regionalstelle zürich/schaffhausen
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JAHRESBERICHT 2014 REGIONALSTELLE ZÜRICH/SCHAFFHAUSEN Inhalt 3Editorial 4 SCHWERPUNKT: ALTUM – ALTER UND MIGRATION «Fachkreise betrachten das Programm als Pioniertat» 7 HEKS NEUE GÄRTEN ZÜRICH/SCHAFFHAUSEN «Auch meine Kinder sind im Garten glücklich» 8 HEKS-VISITE ZÜRICH/SCHAFFHAUSEN Regelmässig arbeiten, Selbstvertrauen stärken 9HEKS-TEILLOHN Neue Perspektiven schaffen 9 HEKS ROLLT Velostation «wädi rollt!» gut gestartet 10 HEKS DEUTSCHE KONVERSATION Im Alltag das Richtige sagen 10 HEKS SCHRITT:WEISE ZÜRICH Bessere Chancen für benachteiligte Kinder 11 ZÜRCHER BERATUNGSSTELLE FÜR ASYLSUCHENDE Viel Arbeit im Dienst von Flüchtlingen 12 FACHKRÄFTEMANGEL IN DER SCHWEIZ «JuristInnen im Reinigungsdienst sind ungenutztes Potenzial» 14 Jahresrechnung 2014 15Verdankungen Impressum Verantwortlich: Mylène Nicklaus, Leiterin Regionalstelle Zürich/Schaffhausen Rechnung: Erich Hegglin, Daniel Meier Redaktion/Gestaltung: komma pr, Rolf Marti, Bern (www.kommapr.ch) eigenart, Stefan Schaer, Bern (www.eigenartlayout.ch) Bildnachweis: Walther Imhof, Sabine Buri, Lisa Moser, Beni Basler, Dieter Wüthrich, Urs Siegenthaler (alle HEKS); Mirko Ries Druck: Jost Druck AG, Hünibach (www.jostdruckag.ch) Auflage:1320 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser Für das Jahr 2014 kommen mir ein französisches Sprichwort und ein Zitat von Hermann Hesse in den Sinn. Das französische Sprichwort lautet: «Abschied nehmen heisst immer ein wenig sterben.» Per Ende 2014 mussten wir das Spiel- und Lernprogramm «schritt: weise» schliessen. Es war ein trauriger Abschied – von den teilnehmenden Familien und deren Kindern, mit denen wir wöchentlich im Austausch standen, wie von den Mitarbeiterinnen, die sich während fünf Jahren mit Herzblut engagiert hatten. Mit «schritt:weise» ist ein Teil unserer Regionalstelle «gestorben». Wir haben viel Know-how verloren. Und wir haben im Strategieschwerpunkt «Frühe Förderung/ Elternbildung» kein Programm mehr. Hermann Hesse sagte: «Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.» Erfreulicherweise gab es 2014 mit «HEKS-Teillohn» auch einen Neuanfang. Das Programm vermittelt Sozialhilfebeziehenden mit Leistungseinschränkungen eine Stelle im ersten Arbeitsmarkt. Die Teilnehmenden finden eine sinnstiftende Tätigkeit und erhalten die Chance auf Wiedereingliederung in die Arbeitswelt. Mit «HEKS-Teillohn» können wir das im Beschäftigungsprogramm «HEKS-Visite» aufgebaute Know-how in der Vermittlung von Einsatzplätzen nutzen und weiterentwickeln. Dass wir in diesem Bereich professionell und effizient arbeiten, bestätigt eine externe Evaluation von «HEKSVisite». Sie zeigt, dass wir unser Hauptziel erreichen: die soziale Integration. Mehr zu «HEKS-Visite» lesen Sie auf Seite 8, mehr zu «HEKS-Teillohn» auf Seite 9. Alter und Migration: So lautet das Schwerpunktthema im vorliegenden Jahresbericht. Immer mehr MigrantInnen verbringen ihren Lebensabend in der Schweiz. Im Vergleich zu gleichaltrigen SchweizerInnen sind sie meist schlechter informiert und daher häufiger von sozialer Benachteiligung betroffen. Deshalb hat HEKS 2006 das Programm «AltuM – Alter und Migration» lanciert. In sogenannten Kulturgruppen erfahren MigrantInnen in ihrer Muttersprache Wertvolles rund ums Älterwerden. Begegnungs- und Freizeitaktivitäten ergänzen das Angebot und tragen dazu bei, ältere MigrantInnen aus der Isolation zu holen. Liebe Leserin, lieber Leser: Der Zauber des Neuanfangs soll uns 2015 nicht nur im Programm «Teillohn» beflügeln. Jedes Jahr bringt neue Herausforderungen, die wir mit frischen Ideen und frischem Elan angehen. Ihre ideelle und finanzielle Unterstützung ist uns dabei eine grosse Hilfe. Im Namen des ganzen Teams: herzlichen Dank! Mylène Nicklaus Leiterin HEKS-Regionalstelle Zürich/Schaffhausen 3 SCHWERPUNKT: ALTUM – ALTER UND MIGRATION «Fachkreise betrachten das Programm als Pioniertat» Immer mehr MigrantInnen verbringen ihren Lebensabend in der Schweiz. Das stellt die Gesellschaft vor neue Heraus forderungen. HEKS nimmt sie an – mit dem Programm «AltuM – Alter und Migration». Im Gespräch: Programmleiterin Aida Kalamujic und Andreas Raymann*, Leiter Fachbereich Alter und Migration bei Pro Senectute Zürich. malige Politik diese Menschen primär als Arbeitskräfte betrachtete. Eine gesellschaftliche Integration war nicht vorgesehen. Viele ältere MigrantInnen sind daher ungenügend informiert. Sie kennen ihre rechtlichen Ansprüche und die Altersangebote der Schweiz zu wenig. Kalamujic: Sie sind nicht nur schlecht informiert: Sie scheuen auch häufig den Kontakt zu staatlichen Einrichtungen, weil sie in ihren Herkunftsländern schlechte Erfahrungen mit Behörden gemacht haben. Beides zusammen führt dazu, dass wir diese Menschen mit unseren Altersangeboten kaum erreichen. Mit welchen Folgen? Kalamujic: Viele ältere MigrantInnen leben sozial isoliert. Sie sitzen allein zu Hause und machen nichts. Das ist tragisch. Die Gastarbeitergeneration der 1950er- und 1960er-Jahre ist heute pensioniert. Viele dieser MigrantInnen sind nicht in ihr Heimatland zurückgekehrt. Wieso nicht? Kalamujic: Für den Verbleib in der Schweiz gibt es soziale, finanzielle und gesundheitliche Argumente. Viele Migran t Innen haben ihr soziales Netz im Herkunftsland verloren. Kinder, Enkelkinder und Bekannte leben in der Schweiz. Finanziell können sich viele eine Rückkehr nicht leisten, weil sie die Ergänzungsleistungen verlieren würden. Und: Im Alter nehmen die gesundheitlichen Beschwerden zu. Da ist das gute Gesundheitssystem der Schweiz ein zusätzlicher Anreiz zu bleiben. «Viele ältere MigrantInnen leben sozial isoliert. Sie sitzen allein zu Hause und machen nichts. Das ist tragisch.» Worin unterscheiden sich ältere MigrantInnen von gleichaltrigen SchweizerInnen? Raymann: Die GastarbeiterInnen der 1950er- und 1960er-Jahre waren meist auf dem Bau oder in der Industrie tätig. Sie haben körperlich harte Arbeit geleistet und sind daher gesundheitlich angeschlagener als gleichaltrige SchweizerInnen. Zudem sprechen viele von ihnen schlecht Deutsch – eine Folge davon, dass die da- 4 Gemeinsamer Einsatz für ältere MigrantInnen: Aida Kalamujic und Andreas Raymann. «Die grosse Dankbarkeit motiviert mich» Maria Fernandez (61) stammt aus Spanien und lebt seit 1973 in der Schweiz. Sie ist Doppelbürgerin und beabsichtigt, in der Schweiz zu bleiben. Seit Herbst 2013 leitet sie zusammen mit zwei anderen Schlüsselpersonen die spanische Kulturgruppe von «AltuM». Viele leben zudem in finanziell prekären Verhältnissen – auch weil sie keine Ergänzungsleistungen beantragen. Raymann: Mehr noch: Isolation und finanzielle Not führen zu emotionalem Stress und erhöhen die Gefahr, krank und pflegebedürftig zu werden. Der Gesellschaft entstehen also Kosten, wenn wir diese Menschen mit unseren Angeboten nicht erreichen. Mit andern Worten: Die Gesellschaft steht vor einer neuen Herausforderung. Wie reagiert die Politik? Raymann: Meines Erachtens gar nicht, obwohl mehr als 8 Prozent der über Sechzigjährigen im Kanton Zürich fremdsprachige AusländerInnen sind. «Isolation und finanzielle Not führen zu emotionalem Stress und erhöhen die Gefahr, krank zu werden.» Kalamujic: Das Thema «Alter und Migration» ist in der Politik noch nicht angekommen. Anders in der Wissenschaft: Mittlerweile gibt es viele Studien und Forschungsprojekte dazu. Das HEKS-Programm «AltuM» ist eine mögliche Antwort auf die skizzierten Entwicklungen. In wenigen Worten: Was ist «AltuM»? Kalamujic: «AltuM» bereitet MigrantInnen ab dem 55. Altersjahr auf die Herausforderungen des Älterwerdens vor. Die Teilnehmenden treffen sich regelmässig in Kulturgruppen – es kommen Menschen aus demselben Kulturkreis zusammen. In ihrer Landessprache werden sie über Altersvorsorge und Gesundheitsfragen informiert. Dazu gibt es Angebote, die der Vernetzung dienen: Café-Treffs, Mal-, Tanz-, Bewegungskurse, Schwimm- oder PC-Kurse usw. HEKS und Pro Senectute haben das Projekt 2006 lanciert. Wie kam es dazu? «Eine Freundin hat mich zu einem interkulturellen Café-Treff von ‹AltuM› mitgenommen. Was ich gesehen habe, hat mich fasziniert. Ich dachte mir: Eigentlich müsste es auch für ältere Menschen aus spanischsprachigen Ländern eine Kulturgruppe geben. Deshalb meldete ich mich bei ‹AltuM›. Aida Kalamujic, die Programmleiterin, hat meine Idee sofort unterstützt. Sie hat mir aber auch klargemacht, dass es Schlüsselpersonen braucht, welche die Gruppe leiten. Diese Aufgabe hat mich gereizt. Heute kommen jede Woche dreissig bis vierzig ältere Menschen in die spanische Kulturgruppe. Wir diskutieren, singen, spielen Theater, lernen Deutsch, machen Tai Chi und vieles mehr. Die Teilnehmenden sind froh, dass es diesen regelmässigen Austausch gibt. Sie lernen Menschen aus ihrem Kulturkreis kennen und erhalten Antworten auf ihre Fragen rund ums Älterwerden. Die grosse Dankbarkeit, welche ich von den Teilnehmenden erfahre, motiviert mich. Ich spüre, dass ich gebraucht werde. Kürzlich machte mir eine Teilnehmerin ein wunderbares Kompliment: ‹Dass ich dich getroffen habe, ist ein grosses Glück für mich›. Die Arbeit verlangt soziales Engagement und Wertschätzung gegenüber andere Menschen. Die beiden anderen Schlüsselpersonen und ich bilden ein gut harmonierendes Team. Wir ergänzen uns in unseren Stärken und Fähigkeiten. Pro Woche investiere ich rund vier Stunden in meine Arbeit bei ‹AltuM›. Während der Treffen bin ich voll und ganz für die Teilnehmenden da. Darüber hinaus grenze ich mich aber ab. Grundsätzlich finde ich, es sollte mehr Angebote für ältere MigrantInnen in diesem Land geben – Angebote wie ‹AltuM›, bei denen auch die Qualität stimmt.» Raymann: Aida hat das Projekt auf privater Basis entwickelt – aber erzähl du … Kalamujic: Ich habe längere Zeit für die Asylorganisation Zürich gearbeitet und gesehen, wie sehr ältere Flüchtlinge auf Unterstützung angewiesen sind. Deshalb habe ich eine erste Gruppe für Menschen aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens initiiert. Später wurde ich von HEKS beauftragt, ein entsprechendes Angebot für Menschen aus anderen Kulturen aufzubauen. HEKS wurde durch eine Umfrage bei ehemaligen Flüchtlingen aus Bos nien-Herzegowina auf die Problematik aufmerksam. Diese zeigte, dass das Älterwerden in der Schweiz bei MigrantInnen ein virulentes Thema ist. Welchen Part spielt Pro Senectute? Raymann: Wir unterstützen «AltuM» im Rahmen einer Leistungsvereinbarung finanziell. Zudem gestalten wir zusammen mit HEKS das Weiterbildungsmodul für die LeiterInnen der Kulturgruppen. Wie entsteht eine Kulturgruppe? Kalamujic: Ich kontaktiere VertreterInnen von Ausländerorganisationen mit der Bitte, unsere Idee vorstellen zu dürfen. Klassische Vernetzungsarbeit also, anders geht es nicht. Eine Kulturgruppe entsteht, wenn ich mindestens zehn Leute sowie eine Freiwillige – eine sogenannte Schlüsselperson – für die Idee gewinnen kann und die Finanzierung steht. Welche Voraussetzungen müssen die Schlüsselpersonen erfüllen? Und: Wie werden diese auf ihre Aufgabe vorbereitet? Kalamujic: Schlüsselpersonen sollten aus dem entsprechenden Kulturkreis stam- 5 Informationen in der Muttersprache: «AltuM»-TeilnehmerInnen lauschen gespannt einem Vortrag. men, sozial kompetent sein und über gute Deutschkenntnisse verfügen. Wir finden diese Leute über Mund-zu-Mund-Propa ganda oder über die jeweilige Ausländerorganisation. Aber einfach ist das nicht. Raymann: HEKS und Pro Senectute organisieren jedes Jahr einen vierteiligen Weiterbildungszyklus von zehn bis zwölf Stunden. Wir behandeln Themen wie soziale Sicherheit, Gesundheit und Ernährung, Umgang mit kulturellen Eigenarten, Wohnen im Alter usw. Die Schlüsselpersonen haben zudem die Möglichkeit, andere Weiterbildungsangebote von Pro Senec tute zu besuchen. Ältere MigrantInnen nehmen auch an anderen HEKS-Angeboten teil. Gibt es Synergien zwischen diesen Angeboten und «AltuM»? Zahlen und Fakten Im Kanton Zürich wurden die Angebote von «AltuM» im vergangenen Jahr insgesamt 4138-mal besucht. Die 7 Kulturgruppen richten sich an den bosnischen, serbischen, kroatischen, mazedonischen, türkischen, italienischen, spanischen und somalischen Kulturkreis. Infoveranstaltungen: 23; Tischgespräche: 5; Schwimmkurse: 30 TeilnehmerInnen; PC-Kurs: 5 TeilnehmerInnen; CaféTreffs mit Gymnastikstunden: 1044-mal genutzt, Café-Treff Zentral und Treffpunkt Königshof: 939-mal genutzt; «AltuM»Tanzkurs: 90-mal genutzt; Tanztreff: 75mal genutzt; «AltuM»-Fest: 150 TeilnehmerInnen. «Für eine nicht unbedeutende Zahl älterer MigrantInnen ist ‹AltuM› zur Heimat geworden.» Kalamujic: Ja. Wir finden über Programme wie «Deutsche Konversation», «Visite» und «Zürcher Beratungsstelle für Asylsuchende» zuweilen Leute mit spezifischem Fachwissen, die unsere Kurse unterstützen. Umgekehrt weisen wir die TeilnehmerInnen auf die andern Angebote hin – beispielsweise, wenn sie juristische Unterstützung benötigen oder besser Deutsch lernen möchten. «AltuM» existiert seit neun Jahren. Was hat das Programm bisher bewirkt? Raymann: Für eine nicht unbedeutende Zahl älterer MigrantInnen – insbesondere aus Staaten, welche in der Schweiz keine institutionellen Aktivitäten für ihre Landsleute pflegen – ist «AltuM» zur Heimat geworden. Ohne dieses Angebot wären viele Menschen einsam, krank oder in finanziellen Nöten. Fachkreise betrachten das Programm als Pioniertat. Kalamujic: Das Interesse an «AltuM» ist gross – insbesondere in Fachkreisen. Mich freut, dass auch die HEKS-Regionalstellen Ostschweiz, Westschweiz sowie Aargau/ Solothurn ein entsprechendes Angebot aufgebaut haben. Die Regionalstelle beider Basel folgt demnächst. Wie sieht die nähere Zukunft von «AltuM» aus? Kalamujic: Ich möchte ausserhalb der Stadt Zürich weitere Kulturgruppen initiieren, was bedeutet, dass wir die Gemeinden für ein finanzielles Engagement gewinnen müssen. Grossen Handlungsbedarf sehe ich im Thema «Wohnen im Alter». Viele MigrantInnen kommen in ein Alter, in dem sie einen Platz in einem Alters- oder Pflegeheim benötigen. Ich möchte die Alterszentren dafür gewinnen, Abteilungen für Menschen aus demselben Kulturkreis zu eröffnen. Denn mit zunehmendem Alter gewinnt die Ursprungskultur wieder an Bedeutung. Raymann: Ich wünsche mir, dass sich «AltuM» weiterhin so gut entwickelt, dass zusätzliche Gemeinden im Kanton Zürich das Angebot übernehmen und das Programm auch national weiter ausgebaut wird. Die Arbeit von HEKS ist eine ausgezeichnete Basis dafür. * Andreas Raymann wurde Ende 2014 pensioniert. «Viele von uns sind im Alltag mit Schwierigkeiten konfrontiert: Sie haben sprachliche Probleme oder finanzielle Engpässe, leben isoliert und kämpfen mit physischen und psychischen Belastungen. Vielen fehlt zudem eine sinnvolle Freizeitgestaltung. ‹AltuM› hilft uns, diese Probleme zu bewältigen.» «Bei ‹AltuM› fühle ich mich, als wäre ich in meiner eigenen Heimat. Ich habe viele neue Bekanntschaften gemacht. Dank ‹AltuM› bin ich auch besser informiert, und die Gruppen leiterin hilft mir, wenn ich amtliche Papiere ausfüllen muss. Ich bin sehr froh, dass es so etwas wie ‹AltuM› gibt.» Zaliha Yumsak, Rentnerin aus der Türkei Muhamed Boskovic, Rentner aus Bosnien-Herzegowina HEKS NEUE GÄRTEN ZÜRICH/SCHAFFHAUSEN «Auch meine Kinder sind im Garten glücklich» Im Projekt «Neue Gärten» können Flüchtlingsfrauen einen eigenen «Pflanzplätz» bebauen. Sie erhalten damit im doppelten Wortsinn Boden unter die Füsse. Der neu eröffnete Garten in Schaffhausen stösst auf grosses Interesse. Mit «Neue Gärten Zürich/Schaffhausen» setzt sich HEKS für Flüchtlingsfrauen und ihre Kinder ein, eine der schwächsten Gruppen der Gesellschaft. Seit 2012 pachtet HEKS Gartenparzellen und überlässt sie den Teilnehmerinnen zur Bewirtschaftung. Die Gartenarbeit gibt Tagesstruktur: Die Teilnehmerinnen sind aktiv, lernen Deutsch, knüpfen soziale Kontakte, helfen einander und entlasten durch die Ernte ihr schmales Budget. «Es tut gut, draussen zu arbeiten und sich mit Frauen unterschiedlicher Herkunft auszutauschen. Auch meine Kinder sind im Garten glücklich», sagt eine Teilnehmerin und spricht damit für alle, die mitmachen. Jede Woche treffen sich die Flüchtlingsfrauen an einem Halbtag mit der Programmleiterin und den Freiwilli- Zahlen und Fakten Gartenareale: Zürich Schwamendingen (2 Parzellen: 1900 m2, davon 700 m2 nutzbar für Gemüse, 300 m2 werden von ehemaligen Teilnehmerinnen und jetzigen Freiwilligen selbständig bewirtschaftet); Zürich Friesenberg (2 Familiengartenparzellen à 200 m2); Schaffhausen (bis jetzt genutzt 300 m2, erweiterbar) Anzahl Teilnehmerinnen: 41 Anzahl Kinder: 12 (regelmässig im Garten anwesend) Herkunftsländer: Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Jordanien, Kolumbien, Sri Lanka, Syrien, Tibet Freiwillige: 16, 840 Einsatzstunden Schwimmkurs Zürich: 14 Teilnehmerinnen, 6 Kinder, 11 Mal Lerntreffen Schaffhausen: 8 Teilnehme rinnen, 4 Mal gen, um ihre Beete zu pflegen und gemeinsame Arbeiten zu erledigen. Zusätzliche Gärten Im Berichtsjahr konnte HEKS in Schaffhausen ein neues Gartenareal eröffnen. Es liegt mitten im Quartier Niklausen und bietet den Kindern viel Raum zum Spielen. Die Nachfrage ist gross, bereits zum Gartenstart kamen über zehn Frauen. Geleitet wird das Programm von einer erfahrenen Fachfrau, die lokal gut vernetzt ist. In Zürich pachtete HEKS 2014 direkt neben dem Areal im Auzelg eine weitere Parzelle. Dort bewirtschaften Migrantinnen, die nicht mehr am Programm teil- nehmen, selbständig einen Garten. Einige von ihnen engagieren sich als Freiwillige bei «Neue Gärten». Alternativprogramm im Winter Die Gartensaison dauert von März bis Oktober. Im Winter braucht es deshalb Alternativen. In Schaffhausen kommen die Frauen einmal im Monat zu einem Lerntreffen zusammen. Sie erweitern ihr Gartenwissen und planen die nächste Saison. In Zürich mietet HEKS im Winter ein Schwimmbad und engagiert eine Lehrerin. Bei Migrantinnen, die nie schwimmen gelernt haben, ist die Freude gross, wenn die ersten Züge gelingen. Gärtnern im Sommer, schwimmen im Winter: «Neue Gärten» gibt den Flüchtlingsfrauen das ganze Jahr über Struktur. HEKS-VISITE ZÜRICH/SCHAFFHAUSEN Regelmässig arbeiten, Selbstvertrauen stärken Langzeiterwerbslose brauchen Tagesstruktur und Perspektiven. «Visite» vermittelt ihnen deshalb Arbeitseinsätze in Non-ProfitOrganisationen. 2014 konnten neue Gemeinden für das Pro gramm gewonnen werden. Langzeiterwerbslosen Menschen droht Vereinsamung, Depression, Krankheit, Sucht. Eine Abwärtsspirale, die HEKS mit dem Beschäftigungsprogramm «Visite» zu stoppen versucht. HEKS vermittelt den Betroffenen im Rahmen der Sozialhilfe Teilzeiteinsätze in Bibliotheken, Heimen, Kinderkrippen, gemeinnützigen Läden, in der industriellen Fertigung oder bei der öffentlichen Hand. Das verschafft ihnen Tagesstruktur und soziale Kontakte. Sie erkennen Perspektiven und stärken ihr Selbstvertrauen. Oft verbessert sich auch ihr Gesundheitszustand. Nach einem Erstgespräch bei «Visite» besuchen die TeilnehmerInnen einen Einführungskurs. Im Anschluss sucht «Visite» einen passenden Arbeitsplatz. Die regelmässigen Einsätze dauern zwei bis zwölf Stunden pro Woche. Monatliche Gruppensitzungen bieten Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch. Die Zahl der TeilnehmerInnen blieb 2014 gegenüber 2013 unverändert. «Visite» konnte zwar mit verschiedenen neuen Gemeinden die Zusammenarbeit aufneh- Zahlen und Fakten «HEKS-Visite» wurde 1998 gegründet. Im Jahr 2014 waren 380 TeilnehmerInnen im Einsatz. Diese leisteten insgesamt über 122 000 Stunden gemeinnützige Arbeit. Ende Jahr waren 6 MitarbeiterInnen in Zürich und 6 in Winterthur für «Visite» tätig. Für die TeilnehmerInnen wurden im Berichtsjahr 96 Kurstage durchgeführt. Über 40 Zürcher Gemeinden arbeiten mit «HEKS-Visite» zusammen. Die Einsätze finden in über 250 gemeinnützigen Institutionen statt. Neigungen und Fähigkeiten abklären: «Visite»-Teilnehmer und HEKS-Mitarbeiter suchen im Erstgespräch nach möglichen Tätigkeitsfeldern. men, einige bestehende Partnergemeinden wiesen aber weniger TeilnehmerInnen zu. site» sein Ziel, Menschen zu integrieren, sehr gut erreicht. «Visite» wirkt Per 31. Dezember 2014 beendeten die Sozialen Dienste der Stadt Zürich ihr Programm «Vermittlung Quartiereinsätze», alle TeilnehmerInnen werden neu von «Visite» begleitet. Damit erhöhte sich Anfang 2015 die Zahl der Einsatzleistenden von 380 auf 545. In Zürich wurden deshalb drei neue MitarbeiterInnen eingestellt und zusätzliche Büroräumlichkeiten bezogen. Mit den neuen TeilnehmerInnen erweitert «Visite» den Kreis der Einsatzinstitu tionen und der zuweisenden SozialarbeiterInnen. Die Vielfalt der Einsatzplätze nimmt markant zu, was allen TeilnehmerInnen zugutekommt. Im Berichtsjahr wurde «Visite» durch die Luzerner Firma Interface auf Herz und Nieren geprüft. Es wurden quantitative Daten ausgewertet sowie Interviews mit TeilnehmerInnen, MitarbeiterInnen und zuweisenden SozialarbeiterInnen geführt. Obwohl es grundsätzlich schwierig ist, die Wirkung von Sozialarbeit in Zahlen auszuweisen, zeigte sich, dass sich «Visite» auch finanziell lohnt. Einsparungen im Gesundheitsbereich (Krankheit, Sucht, Psychiatrie) oder dank Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt bringen der Gesellschaft finanziellen Nutzen. Aus den Interviews resultierte auch, dass «Vi- «Visite» wächst HEKS-TEILLOHN Neue Perspektiven schaffen «HEKS-Teillohn» integriert Erwerbslose mit Leistungsein schränkungen in die Arbeitswelt. Das neue Programm agiert als Personalverleih und arbeitet eng mit Einsatzbetrieben und der Sozialhilfe zusammen. Mit «HEKS-Teillohn» hat die Regional stelle Zürich/Schaffhausen ein neues Programm lanciert. Es richtet sich an langzeit erwerbslose SozialhilfebezügerInnen, die zu mindestens 50 Prozent arbeitsfähig sind; also Menschen, die entweder in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind oder aufgrund ihres Alters oder ihrer zu geringen Qualifikationen keine Erwerbsarbeit finden. Ziel ist, diesen Menschen den Wiedereinstieg zu ermöglichen. In einem ersten Schritt werden Eignung und Motivation der KlientInnen abgeklärt. Auf dieser Basis wird ein Arbeitsplatz gesucht. «HEKS-Teillohn» agiert gegenüber den Einsatzbetrieben als Personalverleih und schliesst mit diesen eine Vereinbarung ab. Mit der vermittelten Person wird ein Arbeitsvertrag unterschrieben, die ArbeitnehmerInnen sind also bei «HEKS-Teillohn» angestellt. Die im Teillohnsystem arbeitenden Personen erhalten von HEKS einen reduzierten Lohn. Im Gegenzug vergüten die Einsatz- betriebe HEKS die für die Begleitung der TeilnehmerInnen anfallenden Kosten. Die Sozialhilfe richtet ergänzend Leistungen aus, wie sie das auch bei den sogenannten «Working Poor» tut. Sowohl die Betriebe wie auch die ArbeitnehmerInnen werden im Integrationsprozess durch HEKS unterstützt. «HEKS-Teillohn» steckt operativ noch in den Kinderschuhen. Es findet aber grossen Anklang und scheint einem Bedürfnis zu entsprechen. Viele angefragte Gemeinden zeigen Interesse und erteilten erste Vermittlungsaufträge. Bis Ende 2014 konnten allerdings noch keine Arbeitsplätze vermittelt werden. HEKS ROLLT Velostation «wädi rollt!» gut gestartet «HEKS rollt» ist ein Veloprojekt mit sozialem Hintergrund. Es ermöglicht Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben, wieder Tritt zu fassen. Langzeiterwerbslose und Sozialhilfebeziehende brauchen Tagesstruktur und soziale Kontakte. Die Veloprojekte von «HEKS rollt» ermöglichen den Betroffenen, aktiv zu werden und Arbeitserfahrung zu sammeln. Die TeilnehmerInnen werden je nach Möglichkeit zwischen 50 und 100 Prozent beschäftigt und bei der Stellen suche unterstützt. Ziel ist die (Re-)Integra tion in Gesellschaft und Arbeitswelt. transportieren die TeilnehmerInnen Einkäufe ganzjährig gegen einen Unkostenbeitrag von 4 Franken bis an die Haustür. Auf dem Rückweg entsorgen sie leere Flaschen und Altpapier. «HEKS rollt» hat dafür mit Grossverteilern und verschiedenen kleineren Läden Vereinbarungen abgeschlossen. Der Dienst wurde 2014 rund 5700-mal in Anspruch genommen. • Seit 2014 betreibt «HEKS rollt» die täglich geöffnete und bewachte Velo station beim Bahnhof Wädenswil. Ein grosser Erfolg: Bereits wurden 150 Velopässe verkauft. Im Berichtsjahr beschäftigte «HEKS rollt» 83 Personen. 11 von ihnen konnten das Programm verlassen und eine Arbeitsoder Praktikumsstelle antreten. Verleihen, beliefern, bewachen «HEKS rollt» steht für drei verschiedene Angebote. • Veloverleih: In Wädenswil (ganzjährig) und am Greifensee (Mai bis Oktober) können gratis und tageweise Velos ausgeliehen werden. Die ProgrammteilnehmerInnen sind für die Ausleihe und die Wartung der Fahrzeuge zuständig. 2014 wurden rund 5000 Fahrzeuge ausgeliehen. •Hauslieferdienst: In Kloten, Thalwil, Uster, Wädenswil und Winterthur Gefragte Dienstleistung: Ein «HEKS rollt»-Teilnehmer bringt die Einkäufe vom Laden bis an die Haustüre. 9 HEKS DEUTSCHE KONVERSATION Im Alltag das Richtige sagen Nur wer versteht und verstanden wird, kann in einem fremden Land heimisch werden. Mit den Kursen «Deutsche Konversation» ermöglicht HEKS MigrantInnen, ihren Sprachstand zu verbessern. Wer an «HEKS Deutsche Konversation» teilnimmt, hat bereits Deutsch-Grundkurse besucht und möchte mündlich Fortschritte machen. In Gruppen von sechs bis zwölf Personen üben MigrantInnen unterschiedlicher Herkunft, sich in Alltagssituationen sicherer und gewandter auszudrücken. Zudem setzen sie sich mit anderen Sichtweisen und Kulturen auseinander. Im Berichtsjahr konnten in 11 Gemeinden des Kantons Zürich 20 Kurse durchgeführt werden, 421 Personen (346 Frauen, 75 Männer) nahmen teil. Geleitet wurden die Kurse von 41 Freiwilligen (33 Frauen, 8 Männer), dabei wurden 3200 Einsatzstunden geleistet. Für die KursleiterInnen wurden insgesamt 100 Stunden Weiterbildungen durchgeführt. ton an «HEKS Deutsche Konversation» weg. Die Gelder gehen neu an die Gemeinden, die nun Angebote und Anbieter selber auswählen können. Anstelle einer Leistungsvereinbarung mit dem Kanton muss HEKS mit jeder Gemeinde einzeln verhandeln. Der administrative Aufwand ist dadurch gestiegen. Dem wurde mit einer Erhöhung der Stellenprozente Rechnung getragen. In der Vergangenheit hatten die meisten TeilnehmerInnen mehrere Semesterkurse besucht. Deshalb wurde von Semester- auf Jahreskurse umgestellt. Diese starten jeweils im September und dauern bis zu den Sommerferien. Die Umstellung hat sich bewährt. Die Kurse sind mit durchschnittlich mehr als zehn Personen sehr gut besucht. Neuorganisation der Kurse Seit Anfang 2014 fallen die direkten Finanzierungshilfen durch Bund und Kan- An Deutschkenntnissen feilen: In den HEKS-Kursen lernen MigrantInnen gemeinsam, sich im Alltag besser auszudrücken. HEKS SCHRITT:WEISE ZÜRICH Bessere Chancen für benachteiligte Kinder «schritt:weise», das Spielund Lernprogramm für Kinder zwischen eineinhalb und vier Jahren, wurde im Oktober 2014 eingestellt. HEKS prüft zurzeit den Aufbau eines neuen Ange bots im Bereich Frühförderung und Elternbildung. Das Fundament für eine positive Persönlichkeitsentwicklung wird in den ersten Lebensjahren gelegt. Kinder aus belasteten Familiensituationen haben deshalb schlechtere Karten. Mit «schritt:weise» versuchte HEKS, mehr Chancengleichheit zu schaffen. Ausgebildete Hausbesucherinnen besuchten die Familien einmal pro 10 Woche zu Hause. Mit ihren Spielideen förderten sie das Kind kognitiv, sozial, motorisch und emotional. An den vierzehntäglichen Familientreffen konnten sich die Eltern zu Fragen der Kindsentwicklung, der Ernährung, der Gesundheit und der Erziehung austauschen. Sie lernten zudem die Familienangebote im Quartier kennen, die Kinder machten wichtige Erfahrungen mit Gleichaltrigen. Im Berichtsjahr profitierten 30 Kinder und ihre Eltern von «schritt:weise». Exem plarisch ist das Beispiel von Frau R.: «Ich kann weder lesen noch schreiben. Weil ich mich mit Bus und Tram nicht auskannte, habe ich nie alleine mein Quartier verlassen. Ich dachte immer, dass meine Kinder nichts von mir lernen können. Dank ‹schritt:weise› kenne ich jetzt viele Möglichkeiten, mit meinen Kindern zu spielen, finde ohne Hilfe den Weg zu den Fami lientreffen und besuche einen Alphabetisierungskurs.» Programm eingestellt Da die Stadt Zürich aufgrund eines strategischen Entscheids Frühförderung und Elternbildung ab 2015 selber anbietet, wurde «schritt:weise» Ende Oktober 2014 eingestellt. Die Regionalstelle Zürich/Schaffhausen prüft derzeit den Aufbau eines neuen Programms. Niederschwellige und aufsuchende Arbeit bei sozial benachteiligten Familien ist wichtig und soll Teil des Angebots der Regionalstelle bleiben. ZÜRCHER BERATUNGSSTELLE FÜR ASYLSUCHENDE Viel Arbeit im Dienst von Flüchtlingen Asylsuchende haben oft keine Möglichkeit, ihre Rechte einzu fordern. HEKS unterstützt sie mit seiner Rechtsberatungsstelle in Zürich. Im Berichtsjahr konnten 208 positive Entscheide erwirkt werden. Während ihres Verfahrens stossen Asyl suchende auf zahlreiche Fragen: Welche Rechte habe ich mit einem N-Ausweis? Wer erhält in der Schweiz Asyl? Ist mein negativer Asylentscheid ausreichend begründet? Was passiert nach einem negativen Asylentscheid? Fragen, deren Beantwortung von existenzieller Bedeutung sein kann. Nur: Asylsuchenden fehlen meist die Mittel, sich für ihre Rechte zu wehren. Hier springt die «Zürcher Beratungsstelle für Asylsuchende» in die Bresche. Sie berät Asylsuchende, abgewiesene Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene mit Wohnsitz in den Kantonen Zürich und Glarus in rechtlichen und so zialen Fragen. In gut begründeten Fällen übernehmen die JuristInnen der Beratungsstelle die Rechtsvertretung und begleiten die Asylsuchenden durch das Asyloder Beschwerdeverfahren. Die Beratungsstelle ist jeden Mittwochnachmittag für Kurzberatungen geöffnet, es ist keine Voranmeldung erforderlich. Zwei weitere Nachmittage pro Woche stehen für längere Gespräche zur Verfügung (nach Terminvereinbarung). «Können wir uns gegen den negativen Asylentscheid wehren?» Der HEKS-Rechtsberater kennt die Antwort. Die HEKS-JuristInnen geben aber auch am Telefon Auskunft. Enttäuschte Hoffnungen Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht wie 2014. Aufgrund der Kriege im Nahen Osten und in Afrika mussten Millionen von Menschen ihre Heimat verlassen. Das spürte im vergangenen Jahr auch die «Zürcher Beratungsstelle für Zahlen und Fakten Im Berichtsjahr haben 2502 Flüchtlinge aus 68 Ländern die Beratungsstelle aufgesucht. Die meisten stammen aus Eritrea und Syrien. Die Anzahl Beratungen nahm gegenüber dem Vorjahr um 7 Prozent zu. Insgesamt erhielt die Beratungsstelle 2014 vom Bundesamt für Migration, vom Bundesverwaltungsgericht und von den kantonalen Behörden 338 Entscheide, davon fielen 208 positiv aus. Das entspricht einer Erfolgsquote von 62 Prozent. In der Beratungsstelle arbeiten derzeit 6 JuristInnen bzw. RechtsberaterInnen. Die Gespräche werden in Englisch, Französisch und Türkisch geführt. Am Mittwochnachmittag steht eine Arabisch- und Kurdisch-Übersetzerin zur Verfügung. Die Beratungsstelle wird in der Hauptsache durch die reformierte und die katholische Landeskirche des Kantons Zürich finanziert. Asylsuchende». Viele Flüchtlinge, die bereits in der Schweiz leben, baten darum, ihre Verwandten aus Krisengebieten in die Schweiz zu holen. Die MitarbeiterInnen der HEKS-Beratungsstelle mussten die Hoffnungen in vie len Fällen enttäuschen. Seit das Schweizer Stimmvolk 2012 das Botschafts asyl abgeschafft hat, kann kein Asylgesuch mehr auf einer Schweizer Botschaft im Ausland gestellt werden. Erschwerend kam im Berichtsjahr hinzu, dass anerkannten Flüchtlingen die Möglichkeit der Zusammenführung mit betagten Eltern oder unterstützungsbedürftigen minderjährigen Geschwistern entzogen wurde. Gerade für syrische Flüchtlinge war unverständlich, weshalb der Bund auch 2014 nur für kurze Zeit erleichterte Ein reisevisa erteilte. Nach diesem Zeitfenster blieb den Familienangehörigen nur, in den Flüchtlingslagern zu verharren oder sich auf die gefährliche Reise nach Europa zu begeben. 11 FACHKRÄFTEMANGEL IN DER SCHWEIZ «JuristInnen im Reinigungsdienst sind ungenutztes Potenzial» Der Schweiz fehlen Fachkräfte. Trotzdem finden viele hochqualifizierte MigrantInnen keinen Job, der ihren Qualifika tionen entspricht. Eine HEKS- Studie zeigt, weshalb und was dagegen zu tun ist. Im Gespräch: Antoinette Killias, Bereichs leiterin Inland. Wie gross ist der Fachkräftemangel in der Schweiz, welche Berufsfelder sind betroffen? Der Wirtschaft fehlen heute 260 000 Fach kräfte, im Jahr 2020 werden es – sofern wir keine Nettozuwanderung haben – rund 430 000 sein. Besonders betroffen sind die Berufsfelder Pflege, Informatik, Ingenieurwesen, Bau und Gastgewerbe. Fachkräftemangel herrscht auf allen Qualifikationsstufen, besonders aber bei den Hochqualifizierten. Wieso gerät der Arbeitsmarkt zunehmend aus dem Gleichgewicht? In den nächsten Jahren kommen geburtenstarke Jahrgänge ins Pensionsalter. Sie werden im Arbeitsmarkt eine Lücke hinterlassen. Weitere Faktoren sind die gute Wirtschaftslage – trotz Frankenstärke – und die Beschränkung der Zuwanderung. Die Kontingente für Fachkräfte aus Drittstaaten wurden bereits gekürzt, die Masseneinwanderungsinitiative wird die Situa tion verschärfen. Also muss das inländische Potenzial besser ausgeschöpft werden. Wie gross ist es? Zwischen 320 000 und 400 000 Personen. Dabei handelt es sich um nicht erwerbstätige Frauen, Erwerbslose, TeilzeitErwerbstätige sowie Pensionierte, die mit einem reduzierten Pensum weiterarbeiten könnten. Bei den Erwerbslosen haben es vier Personengruppen besonders schwer, in der Arbeitswelt Fuss zu fassen: hochqualifizierte MigrantInnen aus Drittstaaten*, niedrigqualifizierte MigrantInnen und Schweizerinnen, sozial benachteiligte Jugendliche sowie ältere Erwerbspersonen – das zeigt unsere neueste Studie (siehe Kasten). HEKS hat in der Studie 48 Schweizer Unternehmen zu ihrer Einstellung gegenüber diesen Personengruppen befragt. Mit welchem Ergebnis? Die Mehrheit der Unternehmen erkennt bei allen Gruppen Potenzial – das grösste «Der Wirtschaft fehlen heute 260 000 Fachkräfte, im Jahr 2020 werden es rund 430 000 sein.» bei der Gruppe «50+», das zweitgrösste bei den hochqualifizierten MigrantInnen aus Drittstatten. Antoinette Killias, Bereichsleiterin Inland 12 Letztere sind am stärksten von Arbeitslosigkeit betroffen. Wie kommt das? Viele hochqualifizierte MigrantInnen haben keine Arbeit oder eine Arbeit, die nicht ihren Qualifikationen entspricht. Wir sprechen von rund 50 000 Personen mit einem tertiären Bildungsabschluss, welche über eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung verfügen. Pointiert ausgedrückt: JuristInnen im Reinigungsdienst sind ungenutztes Potenzial. Was hindert die Betriebe daran, diese Fachkräfte einzustellen? Da spielen mehrere Faktoren mit: Mal verfügen die Stellensuchenden über zu geringe Kenntnisse der Landessprache, mal können die Betriebe die ausländischen «Wir fordern, dass vorläufig Aufgenommene ein ordentliches Aufenthaltsrecht erhalten.» Diplome nicht interpretieren, mal erachten sie einen Hochschulabschluss aus einem nicht westlichen Land per se als minderwertig. Hinzu kommen die Unsicherheit der Betriebe gegenüber dem Aufenthaltsstatus der MigrantInnen und die Angst vor kulturellen Konflikten. Sprechen wir über diese Faktoren. Braucht es spezifische Deutschkurse für hochqualifizierte MigrantInnen? Solche Angebote gibt es. Was fehlt, sind berufs- oder gar betriebsspezifische Kurse, in denen sich die MigrantInnen mit Fachausdrücken und der Geschäftssprache vertraut machen können. Solche Kurse sollten auf Betriebsebene angeboten werden. Wie kann die Vergleichbarkeit von ausländischen und inländischen Abschlüssen verbessert werden? Indem wir es wie Deutschland machen: Dort haben Personen mit ausländischen Diplomen einen gesetzlichen Anspruch auf die Prüfung ihres Bildungsabschlusses und können so eine Anerkennung respektive Teilanerkennung erwirken. Die Branchenverbände klären ab, welchem deutschen Abschluss ein ausländisches Diplom entspricht. Dazu haben sie eine Datenbank aufgebaut. «Die Mehrheit der Unternehmen erkennt bei allen Gruppen Potenzial – das zweitgrösste bei den hochqualifizierten MigrantInnen aus Drittstatten.» Die Studie Für die Studie «Hindernisse und Hilfestellungen bei der Nutzung von inländischem Fachkräftepotenzial» wurden 48 Unternehmen aus den Bereichen Bau, Gastgewerbe, Ingenieurwesen, Informatik und Pflege befragt. Alle interviewten Unternehmen leiden unter dem Fachkräftemangel und/oder fragen Berufe nach, die einen hohen Migrationsanteil aufweisen. Im Vordergrund der Studie standen vier Personengruppen, die häufig von Arbeitslosigkeit oder von einer Unternutzung ihres Potenzial betroffen sind: hochqualifizierte MigrantInnen aus Drittstaaten, niedrigqualifizierte MigrantInnen und Schweizerinnen, sozial benachteiligte Jugendliche sowie ältere Erwerbspersonen. Diese Personengruppen sind auch in den Programmen der HEKS-Regionalstellen stark vertreten. Die Studie wurde vom Basler Beratungsbüro B,S,S. im Auftrag von HEKS verfasst. Download: www.gleiche-chancen.ch Büros putzen statt Paragrafen studieren: «Viele hochqualifizierte MigrantInnen haben keine Arbeit oder eine Arbeit, die nicht ihren Qualifikationen entspricht», sagt Antoinette Killias. Offenbar scheuen viele Betriebe den administrativen Aufwand, den die Anstellung von MigrantInnen mit sich bringt. Was ist zu tun? Das betrifft insbesondere die vorläufig Aufgenommenen – ein irreführender Begriff, denn die Mehrheit dieser Menschen wird nie zurückkehren und muss integriert werden. Wir fordern, dass vorläufig «Wir prüfen einen politischen Vorstoss, der eine Datenbank für die Vergleichbarkeit von ausländischen Diplomen fordert.» Aufgenommene ein ordentliches Aufenthaltsrecht erhalten. Das würde den bürokratischen Aufwand der Betriebe redu zieren. Schliesslich scheuen die Betriebe kulturelle Konflikte. Was ist darunter zu verstehen? Andere Kulturen haben beispielsweise ein anderes Schamempfinden. In der Pflege kann das zu Konflikten im Umgang mit PatientInnen führen. Auch mit flachen Hierarchien, wie wir sie in vielen Betrieben kennen, sind nicht alle Menschen vertraut. Solche Unterschiede müssen auf Betriebsebene thematisiert werden – in Workshops oder Coachings. Dabei sollten interkulturelle VermittlerInnen beigezogen werden, die mit beiden Kulturen vertraut sind. Die Studie legt die Fakten auf den Tisch. Wie sorgt HEKS dafür, dass den Erkenntnissen Taten folgen? Wir werden sensibilisieren: durch Medienarbeit, über die themenspezifische Web site www.gleiche-chancen.ch und an regionalen Informationsanlässen, die wir mit der Wirtschaft organisieren. Darüber hinaus prüfen wir einen politischen Vorstoss, der eine Datenbank für die Vergleichbarkeit von ausländischen Diplomen fordert. * nicht EU- oder EFTA-Staaten 13 Jahresrechnung 2014 Aufwand 20142013 Projektbegleitung + Grundlagenarbeit Anwaltschaft für Asylsuchende und sozial Benachteiligte Arbeitsintegration Beschäftigungsprogramme (Tagesstrukturen) Sprachkurse Interkulturelle Übersetzung und Vermittlung Alter und Migration Frühförderung von Kindern und Elternbildung Diverse Projekte und Projektbeiträge 228 232 541 404 38 154 1 843 348 235 399 0 136 936 137 239 3 874 246 313 531 809 -1 086 1 895 796 203 340 0 123 923 159 463 700 Total Aufwand 3 164 586 3 160 259 Ertrag 20142013 Projektspenden und -beiträge von Privaten, Stiftungen, Legate Projektbeiträge von Kirchen* Projektbeiträge von Mitträgern und anderen Organisationen Projektbeiträge von Bund, Kantonen, Gemeinden Teilnehmer-Beiträge/Parteientschädigungen Allgemeine HEKS-Mittel 63 606 305 879 261 814 2 172 816 121 495 118 239 114 854 553 703 240 750 2 147 694 99 662 -13 733 Total Erträge 3 043 849 3 142 929 -120 738 -17 330 Fondszunahme (+) / -abnahme (-) Diese Zahlen sind Teil der HEKS-Jahresrechnung, die von der KPMG geprüft wurde. * Ab 2014 werden die Beiträge der Landeskirchen Zürich und Glarus an die «Zürcher Beratungsstelle für Asylsuchende» aus buchhalterischen Gründen nicht mehr unter «Projektbeiträge von Kirchen» sondern unter «Projektbeiträge von Mitträgern und anderen Organisationen» verbucht. 14 Herzlichen Dank! Ein grosses Dankeschön geht an alle, die unser Engagement für MigrantInnen, Flüchtlinge und sozial benachteiligte Menschen möglich machen. Es sind dies unsere PartnerInnen sowie unsere GeldgeberInnen. Dazu zählen Kantonalkirchen und Kirchgemeinden, eidgenössische und kantonale Behörden, politische Gemeinden der Kantone Zürich und Schaffhausen, öffentliche und private Organisationen und Stiftungen, Bildungsstätten, SponsorInnen, SpenderInnen sowie alle, die uns Türen öffnen. Es sind dies aber auch unsere vielen Freiwilligen, die sich in den Projekten engagieren. Damit wir unsere Arbeit fortführen können, sind wir weiterhin auf Ihre finanzielle und ideelle Unterstützung angewiesen. Danke, dass wir auch 2015 auf Sie zählen dürfen. HEKS-Spendenkonto: PC 80-1115-1, Vermerk «zugunsten Regionalstelle ZH/SH - 303550» HILFSWERK DER EVANGELISCHEN KIRCHEN SCHWEIZ Regionalstelle Zürich/Schaffhausen Seminarstrasse 28 Postfach 8042 Zürich Tel.: 044 360 89 60 Fax: 044 360 89 61 [email protected] www.heks.ch PC 80-1115-1, Vermerk «zugunsten Regionalstelle ZH/SH - 303550» HEKS-REGIONALSTELLE ZÜRICH/SCHAFFHAUSEN Team, Kontakte und Adressen März 2015 Das Regionalstellen-Team (alphabetisch nach Vornamen) Aida Kalamujic, Charlotte Roost, Claudia Liebmann, Dominik Löhrer, Edo Tikvesa, Eric Montalvo, Fabienne Bucher, Fredi Masson, Giovanni Falsia, Hans Peter Roth, Iris Gerber, Justin Fisch, Katharina Vontobel, Kathrin Stutz, Klaus Waldvogel, Kurt Schwegler, Lisa Moser, Lucia Schönenberger, Manuela Verardo, Monika Wirz, Mylène Nicklaus, Nicole Matys, Nicole Weissenberger, Okan Manav, Roland Bänziger, Ruth Rutschmann, Sabine Brentari, Sandra Eisele, Simone Giger, Stefan Rieken, Suzanne Stotz, Thomas Jäggi, Viola Chaher, Werner Herger Mylène Nicklaus Regionalleiterin Seminarstrasse 28 8042 Zürich 044 360 89 67 [email protected] Katharina Vontobel Sachbearbeiterin Seminarstrasse 28 8042 Zürich 044 360 89 60 [email protected] Aida Kalamujic Leiterin HEKS AltuM Seminarstrasse 28 8042 Zürich 044 360 89 62 [email protected] Lisa Moser Leiterin HEKS Neue Gärten ZH/SH Seminarstrasse 28 8042 Zürich 044 360 89 66 [email protected] Roland Bänziger Leiter HEKS-Visite ZH/SH Obergasse 32 8400 Winterthur 052 202 68 00 [email protected] Edo Tikvesa Leiter HEKS rollt Seminarstrasse 28 8042 Zürich 079 577 75 34 [email protected] Kathrin Stutz Leiterin Zürcher Beratungsstelle für Asylsuchende Bertastrasse 8 8036 Zürich 044 454 60 30 [email protected] Viola Chaher Leiterin HEKS Deutsche Konversation Seminarstrasse 28 8042 Zürich 044 360 89 72 [email protected] HEKS-Regionalstelle Zürich/Schaffhausen Seminarstrasse 28, Postfach 8042 Zürich Tel.: 044 360 89 60, Fax: 044 360 89 61 [email protected] www.heks.ch