zirkus macht stark broschüre 2014

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zirkus macht stark broschüre 2014
Zirkus wird immer stärker
Zirkus macht stark 2013/2014
ZIRKUS MACHT STARK
Zirkus macht stark
Ein Projekt im Rahmen des Förderprogramms »Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung«
vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
ZIRKUS MACHT STARK
Zwei Jahre Förderprogramm
Inhalt
Der Verband
Zwei Jahre Förderprogramm
1Der Verband
2Die Arbeit des Bundesverbandes im Förderprogramm
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Vernetzung – ein entscheidendes Mittel der Qualitätssteigerung
6Die lokalen Bündnisse und ihre Maßnahmen
Best practice
20 Ira Meier:
SchlaU-Zirkus – jung, urban, ungezwungen, körperlich und wertschätzend
24 Volker Traumann:
Bedürfnisorientierte Zirkusarbeit – Inklusion im Zirkus Giovanni Bamberg
26 Gerhard Bitterwolf:
Ein Zirkusprojekt im sozialen Brennpunkt
28 Jana Hetsch-Wiehl:
Zirkus Klatschmohn in der Schule – Blütezeit im Zirkus
30 Claudia Vogel/Chris Murawski:
»Kleine Artisten – ganz groß!« im Zirkus Bellissima
32 Daniela Mende/Rebecca Stadtmüller:
»Zirkus macht stark« und alle sollen es sehen!
34Träume nicht dein Leben – Lebe deinen Traum!
Eindrücke aus dem Zirkus San Pedro Piccolino in Werl
35Sozialraumorientierte Arbeit bei der Circusschule Jokes in Bremen
Ein Interview
37Sozialer Zirkus mit Kindern – Sozialarbeit, Pädagogik oder Kultur?
Eine Debatte
39Wie kann Pressearbeit in einem lokalen Bündnis für Bildung gelingen?
Ein Tipp vom Circus Schnick-Schnack in Herne
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Das erste Förderjahr –Statistik und Evaluation
»Zirkus macht stark - Zirkus für alle e.V.« ist ein bundesweit tätiger Verband, der 2012 gegründet wurde und sich zum Ziel gesetzt hat, insbesondere benachteiligte Kinder und Jugendliche
mit Zirkuspädagogik in ihrer individuellen Entwicklung zu unterstützen. Das breite Spektrum der Artistik, die sich mit anderen Künsten wie Theater, Tanz, Musik und modernen Medien
verbindet, ist durch seine Vielfalt und Attraktivität besonders geeignet, bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche zu erreichen und zu fördern. Das gemeinsame künstlerische Schaffen
ermöglicht die Erfahrung von Selbstwirksamkeit, also die
Erfahrung, nützlich und kompetent zu sein und Anerkennung
zu erhalten. Der Erwerb sozialer Kompetenzen geht einher mit
dem Erfahren von Kunst und eigener künstlerischer Kreativität.
So wird auch Kindern und Jugendlichen, die auf Grund ihrer
Lebensumstände der Kultur eher fern stehen, der Zugang zur
Kunst ermöglicht. Die Förderung des Zirkus als eine der ältesten
Kunstformen ist uns dabei ein besonderes Anliegen.
Das Förderprogramm »Kultur macht stark. Bündnisse für
Bildung« des Bundesministeriums für Bildung und For­
schung bietet für fünf Jahre die Chance, dass Kindern und
Jugendlichen unabhängig von den finanziellen Ressourcen
oder einer Bildungsferne ihrer Herkunftsfamilien und ihres sozialen Umfelds der Zugang zur kulturellen Bildung ermöglicht wird. Dass »Zirkus macht stark« als einer von insgesamt 35 Bundesverbänden eine Bewilligung für »Kultur macht
stark« erhalten hat, ist ein riesiger Erfolg für die gesamte
Zirkuspädagogik.
Im März 2013 ging es los; ein Büroteam mit Projektleiter, administrativer und Fach­koordinatorin und einer Projekt­ab­
rechnerin wurde in Berlin eingerichtet. Es ist verantwortlich
für die Verwaltung und Weiterleitung der Fördergelder an die
zirkuspädagogischen Organisationen in den Bundes­ländern,
deren ordnungsgemäße Abrechnung und die Beratung und
Betreuung der lokalen Bündnisse. Der Beirat, der gemeinsam
mit dem Vereinsvorstand die Auswahl­kommission bildet, wurde
berufen. Diese Kommission bewertet die Anträge der Zirkusein­
richtungen, gibt Empfehlungen für eventuelle Veränderungen
dieser Anträge und schließlich für deren Annahme oder
Ablehnung.
Durch die gute Vorarbeit des Verbands und des Büroteams war
es möglich, im April 2013 erste lokale Maßnahmen zu starten. Es
handelte sich dabei sowohl um Zirkuskurse wie Zirkuswochen.
Seitdem sind kontinuierlich in allen Bundesländern lokale
Bündnisse gebildet und zahlreiche zirkuspädagogische Maß­
nahmen durchgeführt worden, mit denen die Zielgruppe der
– aus unterschiedlichen Gründen – bildungsbenach­teilig­ten
Kinder und Jugendlichen erreicht wurde.
Der erfolgreiche Start unseres Programms wurde begleitet von einem besonderen Ereignis: Am 1. Juli besuchte die
Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Prof.
Johanna Wanka, zum Auftakt ihrer Sommerreise erstmals ein
lokales Bündnis für Bildung und wählte dafür den CABUWAZIStandort in Marzahn. CABUWAZI ist einer der Zirkusse, die
sich an dem Förderprogramm »Zirkus macht stark« beteiligen. Im Marzahner Zelt stellten sich Kinder aus einer von dem
Programm geförderten Projektwoche mit einer kleinen Show
vor, die mit großer Begeisterung aufge­nommen wurde. Auch
die Bündnispartner vom Quartiersbüro Marzahn-Nord-West
und der Wohnungsgenossenschaft Marzahner Tor legten der
Bundesministerin ihre Rolle in dem Förder­programm dar.
Großen Anteil an »Zirkus macht stark« nimmt auch Frau Prof.
Monika Grütters, damals Vorsitzende des Kulturausschusses im
1
Die Arbeit des Bundesverbandes
im Förderprogramm
Deutschen Bundestag, heutige Staatsministerin für Kultur und
Medien, die die Aufführung sichtlich genoss.
»Ich bin von dem, was die Kinder und Jugendlichen im Zirkus
gelernt und heute gezeigt haben, tief beeindruckt. Kinder und
Jugendliche zu ermutigen und ihnen Vertrauen in ihre eigenen Stärken zu geben ist gerade für die wichtig, die unter ungünstigen Bedingungen aufwachsen. Mit der Förderung von
Kreativität und Fantasie kann die kulturelle Bildung dazu einen
wesentlichen Beitrag leisten«, resümierte Bundesministerin
Prof. Wanka ihre Eindrücke beim Besuch in CABUWAZIMarzahn.
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Der Verband sieht sich als Organisation, welche die Fördermittel
des BMBF-Programms an die lokalen Bündnisse weitergibt
und dabei die Einhaltung aller Förderkriterien, die Beachtung
der Qualitätsmaßstäbe und der pädagogischen Leitlinien und
die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel beobachtet. Das
erfordert eine enge Zusammenarbeit mit dem Förder­mittel­
geber Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem
Projektträger Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt und
allen beteiligten Zirkuseinrichtungen als Antragstellern der lokalen Bündnisse. Die Arbeit des Verbandes setzt dabei einige
Schwerpunkte.
Der Verband betrachtet es als seine vordringliche Aufgabe,
das Konzept der zirkuspädago­gischen Arbeit in dem Förder­
programm »Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung« immer
weiter zu entwickeln. Dazu dienen regelmäßige Beratungen im
Vorstand, im Büroteam und nicht zuletzt mit dem Beirat, dem
Fachleute für unterschiedliche Bereiche – Kulturpolitik und
Kunstpädagogik, Sozial- und Heilpädagogik, Jugendpflege und
Qualitätsmanagement, Zirkuskunst und -pädagogik – angehören, und den Vertretern der Zirkuseinrichtungen bei regionalen
und bundesweiten Treffen.
Die Qualitätsentwicklung steht dabei natürlich im Vordergrund.
Hierbei handelt es sich nicht nur um die pädagogische und künstlerische Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen und dabei um
Fragen wie beispielsweise deren Partizipation, der Sicherheit
des Trainings, des Umgangs mit besonderen Zielgruppen, der
kreativen Umsetzung künstlerischer Ideen und vielem mehr,
sondern auch um Probleme der Antragstellung und Abrechnung
sowie Dokumentation. Dafür sind alle Mitarbeiterinnen des
Büroteams in ständigem Kontakt mit den Zirkuseinrichtungen,
beraten sie in allen Details während des gesamten Antrags- und
Maßnahmen­zeitraums. Infobriefe bieten zum Beispiel Muster
für Verträge, Rechnungen und Aufschlüsselungen an und persönliche Beratungen für die Erstellung der Verwendungsnach­weise.
Selbstverständlich werden solche Beratungen auch durch
Besuche der verschiedenen Projekte vorgenommen. Diese
Reisen quer durch die Bundesländer sind zwar auf­wendig,
aber gleichzeitig sehr effektiv durch die Möglichkeit, die Arbeit
der Zirkusse an ihren Wirkungsorten beobachten, konkrete Fragen besprechen und nicht zuletzt die Partner persönlich
kennenlernen zu können. Bisher waren die Mitarbeiterinnen
des Projektbüros zu Gast beim Trägerkreis Junge Flücht­linge
in München, beim Circus Abrax Kadabrax in Hamburg, bei der
Circusschule Jokes in Bremen, bei Cabuwazi in Altglienicke,
Friedrichshain, Treptow und Marzahn in Berlin, beim Zirkus
Birikino in Chemnitz, Giovanni in Bamberg, Montelino in
Potsdam und beim Circus Schnick Schnack in Herne.
Eine wichtige Aufgabe des Verbandes ist die Propagierung seiner Ziele, Möglichkeiten und Ergebnisse durch eine umfassende
Öffentlichkeitsarbeit. Dazu gehört in erster Linie die Einrichtung
und regelmäßige Pflege der Homepage des Verbandes (www.
zirkus-macht-stark.de). Hier findet man alle wichtigen Informa­
tionen über das Programm, die Antrag­stellung, die lokalen
Bündnisse usw. Als weiteren Aufgabenbereich sieht der Verband
die Vernetzung mit anderen jugend­kulturellen Ein­richtungen
Zwei Jahre Förderprogramm
und Verbänden an – sowohl innerhalb des Förderprogramms
»Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung« wie auf anderen
Ebenen.
Die Auswahl von »Zirkus macht stark« für das Förderprogramm
des BMBF bedeutet eine große Anerkennung für die
Zirkuspädagogik. Es heißt aber nicht, dass damit alle Vorurteile
gegen die Zirkusarbeit bei allen Institutionen ausgeräumt wären. Noch immer müssen sowohl der professionelle Zirkus
wie der Kinder- und Jugendzirkus sich damit auseinandersetzen, dass – aus Unkenntnis über die tatsächlichen künstlerischen, pädagogischen und sozialen Werte dieser Kunstform
– die Zirkusarbeit als weniger relevant und substantiell denn
andere Künste angesehen wird. Das steht zwar im krassen
Gegensatz zu dem Interesse, das Kinder dem Zirkus entgegenbringen, und den vielen Möglichkeiten, die Zirkusarbeit bietet, aber es bestimmt doch häufig deren Wertschätzung durch
Behörden wie Pädagogen. Zu den Zielen des Verbands gehört
deshalb auch, durch Lobbyarbeit das Ansehen der Zirkusarbeit
zu stärken, Vorurteile abzubauen und die Zirkuspädagogik zu
einem gleichwertigen Bestandteil im Spektrum der kulturellen
Bildungsarbeit zu machen.
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Vernetzung – ein entscheidendes Mittel
der Qualitätssteigerung
Die Vernetzung sowohl der Zirkuseinrichtungen und der lokalen Bündnisse untereinander wie des Bundesverbandes
mit anderen Verbänden und Institutionen ist eine Grundlage
zur Verbesserung der Arbeit und eine der zentralen Aufgaben
des Verbandes. Wichtige Partner sind beispielsweise die
Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ)
und die Landesvereini­gungen Kulturelle Jugendbildung (LKJ),
die Bundesarbeits­gemein­schaft (BAG) Zirkus­pädagogik und
die einzelnen Landesarbeitsgemeinschaften (LAG) der Kinderund Jugendzirkusse, die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und
Jugendhilfe-AGJ und der Deutsche Kulturrat. Der Kontakt zu
den insgesamt 34 bundesweiten Verbänden und Initiativen
im Förderprogramm dient sowohl der eigenen Information
und Weiterbildung wie dem Austausch und der Netzwerk­
bildung. Durch den Austausch kann auch die Vernetzung mit
Zirkusprojekten hergestellt werden, die über diese Verbände gefördert werden. Die kulturelle Bildung benachteiligter Kinder
und Jugendlicher ist eine anspruchs­volle Aufgabe, zu deren
qualitätvoller Realisierung der Erfahrungsaustausch und das
Bündeln der Kräfte und Kompetenzen unabdingbar sind, dazu
dient auch die Kooperation mit den Programmpartnern.
Als konkretes Beispiel sei die Zusammenarbeit mit der BAG
Zirkuspädagogik angeführt. Sie veröffentlicht auf ihrer Website
die Antragstermine für »Zirkus macht stark« und berät interessierte Zirkusse. Beim Jugendhilfetag in Berlin 2014, der als zentrale Veranstaltung eine Plattform für intensiven Erfahrungs­
austausch und fachlichen Diskurs darstellt und auf dem es neben
dem Kongress eine Fachmesse mit zahlreichen Ausstellern gibt,
hatte »Zirkus macht stark« einen Stand, an dem sich ebenfalls
die BAG Zirkuspädagogik und der Zirkus Cabuwazi präsentierten.
Eine wertvolle Vernetzung stellt die Kooperation mit dem Cirque
du Monde, einem Programm des kanadischen Cirque du Soleil
für die Förderung des sozialen Zirkus, dar. Nicht nur gelangen
Kinder und Jugendliche der »Zirkus macht stark«-Bündnisse in
den Gastspiel­orten der Cirque du Soleil-Shows in den Genuss
von Eintrittskarten, im Juli 2014 veranstalteten Mitarbeiter des
Cirque du Monde bei Cabuwazi-Marzahn einen einwöchigen
Workshop, an dem auch Trainer und pädagogische Fachkräfte
aus verschiedenen Bündnissen teilnahmen. Diese Workshops
sind eine großartige Qualifizierung in der sozialpädagogischen
Arbeit mit benachteiligten Kindern und Jugendlichen.
4
Zwei Jahre Förderprogramm
Zusätzlich zu dem Erfahrungsaustausch durch die kontinuierliche Beratung und regionale Fortbildungen veranstaltet
der Verband jährlich ein bundesweites Treffen. Dieses Treffen
dient der Vernetzung der am Programm Beteiligten und dem
Erfahrungsaustausch, denn es zeigt sich, dass einige wesentliche Fragen ganz unterschiedlicher Art nahezu alle betreffen.
Das erste bundesweite Treffen der lokalen Bündnisse fand am
26. und 27. November 2013 in Berlin statt. Es waren Vertreter aus
fast allen lokalen Bündnissen und Bundesländern gekom­men
und sie nutzten die zwei Tage für einen intensiven Austausch
zu Problemen aus unterschiedlichen Themengebieten. Viele
Fragen beschäftigten sich mit Modalitäten der Antragstellungen
und Abrechnun­gen und dem dafür erforderlichen Verwal­
tungsaufwand. Alle Bündnisse stellten sich vor, auch mit
Materialien ihrer Projekte.
Sowohl im Plenum wie in den Arbeitsgruppen lag der
Schwerpunkt auf den Maßnahme­formaten. Es gab viele konstruktive Anregungen sowohl für die Umsetzung bestehender wie die Einführung neuer Formate, aber auch dringliche
Hinweise, dass bestimmte Gruppen nur über die Schule als
Bündnispartner zu erreichen sind. Weitere Themenkomplexe
waren die Arbeit in sozialen Brennpunkten, Besonderheiten der
Arbeit mit solchen Zielgruppen wie Asyl­bewerber­kindern und
Kindern mit Beeinträchtigun­gen, die Öffentlichkeitsarbeit und
Dokumentation. Für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in
sozialen Brennpunkten ist eine enge Zusammenarbeit mit den
Partnern im lokalen Bündnis ganz wichtig. Insbesondere die
Schulen haben sehr positive Erfahrungen mit Zirkusprojekten
gemacht und sind sehr daran interessiert, die Kooperationen
weiter auszubauen und noch stärker regional zu ver­ankern. Bei
speziellen Zielgruppen wie Asylbewerberkindern oder Kindern
mit Beeinträchti­gungen wurde festgestellt, dass es besonders
wichtig ist, auf die Gruppenzusammen­setzung zu achten und
mit einem eher therapeutischen Ansatz zu arbeiten.
Der Austausch wurde durch eine abendliche Aufführung der
Staatlichen Artistenschule und der Schule Die Etage bereichert.
Das nächste Treffen findet im September 2014 statt.
Auf unserer Internetseite www.zirkus-macht-stark.de sind unter
»Netzwerk« alle unsere Netzwerkpartner genannt und verlinkt.
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Die Teilnehmer,
ihre Bündnisse und Maßnahmen
Bayern
hatte 2013 mit drei Einrichtungen begonnen. Der Bamberger
Zirkus Giovanni e.V. des Don Bosco Jugendwerks kann auf
lange Erfahrungen insbesondere im heilpädagogischen Bereich
zurückblicken. Zwei Halbjahreskurse vereinigten Kinder und
Jugendliche u. a. aus einer Schule für soziale und emotionale Bildung und aus Wohngruppen der stationären Jugendhilfe,
der Offenen Behindertenarbeit der Lebenshilfe Bamberg und
einem Näherinnen­projekt. Der Schwerpunkt des integrativen
Zirkustrainings lag auf der Förderung sozialer Kompetenzen
und der persönlichen Entwicklung der jungen Menschen.
Der Trägerkreis Junge Flüchtlinge e. V. in München
arbeitet mit den beiden Bildungspartnern ISuS-Schule (Inte­
gra­tion durch Sofortbeschulung und Stabilisierung) und
SchlaU-Schule, dem Circus Leopoldini der Rudolf-Steiner-Schule
München-Schwabing sowie heimaten e. V. – Netz für Chancen­
gerechtigkeit zusammen. In acht fünftägigen Kursen gelang
es, die durch ihre Erlebnisse und Situation verunsicherten
Jugendlichen mit der Zirkusarbeit in ihrer Selbst­wahrnehmung
und Selbstwirksamkeitserwartung zu stärken.
Spielen in der Stadt e. V. ist Träger des Münchner Zirkus
Pumpernudl und hat in einem Halbjahreskurs Kinder aus zwei
Dem Verein »Zirkus macht stark – Zirkus für alle« ist es wichtig, dass Maßnahmen in allen Bundesländern durchgeführt
werden und dass der Großteil der Maßnahmen auf langfristige Bündnisse ausgerichtet ist, um eine starke Nachhaltigkeit zu
erreichen. Beides ist bereits im ersten Förderjahr gelungen. Im
zweiten Jahr werden viele Bündnisse fortgeführt und es sind eine ganze Reihe neuer Bündnisse auf lokaler Ebene hinzugekommen. Bemerkenswert ist dabei vor allem die Vielfalt sowohl der
Einrichtungen, die sich beteiligen, wie auch der Maßnahmen­
formate. Das zeigt, dass das Programm sehr gut angenommen
wird und je nach den Gegebenheiten der jeweiligen Bündnisse
ganz unterschiedliche zirkuspädagogische Angebote gemacht
werden.
Baden-Württemberg
war zum Start mit der Stuttgarter Jugendhaus Gesell­
schaft vertreten, die im »Helene P.«, dem Kinder- und Jugend­
haus Degerloch, im Bündnis mit der Waldschule Deger­loch und
dem BHZ Stuttgart als Einrichtung der Behin­dertenhilfe einen
halbjährigen Zirkuskurs durchgeführt hat. Das »Circus Mortale«
genannte Projekt hatte als Zielgruppe Kinder und Jugendliche
mit und ohne Behinderungen angesprochen und diese an die
Zirkusarbeit herangeführt.
2014 haben zwei weitere Einrichtungen aus diesem Bundes­
land Anträge eingereicht und diese sind bestätigt worden.
Der Sportverein Munderkingen wird mit zwei Zirkus­
pädagoginnen und in Zusammenarbeit mit einer Förder­
schule einen Zirkuskurs anbieten. Das Evangelische
Kinder- und Jugendwerk Heidelberg veranstaltet als
Zirkuserlebniswoche für benachteiligte Kinder und Jugendliche
einen Pfingstzirkus mit der Zirkusjungschar Konfetti.
6
Mehr unter www.helenep.de
www.vfl-munderkingen.de
http://jugendwerk-heidelberg.de
Zwei Jahre Förderprogramm
Schulen und die jugendlichen Besucher eines Jugendtreffs an
die Zirkusdisziplinen herangeführt. Das Zirkusangebot soll zu
einer festen Institution im Stadtteil entwickelt werden.
Aus Bayern konnten drei neue lokale Bündnisse bestätigt werden. Der Verein Kinderschutz e. V. München wird in
Zusammenarbeit mit einer Mittelschule und zirkuspädago­
gischen Fach­kräften ein Projekt durchführen, das gedacht ist
u. a. als präventive Intervention für junge Menschen, denen ein
sinnvoller Umgang mit ihrer Freizeit verloren gegangen ist und
die Gefahr laufen, in ein sie gefährdendes Milieu abzurutschen.
Der Verein Evangelische Bildungszentren im ländlichen Raum in Bayern e. V. wird innerhalb eines Ferien­
programms einen dreitägigen Zirkus­workshop speziell für benachteiligte Kinder und Jugendliche anbieten.
Der Sportverein Wonneberg ist als neu gegründeter
Verein zur Förderung der Kultur- und Jugendkulturarbeit Ver­
anstalter einer Zirkusfreizeit am Chiemsee. Er bietet auch eine Fortbildung für Zirkuspädagogen und will ein Netzwerk der
Zirkuspädagogik in seinem Raum aufbauen.
Mehr unter www.zirkusgiovanni.de
www.schlauschule.de
www.spielen-in-der-stadt.de
www.kinderschutz.de
www.elj.de, www.sv-wonneberg.de
7
Berlin
Moabit beheimatet und bietet gemeinsam mit dem Zirkus
Internationale eine Zirkuswoche für die Stadtschloss Kids an.
Eine ungewöhnliche Maßnahme plant die Landschütz GbR,
die Jugendliche mit der neuen Individual-Sportart SporthockerTraining in einem Halbjahreskurs bekannt machen will, das
Elemente der Akrobatik, Jonglage, Skateboarding, Breakdance
und Parcour verbindet.
Der Bund deutscher Pfadfinderinnen Berlin bietet in
Zusammenarbeit mit dem integrativen Kulturzentrum Yaam
(Young african art market) als artistische Disziplin die vielfältige
Artistik mit Feuer an.
Mehr unter www.cabuwazi.de
www.vuesch.org
www.theaterbuendnis.de
www.zirkus-internationale.de
www.moabiter-ratschlag.de
www.sporthocker.com
www.bdp-berlin.org
stellt – wie Hamburg und die neuen Bundesländer – einen
Schwerpunkt im Programm »Zirkus macht stark« dar. Der
Kinder- und Jugendzirkus Berlin veranstaltet an den
fünf Standorten von CABUWAZI zahlreiche Maßnahmen für be­
nachteiligte Kinder in den sozialen Brennpunkten der Stadt, sowohl in Form von Zirkus­wochen wie überwiegend Halbjahres­
kursen. CABUWAZI unterhält enge Kooperationsbeziehungen
zu vielen Schulen, so dass die Erreichbarkeit der Zielgruppen
problemlos zu bewerkstelligen ist. Zu diesen an den zirkus­
pädagogischen Maßnahmen Teilnehmenden gehörten bei­spiels­weise in sta­tionären Wohngruppen betreute Kinder mit komplizierten Lebens­umständen, Integrationskinder vor allem aus
Einwan­derer­familien vorwiegend südosteuro­pä­ischer Herkunft,
Kinder mit Lern­schwierigkeiten und Entwicklungsverzö­­ge­
rungen, Schul­verweigerer und schul­distanzierte Jugend­­liche
häufig mit Migrationshintergrund, Inklusions­kinder und
Schülerinnen und Schüler aus Schulen mit über 90% Migra­
tionshintergrund. Ein besonderes Projekt stellt der Aufbau des
Campus Eastside als Verbund verschiedener Bildungsträger
dar. Hier werden Kinder von der Kita bis zur Oberschule durch
Zirkusarbeit begleitet und so die Übergänge zwischen den einzelnen Bildungseinrichtungen mitgestaltet.
Zum Verein zur Überwindung der Schwerkraft gehören die Zirkusse Zack und Schatzinsel. Hier ist einer der Partner eine Integrationsschule für Kinder mit und
ohne sonderpädago­gischem Förderbedarf. Zirkuswoche und
Zirkuskurs wurden für Kinder von »Willkommens­klassen« veranstaltet, welche erst seit kurzer Zeit in Deutschland leben und
teilweise als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge eine besondere Flüchtlingsbiografie haben.
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Das Theaterbündnis Blumenstrauss hat einen Zirkuskurs
speziell für Mädchen im Kreuzberger Sozialraum angeboten, die
aus ihrem familiären kulturell-religiösen Hintergrund heraus
nicht an gemischt-geschlechtlichen Aktivitäten teilnehmen dürfen. Partner war dafür ein Mädchensportverein.
Neu im Programm ist der Zirkus Internationale, der
als Schnupperzirkus Kinder aus den Stadtteilen Wedding
und Moabit erreichen will, die eine hohe Kinderarmut und
Bildungsferne aufweisen. Den Kindern in einem neu eröffneten
Flüchtlingsheim fehlt fast jeder Zugang zu Bildung, Kultur und
Gesundheitsversorgung. Ferienworkshops sollen diese Kinder
an die Zirkusarbeit heranführen und ihnen die Möglichkeiten
eines regelmäßigen Zirkustrainings eröffnen.
Der Moabiter Ratschlag ist im Nachbarschaftshaus Stadtschloss
Zwei Jahre Förderprogramm
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Brandenburg
Das Bundesland Brandenburg war im ersten Jahr mit drei
Zirkussen vertreten, die lokale Bündnisse eingegangen sind.
Circus Montelino konzentrierte sich in seinem Zeltpunkt im
Potsdamer Volkspark auf die Arbeit mit einer Grundschule, an der
viele Kinder mit besonderem Förderbedarf unterrichtet werden,
und mit einem Wohnheim für Asylbewerber. In Zirkuskursen
konnten diese Kinder und Jugendlichen ihre Begabungen entdecken und Kreativität als zentrale Lebensäußerung erleben.
Der Senftenberger Kinderzirkus Harlekids ging ein Bünd­
nis mit einer Oberschule und einem Jugendhilfeträger ein. Bei
dem Zirkuskurs wirkten langjährig bei Harlekids trainierende
Jugendliche als ehrenamtliche Trainer mit.
Eine Zirkusferienwoche, die vom Cottbuser Zirkus Ratz-Fatz
veranstaltet wurde, bot in Bad Belzig benachteiligten Kindern
die Möglichkeit, sich in verschiedenen artistischen Disziplinen
auszuprobieren.
Im ersten Halbjahr 2014 führte die Evangelische Abhän­
gigen-Hilfe Brandenburg einen Zirkuskurs mit Kindern
vorwiegend aus suchtkranken Familien durch, der sich sowohl
mit einzelnen Auftritten wie einem Abschlussfest der Öffent­
lichkeit vorstellte.
Der Wiesenzirkus Bunter Hund ist eine Einrichtung des OV
Lebenshilfe Rüdersdorf e.V. und hat mit Hort-Kindern, die vorwiegend aus Migrantenfamilien kommen oder in SGB-II Bedarfs­
gemeinschaften leben, eine Zirkuswoche veranstaltet, in der eine
Zirkustheatergeschichte gestaltet wurde. Die Vorstellung wurde
auch musikalisch von diesen Kindern begleitet.
An einem Zirkuswochenende des Jugendfördervereins
Chance e.V. in Buckow nahmen 24 Jungen aus Müncheberg
teil, die durch ihre Benachteiligung anderen Bildungsangeboten
fern stehen und hier die Möglichkeit hatten, in ihren verschiedenen Kompetenzen gefördert zu werden.
Bremen
Hamburg
In Bremen führt JOKES die Circusschule seine Bündnisse
mit Halbjahreskursen im Stadtteil Huckelriede fort. Die Kinder
in diesem sozialen Brennpunkt sind oft von finanzieller Not
betroffen, viele haben einen Migrationshintergrund und es
herrschen Bewegungs- wie Sprachdefizite vor. Die Arbeit der
Zirkuspädagogen und ihrer Partner fällt hier auf fruchtbaren
Boden und wird gut angenommen.
Mehr unter www.circusjokes.de
Auch in Hamburg werden die Bündnisse von ABRAX
KADABRAX und Zirkus Willibald in verschiedenen Bünd­
nissen und Maßnahmeformaten weitergeführt. Beide wirken
in Stadteilen, die von sozialen Problemlagen betroffen sind.
ABRAX KADABRAX konnte mit seinen Angeboten bereits im
ersten Förderjahr über 650 Kinder und Jugendliche erreichen,
die sonst diese Chance nicht gehabt hätten, sich mit dem Zirkus
zu beschäftigen. Wie begeistert sie sind, drücken beispielsweise
solche Aussagen aus: »Am besten fand ich das Vertikaltuch, weil
die Zirkuslehrer mir geholfen haben ganz hoch zu klettern, obwohl ich eigentlich Höhenangst habe.« (Nina, 9 Jahre) und »Beim
Fußball bin ich nicht so beliebt. Sie wollen nicht, dass ich mitmache, weil ich wegen meinem Asthma nicht so gut laufen kann. Hier
beim Zirkus kann ich überall mitmachen.« (Michael, 10 Jahre).
Für Kinder und Jugendliche in der Kleinstadt Brück ist das
Diakonische Werk im Landkreis Potsdam-Mittelmark
ein neues Bündnis eingegangen, in dem u. a. Partner aus dem
Kinderzirkus Harlekids mitwirken. Die Zirkuswoche findet auf
dem Bildungscampus statt und wird damit auch die sozialräumliche Arbeit stärken.
Mehr unter www.circus-montelino.de
www.harlekids.de
www.ratz-fatz.saos.de
www.ah-brandenburg.de
www.bunterhund.net
www.jfv-chance.de
www.ekmb.de
10
Die Circusschule Die Rotznasen e.V. hat 2014 ein Bündnis
mit einer Ferien-Zirkuswoche gestartet, in dem ein Programm
zum Thema »HandlungsWEGE« erarbeitet wurde, in dem neue
Wege spielerisch ausprobiert werden konnten.
Mehr unter www.abraxkadabrax.de,
www.zirkus-willibald.de,
www.circus-rotznasen.de
Zwei Jahre Förderprogramm
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Hessen
Mecklenburg-Vorpommern
Dieses Bundesland ist seit Beginn mit vier Antragstellern vertreten. In Darmstadt sind es das Circus Projekt Waldoni,
das Zirkuskurse wie Zirkuswochen in mehreren Bündnissen
veranstaltet, und der Zirkus Datterino des Bundes der
Katholischen Jugend, der einen Zirkuskurs in sozial benachteiligtem Umfeld betreut.
Der internationale Kinder- und Jugendzirkus Ram­
ba­z otti in Kassel bietet mit seinen Bündnispartnern jungen Menschen aus ausgewiesenen sozialen Brennpunkten
die Möglichkeit, in der Zirkusarbeit persönliche wie soziale
Kompetenzen zu erlangen und sich kreativ mit der Kunst zu beschäftigen.
Das Zirkusprojekt »Traumfänger« des Fördervereins der
Grundschule II in Stadtallendorf hat mittlerweile weit über die
Stadtgrenzen hinaus sich einen guten Ruf erworben. Durch die
Förderung ist es nun auch möglich, dass Kinder und Jugendliche
aus dem gesamten Sozialraum an diesem Projekt teilnehmen
können.
Mehr unter www.waldoni.de,
www.bdkj-darmstadt.de,
www.rambazotti.de,
www.g2-stadtallendorf.de
In Rostock nennt sich das Förderprojekt »Die Fantastischen«
und der Circus Fantasia des Vereins Behinderten Alternative
Freizeit hat für seine Arbeit im lokalen Bündnis sogar eine eigene Website www.ein-zelt-voller-leben.de eingerichtet. Hier trainieren junge Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam und führen nach einem Zirkuscamp eine Abschluss-Show
vor. Einbezogen in die Zirkusarbeit sind auch junge Flüchtlinge.
Die Europäische Akademie der Heilenden Künste
hat auf ihrer Campwiese in Lassan schon mehrere Jahre ein
Zirkuscamp in den Sommerferien veranstaltet. Erstmals kann
nun dank der Förderung ein Camp angeboten werden für
Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien, denen
bisher aus finanziellen Gründen die Teilnahme verwehrt blieb.
Sie werden im Sommer 2014 ein Zirkus-Theaterstück erarbeiten
und vorführen.
Mehr unter www.baf-rostock.de,
www.eaha.org
Zwei Jahre Förderprogramm
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Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Saarland
Hier hatte der Verein Spokuzzi e. v. in Zusammenarbeit mit
dem Zirkus Dobbelino den Anfang gemacht. Spokuzzi, der auch
Träger des Zirkuspädagogischen Zentrums Braunschweig ist, ist
eingebunden in das Förderprogramm »Soziale Stadt« und sieht
als seine Zielstellung eine nachhaltige Vernetzung der einzelnen
Institutionen im Interesse der Förderung von benachteiligten
Kindern und Jugendlichen.
In diesem Bundesland arbeiten die Zirkusse San Pedro
Piccolino in Werl und Circus Schnick-Schnack in Herne
bei »Zirkus macht stark« mit.
Der mehrfach ausgezeichnete Zirkus San Pedro Piccolino arbeitet in seinem lokalen Bündnis mit Kindern einer Schule in einem Gebiet, das von vielen Langzeitarbeitslosen, Allein­erziehen­
den und Migrantenfamilien geprägt ist. An der zweiten Schule im
Bündnis lernen viele Kinder mit sozial auffälligen Symptomen. Sie
alle vereinen sich in der Zirkuswoche beim Training von Jonglage,
Akrobatik, Seillaufen, Trapezakrobatik, als Fakire und Clowns.
Bei Circus Schnick-Schnack besteht nun durch die Förderung
die Möglichkeit, dass auch Kinder aus benachteiligten Familien
kontinuierlich an dem Zirkustraining teilnehmen können. Viele
von ihnen haben in Schulprojektwochen schon einmal Zirkusluft
schnuppern dürfen und sind glücklich, dass aus den zeitlich so
begrenzten Angeboten nun etwas so Tolles, Dauerhaftes geworden ist.
Die ZIRKUSfabrik in Köln ist ein Bündnis mit der Offenen
Kinder- und Jugendarbeit Overath und der Sekundarschule
Overath eingegangen und bietet einen Zirkuskurs für Kinder
aus sozial benachteiligten Familien. Diese Vernetzung soll langfristig fortgeführt werden.
Mehr unter www.san-pedro-piccolino.de,
www.schnick-schnack.de,
www.diezirkusfabrik.com
Die Zirkusschule Kokolores des Vereins für Spiel
und Theater veranstaltete einen Halbjahreskurs für die
Kirchbergschule in einem Saarbrücker Stadtteil, der von hoher
Arbeitslosigkeit und einem großen Anteil an Migrantenfamilien
geprägt ist. So wird diese Schule von Kindern aus 44 Nationen besucht. Für sie war der Zirkuskurs eine einzigartige Möglichkeit,
Selbstbewusstsein zu entwickeln und sich besser in die
Gesellschaft zu integrieren.
Mehr unter www.vereinfuerspielundtheater.de/koko
Ab 2014 dabei ist der Verein Natursport und Kunst HaseEms e. V., der eine Zirkus-AG an der Anne-Frank-Realschule in
Greven aufbaut, in der verschiedene künstlerische Sparten miteinander verbunden werden. Er erklärt: »Zirkuspädagogik sehen wir als spielerische Auseinandersetzung mit gauklerischen,
zirkustechnischen und tänzerischen Bewegungs­künsten und
mit dem Ziel einer positiv entwicklungsfördernden Wirkung
auf Kinder und Jugendliche.«
Ebenfalls neuer Teilnehmer ist SPIEL des Kolping Bildungswerks
Diözesanverband Osnabrück. Als Speller Kinderzirkus veranstaltet er in den Sommerferien einen fünftägigen Workshop für
bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche, die damit die
Möglichkeit haben, die Vielfalt der zirzensischen Künste zu erfahren.
Mehr unter www.spokuzzi.de,
www.vnkhe.de,
www.sp-emsland.de
14
Rheinland-Pfalz
Der Kinder- und Jugendzirkus Bellisima Polaris
in Speyer bietet für Kinder und Jugendliche vielfältige
Möglichkeiten. Mit dem Programm von »Zirkus macht stark«
hat der Zirkus verschiedene Bündnisse abgeschlossen, mit denen vor allem Kinder und Jugendliche mit geistigen und körperlichen Behinderungen oder mit Förderbedarf erreicht werden. Ein wichtiger Partner ist dabei die Anima GbdR mit ihrer
Arbeit im Gesundheitsbereich v. a. für Kinder mit Handicap. Für
die Jugendlichen war der zweitägige Kurs mit Übernachtung auf
dem Sportplatz ein echtes Erlebnis. In den Sommerferien fand
eine weitere Zirkuswoche statt. Verschiedene Presseberichte gaben die besondere Atmosphäre dieser Zirkuswoche wieder.
Mehr unter www.kinderzirkusbellissima-polaris.de
Zwei Jahre Förderprogramm
15
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Das Bundesland Sachsen war schon im ersten Jahr mit vier
Zirkuseinrichtungen vertreten: in Dresden mit dem Kinderund Jugendzirkus KAOS und mit Springkraut e.V., in
Chemnitz mit dem beim Don Bosco Haus beheimateten Zirkus
Birikino und in Leipzig mit der LeISA und ihrem künstlerischen Partner Zirkomania.
Das Zentrum für Zirkus und Bewegtes Lernen Halle
hat sich sowohl mit Zirkuswochen wie einem Halbjahreskurs
insbesondere der Förderung von lernschwachen Schülern gewidmet. An dem Zirkuskurs nahmen neben anderen auch acht
Förderschüler teil, die sonst kaum Möglichkeiten haben, in ihrem Sozialraum, der durch eine starke Segregation von sozial­
schwachem Milieu geprägt ist, an alternativen Bildungs­ange­bo­
ten teilzuhaben.
Eine weitere Maßnahme des ZZB Halle war ein Fort­bildungs­
wochenende mit drei Modulen zur Zirkus­pädagogik. Es gab eine Einführung in die erste Hilfe bei Zirkus­aktivitäten (in der
Arbeit mit Kindern sind das ganz wichtige Kenntnisse), eine
KAOS hatte als Bündnispartner u. a. ein Förderzentrum Sprache
und eine Förderschule und veranstaltete sowohl Zirkuswochen
wie -kurse, die gerade bei diesen Kindern mit speziellem
Förderbedarf auf großes Interesse und Begeisterung stießen.
Springkraut veranstaltete neben einer Zirkuswoche mit über 80
Kindern aus einem sozialen Brennpunktbezirk, deren Bindung
an das Stadtteilzentrum gefördert wurde, eine Fortbildung zu
den beiden Themenkomplexen Stabartistik und Einsatz der
Stimme in der Zirkus­pädagogik, an der 39 ehrenamtlich tätige
Jugendliche und Erwachsene teilnahmen.
Birikino bot verschiedene Halbjahreskurse, u. a. für ein
Lernförderzentrum, und erreichte mit seinen Bündnispartnern
eine gute Verankerung im Sozialraum.
Auch LeISA und Zirkomania widmeten sich der Zirkusarbeit
mit Kindern mit besonderem Lernförderbedarf und es zeigte
sich, dass ihre Zusammenarbeit mit Kindern aus dem Offenen
Jugendtreff sehr erfolgreich war.
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Ein­führung in die Disziplin Hula Hoop und einen Experten­
austausch zur zirkuspädagogischen Arbeit im Kontext von Mehr­
sprachigkeit, Altersdifferenzierung, verschiedener ethni­scher
und kultureller Hintergründe, Methoden und Herangehens­
weisen, Chancen und Problemen.
Der deutsch-senegalesische Verein Deutschland – Nanga­
def e.V. in Sangerhausen, der seine Aufgabe in der Förderung
der Toleranz und Völkerverständigung sieht, veranstaltete mit
dem »MusiCirkus« ein Projekt, in dem Zirkus, Musik, Theater
und Jugendkultur sich vereinten. In der strukturschwachen
Region Mansfeld-Südharz stieß dieses besondere Angebot auf
großes Interesse.
Mehr unter www.zzb-halle.de, www.deutschland-nangadef.de
Neue Antragsteller für Maßnahmen im Jahr 2014 sind das
Christlich-soziale Bildungswerk Miltitz, das gemeinsam mit dem Zirkus Krabatino der Kinder- und Jugendfarm in
Hoyerswerda ein Kinder-Varieté Hoy Woj aufbauen will.
Der Kinderschutz e.V. Freiberg wird ein Zirkusprojekt mit
einer Mittelschule und einer Kita in Halsbrücke ins Leben rufen,
unterstützt durch Zirkuspädagogen von Springkraut e.V.
Der Tharandter Kultur- und Kunstverein arbeitet mit
Springkraut und einer Kita und Grundschule in Dippoldiswalde
zusammen. In Tharandt betreibt der Kulturverein seit 1994 den
Kinderzirkus Domino, der jährlich ein neues Programm herausbringt, Erlebniswochen veranstaltet und an Festivals teilnimmt.
Mehr unter www.kinderzirkus-kaos.de,
www.springkraut.org,
www.chemnitzdonbosco.de,
www.leisa-leipzig.de,
www.csb-miltitz.de,
www.tharandter-kkv.de
Zwei Jahre Förderprogramm
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Schleswig-Holstein
Thüringen
Die Besonderheit des Reit- und Fahrvereins Mildstedt
mit seinem Zirkus Milki besteht in der Verbindung von
Zirkusaktivitäten mit Reitunterricht und erinnert damit an
die Ursprünge des Zirkus, der aus der Kunstreiterei entstand.
Mit der Geschichte vom »Schatz von Clowntown« zeigten die
Kinder von Milki ihre erste Show und die Husumer Nachrichten
brachten über die Aufführung und das lokale Bündnis des
Reit- und Fahrvereins, des Jugendtreffs der AWO und der
Gemeinschaftsschule einen ausführlichen Bericht.
Als zweites Bündnis in Schleswig-Holstein arbeitet der Verein
Stark durch Zirkus e.V., der als erste Maßnahme eine Ferienzirkuswoche im SOS-Kinderdorf Harksheide in
Norderstedt durchführte. Für die Kinder, die aus sehr schwierigen Verhältnissen kommen, war diese Zirkuswoche ein herausragendes Erlebnis, das sie begeisterte und das noch lange nachwirkte.
Mehr unter www.zirkus-milki.jimdo.com
de-de.facebook.com/pages/Stark-durch-Zirkus-eV
Der Weimarer Kinderzirkus Tasifan berichtete über seine
Bündnisarbeit: »Durch die Bündnispartner wurden viele Kinder
erreicht, die dann auch sehr regelmäßig zu den Zirkusworkshops
in das Zirkus­zelt, die Turnhalle und die Jugendtreffs kamen. Der
Kindertreff organisierte eine ehrenamt­liche Küchencrew, die
am Nachmittag das Essen vorbereitete. An den Vormittagen gab
es kleine Teamrunden mit den Bündnispartnern, um auf eventuelle Probleme oder organisatori­sche Fragen zeitnah reagieren zu können. Zum Abschluss des Projektes gab es zwei Zirkus­
vorstellungen für die Eltern und die Stadtteilbevölkerung im
Zirkuszelt – mit großem Erfolg.«
Der Circus MoMoLo in Jena schätzt die Bündnisarbeit bei
der durchgeführten Zirkuswoche als unkompliziert und einander ergänzend ein. »Durch die Zusammenarbeit zwischen Jugendzentrum und dem Circus MoMoLo konnten neue
Kinder und Jugendliche erreicht werden, die sich nun teilweise in den Einrichtungen aufhalten und an deren Programmen
teilnehmen. So konnten die Bündnispartner auch über die Teil­
nehmer/-innen vernetzt werden. Gerne soll die Bündnisarbeit
vertieft und intensiviert werden, z.B. mit weiteren gemeinsamen Angeboten.«
Mehr unter www.tasifan.org, www.momolo.de
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Zwei Jahre Förderprogramm
19
Best practice
jungen Menschen lernen, wie ein gesundes und konstruktives
Miteinander gelingen kann.
Den Lehrenden der SchlaU-Schule fällt immer wieder auf, dass
die Jugendlichen Situationen vermeiden, in denen sie mit anderen in Gruppen- und Partnerarbeit ihre schwer erworbene
Sicherheitszone verlassen müssen. Folgende Ziele wurden deshalb für das Projekt definiert:
• Entwicklung eines positiven Körpergefühls unter
Berücksichtigung der posttraumatischen Belastungen
• Schulung von Motorik, Konzentrations- und
Koordinationsfähigkeit
• Entdecken eigener Talente
• Erlangen von mehr Mut, Selbstsicherheit und Freude
durch persönliche Leistung
• Bereitschaft, für sich und andere Verantwortung zu tragen
• Berührungsängste abbauen, Körperkontakt spielerisch
pflegen.
Ira Meier (Trägerkreis Junge Flüchtlinge, München)
SchlaU-Zirkus – jung, urban, ungezwungen, körperlich und wertschätzend
(veröffentlicht in der Fachzeitschrift proJugend Heft 2/2014 »Chancen bieten. Passende Präventionsangebote für belastete Kinder
und Jugendliche«)
»Schau! Schau, schau!«, hören wir von allen Seiten. Um die Musikanlage
des Kulturzentrums Backstage ist viel Getümmel – die Reihenfolge der
Songs wird festgelegt. Kein Land, keine Musikrichtung, keine Sprache
darf zu kurz kommen. Es ist ernst, denn jetzt werden Jungs und Mädels
zeigen, was sie drauf haben. Die jungen Flüchtlinge haben gerade 20
Minuten Pause, dann zeigen sie ihre Präsentationen im SchlaU-Zirkus.
In München wurde ein Zirkusprojekt des Trägerkreises Junge
Flüchtlinge von »Zirkus macht stark« gefördert, das durch ein
Bündnis aus drei lokalen Partner getragen wurde: dem »Circus
Leopoldini«, der dem Förderkreis der Rudolf-Steiner-Schule
München Schwabing e.V. angehört, dem »Heimaten e.V.«, der
sich auf neue Netzwerke spezialisiert hat und in den Bereichen
Menschenrechtsbildung und interkultureller Dialog aktiv ist,
und dem »Trägerkreis Junge Flüchtlinge«, zu dem die »SchlaUSchule« und die »ISuS-Schule« gehören. Beide Schulen zusammen bieten insgesamt 300 Schulplätze für junge Flüchtlinge.
Das Projekt wurde von Trainern des Circus Leopoldini und von
Lehrkräften der SchlaU-Schule begleitet. Ein Ehrenamtlicher
von Heimaten e.V. und gleichzeitig ehemaliger SchlaU-Schüler
kümmerte sich zusätzlich um einzelne Teilnehmer/-innen
bei Problemen oder Gesprächsbedarf und nahm durch seine
Motivation und Begeisterung für das Projekt eine entscheidende Vorbildrolle für die Jugendlichen ein.
Junge Menschen, von denen viele momentan in Gemeinschafts­
unterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht
sind, konnten in dem Zirkusprojekt ganz besondere Erfahrun­
gen sammeln und in eine vollkommen neue Welt eintauchen.
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Zirkuspädagogik mit ihrer Mischung aus Vergnügen, spannendem Erleben, Grenzerfahrungen, Erfolgserlebnissen und neuen Formen des Lernens ist bestens geeignet, motorische, soziale,
emotionale und künstlerisch-kreative Kompetenzen zu fördern.
Das unvergleichbar breite Spektrum der Artistik bietet für jeden etwas Besonderes. Jeder findet seinen Platz, ist einzigartig
und gleichzeitig Teil eines Ganzen. Das gemeinsame künstlerische Schaffen ermöglicht die Erfahrung von Selbstwirksamkeit,
also die Erfahrung, nützlich und kompetent zu sein und
Anerkennung zu erhalten. Vor allem rücken diese Befähigungen
in den Vordergrund, wenn elementare Fähigkeiten wie
Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeitserwartung fehlen. Wer
mit jungen Leuten arbeitet, die Erfahrungen mit Krieg und
Flucht haben, kann ein Lied davon singen. Die vergangenen 13
Jahre im Trägerkreis Junge Flüchtlinge zeigen, dass durch sofortige Teilhabe an Gesellschaft und Kultur eine psychische und
physische Stabilisierung der jungen »Noncitizens« besser gelingt.
»Der Alltag der Schüler/-innen ist geprägt durch die
Erfahrungen der Flucht selbst sowie durch den sozialen und
rechtlichen Status ‚Flüchtling‘. Viele unter ihnen sind aufgrund
ihrer Biografien tief traumatisiert. Orientierungslosigkeit
und Zukunftsängste sind ihre ständigen Begleiter. Denn die
Hoffnung, in Europa Halt zu finden und ihr Leben ordnen zu
können, wird zunächst meist bitter enttäuscht. Der Zugang zum
staatlichen Bildungssystem etwa erweist sich für über 16-Jährige
in den meisten Bundesländern immer noch erschwert«, schreibt
die SchlaU-Schule in ihrem pädagogischen Konzept1. Die
Jugendlichen befinden sich durch ihre Flucht und ihren Status in
der deutschen Gesellschaft in einer permanenten Risikolage, die
unter anderem Konzentration, Schlaf, aber auch Lebensfreude
raubt und somit Bildungschancen schmälert.
Das zirkuspädagogische Projekt hat die besondere Chance geboten, nicht nur an den Verunsicherungen und Vulnera­bi­litäten
der Jugendlichen zu arbeiten, sondern über den Schul­unterricht
hinaus ihre Selbstwirksamkeitserwartung und Selbst­
wahrnehmung gezielt zu stärken. Nur in der Förderung dieser
individuellen und sozialen Kompetenzen kann den häufig tief
sitzenden Gewalterfahrungen begegnet werden und können die
1 Aus dem Konzept der SchlaU-Schule. Verfügbar unter:
http://www.schlau-schule.de/lehrkonzept/so-arbeitet-schlau.html
(12. 03. 2014).
Best Practice
In acht fünftägigen Kursen wurden die jungen Flüchtlinge an
die zirzensischen Disziplinen herangeführt. Vier Stunden täglich lernten sie als Basisdiszipli­nen Jonglage, Akrobatik und
Balance mit dem Ziel, eine Abschlusspräsentation für Betreuer/innen und Freund/-innen zu erarbeiten. Dies sollte die im Alltag
oftmals ins Wanken geratene positive Selbstwahrnehmung begünstigen.
Unsere erste Aufgabe bestand nun darin, die jungen Leute zur
aktiven Teilnahme zu motivieren. Viele hatten Angst, dass ihnen wertvolle Deutschstunden verloren gehen und sie keinen
praktischen Nutzen von dem Projekt haben. Wir mussten an der
Stelle »durch die Hintertür gehen« und die Teilnehmenden spüren lassen, wie viel Spaß Zirkus macht. Durch die Vielfalt und
Offenheit der Zirkuskünste und einen großen Erfahrungsschatz
an Spielen, die die Trainer sensibel einsetzten, ist es gut gelungen, die Jugendlichen ihre Ängste vergessen zu lassen.
21
Neue Erfahrungen und
Herausforderungen
Eine neue Erfahrung für die Zirkustrainer stellte das Alter
der Teilnehmenden sowie die sprachliche Barriere dar. Die
Einführung neuer Spiele und Methoden war dadurch zunächst
recht schwierig. Nachdem ein Spiel allerdings etabliert war,
konnten wir eine auffallend intensive Dynamik beobachten. Die
jungen Menschen, die teilweise nur Verfolgung und Angst kannten, genossen die Atmosphäre. »Jung, urban, ungezwungen und
wertschätzend« sind hier die Stichworte, die beschreiben, worauf es ankam.
Alle Aktivitäten waren darauf ausgelegt, dass der Bezug zum eigenen Körper gefördert wird. Die Verkopplung zwischen Körper
und Kopf sollte für die Jugendlichen spürbar und nachvollziehbar gemacht werden. Dies ist aus unserer Sicht gerade für die
Jugendlichen von besonderer Bedeutung, die mit Traumata
zu kämpfen haben. Einige Übungen, wie das »Ha-He-Ho«
Konzentrationsspiel, waren so erfolgreich, dass sie nun auch in
den Unterrichtsalltag der SchlaU-Schule eingebaut wurden.
Ein weiterer wesentlicher Faktor des Projekts war das
Kennenlernen der eigenen Grenzen. Wie weit komme ich? Wie
weit traue ich mich? Was kann ich durch Üben und Trainieren
erreichen? Das »Dranbleiben bis zum Schluss« machte für viele den Reiz der Veranstaltung aus. Durch das pädagogische
Konzept und die lockere Art der Umsetzung sollten »Türen geöffnet« und somit möglichst viele einzelne Persönlichkeiten abgefangen werden.
Als große Herausforderung wurde es von uns empfunden, das
Verhalten der Jugendlichen einzuschätzen. In jedem konkreten
Fall war Konzentration und Vorsicht geboten, um die scheinbare Unlust oder gar den Boykott richtig zu deuten. Pädagogisch
wie menschlich erfordert diese gegebene und gelebte Vielfalt
und Begegnung mit so unterschiedlichen Persönlichkeiten
ständige Präsenz und Konzentration aller Beteiligten. Bei
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Kleine Erfolge – große Erfolge
vielen Teilnehmenden war es vor diesem Hintergrund ein großer Fortschritt, spielerisch die Sicherheit, die eine Gruppe und
gegenseitiger Körperkontakt bieten, in ihre Erfahrungen zu integrieren.
Als Lernziel für jede Teilnehmerin und jeden Teilnehmer hat
das Trainerteam das differenzierte Weiterkommen in einem
oder mehreren Bereichen angepeilt. Danach wurden individuell Schwerpunkte gesetzt, damit alle »auf ihre Kosten kommen«. Die für die Zirkuspädagogik zentralen Themen, das Übereigene-Grenzen-hinausgehen und Sich-fallen-lassen, waren mit
der Zielgruppe intensiv spürbar und besonders wertvoll.
Best Practice
Im Umgang mit dem Thema Leistung war es entscheidend, dass
die Jugendlichen in jedem Bereich, den sie für sich aussuchten,
gleichermaßen gefordert wurden und Anerkennung fanden.
Dabei sind das Lernen von einzelnen Tricks und die dadurch entstehende Wertung aus dem Blickfeld geraten. Durch die Balance
zwischen Fordern und Anerkennen wurden primär die Freude
am Ausprobieren und der Erwerb neuer Handlungsmuster
und -kompetenzen angeleitet. Besonders bewegend waren für
uns die Momente, in denen sich die Jugendlichen nach einem
geglückten Kunststück gedankenverloren selbst Applaus geschenkt haben oder andere bejubelten.
So wie sich die Jugendlichen von neuen Seiten kennenlernen
konnten, lernten auch die Lehrkräfte ihre Schüler/-innen neu
kennen. »Da konnte plötzlich jemand jonglieren oder über das
Seil laufen – mit einer unglaublichen Konzentration«, erzählte
ein Lehrer. Manchmal lösten sich im neuen Umfeld auch plötzlich Konflikte mit einzelnen, die im Unterricht bislang unnahbar erschienen. Es entstand ein viel größeres Vertrauens­
verhältnis zwischen den jungen Leuten untereinander und der
Umgang in den Klassen hat sich nach dem Kurs merklich verbessert. Die gemeinsamen Pausen boten zudem Raum, Vorlieben
und Persönliches auszutauschen, wie zum Beispiel Musik und
die Freude am Tanzen. Die jungen Flüchtlinge ließen sich auf
Neues ein, forderten aber im gleichen Maße Aufmerksamkeit
für ihre Lebenswelten. Die auf Gegenseitigkeit basierende
Wertschätzung bildete den Rahmen der Veranstaltung.
Die wichtigste Erfahrung, die wir im SchlaU-Zirkus gemacht
haben, war das Erleben von jeder und jedem Einzelnen als besonderen, starken Menschen mit ganz eigener Geschichte. Wir
konnten uns von einer anerkennenden Pädagogik leiten lassen,
die sich in ihren Inhalten und Zielen immer wieder neu an den
Persönlichkeiten orientiert.
Unter diesen Umständen wurde es von Lehrenden und Zirkus­
trainer/-innen als heilsam empfunden, dass die pädagogischen Vorgaben der Maßnahme viel Raum für Kreativität und
Interpretation ließen. Der Druck eines großen Finales wurde
durch die kleinen, wöchentlichen Präsentationen rausgenommen
und rückte das Werten und das Vergleichen in den Hintergrund.
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Volker Traumann (Zirkus Giovanni Bamberg)
Bedürfniszentrierte Zirkusarbeit – Inklusion im Zirkus Giovanni Bamberg
Der Zirkus Giovanni in Bamberg ist Teil des Don Bosco Jugend­
werks, unter dessen Dach ambulante, teilstationäre und stationäre Hilfen für über hundert benachteiligte Kinder und
Jugendliche angeboten werden. Seit 1994 entwickelt die Ein­
richtung modellhafte zirkuspädagogische Maßnahmen für junge Menschen mit »Handicaps«. Im Focus der Zirkusarbeit stehen primär die ganzheitliche Bildung und (heil-)pädagogische
Förderung der Teilnehmer.
Die gegenwärtig durch »Zirkus macht stark« geförderten
Projekte stellen die Trainerteams aufgrund der Heterogenität
der Gruppen vor große Herausforderungen. Bündnispartner
sind Förderschulen, deren Schüler zum Teil erhebliche individuelle Problemlagen, Ängste und Hemmnisse in die
Zirkusarbeit einbringen. Immer wiederkehrende Indikationen
sind: Angst vor Kontaktaufbau, wenig soziale Erfahrung, geringe Frustrationstoleranz, ADHS, geringes Selbstwertgefühl,
Misstrauen vor unbekannten Situationen und Personen, geistige, seelische und motorische Beeinträchtigungen sowie aggressive und impulsive Verhaltensweisen. Demgegenüber stehen
viele Teilnehmer ohne diese Indikationen mit offenem und uneingeschränktem Trainingszugang.
aufgrund kognitiver Einschränkungen auf dieser Ebene überfordert und reagieren eher auf assoziative Trainingsanreize wie
Musik oder Requisiten mit starkem Aufforderungscharakter.
Einige benötigen bei der Erlernung neuer Bewegungsformen
immer wieder taktile Unterstützung durch Berührungen und
bewegungsgeführte Steuerung des Trainers. Gleichzeitig hat jeder Artist ein Recht auf für ihn angemessene Trainingsinhalte,
die ihn weder überfordern noch unterfordern. Dadurch dividieren in manchen Gruppen die einzelnen Bedürfnisse und
Trainingsniveaus sehr stark. Jedes Kind benötigt einen individuellen Trainingsansatz. Gleichzeitig sollen die Teilnehmer
bei aller Individualität wieder zu einer eigenmächtigen, selbstbestimmten und kreativen Gruppe zusammengeführt werden. Dies stellt große Herausforderungen an die pädagogische
Kompetenz, Spontanität und Flexibilität der Zirkustrainer.
In der Kleingruppenarbeit wird die Brisanz dieser Unter­
schiedlichkeit schnell spürbar. Die Bedürfnisse der Teil­nehmer
weichen mitunter stark voneinander ab. Kinder mit großen
Problemen im Beziehungsaufbau benötigen beispiels­weise
einen Schonraum und bevorzugen anfangs eher Einzel­
übungen oder eine aufs Trainingsrequisit fokussierte Anlei­
tung. Gemeinsame Etüden mit anderen Kindern und Choreo­
grafiearbeit mit der ganzen Gruppe müssen sehr vorsichtig
eingeführt werden. Bei vielen Kindern funktioniert die Anleitung
ganz gewöhnlich über verbale Kommunikation. Andere sind
Der Weg ist das Ziel: Die beabsichtigte spätere Aufführung
muss sich wichtigeren Zielen und Gruppenprozessen auf dem
Weg dorthin unterordnen. Der Leitsatz »Jeder ist beteiligt
und fühlt sich wohl in der Gruppe« wird immer wieder von allen kontrolliert. Notfalls wird der Trainingsprozess unterbrochen und es wird mit den Kindern geklärt, wie auftretende
Unzufriedenheiten beseitigt werden können.
Empowerment: Die Kinder werden angehalten, selbst darauf
zu achten, ob alle integriert sind und sollen eigene Lösungen
für Probleme finden. Zum Beispiel: »Glaubt ihr, D. hat mitbekommen, wo ihr Euch auf die Bühne stellen wollt?« »Versucht
doch mal, ihm Eure Vorschläge zu vermitteln ohne zu sprechen.« Diese Pädagogik beinhaltet die Einbeziehung aller unterschiedlicher Eigenschaften, Verhaltens- und Denkweisen.
Gegenseitige Akzeptanz, Unterstützung und die Anerkennung
des Anders-Seins sind in diesem Zusammenhang wichtige Ziele
der heilpädagogischen Zirkusarbeit.
Individuelle Trainingszugänge: Heilpädagogische Zirkus­arbeit nutzt die intrinsische Motivation der teilnehmenden
Kinder und Jugendlichen. Der Trainer muss sich mitunter von
24
Best Practice
Die Mehrheit der erwachsenen Anleiter im Zelt hat neben zirkuspädagogischer Aus- oder Fortbildung eine pädagogische
Grundausbildung als Sozialpädagoge, Erzieher, Heilpädagoge
oder Heilerziehungspfleger. Teamberatung nach jedem Training
ist Standard. Als hilfreich haben sich unter anderem folgende
methodische Prinzipien erwiesen.
traditionellen Disziplin- und Lehrwegvorstellungen verabschieden und individuelle Vorstellungen und Interpretationen der
Kinder zulassen. Manchmal wird ein Drehteller zum »Wurfufo«
und ein Jonglierball verwandelt sich in das Rollobjekt einer
Kugelbahn.Hat der Trainer den Mut,sich der Lust des Teilnehmers
an dieser Neuinterpretation anzuschließen, begeben sich beide
auf einen neuen Weg voller Spiel, Spaß und Energie mit oftmals
authentischen und verblüffenden Aufführungsergebnissen. Die
Eigenmotivation der Teilnehmer ist ein wichtiger Motor für den
Trainingsfortschritt. Beharrt der Trainer hingegen auf seinem
Weg, können Frustration, Enttäuschung und Energieabbau des
Teilnehmers die Folge sein.
Ressourcenorientierung: Aufgabe des Pädagogen ist
es, die in jeder Person vorhandenen Stärken, Ressourcen und
Handlungspotentiale zu entdecken und zu fördern.
Insbesondere benachteiligte Kinder und Jugendliche wollen
und sollen über ihre Stärken definiert werden. Ressourcen­
orien­tierung stellt die Stärken (Ressourcen) in den Mittelpunkt
und nicht die Defizite. Konsequentes ressourcenorientiertes
Arbeiten vermeidet daher defizitäre Beschreibungen von Denkund Handlungs­mustern und sucht nach Zugängen des Verstehens, auch und gerade solcher Verhaltensweisen, die als
problematisch beschrieben und etikettiert werden. Auf diese
Weise versucht der Trainer den Kindern Vorbild zu sein für den
Umgang mit der Verschiedenheit der Teilnehmer.
Immer wieder scheitern wir auf dem Weg, die unterschiedlichen Bedürfnisse »unter einen Hut« zu bekommen. Und mitunter sind wir weit entfernt vom perfekten Training, erleben
eine Trainingseinheit als unstrukturiert und völlig chaotisch.
Manchmal sind wir dann erstaunt, wenn die Kinder gerade nach
so einem Training schwärmen, »wie toll es heute war«.
Die wertvollste Erfahrung für uns Trainer ermöglichen uns
immer wieder die Kinder und Jugendlichen: Mit großer
Selbst­verständlichkeit akzeptieren sie meist von der ersten
Trainingseinheit an das Anders-Sein ihres Gegenübers.
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Gerhard Bitterwolf (Förderverein der Grundschule II Stadtallendorf)
Ein Zirkusprojekt im sozialen Brennpunkt
Stadtallendorf ist eine mittelhessische Industriestadt mit etwa 20 000 Einwohnern und einem hohen Zuwandereranteil.
Besonders im Einzugsbereich der Grundschule II hat sich ein
sozialer Brennpunkt entwickelt. Die Situation vieler Kinder
und ihrer Familien in diesem Brennpunkt ist geprägt durch
geringe Einkommen, Arbeitslosigkeit oder unsichere Arbeits­
verhältnisse, Bildungs- und Kulturferne.
Auffallend ist zudem die Häufung physischer und psychischer Beeinträchtigungen durch mangelnde Bewegung, Fehl­
ernährung und exzessiven Medienkonsum. Die Folgen sind
neben motorischen Defiziten, Übergewicht und Adipositas vielfach Lern-, Entwicklungs- und Verhaltensstörungen.
Deshalb ist für den Förderverein der Grundschule II Stadt­
allendorf seit 2005 Bewegungs- und Gesundheits­förderung ein
Schwerpunkt. Ein Ziel ist, durch ein hoch motivierendes, vielfältiges und differenziertes Bewegungsangebot nachhaltige
Verbesserungen zu erreichen. Dabei erwies sich ein zirkuspädagogischer Ansatz als besonders geeignet, die Bewe­gungs­
entwicklung der Kinder, deren Selbstbewusstsein, Kreativität
und Zusammenhalt zu fördern.
So entstand das Konzept »Traumfänger«: Alle 400 Kinder lernen in den ersten beiden Schuljahren außerhalb des Unterrichts
Bewegungs- und Darstellungsformen aus dem Zirkus kennen.
Danach können sie sich – unter einer Reihe von AGs – für die AG
Zirkus und Akrobatik entscheiden.
Natürlich war die Verwirklichung dieses Konzepts nicht einfach.
Im Grunde musste in jedem Schuljahr die finanzielle Basis neu
geschaffen werden. Dabei hat sich eine enge Zusammenarbeit
von Förderverein, Schule und Eintracht Stadtallendorf entwickelt, aus der unser lokales Bündnis für Bildung hervorging.
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Zirkus macht stark – ein Quantensprung
Das neu gegründete Bündnis und das Förderprogramm »Kultur
macht stark/ Zirkus macht stark« bedeutet für die Zirkusarbeit
in Stadtallendorf einen Quantensprung. Erstmals können wir
längerfristig auf einer soliden finanziellen Grundlage arbeiten,
das ursprüngliche Konzept weiterentwickeln und das Projekt
für Kinder aus dem Sozialraum öffnen. Besonders vorteilhaft
ist die Mitarbeit von Übungsleitern aus dem Verein, die eigene
Erfahrungen als Leistungsturner einbringen. Inzwischen hat
sich der Magistrat der Stadt Stadtallendorf unserem lokalen
Bündnis für Bildung angeschlossen.
An den Halbjahreskursen nehmen regelmäßig etwa 40 Kinder
aus dem offenen Ganztag der Schule und weitere 15 Kinder aus
dem Sozialraum teil. Rund 90% der Teilnehmer kommen aus
Zuwandererfamilien; zwei Drittel davon sind Mädchen muslimischen Glaubens.
Der Schwerpunkt der Kurse liegt im Bereich Akrobatik. Er umfasst
Bodenakrobatik, Luftakrobatik am Trapez und am Vertikaltuch,
Gleichgewichtsakrobatik sowie Trampolinspringen. Zeitweise
bieten wir zusätzlich Clownerie und Zauberei an.
In jeder Pause oder Sportstunde wird sichtbar, wie das Metier
Zirkus und Akrobatik die Bewegungskultur an der Grundschule
II prägt. Ebenso wie viele Kinder jede Gelegenheit nutzen, einem
Fußball nachzujagen, schlagen nicht weniger Kinder unermüdlich Räder, üben Handstände oder funktionieren Spielplatz und
Sporthalle zum Akrobatikparcours um. Diese Begeisterung ist
die Basis aller Erfolge.
Öffnung
Ein wesentliches Element des Traumfänger-Konzepts sind neben eigenen Bühnen­programmen regelmäßige Gastauftritte
bei Turnfesten, reisenden Zirkussen, Sportlerehrungen, Stadt­
festen oder Mittelaltermärkten, mit denen wir jährlich zwischen
5 000 und 10 000 Zuschauer erreichen. Durch diese Auftritte
haben wir unsere Bekanntheit in der Region erheblich gesteigert und diverse Preise und Auszeichnungen gewonnen (z. B.
Jugendkulturpreis des Landkreises Marburg-Biedenkopf,
1. Preis beim Marburger Wettstreit der Gaukler). Zugleich verbinden wir mit den Auftritten das Ziel, dem Publikum eine faszinierende Körper- und Bewegungskultur nahezubringen, die
weit in die Antike zurückreicht.
Im September 2013 haben wir das Video »Akrobatik Traum­
fänger« ins Netz gestellt. Seit Dezember 2013 ist das Video an
erster Stelle in der Rankingliste von Youtube (Akrobatik) und
Google (Videos/ Akrobatik) gelistet. Gegenwärtig (Mai 2014) verzeichnen wir 150 000 Aufrufe aus 144 Ländern, zu denen täglich
rund 700 weitere Aufrufe kommen.
Beflügelt von diesem Erfolg haben wir weitere Videos zur
Akro­batik am Vertikaltuch, zur Clownakrobatik und zur Bo­
den­­akrobatik erstellt. Eine Besonderheit ist das Video zur
Bodenakrobatik, in dem wir gemeinsam mit den Kunst­tur­
ner­innen von Eintracht Stadtallendorf die Faszination der
Akrobatik mit der Ästhetik des Kunstturnens verbinden.
Best Practice
Ein Plädoyer für Respekt und Weltoffenheit
Bühnenprogramme bieten die Möglichkeit, die kreativen
Potentiale von Kindern in einer Synthese von Akrobatik,
Musik, Kunst, Theater, Tanz und Magie zusammenzuführen.
Zugleich können sie Inhalte vermitteln, Denkanstöße geben
und Einstellungen prägen. »Unsere Welt ist bunt« – dieser Titel
unseres ersten Programms beschreibt auch das Ziel, das dem
Traumfänger-Projekt zugrunde liegt. Mit »Leanas Traum« bereiten wir ein neues Bühnenprogramm vor, das in die Welt der
Gaukler, Spielleute und Theatermacher des Mittelalters führt.
Diese reisenden Künstler brachten Abwechslung, Freude, mit
einem Wort: Kultur in das triste Leben vieler Menschen; allerdings konnten Neugierde und Beifall jederzeit in Ablehnung
und Verfolgung umschlagen. Die Geschichte, in der die
Freundschaft zweier ungleicher Kinder Unwissen, Vorurteile
und Fremdenfeindlichkeit überwindet, ist zugleich ein durchaus aktuell verstehbares Plädoyer für Weltoffenheit und ein respektvolles Zusammenleben der Kulturen.
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Jana Hetsch-Wiehl (ZZB Halle)
Zirkus Klatschmohn in der Schule – Blütezeit im Zirkus
»Wir haben heute Zirkus!« tönte es laut über den Vorplatz der
Turnhalle. Acht Kinder im Alter von 12 bis 14 Jahren hatten einmal in der Woche etwas anderes vor als ihre Freunde. Die Kinder
einer Förderschule aus einem strukturschwachen und von sozialer Benachteiligung geprägten Stadtteil Halles trainierten für
ein halbes Jahr im Rahmen einer Zirkus-AG nach dem Unterricht
Akrobatik, Luftartistik, Jonglage und Gleichgewichtskünste.
Dafür stellte ihre Schule die Turnhalle unentgeltlich zur
Verfügung und die Zirkuspädagogen und Trainer des Kinderund Jugendzirkus Klatschmohn kamen, um mit ihnen neue
(Bewegungs-) Erfahrungen zu sammeln.
Es war immer wieder ein besonderer Moment, wenn die
Mitarbeiter des ZZB Halle (Zentrum für Zirkus und bewegtes
Lernen Halle e.V.) die vielen Kisten, Matten, Bälle, Laufkugeln,
bunten Teller und Tücher aus dem leuchtend roten Hänger holten. Oft nahmen die Kinder daran schon aktiv teil und stimmten
sich so auf das kommende Training ein.
Gemeinsam erlebten sie in gruppendynamischen Prozessen,
wie Anstrengung und Durchhaltevermögen Spaß machen
kann und zu sichtbaren Erfolgen führte. Dabei bewährten sich
erneut die didaktischen und methodischen Prinzipien des
Zirkus Klatschmohn. Konsequent wurden die Kinder in alle Entscheidungen einbezogen und ihre Wünsche und Ideen
wurden ernst genommen. Genauso so konsequent mussten sie
sich als Teil einer Gemeinschaft verstehen und entsprechend
Verantwortung übernehmen. Nicht selten zeigte sich, dass diese Aufgabe eine größere Herausforderung war als das Jonglieren
mit Bällen oder das Laufen auf einer Kugel! Dennoch gelang es
den Pädagogen, die Kinder zu individuellen Höchstleistungen
zu motivieren. Gerade die Eigenschaften, die ihnen im schulischen Kontext oft im Weg standen, wurden nun zu ihren größten
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Potentialen. Aus dem »Kasper« wurde ein begabter Clown, aus
dem »Zappel-Philipp« wurde ein dynamischer Akrobat.
Am Ende des Kurses hatte jeder sein Element gefunden und die
Kinder zeigten vor großem Publikum ihr Können. Spätestens in
diesem Moment wurde allen Beteiligten klar, warum es sich gelohnt hatte, die vielen stressigen, oft konfliktgeladenen Stunden
auszuhalten. Die Freude und der Stolz der Kinder, das Gefühl,
etwas Großes geleistet zu haben, und der Applaus der Eltern,
Freunde und Bekannten waren wertvolle Erfahrungen für die
Teilnehmer des Zirkuskurses.
Die Arbeit im Kurs folgte einem bewährten Muster. Die ersten
Wochen hatten die Kinder Zeit, die verschiedenen Disziplinen
kennen zu lernen und auszuprobieren. Zu diesem Zeitpunkt
war die Motivation noch groß und die Pädagogen konnten ihren Schwerpunkt vor allem auf soziale und gruppenbezogene
Prozesse legen. In diesen Momenten kam überwiegend die sozialpädagogische Profession der Trainer zum Tragen. Wie verabredet standen sie mit den Lehrern der Förderschule in Kontakt,
um die individuellen Ziele für die Kinder immer wieder anzupassen bzw. zu erweitern. Zu diesem Zweck füllten sie regelmäßig einen Feedbackbogen aus, der es allen Beteiligten ermöglichte, Fortschritte sichtbar zu machen oder neu auftretende
Förderziele rechtzeitig darzustellen.
Anschließend gab es eine Phase der systematischen vertiefenden Ausbildung in einer selbstgewählten Zirkusdisziplin. In diesen Wochen galt es, die Motivation der Kinder aufrecht zu erhalten und die bereits erzielten Ergebnisse weiter zu sichern.
Dazu haben die Trainer mit den Kindern feste Strukturen für
das Training und gemeinsame Regeln erarbeitet. Individuelles
Training und gemeinsame Spielphasen gehörten ebenso dazu
wie regelmäßige Feedbackrunden.
Tricks oder verlangte einen Aufsatz über die Schönheit des gemeinsamen Spiels. Wahrscheinlich kann auch kein Kind diese Erfahrungen nun konkret in Worte fassen, dennoch haben
sie sie gemacht und werden ungleich reicher in kommende
Prozesse starten. Darin liegt der wahre Zauber des Zirkus: dass
kleine Wunder nebenbei passieren und große Fähigkeiten in
den kleinen Dingen erlebbar gemacht werden.
Um diese Erfahrungen nachhaltig zu verwerten, führte das
ZZB Halle e.V. eine Fortbildung als Wochenendworkshop für
Jugendtrainer und Ehrenamtliche des ZZB und aus anderen
Kinder- und Jugendzirkussen durch, in welchem grundlegende und vertiefende Methoden der Zirkuspädagogik mit Kindern
präsentiert wurden. Am konkreten Beispiel des Hoop-Spiels haben wir den Interessierten gezeigt, wie man mittels vieler Spiele,
kleiner technischer Einführungen und kreativer Einfälle Zirkus
in den pädagogischen Alltag einbinden kann. Nebenbei hatten
die Teilnehmer Gelegenheit, sich über die philosophischen Ideen
des Zirkus auszutauschen, neue didaktische und methodische
Kniffe kennen zu lernen, und wurden von einer Rettungsärztin
in die spezifischen Maßnahmen der ersten Hilfe eingewiesen.
Am Ende folgte eine Inszenierungsphase, in welcher die
Kinder ihre Nummern einstudierten, Kostüme herstellten und
Requisiten bauten. Jetzt wurde für die Kinder deutlich sichtbar,
dass nicht nur die sportlichen und kreativen Fähigkeiten zum
erfolgreichen Inszenieren führten, sondern vor allem ihre sozialen Kompetenzen eine schöne Nummer garantierten.
All diese Erfahrungen passierten ganz »nebenbei«. Niemand
präsentierte im Ethikunterricht Normen und Werte, berechnete an der Tafel die Wahrscheinlichkeit des Gelingens eines
Best Practice
Somit konnten wir durch die Förderung des Programms
»Zirkus macht stark« ein rundum gelungenes Päckchen schnüren. Sowohl der Zirkuskurs als auch der organisierte Workshop
für die ehrenamtlichen Helfer waren erfolgreich und wir können zufrieden auf das Geschaffte zurück blicken. Dennoch haben wir gemerkt, dass das Engagement und die Motivation der
Teilnehmer erarbeitet werden müssen und einem nicht einfach so zufliegen. Wir wünschen uns sehr, weiterhin in diesem
Bereich aktiv sein zu können und dabei auf Bündnispartner wie
das Programm »Zirkus macht stark« vertrauen zu können.
29
Claudia Vogel/Chris Murawski (Zirkus Bellissima, Speyer)
»Kleine Artisten – ganz groß!« bei Zirkus Bellissima
In der Woche vom 5. – 9. August 2013 fand in der Sporthalle der
Schule im Erlich in Speyer eine Schnupperwoche speziell für
Kinder und Jugendliche statt, die am Projekt »Zirkus macht
stark« teilnehmen. Alle waren pünktlich und sehr aufgeregt,
einige Mädels hatten sogar Bauchschmerzen. In einer kurzen Vorstellungsrunde wurden die verschiedenen Regeln besprochen und der Tagesablauf vorgestellt. Nach der Einteilung
der Teilnehmer in drei Gruppen – Sonderwünsche von einigen Jugendlichen wurden hierbei berücksichtigt – wurde mit
der Einführung und dem Kennenlernen der verschiedenen
Disziplinen begonnen.
Natürlich gab es einige Kinder, die in den Zirkus-AGs schon
Vorkenntnisse erworben haben. Sie wurden nach einer gemeinsamen Einführung mit speziellen Aufgaben beschäftigt, z. B. das
Üben vom Jonglieren mit Basketbällen oder unterschiedlich großen Bällen und das Einstudieren einer Partnerübung.
Nach der Mittagspause fand ein freies Training statt, in dem die
Teilnehmer ihre Aktivitäten frei wählen durften. Dieses Angebot
hatte großen Motivationscharakter, da für jeden Einzelnen die
Möglichkeit bestand, sich mit einer Einheit intensiv zu beschäftigen und die Fähigkeiten in seiner »Lieblingsdisziplin« zu vertiefen.
Am zweiten Tag erschien wieder jeder Teilnehmer – manchen
schmerzte der gesamte Körper aufgrund der ungewohnten, intensiven Bewegung. Doch jeder wollte mit ungebremstem Eifer
auf jeden Fall weiter machen. Aufgrund der Nachfrage und
Initiative einiger Jugendlicher ergab sich die Situation, dass
drei Disziplinen besonders intensiv geübt wurden: Es bildete sich eine Einradgruppe und zwei Mädchen durften ihre ersten positiven Erfahrungen am Boden vertiefen und übten Rad,
Handstand und Handstandüberschlag. Die dritte Gruppe erweiterte ihr Können in verschiedenen Balance-Einheiten.
30
Der dritte Tag begann mit müden und erschöpften Artisten
und einem dringend notwendigen schwungvollen Spiel. Die
Angebote Partnerakrobatik, Trapez und Einrad waren allerdings
so ansprechend und interessant, dass die körperliche und psychische Erschöpfung schnell verschwunden war. Auch in diesen
Einheiten wurden die Artisten individuell behandelt und manche, die mit dem jeweiligen Gerät aufgrund der Zirkus-AG im
Vorfeld schon vertraut waren, bekamen »Extrafutter«, indem sie
z. B. bei der Kugel zusätzlich Reifen bekamen, beim Einrad mit
Schrubber und Eimer üben durften und differenzierte Übungs­
angebote am Seil kennenlernten.
Große Freude bei J.: Ein Trainer hat ihr aufgrund ihres fleißigen
Trainings und der tollen Erfolge beim Einradfahren eine Überraschung
für heute versprochen. Sie hat es vor Spannung kaum ausgehalten und
– so erzählt sie – die Nacht nicht geschlafen. Der Trainer holt für sie ein
Hochrad hervor, auf dem sie üben darf.
Nach der Mittagspause mit Wasserschlacht im Bikini und
Badehose folgte auch heute wieder ein freies Training.
J. übt das erste Mal auf dem Hochrad quer durch die Halle. Sie zeigt sehr
viel Mut und Konzentration und strahlt über das ganze Gesicht, als ihr
Erfolg von den anderen Artisten beklatscht wird.
Während dieser Phase schwanden die Hemmungen bei den
Artisten mit einem für die Trainer beeindruckenden Selbst­
verständnis. Sie fassten sich an den Händen, kletterten ohne
großes Zögern aneinander hoch und unterstützten sich in allen
Disziplinen.
Ein kräftiger, sehr nachdenklicher Junge beschließt, seine Ängste zu überwinden und auf das Trapez zu klettern. Mit Unterstützung der Trainer
und unter den Zurufen der Freunde überwindet er seine Höhenangst und
kämpft sich nach oben. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er Übungen am
Trapez immer verweigert. Oben angekommen, ist das Strahlen auf seinem Gesicht nicht mehr wegzubekommen.
T., unser Supersportler und der Älteste der Gruppe, fordert immer noch
was mehr an Angeboten, um seinen Ehrgeiz zu stillen. Er lernt, einarmig am Trapez zu hängen und gemeinsam mit dem Trainer eine weitere Partnerin bei der Bodenakrobatik mit den Händen hochzustemmen.
In der Begrüßungsrunde am vierten Tag wurde vom Trainerteam
das Motto der Aufführung »Auf dem Pausenhof ist was los!«
vorgestellt und von allen begeistert aufgenommen, da diese
Idee immer wieder aktuell war und der »echte« Pausenhof in
der gesamten Woche eine zentrale Rolle eingenommen hat. Es
folgte ein aktiver Tag mit viel Aktionen, viel Musik, Zuschauen
bei den anderen, Zwischenapplaus, eigenen Planungen und
Veränderungen, Wunscherfüllungen – die Nervosität und die
positive Anspannung stieg langsam an!
Am Morgen des fünften Tages stimmten wir uns ganz besonders auf diesen Tag ein und besprachen auch den gesamten
Ablauf. In der ersten Einheit wurden Plakate gezeichnet und das
Hausmeisterbüro und der Pausenhof eingerichtet. Es herrschte
eine besondere Stimmung! Um 11 Uhr folgte die Generalprobe:
Das Programm stand und jede einzelne Nummer hatte ihren
Platz, alles war passend abgestimmt.
Plötzlich taucht ein Problem auf und ein Mädchen beginnt recht emotional, ja aggressiv zu reden: »Ich mache bei der Aufführung nicht mit!«
Zunächst geschocktes Schweigen, dann ungläubiges Murmeln bei den
anderen Artisten. Eine Trainerin nimmt das Mädchen mit nach draußen, um in einem abgelegenen Raum ruhig über die Situation sprechen zu können. Die Jugendliche ist an diesem Nachmittag bei einer Freundin zum Geburtstag eingeladen und die Freundin fordert
von ihr, dass sie kommt. Wir wollen, dass sie, wie schon zu Beginn des
Kurses mit ihr besprochen und freiwillig entschieden, zur Aufführung
bleibt. Auf einen Kompromiss, dass sie nach der Vorstellung von der
Trainerin zum Geburtstag gefahren wird, lässt das Mädchen sich nicht
ein. Es werden verschiedene Möglichkeiten besprochen, doch keine
Entscheidungsfindung ist möglich.
Die Jugendliche sitzt mehr als 45 Minuten am Rand der Sporthalle und
ringt mit sich. Wie wird sie sich positionieren? Gegen die gesamte Gruppe,
Best Practice
für die Freundin? Den Trainern ist bewusst, dass das Mädchen aufgrund
einer sehr schwierigen familiären Situation sich selbst immer wieder in
solche Situationen bringt und diese negativen Erfahrungen herausfordert. Gerade deshalb ist es wichtig, dass sie die Entscheidung selbst fällt.
Sie muss mit den Konsequenzen umgehen lernen und kann mit einer gewissen Akzeptanz der Trainer ihr gegenüber rechnen. Schließlich teilt sie
den Trainern mit, dass sie zum Geburtstag gehen wird – und zwar sofort!
Wir verabschieden uns von ihr und lassen sie ziehen.
Zurück bleibt J., die mit dem Mädchen zusammen eine tolle
Einradnummer einstudiert hatte. Ungläubig, mit offenem Mund, fast
verzweifelt. Was nun? Wir überlegen gemeinsam und alle Trainer sind
überzeugt, dass sie den Hauptteil der Nummer allein bewältigen kann
– mit der Unterstützung von D., der bereitwillig und spontan eine kleine,
aber für die Nummer wichtige Rolle übernimmt. J. zweifelt und ist sich
nicht sicher, ob sie es schaffen wird.
Das Lampenfieber wächst! Durch den Zuspruch der anderen und die
Unterstützung der Trainer steigt ihr Wille, es zu schaffen. Immer wieder
murmelt sie sich selbst die Reihenfolge ihrer Nummer vor.
Ihr Auftritt später wird zu einem Riesenerfolg. Mama und Oma kämpfen mit den Tränen, ihre Schwester ist schwer beeindruckt und auch die
Lokalzeitung honoriert ihre Leistung mit einem Bild neben dem Bericht.
Die Aufführung entwickelte sich zu einer Glanzleistung eines jeden Einzelnen. Jeder wusste, was zu tun war, hinter der Bühne
herrschte stilles Gewusel und die »Fertigen« wurden abgeklatscht und gelobt. Zum Abschluss kam J. als Putzfrau aus der
hinteren Ecke mit dem Hochrad. Die ganze Mannschaft zeigte
auf sie und wartete, bis sie die Manege erreicht hatte. Dann ein
tosender Applaus für alle!
Eine mit viel positiver Energie gefüllte Woche ging für
die Artisten und die Trainer zu Ende. Das neu gewonnene
Gemeinschaftsgefühl und die guten Erfahrungen auf der Bühne
haben uns stark werden lassen. Die Woche ging viel zu schnell
vorüber und es fiel allen schwer, Abschied zu nehmen. Nach einem gemeinsamen Abschlusskreis und einem Zirkus-T-Shirt als
Geschenk gingen die Artisten mit großem Glücksgefühl mit ihrer Familie nach Hause.
31
Daniela Mende/Rebecca Stadtmüller (Zirkus Fantasia, Rostock)
»Zirkus macht stark« und alle sollen es sehen!
Bisher haben insgesamt ca. 120 Kinder und Jugendliche an den
Zirkuswochen » Ein Zelt voller Leben« im August, September
und Oktober 2013 und im März 2014 sowie am Zirkuskurs »Die
Fantastischen« von November 2013 bis April 2014 teilgenommen.
Begeisterung und zauberhafte Augenblicke haben wir fortwährend in einem Blog dokumentiert. Großartige Geschichten sind
hier entstanden. Wunderbare Fotos gibt es zu sehen. Der Blog
dient als eine Art Projekttagebuch, welches die Arbeitsprozesse
dokumentiert und für alle Interessierten sichtbar werden lässt.
Diese Idee ließ sich von Beginn an gut verwirklichen. Für die
Themen Dokumentation und Transparenz ist dieses Medium
bestens geeignet. So ist der Blog einerseits für einige Kinder und
Jugendlichen eine gute Möglichkeit, ihren Eltern bereits vor der
Show zu zeigen, woran sie arbeiten.
Sind wir andererseits auf der Suche nach neuen Bündnispartnern
oder auch Sponsoren, dann lässt sich herrlich unkompliziert auf
unseren Blog verweisen. Wichtige Voraussetzungen hierfür sind,
dass der Blog aktuell ist und zu Beginn jedes neuen Projektes die
rechtlichen Rahmenbedingungen für die Verwendung von Fotos
mit den Akteuren und den Eltern über eine Erklärung abgesichert sind.
Während der Projektplanung und der Konzeption des Blogs erhofften wir uns, für die Akteure und andere Interessierte eine
Plattform zu schaffen, auf der sie miteinander kommunizieren
können. Wir hatten die Idee, dass sich Zirkuspädagogen anderer Projekte zu Wort melden, um in fachlichen Austausch mit
unseren Kursleitern zu treten, und dass sich die teilnehmenden
Kinder und Jugendlichen über Kommentare beteiligen. Dieser
Austausch fand jedoch nicht statt. Hierfür könnte es verschiedene Gründe geben. Wir vermuten, dass einerseits der Zugang zum
Blog für einige Akteure nicht möglich ist, andere vielleicht nicht
die Fähigkeiten zur selbstständigen Nutzung des Blogs haben.
32
Reaktionen anderer Zirkuspädagogen brauchen vielleicht noch
etwas Zeit und einen höheren Bekanntheitsgrad des Blogs.
Eine weitere wichtige Erfahrung der vergangenen Projektmonate
ist die Tatsache, dass die aktuelle, inhaltlich ansprechende und
liebevolle Pflege des Blogs sehr zeit- und arbeitsaufwändig ist.
Wir werden den Blog weiter nutzen und passen deshalb die
Form und den Arbeitsaufwand hinsichtlich der Aktuali­sie­
rungsintervalle an die gewonnenen Erfahrungen an.
Das bedeutet, es wird zum Ende einer jeden Zirkuswoche einen Blog als Dokumentation und zusammenfassende Rück­
schau geben. Der Blog wird von den Kursleitern gestaltet. Die
Bildergalerie bleibt erhalten, denn Fotos sind ein perfektes
Medium, um Stimmungen und besondere Augenblicke festzuhalten. Somit bleibt eine regelmäßige Fotodokumentation während der Projektkurse unerlässlich.
Das gibt uns die Möglichkeit, auch nach einer weiteren
Projektrunde wieder großformatige Erinnerungsbilder der Pro­
jekt­arbeit auszustellen.
Die Rückmeldungen zu unserer ersten Veröffentlichung der
Erinnerungsbilder anlässlich der Saisoneröffnung 2014 sind
ausschließlich positiv. Die 25 Bildertafeln hingen außen an unseren Zirkuswagen und viele Besucher und auch die Zirkus­
künstler selbst staunten und waren begeistert und stolz. Die
Arbeit der Kinder und Jugendlichen war nicht nur für den einen Moment auf der Bühne sichtbar, sondern viele kleine zauberhafte Augenblicke der vergangenen Projektwochen sind im
Foto festgehalten und lassen sich wieder und wieder geduldig
betrachten.
Die Ausstellung der Erinnerungsfotos ist zunächst als Wander­
ausstellung »Erinnerungsfotos gehen auf Reisen« konzipiert. Sie
wird einerseits in den Räumen unserer Bündnispartner zu sehen
sein, andererseits auch an verschiedenen exponierten Plätzen
unserer Hansestadt, um auf unsere Projekte und die vielfältigen
Möglichkeiten zirkuspädagogischer Arbeit aufmerk­sam zu machen. Danach werden die Fotos an diejenigen übergeben, denen
sie gehören: unseren Zirkusartistinnen und Zirkusartisten!
Rückmeldung aus der St. Michael Schule zur Ausstellung »Erin­
nerungsfotos auf Reisen«
Erinnerungsfotos an das Zirkusprojekt »Zirkus macht stark!« hängen
seit Mitte Mai in den Fluren der St. Michael-Schule Rostock.
Eröffnet wurde die Fotoausstellung im Rahmen eines Schulmorgenkreises
durch die Zirkuskünstler/-innen der Klassen 4 und 8 mit einem
Rückblick auf die Zirkuswochen im Rahmen von »Zirkus macht stark!«.
Bei der anschließenden Bühnenshow von einem Traum einer Reise über
das Meer zeigten unsere Kinder, dass sie mittlerweile mit Bühne und
Zirkustechniken vertraut sind, aber vor allen Dingen »Zirkusfeuer« gefangen haben.
Die Bilder im Schulhaus machen seitdem Schüler/-innen und Besucher/innen neugierig, erzählen vom Projekt, den vielen Eindrücken, den schönen Erlebnissen, den tollen Erfahrungen und vor allem machen sie Lust
auf mehr ZIRKUS!!!
Nicole Ruch, Lehrerin an der St. Michael-Schule in Rostock
Blogadresse www.ein-zelt-voller-leben.de
Best Practice
33
Eindrücke aus dem Zirkus San Pedro Piccolino in Werl
»Träume nicht dein Leben - lebe deinen Traum« ist der
Slogan vom Zirkus San Pedro Piccolino in Werl. Der kleine ehrenamtlich geführte Zirkus hat im ersten Förderjahr von Zirkus
macht stark zwei Projekte durchgeführt, einen Zirkuskurs im
Nachmittagsbereich und eine Zirkuswoche. Das Bündnis in
NRW besteht aus dem Zirkus, einer Grundschule und dem
Schul- und Kulturamt in Werl. Die Berichte von Otti Haupt,
Vorstandsvorsitzender bei San Pedro Piccolino beschreiben sehr
anschaulich die Glücksmomente der teilnehmenden Kinder.
Hier eine kleine Begebenheit aus der Zirkuswoche, die im Juli
2013 durchgeführt wurde:
Die angemeldeten Kinder trudeln nach und nach ein, ich hole die Anmeldeliste und überprüfe die Namen. Übrig bleibt ein
achtjähriges Mädchen. »Ich mache auch hier mit«, ruft sie. Ich
frage sie nach ihrem Namen, überprüfe noch einmal meine Liste
und stelle fest, dass sie nicht angemeldet ist. »Tut mir leid«, sage
ich, »aber du stehst nicht auf der Anmeldeliste. Ist deine Mutter
da oder dein Vater?« »Meine Mutter hat mich hier hergebracht
und ist sofort wieder gegangen. Ich soll hier mitmachen.« Was
tun? Ich rufe meine Ansprechpartnerin beim Bündnispartner
an und erkläre die Situation. »Lass sie mitmachen«, wird mir gesagt.
Das Mädchen macht also mit, ist zwar hyperaktiv und nicht
immer ganz leicht zu führen, zerbricht auch schon mal einen
Tellerdreherstab, wenn etwas nicht gleich klappt, ist aber voller
Ehrgeiz, etwas zu lernen. Am nächsten Tag ist sie auch wieder
da, ebenfalls am übernächsten. Die Mutter entlässt sie schon
weit vor der Zirkushalle, damit sie von mir nicht angesprochen
werden kann.
Es ist Donnerstag, die Kinder erhalten von mir Einladungen
für die Eltern zur Schlussaufführung am Freitag. Das Mädchen
fängt an zu weinen. »Meine Mutter kommt nicht, die interessiert sich ja gar nicht für mich und für das, was ich tue.« Ich beruhige und tröste sie, ihre Mutter komme ganz bestimmt. In
34
der Mittagspause fahre ich zur Wohnung des Mädchens. Die
Mutter ist zu Hause. Ich gebe ihr die Einladung und bitte sie, zur
Aufführung zu kommen. Sie ist ablehnend: »Ich musste als Kind
auch alleine fertig werden, das muss sie lernen, sonst hat sie keine Chance im Leben«, betont sie. Ich versuche, dagegen zu argumentieren. Die Mutter bleibt stur.
Freitagmorgen, die Kinder sind nach der Generalprobe furchtbar nervös, laufen in ihren Kostümen immer wieder nach draußen, um nach ihren Freunden und Eltern Ausschau zu halten.
Die meisten kommen auch. Nur die Mutter von dem achtjährigen Mädchen nicht. Das Kind fängt an zu weinen und will nicht
auftreten. Eine der Ehrenamtlichen kümmert sich um sie. Die
Aufführung beginnt, ich helfe hinter dem Vorhang. Plötzlich ein
Schrei, lauter als die Musik. Ich laufe um den Vorhang herum
und sehe das Mädchen, das ihre Mutter an sich drückt und dann
hinter den Vorhang rennt. »Wann bin ich dran? Meine Mutter
ist da!«, jubelt sie. Und ihr Auftritt (sie ist Tellerdreherin und bei
den Clowns) ist auch wirklich super. Sie spielt schön und ihre
Tellertricks sind fehlerfrei.
Nach der Aufführung bedankt sich die Mutter bei mir mit den
Worten: »Ich bin superstolz auf mein Kind. Das hätte ich ihr
nicht zugetraut, dass sie so schön in der Manege auftritt. Ich
glaube, ich muss doch mehr Zeit für sie haben.«
Sozialraumorientierte Arbeit bei der Circusschule Jokes in Bremen – Ein Interview
Im Bremer Stadtteil Huckelriede ist momentan alles im Umbruch.
Neben der alten Bausubstanz entstehen am Werdersee neue
Wohnviertel. So wohnen nun Bürger mit geringem Einkommen,
ein hoher Prozentsatz an Arbeitslosen sowie Menschen mit
Migrationshintergrund neben gut betuchten Familien. Die
Schere zwischen reich und arm ist groß in Huckelriede und
der Stadtteil steht sowohl städtebaulich als auch in der sozialen Arbeit und Jugendarbeit vor großen Herausforderungen.
Auch für die Circusschule Jokes gilt das: Das Projekt hat durch
das ESF-finanzierte kommunale Förderprogramm Wohnen in
Nachbarschaften (WiN) die Möglichkeit bekommen, einen eigenen Zirkusplatz mit Zelt in Huckelriede aufzubauen.
Zirkus macht stark hat mit Dietmar Hatesuer, Geschäftsführer
bei Jokes, gesprochen, um mehr über die sozialraumorientierte Arbeit des Zirkus und die Bedeutung der Förderung durch
»Kultur macht stark« zu erfahren.
Zirkus macht stark: Wie kommt es, dass ihr gerade in Huckelriede
arbeitet? Welche Motivation hattet ihr, als die Arbeit dort startete, und
welche Ziele verfolgt ihr?
Dietmar Hatesuer: Jokes arbeitet seit vielen Jahren in verschiedenen Stadtteilen von Bremen. Vor circa fünf Jahren fingen
wir ganz klein auch in Huckelriede an. In diesem Stadtteil, der einen besonderen Förderbedarf hat, gibt es nur wenige Angebote
für Kinder und Jugendliche. Wir wurden angefragt, ob wir hier
Zirkus anbieten möchten. In Huckelriede besteht ein gutes
Netzwerk der sozialen Arbeit. Der Stadtteilmanager hat sich sehr
für uns eingesetzt und es als Chance begriffen, dass Huckelriede
einen eigenen Zirkus bekommt. Das hat nicht jeder Stadtteil! Mit
wenigen Mitteln haben wir in den letzten Jahren sehr viel auf die
Beine gestellt und tatsächlich etwas bewegt. Anfangs wurde unsere Arbeit als kleines nettes Projekt gesehen, aber allmählich haben auch Entscheidungsträger und Ämter unsere Arbeit wahrgenommen. Durch das Engagement des Stadtteilmanagers und
Best Practice
durch WiN konnten wir ein Zirkuszelt kaufen und wir haben
nun auch einen festen Platz in Huckelriede bekommen, an welchem wir Zelt und Zirkuswagen aufstellen können. Mittlerweile
ist – auch durch die Förderung im Programm Kultur macht stark
– Huckelriede zum Schwerpunkt unserer Arbeit geworden.
Dabei möchten wir einerseits die zirkuspädagogische Arbeit in
unseren festen Zirkusgruppen verstetigen sowie mit offenen
Angeboten erweitern und andererseits die Jugendarbeit des gesamten Ortsteils koordinieren.
ZMS: Was erhofft ihr euch von dem neuen Zirkusplatz in Huckelriede?
Hatesuer: Die Kinder in Huckelriede erreichen wir momentan hauptsächlich über Kindergärten und Schulen. Diese enge Kooperation ist sehr wichtig, denn hier im Stadtteil werden
– im Gegensatz zu anderen Stadtteilen – die wenigsten Kinder
und Jugendlichen von ihren Eltern zu unserer Circusschule geschickt. Wir müssen sie also dort abholen, wo sie sind – in der
Schule oder im Kindergarten. Die Zusammenarbeit mit den
Bildungseinrichtungen funktioniert sehr gut. Wir arbeiten mit
mehreren Kitas, Grund- und Oberschulen zusammen, die sehr
gerne ihre Kinder zu uns schicken. Sie sehen, dass die Kinder
davon profitieren und auch dass sie als Einrichtung mit den
Projekten glänzen können. Mit dem Zirkusplatz erhoffen wir uns,
dass die Kinder und Jugendlichen uns als Identifikationspunkt
verstehen. Wir möchten ihnen in der Freizeit einen Wohlfühlort
und ein zweites Zuhause bieten. Es soll eine Perle im Stadtteil
werden, die leuchtet und die Kinder und Jugendlichen in ihrer
Freizeit zu uns lockt. Wir sind nun endlich kein Turnhallenzirkus
mehr, sondern können einen Ort gestalten, der traditionelle
Elemente des Zirkus mit modernen Bildern füllt. Unser Verein
hat sich schon immer auf die Fahne geschrieben, dass er verschiedene Bewegungskünste wie Theater, Tanz und Zirkus miteinander verbindet. Nun können wir diese auch mit den traditionellen Zirkuselementen anreichern und durch das Zelt ein
35
Sozialer Zirkus mit Kindern – Sozialarbeit, Pädagogik oder Kultur?
(veröffentlicht im Dossier »Kultur macht stark«, Beilage zu Politik und Kultur, 30.04. 2014)
besonderes Zirkusflair erreichen. Wir hoffen, dass die Kinder
sich mit diesem besonderen Ort identifizieren werden.
Gerade starten wir einen Beteiligungsprozess, um die Gestaltung
des Zirkusplatzes vorzubereiten. Wir haben ein Modell gebaut,
das wir mitnehmen, wenn wir in unsere Gruppen zum Training
gehen. Es regt die Kinder an und wir lassen ihre Fantasie erst
mal sprudeln. Es gab auch eine Klausurtagung mit Vorstand,
Trainern und Jugendlichen; auch dort sind viele Ideen entstanden. Wir haben noch keinen Namen für unseren Platz, die Kinder
und Jugendlichen können sich auch an der Namensgebung beteiligen.
ZMS: Welche Erfahrungen habt ihr mit dem Förderprogramm »Kultur
macht stark« gesammelt und wie könnte es nach Ende des Förder­
programms weitergehen?
Hatesuer: Durch die Bündnisse für Bildung, die wir in
Huckelriede initiiert haben, intensivieren sich unsere bereits
bestehenden Netzwerke, sie werden weiterentwickelt und ausgebaut. Für unsere Arbeit in Huckelriede, die ja zu Anfang ganz
bescheiden war, kam »Kultur macht stark« genau richtig. Mit
den Projekten, die wir bei »Zirkus macht stark« beantragt haben, konnten wir in Huckelriede Aktivitäten für benachteiligte
Kinder und Jugendliche anstoßen. Unser Ziel ist es, nachhaltige
Angebote zu schaffen. Erst einmal hat sich für uns die Qualität der
36
Arbeit erhöht; durch die Förderung haben wir die Möglichkeit,
mit einem guten Betreuungsschlüssel sowie notwendiger Vorund Nachbereitungszeit im Brennpunkt intensiv mit benachteiligten Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Wir haben im
ersten Förderjahr Erfahrungen gesammelt und ein wenig an
Scheu verloren. Alle haben gelernt, dass es wenig Unterschied
macht, ob wir mit Mittelschichtskindern oder Kindern aus dem
sozialen Brennpunkt arbeiten. Wir stoßen auf unterschiedliche Problemlagen, die verschiedene Schwierigkeiten für uns als
Zirkuspädagogen mit sich bringen. Doch jetzt haben wir weniger Berührungsängste als vor einem Jahr. Trotzdem brauchen
wir immer wieder Fortbildungen und Austausch zur konkreten
Arbeit mit der Zielgruppe; davon wünschen wir uns bei »Zirkus
macht stark« mehr. Sehr aufwendig ist in diesem Programm die
Verwaltung; insbesondere die Abrechnung der Gelder.
ZMS: Was denkst Du, wie es in den nächsten Jahren und nach Ende
des Förderprogramms »Kultur macht stark« mit zirkuspädagogischen
Angeboten in Huckelriede weitergehen könnte?
Hatesuer: In den nächsten Jahren möchten wir die bestehenden Maßnahmen weiterführen und die Arbeit verstetigen. Wir
planen auch ein neues Projekt, zusammen mit dem Bremer
Karnevalsverein und einem Wohnheim für Flüchtlinge. Der
Umzug beim brasilianisch angehauchten Sambakarneval bietet eine unglaubliche Bühne für Kinder und Jugendliche, auch
unsere Stelzenläufer aus Huckelriede haben dort bereits einen
Auftritt gehabt. Für uns kam das Angebot von »Zirkus macht
stark« wirklich zum richtigen Zeitpunkt, ohne die Förderung
hätten wir nicht so viel anstoßen können. Die Basis, die wir mit
der kommunalen Förderung für das Netzwerk Jugendarbeit haben, ist sehr wichtig. Sie reicht aber nicht aus und so müssen wir
– wie immer – nach 2017 uns nach neuen Fördermöglichkeiten
umsehen, das sind wir leider gewohnt.
Diskussionsteilnehmer:
Karl Köckenberger, Projektleiter »Zirkus macht stark«
Karl Ulke, Sozialarbeiter und Zirkuspädagoge, Mitarbeiter im
Zirkus Zack des Vereins Vuesch
Ronald Wendorf, künstlerischer Leiter, Fachbereich Artistik,
Staatliche Ballettschule Berlin und Schule für Artistik,
Beiratsmitglied »Zirkus macht stark«
Gisela Winkler, Vorstandsmitglied »Zirkus macht stark / Zirkus
für alle e.V.«
Karl Ulke: Diese ständige Frage nach der Kunst in der
Zirkuspädagogik nervt mich. Was den Zirkus besonders und interessant für die Pädagogik macht, ist sein Potential als Methode.
Insbesondere seine strukturelle Geschlossenheit, dass alles, was
im Zirkus passiert, auch Zirkus ist, und seine gleichzeitig strukturelle Offenheit, dass alles auch zu Zirkus werden kann. Oft
sind es die Pädagogen, Trainer/-innen und Projektträger, die
den Anspruch haben, Kunst zu machen. Für viele Kinder und
Jugendlichen aber steht dies vordergründig überhaupt nicht im
Fokus.
Karl Köckenberger: Sozialer Zirkus, was ist das überhaupt?
Im Zirkus wird jedes Kind akzeptiert und kann mitmachen. Ob
sozialer Zirkus oder Zirkusschule – die Zirkuspädagogik ist immer gleich: Sie setzt bei den Kompetenzen jedes Menschen an
und bietet eine Möglichkeit, diese in der Manege zu entfalten.
Ronald Wendorf: Es ist absurd, dass in Deutschland ein
Unterschied zwischen Oper oder Theater und Zirkus gemacht
wird. Wenn es um die Hochkultur geht, fragt sich keiner, ob
es Kunst ist – bei Zirkus immer. Vielleicht brauchen wir den
Kunstbegriff nur, um bestimmte finanzielle Förderungen für die
Zirkuspädagogik zu bekommen?
Best Practice
Karl Köckenberger: Die Förderung von benachteiligten
Kindern und Jugendlichen, die durch »Kultur macht stark« ermöglicht wird, ist ein großes Potential. Wir als Träger der kulturellen Bildung können mit dem Programm eine Zielgruppe erreichen, die sonst aufgrund von fehlenden Ressourcen schwer
Zugang zu Kultur findet. Sozialer Zirkus ist für mich ein Zirkus,
der für alle offen ist.
Karl Ulke: In der Zirkuspädagogik ist der pädagogische Anteil
oft sehr groß. Teilweise ist die Basis bzw. Sicherheit überhaupt
nicht vorhanden, um künstlerisch arbeiten zu können. Gerade in
Projekten mit der Zielgruppe, die wir mit »Kultur macht stark«
erreichen möchten – die Probleme und Hindernisse mitbringen
–, muss ich erst viel pädagogische Arbeit leisten, um künstlerische Prozesse zu ermöglichen.
Karl Köckenberger: Kunst ist es aber nicht erst, wenn das
Kind darüber reflektieren kann. Kunst kann auch bei einem kleinen Kind entstehen. Das Besondere am Zirkus ist, dass nicht
das Produkt die Kunst ist, sondern der Prozess und das im
Moment entstehende Produkt. Zirkus ist die Show, mit einem
Publikum im besonderen Raum. In der Manege entsteht für einen Augenblick ein Kunstwerk – immer mit dem Risiko, dass
der Artist scheitern kann. Die Zirkuskunst ist vergänglich, sie
bleibt aber im Gedächtnis haften, weil sie Gefühle auslöst. Dieses
Wesen des Zirkus ist der Grund, warum Kinder und Jugendliche
Spaß an Zirkus haben und warum die Zirkuspädagogik besonders geeignet ist, benachteiligte Kinder und Jugendliche zu erreichen. Ihnen gefallen der Nervenkitzel und das Gefühl, das sie bekommen, wenn sie im Zirkus ihre eigenen Grenzen überwinden,
etwas schaffen und dafür durch das Publikum Anerkennung bekommen.
37
Karl Ulke: Das auf den Zuschauer gerichtete Produkt ist das
Ziel fast jedes zirkuspädagogischen Arbeitens; es geht jedoch vor
allem darum, den Prozess zu gestalten. Ein Produkt kann höchst
künstlerisch, aber überhaupt nicht Ausdruck der Kinder und
Jugendlichen sein. Der künstlerische Aspekt sollte darin bestehen, dass der Zuschauer auf der Bühne in einem Moment sehen
kann, was im ganzen Prozess passiert ist. Dies ist nur möglich,
wenn der Zirkuspädagoge einen partizipativen Prozess zulässt,
diesen als Maxime in seiner Arbeit sieht und somit den Prozess
mit in die Inszenierung fließen lässt. Eine zirkuspädagogische Einrichtung muss Zirkuspädagogik an der individuellen
Lebenswelt von Kindern ausrichten und nicht an Zielgruppen,
die von der Politik definiert sind. Ich möchte Begriffe wie bildungsbenachteiligt hinterfragen. Nicht nur Kinder mit Migra­
tionshintergrund oder aus Familien, die Hartz IV empfangen,
sondern auch die wohlstandsverwahrlosten Kinder können von
Benachteiligung betroffen sein. Sie sind von vielen Zwängen geprägt und eins unserer pädagogischen Ziele muss es sein, ihnen – zumindest teilweise oder temporär – Freiheit von diesen
Zwängen oder den Umgang mit ihnen zu ermöglichen. Das ist
die Basis für kreativ künstlerischen Ausdruck.
Karl Köckenberger: Es ist die Chance der kulturellen Bil­
dung, dass Zirkus-, Theater- oder Tanzprojekte im Gegensatz
zur Schule künstlerische Prozesse initiieren können. Zu den
Projekten kommen die Kinder freiwillig und sie erfahren außerhalb der Schule eine andere Form des Lernens. Sie haben nicht
den Anspruch, Kunst zu machen oder an pädagogisch wertvollen Projekten teilzunehmen. Sie suchen einen Raum, in dem sie
etwas Neues ausprobieren und erleben können. Genauso wichtig ist aber die Kooperation mit Bildungseinrichtungen, weil
über sie wirklich alle Kinder erreicht werden können. Meine
These ist, dass ein guter Pädagoge, der partizipativ arbeitet, es
schafft, einen künstlerischen Prozess anzustoßen. Künstler sind
die Kinder, die darin unterstützt werden, etwas auszudrücken.
Die Freude, dass sie gelernt haben Kugel zu laufen und dies auf
der Bühne zeigen. Wenn die Pädagogik es nicht schafft, Freiheit
38
zu erzeugen und partizipativ zu arbeiten, dann ist der Zirkus
Dressur. Das Resultat gefällt vielleicht dem Publikum, zirkuspädagogisch ist es aber keineswegs.
Ronald Wendorf: Ich meine, man kann in unserem Fall die
Pädagogik von der Kunst nicht lösen. Das ist auch für mich als
künstlerischer Leiter der staatlichen Artistenschule so, bei uns
gehen der pädagogische und der künstlerische Ansatz immer
Hand in Hand.
Gisela Winkler: Ganz egal auf welchem Niveau die Zirkus­
pädagogik sich bewegt, ob sie mit Kindern in einer Maß­nahme
von »Kultur macht stark« arbeitet oder mit fortgeschrittenen
Kindern und Jugendlichen, die schon seit Jahren im Zirkus trainieren – wenn die Teilnehmer sich zu ihrem Tun verhalten, eine Haltung einnehmen und etwas auf ihre eigene Art und Weise
umsetzen, dann ist es ein kreativer Prozess. Nicht ihre Leistung
ist entscheidend, sondern die Auseinandersetzung. Zu jedem
Kunstprozess gehört aber auch die Kommunikation mit dem
Betrachter, dem Zuschauer. Die Aufführung ist deshalb nicht
nur für das Selbstbewusstsein der Kinder wichtig, sondern auch
um das Ergebnis als Kunst erkennbar und sichtbar zu machen.
Karl Ulke: Das Tolle am Zirkus ist, dass jedes Alltagsgeschehen,
jede Banalität im Zirkus zu Kunst werden kann. Es sind oft kleine Veränderungen bei den Teilnehmer/-innen, die banal erscheinen, jedoch groß in ihrer Wirkung sind. Sie sind bedeutungsvoller als die Inszenierung, weil das Kind etwas davon hat. Die
Grundlage der Zirkuspädagogik und wenn man will vom sozialen Zirkus ist: Er ist nicht für die Trainer oder für das Publikum
da, sondern für die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen.
Das Gespräch wurde von Ylva Queisser, Fachkoordinatorin bei »Zirkus
macht stark«, verschriftlicht. Das gesamte Dossier »Kultur macht stark«
kann unter www.kulturrat.de/dossiers/kulturmachtstark.pdf gelesen werden.
Wie kann Pressearbeit in einem lokalen Bündnis für Bildung gelingen?
Ein Tipp vom Circus Schnick-Schnack in Herne
Der Circus Schnick-Schnack im nordrhein-westfälischen Herne
hat zum Pressetermin eingeladen. Sie möchten ihr lokales
Bündnis für Bildung vorstellen. Um den großen Tisch sitzen verschiedene für das lokale Bündnis wichtige Akteure:
- zwei Mitarbeiter der Zeltstadt: der ehrenamtliche
Geschäftsführer Rainer Deutsch und Trainer Christian
Stoll
- Vertreter der Bündnispartner: Schulleiterin Monika Müller
von der Grundschule Berliner Platz und Barbara Menges
vom Kommunalen Integrationsbüro
- Ingrid Fischbach, Parlamentarische Staatssekretärin
im Berliner Gesundheitsministerium und
Bundestagsabgeordnete im Wahlkreis Herne
- Vertreter der Programmpartner im Förderprogramm
»Kultur macht stark«: Ylva Queisser von »Zirkus
macht stark« und Teresa Grünhage vom Paritätischen
Bildungswerk.
In einem von Rainer Deutsch moderierten Gespräch stellen sich
alle Akteure vor. Sie berichten kurz über ihre Rolle im Bündnis
und über ihre Institution. Es war Frau Fischbach, die dem
Geschäftsführer Rainer Deutsch 2012 empfahl, sich bei »Kultur
macht stark« für Fördergelder zu bewerben. Gemeinsam mit
ihm erzählt Frau Fischbach über die Motivation, für Herner benachteiligte Kinder Zirkus anzubieten.
Nach dem Pressetermin gehen alle zusammen zum Zirkuszelt,
wo gerade Kinder aus dem lokalen Bündnis trainieren. Vor dem
Zelt stellen sich alle Akteure für einen gemeinsamen Fototermin
auf. Ein professioneller Fotograf, Stefan Kuhn, ist engagiert, um
für die Presse Fotos zu machen. Ein Rundfunkjournalist nutzt
die Zeit, um von der Bundestagsabgeordneten einige Statements
einzuholen.
Best Practice
Anschließend geht es ins Zelt: Nun haben sowohl die Fördergeber
und die Bündnispartner wie die Pressevertreter die Möglichkeit,
sich eine solche Maßnahme anzuschauen, mit Trainern und mit
Kindern zu sprechen. Über ein halbes Jahr haben Kinder aus
Herne-Mitte beim Circus Schnick-Schnack einen Zirkuskurs
besucht. »Die Besonderheit der Maßnahmen in Herne ist die
Mischung von Sprache und Zirkus«, erzählt Rainer Deutsch.
»Viele Kinder im Stadtteil haben einen Migrationshintergrund
und brauchen eine Förderung im sprachlichen Bereich.«. Neben
Seilspringen, Akrobatik und Jonglieren wird in Herne sehr viel
Moderation geübt. Wortspiele und Singen gehören auch zu den
Trainingseinheiten.« Das können die Besucher im Zelt live erleben. Ein Mädchen erzählt: «Wir sprechen hier ganz viel. Wir
­schreiben unsere Nummern auch auf und wir üben ganz lange,
damit wir bei der Show unsere Ansagen gut machen. »
Der Fotograf macht Fotos von den Kindern während des
Trainings und auch von Kindern gemeinsam mit Frau Fischbach
und mit den Vertretern aus dem Bündnis. Im Vorfeld des
Pressetermins wurde von allen Erziehungsberechtigten eine
Fotoerlaubnis eingeholt. Am Tag nach dem Pressetermin erscheinen mehrere Artikel mit Fotos in der regionalen Presse. Ein
Rundfunkbeitrag wird gesendet und im Internet erscheinen die
Berichte auf vielen Seiten.
39
Das erste Förderjahr – Statistik und Evaluation
HERNE & WANNE−EICKEL
ULTUR & UNTERHALTUNG
Kreative
Tanzideen
rojekte für Vereine,
Schule und Kita
der Tagesfortbildung „Kreative
zideen im Sportverein, in Schule
Kita“ vermittelt das SportBilgswerk des Stadtsportbundes
B) Herne am Samstag, 8. Februanzideen verschiedener Stilrichen für Kinder und Jugendliche.
9.30 bis 16.30 Uhr gilt es in der
rthalle am Pantrings Hof, Mögkeiten zur kreativen Bewegungsaltung kennenzulernen. In die
bildung ist eine Ideensammlung
eschlossen, die dazu anregt,
ne Tanzprojekte im Verein, in
ule und Kita ins Leben zu rufen.
ei steht nicht die synchronisierte
ektion im Vordergrund, sondern
Spaß an der Bewegung in Verbing mit der Musik. Angesprochen
sowohl Tanzeinsteiger als auch
enigen, die bereits über ein breiRepertoire an Tanzerfahrungen
ügen. Informationen und Andungen unter HER 957098
).
Kirche und Kino
zeigt „Die Jagd“
e Jagd“ heißt der hoch gelobte
m von Regisseur Thomas Vinter, der am Sonntag, 17.45 Uhr,
am Montag, 20.15 Uhr, in der
he „Kirche und Kino“ in der
mwelt Herne am Berliner Platz zu
n ist. Im Mittelpunkt der Jagd
t der Lehrer Lucas (Mads Miken), der als Erzieher in einem
dergarten arbeitet, weil das Gymum mangels Schülern schließen
ste. Die fünfjährige Klara beuldigt ihn, sie sexuell genötigt zu
en. Die Unschuldsvermutung
t nicht viel, fast das gesamte
f stellt sich gegen ihn. Selbst
jährige Freundschaften zerbren an dem Verdacht.
Führung durch
den Schlosspark
Emschertal-Museum bietet am
ntag, 9. Februar, eine Führung
ch den Schlosspark Strünkede
Unter der Leitung der Kunsthiskerin Ulrike Most erfahren Teilmer bei diesem kulturhistorin Spaziergang viel Interessantes
Spannendes zur Architektur
Geschichte der Städtischen Ga, des Schlosses und der Kapelle.
h die Familiengeschichte der
nkeder wird aufgerollt.
effpunkt ist um 15 Uhr im Eingsfoyer von Schloß Strünkede.
Führung dauert eine Stunde und
kostenfrei. Eine Anmeldung ist
t erforderlich. Alle Interessiersind herzlich eingeladen.
40
Deutsch-türkische
WHE_4
Dienstag, 4. Februar 2014
200 000 Euro für Schnick-Schnack-Projekt
Bund fördert mit Programm „Kultur macht stark. Bündnis für Bildung“ Angebote für Kinder und
Jugendliche. Zirkus, zwei Grundschulen und Integrationsbüro ziehen dafür an einem Strang
Von Gabriele Heimeier
Mindestes bis Ende 2015 bekommt
der Circus Schnick-Schnack über
das Bundesprogramm „Kultur
macht stark. Bündnisse für Bildung“ pro Jahr eine Förderung von
100 000 Euro für Projekte mit Kindern mit Migrationshintergrund
und/oder sozial benachteiligte Kinder. Das Programm ist in Herne bereits im vergangenen Jahr angelaufen, jetzt kam der Zuschlag für die
beiden nächsten Jahre.
Bessere Vernetzung vor Ort
Die Herner CDU-Bundestagsabgeordnete Ingrid Fischbach hatte den
Familienzirkus auf das Programm
hingewiesen. „Ich kenne den Zirkus ja schon lange“, sagt die Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium. „Alles, was mit dem
Programm beabsichtigt ist, trifft auf
Schnick-Schnack zu.“ Ziel des vom
Bundesministerium für Bildung
und Forschung aufgelegten Programms sei es, Kinder und Jugendliche zu erreichen, die sich sonst
durch Strukturen und Angebote
nicht so einfach ansprechen lassen
lassen und für eine bessere Vernetzung der Akteure vor Ort zu sorgen.
Deshalb gestattete sich der Bund
die Bitte, dass sich jeweils drei lokale Partner zusammenfinden müssen, die sich dann als Bündnis um
die Zuschüsse bewerben können.
Der Circus Schnick-Schnack holte
dazu die beiden Grundschulen Berliner Platz und Schulstraße und das
Kommunale Integrationsbüro (früher: RAA) mit in die Manege. Den in
Berlin ansässigen Verein „Zirkus
macht stark“ und den in Frankfurt
beheimateten Bundesverband des
Paritätischen Bildungswerk, die die
Förderanträge prüfen, konnte
Schnick-Schnack mit seinem Konzept überzeugen; beide gaben grünes Licht für die Zuschüsse.
Das Programm kommt Kindern
und Jugendlichen zugute, die nicht
zur Schnick-Schnack-Familie gehö-
Jeden Montag trainieren jetzt Grundschüler vom Berliner Platz in der Manege vom Circus Schnick-Schnack an der Roonstraße.
FOTO: RALPH BODEMER
50 Millionen Euro bis 2017
: In das Programm „Kultur macht
stark. Bündnisse für Bildung“ hat
der Bund laut Ingrid Fischbach bereits 30 Millionen Euro investiert,
bis 2017 sollen jedes Jahr weitere
50 Millionen Euro folgen.
Sie alle machen sich stark für Herner Kinder und Jugendliche. Über ein Bundesprogramm fließen für 2014/15 200 000 Euro an Fördergeldern.
FOTO: RALPH BODEMER
ren, sondern zum Beispiel bis jetzt
an Projektwochen, Ferienangeboten oder dem Sprachcamp teilgenommen haben. Nun haben sie
neben diesen zeitlich begrenzten
Angeboten die Möglichkeit, kontinuierlich Zirkus zu machen, dabei
„nebenbei“ soziale, sprachliche und
motorische Kompetenzen zu entwickeln, sich künstlerisch und kreativ
zu entfalten - vor und hinter der
Bühne. So sind freitags jetzt immer
Schüler der Schulstraße da, montags Grundschüler vom Berliner
Beinahe schon zu schön
: Zurzeit gibt es, so Fischbach, in
Deutschland 1183 Bündnisse.
Platz. Letztere besuchen zu 72 Prozent Kinder mit Migrationshintergrund, berichtet Schulleiterin Monika Müller. „Für die Kinder“, so Müller, „ist Zirkus etwas ganz Tolles.“
Das habe sich schon bei der Teilnahme an den Projektwochen gezeigt.
Anzahl der initiierten Bündnisse 2013:
77 (geplant 50)
Anzahl der durchgeführten Maßnahmen 2013:
276 (geplant 234)
Zirkuswochen:
149 (geplant 180)
Zirkuskurse:
125 (geplant 50)
Regionale Fortbildungen:
2 (geplant 4)
Anzahl Teilnehmer erreicht:
6.317
Mädchen: 3.322 Jungen: 2.995
: Für die Fördermittel lagen 163
Bewerbungen vor, bundesweit erhielten 24 den Zuschlag.
: Die Förderungszusage für die-
ses und das nächste Jahr soll zur
Kontinuität und damit auch zur
Nachhaltigkeit der Projekte beitragen.
„Aber eine Woche ist immer schnell
weg. Deshalb sind wir rundum
glücklich, dass wir jetzt kontinuierlich hierher kommen können“, sagt
sie. Zumal die Kinder im Zirkus
Dinge lernten, die in der Schule einfach nicht vermittelbar seien.
Namen & Nachrichten
Anhand der Statistik wird deutlich, dass »Zirkus macht stark«
die im ersten Förderjahr gesetzten quantitativen Ziele erreichen
konnte und die Mittel vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung für lokale Maßnahmen an die lokalen Bündnisse weitergeleitet werden konnten. Interessant ist die Verschiebung
zwischen den verschiedenen Maßnahmeformaten, die den lokalen Bündnissen zur Verfügung stehen. Die Zirkuskurse waren weitaus beliebter, als ursprünglich geplant worden war.
Daher wurde für die Planung der restlichen Jahre diesbezüglich
nachgesteuert. Außerdem wurden in enger Zusammenarbeit
mit der lokalen Ebene zwei weitere Formate – Zirkuscamp und
Zirkusworkshop – für die weitere Laufzeit mit aufgenommen.
Ulla Höpken und Ralph Herrmann stellen „Kunst in der Rotunde“ aus
Von Falko Herlemann
„Himmel und Erde“ heißt die Ausstellung von Ulla Höpken und Ralph
Herrmann, die am Sonntag in der
Reihe „Kunst in der Rotunde“ der
GEA eröffnet wurde. Das Künstlerpaar zeigt eine Auswahl meist großflächiger Malerei der letzten Jahre,
wobei sich Ulla Höpken eher der Erde und Ralph Herrmann dem Himmel verbunden fühlt.
Ulla Höpken findet ihre Motive in
der offenen Landschaft, aber auch in
der alten Industriearchitektur des
Ruhrgebiets. Sie malt Szenen von
Menschen, die sich auf der Kirmes
vergnügen ebenso wie von Theaterbesuchern. Viele ihre Bilder wirken
collagenhaft, da sie oft unterschiedliche Motive oder Ansichten miteinander kombiniert. Ihre Bilder lösen
sich dabei in farbige Formen auf, die
sie mit grobem Pinselstrich oder
dem Spachtel in durchscheinenden
Farben aufträgt. Die Spuren des Malens bleiben bewusst stehen.
Ralph Herrmann zeigt naturalis-
tisch gemalte Bilder von Wolken.
Mal finden sich in seinen Arbeiten
dramatische dunkle Wolken, vielleicht kurz vor dem Ausbruch eines
Gewitters. Mal leuchten sie in RotOrange, wie bei einem romantischen Sonnenuntergang. In anderen
Werken ziehen sich kleine weiße
Wölkchen vor den klaren blauen
Himmel. Ralph Herrmann verzichtet in seinen Bildern völlig auf Horizontlinien, Silhouetten von Bergen
oder anderen Bezugspunkten. Er
konzentriert sich ganz auf diese sehr
unterschiedlichen Formen, in die
In einem Evaluationsbogen halten alle lokalen Bündnisse nach
Beendigung ihrer Maßnahmen fest, welche Ziele sie mit ihren
Wo Malen Freude ist und Therapie
Für Heinz Grieger aus Wanne-Eickel ist die Malerei Zeitvertreib, Freudenquell und - Therapie. Der ehemalige Opelaner hat Parkinson und
trainiert mit jedem Pinselstrich die Motorik seiner rechten Hand. Seine Bilder sind aber weit mehr als reine Trainingsobjekte, was jetzt bei
einer Ausstellung im Jochen-Keppler-Haus, Bergener Straße 235 in
Projekten erreichten, welchen Nachsteuerungsbedarf es gibt
und welche Wünsche sie für die zukünftige Arbeit haben.
Inhaltliches Ziel von »Zirkus macht stark« ist die Förderung
und Integration von bildungs­benachteiligten Kindern und
Jugendlichen durch Zirkuspädagogik als Mittel der kulturellen Jugendbildung. Konkrete Ziele der Maßnahmen sind die
Entwicklung und Stärkung sozialer, personaler und methodischer Kompetenzen sowie motorischer Fähigkeiten und künstlerischer Ausdrucksformen. Außerdem sollen die Maßnahmen
den interkulturellen Integrationsprozess und die Partizipation
der Kinder und Jugendlichen unterstützen. Die Auswertung der
Evaluation zeigt, dass die lokalen Bündnisse selber einschätzen,
dass sie mit ihrer Arbeit diese Ziele erreichen konnten. Die lokalen Bündnisse geben in der Evaluation an, dass ihre Maßnahmen
sehr stark zur Entwicklung von motorischen Fähigkeiten,
zur Entwicklung und Stärkung sozialer Kompetenzen wie
Teamgeist, Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit sowie personaler Kompetenzen wie Selbstbewusstsein, Belastbarkeit und
Eigeninitiative beitragen. Zu den restlichen Zielen (methodische
Kompetenzen, künstlerische Ausdrucksformen, Integration
und Partizipation) wird eingeschätzt, dass ihre Maßnahmen
stark dazu beitragen, diese zu erreichen.
In der Evaluation erfasst wird auch, inwiefern die Zielgruppe
erreicht und motiviert wird weiterzumachen. Die lokalen
Bündnisse geben hier an, dass dies stimmt (3,25 Mittelwert auf
einer Skala von 1 - 4). Außerdem ist gut zu erkennen, welche
Fragestellungen und Themen von den lokalen Bündnissen für
Fortbildungen und bundesweite Treffen gewünscht werden:
• Konkrete Tipps für die Arbeit mit der Zielgruppe
• Abrechnungsfragen und Fragen zu Investitionen
• Bündnisarbeit
• Qualitätsentwicklung
41
Diese Themen wurden und werden wieder vom Projektbüro für
das geplante bundesweite Treffen im September 2014 aufgenommen. Da sich die lokalen Bündnisse mehr Zeit für den Austausch
wünschen, werden wir voraussichtlich einen oder sogar zwei
Tage mehr für das diesjährige Treffen einplanen. Weiter zeigt
die Evaluation, dass es in den lokalen Bündnissen einen Bedarf
gibt, zum Thema Einbindung von Ehrenamtlichen zu arbeiten.
Daher soll auch das Thema Ehrenamt bei Fortbildungen und
beim bundesweiten Treffen 2014 weiterhin ein Schwerpunkt
sein.
Zirkus
bockt
voll
Meine
Freunde
werden Augen
machen
42
Im Zirkus
gibt es so
viele
.
schone
Sachen
Impressum: Zirkus macht stark / Zirkus für alle e.V., Berlin 2014
Redaktion: Gisela Winkler, Ylva Queisser • Gestaltung und Herstellung: Marc Berger • Fotos: Heiko Fiedler (S. 17, 29, 42),
Patrick Frost (S. 21, 22, 23), Annette Grimmer (S. 16, 43), Dietmar Hatesuer (S. 11, 36), Victor Ibrahim (S. 13, 33, 42),
Stephan Janzen (S. 18), Tilo Maußen (S. 10), pfiffTeen (S. 7), Thilo Rose (S. 6), Claudia Vogel (S. 15, 42, 43), Silke Wolf (S. 13, 27)
Zirkus macht stark – Zirkus für alle e. V.
Projektbüro: Bouchéstr. 75 · 12435 Berlin
www.zirkus-macht-stark.de • [email protected]
Tel.: 030-544 90 15 24 · Fax: 030-544 90 15 29

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