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Sexuell übertragbare Erkrankungen
(STD) – allgemeine Aspekte
Leitfaden Sexualanamnese .....................................................................................................................................................
STD auf einen Blick (HIV, Syphilis, Gonorrhorrhoe, Chlamydien) ............................................................................................
Inkubationszeiten, Übertragungswege (STD) ..........................................................................................................................
STD auf einen Blick (Hepatitis B, Trichomonaden, Mycoplasmen, H. simplex) ........................................................................
Partnerinformation / Behandlung ............................................................................................................................................
Rechtliche Grundlagen Partnerinformation .............................................................................................................................
Info / Quellen ...........................................................................................................................................................................
Guidelines.ch - Medizinische Leitlinien für Diagnostik und Therapie
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Guideline: Sexuell übertragbare Erkrankungen (STD) – allgemeine Aspekte
20.01.2017
Leitfaden Sexualanamnese
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Die Sexualanamnese ist selten zuverlässig und die Qualität abhängig von
Vertrauen des Patienten gegenüber der befragenden Person
der Haltung (nicht wertend) der befragenden Person
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Einige Tipps zur Fragetechnik
Eine nicht wertende Haltung kann auch durch entsprechende Formulierung einer Frage signalisiert werden. Dabei geht es
darum, den Rahmen für Antworten offener zu formulieren und das Verständnis für gesellschaftlich nicht akzeptiertes
Verhalten bereits in der Frage zu signalisieren. Beispiele:
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Frage nach Sex ohne Kondom:
Problematisch (Erwartungshaltung): Hatten Sie ungeschützten Sex mit einer Prostituierten?,
Besser: Wenn es die Frau von sich aus anbietet bevorzugen viele Männer bei bezahltem Sex Verkehr ohne Gummi.
Wie oft ist Ihnen das schon passiert?
Frage nach Sexueller Orientierung
Nicht empfohlen: „Sind Sie homosexuell?“
Besser: Wie oft haben Sie intime Kontakte mit Männern?
oder: Sexualkontakte, häufiger mit Frauen oder mit Männern?
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Offene Fragen bei Systemanamnese
Im Rahmen eines Erstinterviews / Systemanamnese sind offene Fragen empfohlen, z.B.:
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Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Sexualleben?
Hatten Sie jemals eine Geschlechtskrankheit?
Mögliche Fragen bei Verdacht auf STD
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Wie lange liegen Ihre letzten Intimen Kontakte (Zungenkuss, Sex) zurück?
Ich denke an die Möglichkeit einer Geschlechtskrankheit und möchte eine solche ausschliessen. Denken Sie, das wäre
grundsätzlich möglich?
STD auf einen Blick (HIV, Syphilis, Gonorrhorrhoe,
Chlamydien)
HIV
Sympt.
Primoinfektion:
Grippeartiges Krankheitsbild:
• Fieber
• Exathem
• Kopf- und Muskelschmerzen
• Pharyngitis
• Lymphknotenschwellung
• Gelenkschmerzen
• Orale Ulcera
DD
• Grippe
• Mononucleose
Ink.-zeit
• 1-4 Wochen
Syphilis (Lues)
Stadium 1
• Ulcus durum, reg. LKS
Freies Intervall (ca. 6 Wo.)
Stadium 2
• Exanthem (incl. Hand-und
Fussinnenflächen)
• Condyloma lata
• Fieber, LKS
Latenz (3-10 Jahre)
Stadium 3
• Befall Nervensystem (Ataxie,
Demenz)
• Uveitis
• Aortenaneurysma
• 1-3 Wochen
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Gonorrhoe (Tripper)
Chlam. Trachomatis
♀
• 50% symptomatisch
• Vaginaler Ausfluss, Juckreiz
• Schmerzen beim Wasserlassen
• Pelvic Inflammatory disease
• Ggf. Proktitis, Pharyngitis
♂
• 90% symptomatisch
• Eitriger Ausfluss Harnröhre
• Epididymitis
• Ggf. Proktitis, Pharyngitis (oft
asymptomatisch!)
♀
• 20% symptomatisch
• vaginaler Ausfluss
• Unterbauchschmerzen
• Blutungen
• Dysurie
♂
• Ausfluss Harnröhre
• Schmerzen im Hoden
• Selten Arthrtis
• Chlamydiasis
• Mycoplasma genitalum
• Gonorrhoe
• 1-7 Tage
• 7-21 Tage
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Guideline: Sexuell übertragbare Erkrankungen (STD) – allgemeine Aspekte
HIV
Syphilis (Lues)
20.01.2017
Gonorrhoe (Tripper)
Chlam. Trachomatis
Infektiösität
Keine Infektiösität mehr
wenn
• Viruslast > 6 Mon. Unter
Nachweisgrenze
• regelmässige Arztbesuche u.
Medikamenteneinnahme
• keine STD
• Stadium 1 (Ulcus durum!) und
• Stadium 2 (Condyloma lata) sind
infektiös
• 0,5 Jahre?
• Auch asymptomatische Träger
können infektiös sein
• Keine Infektiösität mehr 24 Std
nach adäquater Antibiotikagabe
• 1 Jahr?
Diagn.
Screening:
• HIV- Schnelltest AG und AK
z. Ausschluss
Primoinfektion:
• HIV AG/AK (Labor, Vollblut)
• Screenung: Syphilis-Schnelltest
(TPPA)
• Bei St.n. Syphilis, Aktivitätstest:
RPR
PCR, ggf. Kultur
• ♂Erststrahlurin
• ♀Vaginal- / Cervixabstrich
• ggf. Oropharyngealabstrich,
Analabstrich
PCR
• ♂Erststrahlurin
• ♀Vaginal- / Cervixabstrich
Th.
Kombination von
mindestens 3
antiretroviralen Substanzen
• Nucleosidanalga (NRTI)
• Nicht nukleosidische ReverseTranskritase-Inhibitoren (NNRTI)
• Proteaseinhibitoren (PI)
Partnerinformation (s.u.)
Meldepflichtige Erkrankung
Infektion seit < 1 Jahr
• 2,4 Mio i.E. Bezathin-Penicillin
i.m. einmalig
Infektion seit > 1 Jahr
• 2,4 Mio i.E. Bezathin-Penicillin
1x/Wo für 3 Wochen
Partnerinformation (s.u.)
Meldepflichtige Erkrankung
• evtl. sydrom. Therapie
• Ceftriaxon 500 mg i.m. plus
Azithromycin 1g p.o. einmalig
• Partnerinformation (s.u.)
• Meldepflichtige Erkrankung
• Azithromycin 1g p.o. einmalig
oder
• Doxycyclin 100mg alle 12h
über 7 Tage
Partnerinformation (s.u.)
Guideline Syphilis
Guideline Gonorrhoe
Guideline Chlamydien
link
Inkubationszeiten, Übertragungswege (STD)
Erreger
Inkubationszeit
Infektiösität
Dauer (J)
Infektionsweg
Übertragungsrisiko pro
Sexualkontakt
Risiko pro
Partnerschaft
Syphilis
2-3 Wo
(10-90 Tage)
AS, VS, OS
Kontakt mit Ulcus
0,5
30% (frühe Stadien)
60%
Gonokokken
1-5 Tage
AS, VS, OS
0,5
F►M VS: 20%
M►F: >20%
OS, I: ca 10%
OS, R: 20%+
AS (R&I): > 20%
60-90%
HIV
7-21 Tage
AS> VS> OS
Hoch: 0,5-1 J
Tief > 10J
Früh: ca. 1-10%
Spät: 0,1-1%
10-20%
Chlamydien
7-21 Tage
AS, VS, selten OS,
Austausch
Sexspielzeug
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F►M: 40-70%
(Zervizitis, resp. Urethritis)
45-70%
Herpes
5-20 Tage
AS, VS, OS,
Berührung, Küssen
12-30%/Jahr (genitaler Herpes)
Legende
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M►F: Mann-zu-Frau-Übertragung
R: Rezeptiv
I: Insertiv
OS: Oralsex
AS: Analsex
VS: Vaginalsex
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20.01.2017
Quellen
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Holmes KK, Sexually transmitted Diseases, 4th Edition, McGraw-Hill
CDC: http://www.std-gov.org
STD auf einen Blick (Hepatitis B, Trichomonaden,
Mycoplasmen, H. simplex)
Hepatitis B
Sympt.
• 2/3 asymptomatisch
• Übelkeit/Erbrechen
• Fieber
• Oberbauchschmerz
• Ikterus
• Myalgie
• Arthralgie
DD
• andere Hepatitiden
Ink.-zeit
• 1-6 Monate
Infektiösität
• HBV-DNA oder
• HbsAG, HbeAG nachweisbar.
Diagn.
Th.
Trichomonaden
♀
• >50% symptomatisch
• Urethritis/Vaginitis
• Gelb-grüner schaumiger Ausfluss
• Starker Juckreiz
♂
• <50% symptomatisch
• Urethritis
Mycoplasma,
Ureaplasma
oft genitale Besiedlung ohne
Erkrankung!
M. genitalis
(gonorrhoeähnl. Sympt.)
• Urethritis,Cystitis
• Cercivitis, PID
Ureaplasma:
• Urethritis
• Epididymitis, Prostatitis
• in der SS: Abort, Frühgeburtlichkeit,
Neugeboreneninfektion
M. hominis
• Cervizitis, PID
Herpes simplex
• schmerzhafte Bläschen
• LKS
• Myalgien
• Gonorrhoe
• C. trachomatis
• 2- 24 Tage
• 2-3 Wochen
• 5-20d
• anti-HBc (IgG, IgM)
• HBs-AG
Mikroskopisch:
• Urin oder Vaginalsekret
(altern. PCR)
• Syndrom. Therapie wenn Gonorrhoe
und Chlamydien ausgeschlossen
• bei Immunsuppressiven,
Neugeborenen: PCR
PCR aus Bläschenflüssigkeit bei
Erstmanifestation
akut Hepatitis B
symptomatisch, 95%
Spontanheilung
chron. Hepatitis B
Alpha-Interferon
antivirale Substanzen (b.
niedriger Entz. Aktivität)
Partnerinformation (s.u.)
• Metronidazol 2g einmalig
• Partnerinformation (s.u.)
Syndrom. Therapie
• Doxycyclin 2x100 mg x 7d
oder
• Azithromycin 1500 mg p.o. einmalig
Partnerinformation (s.u.)
Valacyclovir 1000 mg alle 12 h
p.o.
oder
Acyclovir 400 mg alle 8 h p.o.
jeweils 7-10d
Partnerinformation (s.u.)
Link Guideline Mykoplasma /
Ureaplasma
Guideline Herpes simplex 1/2
link
Partnerinformation / Behandlung
Grundsätze
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Zeitgleiche Behandlung der regelmässigen Sexualpartner ist Voraussetzung für langfristigen Therapieerfolg.
Den meisten Menschen fällt die Partnerinformation schwer, wegen 1. Scham und 2. der Angst, den Partner oder die
Partnerin zu verlieren.
Je enger das sexuelle Netzwerk, desto stärker rückt das Eigeninteresse bei der Partnerinformation in den Vordergrund.
Diese Motivation ist nicht zu unterschätzen.
Grundlage jeder Partnerinformation ist eine umfassende Sexualanamnese.
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Methoden der Partnerinformation
1. Patient kennt die Partner, möchte sie informieren
Patient informiert Partner und schickt diese zum selben Arzt
► beste, bevorzugte Methode, falls möglich.
Patient informiert Partner, Verlauf Nachkontrolle unbekannt
► unbefriedigend. Besser: Notiz mitgeben, nachbehandelnder Arzt soll sich zur Rücksprache bei der Instanz der
Erstdiagnose melden
2. Patient kennt die Partner, möchte aber nicht informieren
Patient gibt Kontaktinformation an den Arzt weiter; dieser informiert die möglichen Indexpersonen ohne seine
Informationsquelle anzugeben.
3. Patient kennt die Partner nicht, aber den Ort der Infektion
Kommerzieller Sexort - Bordell, Sauna, Sexkino, Darkroom:
► Evtl. Betreiber informieren, damit dieser z.B. einen Aushang macht für eine Testempfehlung.
Private Sexparty, Swingerclub, etc.:
► Evtl.Telefonnummer des Organisators erfragen, damit dieser ggf. die weitere Partnerinformation übernimmt.
Bei allen anderen Orten erfolgen in der Regel keine weiteren Massnahmen.
In Einzelfällen Besprechung je nach Situation mit Kantonsarzt, etwa bei lokalen Ausbrüchen (z.B. sexuell
übertragene Hepatitis A, Shigellen)
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Tips zur Partnerinformation
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Konkrete Sprache benutzen. Statt vage von Sex konkret von Sexualpraktiken sprechen: z.B. "Oralverkehr" ("Blasen",
"Lecken"), "Analverkehr" ("eindringend/aufnehmend", "Sind Sie beim Analverkehr der eindringende oder aufnehmende
Partner oder beides?" statt "aktiv/passiv")...
Oralverkehr immer separat und gezielt ansprechen. Wird von vielen nicht als "Sex" begriffen.
Deutlich machen, dass es bei STI auch um "geschützte" Kontakte geht. Patienten geben häufig nur die Partner an, mit
denen sie "ungeschützte" Kontakte hatten.
Präventionsbotschaften verdeutlichen ("Kondome schützen nur vor Schwangerschaft und HIV")
Unterstreichen, dass STI häufig asymptomatisch sind, vor allem "im Hals", "anal" und "vaginal".
Unterstreichen, dass Partner nicht warten sollen, bis sie Symptome haben oder sie ebenfalls positiv gestestet wurden.
Offene Fragen stellen: "Wen werden Sie informieren?" - "Übernehmen Sie die Benachrichtigung selbst oder soll ich das für
Sie tun?"
Medikamente für die Partnerbehandlung können auch mitgegeben werden.
Therapie
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Partnertherapie bei bakteriellen / parasitären STI ist in aller Regel eine empirische Therapie ► keine Testung der
Sexualpartner, bzw. vor Tx nicht erst Testergebnisse abwarten
Möglichst zeitgleiche Therapie mit demselben Antibiotikum. Fortgesetzte Sexualkontakte zwischen den gleich(zeitig)
behandelten Partnern sind möglich.
Ausnahmen von dieser Regel sind z.B. Syphilis, wenn der letzte Sexualkontakt mehr als 90 Tage zurückliegt.
Keine Partnerbehandlung bei viralen STI wie HIV, Virushepatitis, Genitalherpes, Condylomata ...
Zeitfenster - wie welche Sexualpartner sollen informiert werden?
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Grundregel: Das Zeitfenster ist für bakterielle Infektionen kürzer als für virale; für symptomatische kürzer als für
asymptomatische; bei der Syphilis stadienabhängig (Primäre < Sekundäre Lues < Lues latens usw.)
Ulcus molle: bis 10 Tage vor Symptombeginn
Symptomatische Gonorrhoeo: 10 bis 30 Tage vor Symptombeginn
Filzläuse und Skabies: bis 30 Tage vor Symptombeginn
Asymptomatische Gonorrhoe, CT, MG, UU, etc., Donovaniosis: bis 60 Tage
Primäre Syphilis: bis 90 Tage
Sekundäre Syphilis: bis 6 Monate
Rechtliche Grundlagen Partnerinformation
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BAG und Kantonale Gesundheitsämter empfehlen die Information der Sexualpartner.
In aller Regel informieren die Betroffenen selbst ihre Sexualpartner, falls die Möglichkeit besteht.
Auch der behandelnde Arzt kann - gerade in heiklen Fällen - Sexualpartner informieren.
Im äussersten Notfall (etwa bei einer unbehandelten HIV-Infektion, die dem festen Partner/der festen Partnerin nicht
mitgeteilt wird) kann der Kantonsarzt hinzugezogen werden.
Diese Massnahme sollte jedoch nicht bei einfach zu heilenden STI, etwa einem Tripper, zur Anwendung kommen.
Rechtliche Grundlage: Artikel 28 des Epidemiengesetzes
1. Die Behandlung übertragbarer Krankheiten ist nur diplomierten Ärzten, die im Besitze der kantonalen Bewilligung zur
Berufsausübung sind, oder unter ihrer Aufsicht stehenden Ärzten oder ihren Stellvertretern erlaubt.
2. Der Arzt, der Kranke, verdächtige Kranke, Kontaktpersonen oder Ausscheider feststellt, behandelt oder überwacht, trifft
die in seiner Möglichkeit liegenden Massnahmen, um die Weiterverbreitung der Krankheit zu verhüten und die
Ansteckungsquelle auszuschalten. Erachtet er behördliche Massnahmen als notwendig, so meldet er dies dem
zuständigen Amtsarzt.
Info / Quellen
Beachte: HIV-/ und ev. Syphilis Testung bei Personen mit erhöhtem Risiko für STD
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HIV-Testung bei jeder Diagnose einer STD
Lues- und HIV-Test bei jedem unklaren Hautausschlag (+/- Fieber)
Hepatitis-B Screening, und allenfalls HBV-Impfung.
Beachte allg. Informationen zu Geschlechtskrankheiten
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Guidelines der Intl Union against sexually transmitted infections (IUSTI-Europe)
Zeitfenster: CDC: Sexually transmitted diseaes guidelines 2006. MMWR. 2006; 55:1-94
Verantwortlicher Autor:
Pietro Vernazza
Erstellt am:
31.01.2013
Letzte Änderung:
08.12.2016
Publizierte Version:
6.1.0
Gültig für:
BAG
(06.09.2016, Pietro Vernazza)
KSSG / Infektiologie
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