ambassade de france - Französische Botschaft

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Frankreich – Info
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29.09.2008
Rede des französischen Botschafters
Bernard de Montferrand anlässlich der Überreichung der Insignien eines
Officier des Arts et des Lettres
an Professor Peter-Klaus Schuster
26. September 2008, Berlin
Die Melancholie und der kritische Geist sind die tiefliegendsten Quellen des abendländischen
Genies.
Liebe Gäste,
ich möchte mich nun an Herrn Professor Peter-Klaus Schuster wenden.
Um ihn zu würdigen, werde ich einige Eigenschaften hervorheben, die mir
bedeutungsvollsten erscheinen mit Blick auf seine lange und sehr erfolgreiche Karriere.
am
Der erste Eigenschaft ist die Originalität seiner Überlegungen.
Sehr geehrter Herr Professor Schuster,
sie studierten Germanistik, Philosophie sowie Kunstgeschichte und beendeten das Studium mit
einer brillanten Dissertation zum Kupferstich „Melencolia I“ von Dürer. Ihre Überlegungen waren
hier sowohl tiefgehender als auch originaler Natur. Und sie führen, beständig wie ein roter
Faden, durch Ihr Leben. So organisieren Sie schließlich 2006 gemeinsam mit Jean Clair die
meisterhaft konzipierte Ausstellung „Melancholie. Genie und Wahnsinn in der Kunst“. Er ist
heute anwesend, und ich weiß um die Wertschätzung, die er Ihnen entgegenbringt. Diese
Ausstellung gehört zu jenen, die eine Epoche kennzeichnen. Jeder trat aus ihr verändert
heraus: Man hatte über eine veränderte Hinterfragung der Welt und des eigenen Ich neue
Perspektiven entdeckt.
Die zweite Eigenschaft, die Sie charakterisiert, ist Ihr Wille, sich – neben Ihrem Engagement für
die Museen – kontinuierlich der Wissenschaftsforschung und der Lehre zu widmen. Dies gilt seit
Beginn Ihrer beruflichen Laufbahn, die über die Universität von Regensburg und München nach
Berlin führte, wo Sie seit 1994 Professor sind.
Das ist umso bemerkenswerter, als dass Ihre Verpflichtungen im musealen Bereich im Laufe
der Jahre immer mehr Zeit in Anspruch nahmen.
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Schließlich gibt es noch eine Eigenschaft, die Sie charakterisiert: Ihre unstillbare Neugier.
Das beste Symbol dafür sind Ihre Leidenschaft für die Fotografie und der Fotoapparat, der Sie
überallhin begleitet und der es Ihnen erlaubt, die Welt genauer unter die Lupe zu nehmen. Das
kann ich bezeugen. Ich habe Sie gesehen: Begeistert von der zeitgenössischen Kunst, beim
aufmerksamen Betrachten von Kunstwerken oder auch von Performance. Immer mit einem
Auge, in dem sich das nachsichtslose Urteil desjenigen widerspiegelt, der schon viel gesehen
hat, und die Großzügigkeit desjenigen, der keine Möglichkeit des Spürens und Verstehens
ausschließen will, aber auch das Aufblitzen einer beruhigenden Ironie. Es gäbe so viel zu sagen
über „das Auge“ eines bedeutenden Museumsdirektors ...
Sie werden verstehen, dass ich heute auch Ihren Beitrag zur deutsch-französischen
Freundschaft würdigen möchte.
Im Verlaufe Ihrer Karriere konzipierten und realisierten Sie mehrere Ausstellungen, die
systematisch Meisterwerke der französischen Kunst und Produktionen der deutschen Kunst
einander gegenüberstellten. Sie sind ein Beweis für Ihre privilegierten Beziehungen, die Sie mit
Frankreich unterhalten.
Seit Ihren ersten Ausstellungen in München 1985, analysieren Sie den Impuls, den Robert
Delaunay ausgeübt hat auf die deutschen Künstler der Moderne vor dem ersten Weltkrieg, und
die komplexen Interaktionen, die stattfanden zwischen ihm und den Mitgliedern des Blauen
Reiters in München, den Rheinischen Expressionisten und den Berliner Künstlern der „Sturm
Galerie“.
Mit der Ausstellung „Von Manet bis Van Gogh. Hugo von Tschudi und der Kampf um die
Moderne“ würdigten Sie den vorbildlichen Einsatz des ehemaligen Generaldirektors der Alten
Nationalgalerie, der zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts dazu beigetragen hatte, eine
nationale öffentliche Sammlung in eine internationale Sammlung ersten Ranges zu verwandeln
und dabei einen besonderen Platz den französischen Künstlern einzuräumen.
In dieser Figur eines Schutzgeistes finden Sie ein Vorbild für Ihre Akquisitionspolitik, die
gekennzeichnet ist von der Verteidigung der Meisterwerke der französischen Kunst, und die
damit zum internationalen Charakter der Berliner Sammlungen und Ausstellungspolitik beiträgt.
Die Ausstellung „Melancholie. Genie und Wahnsinn in der Kunst“, die 2006 in der Neuen
Nationalgalerie stattfand, ist ein weiterer, sehr wertvoller Beitrag zum deutsch-französischen
Kulturdialog.
Zunächst handelt es sich um ein doppeltes Projekt, denn vor dieser Ausstellung fand bereits
eine andere mit Meisterwerken von Picasso statt. Picasso war zuvor noch niemals in Berlin
gezeigt worden, und die Besucherzahlen überstiegen alle Erwartungen. Dank der Einnahmen
wurde die Finanzierung der Ausstellung „Melancholie“ möglich.
Das Wichtigste hierbei ist, dass diese Ausstellung das Resultat eines gemeinsamen
wissenschaftlichen und intellektuellen Interesses war, das Sie mit Jean Clair verbindet. Aber
das ist auch ein Beweis Ihrer intellektuellen Großzügigkeit, wie es auch Jean Clair beschrieben
hat :
„Zu akzeptieren, dass ein Franzose jene Ausstellung umsetzt, von der er träumte, wenngleich
mit seiner aktiven Unterstützung, zeugte von einer großen Generosität auf dem Gebiet der
wissenschaftlichen Erkenntnis, wo sich normalerweise jeder abgrenzt und sein Feld eher
schützt, denn es zu öffnen“.
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Und Ihnen verdanken wir schließlich die schöne Ausstellung mit den französischen
Meisterwerken des 19. Jahrhunderts aus den Sammlungen des Metropolitan Museum of Art in
New York. Unter dem – seitdem populär gewordenen – Titel „Die schönsten Franzosen
kommen aus New York“ hatte die Ausstellung einen außerordentlichen Erfolg.
Seit knapp zwei Jahrhunderten existieren die großen Museen, und ihre Direktoren waren schon
immer Orientierungspunkte in der Gesellschaft, Wertehüter des Wissens, Bewahrer eines
vergänglichen Kulturerbes, Entdecker eines manchmal schwer ausmachbaren Kunstschaffens.
Ich möchte Ihnen heute sagen, wie sehr wir Sie brauchen.
Sie gehören zu den primären Handwerkern eines Europas der Kultur.Das Netzwerk der
Zusammenarbeit zwischen den Museen trägt heute dazu bei, ein gemeinsames Kulturerbe zu
bestimmen. Man kann keinen Zugang zu einem europäischen politischen Bewusstsein finden,
ohne den Weg über ein künstlerisches und intellektuelles Bewusstsein hinsichtlich unserer
Identität und ihrer Komplexität zu gehen. Unter diesem Gesichtspunkt hat Ihre Rolle an der
Spitze der bedeutenden Berliner Museen eine große Bedeutung für die Gesamtheit eines
Europas der Museen.
Mit Nachdruck widmen Sie sich Ihren Tätigkeiten, die die Museumslandschaft der deutschen
Hauptstadt auf Dauer kennzeichnen werden. So kam es auf Ihre Anregung hin zur Vereinigung
der Gesamtheit der Berliner Sammlungen europäischer Kunst bis 1900 auf der Museumsinsel.
Sie führen zudem die Restaurierung der großen Museen einem guten Ende entgegen. Ein
Großteil ist nunmehr abgeschlossen. Dazu gehören das Alte Museum, das Neue Museum, das
Bode- und das Pergamonmuseum. Die Konstellation von – an einem einzigen Ort – vereinten
Museen und der Umfang der in so kurzer Zeit eingeleiteten Arbeiten machten aus diesem
prestigereichen Viertel Berlins eine der größten Kultur-Baustellen weltweit. Und wir wissen sehr
wohl, dass – obwohl dieses Projekt geografisch betrachtet in Berlin liegt –, es in Wirklichkeit
jedoch ein Projekt ist, das nur einen Sinn macht in seiner europäischen und universellen
Dimension, und dass wir alle davon profitieren werden.Sie sind außerdem ein Handwerker einer
– wie ich es nennen würde – positiven Globalisierung.
Man dachte, dass die Nähe und die Dichte an Kontakten das Verständnis fördern würden. Das
ist allzu oft eine Illusion. Denn je mehr man aus der Nähe mit kulturellen Unterschieden
konfrontiert wird, umso höher ist das Risiko an Spannungen. Wir im Westen sehen heute, auf
welche Weise unsere Werte und unsere Kultur, die wir auf eindeutige Weise als universell
betrachten, umstritten sind und von vielen sogar abgelehnt werden.
In diesem Kontext spielen die Museen, die heute mehr denn je besucht werden, eine
entscheidende Rolle. Der Kulturtourismus ist heute eines der Vehikel in der Kenntnis des
Anderen. Und so spielen auch die Museen eine unersetzliche pädagogische Rolle im Dialog
zwischen den Zivilisationen. Ein Besuch der Babylon-Ausstellung bedeutet, Mesopotamien
besser zu verstehen.
Eine Zusammenarbeit mit Dubai – wie Ihre, gemeinsam mit den Museen von Dresden und von
München – und wie es auch der Louvre in Abu Dhabi praktiziert – , eine solche
Zusammenarbeit stellt die beste Form eines kulturellen Dialogs dar, der ein Träger von Werten
im respektvollen Umgang mit den Anderen ist.
Sie sind letztlich auch ein Wächter des Wissens und ein Orientierungspunkt in einer sehr
vielfältigen Kunstwelt, an die unsere Gesellschaften so hohe und vielleicht auch übertriebene
Erwartungen haben. Sie gehören zu jenen, die dem Geschmack eine Richtung geben, die dazu
beitragen, den Geist zu erhellen und in Aussicht zu stellen, was zu Unrecht für Neu gehalten
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wird, oder was sich auf schöpferische Weise in die großen Fragestellungen der Kunst aller
Zeiten einschreiben wird.
Die Rolle der Museums-Direktoren und Museums-Konservatoren ist von entscheidender
Tragweite. Ihre Legitimität ist von besonderer Natur, das ist keine Legitimität eines Politikers.
Sie besitzen aufgrund Ihres Wissens eine Unabhängigkeit, die es Ihnen erlaubt, eine
ästhetische Wahl zu treffen.
Jedes Mal, wenn Sie sich entscheiden, diese oder jene Ausstellung zu organisieren, dieses
oder jenes Thema stärker zur Geltung zu bringen, nehmen sie Einfluss auf den Blick unserer
Zeitgenossen. Jean Clair schrieb ein schönes Buch zur „Verantwortung des Künstlers“. Ich
glaube, es gibt auch eine Verantwortung der Leiter bedeutender Kultureinrichtungen, die jedoch
anderer Natur ist. In diesem Zusammenhang spielen Sie eine Schlüsselrolle in unseren nach
Sinninhalten so begierigen Gesellschaften. Ich wünsche mir mehr denn je, dass Sie diese Rolle
weiterhin spielen, denn wir brauchen diese Schiedsrichter des guten Geschmacks und der
Kunst für die Atmung unserer demokratischen Gesellschaften.
Gestatten Sie mir, lieber Peter-Klaus Schuster, mit Ihnen eine Ausnahmepersönlichkeit zu
ehren. Sie sind zugleich ein Mann des tiefsinnigen Geistes und der überaus nachdrücklichen
Tat. Es ist mir eine Freude, Ihnen heute die Insignien eines Offiziers für Kunst und Kultur
überreichen zu dürfen.