.
Ossikel sind Verknöcherungen in der Meniskussub−
stanz. Am häufigsten sind sie im Hinterhorn des Innen−
meniskus lokalisiert. Die genaue Ätiologie ist nicht ein−
deutig geklärt. Die posttraumatische Entstehung über
eine Metaplasie des Meniskusgewebes wird postuliert
und eine Avulsion des Innenmeniskushinterhorns als
Ausgangsverletzung beschrieben. Anatomische Studien
haben jedoch gezeigt, dass Ossikel regelmäßig im In−
nenmeniskushinterhorn des bengalischen Tigers vor−
kommen, sodass sie auch als eine unvollständig rück−
gebildete phylogenetische Variante interpretiert
werden können. Beim symptomlosen Knie besteht kei−
ne Indikation zur spezifischen Therapie. Bei Auftreten
von Beschwerden kann zunächst ein konservativer The−
rapieversuch angestrebt werden, bei Beschwerdenper−
sistenz kann eine arthroskopische Resektion erfolgen.
Meniskuserkrankungen
Diagnostik
Klinik
Anamnese. Eine detaillierte Anamnese zu den aufge−
tretenen Kniebeschwerden des Patienten sollte insbe−
sondere Knieverletzungen in der Vorgeschichte, aber
auch besonders kniebelastende Tätigkeiten (Arbeiten
in tiefer Hocke, spezifische Sportarten) beinhalten.
Angaben zur Entstehung, einem eventuellen Unfall−
mechanismus, der Dauer der Beschwerden sowie der
aktuellen Symptomatik sind von entscheidender Be−
deutung.
Oftmals sind Meniskuserkrankungen von einer
Symptomtrias aus Schmerz, Blockierung und Schwel−
lung begleitet. Die Schmerzen werden durch die Pa−
tienten in Projektion auf den Gelenkspalt angegeben.
Gelegentliche Blockierungen, teilweise reversibel, aber
auch bestehende Blockaden, u. U. einhergehend mit
einer Streckhemmung, sind häufig.
" Symptomentrias bei Meniskuserkrankungen:
± Schmerz,
± Blockierung,
± Schwellung.
Inspektion. Eine den Schmerz begleitende Schwellung
des Kniegelenkes kann verschiedene Ursachen haben.
Ein Reizerguss kann neben dem Verstreichen der Knie−
gelenkkonturen auch bei längerer Dauer eine Schwel−
lung der Kniekehle mit Ausbildung einer Poplitealzyste
bewirken. Hierbei handelt es sich um eine bei vorlie−
genden Meniskusschäden nicht behandlungsbedürftige
Aussackung der Kniegelenkkapsel. Nach Sanierung der
Läsion und damit fehlendem Reiz zur vermehrten Bil−
dung eines Gelenkergusses bildet sich diese wieder zu−
rück. Eine Schwellung in Höhe des Gelenkspaltes tritt
häufig bei vorliegendem Meniskusganglion auf.
Bei älteren Meniskusläsionen kann nicht selten eine
Quadrizepsatrophie, insbesondere des M. vastus me−
dialis beobachtet werden. Die Analyse des Gangbildes
kann einen zusätzlichen Hinweis auf das Vorliegen ei−
nes Meniskusschadens geben, wenn ein Schonhinken
demonstriert wird.
Klinische Untersuchung. Die klinische Untersuchung
des Knies bei vermuteten Meniskusschäden sollte stan−
dardisiert ablaufen, da einzelne Untersuchungsschritte
allein keine ausreichende Sicherheit über die Verlet−
zung geben. Eine Anzahl von Untersuchungshandgriffen
dient dazu, die Wahrscheinlichkeit der Diagnose einer
vorliegenden Schädigung zu erhöhen und weitere diag−
nostische Schritte zu indizieren. Die sog. Meniskuszei−
chen provozieren einen Schmerz in der Weise, dass der
Checkliste
Anamnese
Knieverletzungen in der Vorgeschichte?
Beruf?
Sportarten?
Entstehung der Beschwerden?
Unfallmechanismus?
Dauer der Beschwerden?
Aktuelle Beschwerden?
Meniskus Druck−, Rotations− oder Zugkräften ausge−
setzt wird.
Neben den Meniskustests sollten der Bewegungs−
umfang, die Bandstabilität der Kreuz− und Kollateral−
bänder ebenso wie Durchblutung, Motorik und Sensibi−
lität mitbeurteilt werden. Das Zeichen der ¹tanzenden
Patella“ weist auf einen Gelenkerguss hin.
Als spezifische Funktions− und Schmerztests stehen
verschiedene ¹Meniskuszeichen“ zur Verfügung:
n
Palpation des Gelenkspaltes: Da der Meniskus nur in
den äußeren Anteilen Nervenfasern enthält, wird
dieses schmerzauslösende Manöver einer lokalen
Synovitis im Bereich des Meniskusschadens zuge−
sprochen.
n
Steinmann−I−Zeichen: Rotation des Unterschenkels
am 90 8 gebeugten Knie. Dadurch spannt sich bei Au−
ßenrotation die mediale Kapsel an und kann einen
Schmerz auf Höhe des inneren Gelenkspaltes bei
Vorliegen einer Innenmeniskusläsion erzeugen. Ent−
sprechend ist eine Schmerzangabe bei Innenrotation
am äußeren Gelenkspalt ein Hinweis auf eine
Außenmeniskusverletzung.
n
Steinmann−II−Zeichen: Bei zunehmender Kniebeu−
gung ¹wandert“ der Schmerz auf Höhe des Gelenk−
spaltes nach dorsal.
n
Apley−Test: In Bauchlage am 90 8 flektierten Knie
durchgeführte Rotationsbewegung des Unterschen−
kels. Unter Druckbelastung, entsprechend Stein−
mann I, ergibt sich ein Hinweis auf eine Meniskus−
schädigung. Wird der Rotationstest bei fixiertem
Oberschenkel unter Zug durchgeführt, weist ein An−
spannungsschmerz auf eine Verletzung der Kollate−
ralbänder hin.
n
Payr−Zeichen: Schmerzangabe am medialen Gelenk−
spalt im Schneidersitz durch Kompression des In−
nenmeniskushinterhorns.
n
Passive Überstreckung: Kompression der Meniskus−
vorderhörner.
n
Passive Überbeugung: Kompression der Meniskus−
hinterhörner.
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481
Beckengürtel und untere Extremität
n
n
McMurray−Test: Überführung des Unterschenkels
aus einer Abduktions−Außenrotations−Stellung
in eine Adduktions−Innenrotations−Stellung am 90 8
gebeugten Knie in Rückenlage. Hierbei kann ein
Schnappphänomen beim Einklemmen des Meniskus
am Gelenkspalt palpiert werden.
Streckhemmung: Häufig weist das Vorliegen einer
Streckhemmung auf eine das Gelenkspiel behin−
dernde Einklemmung eines Meniskusanteiles hin.
Insbesondere Luxationen eines Korbhenkelrisses ge−
hen mit einer meist schmerzfreien federnden
Streckhemmung einher.
Kein einzelner Test besitzt eine Spezifität von > 60 %.
Eine Ausnahme stellt das Zeichen nach Finochietto dar,
welches nur bei gleichzeitiger Verletzung vom vorderen
Kreuzband und Innenmeniskushinterhorn positiv ist:
Bei vorderer Schublade springt der Kondylus in dem
Meniskusdefekt, was vom Patienten und Untersucher
als deutliches Schnappen empfunden wird. Bei Reposi−
tion springt der Kondylus zurück in die Plateaumitte.
Die Punktion des Kniegelenkes hat sowohl einen
bedeutsamen differenzialdiagnostischen als auch the−
rapeutischen Stellenwert. Sie sollte bei einem neu auf−
getretenen Gelenkerguss durchgeführt werden, vor al−
lem wenn ein Streckdefizit vorliegt. Ein blutiges Punktat
weist nach Ausschluss von osteochondralen Läsionen
und stattgehabten Bandverletzungen auf einen mögli−
cherweise randständigen, rekonstruierbaren Meniskus−
riss hin. Differenzialdiagnostisch sollte allerdings stets
an Krankheitsbilder von Gerinnungsstörungen, z. B. Hä−
mophilie, gedacht werden. Das gewonnene Punktat
sollte weiter mikrobiologisch und histopathologisch
analysiert werden.
Bildgebende Verfahren
Röntgen. Bei der Verdachtsdiagnose einer Meniskuslä−
sion sollten zunächst native Röntgenaufnahmen des
betroffenen Kniegelenkes zur differenzialdiagnosti−
schen Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern
durchgeführt werden. Sinnvoll sind:
n
Kniegelenkaufnahmen in 2 Ebenen mit Patella−
tangentialaufnahme,
n
die Tunnelaufnahme nach Frik,
n
458−Belastungsaufnahmen bei Verdacht auf eine
initiale medialseitige Gonarthrose.
Bei älteren Läsionen kann das Rauber−Zeichen beob−
achtet werden, was eine beginnende Konsolenbildung
ist, allerdings gilt es als unspezifisch und inkonstant.
MRT. Das MRT wird heutzutage als Goldstandard zur
Diagnosestellung eines Meniskusschadens eingesetzt.
Abhängig von der jeweiligen Fragestellung kann dies
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mit oder ohne Kontrastmittel erfolgen. Zur weiteren
Abklärung spezieller Befunde kann sogar eine MR−
Arthrographie durchgeführt werden. Dabei wird die
direkte (intraartikuläre Applikation des Kontrastmit−
tels) von der indirekten MR−Arthrographie (intravenöse
Gabe) unterschieden. Indikationen sind z. B. der Ver−
dacht auf eine Osteochondrosis dissecans oder eine
Reruptur nach Meniskusnaht. Die Treffsicherheit der
Untersuchung wird in der Literatur zwischen 91 ± 94 %
für Läsionen des Innenmeniskus und 88 ± 100 % für
solche des Außenmeniskus angegeben. Stoller führte
auf der Basis von histologischen Untersuchungen eine
kernspintomographische Klassifikation für Meniskus−
läsionen ein:
n
Grad I: punktförmige bis irreguläre Signalanhebung
im Meniskuskörper ohne Kontakt zur Oberfläche,
n
Grad II: lineare, nicht an die Ober− oder Unterfläche
reichende Signalalteration,
n
Grad III: lineare Signalerhöhung, die auf mehr als ei−
nem Bild bis zur Ober− oder Unterfläche reicht,
n
Grad IV: mehrere bis zur Ober− oder Unterfläche rei−
chende Signalalterationen.
Grad−I− und −II−Läsionen haben keine sicheren patholo−
gischen Wert. Bei arthroskopischen Operationen sind
diese Veränderungen aufgrund der intakten Oberfläche
nicht sichtbar. Sie kommen häufig bei älteren Menschen
oder Sportlern vor.
Interessanterweise zeigt das MRT Meniskusläsionen
bei asymptomatischen Kniegelenken mit einer Präva−
lenz von bis zu 36 %. Deshalb sollten die MRT−Befunde
immer durch die klinische Untersuchung überprüft
werden.
Ebenfalls ist das Kernspintomogramm besonders gut
geeignet zur Abgrenzung von Meniskusossikeln zu frei−
en Gelenkkörpern, wobei sich Meniskusossikel als run−
de, verglichen zum Knochenmarkgehalt T1−hyperinten−
se und T2−hypointense Struktur erscheinen lassen.
Physiologische Signaländerungen können auch im
MRT vorkommen. Dies gilt insbesondere für ein erhöh−
tes Signal an der Meniskusbasis auf den T1−gewichteten
Aufnahmen. Dieses wird durch lockeres fibrovaskuläres
Gewebe, teilweise mit Fetteinlagerung, verursacht. Vor
allem bei Kindern kann ein Teil eines embryologisch
angelegten zentralen fibrovaskulären Bündels persis−
tieren und auch zu Signalanhebungen führen.
Sonographie. Im Rahmen der Ultraschalldiagnostik
können Meniskusschäden ebenfalls nachgewiesen wer−
den. Die Kniekehle und der Gelenkspalt werden mit
einem Linearscanner oder einem Sektorscanner in
2 senkrecht zueinander stehenden Ebenen abgetastet.
Ganglien oder Poplitealzysten lassen sich als echoarme
Räume abbilden. Die direkte Visualisierung einer Me−
niskusläsion erfordert einen Sektorscanner. Artefakte
Meniskuserkrankungen
und der im Schallschatten der Meniskusbasis liegende
freie Meniskusrand schränken den Aussagewert dieser
Untersuchung ein.
Arthrographie. Die Arthrographie hat seit der Einfüh−
rung der Kernspintomographie an Bedeutung verloren
und besitzt heutzutage nur noch historischen Wert.
asymptomatische Rissformen sind nicht behand−
lungsbedürftig.
Übliche konservative Behandlungsmaßnahmen sind:
orale Medikation mit nichtsteroidalen Antiphlo−
gistika,
n
perkutane Anwendung derselben,
n
lokale oder evtl. intraartikuläre Injektion von Lokal−
anästhetika.
n
Differenzialdiagnosen
Verschiedene orthopädische Krankheitsbilder sollten
bei der Diagnosestellung eines Meniskusschadens be−
rücksichtigt und abgegrenzt werden:
n
Gonarthrose,
n
Kniebandläsion,
n
Morbus Ahlbäck,
n
Osteochondrosis dissecans,
n
Plica mediopatellaris,
n
rheumatoide Arthritis,
n
Chondromatosis synovialis,
n
Gicht,
n
Pseudogicht,
n
pigmentierte villonoduläre Synovitis,
n
sympathische Reflexdystrophie (Morbus Sudeck),
n
Tumoren.
" Eine gezielte Anamnese, eine sorgfältige klinische
Untersuchung sowie der adäquate Einsatz der appara−
tiven Diagnostik unter Berücksichtigung von Ein−
schränkungen der jeweiligen Methodik (das MRT ver−
fügt z. B. über ein diagnostisches Fenster von
6 Wochen zur Darstellung einer aseptischen Knochen−
nekrose!) sind die Voraussetzungen zur Abgrenzung
des Meniskusschadens gegen die oben aufgezählten
Differenzialdiagnosen.
Darüber hinaus können im Rahmen der physikalischen
Therapie Übungen zur Mobilisierung, Muskelkräftigung
und −dehnung, Elektro− und Kryotherapie praktiziert
werden.
Allerdings sollte jeder einzelne Fall individuell unter
Berücksichtigung des Patientenalters und der alltägli−
chen körperlichen Belastung sowohl im Beruf als auch
beim Sport betrachtet werden. Da instabile Menisken
möglicherweise Knorpelschäden verursachen, sollte bei
entsprechender klinischer Beschwerdepersistenz eine
operative Behandlung in Erwägung gezogen werden.
Operative Therapie
Die Standardtherapie einer Meniskusverletzung ist ar−
throskopisch. Vorteile der arthroskopischen Behand−
lung ist das geringere Operationstrauma in Verbindung
mit einer geringeren postoperativen Morbidität und
kürzeren Rehabilitationszeit. Als Standardoperations−
verfahren kommen die Meniskusteilentfernung sowie
die Meniskusnaht infrage. Indikation zur Meniskekto−
mie ist die nicht rekonstruierbare symptomatische
Läsion. Der Meniskusersatz sollte nach strenger Indika−
tionsstellung in Form der allogenen Meniskustrans−
plantation durchgeführt werden.
" Die offene Meniskuschirurgie wird nur noch im
Therapie
Rahmen offener Eingriffe bei gleichzeitig bestehenden
Bandverletzungen oder Frakturen durchgeführt.
Konservative Therapie
n
Die Indikationen zu einer konservativen Therapie von
Meniskusläsionen sind selten und nur in Ausnahmefäl−
len erfolgreich. Zu dieser Gruppe gehören:
n
stabile asymptomatische Meniskusrisse,
n
kleine Radiärrisse (weniger als 1/3 der Meniskus−
breite),
n
ein asymptomatischer intakter Scheibenmeniskus,
n
ein asymptomatischer Lappenriss.
Ziel der Teilentfernung eines Meniskus ist das Erreichen
der Symptomfreiheit durch Entfernen aller nicht re−
konstruierbaren, zerstörten und mobilen Meniskusan−
teile. Hierbei sollte intaktes Gewebe erhalten werden.
Die arthroskopische Teilentfernung von geschädigtem
Meniskusgewebe folgt der arthroskopischen Evaluation
der Rissform sowie der Begleitschäden. Das arthrosko−
pische Vorgehen hängt von der Rissform und der Riss−
lokalisation ab. Es werden alle mobilen Fragmente ent−
fernt, der Resektionsrand geglättet, eine Randleiste und
die Verbindung zur Kapsel belassen sowie das Gelenk
gespült.
" ¹Stabil“ ist eine Meniskusläsion, bei der der lädierte
Meniskusanteil nicht ins Gelenkinnere ragt oder nicht
weiter hineingezogen werden kann als es dem inneren
Rand eines intakten Meniskus entspricht. Stabile
Meniskusteilresektion
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
OuU, "018", 22.9.06, seitenweise, Seite 483
ê 2006 ê 477 ± 494
483
Beckengürtel und untere Extremität
Abb. 5 n
Gegenüberstel−
lung partielle
vs. totale
Meniskektomie.
partielle Menisketomie
n
Die Meniskusrekonstruktion dient der Schmerzbefrei−
ung und dem möglichst vollständigen Funktionserhalt
durch Rekonstruktion des Meniskus. Die Indikation zur
Meniskusrefixation besteht bei Erfüllung folgender Kri−
terien:
n
kompletter Longitudinalriss,
n
Instabilität der Meniskusläsion; in der Regel bei
Rissen von mehr als 10 mm Länge,
n
Lokalisation des Risses im durchbluteten kapsel−
nahen Drittel, weniger als 3 mm von der Meniskus−
peripherie entfernt,
n
keine wesentliche sekundäre Degeneration des
Meniskus.
a
Bevorzugt werden Meniskusrefixationen beim jungen
aktiven Patienten durchgeführt. Bei Kindern sollte unter
allen Umständen versucht werden, den Meniskus zu er−
halten. Eine echte Altersbegrenzung nach oben besteht
jedoch nicht. Entscheidend sind die Rissform und even−
tuelle Begleitschäden.
Eine Kontraindikation zur Meniskusrefixation be−
steht, sobald o. g. Kriterien nicht erfüllt sind oder der
Patient die längere Rehabilitationszeit nach Meniskus−
refixation ablehnt. In der Regel muss über einen Zeit−
raum von 6 Monaten eine Sportkarenz eingehalten
werden. Die Zeit eines beruflichen Ausfalles, insbeson−
dere bei kniebelastenden Tätigkeiten, steht oft im Wi−
derspruch zu dem Wunsch der Patienten nach einer ra−
schen Wiedereingliederung.
totale Menisketomie
b
c
n
d
Insofern können 3 verschiedene Arten der Meniskus−
entfernung unterschieden werden (Abb. 5 ):
n
Partielle Meniskusresektion: Weniger als 50 % der
Meniskussubstanz werden entfernt unter Erhalt des
Faserringes.
n
Subtotale Meniskusresektion: Mehr als 50 % der
Meniskussubstanz werden entfernt unter Erhalt des
Faserringes.
n
Totale Meniskektomie: Da funktionell die Randleise
von entscheidender Bedeutung ist, liegt bei Verlet−
zung der Randleiste auch bei erhaltenem Restmenis−
kus eine totale Meniskektomie vor.
484
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
OuU, "018", 22.9.06, seitenweise, Seite 484
Meniskusrefixation
ê 2006 ê 477 ± 494
Techniken der Meniskusnaht
Nach arthroskopischer Evaluation der Meniskusläsion
und Prüfung der Kriterien zur Nahtfähigkeit müssen
sog. heilungsfördernde Maßnahmen durchgeführt wer−
den. Besondere Bedeutung obliegt diesen bei isolierten
Meniskusverletzungen. Bei gleichzeitig durchgeführter
Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes wird ein
heilungsfördernder Effekt des nach Bandplastik vorlie−
genden Hämarthros vermutet. Insgesamt wurden hier−
bei die höchsten Heilungsraten erreicht. Ein Anfrischen
der Rissränder und der perimeniskalen Synovia ist obli−
gat. Optional kann die Randleiste mehrfach mit einer
Nadel durchstochen werden. Davon erhofft man sich ein
Einsprießen von Kapillaren und damit eine Verbesse−
rung der Heilung ausgehend von der Meniskusbasis.
Eine weitere Alternative ist das Einbringen eines Fib−
ringerinnsels in den Riss. Hierbei wird ein Gerinnsel aus
Patientenblut durch Rühren mit einem Glasstab erzeugt
und anschließend eingenäht. Dies geschieht unter der
Vorstellung, dass dadurch eine Stimulation des lokalen
Zellwachstums mit Heilungsbeschleunigung durch
Wachstumsfaktoren und Fibrin entsteht.
Meniskuserkrankungen
Innen−Außen−Technik (Abb. 6). Diese am häufigsten
durchgeführte Technik wird mittels fadenarmierter
biegsamer Nadeln, die unter arthroskopischer Sicht
durch lange Einfach− oder Doppelkanülen durch den
Meniskus nach außen geschoben werden, durchgeführt.
Die Fäden werden anschließend auf der Kapsel verkno−
tet. Zur Schonung der neurovaskulären Strukturen wird
bei Refixationen im Hinterhornbereich ein lateraler
oder medialer dorsaler Longitudinalschnitt mit Präpa−
ration auf die dorsale Kapsel empfohlen.
Außen−Innen−Technik (Abb. 7). Hierbei werden 2 Ka−
nülen von außen nach innen so platziert, dass sie den
Meniskus sowohl an der Basis als auch im zentralen
Fragment perforieren. Über die ventrale Kanüle wird ein
zu einer Schlinge gelegter Faden ins Gelenk vorgescho−
ben. Dieser dient anschließend als Fangfaden. Über die
dorsale Kanüle wird nun der Nahtfaden ebenso ins Ge−
lenk vorgeschoben und mit einer Fasszange durch die
Schlinge geführt. Nach Herausziehen des Fangfadens
wird der Nahtfaden direkt auf der Kapsel geknotet. Am
besten kann diese Technik im Bereich des Vorderhorns
und der Pars intermedia angewendet werden.
Intraartikuläre Techniken. Mit Spezialinstrumentarium
ist es möglich, den Meniskusriss intraartikulär unter
arthroskopischer Kontrolle zu versorgen. Hierzu wird
der Meniskus auf einem Nahthaken aufgeladen, der
Faden durchgeführt und anschließend mit einem Kno−
tenschieber verknotet. Diese Technik ist die technisch
anspruchsvollste und erfordert ein Spezialinstrumenta−
rium.
In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche neue
Fixationstechniken zur Erleichterung der intraartikulä−
ren Meniskusrefixation entwickelt. Die Implantate
zeigten im Ausreißversuch eine etwas geringere Kraft
gegenüber einer Nahtversorgung und bergen die Gefahr
einer sekundären Schädigung des Meniskus oder des
artikulierenden Knorpels bei nicht vollständigem ¹Ver−
senken“ des Implantates in den Meniskus. Meist beste−
hen diese Implantate aus bioresorbierbarem Material
und werden zunehmend als Hybridfixation zusammen
mit Nähten eingesetzt.
n
Meniskustransplantation/−ersatz
Trotz der Fortschritte der arthroskopischen Chirurgie
kann nicht jeder Meniskusriss gewebeerhaltend ver−
sorgt werden. Besonders bei Kindern und jugendlichen
aktiven Patienten stellt die subtotale und/oder totale
Meniskektomie eine präarthrotische Deformität dar, die
innerhalb kurzer Zeit zu einer fortgeschrittenen Chon−
dromalazie führt.
In den letzten 2 Jahrzehnten sind daher verschiedene
Methoden zum Meniskusersatz entwickelt worden. Da−
OP−Tipp
Heilungsfördernde Maßnahmen bei Meniskus−
naht
n
n
Hämarthros nach Bandplastik
Anfrischen der Rissränder und der perimeniskalen
Synovia
n
Durchstechen der Randleiste
n
Einbringen eines Fibringerinnsels
bei sollte zwischen der Meniskustransplantation und
dem Ersatz mit körpereigenem oder künstlichem Me−
niskusgewebe unterschieden werden.
Der Meniskusersatz verfolgt im Wesentlichen 3 Ziele:
die Schmerzlinderung beim meniskektomierten
Patienten,
n
die Arthroseprävention,
n
die Wiederherstellung der Gelenkbiomechanik.
n
Zielgruppe ist daher vor allem der junge Patient mit ei−
ner symptomatischen, unikompartimentellen Frühar−
throse, welche insbesondere das laterale Gelenkkom−
partiment betrifft. Obwohl in den USA zahlreiche
Meniskustransplantationen auch bei medialen Frühar−
throsen durchgeführt werden, bevorzugen wir bei die−
ser Indikation die valgisierende Tibiakopfumstellungs−
osteotomie, die sich bereits über die Jahre bewährt hat.
" Von einem prophylaktischen Meniskusersatz beim
symptomlosen Knie ist abzuraten.
Ein Meniskusersatz ist nur in einem stabilen Knie ohne
Achsabweichung Erfolg versprechend. Vor einer Menis−
kusersatzoperation sollte, falls erforderlich, die Knie−
stabilität wiederhergestellt und eine Achsabweichung
korrigiert werden.
Die Größe des Transplantates sollte exakt bestimmt
werden, damit ein optimaler Kontakt zwischen dem
Transplantat und dem Femur bzw. der Tibia gewähr−
leistet wird. Die möglichst anatomische Fixation des
Vorder− und Hinterhorns ist eine unabdingbare Prämis−
se für die einwandfreie Funktion des Meniskusersatzes.
Noch ist allerdings unklar, ob sich ein transplantierter
Meniskus physiologisch bewegt und ob die mechani−
schen Eigenschaften des Transplantates vergleichbar
mit denen eines normalen Meniskus sind.
Benutzt wurden bisher allogene und autologe Trans−
plantate. Bei allogenen Transplantaten handelt es sich
um Spendermenisken (Abb. 8 ), welche in tiefgefrore−
nem Zustand in Gewebebanken gelagert werden kön−
nen. Von Nachteil ist die potenzielle Infektionsgefahr.
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 477 ± 494
485
Beckengürtel und untere Extremität
a
a
b
b
c
Abb. 7 n Meniskusnaht in Außen−Innen−Technik (Quelle: Wirth CJ,
Zichner L. Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Band: Knie; Kohn
D. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2005).
Definition
Abb. 6 n Meniskusnaht in Innen−Außen−Technik (Quelle: Wirth CJ,
Zichner L. Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Band: Knie; Kohn
D. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2005).
Meniskusersatzoperation
n
Meniskustransplantation
oder
Schwierig ist die exakte präoperative Größenbestim−
mung. Bei Sehnentransplantaten entfällt das Problem
der Infektionsgefahr, allerdings findet im menschlichen
Knie die Umwandlung der Sehne in ein meniskusähnli−
ches Organ nur in geringem Umfang statt, sodass diese
Methode verlassen wurde. Der Hoffa−Fettkörper eignet
sich entgegen früherer Angaben ebenfalls nicht als Me−
niskusersatz.
Seit der ersten isolierten Meniskustransplantation
aus dem Jahr 1984 durch C. J. Wirth sind zahlreiche kli−
nische Erfahrungen gewonnen worden, wobei es sich in
den meisten Fällen um kältekonservierte allogene Me−
niskustransplantate handelt. Bereits nach 4 ± 6 Wochen
kommt es zur Einheilung und zum Einwachsen von
Empfängerzellen in das Transplantat. Bei der Mehrheit
486
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 477 ± 494
n
Ersatz des Meniskus mit körpereigenem oder künst−
lichem Meniskusgewebe
der Patienten konnte eine Schmerzreduktion erreicht
werden. Die Prognose hängt aber entscheidend mit dem
Ausmaß der initialen Knorpelschäden zusammen.
Kernspintomographisch zeigte sich, dass Transplantate
schrumpfen können.
" Bestrahlte Transplantate weisen schlechtere bio−
mechanische Eigenschaften als tiefgefrorene oder
kältekonservierte Menisken auf.
Meniskuserkrankungen
In der Literatur findet sich nur ein Fall einer Absto−
ßungsreaktion nach Meniskustransplantation.
Bislang existiert nur ein Meniskusersatzgewebe, das
Kollagenmeniskusimplantat (CMI), welches klinisch er−
probt wurde. Es handelt sich hierbei um ein Gerüst aus
Kollagenfasern, welches aus der Achillessehne vom
Rind hergestellt wird. Erste Studien zeigten, dass es
durch ein meniskusähnliches Gewebe ersetzt wird. Ob
es aber eine biomechanische, knorpelunterstützende
Funktion übernehmen kann und sein Einsatz damit
über die Erprobungsphase hinaus gerechtfertigt sein
wird, ist noch unbekannt.
Zusammenfassend haben mehrere klinische Studien
eine Schmerzreduktion nach Meniskusersatz beschrie−
ben. Der definitive Nutzen dieses Eingriffes ist aber
wissenschaftlich noch nicht gesichert. Es verbleibt ein
großer Bedarf an experimentellen und kontrollierten
klinischen Studien, um den Nutzen der Meniskustrans−
plantation abzusichern.
Nachbehandlung/Prognose
Die Nachbehandlung nach Meniskusoperationen wird
kontrovers diskutiert. Prinzipiell sollte zwischen me−
niskuserhaltenden und meniskusresezierenden Ver−
fahren unterschieden werden.
Meniskusresezierende Verfahren. Nach arthroskopi−
scher Meniskusteilresektion bei intakten Knorpelver−
hältnissen wird eine schmerzadaptierte Aufbelastung
bis zur Vollbelastung unter physiotherapeutischer An−
leitung empfohlen. Falls neben der Meniskusteilentfer−
nung knorpelaufbauende Maßnahmen (Mikrofrakturie−
rung, Anbohrung) durchgeführt wurden, erfolgt eine
Entlastung der operierten Extremität über die ersten 6
postoperativen Wochen an Unterarmgehstützen, damit
ideale Voraussetzungen zur Ausheilung der Knorpel−
verhältnisse gewährleistet werden können. Essenziell
ist zudem die physiotherapeutische Übungsbehandlung
während dieses Zeitraumes zum Erhalt der Muskelkraft
und die Beübung des Gelenkes auf der Motorschiene
(CPM ± controlled passive motion). Eine orale Medika−
tion mit NSAR sollte für einige Tage zur Schmerzlinde−
rung und Entzündungshemmung fortgeführt werden.
Bei begleitenden Bandläsionen ist für die Nachbe−
handlung die Art der Läsion entscheidend. Im Falle einer
inkompletten Seitenbandläsion wird eine Orthese an−
gelegt; für die ersten 4 ± 6 Wochen wird das Bewe−
gungsausmaß auf 0 8 ± 20 8 ± 70 8 limitiert, dabei spielt
ebenfalls die Krankengymnastik für das funktionelle
Ergebnis eine wichtige Rolle.
Abb. 8 n Einführen des mit Fäden armierten Transplantates in das laterale Komparti−
ment bei offener Meniskustransplantation.
Therapieziele
Operative Therapie
n
Meniskusteilentfernung:
Erreichen der Symptomfreiheit
durch Entfernen aller nicht
rekonstruierbaren, zerstörten
oder mobilen Meniskusanteile
unter Erhalt von intaktem
Gewebe.
n
n
Meniskusrefixation:
Schmerzbefreiung und mög−
lichst vollständiger Funktions−
erhalt.
Meniskustransplantation:
Schmerzlinderung bei menisk−
ektomierten Patienten, Arthro−
seprävention, Wiederherstel−
lung der Gelenkbiomechanik.
Meniskuserhaltende Verfahren. Das Nachbehand−
lungsschema nach Meniskusrefixation ist nicht einheit−
lich definiert. In unserer Klinik wird das Bein während
der ersten 6 Wochen nach dem Eingriff in Streckstellung
geschient (z. B. Mecronschiene) und darf so belastet
werden. Zur Nacht und zur Krankengymnastik kann die
Schiene abgenommen werden. Die Beübung sollte aktiv
assistiert zwischen 0 8 und 90 8 Beugung erfolgen. Ab der
7. postoperativen Woche kann das Knie ohne Schiene
mobilisiert und gegen Widerstand ohne Bewegungs−
limitierung beübt werden. DeHaven u. Mitarb. berich−
teten über gute klinische Resultate bei einem beschleu−
nigten Rehabilitationsschema, bestehend aus 2 Wochen
Immobilisation in Streckstellung, gefolgt von einer
limitierten Mobilisation (0 8 ± 10 8 ± 80 8 Beugung) für
weitere 2 Wochen. Ab der 4. Woche wurden dem Pa−
tienten die Vollbelastung und −mobilisation des Gelen−
kes erlaubt. Kontakt, Sprung− und Laufsportarten soll−
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 477 ± 494
487
Beckengürtel und untere Extremität
ten für die ersten 6 Monate vermieden werden, denn
diese Aktivitäten beinhalten ein hohes Risiko für eine
Reruptur.
Bei einer begleitenden Verletzung des vorderen
Kreuzbandes entscheidet diese Läsion die Nachbehand−
lung für das Kniegelenk. Verschiedene Studien berich−
ten von einer Heilungsrate nach Meniskusnaht von
> 75 % bei gleichzeitigem VKB−Ersatz. Isolierte Menis−
kusrefixationen in stabilen Gelenken erreichen eine
Heilungsrate von 50 ± 75 %, während die Meniskus−
rekonstruktion in instabilen Kniegelenken ohne gleich−
zeitige VKB−Plastik eine Heilung von teilweise < 50 %
aufweist. Erwähnenswert ist die Langzeitstudie von
DeHaven u. Mitarb. bei einem Follow−up von mindes−
tens 10 Jahren, wo eine Rerupturrate der Menisken von
46 % bei Patienten mit instabilen Gelenken gegen nur
5 % bei stabilen Kniegelenken festgestellt werden konn−
te. Manche Autoren erklären dies einerseits durch die
verbesserte Stabilität des Gelenkes und dadurch die Re−
duktion der ausgeübten Kräfte auf den Meniskus, ande−
rerseits durch den Hämarthros.
Reruptur. Die Rerupturrate nach Meniskusnaht liegt bei
ca. 25 %. Dazu gehören nicht nur die Fälle, bei denen ein
Zweiteingriff mit partieller Meniskektomie oder einer
erneuten Naht durchgeführt wurde, sondern auch die−
jenigen mit entsprechenden klinischen Symptomen.
Nach gleichzeitiger Ersatzplastik des vorderen Kreuz−
bandes konnte eine signifikant höhere Meniskusrerup−
turrate bei solchen Patienten festgestellt werden, die
eine größere postoperative Knielaxität aufwiesen.
Komplikationen
Progredienz von Degenerationszeichen. Sie spielt auch
eine entscheidende Rolle bei der späteren Behandlung
von teilmeniskektomierten Patienten oder bei solchen
nach Meniskusrefixation. In der Literatur wird dies
kontrovers beurteilt. Während zahlreiche Studien radi−
ologische Degenerationszeichen bei 38 ± 67 % der Fälle
bei guter, klinisch subjektiver Bewertung durch den Pa−
tienten 4 ± 8 Jahre nach partieller Meniskektomie zeigen
konnten, berichten Burks u. Mitarb. nur von minimalen
radiologischen Veränderungen bei einem Nachuntersu−
chungszeitraum von 15 Jahren. Allerdings sollte betont
werden, dass in der Studie von Burks u. Mitarb. die Pa−
tienten ein relativ hohes Durchschnittsalter zum Zeit−
punkt der Operation hatten, was mit einer abnehmen−
den Sportaktivität in den postoperativen Jahren
korreliert und somit das Risiko zur Entstehung von de−
generativen Zeichen senkt. Ebenfalls variiert die Pro−
gredienz einer Arthrose stark in Abhängigkeit von der
primären Versorgung des Meniskusrisses. Nach Menis−
kusnaht liegt dieser Prozentsatz zwischen 8 und 43 %.
Patienten, welche eine erneute Ruptur erleiden, weisen
ein deutlich höheres Risiko zur Entstehung einer Früh−
arthrose auf gegenüber Patienten ohne Reruptur (57 %
vs. 13 ± 15 %). Im Vergleich zu den teilmeniskektomier−
ten Patienten liegt aber die Rate sekundärer Arthrosen
bei Patienten nach offener Meniskusnaht deutlich
niedriger.
Neben allgemeinen postoperativen Komplikationen
(Infektion, Nervenläsionen, Wundheilungsstörungen)
existieren verschiedene operationsassoziierte Kompli−
kationen, worüber der Patient aufgeklärt werden und
der behandelnde Arzt informiert sein sollte. Dabei sollte
zwischen Komplikationen, die durch die Arthroskopie
bedingt sind, und solchen, die durch die Rekonstrukti−
onstechnik im Falle einer Meniskusnaht hervorgerufen
werden, unterschieden werden.
Läsion des N. saphenus. Die häufigste Komplikation
nach arthroskopischer Innenmeniskusnaht ist die Läsi−
on des N. saphenus. Besonders gefährdet ist der R. in−
frapatellaris, der im distalen Bereich des Zuganges zur
Inside−out−Technik nach ventral verläuft. Die Häufigkeit
dieser Komplikation reicht bis zu 12,9 % der medialen
Meniskusnähte. Sie kann durch eine intraoperative
Druckschädigung oder durch ein Einknoten des Nervs
erzeugt werden. Der Nervenschaden ist meistens inner−
halb von einigen Monaten reversibel, Neurolysen waren
nur in einzelnen Fällen erforderlich. Allerdings hat eine
systematische intraoperative Darstellung des Nervs die
Komplikationsrate bedeutend verringern können.
Läsion des N. peroneus. Über eine Schädigung des
N. peroneus wird nach lateraler Meniskusnaht berich−
tet. An menschlichen Kniepräparaten konnte gezeigt
werden, dass die Nadeln bei der Outside−in−Technik
dem Verlauf der Nerven näher kommen als bei der In−
side−out−Technik.
488
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 477 ± 494
Radiär− und Komplexrisse. Sie besitzen die schlechteste
Heilungstendenz unter den verschiedenen Meniskus−
rissen. Studien haben gezeigt, dass nach arthroskopi−
scher Meniskusteilentfernung die Prävalenz z. B. von
Radiärrissen 32 % beträgt. Dieser Prozentsatz steigt so−
gar nach einer Second−Look Arthroskopie auf über 50 %,
während die Rate bei nicht arthroskopierten Patienten
nur 14 % beträgt. Dies lässt sich durch die Veränderung
in der Kniegelenkbiomechanik nach der Teilresektion
des Meniskus erklären, was ebenfalls einen prädispo−
nierenden Faktor zur Entstehung einer vorzeitigen Ar−
throse darstellt.
Meniskuserkrankungen
Nach Meniskusrefixation durch Implantate können
auftreten:
n
Knorpelschäden,
n
Migration gebrochener Pfeile in das Subkutan−
gewebe,
n
Implantatlockerungen,
n
Fremdkörperreaktionen und prolongierte intra−
artikuläre Ergussbildungen.
In seltenen Fällen kann es sogar zu einer Irritation des
Innenbandes, der posteromedialen Kapsel oder des
N. saphenus kommen.
Postarthroskopische Osteonekrose. In den letzten Jah−
ren hat der Begriff der ¹postarthroskopischen Osteone−
krose“ (PAON) zunehmend an Bedeutung gewonnen.
Die PAON weist keine anatomische Prädilektionsstelle
auf. Allerdings zeigt sich nach Innenmeniskusteilresek−
tion eher eine Tendenz zur Manifestation im femoralen
medialen Anteil, während nach lateraler Meniskekto−
mie die Knochennekrose bevorzugt im tibialen lateralen
Anteil entsteht. Hierfür werden verschiedene Patho−
mechanismen diskutiert. Manche Autoren halten die
Meniskusresektion selbst oder das Ausmaß der
Meniskektomie für den entscheidenden Faktor. Auch
die intraoperative Drucksteigerung während der Knie−
gelenkarthroskopie wird mit der Entstehung einer
PAON in Zusammenhang gebracht. Die PAON als Folge
der lasergestützten Meniskektomie (Holmium:YAG−
Laser) gilt als gesichert, wobei angenommen wird, dass
sowohl eine thermische Verletzung als auch ein photo−
akustischer Schock verursachend sein können.
" In allen Fällen sollte zwischen einer postarthosko−
pischen Osteonekrose und einer bereits präoperativ
vorhandenen, aber nicht diagnostizierten Knochen−
nekrose differenziert werden. Aus medikolegaler
Sicht ist ein genauer, diagnostischer Algorithmus zur
Unterscheidung dieser 2 Krankheitsbilder essenziell.
kehrende, erheblich bewegungsbeanspruchte oder
sportähnliche Tätigkeiten (z. B. Fußballspieler, Skileh−
rer) miteinbezogen.
Zur Anerkennung eines Meniskusrisses als Unfallfol−
ge ist ein Nachweis eines Kausalzusammenhanges zu
einem geeigneten Unfallereignis zu erbringen. Dies
setzt ein geeignetes Unfallereignis im Sinne eines be−
stimmten Ablaufes voraus. Geeignete Verletzungsme−
chanismen sind solche mit direkter und indirekter
Krafteinwirkung auf das Kniegelenk, Bewegungen, die
mit einer passiven Rotation des gebeugten Kniegelen−
kes einhergehen oder Bewegungen, die mit einer plötz−
lichen Streckung des gebeugten rotierten Unterschen−
kels verbunden sind.
Zur Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit
ist der Funktionsausfall zu schätzen. Um den Restscha−
den, die tatsächliche Gebrauchswertminderung des
verletzten Beines zu beziffern, bedarf es eines genauen
klinischen Befundes. Die Meniskopathie sollte nur ein−
mal als Berufskrankheit gewertet werden, wenn auch
Meniskusverletzungen im zeitlichen Intervall erfolgen.
Beim Zweitriss handelt es sich um eine Verschlimme−
rung einer bereits anerkannten Berufskrankheit.
Perspektiven
Hauptziel der Grundlagenforschung am Meniskus stellt
das Tissue−engineering des Meniskus dar. Ziel ist die
Herstellung eines autologen Meniskustransplantates.
Bei einer Meniskusresektion asservierte Faserknorpel−
zellen könnten so in eine biologische oder synthetische
Matrix einwachsen. Das Produkt würde dann in einer
zweiten Operation an den vorhandenen Restmeniskus
genäht. Eine durch Wachstumsfaktoren geförderte Hei−
lung könnte eine höhere Stabilität der Meniskusnaht
bewirken.
Begutachtung
Nachdem zunächst die Meniskopathie als Berufskrank−
heit für Bergarbeiter anerkannt wurde, fand bereits
1961 eine Erweiterung des Versicherungsschutzes auf
alle Untertagearbeiter statt. Seit 1988 können Menis−
kusschäden nach mehrjährigen oder häufig wiederkeh−
renden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belasten−
den Tätigkeiten nach BK−Nr. 2102 als Berufskrankheit
anerkannt werden. Hierbei ist stets die berufliche Ver−
ursachung der Meniskopathie nachzuweisen. Es han−
delt sich um Arbeiten, die überwiegend im Knien (z. B.
Fliesenleger) unter räumlich eng begrenzten Verhält−
nissen oder Zwangshaltung (z. B. Ofenbauer) durch−
geführt werden. Des Weiteren werden häufig wieder−
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1
ê 2006 ê 477 ± 494
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Beckengürtel und untere Extremität
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ê 2006 ê 477 ± 494
Telefax: 06841/1624516
E−mail: [email protected]