Steyr-Puch Haflinger 706

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Steyr-Puch Haflinger 706
Steyr-Puch Haflinger 706 - ein Gebirgspferd mit sechs Hufen (Fahrzeugbericht) | Zwischengas
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Persönlicher Ausdruck für roland koefer
Steyr-Puch Haflinger 706 - ein
Gebirgspferd mit sechs Hufen
15. Oktober 2014
Text:
Bruno von Rotz
Fotos: Bruno von Rotz (47) – Archiv RH (15)
Wer in der österreichischen oder Schweizerischen Armee Dienst tat in den Sechziger- bis
Achtzigerjahren wird wohl früher oder später in Kontakt mit dem Haflinger gekommen sein,
denn die beiden Heere nutzten diese besonders geländegängigen Kleintransporter gerne
und häufig. Vier angetriebene und einzeln aufgehängte Räder und ein rekordtiefes
Leergewicht von rund 600 kg machten den Steyr-Puch-Geländewagen auch im
schwierigsten Gelände erfolgreich.
Nie allerdings dürfte ihnen damals ein Haflinger mit drei angetriebenen Achsen begegnet
sein, obschon Steyr-Puch mit dieser Konzeption durch die Entwicklung des Pinzgauers
durchaus Erfahrung hatte. In diese Lücke stiess nun eine Gruppe rühriger Techniker um
einen Schweizer Geldgeber und so entstand der sechsrädrige Haflinger 706.
Kein zufälliger Name
Ein Haflinger ist ein kleines, kräftiges und ausdauerndes Gebirgspferd und stammt
ursprünglich aus dem Südtirol. In Anlehnung an diese Tugenden entwickelte Erich
Ledwinka, der Sohn des Tatra-Chefentwicklers Hans Ledwinka, ein leichtgewichtiges und
ausserordentlich geländegängiges Fahrzeug, das AP 700 (und mit langem Radstand AP
703) genannt wurde.
1959 wurde der kleine Allradler, der in der kurzen Ausführung gerade einmal 580 kg wog,
an der IAA in Frankfurt vorgestellt.
Das kleinste Geländefahrzeug
Ledwinka wählte beim Haflinger eine Bauweise, die vom üblichen Muster damaliger
Geländewagen abwich. Ein Zentralrahmen (ähnlich wie bei der Alpine A110) bildete das
Rückgrad des Wagens und verband die vier an Pendelachsen befestigten Räder, die
zudem durch Querlenker und Schraubenfedern geführt waren.
Ganz hinten war der kleinvolumige und luftgekühlte Zweizylinder-Boxermotor montiert,
dessen Konstruktion auf den ebenfalls von Ledwinka entwickelten Puch-500-Motor
zurückging.
Auf das stabile Fahrgestell konnte eine leichtgewichtige Karosserie basierend auf einer
Plattform aus gepresstem Stahlblech aufgesetzt werden.
Das ganze Fahrzeug war mit einer Länge von 2,83 und einer Breite von 1,35 Metern
ausserordentlich kompakt, konnte aber eine hohe Nutzlast von deutlich über 400 kg
verkraften.
Wie eine Gämse
Der Haflinger war, nicht zuletzt wegen seines geringen Gewichts, sehr geländegängig. Der
Frontantrieb konnte mechanisch zugeschaltet werden, wenn er benötigt wurde. Beide
Achsen liessen sich über weitere Hebel einzeln sperren. Spätere Ausführung verfügten
zudem über einen Kriechgang (1. Gang) mit Spitzengeschwindigkeit 8 km/h.
Dermassen optimiert bezwang der Haflinger bei voller Beladung Steigungen bis 65% und
war bis und über 45% Neigung stabil. Er fuhr durch 50 cm tiefes Wasser und schreckte vor
Böschungswinkeln mit 45/40 Grad (vorne/hinten) nicht zurück.
Wegen des kurzen Radstands von 150 cm in der kurzen Ausführung konnte er auch kurze
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und steile Hindernisse überfahren.
Schnelle Verbreitung
Angesichts seiner konkurrenzlosen Positionierung im Markt gewann der Haflinger schnell
Freunde. Sowohl die österreichische wie auch die Schweizer Armee beschafften grössere
Stückzahlen des für viele Einsatzzwecke (Lastfahrzeug, Raketenwerfer, ferngesteuertes
Panzerziel) geeigneten Geländewagens.
Der Haflinger wurde in einer Vielzahl von Versionen ausgeliefert, der Radstand konnte mit
150 oder 180 Zentimeter gewählt werden. Die Leistung stieg bis auf 27 PS an, was eine
Höchstgeschwindigkeit von bis zu 75 km/h erlaubte.
Zwischen 1959 und 1974 wurden 16’647 Fahrzeuge ausgeliefert, davon fast 3500
Exemplare an die Schweizer Armee. Aber auch Feuerwehr, Wintersport-Kurorte und
Wüstenexpeditionen griffen gerne zum wenigen Steyr-Puch-Geländewagen.
Vom grossen Bruder lernen
Was alle vom Werk ausgelieferten Haflinger-Fahrzeuge gemeinsam hatten, war die Anzahl
der Achsen, nämlich zwei. Beim grossen Bruder Pinzgauer allerdings wurden Versionen
mit sechs angetriebenen Rädern gebaut. So erstaunt es nicht, dass einige Versuche
unternommen wurden, auch dem kleinen Haflinger zu sechs Hufen zu verhelfen.
Der überzeugendste 6x6-Umbau ist einem Mitglied des Vereins “Swiss-Haflinger” zu
verdanken, denn eine Version verfügt nicht nur über eine unabhängig sperrbare und
angetriebene Mittelachse, die zusätzlichen Räder lenken auch noch mit.
Vom Scheunenfund zum 706
Einfach war der Weg vom restaurationsbedürftigen Haflinger 703 APL zum voll
funktionsfähigen und zulassungsfähigen 6x6-Geländewagen allerdings nicht. Die Basis in
Form zweier Fahrzeuge und einiger Einzelteile erwies sich als deutlich baufälliger als
angenommen und der Umbau verlangte nach profunden Ingenieurwissen.
Die zusätzliche Achse sollte weitestgehend mit Originalbauteilen aus der Haflinger-Serie
konstruiert werden. Natürlich musste die Brücke für die Aufnahme der Achse modifiziert
werden und der mechanisch gesteuerte Mitlenk-Effekt musste sorgfältig ausgetüftelt
werden. Die eigentlich als Vorderachse vorgesehene Mittelachse musste aufwändig
modifiziert werden, denn sie musste ja in beide Richtungen über einen KardanwellenAnschluss verfügen.
Zulassung kein Problem
Mancher von Zulassungsschwierigkeiten gebeutelte Oldtimer-Besitzer mag sich fragen, ob
man für eine derartig komplexe Modifikation eines über 40 Jahre alten Gefährts denn
überhaupt eine Strassenzulassung erwirken könne. Nun, tatsächlich war dieser Teil des
Projektes einfacher als erwartet. Solange die Nutzlast nicht erhöht werde und die Struktur
nicht verändert werde, stehe einer Zulassung nichts entgegen, wurde beschieden. Zur
Absicherung wurde allerdings ein technisches Gutachten des Dynamic Test Centers
Vauffelin benötigt, dann bestand der Prototyp die Einzelabnahme.
Das internationale Projektteam mit Josep Franquesa (Chef Mechaniker), Marc Esteban
(Autoelektriker), Felix Wegleiter junior (Automechaniker), Markus Schöpf
(Karosseriespengler/Lackierer) und Bernat Casals (technischer Ingenieur) nannte den
dreiachsigen Haflinger “706”.
Liebhaberprojekt mit Kleinserienchancen
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Aus Fahrersicht ändert sich für erfahrene Haflinger-Piloten trotz der zusätzlichen Achse
wenig. Der Heckmotor heult wie eh und je und nicht das Fahrzeug, sondern die Ängste
der Besatzung beschränken jeweils den Einsatz im extremen Gelände.
Rund 2000 bis 2500 Arbeitsstunden Aufwand erzeugte das kombinierte Restaurierungs/Umbauprojekt. Verkaufen könnte man den Prototypen also nicht zu den
Gestehungskosten. Allerdings ist der Initiator des Projekts überzeugt, dass man jetzt, nach
allen Erkenntnissen und Einzelanfertigungen, fahrfertige 6x6-Haflinger für rund Franken
75’000 herstellen könnte.
Ob es dazu kommt, wird sich zeigen, Zwischengas leitet allfällige Interessenten gerne an
die richtige Adresse weiter.
Weitere Informationen
AR-Zeitung Nr. 20 / 1960 vom 28.Apr.1960 - Seite 33: Haflinger - das kleinste
Geländefahrzeug
Quelle:
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