Religion und Kultur in Zentralasien: Sowjetische Vermächtnisse und

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Religion und Kultur in Zentralasien: Sowjetische Vermächtnisse und
Jahrbuch 2005/2006 | Mathijs Pelkmans | Religion und Kultur in Zentralasien: Sow jetische Vermächtnisse und
neue Herausforderungen
Religion und Kultur in Zentralasien: Sowjetische Vermächtnisse und
neue Herausforderungen
Religion and culture in Central Asia: Soviet legacies and new
challenges
Mathijs Pelkmans
Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung, Halle (Saale)
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Nach Jahrzehnten des militanten sow jetischen Säkularismus beobachtet man ein W iedererstarken der Religion
in Zentralasien. Es w ird häufig angenommen, dass dies eine Folge des spirituellen und ideologischen Vakuums
w ar, das mit dem Zusammenbruch des Sow jetreiches einherging. Forschungsarbeiten am Max-Planck-Institut
für ethnologische Forschung legen aber nahe, dass der Erfolg des „religiösen Nationalismus“ in den 1990er
Jahren in vielerlei Hinsicht eine Fortführung sow jetischer Ideen darstellte. Doch die Fehlschläge des Übergangs
machten diese „nationalen“ Religionen zunehmend verw undbar gegenüber supranational orientierten
religiösen Gruppen. Die Erfolge dieser Gruppen stellen eine Herausforderung für lokale Vorstellungen über die
Beziehung zw ischen Religion und Kultur dar.
Summary
After decades of Soviet militant secularism religion re-emerges in the public. It is often assumed that religious
revival in Central Asia w as an effect of the spiritual or ideological vacuum that accompanied the Soviet
collapse. Research at the Max Planck Institute for Social Anthropology suggests that the thriving of “religious
nationalism” in the 1990s presented in many w ays a continuation of Soviet ideas. How ever, the failures of
transition made these “national” religions increasingly vulnerable to religious groups that defined themselves
along supranational lines. The successes of the latter provide new challenges to local ideas about the relation
betw een religion and culture.
1991 erlangten die fünf zentralasiatischen Sow jetrepubliken Kirgizstan, Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan
und Tadschikistan ihre Unabhängigkeit. Für w estliche Beobachter unterschied sich Zentralasien nur w enig vom
Rest der Sow jetunion. Die Republiken schienen Oasen der Stabilität und des Konservativismus zu sein,
verlässliche Lieferanten von Rohstoffen für die sow jetische W irtschaft, w ie Öl, Erdgas, Baumw olle, Fleisch und
Wolle. Zentralasien bildete dennoch einen w eißen Fleck, nicht zuletzt auf der politischen Landkarte des Islam.
Die scheinbare Passivität der Muslime in Zentralasien überraschte und enttäuschte viele ausländische
Beobachter. In
den
1990er-Jahren
w urde
dieses
Bild
von
Zentralasien
durch
Berichte
von
einem
„W iederaufleben der Religion“ und von der Sorge über eine potenzielle Bedrohung durch „islamischen
Fundamentalismus“ verdrängt. Doch solche Darstellungen dienten nur dazu, die Komplexität religiöser
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Fundamentalismus“ verdrängt. Doch solche Darstellungen dienten nur dazu, die Komplexität religiöser
Veränderung zu verschleiern.
Die Forschungsarbeiten am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung haben sich auf zw ei dominante,
teils w idersprüchliche Tendenzen religiöser Veränderung konzentriert: zum einen auf die fortdauernde
Nationalisierung von Religion, zum anderen auf die w achsende Präferenz für neue religiöse Bew egungen, die
diese „nationalen Religionen“ in Frage stellen und neue Dynamiken religiöser Erneuerung und Konversion
vorantreiben. Um das Zusammentreffen dieser beiden Tendenzen zu verstehen, ist es unerlässlich, eine
kritische Neulektüre sow jetischer Geschichte vorzunehmen – eine Lesart zu entw ickeln, die die Vorstellung,
Religion sei unter sow jetischer Herrschaft einfach unterdrückt w orden, problematisiert und die das Verständnis
vom postsozialistischen W iederaufleben der Religion als Reaktion auf das postsow jetische „spirituelle
Vakuum“ in Frage stellt (Abb. 1).
Die Vorbe re itunge n zur Entthronung Le nins sind im Ga nge .
Inte re ssa nte rwe ise sta nd die Sta tue bis zum Som m e r 2003
we ite rhin a uf de m Ha uptpla tz von Kirgizsta ns Ha uptsta dt
Bishk e k . Die se fortda ue rnde P rä se nz Le nins ve ra nscha ulicht,
da ss die sowje tische n Ide ologie n nicht unm itte lba r na ch de m
Zusa m m e nbruch de r Sowje tunion ve rschwa nde n.
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Die sowjetische Objektivierung von Religion und ihr kulturelles Vermächtnis
Lange Zeit diskutierten W issenschaftler darüber, w ie erfolgreich oder nicht erfolgreich das sow jetische Regime
darin w ar, eine absolut atheistische Gesellschaft zu schaffen. Einige Autoren haben den Untergang religiösen
W issens und die Zerstörung religiöser Institutionen betont. Andere hoben das genaue Gegenteil hervor: die
Hartnäckigkeit der Religion gegenüber sow jetischer Repression. Leider stützte dieser enge Fokus auf
Unterdrückung die w eit verbreitete Annahme, dass es ein Prozess der Kontinuität sei – beziehungsw eise der
unterbrochenen Kontinuität –, der die zeitgenössischen religiösen Formen und ihre präsozialistischen
Bezugspunkte verbinde.
W eithin vernachlässigt w urde, w ie die sow jetische Kulturpolitik das Verständnis von Religion sow ie Formen der
Religiosität beeinflusste. Obw ohl die Bekämpfung religiösen Ausdrucks durch das sow jetische Regime
einzigartig w ar, w ar seine Ideologie fest in w estlichen Vorstellungen von Modernität verw urzelt. Und w ie im
Westen bestand ein entscheidendes Nebenprodukt des modernistischen sow jetischen Projekts in der
Objektivierung der Religion, das heißt, Religion w urde als gesonderte Sphäre des Lebens verstanden.
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Außerdem stand
dieser Prozess
in
direktem Zusammenhang
zur nationalen
Identitätspolitik. Diese
Kombination hatte zum Ergebnis, dass religiöse Zugehörigkeit zunehmend mit Ideen über das kulturelle Erbe
verknüpft w urde. So bestärkte die sow jetische Politik unabsichtlich Vorstellungen über einen Zusammenhang
zw ischen religiösen und ethnonationalen Kategorien – und verankerte sie im allgemeinen Bew usstsein. In der
Spätphase des sow jetischen Regimes konnte ein Kasache, der als Mitglied der kommunistischen Partei ein
atheistisches Weltbild hatte, dennoch behaupten, ein Muslim zu sein, da dies seinen kulturellen Hintergrund
zum Ausdruck brachte. Aus lokaler Perspektive stellte der Gedanke eines „atheistischen Muslims“ keinen
W iderspruch dar. W ährend Religion als objektivierte Kategorie an andere Aspekte von Identität gebunden
w ar, brachte dies auch eine „Folklorisierung“ von Religion mit sich.
Diese
Prozesse
zu
erkennen
ist
unerlässlich,
w enn
man
die
religiösen
Entw icklungen
nach
dem
Zusammenbruch der Sow jetunion, als Religion nicht länger ein Tabu w ar, verstehen w ill. Ein Trend w ar die
Aneignung von Religion durch nationale Ideologien und die Förderung offizieller Versionen von Religion durch
die neuen nationalen Eliten.
Die Inkorporation von Religion in „nationale Kulturen“
Nach 1991 eigneten sich ehemalige kommunistische Führer rasch eine religiöse Rhetorik für die politische
Kommunikation an. In jeder der fünf zentralasiatischen Republiken erw ies sich das „islamische Erbe“ als
w ichtig für die Förderung und Festigung tragfähiger nationaler Identitäten. Diese Fusionen nationalistischer
und religiöser Ideologien haben in der Region unterschiedliche Formen angenommen. In Turkmenistan
zentrierte sich die offizielle Version des Islam um die gottgleiche Figur des Präsidenten „Turkmenbashi“. Sein
berühmt-berüchtigtes Buch Rukhnama (in dem die turkmenische Geschichte neu geschrieben w ird, um den
Präsidenten zu glorifizieren und die moralischen Verpflichtungen der Bürger zu skizzieren) w urde zum
obligatorischen Lehrmaterial für die Predigten der Imame erklärt.
In Usbekistan vollzog sich die Integration des Islam in die nationale Ideologie etw as w eniger extrem, obw ohl
auch das Regime Karimov sich große Mühe gab, seine eigene Version des Islam zu fördern. Durch die
Inszenierung von Vorstellungen über ein spirituelles Erbe, das usbekische Helden und „nationale“ Bräuche
verherrlichte, begünstigte das Regime die Vision eines „usbekischen Islam“, der das Regime unterstützte.
Selbst in Kirgizstan – dessen Regierung eine positive Haltung gegenüber „Religionsfreiheit“ einnahm – hallte
sow jetische Identitätspolitik w eiterhin in populären Vorstellungen über Religion und Nationalität nach. Das
spiegelt sich beispielsw eise in der Art und Weise w ider, w ie die Kirgisen über Religion sprechen. Sie
beschreiben die Usbeken als „muslimischer“ als sich selbst, erklären, dass die Kirgisen moderate Muslime
seien, da sie früher Nomaden w aren, und halten an der Ansicht fest, dass „Jesus ein russischer Gott“ sei. Auf
die
Frage
nach religiösem Ausdruck heben die
meisten Kirgisen Ereignisse
des
Lebenszyklus, w ie
Beerdigungen, Hochzeiten und Beschneidungsrituale hervor, also solche Ereignisse, die als dem Ursprung
nach kirgisisch betrachtet w erden, in der Praxis jedoch nicht immer dem Schriftverständnis des Islam
entsprechen. Vor allen Dingen verdeutlichen diese Ideen, dass kulturelle und religiöse Kategorien im
öffentlichen Bew usstsein inzw ischen eng miteinander verw oben sind.
Diese Formen von Religion w aren besonders attraktiv für jene, die sich selbst als „nicht sehr religiös“
betrachteten. Hier w urde die Rolle der Religion auf eine Quelle kollektiver Identität reduziert. Das w ar in der
Anfangsphase der Unabhängigkeit w ichtig, doch es machte diese religiösen Formen zunehmend verw undbar,
als die neuen Staaten ihre Versprechen nicht einzulösen vermochten. Mit dem fortschreitenden Niedergang
der W irtschaft w urden all jene, die sich ausgegrenzt fühlten, von neuen religiösen Bew egungen angezogen.
Denn sie gaben direkte, hoffnungsvolle Antw orten auf die Probleme der Menschen und boten Zugang zu eng
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verbundenen moralischen Gemeinschaften.
Religiöse Anfechtungen nationaler Vorstellungen von Kultur in Kirgizstan
Die sanfte Aneignung von Religion in nationalen Erzählungen und Legenden w eist auf die Beschränkungen der
Sichtw eise hin, die das Jahr des Zusammenbruchs der Sow jetunion (1991) als entscheidenden Durchbruch
religiösen Lebens sieht. Die neue (relative) Religionsfreiheit bedeutete anfangs keine Herausforderung für die
Gesellschaft, sondern gestattete den Regierungen, die Religion für ihre Projekte der Nationenbildung zu
nutzen. In Kirgizstan erw ähnten viele Menschen, dass sie erst um das Jahr 2000 herum bedeutsame
Veränderungen in der religiösen Landschaft beobachteten. Als Anzeichen w urden unter anderem genannt: die
w achsende Anzahl von Moscheebesuchern, das Tragen des Schleiers oder die Einhaltung des Fastenmonats
Ramadan. Auch w ar das etw a der Zeitpunkt, als die Aktivitäten christlicher Missionare eine beträchtliche
Anzahl von Konvertiten hervorbrachten. Interessant an dieser späteren Phase des Postsozialismus ist, dass
die religiöse Erneuerung allmählich die Grenzen in Frage stellte, die man zw ischen Religion und Kultur
vermutete (Abb. 2).
Bra ut und Brä utiga m we rde n be i de r a be ndliche n Fe ie r e ine r
typische n usbe k ische n Hochze it vorge führt. Die se
Fe ie rlichk e ite n sind zum Te il de swe ge n ne ue rdings um stritte n,
we il dort Alk ohol a nge bote n wird und die Ge schle chte r sich
m ische n.
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Einen aufschlussreichen Fall stellt eine kleine, von Usbeken bew ohnte Stadt im Süden Kirgizstans dar. In
dieser Gemeinde gew annen schriftbasierte Interpretationen des Islam in den vergangenen Jahren zunehmend
an Einfluss. Die neu praktizierenden oder „bew ussten“ Muslime begannen, die ihrer Einschätzung nach
falschen Vorstellungen vom Islam in Frage zu stellen. Ein Teil ihrer Kritik richtete sich dagegen, den Islam mit
lokalen kulturellen Praktiken zu vermischen. Sie begannen, Rituale des Lebenszyklus w ie Hochzeiten nach
ihren Vorstellungen in „religiös reine“ Ereignisse umzugestalten. Indem sie übliche Formen von Hochzeitsfeiern
abschafften, Alkohol verboten und die Geschlechtertrennung w ieder einführten, fochten diese „bew ussten“
Muslime die Vorstellungen von einer ordnungsgemäßen Hochzeit an. Bei den neuen Hochzeiten unterstrichen
sie den supranationalen Charakter des Islam und bestritten seine mutmaßliche Beziehung zu Kultur und
nationaler Identität. So untergruben diese Erneuerungen populäre Vorstellungen über die Verbindung von
Usbekentum und Islam, w odurch Debatten darüber angefacht w urden, w as der passende Ort für Religion und
Kultur ist.
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Die
Spannungen
w aren
Konversionsprozesse,
die
sogar
noch
besonders
auffälliger
in
in
Bezug
Kasachstan
und
auf
die
Kirgizstan
christlichen
sichtbar
Missionare
w urden.
Ein
und
die
Teil
der
Anziehungskraft neopentekostaler (neupfingstlerischer) Kirchen – die die erfolgreichsten christlichen Gruppen
darstellen – liegt darin, dass sie eine Art „spiritueller Modernität“ fördern, die nicht nur Erlösung verspricht,
sondern auch betont, dass jeder Mensch Wohlstand und Gesundheit durch frommes Gebet erlangen kann.
Eine besondere Anziehungskraft übten solche Botschaften auf die ärmeren Schichten der Gesellschaft aus, auf
jene, die (partiell) zu Außenseitern der eigenen Gemeinde gew orden w aren, zum Beispiel durch Land-StadtMigration oder durch Scheidung. Die christlichen Kirchen mussten die Vorstellung überw inden, dass das
Christentum etw as Russisches sei. Sie versuchten dies zu erreichen, indem sie die Unterschiede zw ischen
Glaube, Religion und Kultur betonten. Gleichzeitig aber übernahmen sie lokale kulturelle Ideen in ihre
Vorstellungen über spirituelle Kriegsführung. Es gibt beispielsw eise bemerkensw erte Ähnlichkeiten zw ischen
dem Weltbild der neopentekostalen Kirchen und indigenen Vorstellungen über Geister sow ie zw ischen
„christlichen“ Glaubensheilungen und traditionellem „muslimischem“ Heilen. Doch trotz solcher offensichtlicher
Kontinuitäten
w aren
unabw endbar. Diese
explizite
Reaktionen
Konversionsprozesse
muslimischer
schufen
nicht
Nachbarn,
nur
Verw andter
spezielle
christliche
und
lokaler
Nischen
in
Führer
einem
überw iegend muslimischen Umfeld, sondern konfrontierten außerdem die Mehrheit mit der Tatsache, dass die
Verbindung zw ischen Kirgisentum und Islam ernsthafte Brüche aufzuw eisen begann (Abb. 3).
De r C hor de r cha rism a tische n „Kirche von Bishk e k “ führt die
Gla ube nsge m e inscha ft in de r Anbe tung de s He rrn. Die Fra ue n
tra ge n, wa s vor O rt „k irgisische Na tiona ltra cht“ ge na nnt wird.
Da s Tra ge n die se r Kle idung ze igt a nge blich, da ss die
Konve rsion die na tiona le Zuge hörigk e it nicht ve rä nde rt.
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Religion als moralische Antwort auf gesellschaftliche Probleme
Die neuen islamischen und christlichen Gruppen sind ihrer Orientierung nach supranational. Ihr Erfolg hat
lokale Vorstellungen von „Nationalität“ und „Religion“ destabilisiert. Das hat eine neue Diskussion über die
Definitionen von Religion, Glaube, Kultur und Nationalität und über die Grenzen zw ischen diesen Begriffen
angefacht. Ebenso w ichtig ist, dass diese religiösen Dynamiken eine Revision gängiger Vorstellungen von der
sow jetischen und unmittelbar postsow jetischen Phase erfordern. Die Rückkehr der Religion in die öffentliche
Sphäre w ar w eniger ein religiöses W iederaufleben im „ideologischen Vakuum“ als vielmehr ursprünglich eine
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Sphäre w ar w eniger ein religiöses W iederaufleben im „ideologischen Vakuum“ als vielmehr ursprünglich eine
gew öhnliche Nebenerscheinung der Verbindung von religiöser und ethnischer Identität, die w ährend der
Sow jetzeit hervorgebracht w orden w ar. Doch die Oberflächlichkeit nationaler religiöser Formen, in Verbindung
mit den durch den postsow jetischen Übergang ausgelösten sozialen und ökonomischen Veränderungen, schuf
auch eine w achsende Anziehungskraft religiöser Gruppen, die eine überzeugende Gesellschaftskritik anbieten.
In Zentralasien scheint sich der Stellenw ert von Religion zu verschieben: Statt den Rahmen für eine kollektive
Identität bereitzustellen, w erden moralische Antw orten auf komplexe gesellschaftliche Probleme geliefert. In
diesem Sinne w ar es nur angemessen, dass die Forschergruppe „Religion und Zivilgesellschaft“ am MaxPlanck-Institut für ethnologische Forschung im Januar 2006 von einem neuen Team abgelöst w urde, das sich
mit „Religion und Moral“ befassen w ird.
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