PDF - KAOS Protokoll
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Montag, 10. Dezember 2012 / Nr. 285 Neue Luzerner Zeitung Neue Urner Zeitung Neue Schwyzer Zeitung Neue Obwaldner Zeitung Neue Nidwaldner Zeitung Neue Zuger Zeitung Abgehört Chaos-Poesie pb. Jedes Stück ist anders, und doch gibt es immer einige gemeinsamkeiten: groovende Patterns, überraschende Wendungen, heisse Saxsolis, humor. Das berner trio Kaos Protokoll wühlt sich durch ein munterbuntes repertoire aus Jazzlicks, rockriffs, Funkyness und elektro-Infusionen. Chaos und Poesie regieren, aber die tracks gehen flauschig bis zackig schnell ins Ohr, und ein bisschen zapplig wird man auch noch dabei. KAOS Protokoll: Quick & Dirty (Unit Records) ••••• Unverbraucht sc. Die entlebucherin Franziska Wigger überwindet vermeintliche gräben zwischen volkstümlichem und klassischem gesang. Ihr neues Album ist nicht nur dem Namen nach ein geglückter idiosynkratischer Versuch, tradition und Moderne zu versöhnen. Mit hilfe von erstklassigen Musikern (John Wolf brennan, Stephan hodel, Silvio Wey, Daniel Steffen u. a.) ist eine zeitgenössische Jodelplatte entstanden, die ungewohnt, vor allem aber unverbraucht klingt. Franziska Wigger: JODELeigenART (phono-shop.ch) ••••• Halt und Tiefe kü. Diese Musik ist wie ein gebet. Dies nicht im Sinne einer engen Christlichkeit, sondern mehr als Ausdruck eines meditativen Lebensgefühls. Musik mit starker Kraft. Das hauptwerk «Adam’s Lament» basiert auf einem text eines Mönches von Athos. es ist jedoch vor allem die Musik, die spirituelle Weiten offeriert. Auch die anderen Stücke des estnischen Komponisten Arvo Pärt (*1935) bieten tiefe und halt. eine hervorragende Aufnahme. Arvo Pärt: «Adam’s Lament» ••••• POP Mit «Unorthodox Jukebox» muss Bruno Mars beweisen, dass er keine Eintagesfliege ist. Das gelingt ihm dank weniger Hits. Pascal MüngEr [email protected] Vor rund drei Jahren war Peter Hernandez bloss ein Songschreiber für bekannte Künstler. Einer im Hintergrund, einer unter vielen. Dann erschien im Jahr 2010 das Album «Doo-Wops & Hooligans» und machte aus dem talentierten Musiker praktisch über Nacht den Frauenschwarm Bruno Mars. Sechs Millionen Alben und über 40 Millionen Singles verkaufte er seither. Einen ähnlich rasanten Aufstieg im Popzirkus kann in letzter Zeit nur Lady Gaga vorweisen. Auf dem Olymp angekommen Das kommt nicht von ungefähr. Auch wenn es Musikliebhaber abseits des Mainstreams nicht gerne hören: Bruno Mars ist talentiert. Und zwar als Musiker. Dass er auch die Mechanismen der Popkultur versteht und deren simple Regeln zu seinem Vorteil nutzt, sollte man ihm nicht zum Vorwurf machen. Beeindruckend war sein Konzert vor einem Jahr im Zürcher Hallenstadion: Im Stile von Prince oder auch dem frühen Michael Jackson vermischte Bruno Mars auf der Bühne Soul und Funk zu treibendem Pop. Entgegen dem grassierenden Trend verwässerte er Hits wie «Grenade» und «Just The Way Your Are» nicht mit einer pompösen Lichtshow, sondern setzte vornehmlich auf seine Ausstrahlung und die Kraft seiner Melodien. Bruno Mars hat mit nur einem Album den Olymp erreicht und dabei Fans und Kritiker zugleich überzeugt. Eigentlich könnte er sich nun zufrieden zurücklehnen und den Erfolg geniessen, wäre da nicht das Ding mit dem zweiten Album. Die Popwelt ist eine Achterbahn bei der die Auf und Abs hinter jeder Ecke warten oder eben lauern können. Die Zahnrädchen und Schrauben seines rasanten Aufstiegs konnte Bruno Mars nicht alle analysieren. Vieles in seiner noch jungen Karriere passierte praktisch von alleine, als die ganze Welt mit ihm mitsang: «I’d catch a grenade for ya. Throw my hand on a blade for ya. I’d jump in front of a train for ya. You know I’d do anything for ya.» Mars musste nur noch in den Kanon einstimmen, und die Masse kreischte. Nun jedoch kreischt niemand mehr, weil alle den «Gangnam Style» üben oder die neue Single von Rihanna hören, die momentan die Schweizer Singlecharts anführt. Mit seinem zweiten Al- Wagt den Spagat zwischen hitparade und intelligenter Musik: bruno Mars. Warner/Andreas Laszlo Konrath bum «Unorthodox Jukebox», muss Bruno Mars allen nochmals beweisen, warum er mehr ist als eine nostalgische Erinnerung an Mitsing-Hits vom letzten Sommer. Mehr als nur eine Radiosingle Bruno Mars hat eine interessante Strategie eingeschlagen, damit der Kelch der Eintagsfliege an ihm vorübergehen kann. Anstatt das Rad mit simplen Melodien und eingängigen Refrains einfach weiterzudrehen, versucht er, seiner Musik mehr Tiefgang zu verleihen. Die erste Single freilich ist nochmals eine Ode an die alten Erfolge: «Locked Out Of Heaven» lebt vom Mitsing-Effekt, einem von David Guetta geklauten simplen Refrain und einer funkigen Strophe. Was einmal für die Charts taugte, kann zwei Jahre später nicht einfach ignoriert werden. Am 1. April 1984 waren wir mit Radio Sunshine erst fünf Monate auf Sendung, als über Telex die Meldung kam, dass der berühmte Soulmusiker songs MacHEn gEscHicHtEn EingEscHaltEt Michel Richter über «Sexual Healing» (Marvin Gaye, 1982) Michael Graber über Jahresrückblicke Passiert da noch was? Wer nach dem 24. Dezember noch einen Jahresrückblick sendet, der gehört bereits zum alten Eisen. Obwohl 2012 ja dann eigentlich immer noch läuft. Hier gilt ein merkwürdiges Prinzip: Auch der Erste, der Altes – in diesem Fall ja nur Dinge, die bereits passiert sind – sendet, gewinnt. Ich lebe immer noch in der Hoffnung, dass noch irgendetwas passiert im 2012. Es muss nicht der angekündete Weltuntergang sein, aber wenn Andere Lieder hingegen wie beispielsweise «Young Girls», das durchaus auch das Potenzial zur Single hat, klingt ein wenig nach Soul aus den Achtzigerjahren. «Moonshine» ist eigentlich ein Elektro-Song, der mit richtigen Instrumenten gespielt wurde. Aber auch hier ist wieder dieser melancholische Schleier aus den Achtzigerjahren hörbar. Was damals ein Nebeneffekt durch die kalte Instrumentalisierung war, ist von Bruno Mars gewollt eingeflochten worden. Und mit «When I Was Your Man» hat der 27-jährige Songschreiber eine wunderbare Ballade geschrieben, die nicht sofort in die Ohren geht – dafür aber lange hängen bleibt, wenn sie einmal drin ist. Mit seinem neuen Album hat Bruno Mars ein paar interessante Nummern parat für Menschen, die auch die Kunst hinter der grossen Radiosingle interessiert. Vielleicht ist das der Präsentiert für einmal keine Fragen, sondern das Jahr 2012: günther Jauch. bild PD jetzt plötzlich noch am 28. Dezember der Weltfrieden ausgerufen würde, dann wäre das doch sehr schön. Ich wäre aber auch mit weniger zufrieden. Und es wäre wohl auch lustig zu sehen, ob man dann Günther Jauch und Konsorten aus den Ferien zurückholt und sagt: «So Jungs, wir müssen jetzt noch einmal einen neuen Jahresrückblick machen. Ist ja wider Erwar- richtige Weg, damit man ihn nach dem grossen Geklatsche nun für das sieht, was Bruno Mars in erster Linie ist: ein guter Songschreiber. Die Mission mit «Unorthodox Jukebox» muss nicht sein, nochmals sechs Millionen Alben zu verkaufen. Sondern die Fans zu überzeugen, dass die Musik für Bruno Mars eine Herzensangelegenheit ist, nicht blosses Geschäft. Es klingt paradox, aber mit jeder neuen Single, die kein Welthit wird, kann Bruno Mars an Kredibilität gewinnen. Für den langfristigen Erfolg wäre das die Grundlage. Bruno Mars: «Unorthodox Jukebox» (Warner). ••••• www... Eine Hörprobe finden Sie auf www.luzernerzeitung.ch/bonus. Der schrei nach liebe etzt geht es wieder los mit der Rückblickerei. Überall und fast an jedem Tag kommt ein Jahresrückblick. Da lässt man noch einmal alle Highlights des Jahres Revue passieren und befragt mehr oder weniger illustre Gäste zu ihren Höhepunkten des Jahres. Viel Platz erhalten auch all die weniger schönen Momente, in denen man das Elend der Welt sieht, gerne unterlegt mit dramatischer Musik und einem anschliessendem Spendenaufruf, damit man das schlechte Gewissen gleich wiedergutmachen kann. 34 Auf der Achterbahn des Pop Ein Blick zurück J Szene ten noch etwas passiert.» Oder, ob man ganz einfach sagen würde: «Das nehmen wir dann in den Jahresrückblick 2013.» Es gibt eigentlich nur einen Vorteil an den frühen Jahresrückblicken: Sind sie endlich durch, startet auf den Sender das Weihnachtsprogramm mit vielen tollen Filmen. [email protected] Marvin Gaye am Vorabend seines 45. Geburtstages von seinem Vater erschossen worden sei. Ein Aprilscherz der übleren Sorte? Leider nicht. Marvin Pentz Gaye jr. war der neben Stevie Wonder erfolgreichste Sänger des Soul Labels «Tamla Motown» mit vierzig US-Top-40-Hits von 1963 bis 1982 wie «I Heard It Through The Grapevine». In einem gläubigen Hause in Washington aufgewachsen, sang er früh im apostolischen Kirchenchor seines Vaters. Zu Beginn seiner Solokarriere waren Duette sehr erfolgreich, etwa mit Bühnenpartnerin Tammi Terrell. Nach grossen Lovesongs wie «Ain’t No Mountain High Enough» (später Welthit von Diana Ross) kollabierte Tammi bei einem gemeinsamen Auftritt. 1970 starb sie nach mehreren Operationen an einem Hirntumor. Ihr Tod warf Marvin aus der Bahn, er flüchtete in Drogen wie Kokain. Ein Jahr später kam er mit Songs wie «What’s Going On» oder «Let’s Get It On» zurück, Titel mit Tiefgang, die Musikgeschichte schrieben. Er selbst versank in Depressionen, scheiterte in zwei Ehen und verbrachte die Tage mit dem Konsum von Pornofilmen. Zwischen dem Priestervater und seinem der «Sünde» verfallenen Sohn entflammte ein Streit. Marvin drohte mit Selbstmord. 1982 kam mit «Sexual Healing» sein letzter Hit. «Come On, Let’s Make Love Tonight» war ein Aufschrei nach Liebe, die ihm fehlte. Dem fatalen Ende ging ein Disput mit den Eltern voraus: Gaye schlug seinen Vater nieder und trat ihn, worauf der eine Waffe holte und schoss. Für den laut «Rolling Stone Magazin» sechstbesten Sänger aller Zeiten gab es keine Heilung mehr. Seine Lieder aber bleiben unsterblich. HINWEIS Der Luzerner Michel Richter (60) ist DJ und auf die grössten Hits ab Original-Vinylplatten spezialisiert. Infos: www.musicmagicians.com Radio Pilatus spielt «Sexual Healing» heute um 14.55 Uhr in der Rubrik «Popkeller».