Kognitive Typologie [Mitteleuropa Abend / Bozen 2004: Materialien

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Kognitive Typologie [Mitteleuropa Abend / Bozen 2004: Materialien
Wolfgang Schulze
Institut für
Allgemeine und Typologische
Sprachwissenschaft
Universität München
Geschwister-Scholl-Platz 1 - D-80539 Münchem
http://www.lrz-muenchen.de/~wschulze
[email protected]
Bolzano / 28.4.04
Kognitive Typologie
Die Emergenz syntaktischer Bedeutung
(1)
Augangspunkt: Kognitive Typologie [nota: hier unter Vernachlässigung der zugrunde
liegenden Hypothesen eines Radikalen Linguistischen Konstruktivismus]
a) Sprachliche Architekturen basieren grundsätzlich auf der Architektur der human
Kognition; sie können diese nicht transzendieren, da sie Teil von ihr sind.
b) Sprachliche Architekturen sind emergentes Produkt der Interaktion der erfahrungsbzw. wissensbasierten und erfahrungs- bzw. wissensverarbeitenden Kognition sowie
der kommunikativen Kognition (Cognition<>Communication interface, CoCo),
wobei letztere für erstere vorausgesetzt werden muß und autonom routiniert
erscheinen kann.
c) Die (über das Verfahren der Selbstähnlichkeit, s.u.) emergente Interaktion des
CoCo-Bereichs und ihre sensomotorische Realisierung wird über Parameter der
kognitiven Architektur als 'Sprachsystem' (kollektiv) konstruiert und unterliegt in
Abhängigkeit von der Art der Verankerung des kollektiven sprachlichen Wissens in
kulturellen Praktiken (cultural practises) einem unterschiedlichen Grad der
Autonomisierung (Autonomy Hypothesis) bzw. Systematiserung.
d) Sprachliche Ereignisse etablieren über ihre Konstruktion als quasi-autonom eine
systeminterne, funktionale und formale Paradigmatisierung, die sich als Sprachsystem
auch in der Kognition verankert (in Form von tacitem und artikuliertem sprachlichen
Wissen).
e) Sprachliche Systeme manifestieren sich in der kognitiven Spiegelung von Erfahrung
(Umweltreizen) auf der Grundlage paradigmatisierten und schematisierten Wissens,
subsymbolischer Routinen und symbolisierten Konzeptualisierungen.
f) Sprachliche Systeme etablieren sich in humanen Kollektiven; sie garantieren als
Tradierungssysteme die Vermittlung von Wissens- und Erfahrungskomplexen
zwischen den Generationen und stellen selbst einen Teil dieses tradierten
Wissenskomplexes dar.
g) Das als autonom konstruierte sprachliche Wissenssystem entfaltet als Teil des
humanen Tradierungssystems eine systemimmanente Diachronie, die in indirekter
Relation steht zur Dynamik des soziokulturellen Habitus, des Weltenwissens und der
ökologischen Reaktion eines „Nutzerkollektivs".
h) Typologische Varianz (Partikularisierung) ist als Ausdruck der Interaktion der
Dynamik innerhalb von Wissens-, Kommunikations- und Verhaltenssystemen
innerhalb eines Nutzerkollektivs und der sprachsystematischen, diachronen Prozesse
1
zu verstehen; diese Interaktion ist in dem für uns rekonstuierbaren Ausschnitt nicht als
anagenetisch [diachrone Zunahme der Komplexität] zu beschreiben: Vielmehr ist von
einem typologischen pool auszugehen, der in seiner Ausprägung nur durch die
Architektur der CoCo-Schnittstelle, mithin der Architektur der wissensbasierten und
kommunikationsbasierten Kognition und (in der Regel) durch die motorische
Spezialisierung des Bereichs [Lunge>]Larynx>Mund begrenzt wird.
i) Die kognitive Begründung der typologischen Varianz resultiert aus einem Prozeß
der Selbstähnlichkeit, der die Grundlagen von Sprache als metaphorisches System
bildet. Zugrunde liegen basale Schematisierungsvorgaben, die im Laufe der
Phylogenese bzw. Ontogenese auf das sprachliche Wissen strukturell und substantiell
projeziert werden.
(2)
Sprachliches Wissen ist primär visuell basiert (visuelle Verkörperung).
Vgl. konzeptuellen Zusammenhang von <SEHEN> und <WISSEN> (Idg. *ueidhetc.).
(3)
Visuelle Basierung kann sekundär durch auditive Basierung überlagert werden.
Vgl. konzeptuellen Zusammenhang von <HÖREN> und <WISSEN> e.g. in Papuaund australischen Sprachen.
(4)
Kognitive Typologie leitet sprachliche Varianz aus einem multikausalen Szenario ab
(Ausschnitt):
→ Varianz in der Routinierung der sprachbasierten Diairese
→ Varianz in den zur Diairese aktivierten Schemata und Gestaltmustern
→ Varianz in der Routinierung von Linearisierungsgraden und packing
→ Varianz in Metaphorisierungswegen
→ Varianz in der Habitualisierung von Metaphorisierungsroutinen
→ Varianz in Attention Information Flow-Routinen
→ Varianz in Kohäsionsroutinen
→ Varianz resultierend aus diachronen Prozessen routinisierter sprachlicher
Konstruktionen / Pardigmata
→ Varianz in der Zuordnung motorischer/artikulatorischer Muster zu
sprachlichen Routinen der Diairese und Inflation
→ Varianz im Verhältnis (Somatisch-)Poiematisch-Pragmatisch (s.u.)
(5)
Grundhypothese: Universalien sprachlicher Konstruktionen basieren auf Universalien
der (visuellen->auditiven) Wahrnehmung.
(6)
UR = Umweltreiz (World Stimulus)
urµ = Gedächtnisbasierte Reaktion auf WS
urα = Aktualisierte Reaktion
(7)
UR
Ö
u¤r¤α
urµ
[µ = gedächtnis-basierte (habitualisierte) Muster / α = Aktualisierung]
2
(8)
µ/α-Abbildung eines UR entspricht kognitiven Spiegelunsgetchniken:
→ Jeder UR unterliegt einer doppelten Spiegelung
urα
UR
urµ
(9)
Je stärker urµ ist, umso poiematischer erfolgt die Spiegelung.
Je stärker urα ist, umso pragmtaischer erfolgt die Spielegung.
Somatische Spiegelungen verlaufen ohne µ/α-Spiegelung.
(10)
Somatisch (Griechisch σωµα 'Körper')
→ Die präsentierte (nicht-konzeptuelle) Reaktion auf einen UR
Poiematisch (Griechisch ποιέω '(er)schaffen, produzieren' > ποίηµα 'Produktion'
→ Die repräsentierte, habitualisierte, tacite Reaktion auf einen UR
Pragmatisch (Griechisch πράττω 'sich etwas zuwenden' > πραγµα 'Verhalten,
Prozedur' etc.')
→ Die (habitualisierte) Manipulation poiematischer Strukturen
(11)
Diairese: Verzerrung (meist Reduktion) des Spiegelungs-Inputs (von UR)
(Griechisch διαιρέω 'trennen, unterscheiden, scheiden, interpretieren (medial)')
(12)
Diairesis = Schema- und (allgemein) gedächtnisbasierte Reduktion/Verzerrung von
UR-Eigenschaften in der urα-Spiegelung -> Gestalt-Konstruktion
(13)
Primäres Schema des sprachbasierten Diairese-Prozesses
CoCo
Ω(℘)
Serialisierung (ς)
DIAIRESE
UR
π
Ω(γ)
urα
Ω(λ)
Symbol (σ)
Delay
urµ
Ω (Weltenwissen)
Enzy.
Hypothese (ϑ)
Sit.
CoCo
Epis.
3
UR= Umweltreiz; u¤r¤ = Abbildung von UR in CoCo; µ = gespeicherte UR-Abbildung, α = aktualisierte Form von
u¤r¤µ; Hypothese (ϑ) = Komplexitätshypothese bzw. aus Ω resultierende Hypothese; Ω = Wissensbasis; ℘ =
phonetisch-phonologisch; λ = lexikalisch, γ = gram-matisch (pragmatisch/syntaktisch/ morphosyntaktisch/
morphologisch/morphosemantisch/mor- phonologisch); Delay = Verzögerung der Verarbeitung; Enzy =
enzyklopädisches Wissen; Sit = situatives Wissen, Epis = episodisches Wissen.
(19)
Gestaltschärfe
Ö
UR
DIAIRESE
Ö
INFLATION Ö
u¤r¤
Linguistische Schärfe
CoCo
(20)
UR
Ö
u¤rγ¤
Reduktion in CoCo
Vereinfachtes Schema der Diairese
(21)
Konkretisierung: Die F/G-Basierung sprachlicher Äußerungen
(22)
Source domain
Ö
Visuelle Routinen
Ö
Akustische Routinen Ö
Target domain
Sprachbasierte Schematisierung
Sprachbasierte Schematisierung
Versprachlichung von Schemata als Metaphorisierung
(23)
Input
Visuell
Visuell
Akustisch
Akustisch
Mental
Taktil
Olfaktorisch
(24)
Basale Hypothese
Bild(sequenz)
Sprache (< Schrift)
Geräusch(sequenz)
Sprache (< Audition)
'Bild'(sequenz)
~ Gestalt(sequenz) ~ Wissen
Gestalt(sequenz)
Gestalt(eigenschaft) [?]
Sprachbasierte primäre Diairese
Clusterbildung/Linearisierung
Ikonisch
Clusterbildung/Linearisierung
Ikonisch
Clusterbildung/Linearisierung
Clusterbildung/Linearisierung
Clusterbildung [?]
Ein UR der realen/imaginierten Welt wird stets und immer eine Figure-GroundZuweisung gespiegelt:
4
(25)
„Any excitation in the nervous system has the character of a figure/ground process.
Any performance invariably shows this figure/ground character...Figure and
background can be discriminated as readily in speaking, thinking, feeling, etc.“
(Goldstein, Kurt. Human nature in the light of psychopathology. New York:
Schocken. 1963:12-13 (Neuauflage der Ausgabe [1940] Cambridge, MA: Harvard).
(26)
(27)
[Da]G ist [[ein Bursche]F auf [Wanderschaft]G]F [U.K.]
[Der Junge]F läuft auf [dem Weg]G
(28)
a) Keine figure ohne ground.
b) Kein ground ohne figure. Ein ground ohne figure wird selbst als figure eines
‚anderen’ ground interpretiert.
c) Zwischen figure und ground besteht ein Verwandtschaftsverhältnis (bzw. das
Verhältnis von figure und ground wird als ‚verwandt’ konstruiert).
(29)
Daraus folgt: Jede linguistische Konstruktion eines UR ist minimal 'zweistellig':
→ Figure und Ground-Bereiche werden als 'mit einer referentiellen Deixis'
behaftet konzeptuell angebildet.
Figure
Ground
Linearisiert:
Kohäsion
LM1
LM2
→ LM = Landmark (im weiteren Sinne) der Diairese [Anker]
→ Wie stark die Amalgamierung von Deixis und 'Qualifizierung' ist, ist
einzelsprachlich habitualisiert, vgl.:
5
(30)
→ Voll lexikalisiert:
→ Deiktisch markiert:
Deutsch
Arabisch
→ Unmarkiert:
Navajo
Schule
ma-dras-a
DX:LOC-lernen-FEM
'ót'a' 'sie/er lernt'
Figure und Ground sind massiven Metaphorisierungen unterworfen: Ausschnitt:
F ist salient > begrenzter > spezifischer > markierter > 'unbekannter'
G ist nicht salient > offen > genereller > unmarkierter > 'bekannter'
(31)
Jede F/G-basierte Diairese relationiert F und G:
[Der Hund]F lief auf [die Straße]G
Jede F/G-Relationierung ist determiniert von:
→ a) der vom Wahrnehmenden eingenommenen Perspektive;
→ b) den referentiellen Einheiten 'zugewiesenen' Eigenschaften;
→ c) der Schematisierung der F/G-Beziehung
(32)
Konzeptuell werden 'Relationen' durch verbale Kategorien repräsentiert.
→ Relationale Permanenzhypothesen
→ Referentielle Permanenzhypothesen (= Piaget's Objektpermanenz)
(33)
F→G-Beziehungen bilden primäre, schematische Gestalten, dabei gilt:
"Das Ganze ist nicht mehr als, sondern verschieden von der Summe seiner Teile."
[Wertheimer].
[Statt: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile [von Ehrenfels]]
(34)
Diairese beinhaltet die Deflation eines UR, d.h. die Rückführung von UR-Segmenten
auf basalere, kognitiv invariante Hypothesen:
→ 'De-Metaphorisierung' (UR als 'Metapher' von ur):
UR
Deflation
ur
ҝ>γ(ur)
Inflation
(ҝ = Konzetualisierung, γ = Grammatikalisierung)
(35)
Die statisch/dynamische Beziehung von F/G ist mit einer stark metaphorisierten
Lokalisierungshypothsese verbunden:
F ist vorn, früher
G ist hinten, nachher
Eine ikonische Abbildung der F/G-Wahrnehmungslinie von F zu G ist oftmals in
Linearisierung gespiegelt:
6
Der Hund läuft auf die Straße.
Auf die Straße läuft der Hund.
(36)
(37)
[Unmarkiert]
[Markiert]
Prototypische F/G-Relationierung:
Das Kind ist im Haus:
F:Kind
Ö/exist=in G:HAUS
[be:Container] [Container]
Grammatikalisierung (Beispiel):
Nord-Talysh (Nordwest-Iranisch) [field notes]
āz
viša-da-m
ich:NOM Wald-LOC-1SG:COP
‚Ich bin im Wald’
āz
om-e-da-m
ich:NOM kommen-MASD-LOC(>PRES)-1SG(:COP)
‚Ich komme.’
(38)
F:āz
Ö/-da(exist=in)
G:{ome}
Vgl. Deutsch: ich bin am Kommen, ich bin am/beim/im Schreiben…
Basis: Relationale Struktur wird (über relationale Permanenzhypothese) referentiell
gelesen.
Syntaktisch: Dekorporation: Lexikalisches Element wird aus Verbform 'herausgebrochen' (dekorporiert) und referentiell repräsentiert.
Analog etwa: Kommen tue ich heute nicht!
(39)
Verstärkung von F→G-Segmenten innnerhalb von F→G (ehemals mehrheitlich wohl
zur Emphase/Fokus):
F→G
~
F→G
~
F→G
~
F→G
~
[Auch kombiniert]
F →/F G
F →/G G
F→ → G
F → G→
F →/F G
F →/G G
F→ → G
F → G→
Ich geh-e in die Stadt
Ich be-gehe die Stadt
Ein Flieger ist in der Luft.
Ich schwimme im Wasser.
[Path Conflation]
[Manner Conflation]
(40)
Kognitive Transitivitätshypothese:
Alle intransitiven Strukturen sind kognitiv zweistellig.
(41)
Das Auto ist grün
F:Auto
Ö/be(=in)
G:grün
(42)
Men in black
Die Frau in rot
F:men
F:Frau
Ö/(be=)in
Ö/(be=)in
G:black
G:rot
7
(43)
Ich kann mir [dichF in altG] nicht vorstellen [I.K. 21.11.01]
(44)
Ich trimm’ mein AutoF auf NeuG.
(45)
Udi (Lezgisch) [field notes]
sa kol-l-a
boś
ein Busch-SA-GEN in
‚in einem Busch’ ….[→/im *F:Innig →/Poss G:Busch]G
(46)
NP-interne Possessiva sind metaphorisierte F/G-Beziehungen:
(47)
Klassisches Mongolisch [mehrfach]
ecige-yin ulus
F:ecige
Vater-GEN Volk
‚das Volk des Vaters’
Ö/REL=GEN
G:ulus
Possessor ist Figure
Possessum ist Ground
(48)
Die Aufhebung der ikonischen Nähe führt zu 'haben'-Konstruktionen:
(49)
das Buch von mir
>
das Buch ist von mir
Hunza (Ostkaukasisch, Tsezisch) [Van den Berg 1995:194]
boλu
miskin suk’u-s
c’aq’ bercinab aqe
arm
Mann-GEN sehr
schön
Frau
'Die sehr schöne Frau des armen Mannes.'
PROX:OBL
boλu
miskin suk’u-s
zuq’u-n lo
c’aq’ bercinab aqe
arm
Mann-GEN sein-GER LV:II:PRES sehr schön
Frau
‘Dieser armen Mann hatte eine schöne Frau.’
PROX:OBL
(50)
Linearisierungseffekte:
Was 'vorangeht' ist eher Figure, was folgt ist eher Ground:
(51)
Der Arm der Frau
Ö
G:Arm
F:Arm
Õ/GEN
Ö/GEN
F:Frau
G:Frau
Residuen des eigentlichen Groundings: Der (ehemelige) ground-Bereich ist (immer
noch) nur eingeschränkt referentiell zugänglich ist [< ‚Verdunkelung’ des
Hintergrunds durch den Vordergrund]
E.g.: Schwache Relativierbarkeit des Determinatums im Deutschen:
(52)
a)
b)
c)
Die Hand der Frau, die ich geküßt habe ....
Der Hund des Hausbesitzers, den ich überfahren habe
? Der Hund der Hausbesitzerin, den ich überfahren habe
(53)
'Verdunklung' des figure-Bereich (determinans > Bezugsadjektiv):
8
Udi (Ostkaukasisch, Lezgisch) [field notes]
gümüš-un k’o
Silber-GEN Zimmer
‚ein silbernes Zimmer’
*‚derjenige Zimmertyp (ground) der durch Silber (figure) spezifiziert ist’
(54)
fuq’-ec-i
gümüš-ün k’o
rauben-PASS:PAST-PART:PAST Silber-GEN Zimmer
*‚ein Zimmer aus geraubtem Silber’
‚Ein silbernes Zimmer, das geraubt worden ist’
(55)
Ein Haus aus Holz
Ö/ELAT
F:Haus
G:Holz
Die Präposition aus selegiert einen Teilbereich aus der ‚Vorstellungsmenge’ Holz und
qualifiziert den figure-Bereich.
→ Komplexe Metaphorisierungen erwachsen, wie etwa:
(56)
[Aus Spaß]G [hatte er den Stuhl umgeworfen]F.
(57)
Intransitiva als kognitive Transitiva:
(58)
a)
b)
? Paul ging.
Paul ging zur Schule.
F:Paul
(59)
Paul ging [Ø:LOC]i. Als er zuhausei angekommen war ...
(60)
a)
b)
Die Blätter sind welk geworden
Die Blätter (ver)welkten
F:Blätter
F:Blätter
Ö/gehen
G:Schule
Ö/DYN
Ö/[G:welk]
G:welk
b): Import des G-Bereich in die Relation.
(61)
Offen
Import
Export
(62)
Ausgangspunkt des Intransitiv-Schemas:
F→G
*wai ‚Weh’ + *Kausatives light verb
*wainōn (Germanisch)
Ö
Deutsch weinen
wainahs ‚elend’ (Gotisch)
Ö
F →/G
Ö
F →/G
Etwa: IchF gehe=in→ [(space)G die SchuleF]G
'Die figure ICH steht in einer dynamischen Container-Relation zu einem Ground, der
durch eine Ground-interne figure (Schule) charakterisiert ist.'
9
Figure Ground
> Figure
GROUND
F Ö G>F Ö G>F Ö G…..
(63)
Althebräisch (Westsemitisch) [Lamentationes 1:16]
c
al-’ēllĕh ’anī bōh2iyy-āh
auf-PROX:PL ich weinen:PART:PRES-F:SG
c
c
ēn-ī
ēn-ī
yored-āh
mayīm
Auge-1SG:POSS Auge-1SG:POSS fließen:PART:PRE-F:SG Wasser:PL
‚For these [things] I weep; mine eye, mine eye runneth down [with] water’
[King James Version]
(64)
Paul weinte [G:Ø]. Die Tränen liefen ihm über das Gesicht.
(65)
Lokal > Temporal > Kausal.
(66)
Weitergehende Metaphorisierung
F
Ö
G
Trajector
Landmark
Präsent (> new)
Inferiert (> given)
Mobil
Stabil
Veränderlich
Unverändert
(67)
[Inkorporiert]
Die oben beschriebene Standardmetaphorisierung von FÖG ist durch folgende
Prozesse in struktureller Kopplung bestimmt:
1. Direktionalität:
Eine FÖG-Relation ist (aufgrund ihrer Asymmetrie) stets gerichtet. Hierdurch ergibt
sich die Inferenz F = ‚sich annähernd’ (primär), G = ‚angenähert’ (sekundär) [F
penetriert den Raum von G].
2. Variabilität:
Eine FÖG-Relation ist durch eine stärkere Varianz von F gekennzeichnet (s.o.) [F
instabiler als G in einer FÖG-Relation]. Daraus metaphorisiert: F ‚sucht sich sein G’ >
Kontrolle von F über G.
3. Dominanz:
F ist ‚schwach’ gegenüber G, aber perspektivisch ‚näher’ (s.o.). Daraus metaphorisiert:
F steht vor G oder F ist dominant gegenüber G.
4. ℜ●G-Kopplung:
Die Qualität der referentiellen Struktur im G-Bereich ist stärker gekoppelt mit der
Qualität der relationalen Struktur (ℜ)als die des F-Bereichs:
10
F:[φ(R1)]
Ö/ψ’
G:[ψ(R2)]
[Abgeleitet aus der Tendenz zur G-Inkorporation in die Relation].
5. Kausalität:
Die Penetration eines F in den G-Bereich bedeutet die Hypothese über eine
Modifikation des G-Bereichs:
FÖG liest sich eigentlich: F [in ℜ zu G] Ö G [in ℜ zu F].
Daraus metaphorisiert: G ändert seine Gestalt, wenn F ‘sich zu G relationiert’ > F ist
Wirkursache für G.
Nota: Gleichzeitig ändert sich die Gestalt von F [‚in G’].
Kausale Lesart von FÖG:
Ö
F/G Ö G/F
(68)
F>C
G>E
(69)
Eine referentielle Struktur R1 ‚kontrolliert’ eine andere referentielle Struktur R2, wenn
die Existenzbedingungen bzw. Qualitäts-/ Quantitätsänderungen von R2 von der
Intervention durch R1 abhängig sind. Durch die Kontrolle von R2 ändert sich die
Gestalt von R1.
Gestaltänderung kann morphologisch/syntaktisch/lexikalisch angezeigt werden:
(70)
(a)
Botlikh (Andian, ___, Botlikh proper)
den w-aa w-uk’a bug#uy-x#o-b kalasa-łi
I:ABS I-go:INF I-LV:PAST four-ORD-III class(III)-IN:ESS
‘I was going into the fourth class.’
[Gudava 1962:17113]
(b)
k’eda-la miq’idi iškur min
c:e
w-uk’-eł:i w-ešta w-uk’a
two-ADV fold
I:ERG you:SG:ABS pall:ABS I-LV-CV
I-free:INF I-LV:PAST
‘I freed you twice from being (in) a pall.’ [Gudava 1962: 16618-19]
(c)
bišti
den he gand-a-x#:a-talu
you:PL:ABS I:ABS up pull-PRES-OPT-Q
‘You shall pull me up - it is said.’
[Gudava 1962: 16314-15]
11
(71)
Ö
C
high
middle
α
low
low
no
middle
out
high
HA
LA
[HA = heavy actants]
(72)
(a)
E
no
[LA = light actants]
Bella Coola (Salish, ___)
tχ-i-s
aleks ti-q’lsχ-tχ [Saunders & Davies 1982:4]
cut-3SG:O-3SG:A Alex ART:VIS:M-rope-PROX
‘Alex cuts / is cutting the rope’
(b)
tχ-ay-niχ-i-s
aleks ti-q’lsχ-tχ [Saunders & Davies 1982:9]
cut-AUX:INTR-LC:TRANS-3SG:O-3SG:A Alex ART:VIS:M-rope-PROX
‘Alex accidentally / (finally) managed to cut the rope.’
(c)
tχ-a
aleks χ-ti-q’lsχ-tχ [Saunders & Davies 1982:6]
cut-AUX:INTR:3SG:S(>A) Alex DIR-ART:VIS-rope-PROX
'Alex cuts / is cutting a rope.’
(73)
Metaphorisierung von F→G ist kontinual, vgl.
Arabisch:
dahaba
s-sūq-a
gehen:PERF:3SG DEF-Markt-ACC
'Er ging auf den Markt.'
kataba
r-risālat-a
schreiben:PERF:3SG DEF-Brief-ACC
'Er schrieb den Brief.'
Wann F als C und G als E interpretiert wird, ist einzelsprachlich geregelt.
(74)
Grammatikalisierung der F>C Ö G>E-Gestalt (Auswahl)
→ Linearisierung (syntaktisch)
→ Morphologisch
→ 'Partikeln'
→ Kategoriell (Hierarchisch)
(75)
Metaphorisierung drückt sich in der Regel durch paralleles Verhalten von Segmenten
in F/G und in C/E aus, e.g.:
12
(76)
F
→
G(>Ø)
C
→
E
F
→
G(>Ø)
C
→
E
F
→
G
C
→
E
AKKUSATIVISCH
ERGATIVISCH
'AKTIVISCH' (S-Split)
Ergativische Verfahren sind G-pointiert.
Akkusativische Verfahren sind F-pointiert.
Grammatikalisierte Funktionen (relationale Primitive):
S(ubjective) Primäre Referenz in F/G (F oder G)
A(gentive)
Cause-Bereich in C→E
O(bjective) Effect-Bereich in C→E
[Dazu das IO-Hybrid: IO = OA]
(77)
amicus venit.
amicus floram videt.
(78)
(a)
Chechen (Nakh, Waynakh, ___) [Jakovlev 1940:3081; 31018]
še:ra-ču ara-xula cћa stag
xilla
nowqa w-ödu-š
even-OBL field-TRANS a
man(I):ABS LV:INFER by=foot I:S-go:PRES-GER
‘A man was crossing (it is said) an even field.’
(b)
y-illi-na
miska-ču stag-a baga.
IV:O-open-INFER poor-OBL man-ERG mouth(IV):ABS
‘The poor man opened (it is said) [his] mouth.’
(79)
(a)
Lakhota (Siouan, ___)
ma-wášte
(b)
1SG:S(>O)-good
‘I am good.’
(BL 2-9)
(d)
ksúye-ma-Ø-ye
hurt-1:SG:O-3SG:A-LV
‘(S)he hurts me.’
(EBD 1976:227)
(f)
hé
wa-ų
1SG:S(>A)-live
‘I live / am.’
(BL 2-9)
(e)
(c) ksúye-Ø-wa-ye
hurt-3SG:O-1SG:A-LV
‘I hurt him/her.’
(BL 7-2)
tóna
ksúye-wičha-ya pi he?
how=many hurt-3:PL:S-LV
PL INT
‘How many got hurt?’
(BL 17-10)
wičháša kį wakhąyeža kį ksúye-wičha-ye
MED man:A
REF child:O
REF hurt-3:PL:O-LV
‘That man hurt the children.’ (BL 17-10)
13
(80)
(a)
Yimas (Papuan, Lower Sepik, ___ )
ama-tmuk-t
(b) ant-ka-tmuk-t
1SG:S-fall-PERF
POT-1SG:S(>A)-fall-PERF
‘I fell down.’
‘I almost fell down.’
[Foley 1991:197]
[Foley 1991:197]
(81)
(a)
Yimas (Papuan, Lower Sepik, ___ )
pu-ka-tay-Ø
(b) pu-na-tay-Ø
3PL:O-1SG:A-see-PERF
3PL:A(>S)-1SG:O-see-PERF
‘I saw them.’
‘They saw me.’
[Foley 1991:205]
[Foley 1991:201]
(82)
(a)
Budukh (Lezgian, Southern Samur, ___) [field notes]
zn azaru sa-r-x$a-i
I:ABS ill
PV-II-AUX-PAST
‘I (a woman) became ill.’
(b)
zn
dix#
k’ul-a ča-Ø-g#ar-da-r
I(I/II):ABS son(I):ABS home-LOC PV-I-lead:PRES-NEG-I/II
‘I (man/woman) don’t take (my) son home.’
(c)
dix#-ir zn k’ul-a ča-r-g#ar-da-r
son-ERG I:ABS home-LOC PV-II-lead:PRES-NEG-I
‘(My) son does not take me (a woman) home.’
(83) Modern Georgian (Karvelian, ___ ) [standard examples]
(a)
k’ac-i
c’eril-s c’er-s
man-NOM letter-DAT write-3SG:PRES:A
‘The man is writing a letter.’
(b)
k’ac-ma c’eril-i
da-c’er-a
man-ERG letter-NOM PV-write-3SG:AOR:A
‘The man wrote a letter.’
(84)
(a)
Tsez (Tsezian, ___)
žuka-ni žek’a: teλ-no
nesi-r
bišwa [(a) Imnajšvili 1963:2874]
bad-EMPH man-ERG give-IMPERF ANAPH:I-DAT food:ABS
‘The bad man gave him the food.’
(b)
mi
iłe-ni
harduhan-qo
r-isa:-ł-č’i
že azbar
you:SG:ABS like-EMPH poor=man-ADESS IV:O-buy-POT-NEG DIST palace(IV):ABS
‘A poor man like you cannot buy that palace.’ [Imnajšvili 1963:262]
(85)
Old Church Slavonic
togda že
Pilatu
po-ję-tu
Iisus-a [John 19,1]
then however Pilate:NOM PV-take:AOR-3SG:A Jesus-GEN
‘Then Pilate took Jesus...’
14
(86) Archi (Lezgian, ___)
(a) q’ut’i-li lo e-w-q’-ni
(b)
thunder-ERG child(I):ABS frighten-IECPRET
PRET
‘The thunder frightened the boy.’
[Alekseev 1979:87]
‘The boy was startled by the thunder.’
[Alekseev 1979:87]
(87) German
(a) Ich seh-e
dich
I:NOM see:PRES-1SG:A you:SG:ACC
‘I see you.’
(c) Ich gedenk-e
deiner
I:NOM think=of:PRES-1SG:A
you:POSS:PL:GEN
‘I think of you.’
(88)
(a)
q’ut'i-li-λ:’iš lo e-w-q’-ni
thunder-SE-SUB:ABL child(I):ABS frighten-IEC-
(b)
Ich
helf-e
I:NOM help:PRES-1SG:A
‘I help you.’
dir
you:SG:DAT
(d)
Ich
denk-e
an dich
I:NOM think:PRES-1SG:A at you:SG:ACC
‘I think of you.’
Lummi (Salish, Coast Salish, ___)
x¢či-t-sn
c swy’q’
[Jelinek & Demers 1983:168]
know-TRANS-1SG:A DET man
‘I know that man.’
(b)
x¢či-t-ŋ-sn
 c swy’q’
[Jelinek & Demers 1983:168]
know-TRANS-INTRANS-1SG:S PREP DET man
‘The man knows me’ [lit.: ‘I am known by the man.’]
(c)
*x¢či-t-sn-s
c swεy’q’
know-TRANS-1SG:O-3SG:A DET man
‘The man knows me.’
(89) Yupik (Eskimo, ___, St. Lawrence)
(a) qikm¢i-m neg#-aa
kayu
(b)
dog-ERG eat-3SG:A>3SG:O fish:ABS
‘The dog eats the fish.’
[Jacobson 1990:35]
[Jelinek & Demers 1983:168]
qikm¢iq
nex#-tu-q
kayu-meŋ
dog:ABS:SG eat-INTRANS-3SG:S fish-ABL
‘The dog eats (a) fish.’
[Jacobson 1990:35]
15