It`s a women`s thang

Transcrição

It`s a women`s thang
„It's a women's thang.“ Weibliche Rollenmodelle und
Identitätskonzepte im HipHop
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1
2. HipHop & His-Story
4
2.1
HipHop: Begriff und Bedeutung
4
2.2
Entwicklungsgeschichte der HipHop-Kultur
5
2.3
HipHop als Afroamerikanische Kultur (‚oral culture’)
7
2.4
HipHop als ‚glokale’ Kultur
8
3. HipHop & Gender
3.1
3.2
Das Gender-Dilemma im HipHop
11
12
3.1.1 Das Frauen- und Männerbild im HipHop
12
3.1.2 Erklärungsversuche
17
3.1.3 Queer-HipHop
20
Zusammenfassung
4. Her-Story: Ein Stück Geschichte Afroamerikanischer
Weiblichkeit
22
24
4.1
Zur Entstehung von Stereotypen
25
4.2
Mythen, Stereotype und Images der Afroamerikanischen Frau
27
4.3
4.2.1 Mammy/ Aunt Jemima
27
4.2.2 Jezebel/ Bad-Black-Girl
32
4.2.3 Sapphire
37
4.2.4 Tragic Mulatto
40
4.2.5 Weitere Mythen und Stereotype
42
Zusammenfassung
5. Weibliche Rollenmodelle und Identitätskonzepte im HipHop
44
48
i
5.1 Role models im HipHop
49
5.1.1 Queen Mother
52
5.1.2 Sista with Attitude
53
5.1.3 Bitch
55
5.1.4 True School MC
60
5.1.5 Zusammenfassung
61
5.2 Vom Stereotyp zum HipHop-role model:
200 Jahre und doch nur ein kleiner Schritt?
62
5.3 Vorbild oder Abbild? Ein Portrait der HipHop-Gruppe
Yo! Majesty
68
6. Abschlussbetrachtung
72
Literaturverzeichnis
76
Abbildungsverzeichnis
82
Eidesstattliche Erklärung
83
ii
1. Einleitung
“Rumps moving with the alacrity of a jackhammer,
hips gyrating like a belly dancer on amphetamines, limbs akimbo,
mouths agape in a perpetual state of the orgasmic ‘oh’.”1
Das obige Zitat beschreibt genau jene Bilder von Frauen, die einem
begegnen, wenn man sich HipHop-Videoclips auf den Fernsehsendern Viva
oder MTV anschaut. Dass Frauen in solchen Videoclips stets als schmückendes Beiwerk und käufliche Huren ohne eine eigene Persönlichkeit dargestellt
werden, ist schon lange nichts Neues mehr und hat sich, so scheint es, in
den letzten 30 Jahren noch verstärkt. Um das Publikum heute noch provozieren zu können, muss der Rapper einer halbnackten Tänzerin schon seine
Kreditkarte durch die Pospalte ziehen, wie im Videoclip zum Song ‚Tip-Drill’
(2003) von Nelly.
Wenngleich vom Sexismus im HipHop prinzipiell alle Frauen betroffen sind,
sind jene in oben genannten Videos interessanter Weise nahezu immer –
auch in Videoclips Europäischer Rapper – hellhäutigere, ethnisch gemischte
Afroamerikanerinnen. In der Literatur und später auch im Film wurden sie
bereits seit Mitte des 19. Jh. stets als Ideal weiblicher Schönheit dargestellt
und signalisieren, laut Sharpley-Whiting, Professorin für Afroamerikanische
Studien, vor allem in der Amerikanischen und Europäischen männlichen Vorstellung „the perfect blending of skillfulness in matters of sex (read: black)
and physical beauty (read: white).“2 Abgesehen davon, dass, laut dieser
Äußerung, mit der Schwarzen Hautfarbe in der Europäisch-Amerikanischen
Vorstellung meist Hypersexualität und mit einem Weißen Teint vor allem
Schönheit assoziiert wird, impliziert diese Aussage zudem, dass Weiße
Frauen als ‚heilige Schöne’ gefeiert und zu einer asexuellen Madonna stilisiert werden, während Schwarze Frauen eher als unattraktiv gelten, denn der
1
2
Sharpley-Whiting 2007: 27
Ebd.: 28
1
oftmals fülligere Po, die krausen Haare und die dunkle Hautfarbe entsprechen nicht dem westlichen Schönheitsideal.3
Die Ursprünge der Auffassung, dass Afroamerikanerinnen hypersexuell und
ihre dunkle Hautfarbe nicht schön sei, reichen bis zu den Anfängen der
Sklaverei in den Vereinigten Staaten zurück. Während dieser Zeit entstand
nicht nur das Image der verführerischen, willigen ‚Jezebel’, sondern auch
einige andere stereotype Vorstellungen von Schwarzen4 Frauen, wie z.B. die
‚Mammy’ und die ‚Sapphire’. Alle diese Stereotype nahmen wesentlichen
Einfluss sowohl auf die Art wie Afroamerikanerinnen heute noch von westlichen Gesellschaften betrachtet werden, als auch auf die Selbstwahrnehmung dieser Frauen.
Bereits seit der Entstehung der HipHop-Kultur versuchen Afroamerikanische
Rapperinnen immer wieder Rollenmodelle zu entwerfen, die eine selbstbewusste Alternative zu jenen rassistisch-sexistischen Stereotypen darstellen.
Diese Versuche sind durchaus vielfältig und kreativ, werden allerdings von
den Rezipientinnen und Rezipienten sehr unterschiedlich bewertet. So wird
diesen Rapperinnen oftmals vorgeworfen letztlich doch im sexuellen Diskurs
zu verbleiben und damit die Geschichte der Stereotypisierung Afroamerikanischer Frauen fortzuschreiben.
Die zentrale Fragestellung dieser Arbeit lautet somit:
In welchem Ausmaß ist eine Fortführung stereotyper Vorstellungen von
Afroamerikanerinnen in weiblichen ‚role models’ der HipHop-Kultur heute
noch erkennbar und damit zumindest teilweise verantwortlich für den sehr
vordergründig präsentierten Sexismus an Frauen innerhalb dieser Musikkultur?
Die vorliegende Arbeit versucht sich in drei Abschnitten einer Beantwortung
dieser Fragen zu nähern. Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit der
Problemstellung dieser Arbeit, die zunächst eine Einführung in die HipHopKultur als ‚Ort des Geschehens’ (Kapitel 2) beinhaltet, um anschließend
differenzierter auf die Problematik des Sexismus im HipHop einzugehen.
3
vgl. Sharpley-Whiting (2007), Rose (1994), hooks (1981) u.a.
Die Worte ‚Schwarz’ bzw. ‚Weiß’, die ich im Folgenden als Synonyme für die
4
Bezeichnungen ‚Afroamerikanisch’ bzw. ‚US-Amerikanisch’ und ‚Europäisch’ gebrauche,
schreibe ich mit großen Anfangsbuchstaben, da sie ethnische Gruppen bezeichnen und
diese im Allgemeinen groß geschrieben werden.
4
2
Dabei wird zum einen die Geschlechterkonstruktion im HipHop dargelegt,
wobei der Schwerpunkt auf der Beschreibung des Frauenbilds liegt (Kapitel
3.2.1). In diesem Zusammenhang wird auch die Frage diskutiert, ob HipHop
tatsächlich sexistischer ist als andere Popkulturen, um anschließend nach
möglichen Erklärungen für den Sexismus innerhalb dieser Musikkultur zu
suchen (Kapitel 3.2.2). Zum anderen wird in einem weiteren Unterkapitel die
homosexuelle Szene der HipHop-Kultur in Augenschein genommen, die
ebenfalls mit Sexismus und Diskriminierung zu kämpfen hat und daher mit
einer ähnlichen Problematik konfrontiert ist wie Afroamerikanische Rapperinnen (Kapitel 3.2.3).
Der zweite Abschnitt dieser Arbeit widmet sich einer ausführlichen
Beschreibung der am meisten verbreiteten und bekanntesten Mythen,
Stereotype und Images Afroamerikanischer Frauen (Kapitel 4). Eine
detaillierte Darstellung dieser Stereotype ist notwendig, um die sozioökonomischen Umstände ihrer Entstehung und Entwicklung und ihre Einflussnahme auf die Außen- und Innensicht dieser Frauen verdeutlichen zu
können.
Um jene Stereotype in Bezug zu den weiblichen Rollenmodellen und
Identitätskonzeptionen der HipHop-Kultur setzen zu können, ist es vorerst
notwendig in einem dritten Abschnitt ebendiese Rollenmodelle (‚role models’)
zur erörtern und zu systematisieren (Kapitel 5.1). Anschließend werden die
weiblichen Rollenmodelle auf ihre Fortführung stereotyper Darstellungen
Afroamerikanischer Frauen überprüft, indem Zusammenhänge und Divergenzen erarbeitet werden. Im letzten Unterkapitel wird die weibliche HipHopGruppe Yo! Majesty vorgestellt, die anderen Rapperinnen und ihren
Rezipientinnen und Rezipienten möglicherweise ein modernes, fortschrittliches Identitätskonzept innerhalb der HipHop-Kultur anbietet, das eine
selbstbestimmte und selbstbewusste Weiblichkeit außerhalb diffamierender
Stereotype beinhaltet und sich gleichzeitig gut vermarkten lässt.
3
2. HipHop & His-Story
2.1 HipHop: Begriff und Bedeutung
Über die Entstehung des Begriffs ‚HipHop’ wird viel diskutiert. So behauptet
der Autor Brian Dorsey, dass dieser Begriff auf Party-DJs zurückzuführen ist,
die ‚hype music’ oder ‚hip music’ bei Tanzveranstaltungen (‚hop’) spielten.5
Andere Stimmen meinen, dass der Ursprung des Begriffs auf den USAmerikanischen HipHop-DJ Lovebug Starsky oder seinen ehemaligen
Partner DJ Hollywood zurückgeht, die in ihre Songs Nonsense-Phrasen wie
‚hip to da hop’ o.ä. eingebaut haben. Diese Silben haben wohl so gut zum
Beat der Old School gepasst, dass sie sich kurzer Hand als Begriff für die
gesamte Musikkultur etabliert haben.6
Der Oberbegriff HipHop beinhaltet ursprünglich vier kulturelle Elemente oder
Bestandteile: ‚DJing’, ‚Mcing’ (Rap), ‚B-Boying/ B-Girling’ (Breakdance) und
‚Writing’ (Graffiti). Die ursprünglich klare Ausdifferenzierung in vier Disziplinen existiert in dieser Form heutzutage nicht mehr. Vielmehr ist dieses
Musikgenre auf Grund der Kommerzialisierung der Kultur und durch
veränderte soziale, technische und kulturelle Rahmenbedingungen einem
ständigen Wandel und dauernder Fluktuation unterworfen. So werden heute
auch ‚Human-Beatboxing’, ‚Street fashion’, ‚Producing’7 u.v.a.m. als HipHopElemente bezeichnet. Gleichzeitig steht mittlerweile jede einzelne Disziplin
mehr für sich und hält Einzug in andere Popkulturen, und umgekehrt wird
auch der HipHop von verschiedenen Popmusikkulturen beeinflusst. „So fühlt
5
vgl. Dorsey 2000: 327
vgl. Wikipedia – die freie Enzyklopädie 2010 (online verfügbar unter:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hip-Hop)
7
‚Human Beatboxing’ bezeichnet eine Art ‚vocal percussion’, bei der mit Mund, Lippen,
Zunge und Stimme Beats, Rhythmen und Sounds produziert werden.
‚Street fashion’, auch ‚urban fashion’ oder ‚HipHop-Mode’, wird die für HipHop typische
Kleidung, bestehend aus weiten, tiefhängenden Hosen (Baggy Pants), Übergrößen, weißen
Turnschuhen und Accessoires (z.B. Ketten und funkelnde Ohrstecker), genannt.
‚Producing’ meint die Produktion von HipHop-Musik. Die beiden Hauptelemente des
‚Producing’ sind der ‚Drum Beat’ und das ‚Sampling’ (Mischen von Sounds). Zum Equipment
eines ‚Producers’ gehören u.a. Synthesizer und so genannte ‚Digital audio workstations’
(DAW).
6
4
sich zum Beispiel nicht jeder Graffiti-Sprayer HipHop zugehörig und für viele
Breakdancer ist HipHop nur ein Teil ihres Backgrounds.“8
2.2 Entwicklungsgeschichte der HipHop-Kultur
HipHop, dessen musikalische Wurzeln vor allem im Funk und Soul der
1960er, aber auch Discomusik der 1970er Jahre liegen, entstand Anfang der
1970er Jahre aus einer urbanen Straßenkultur, die sich vor allem in
Großstadtghettos der USA entwickelt hatte. Grund für die Entstehung dieser
Großstadtghettos war vor allem der soziale und ökonomische Niedergang
US-amerikanischer Innenstädte. Innerhalb weniger Jahre brach die Infrastruktur in einigen dieser Städte fast komplett zusammen, wobei am
Schlimmsten die Stadtteile Harlem und South Bronx in New York betroffen
waren. Die Kriminalitätsrate stieg dort enorm an, der Drogenhandel begann
zu blühen und immer mehr Gangs übernahmen vermehrt die Oberhand. Vor
allem junge Menschen ethnischer Minderheiten, in den USA in erster Linie
‚Blacks’ und ‚Hispanics’, waren von der Krise der postindustriellen Gesellschaft betroffen.9
In dieser Isolation entwickelten sich mit der Zeit eigene kulturelle
Organisationen, so genannte ‚Block Parties’, die in alten Fabrikgebäuden, auf
Parkplätzen oder unter freiem Himmel in den Parks und Straßen der Bronx
stattfanden. Immigranten aus der Karibik (‚Hispanics’), die in den 1970er
Jahren ca. ein Fünftel der Bronx-Bewohner ausmachten, brachten die so
genannte Idee der ‚Soundsystems’ – eine Art mobile Diskotheken – aus ihrer
Heimat mit, die zum Fundament der spontan organisierten Block Parties
wurden. DJs fingen an, ihre Platten manuell zu bewegen und mit Hilfe
mehrerer Plattenspieler verschiedene Sounds ineinander zu mixen, wodurch
sie die Musik verfremdeten und die instrumentalen Phasen der Stücke
verlängerten. Diese Techniken provozierten einen bestimmten Tanzstil, der
gekennzeichnet ist „durch den permanenten Wechsel von simultanen und
sukzessiven Bewegungen“10: den Breakdance. Gleichzeitig entwickelten sich
8
Orasch 2005: 19
vgl. Klein/Friedrich 2003: 56
10
Ebd.: 15
9
5
die MCs (Master of Ceremony), welche die Tänzer über Sprecheinlagen zum
Weitermachen motivierten, zu Rappern, die selbstgereimte Verse rhythmisch
vortrugen. Etwa zur gleichen Zeit entstand ebenfalls in New York die
Bildtechnik des Graffiti. Aus anfänglichen Namenszeichen, sogenannten
‚tags’, entfalteten sich mit der Zeit dreidimensional gestaltete Schriftzüge und
Bilder, auch ‚pieces’ genannt. Im Laufe der Jahre wurden die Block Parties
zu Wettbewerben zwischen einzelnen Personen oder Gangs ausgebaut.
Mitte der 1980er Jahre entstanden dann auch HipHop-Szenen außerhalb
New Yorks und entwickelten dort einen eigenen Style, der politischer war und
u.a. das Leben in den Amerikanischen Ghettos schilderte. Beispielhaft für
diesen neuen Style ist die Platte ‚It Takes A Nation Of Millions To Hold Us
Back’ (1988), mit der die Rap-Band ‚Public Enemy’ ein neues Subgenre, den
politischen ‚Conscious Rap’ einleitete und einen drastischen Schlussstrich
unter die bisherige Definition von HipHop zog: die ‚Old School’ wurde
abgelöst von der so genannten ‚New School’. Gleichzeitig entstand an der
Westküste in Los Angeles der ‚Gangsta-Rap’. Seine Themen sind vor allem
Kriminalität, Drogen und Sex, wobei die überwiegend männlichen Rapper
teilweise
ausgesprochen
frauenfeindliche,
sexistische
und
gewaltver-
herrlichende Texte vortrugen.
Ab den 1990er Jahren wurde der völlig neue Sound der Westcoast (New
School) zunehmend populärer und übernahm bald die Führung gegenüber
der Eastcoast (Old School). Dies führte zu Auseinandersetzungen zwischen
Ost- und Westküste bzw. New- und Old-Schoolern, die durch den
kommerziellen Aufstieg des HipHop in den 1990er Jahren noch verstärkt
wurden. Den neuen Sound der so genannten ‚Next School’ zeichneten
komplexere Beats aus, sowie Einflüsse von Musikstilen wie Reggae,
Dancehall, aber auch Old-School-HipHop und Elektro-Funk der 1980er
Jahre. Zudem wuchsen die Musikstile R&B, Soul und HipHop weiter
zusammen und auch der Gangsta-Rap verbreitete sich zunehmend.
6
2.3 HipHop als Afroamerikanische Kultur (‘oral culture’)
Hip-Hop-Musik greift auf viele traditionelle musikalische und kulturelle
Praktiken zurück. So hat beispielsweise das ‚Rapping’ als dominierendes
Element innerhalb der HipHop-Kultur seine Wurzeln im Sprechgesang von
Westafrikanischen Wanderern und Geschichtenerzählern, so genannten
‚Griots’. Sie bedienten sich bereits der ‚Call-and-Response-Methode’, die ein
wichtiges stilistisches Mittel im Rapping darstellt und die Interaktion zwischen
Vortragendem und Publikum meint. Mit der Verschleppung von Afrikanern
nach Amerika setzte sich diese Tradition bis heute fort. Damit ist HipHop ist
eine so genannte ‚oral culture‘, also eine Kultur, deren Geschichte nicht
schriftlich festgehalten und damit für die Nachwelt konserviert wurde – wie
das in den sogenannten ‚literate cultures‘ der Fall ist – sondern in Form von
Tanz, Musik oder Gesang mündlich überliefert wurde.11 Auf Grund dessen,
dass gesprochene Worte flüchtig und zeitgebunden sind und nur von den
gerade anwesenden Personen aufgenommen werden können, müssen im
Augenblick des Sprechens kleinste Stimmungen wahrgenommen werden.
Andernfalls gingen sie durch ihre Unmittelbarkeit verloren. Daher sind das
auditive Wahrnehmungsvermögen und Fähigkeiten der verbalen und
stimmlichen Artikulation in ‚oral cultures’ viel stärker ausgeprägt, als in
‚literate cultures’.
Aus der Kommunikationstechnik des ‚Call-and-Response’ entwickelte sich
schließlich die Stilform des ‚verbal duelling‘, bei der es sich um „(…)
ritualisierte, symbolische Sprachwettkämpfe [handelt], die die Möglichkeit
bieten,
Konfliktpotentiale
aus
dem
Alltagsdiskurs
auszugliedern
und
kooperativ auszuagieren“12.
Techniken verbaler Manipulation, wie Rappin', Shuckin' und Whuppin', und
Formen verbaler Herausforderung, wie Signifyin', Toastin' und Playin' the
dozens, sind sprachliche Mittel, die vornehmlich mit der Feststellung von
sozialen Rollen bzw. sozialem Status zu tun haben.13
Das vielleicht wichtigste Stilmittel bei einem verbalen Duell ist das so
genannte ‚boasting’ (engl.: to boast = angeben, prahlen). Beim Boasting
11
vgl. Sidran 1983: 21-46
Sokol, in: Aschenberg/Wilhelm 2003: 208f.
13
Buß, in: Rösing 1996: 36
12
7
behauptet der Rapper „der beste Rapper und Entertainer der Welt zu sein,
die besten Texte zu haben und den besten DJ, die schönsten Frauen zu
kennen, am besten auszusehen, den meisten Spaß zu haben und auch
sonst allen MCs für alle Zeiten überlegen zu sein.“14 Dabei geht es dem
Rapper zum einen um Aufmerksamkeit und Selbstdarstellung, zum anderen
ist es durch gutes Boasting möglich sich Respekt innerhalb der Gruppe zu
verschaffen. Bei einer weiteren rhetorischen Raptechnik, dem ‚dissen’ (engl.:
to disrespect = schmähen, beleidigen), wird der Kontrahent bzw. die
Kontrahentin oder dessen wichtige Respekts- oder Bezugspersonen beleidigt
oder schlecht über sie geredet.
Oftmals führen diese oralen Traditionen zu Missverständnissen in der ‚NichtHipHop-Bevölkerung’, denn in der US-amerikanischen, wie auch in weiten
Teilen der Europäischen Kultur, gelten vor allem Bescheidenheit und
Zurückhaltung als erstrebenswerte Persönlichkeitsmerkmale. Prahlerei und
Angeberei hingegen wirken eher unsympathisch und werden bestenfalls als
stark ausgeprägtes Selbstbewusstsein bewertet. Doch sprachliche Kompetenz war in der afroamerikanischen Geschichte ein wichtiges Mittel, um sich
gegen Unterdrückung zu wehren, wodurch sich eine eigene Sprache
innerhalb des Englischen entwickelte15: „Wem weder die historische Dimension verbaler Rituale noch ihre tiefe Verwurzelung in der schwarzen
Alltagskultur geläufig ist, dem fällt es schwer, ausgiebig ausgeschmücktes
Angeben und Prahlen als eine Form oraler Kunst anzusehen.“16
2.4 HipHop als ‚glokale’ Kultur
Wie alle Popkulturen ist auch HipHop eine globalisierte Kultur; d.h. sie hat
zwar ihren Entstehungshintergrund in bestimmten Städten, weitet sich dann
jedoch regional und national aus und scheint heutzutage kaum noch an
spezifische Orte gebunden zu sein.17 Allerdings unterscheidet sich die
HipHop-Kultur diesbezüglich von anderen Popkulturen insofern, dass sich
durch ihre Globalisierung wieder eigenständige lokale HipHop-Kulturen
14
Klein/Friedrich 2003: 39
vgl. Grimm 1998: 97
16
Perkins, in: Perkins 1996: 5
17
vgl. Klein/Friedrich 2003: 85
15
8
herausbilden, die in eigenen spezifischen urbanen Räumen entstehen, und
innerhalb derer jeweils eigene Slangs und Stile kreiert werden.
Kulturelle Globalisierung bewirkt also nicht nur die Loslösung kultureller
Praktiken von lokalen Orten. Vielmehr befördern Medien- und
Kulturindustrien die Zirkulation von Produkten, Bildern und Symbolen und
werden damit auch zum Anlaß für die Bildung neuer lokaler kultureller
Praxisformen, mittels derer die global zirkulierenden Produkte in den kulturell
disparaten Ausdrucks- und Lebensformen verankert werden.18
Die weltweite Verbreitung des HipHop erfolgt vor allem über die Medien.
Während der Amerikanische Soziologe George Ritzer die Meinung vertritt,
dass diese mediale Globalisierung eine ‚Verwestlichung’ und Standardisierung der gesamten Popkultur zur Folge habe und dadurch automatisch
lokale kulturelle Traditionen zerstört würden, behaupten Vertreter der so
genannten ‚Cultural Studies’ wie z.B. Hebdige, Chambers, Willis und Fiske,
dass Kultur, abhängig von den örtlichen Rahmenbedingungen, lokal
unterschiedlich angeeignet und rezipiert wird. So müssten bereits regionale
Varianten eines globalen Medieninhalts als Differenzierung und nicht als
Homogenisierung betrachtet und bewertet werden.19 Auch Klein/Friedrich
vertreten diese Ansicht und gehen sogar noch einen Schritt weiter, wenn sie
behaupten, dass sich Globales und Lokales in einem dynamischen
Wechselspiel gegenseitig ständig beeinflusst:
Popkulturelle Stile werden an bestimmten Orten und in kulturellen Räumen
entwickelt, als kulturindustrielle Ware global verbreitet, in verschiedenen
Gegenden der Welt angeeignet. An diesen Orten bilden sich wiederum
lokale Stile heraus, die auf die globale Produktion zurückwirken.20
In der Tatsache, dass in vielen Ländern nicht in der Popsprache Englisch,
sondern in der eigenen Landessprache gerappt oder Salsa mit House-Musik
vermischt wird, sehen Klein/Friedrich einen Beleg dafür, dass HipHop eine
hybride Kultur ist und kein ‚popkultureller Einheitsbrei’. „Popkultur ist nicht
singulär, sondern pluralistisch, nicht homogen, sondern different.“21 Hingegen halten sie die Behauptung, lokale Neukreationen würden durch die
Kulturindustrien vereinnahmt, für eine eindimensionale Betrachtungsweise.
Bestärkt werden sie in ihrer Ansicht von Ronald Robertson, der den Begriff
18
Ebd.: 85
vgl. ebd.: 87
20
Ebd.: 88
21
Ebd.: 89
19
9
der ‚Glokalisierung’ in die Kulturwissenschaften eingeführt hat und damit
genau jene Wechselwirkung zwischen Globalität und Lokalität beschreibt.
Neben den bereits beschriebenen Begriffen Hybridität und Glokalität sind
auch Wertkonservatismus, Leistungsorientierung und männliche Dominanz
zentrale Aspekte der HipHop-Kultur.22 Hierin zeigt sich eine gewisse
Widersprüchlichkeit im HipHop:
Diese besteht darin, dass er sich durch seine diversen Ausdrucks- und
Kunstformen einerseits zwar deutlich von den ästhetischen Normen des
Mainstream abzusetzen versucht, andererseits aber auch gesellschaftlich
anerkannten konservativen Werten wie Familiensinn, Ehrgeiz oder
23
Authentizität eine große Bedeutung beimisst.
Eine genauere Bearbeitung des Aspekts des Wertkonservatismus, zu dem
orale Kulturen generell neigen24, ist dem nächsten Kapitel vorbehalten, wobei
vor allem die Haltung der HipHop-Szene gegenüber Geschlechterrollen im
Fokus stehen wird.
22
vgl. ebd.: 10f.
Leibnitz, in: Bock et.al. 2007: 168
24
vgl. Kage 2002: 142 (siehe auch: Ong, Walter J. (1987): Oralität und Literalität: die
Technologisierung des Wortes. Opladen: VS Verlag für Sozialwissenschaften.)
23
10
3. HipHop & Gender
„Damn, I birth you, I raise you,
and I break my back to feed you all your life
– which I am sure every single one of these rappers' mothers did –
'and then this is the thanks I get?”'25
Im Folgenden soll mit Hilfe der Kategorie ‚Gender’ auf die sozialen
Geschlechterbeziehungen im HipHop und ihre kulturellen Repräsentationen
eingegangen werden. Obwohl HipHop für sich den Anspruch erhebt mit
gesellschaftlichen Mustern zu brechen, fügt er sich in seinem Umgang mit
Geschlechterkonstruktionen in traditionelle Darstellungen von Gender ein.
Dieser Wertkonservatismus zeigt sich dabei nicht nur in Form von Sexismus
gegenüber Frauen, sondern bezieht sich auch auf homo- und transsexuelle
Orientierungen sowie ein starres Männerbild.
Dabei werden Homophobie und Sexismus im HipHop sowohl von Rappern
als auch von der Musikpresse oftmals als integraler Bestandteil der HipHopKultur dargestellt. Die Provokation und der Bruch mit konventionellen
Umgangsformen seien eben stilistische Mittel, die aus dem HipHop nicht
wegzudenken wären. Eigentlich seien die Beschimpfungen und Herabsetzungen aber nicht ernst gemeint.26 Autor und HipHop-Performer Tim Stüttgen
(2007) weist allerdings darauf hin, dass die ständige Wiederholung von
Schimpfworten mit der Zeit zu Ausschluss führt: „Worte produzieren
Wirklichkeit, ob ‚die Hure’ oder ‚der Ausländer’, ‚der Jude’ oder ‚der
Nigger’.“27
Um die Gender-Problematik im HipHop differenzierter betrachten zu können,
werden im folgenden Kapitel die Aspekte des Sexismus an Frauen sowie die
homophobe Haltung der HipHop-Kultur genauer betrachtet.
25
Rose 2004: 45
vgl. Stüttgen, in: Schischmanjan/Wünsch 2007: 134f.
27
Ebd.: 135
26
11
3.1
Das Gender-Dilemma im HipHop28
3.1.1 Das Frauen- und Männerbild im HipHop
Grundsätzlich herrscht im HipHop ein Frauenbild vor, das tradierten
Rollenvorstellungen der westlichen, und teilweise auch der Afrikanischen
Kultur, entspricht und die Frau überwiegend auf ihre Körperlichkeit und
Reproduktionsfähigkeit reduziert. Am Offensichtlichsten springt einem dieses
Frauenbild im HipHop wohl in Form von Videoclips auf VIVA oder MTV ins
Gesicht. Im Mittelpunkt dieser Videos steht meist ein (korpulenter) Rapper,
an dessen Seite sich halbnackte, superschlanke Frauen als ‚schmückendes
Beiwerk’ inszenieren. Der Fokus liegt dabei vor allem auf den Hinterteilen
Schwarzer Frauen, die meist nur dürftig bekleidet sind und sich kreisend vor
der Kamera bewegen.29 Frauen dienen in solchen Videos als Statussymbol
für die Potenz und den Erfolg des Rappers und werden dazu auf ihre
Sexualität und ihr Äußeres reduziert, wodurch ihnen der Raum für die
Artikulation von Persönlichkeit und Individualität genommen wird.30 Sie
fungieren lediglich als Statisten, die in einer Reihe mit ‚dicken’ Autos,
Designer-Klamotten und Goldkettchen stehen.
Sexismus geschieht aber auch dort, wo Rapperinnen eine bestimmte
Kleiderordnung aufgezwungen wird, die ihnen ebenfalls die Rolle der
Verführerin aufdrückt. Die deutsche Rapperin Nina MC z.B. erinnert sich
daran, dass sie dem Stilisten zum Video von ‚Bon Vayage’ nur schwer
klarmachen konnte, dass sie nicht aussehen wollte wie eine ‚halbe Lil’ Kim’.
28
Der Begriff ‚Gender’ bezeichnet das sozial-kulturelle Geschlecht gegenüber dem
biologischen Geschlecht (‚sex’). Während das biologische Geschlecht festgeschrieben ist,
werden Geschlechterrollen (‚Gender roles’) je nach Kultur und Milieu auf verschiedene Art
und Weise konstruiert. Gender bezeichnet also alles, was in einer Kultur als typisch für ein
bestimmtes Geschlecht angesehen wird (z.B. Kleidung, Beruf etc.).
Gender bezeichnet aber auch die Geschlechtsidentität (‚Gender identity), die das Wissen
und Bewusstsein um Angehörigkeit zu einem Geschlecht meint. Seit den 1970er Jahren ist
der Begriff Gender auch auf symbolischer Ebene im Sinne kultureller Ideale und Stereotype
von Männlichkeit und Weiblichkeit, sowie auf struktureller Ebene in Bezug auf institutionelle
und organisatorische Arbeitsteilung zu verstehen (vgl. Marshall, in: Scott/Marshall 2009:
276f. (auch online verfügbar unter: http://www.encyclopedia.com/doc/1O88-Gender.html)
29
vgl. Rose 1994: 169
30
vgl. Perry, in: Dines/Humez 2003: 137
12
Zwar durfte sie nachher einen Overall tragen, allerdings hatte auch dieser
immer noch einen sehr tiefen Ausschnitt.31
Dieser bildhafte Sexismus wird zudem meist von ‚passenden’ (Gangsta)Raptexten unterstützt, in denen Frauen oft als ‚bitch’ (Schlampe bzw.
Hündin), ‚ho’ (Hure) oder ‚slut’ (Flittchen) bezeichnet werden, z.B. in Texten
wie ‚Six-foot Blow Job Machine’ von Akinelye oder ‚Me so Horny’ von 2 Live
Crew. Auch andere Bezeichnungen von Frauen wie z.B. ‚baby’, ‚shorty’ und
‚girl’ implizieren Kindlichkeit und damit Unselbständigkeit und Naivität.
Auch im Polit-Rap findet oftmals Sexismus an Frauen statt, wenngleich in
anderer Form als im Gangsta-Rap. Während im Letzeren Frauen fast
durchweg schlecht gemacht werden und kaum idealistische Repräsentationen existieren, werden sie im Polit-Rap übermäßig verehrt und auf ein
Podest gestellt.32 Dies zeigt sich z.B. an Bezeichnungen von Frauen als
‚qeen’, ‚lady’, ‚sister’ und ‚momma’. Schwarze Frauen werden hier nicht als
sexuelle Verführerinnen dargestellt, sondern als (asexuelle) Heilige, ‚Queens’
oder ‚Queen Mothers’, die durch „Loyalität, Genügsamkeit und Hingabe
charakterisiert [sind].“33 Die uralten Stereotype der Frau als Heilige und Hure,
die ihren Ursprung in der christlichen Mythologie haben und tief in der
westlichen Kultur verwurzelt sind, scheinen sich somit im HipHop
fortzusetzen.34
Auf einer anderen Ebene des verbalen Sexismus werden Leistungen und
Einflüsse von Frauen ignoriert. So behauptet beispielsweise der HipHopKritiker Nelson George: „In den über zwanzig Jahren, in denen es HipHop
auf Platte und CD zu kaufen gibt, (...) gab es nicht eine Frau, die entscheidend in die Entwicklung des Rap eingegriffen hätte.“35 Obwohl er ein paar
Sätze später einräumt, dass Musikerinnen wie Sugarhill, Sha-Rock und
31
vgl. Winkler 2001 (online verfügbar unter:
http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2001/06/01/a0136)
32
vgl. Allen, in: Perkins 1996: 169 (auch online verfügbar unter:
http://www.umass.edu/afroam/downloads/allen.making.pdf)
33
Leibnitz, in: Bock et.al. 2007: 168
34
Die Kulturwissenschaftlerin Kimiko Leibnitz erklärt, dass die christliche Religion in der
Konstellation der Dreifaltigkeit (Vater, Sohn, heiliger Geist) kein weibliches Wesen vorsieht,
was bereits eine untergeordnete Rolle der Frau impliziert (im Gegensatz z.B. zur Mythologie
Griechenlands oder Altägyptens). Die wichtigste Frauengestalt im Christentum ist die
Jungfrau Maria, die entsexualisiert wurde, indem sie das Objekt einer idealisierten
Vorstellung ist, in der Fortpflanzung ohne Körperlichkeit und Sexualität möglich ist. Als
Gegenentwurf hierzu findet sich in der Bibel auch die Hure in Form der Maria Magdalena
(vgl. Leibnitz, in: Bock et.al. 2007: 158f.).
35
George 2002: 239
13
Missy Elliott durchaus Spuren hinterlassen haben, ist er der Ansicht, dass
„selbst wenn es von all diesen Musikerinnen nicht eine Platte gäbe, die
Geschichte des HipHop keine Spur anders verlaufen wäre.“36
An dieser Stelle muss die Darstellung des HipHop als per se sexistisches
Musikgenre etwas differenziert werden. Denn eine sexistische Haltung ist
bereits in der Struktur von HipHop, wie auch in allen anderen Rock- und
Popkulturen, angelegt. So wurde in der Kulturgeschichte der Mainstream,
also z.B. ‚seichte’ Popmusik, oft als ‚weiblich’ klassifiziert und alle modernen,
fortschrittlichen, progressiven Musikströmungen mit dem ‚männlichen’ Prinzip
gleichgesetzt.37
Zudem ist die Dominanz des Männlichen im HipHop nicht außergewöhnlich,
insofern als auch in fast allen anderen Genres der Populärmusik quantitativ
die Männer überwiegen, während Künstlerinnen oft lediglich als Imitation der
männlichen Version gesehen werden. Nichtsdestotrotz vertreten bspw.
Johnnetta Cole und Beverly Guy-Sheftall die Ansicht, dass HipHop frauenfeindlicher sei, als andere Musikgenres: “We are concerned because we
believe that hip-hop is more misogynist and disrespectful of Black girls and
women than other popular music genres.”38
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Sexismus als langer Arm des
Patriarchats eine Form der Diskriminierung ist, die schon vor der Entstehung
des HipHop in der Amerikanischen Gesellschaft existierte. Der Aktivist und
Journalist Kevin Powell erläutert hierzu:
(...)it is wrong to categorically dismiss hip-hop without taking into serious
consideration the socioeconomic conditions (and the many record labels that
eagerly exploit and benefit from the ignorance of many of these young
artists) that have led to the current state of affairs. Or, to paraphrase the late
Tupac Shakur, we were given this world, we did not make it.39
Neal hingegen nimmt den HipHop auch in Verantwortung, indem er auf seine
starke Anziehungskraft auf Jugendliche hinweist, mittels derer sich Sexismus
und Misogynie im HipHop ungehindert und unkritisch verbreiten und
36
George 2002: 239. Völker und Menrath widerlegen diese These und verweisen auf einige
weibliche Größen der HipHop-Kultur wie Sylvia Robinson, die den ersten kommerziell
erfolgreichen Rap-Hit ‚Rappers Delight’ produzierte, die Rapperin Roxanne Shanté, welche
die Kultur des Battelns auf Vinyl etablierte und damit den HipHop entscheidend beeinflusst
hat und Missy Elliott, die den Einsatz von elektronischen Sounds im HipHop veränderte
(Völker/Menrath, in: Schischmanjan/Wünsch 2007: 23f.).
37
vgl. Grimm 1998: 43
38
Cole/Guy-Sheftall 2003: 186
39
Powell, in: Paniccioli/Powell 2002: X (Introduction)
14
verfestigen können.40 Auch Cole und Guy-Sheftall bestätigen ihn hierin,
wenn sie konstatieren: „The casual references to rape and other forms of
violence and the soft-porn visuals and messages of many rap music videos
are seared into the consciousness of young Black boys and girls at an early
age.”41
Des Weiteren muss darauf hingewiesen werden, dass vor allem der stark
kommerzialisierte Teil der HipHop-Szene, sprich v.a. der Gangsta-Rap, und
Message- oder Polit-Rap, Sexismus praktizieren. Doch wie bereits
beschrieben, besteht HipHop heutzutage aus vielen verschiedenen Subgenres (Spaß-Rap, Polit-Rap, Conscious-Rap u.v.a.m.), die alle andere
Schwerpunkte bzgl. ihrer textlichen Inhalte und Ausdrucksformen setzen.
„Die Szene ist viel zu groß, als dass man sagen könnte, sie sei prinzipiell
sexistisch“.42 So existieren durchaus auch Raps von Männern, die sich für
Frauen aussprechen (z.B. ‚Millie pulled a pistol on Santa’ von De La Soul)
oder Raps von Frauen, die patriarchale Familienstrukturen unterstützen oder
„unreflektiert homophobes Vokabular in ihre raps einbringen“.43
Bei aller Kritik am HipHop und dem Sexismus, den er praktiziert, ist nicht zu
verleugnen, dass auch die Frauen, die sich sexistisch darstellen lassen, eine
wesentliche Mitschuld trifft. So machen sich z.B. Rap-Video-Darstellerinnen
zu willigen Teilnehmerinnen an ihrer eigenen Ausbeutung. Rose erklärt, dass
die Teilnahme an solchen Videos eng mit dem ‚rock/sports/film groupie
phenomenon’ zusammenhängt, bei welchem vor allem weiblichen Fans eine
vorübergehende Star-Aura zuteil wird, indem sie Sex mit reichen und
bekannten Personen nachstellen. Laut Rose spricht dies für ein profundes
Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Beachtung. Viele Frauen glauben
zudem, dass derartige ‚Filmrollen’ ein Sprungbrett für eine eigene Karriere
sein oder ihnen sonst irgendwie zu finanzieller Unabhängigkeit verhelfen
können. Hinter alldem stecke letztendlich die Hoffnung glücklich zu werden,
so Rose.44
Zudem gibt es sicherlich auch heute noch viele Frauen (Weiße und
Schwarze), die sich des Sexismus an ihnen und ihres Rechts auf eine
40
vgl. Neal, in: Neal/Forman 2004: 247
Cole/Guy-Sheftall 2003: 186
42
Winkler 2001 (online verfügbar unter:
http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2001/06/01/a0136)
43
Glowania/Heil, in: Karrer/Kerkhoff 1996: 102. Vgl. auch: Rose 1994: 149f.
44
vgl. Rose 1994: 169
41
15
selbstbestimmte Sexualität gar nicht bewusst sind. Wie fremd z.B. vielen
Afroamerikanischen Frauen ihre eigene Sexualität – auf Grund jahrelanger
Diskriminierung in Form von Sexismus und Rassismus – noch Anfang des
20. Jh. war, beschreibt die Autorin Alice Walker anschaulich in ihrem Roman
‚The colour purple’ (‚Die Farbe lila’). Für viele Afroamerkanerinnen ist daher
auch heute noch Rassismus (und nicht Sexismus) das primäre ‚Übel’, das
bekämpft werden muss.45
Dieser Umstand spiegelt sich auch innerhalb der Rapszene wider. Außer
einigen Rapperinnen, welche die Repräsentationen von Frauen im HipHop
kritisieren, spielen Gender und Sexismus hier – im Gegensatz zur
akademischen Auseinandersetzung mit Gender im Rap – eine sekundäre
Rolle.46 Vielmehr stehen der Widerstand und die Rebellion gegen Rassismus
zur Debatte, die innerhalb der Rapszene als männliche Domäne und Teil der
männlichen Identität betrachtet werden.
Diese Konnotierung des Widerstands als 'männlich' verknüpft sich mit den
beschriebenen konservativen Tendenzen und dem Versuch, auch aus der
Marginalisierung heraus die heterosexuelle männliche Position zu stärken.47
Antirassismus und Sexismus (oder auch Homophobie) widersprechen sich
somit nicht unbedingt: „[D]ie Geschlossenheit als Gruppe [führt] dazu, daß
die Gender-Struktur nicht hinterfragt wird, um eine Fragmentierung der
Interessen zu vermeiden.“48
In vielen Rap Kulturen wird dementsprechend ein relativ starres männliches
Rapper-Bild konstruiert, das als Prototyp fungiert und dabei wenig
Alternativen zulässt. Dies lässt sich vor allem im nationalistischen und
islamistischen HipHop beobachten, der den Mann als Zentrum der Schwarzen ‚community’ begreift. Auch im Polit- und im Gangsta-Rap findet
Konstruktion von Männlichkeit hauptsächlich über die Figur des so
genannten ‚bad nigger’ statt – im Polit-Rap zusätzlich über die Figur des
‚teacher’ (Lehrer). Der Charakter eines ‚Rapper-Prototyps’ wird als „unbeugsam und stolz“49 oder auch als „cool, kollegial, relaxt, leistungsorientiert,
diffus politisch, auf Authentizität bedacht, echt"50 beschrieben. Laut Grimm
45
vgl. hooks 1981: 1ff.
vgl. Grimm 1998: 124
47
Ebd.: 37f.
48
Ebd.: 125
49
Kage 2002: 142
50
Klein/Friedrich 2003: 195
46
16
gibt es im HipHop, ähnlich wie für Rapperinnen, kaum Alternativen für die
Konstruktion von Männlichkeit.51
Der folgende Abschnitt sucht nun nach Erklärungen für den stark
ausgeprägten Sexismus an Frauen und für das ‚harte’ Männerbild im
HipHop. Dabei wird sowohl auf die Positionen männlicher und weiblicher
AfroamerikanerInnen innerhalb der amerikanischen Gesellschaft und der
‚black community’, als auch auf das Beziehungsverhältnis zwischen Schwarzen Männern und Frauen eingegangen.
3.1.2 Erklärungsversuche
Völker und Menrath (2007) führen das Gender-Dilemma des HipHop auf die
Afroamerikanische Geschichte zurück, die sich seit Beginn der Sklaverei mit
den dualistischen Machtprinzipien der Unterdrückung und Befreiung auseinandersetzen musste. Diesen ‚ewigen’ Kreislauf haben unterdrückte
Minderheiten wie z.B. Frauen und/oder Schwarze immer wieder versucht zu
durchbrechen. Bereits im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert riefen
Schwarze Frauen so genannte ‚Black Women’s Clubs’ ins Leben, um gegen
die Stereotypisierung der Schwarzen Frau zu kämpfen, die sowohl von der
Weißen Bevölkerung als auch von Schwarzen Männern praktiziert wurde.
Auch Bluessängerinnen der 1920er Jahre nutzten ausdrucksstarke Songtexte, um gegen Stereotype Schwarzer Frauen vorzugehen. In den 1960er
Jahren war es dann u.a. die Aktivistin Rosa Parks, die sich für die
Gleichberechtigung von Schwarzen und Weißen in den USA einsetzte. Die
1970er Jahre brachten Bürgerrechtsbewegungen wie die ‚Black Panthers’
u.a. hervor, die für eine Schwarze Nation eintraten, und denen von
Schwarzen Frauen oftmals vorgeworfen wurde, dass sie lediglich die
Schwarze Maskulinität befreien wollten, anstatt für die Rechte aller Schwarzen Menschen zu kämpfen. Frauen wurde innerhalb dieser Bewegungen
lediglich die Rolle der ‚Unterstützerin’ zugewiesen. Sie sollten ihre ‚pussy
power’ einsetzen - „[a] women’s power to help the revolution by not having
sex with men who were not revolutionary“.52 Und auch die feministischen
51
52
vgl. Grimm 1998: 128
Pough 2004: 229 (Anm. 46)
17
Bewegungen
Weißer
US-Amerikanerinnen,
die
sich
für
die
Gleichberechtigung der Geschlechter einsetzten, übergingen die spezifischen Probleme Schwarzer Frauen. Hinzu kommt, dass Engagements
Schwarzer Frauen in Bezug auf die Gender-Debatte von der ‚black
community’ oftmals kritisch bewertet würden, da sie häufig als Verrat an
Afroamerikanischen Männern verstanden würden und damit auch die
Beziehungen zwischen Schwarzen Männern und Frauen beeinflussten, so
Grimm.53
Hierin zeigt sich das doppelte Dilemma Schwarzer Frauen bzgl. des Bildens
von Koalitionen: „Verbindet sie mehr mit Frauen oder mit Afroamerikanischen
Männern? Stoßen sie eher an Schranken aufgrund ihrer strukturellen
Benachteiligung als Frau oder aufgrund ihrer ethnischen Herkunft?“54 Laut
Grimm führt dies dazu, dass sich Afroamerikanische Frauen in einer
Situation befinden, die jenseits der Rassismus-Sexismus-Diskurse existiert.
Die Feministin und Autorin Michelle Wallace (1992) schreibt hierzu: „Es gibt
einfach keinen theoretischen Diskurs (...), keine Sprache, die den Standort
von farbigen Frauen in der US-amerikanischen Gesellschaft analytisch
beschreiben und reflektieren würde“.55
Ein weiterer Grund für Spannungen in Schwarzen Beziehungen liege in der
ökonomischen Benachteiligung von Schwarzen begründet, so die Meinung
des ehemaligen Redakteurs der HipHop-Musikzeitschrift ‚The Source’ Bakari
Kitwana (2002).56 Hierin wird er von hooks (1981) bestätigt:
Much of the violence against women in this culture is promoted by the
capitalist patriarchy that encourages men to see themselves as privileged
while daily stripping them of their humanity in de-humanizing work (…).57
Staples erläutert hierzu, dass der Schwarze Mann mittels Rassismus
symbolisch kastriert würde. Dadurch, dass ihm die Möglichkeit genommen
werde sich nach westlichen Vorstellungen von Männlichkeit zu verhalten
(z.B. autoritär zu sein, die Familie zu versorgen und Eigentum zu besitzen),
fühle dieser sich entmannt. Um sich seine Männlichkeit wieder zurückzuerobern, übernähme der Schwarze Mann nun die als männlich
angesehenen Attribute, die ihm noch blieben (z.B. physische Stärke, sexuelle
53
vgl. Grimm 1998: 35
Ebd.: 35
55
Wallace, in: Diedrichsen 1993: 112
56
vgl. Kitwana 2002: 85ff.
57
hooks 1981: 105
54
18
Leistungsfähigkeit und Kontrolle) und verstärke sie umso mehr. So würde
aus dem Schwarzen Mann das, was man in Amerika (und auch in Europa)
als ‚Macho’ bezeichnet.58 Durch die Unterdrückung der Schwarzen Frau hole
sich der Schwarze Mann sein verlorenes Herrschaftsgefühl zurück, was vor
allem im HipHop glorifiziert würde, so Kitwana.59 Auch die Medien tragen
hierzu wesentlich bei. So kann hooks nachvollziehen, dass junge Männer
und Frauen in einer Kultur, in der Gewalt in den Medien dominiert, selbst
gewaltvolles Verhalten glorifizieren.60
Die obigen Ausführungen zum Frauen- und Männerbild im HipHop zeigen
einen deutlichen Zusammenhang zwischen Sex und Macht. So kann generell
durch Diskriminierung von Minderheiten die eigene Vormachtstellung innerhalb einer hierarchischen Gesellschaft gesichert werden. Gleichzeitig können
sich aber auch jene diskriminierten Minderheiten wiederum innerhalb der
„komplexen gesellschaftlichen Hierarchie kleine Nischen suchen und
ähnliche Machtprozesse reproduzieren (...).“61 Frauen und/oder homosexuelle Schwarze bedeuten dabei eine Bedrohung dieser sozialen Nische.
Genau hierin zeigt sich, laut Kage, der Sexismus im HipHop als Machtmittel,
mit dessen Hilfe ein Teil der Konkurrenz um die eigene Nische
‚ausgeschaltet’ oder zurückgedrängt werden kann.62
Der tendenziell aggressive Ton und rebellisches Verhalten innerhalb der
HipHop-Kultur resultieren also einerseits aus dem Versuch heraus sich aus
seiner eigenen unterdrückten Position innerhalb der Weißen Amerikanischen
Kultur herauszukämpfen und andererseits die Vormachtstellung innerhalb
der ‚black community’ und auch innerhalb der HipHop-Kultur zu erhalten.
Auch die „abwertende Haltung Frauen gegenüber lässt sich letztlich als
Ausdruck von Angst vor Machtverlust begreifen, die gleichzeitig mit sexuellen
Wunschvorstellungen gekoppelt ist.“63 HipHop kann also nicht losgelöst von
der Gesellschaft betrachtet werden, aus der er entstand.
Trotz aller Kritik am HipHop sieht die HipHop-Feministin Joan Morgan gerade
in diesem Musikgenre auch eine gute Möglichkeit für Schwarze Frauen sich
auszudrücken, „denn mit HopHop lasse sich einerseits kollektiver Schmerz
58
vgl. Staples 1982: 138-140
vgl. Kitwana 2002: 85ff.
60
vgl. hooks 1981: 104
61
Kage 2002: 143
62
vgl. ebd.: 143
63
Leibnitz, in: Bock et.al. 2007: 160
59
19
darstellen und bearbeiten und andererseits sehr leicht Aufmerksamkeit
erzeugen.“64
Da neben dem Sexismus auch die Homophobie im HipHop stark ausgeprägt
ist und zwischen beiden Formen der Diskriminierung Zusammenhänge
erkennbar sind, ist der folgende Abschnitt dem so genannten ‚Queer HipHop’
gewidmet. Darüber hinaus liefert dieses Unterkapitel die theoretische
Grundlage für die Portraitierung der lesbischen HipHop-Gruppe Yo! Majesty
in Kapitel 5.3.
3.1.3 Queer-HipHop
Während früher überwiegend der Begriff ‚Homohop’ für die schwule HipHopSzene gebraucht wurde, bedient man sich heutzutage eher der Bezeichnung
‚Queer-HipHop’, „weil sie alle alternativen Gender-Identitäten einschließt und
sich nicht auf die Kategorien schwul oder lesbisch begrenzt.“65 So sind in
diesem Ausdruck beispielsweise auch Transgender-MCs wie Katastrophe
miteingeschlossen.66
Ähnlich wie Sexismus gegenüber Frauen ist auch Homophobie im HipHop
sehr stark verbreitet. Laut Musikerin Mel Merio zählt HipHop, neben Reggea,
zu einer der homophobsten Musikrichtungen.67 Trotz dieser Widerstände
begann sich vor ca. zehn Jahren ‚Gay HipHop’ an der Westküste der USA zu
entwickeln, wobei einer der Vorreiter der schwule Rapper Deadlee war.
Wenngleich der ebenfalls homosexuelle Rapper Shorty Rock im Interview mit
Mel Merio (2009) meint, dass mittlerweile viel mehr Akzeptanz des HipHop
gegenüber der Gay-Szene spürbar sei als noch vor ein paar Jahren68,
müssen sich schwule HipHopper immer noch in zahlreichen Raptexten
beleidigen lassen. Der Rapper Trick Trick ruft in seinem Album ‚The Villain’
(2008) sogar zum Mord gegen Schwule auf.
64
zit. in: Völker/Menrath, in: Schischmanjan/Wünsch 2007: 25
Stüttgen, in: Schischmanjan/Wünsch 2007: 138
66
Das Wort ‚transgender’ bezeichnet einerseits Menschen, die sich mit der
Geschlechterrolle, die ihnen üblicherweise bei der Geburt anhand der äußeren
Geschlechtsmerkmale zugewiesen wurde, nur unzureichend oder gar nicht beschrieben
fühlen. Andererseits dient der Begriff als Selbstbezeichnung für Menschen, die sich mit ihren
primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen nicht oder nicht vollständig identifizieren
können.
67
vgl. Merio 2009 (online verfügbar unter http://www.outhiphop.net/gayhiphop.pdf)
68
vgl. Merio 2009 (online verfügbar unter http://www.outhiphop.net/gayhiphop.pdf)
65
20
Viel Aufsehen erregte der Britische (Schwarze) Psychologe Delroy
Constantine-Simms mit seinem Buch ‚The greatest Taboo. Homosexuality in
Black Communities’ (2001), in dem er u.a. behauptet, dass HipHop schwule
Wurzeln und das „Outfit vieler Hip-Hop- und Reggae-Stars seinen Ursprung
in der Mode von Schwulenklubs und im Habitus homosexueller Gefangener
[habe]“.69 Der Amerikanische Musikjournalist Touré (2001) bestätigt in
seinem Beitrag zu diesem Buch: „hip hop is a very public celebration of
intense black male-to-black male love“.70
Obwohl Sexismus und Homophobie auf den ersten Blick zwei völlig
verschiedene Formen der Diskriminierung zu sein scheinen, sind sie sehr
stark miteinander verbunden insofern, dass schwule Männer im HipHop
oftmals als ‚unmännlich’ bzw. ‚zu weiblich’ beschimpft werden. Dies
wiederum impliziert, dass ‚weiblich sein’ weniger wert ist als ‚männlich sein’
und somit Homophobie als eine Form der Diskriminierung betrachtet werden
kann, die Sexismus an Frauen (und an Männern) beinhaltet. Dieser Umstand
wird zum Beispiel an der Verwendung des Schimpfwortes ‚bitch niggers’
deutlich. „[T]his double-edged insult not only disrespects women, but also
supports a stereotypical view of masculinity.”71
Möglicherweise ist dies auch ein Grund dafür, dass lesbischen Frauen im
HipHop weitaus toleranter begegnet wird als schwulen Männern. Da Frauen
im HipHop sowieso schon eine untergeordnete Rolle inne haben, stört sich
kaum jemand daran, wenn sie zudem lesbisch sind. “White and Black gay
women did not pose the same threat as gay men. They were women, and
that meant that they were fair game to be demeaned and marginalized by
many men.”72 Teilweise wird es sogar gerne gesehen, wenn sich lesbische
Frauen auf der Bühne die T-Shirts vom Leib reißen und ihre nackten Brüste
zur Schau stellen als Symbol für eine selbstbewusste Weiblichkeit. Durch die
eigene Heterosexualität legitimiert können sich Männer so ungehemmt
nackte Brüste anschauen ohne als Voyeure zu gelten.73 Oder wie
69
Künzler 2001 (auch online verfügbar unter:
http://www.nzz.ch/2001/06/28/fe/article7G4T5.html)
70
Touré, in: Constantine-Simms 2001: 316
71
Independent Lens 2010 (online verfügbar unter:
http://www.pbs.org/independentlens/hiphop/Gender.htm)
72
Hutchinson, in: Constantine-Simms 2001: 3
73
vgl. Strube, in: Bock et.al. 2007: 152
21
Kiessling/Stastny (2006) es formulieren: „Es ist cool, wenn zwei Mädchen
sich küssen!“74
Darüber hinaus sei an dieser Stelle erwähnt, dass Schwarze Homosexualität
innerhalb
der
Emanzipation,
ähnlich
der
Feminismus-Debatte,
eine
besondere Stellung einnimmt. Die ‚lesbische Identität’ repräsentiere in erster
Linie Weiße Frauen und schließe Schwarze Frauen aus. Schwarze Frauen
müssten zum einen gegen die patriarchale Kultur und zum anderen gegen
Rassismus und Homophobie im Allgemeinen ankämpfen, so Omosupe
(1991).75
3.2 Zusammenfassung
An dieser Stelle sollen die wichtigsten Punkte des letzten Kapitels stichpunktartig festgehalten werden:
•
HipHop ist ein Musikgenre, in dem Sexismus an Frauen sowie
Homophobie sehr vordergründig und auf verschiedenen Ebenen
präsentiert werden. Ob HipHop allerdings tatsächlich sexistischer und
homophober ist als andere Popmusikkulturen, oder ob Formen der
Diskriminierung lediglich offener und direkter geäußert werden, konnte
nicht eindeutig beantwortet werden.
•
Das Frauenbild im HipHop orientiert sich an traditionellen christlichen
Stereotypen der Frau als Heilige und/oder Hure.
•
Auch das Männerbild im HipHop orientiert sich an konservativen
Wertvorstellungen wie körperliche Stärke, ‚Coolness’, Stolz und
Heterosexualität.
•
Die Aspekte Gender und Sexismus spielen – im Gegensatz zu
Rassismus – innerhalb der HipHop-Kultur nur eine sekundäre Rolle.
•
Afroamerikanische Frauen müssen sowohl gegen Rassismus als auch
gegen Sexismus kämpfen. Es existieren allerdings kaum Plattformen,
auf denen sie sich ungehemmt gegen beides zur Wehr setzen
können.
74
75
Kiessling/Stastny, in: Reitsamer 2006: 39
vgl. Omosupe 1991: 105
22
•
Der tendenzielle Hang der HipHop-Kultur zu Aggressivität, Sexismus
und Homophobie kann auf folgende Gründe zurückgeführt werden:
1. Die
jahrlange
Unterdrückungspraxis
der
US-Amerikanischen
Gesellschaft führte zu einer Art ‚Gewaltspirale’, die sich u.a. in der
HipHop-Kultur in Form von Sexismus und Homophobie fortsetze.
2. Die ärmlichen und sozial-ökonomischen katastrophalen Umstände,
unter denen die HipHop-Kultur entstand, lieferten die Grundlage für
einen Musikstil, der u.a. als Mittel zum Ausdruck von Wut, Frust
und Hass diente.
3. Vor allem der provokative, gewaltverherrlichende und sexistische
HipHop übt insbesondere auf Jugendliche eine starke Anziehungskraft aus und wird von den Medien werbekräftig vermarktet und
damit verbreitet und verfestigt.
23
4. Her-Story: Ein Stück Geschichte
Afroamerikanischer Weiblichkeit
"Either it's the Fat Mama on the Couch syndrome or
the Sassy Sister on the Corner syndrome.
Where is that woman in the middle
who is your doctor,
your lawyer,
your friend?"76
Die
vorangegangenen
Ausführungen
konzentrierten
sich
auf
die
Beschreibung und Erörterung von Grundbegriffen und -aspekten der HipHopKultur und haben die Problematik des Sexismus an Frauen und der
Homophobie im HipHop dargelegt. Das folgende Kapitel erörtert nun die
verschiedenen Stereotype Afroamerikanischer Frauen, wobei vor allem
rassistische
und
sexistische
Inhalte
dieser
Stereotype,
sowie
ihre
Einflussnahme auf die Fremd- und Selbstwahrnehmung Afroamerikanischer
Frauen im Mittelpunkt stehen.
Hierzu wird zunächst der Begriff ‚Stereotyp’ definiert und der Vorgang der
Stereotypisierung erläutert. Im Anschluss daran folgt eine Darlegung der
bekanntesten und am weitesten verbreiteten Stereotype Afroamerikanischer
Frauen und ihre Einbettung in den Amerikanischen sozial-ökonomischen
Kontext.77 Dabei bilden vier Hauptstereotype den Fokus dieses Kapitels:
1. ‚Mammy’ (‚Fictional Mammy’, ‚Real Mammy’ und ‚Commercial
Mammy’) sowie ‚Aunt Jemima’ als wohl berühmteste Mammy-Figur.
2. ‚Jezebel’ oder ‚The bad black girl’
3. ‚Sapphire’ oder ‚The angry black woman’ (ABW)
4. ‚Tragic Mulatto’
76
Die Schauspielerin Sheryl Lee Ralph zitiert in: Horowitz 1991 (online verfügbar unter:
http://www.nytimes.com/1991/05/29/movies/black-actresses-are-still-waiting-for-starroles.html?pagewanted=2)
77
Die meisten dieser Ausführungen beziehen sich auf Artikel von David Pilgrim, Leiter des
Jim Crow-Museums in Michigan und promovierter Soziologe (siehe auch:
http://www.ferris.edu/htmls/news/jimcrow/menu.htm).
24
Darüber hinaus werden in Kapitel 4.2.5 drei weitere Stereotype skizziert und
beschrieben: Strong black woman, Matriarchy Myth und Welfare Queen.
Wenngleich sich diese ‚Nebenstereotype’ alle mehr oder weniger den oben
genannten Hauptstereotypen zuordnen lassen, halte ich eine Erwähnung
dieser Images für sinnvoll, da sie im alltäglichen US-Amerikanischen Sprachgebrauch Verwendung finden und die Bandbreite Afroamerikanischer Stereotype darlegen.
4.1 Stereotype und ihre Entstehung78
Richard Dyer zufolge geht einer Stereotypisierung immer zuerst eine
Typisierung der Welt voraus, die notwendig ist, um sich in ihr zurechtfinden
zu können. „Wir verstehen die Welt, indem wir individuelle Gegenstände,
Menschen oder Ereignisse in unseren Köpfen auf allgemeine Klassifikationsschemata
beziehen,
in
die
sie
–
unserer
Kultur
entsprechend
–
hineinpassen.“79 Dabei wird einer bestimmten Kombination von Eigenschaften eine bestimmte Bedeutung gegeben (z.B. flacher Gegenstand, vier
Beine, stellt man Dinge drauf [Eigenschaften] = Tisch [Bedeutung]). Mit der
Methode des ‚Typisierens’
lässt sich also ‚das Besondere’ vom ‚Typus’
unterscheiden, was entscheidend für die Produktion von Bedeutung ist.80
Auch bei Personen greift die Methode der Typisierung, indem wir sie nach
einfachen, anschaulichen und leicht zu erfassenden Kriterien wie Ethnie,
Klasse, Geschlecht usw. bewerten und anschließend bestimmten Rollen
oder Gruppen zuordnen. Beim Vorgang der Stereotypisierung wird nun eine
Person auf ebendiese einfachen Eigenschaften reduziert. Gleichzeitig
werden diese Eigenschaften übertrieben und festgeschrieben. Des Weiteren
78
Im Verlauf der folgenden Ausführungen werde ich zudem die Begriffe ‚Mythos’, ‚Image’
und ‚Karikatur’ im Zusammenhang mit Darstellungen Afroamerikanischer Frauen verwenden.
Während das ‚Image’ in diesem Zusammenhang als „a mental picture [gedankliche
Vorstellung] of something not real or present” (Free Online Dictionary, online verfügbar
unter: http://www.thefreedictionary. com/image) verwendet wird, bezeichnet der Ausdruck
‚Mythos’ eine Erzählung, „die Anspruch auf Geltung erhebt (...). Je nach Standpunkt ist diese
Geltung berechtigt (auf Tradition oder Konsens gestützt) oder unberechtigt (als Gerücht oder
Lügengeschichte)“ (Wikipedia. Online verfügbar unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Mythos).
Die ‚Karikatur’ hingegen kann als Mittel der Stereotypisierung bezeichnet werden. Dabei
werden besonders distinkte und offensichtliche Eigenschaften hervorgehoben und z.T.
falsch verallgemeinert. Bezeichnend ist der komödiantische oder humoristische Aspekt
dieser Darstellungen (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Karikatur).
79
Hall 2004: 143
80
vgl. ebd.: 143
25
werden Gegenstände und Personen mit Hilfe eines dualistischen Systems
gespalten, welches das ‚Normale’ vom ‚Anormalen’, das ‚Akzeptable’ vom
‚Unakzeptablen’ trennt, um Letzteres auszuschließen und zu verbannen. Das
‚Normale’ orientiert sich dabei stets an dem, was in einer Kultur als ‚normal’
akzeptiert ist. Da Stereotype der Aufrechterhaltung dieser Grenzen zwischen
‚normal’ und ‚anormal’ und damit auch der Aufrechterhaltung der sozialen
und symbolischen Ordnung dienen, sind sie „typischerweise festgeschrieben,
eindeutig, unveränderbar.“81
Stereotypisierung tritt vor allem immer da auf, wo große Ungleichheiten in
der Machtverteilung existieren, was sich z.B. auf der Ebene des
‚Ethnozentrismus’82 äußert. Ziel dieser Form der Stereotypisierung ist es, „die
ganze Gesellschaft nach der eigenen Weltsicht, dem eigenen Wertesystem,
dem eigenen Empfinden und der eigenen Ideologie zu formen (...) und in
dem Maße, in dem sie damit Erfolg haben, etablieren sie ihre Hegemonie.“83
Gelernt werden Stereotype als Ausdruck der öffentlichen Meinung (z.B.
durch Medien) sowie durch die Erziehung der Familie und/oder des Milieus.
Ein prominentes Beispiel für ein Medium, über das Afroamerikanische
Stereotype in ganz Amerika bekannt wurden, stellen die ‚Minstrel-Shows’ der
so genannten ‚Jim-Crow-Ära’ dar. Diese Entertainment-Shows können als
Vorgänger der modernen Medien (Film, Fernsehen und Kino) bezeichnet
werden und nahmen starken Einfluss auf die Rezeption und den Habitus
ihrer Konsumenten in Bezug auf die Afroamerikanische Kultur.84
81
Dyer, zit. in: Hall 2004: 144
‚Ethnozentrismus’ meint „die Anwendung von Normen der eigenen Kultur auf die der
Anderen.“ (Brown, zit. in: Hall 2004: 145)
83
Dyer, zit. in: Hall 2004: 145
84
Mit dem Begriff ‚Jim Crow’ werden heutzutage in den USA jene Gesetze bezeichnet, die
von 1877 bis Mitte der 1960er Jahre die ‚Rassentrennung’ vorschrieben und mit deren Hilfe
Rassismus rechtlich legitimiert werden konnte. Ursprünglich aber ist Jim Crow eine
Schwarze Theaterfigur, die 1828 vom Weißen Schauspieler Thomas Dartmouth ‚Daddy’
Rice erfunden und in so genannten ‚Minstrel Schows’ gespielt wurde. Diese Shows dienten
vor allem der komödiantischen Unterhaltung der Weißen Bevölkerung, die oftmals keine
Afroamerikaner aus ihrem Alltag kannte, und präsentierten Schwarze als fröhliche, singende
und naive Sklaven. Mit schwarz angemaltem Gesicht machte Rice seine Jim-Crow-Figur in
den ganzen USA, später sogar auch in Teilen Großbritanniens (London, Dublin) bekannt
(vgl. Pilgrim 2005d und 2009b: online verfügbar unter: http://www.ferris.edu/jimcrow/who.htm
und http://www.ferris.edu/htmls/news/jimcrow/what.htm).
82
26
4.2 Mythen, Stereotype und Images der
Afroamerikanischen Frau
4.2.1 Mammy/Aunt Jemima
Die Darstellung der Mammy ist das Image, das in ganz Amerika am
weitesten verbreitet ist und sich am hartnäckigsten gehalten hat. Besonders
populär war es Anfang des 19. bis Mitte des 20. Jh. Wenngleich diese
Darstellung ursprünglich im Süden der USA während der Sklaverei entstand,
verbreitete sie sich schon bald in allen Regionen Amerikas. Die Darstellung
der Mammy ist so tief in der amerikanischen Kultur verwurzelt, dass sie in
nahezu jeder Form von Printmedien und visuellen Medien zu finden ist. Das
Mammy-Image lässt sich nach Pilgrim (2005) in drei Darstellungen
aufgliedern: die so genannte Fictional Mammy, Real Mammy und
Commercial Mammy.85
Fictional Mammy
Grundlage des Mammy-Images bildet ihre Tätigkeit als Haus- und
Kinderfrau. Damit entspricht die Mammy der damals vorherrschenden
Geschlechterrolle der Mutter und Hausfrau. Von der Mammy wurde erwartet,
dass sie sich gleichzeitig um zwei Familien kümmert: Die des Sklavenbesitzers und ihre eigene, wobei die Familie des Sklavenbesitzers Vorrang
hatte. Bezahlt wurde sie dafür nur geringfügig, wenn sie denn überhaupt
entlohnt wurde. Schließlich ging man davon aus, dass eine Mammy es als
ihre Berufung ansah, der Weißen Familie zu dienen. In der Amerikanischen
Ideologie war sie eine fleißige Arbeiterin, die keine Schwarzen Freunde hatte
und so ganz allein für die Weiße Familie da sein konnte. Mammies wurden
stets zufrieden, ja sogar glücklich dargestellt und sollten so beweisen, dass
die Sklaverei nicht unmenschlich sein konnte.
Meist wurde die Mammy in farblosen Baumwollkleidern mit Schürze
portraitiert, die ihre Unterwürfigkeit gegenüber ihrem Sklavenhalter andeutete.86 Auf Abbildungen trägt sie fast immer ein Kopftuch, das aus einem
85
86
vgl. Pilgrim 2005b (http://www.ferris.edu/JIMCROW/mammies/)
vgl. Jewell 1993: 39
27
großen Taschentuch gebunden wird und ihr krauses Haar verdeckt. Mit ihrer
körperlichen Statur repräsentierte dieses Image das Gegenteil vom gängigen
Amerikanischen
Schönheitsideal:
Eine
Mammy
war
fettleibig,
sehr
dunkelhäutig (was sie ganz unten in der sozialen Hierarchie anordnet), hatte
große Brüste und ein stark ausgeprägtes Gesäß. Obwohl alle Amerikanischen Darstellungen von Weiblichkeit Brust und Po betonen, galten die
extrem ausladenden Körperteile der Mammy nicht mehr als attraktiv, sondern
als mütterlich und fürsorglich.87 Offensichtlich wurden Attraktivität und
Mütterlichkeit als zwei miteinander unvereinbare Attribute angesehen.
Entweder war eine Frau attraktiv oder sie entsprach dem Image der Mutter.
Ebenfalls unvereinbar mit dem Attribut der Mütterlichkeit und der
Unattraktivität war die gleichzeitige Existenz einer Sexualität, denn obwohl
Mammies meistens selber Kinder hatten, galten sie als asexuell.
Ein weiteres Charakteristikum der Mammy waren ihre weißen Zähne, die
stets hervorgeoben wurden. Das Zeigen der Zähne beim Lächeln
symbolisierte jene Zufriedenheit, die Sklavenhalter von einer Mammy
erwarteten. Der Ausdruck von Zufriedenheit im Gesicht der Sklaven erlaubte
es den Sklavenhaltern nach außen hin unschuldig, ja sogar wohlwollend
gegenüber ihren Sklavinnen zu erscheinen und damit ihre Unterdrückungsmethoden fortzuführen. Gleichzeitig beinhaltete ein überproportionales
Grinsen auch immer eine gewisse Komik: „[It] implies a pathetic individual
with limited intelligence whose sole purpose for existence is to serve and
entertain others.“88
Vor allem während der ersten Hälfte des 19. Jh. war die Darstellung der
Mammy von zentraler Bedeutung für die Unterhaltungsindustrie. Eine der
berühmtesten Darstellungen einer Fictional Mammy ist wohl Aunt Chloe, die
Mammy im Roman ‚Uncle Tom’s Cabin’ von Harriet Beecher Stowe (1852).
Attribute dieser Fictional Mammy waren vor allem „self-sacrificing, whiteidentified, fat, asexual, good-humored, a loyal cook, housekeeper and quasifamily member.”89 Auch die Filmindustrie wartete mit einer Menge Filme auf,
in denen die Mammy als hoffnungslos naiv (z.B. ‚She Done Him Wrong’ aus
dem Jahre 1933), zurückhaltend (z.B. ‚The Gold West’ aus dem Jahre 1932)
und loyal (z.B. ‚Made for Each Other’ aus dem Jahre 1939) dargestellt wurde.
87
vgl. ebd.: 39f.
Ebd.: 42
89
Pilgrim 2005b (online verfügbar unter: http://www.ferris.edu/JIMCROW/mammies/)
88
28
Später traten Mammies in Filmen auch kess und anzüglich (z.B. ‚The Mad
Miss Manton’ aus dem Jahre 1938) sowie aufbrausend und frech (z.B.
‚Judge Priest’ aus dem Jahre 1934) auf und wurden auch als ‚Sassy Mammy’
bezeichnet. Das Dulden dieser Charaktereigenschaften sollte der Amerikanischen Gesellschaft den Eindruck vermitteln, dass Schwarze Frauen in
Weißen Familien nicht unterdrückt würden und folglich die Sklaverei nicht
sonderlich gewaltsam sein könne.90
Eine der berühmtesten Mammy-Darstellerinnen war die Schauspielerin Hattie
McDaniel. Oftmals wurde sie von anderen AfroamerikanerInnen dafür kritisiert, dass sie mit ihren Filmrollen dieses diskriminierende Stereotyp noch
verfestige. McDaniels Antwort auf solche Kritiken lautete stets:
Why should I complain about making seven thousand dollars a week playing
a maid? If I didn't, I'd be making seven dollars a week actually being one.91
Real Mammy
Die oben beschriebene Vorstellung einer Mammy ist allerdings eher ein
Mythos. Patricia Turner, Professorin für Afroamerikanische, Afrikanische und
Amerikanische Studien, argumentiert, dass während der Vorkriegszeit (auch
‚antebellum years’, 1815 – 1860) gerade mal 25% der Weißen SüdstaatenAmerikaner überhaupt Sklaven hielten92. Erst nach Ende der Sklaverei
arbeiteten, laut der Historikerin Catherine Clinton, Afroamerikanerinnen
vermehrt für Weiße Familien.93 Die meisten dieser Sklaven und Sklavinnen
wurden allerdings auf den Feldern eingesetzt, da es sich nur wenige Weiße
Familien leisten konnten eine Sklavin für den Haushalt in Anspruch zu
nehmen. Turner erklärt weiterhin, dass Sklavinnen und Sklaven generell sehr
wenig zu essen bekamen und es daher sehr unwahrscheinlich ist, dass
Sklavinnen übergewichtig waren. Darüber hinaus wurden hellhäutigere
Sklavinnen für den Haushalt bevorzugt, und nicht sehr dunkelhäutige, ältere,
wie es das fiktionale Mammy-Image beschreibt. Da weniger als 10% der
90
vgl. Pilgrim 2009a (online verfügbar unter:
http://www.ferris.edu/htmls/news/jimcrow/sapphire/)
91
zit. in: Bogle 2001: 82
92
vgl. Turner 2002: 44
93
vgl. Clinton 1984: 201f.
29
Schwarzen Frauen im 19. Jahrhundert älter als 50 Jahre wurden, waren die
meisten Sklavinnen sehr jung und nicht mittleren Alters.94
Die eklatanten Unterschiede zwischen Real Mammy und Fictional Mammy
liegen in den sexuellen Verhältnissen zwischen Schwarzen und Weißen
begründet. Ein Aspekt der Brutalität der Sklaverei war die sexuelle
Misshandlung von vorzugsweise hellhäutigeren Sklavinnen, die dem
Amerikanischen Schönheitsideal näher kommen als dunkelhäutigere. Die
Erfindung einer Figur, die genau dem Gegenteil dieses Schönheitsideals
entsprach, also übergewichtig, sehr dunkelhäutig und eher älteren Jahrgangs, entsexualisierte die Real Mammy. Folglich wurde argumentiert, dass
kein ‚vernünftiger’ Weißer Mann Mammies sexuell anziehend finden könne.
Da sexuelle Verhältnisse zwischen Weißen und Schwarzen absolut tabu
waren – egal ob auf gegenseitiger Zustimmung oder auf Vergewaltigungen
beruhend – war es mit Hilfe dieser Argumentationskette möglich Sklavinnen
sexuell zu missbrauchen und diese Misshandlungen nach außen hin zu
verleugnen, ja sogar die Sklavinnen selbst dafür verantwortlich zu machen95.
Die Soziologin K. Sue Jewell (1993) unterstützt diese Annahme, wenn sie
sagt:
Therefore, when slave owners were sexually involved with female slaves, the
implication was that it was the result of the sexual advances of the female
slave and not the slave owner.96
Neben der sexuellen Diffamierung wurde das Stereotyp der Mammy auch ein
Instrument ökonomischer Diskriminierung. Die Darstellung der Fictional
Mammy beinhaltete, dass Schwarze Frauen nur für Hausarbeit zu gebrauchen seien, da sie angeblich schlechtes Englisch sprachen und auch sonst
als nicht besonders intelligent oder gebildet galten. Zwischen 1860 und 1950
bekamen Schwarze Frauen daher ausschließlich Jobs als Haus-, Kinderfrauen, Köchinnen, Dienerinnen oder Waschfrauen. Obwohl sich ihre
Berufsmöglichkeiten während des Civil Rights Movement97 verbesserten,
94
vgl. Turner 2002: 44
vgl. Pilgrim 2005b (online verfügbar unter: http://www.ferris.edu/JIMCROW/mammies/)
96
Jewell 1993: 40
97
Das ‚Civil Rights Movement’ war die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung der
Afroamerikaner der späten 1950er und 1960er Jahre, die gegen die festgeschriebene
Diskriminierung der Schwarzen Bevölkerung kämpfte und durch ihren populären
Protagonisten Martin Luther King jr. weltweite Aufmerksamkeit und Bedeutung erlangte.
95
30
arbeiteten in den 1980er Jahren immer noch mehr als die Hälfte aller
Afroamerikanerinnen als Hausdame.98
Commercial Mammy
Während der Jim Crow-Ära 1876 – 1965 wurde die Mammy auch durch die
wachsende Werbeindustrie populär. Vor allem wurde sie auf Verpackungen
von
Haushaltsprodukten
wie
Müsli,
Reinigungsmittel,
Aschenbecher,
Nähzeug und Getränkedosen abgebildet. Bereits im Jahre 1875 entstand das
erste Mammy-Werbeimage, Aunt Sally, das auf Backpulverdosen gedruckt
wurde. Später tauchten noch weitere Mammy-Images auf, wie z.B. auf Kaffeund Reinigungsprodukten der Firma Luzianne, dem Reinigungsmittel Fun to
Wash und dem sogenannten Aunt Dinah-Sirup. Das Mammy-Image stand für
Qualität, Zuverlässigkeit und Bekömmlichkeit der Produkte.99
Das erfolgreichste Commercial-Mammy-Image aber war (und ist) Aunt
Jemima. Im Jahre 1889 entwickelten der Zeitungsherausgeber Charles Rutt
und der Müller Charles G. Underwood ein Mehl mit Backpulverzusatz für
Pfannkuchen und nannten es ‚Aunt Jemima’s recipe’. Später verkauften Rutt
und Underwood ihr Pfannkuchen-Rezept und die Marketingfigur Aunt
Jemima an die R.T. Davis Mill Company. Diese Firma machte das
Mehlprodukt und Aunt Jemima mit Hilfe einer effektiven Marketingstrategie
sehr berühmt. Zu dieser Strategie gehörte auch eine Person aus Fleisch und
Blut, das Model Nancy Green, die das Image der Aunt Jemima verkörperte.
Der eigentliche Durchbruch mit Aunt Jemima gelang der Mill Company im
Jahre 1893, als sie all ihr Vermögen in die World’s Exposition-Ausstellung in
Chicago steckten. Nancy Green, die 1834 selbst als Sklavin in Kentucky
geboren wurde, war auf dieser Ausstellung als Aunt Jemima verkleidet,
verkaufte singender Weise Pfannkuchen und erzählte Geschichten über den
Old South100 – „stories which presented the South as a happy place for
blacks and whites, alike.“101 Der Verkauf der Pfannkuchen von Nancy Green
auf dieser Ausstellung wurde ein großer Erfolg und machte Aunt Jemima zu
98
vgl. Pilgrim 2005b: (online verfügbar unter: http://www.ferris.edu/JIMCROW/mammies/)
vgl. ebd.
100
der Begriff Old South meint den Süden Amerikas vor dem Bürgerkrieg (1861-1865) und
umfasst die Staaten Virginia, Delaware, Maryland, Georgia, North Carolina, and South
Carolina
101
Pilgrim 2005b (online verfügbar unter: http://www.ferris.edu/JIMCROW/mammies/)
99
31
einer nationalen Berühmtheit. Zu Beginn des 20. Jh. waren Aunt Jemima und
Philip Danforth Armour, ein Amerikanischer Geschäftsmann und Pionier von
Tiefkühlkost and Fleisch-Konserven (Armour & Company), die zwei
kommerziellen Symbole, denen Amerikanische Hausfrauen am meisten
vertrauten.102 Die Autorin Patricia A. Turner begründet den Erfolg Aunt
Jemima’s damit, dass dieses Image die Sehnsucht der Amerikanischen
Öffentlichkeit nach einem harmonischen Verhältnis zwischen Schwarzen
Frauen und Weißen Familien befriedigte. Sie schreibt:
Entrusted with the most important meal of the day, Aunt Jemima allowed the
consumer to construct a nurturing cenario in which gracious black women
committed themselves to the care and feeding of white families. (...). In her
homespun calico garb with a turban around her head, Aunt Jemima
comforted the public (…). Aunt Jemima's was the kind of face people wanted
to remember.103
In den letzten Jahren hat sich das Image dieser Werbefigur verändert: Aunt
Jemima wird mit einer helleren Hautfarbe und einer etwas niedrigeren
Körpergröße dargestellt, die der natürlichen Größe einer Schwarzen Frau
näher kommt. Das Kopftuch wurde durch ein Haarband ersetzt und ihr
breites, Zähne zeigendes Grinsen wurde durch ein Lächeln ersetzt.104
4.2.2 Jezebel/ The bad-black-girl
Im Alten Testament war Jezebel eine Prostituierte, eine freizügige Frau,
welche die Verbannung Elijahs veranlasste. Diese Image wurde auch auf
Schwarze Frauen übertragen.105 Eine Jezebel, oder The Bad-Black-Girl, gilt
demnach als verführerisch, charmant, weltgewandt, betörend, einladend und
anzüglich und beschreibt damit die Antithese zum asexuellen MammyStereotyp.106
Die Vorstellung, dass Afroamerikanerinnen lüstern seien, hat ihren Ursprung
noch vor der Sklaverei. Als Europäer Anfang des 17. Jh. nur leicht bekleidete
102
vgl. Pilgrim 2005b (online verfügbar unter: http://www.ferris.edu/JIMCROW/mammies/)
Turner 2002: 50
104
vgl. Jewell 1993: 48
105
Capoccia 2000 (online verfügbar unter: http://www.biblebb.com/files/KSS/kssjezebel.htm)
106
vgl. Pilgrim 2005a (online verfügbar unter:
http://www.ferris.edu/htmls/news/jimcrow/jezebel/)
103
32
Frauen in Afrika vorfanden, fehlinterpretierten sie diese Nacktheit als
Lüsternheit. Auf Grund der dort vorherrschenden Polygamie und der
Stammestänze fühlten sie sich in dieser Annahme bestätigt.
Das Stereotyp der Jezebel wurde während der Sklaverei vor allem als
Erklärung für Beziehungen zwischen Weißen Männern und Schwarzen
Frauen benutzt. Es wurde angenommen, dass der Sexhunger der Jezebel so
groß war, dass er nicht allein von Schwarzen Männern befriedigt werden
konnte und daraus der Wunsch nach sexuellen Beziehungen mit Weißen
Männern erwuchs. Die Folge waren zahlreiche Vergewaltigungen der
Sklavinnen, die rechtlich gesehen gar nicht existierten. Denn da Sklavinnen
Besitztum des Sklavenhalters waren, konnte dieser folglich frei über sie
verfügen.107 Eine Sklavin, die sich ihrem Halter verweigerte, riskierte verkauft
und/oder geschlagen zu werden. Oftmals wurde ihr auch mit dem Verkauf
ihres Mannes oder ihrer Kinder gedroht. Folglich wehrten sich Sklavinnen oft
nicht gegen Übergriffe, sondern ließen Vergewaltigungen zur eigenen
Sicherheit und zum Schutze ihrer Familie über sich ergehen, was wiederum
dazu führte, dass sich Sklavenhalter in ihrem Glauben Schwarze Frauen
seien lüstern und ‚leicht zu haben’ bestätigt fühlten.108
Die Vorstellung der ‚lüsternen Schwarzen Frau’ wurde auch durch andere
Vorgänge der institutionalisierten Sklaverei untermauert. Sklavinnen, die zum
Verkauf angeboten wurden, wurden nackt ausgezogen und körperlich genau
untersucht, um, so die allgemeine Behauptung, ihre Gesundheit und ihre
Gebärfähigkeit zu untersuchen. In Wirklichkeit hatte das Entkleiden und
Anfassen von Sklavinnen sexuell ausnutzende, manchmal sogar sadistische
Funktionen.109
Darüber hinaus fühlten sich Sklavenhalter auch von der spärlichen
Bekleidung der Sklavinnen sexuell gereizt. Nacktheit war im prüden Amerika
des 18. und 19. Jh. gleichbedeutend mit einem Mangel an Zivilisation, Moral
und sexueller Zurückhaltung. Folglich wurden verhüllte Weiße Frauen für
zivilisiert, zurückhaltend und sexuell rein gehalten, während die meist nur
spärlich bekleideten Schwarzen Frauen als unzivilisiert, unbescheiden und
107
Im Gegensatz dazu wurden Schwarze Männer, die im Verdacht standen Weiße Frauen
vergewaltigt zu haben, für gewöhnlich kastriert, gehängt, oder beides (vgl. Pilgrim 2005a:
online verfügbar unter: http://www.ferris.edu/htmls/news/jimcrow/jezebel/).
108
vgl. ebd.
109
vgl. ebd.
33
‚sexuell abnormal’ betrachtet wurden.110 Der Umstand, dass Sklavinnen nur
wenig bekleidet waren, weil sie erstens nicht viel Kleidung besaßen und
zweitens lange Kleider sehr unpraktisch für die Feld- und Plantagenarbeit
waren, wurde in der ‚Lüsternheits-Diskussion’ schlicht ignoriert.
Des Weiteren wurden Sklavinnen als ‚Brutmaschinen’ missbraucht. Um die
Gebärfreudigkeit der Sklavinnen ‚anzukurbeln’, wurden ihnen als Gegenleistung für jedes geborene Kind Nahrungsmittel, Kleidung oder Freizeit
angeboten. Gebarten Sklavinnen Kinder, wurde ihre Fruchtbarkeit als Beweis
für ihren ungezügelten sexuellen Appetit gedeutet. Die zeitgenössische
Historikerin Deborah Grey White stellt fest:
Major periodicals carried articles detailing optimal conditions under which
bonded women were known to reproduce, and the merits of a particular
"breeder" were often the topic of parlor or dinner table conversations. The
fact that something so personal and private became a matter of public
discussion prompted one ex-slave to declare that "women wasn't nothing but
cattle." Once reproduction became a topic of public conversation, so did the
slave woman's sexual activities.111
Kinder lebendig und gesund auf die Welt zu bringen, ohne dabei das eigene
Leben zu gefährden, war allerdings für Sklavinnen unter den harten Arbeitsbedingungen der Sklaverei äußerst schwierig. Die Frauen waren meist
körperlich und psychisch völlig erschöpft und mussten zudem ihre Kinder
ohne medizinische Hilfe auf die Welt bringen. Mehr als die Hälfte aller
Schwangerschaften endete somit in Fehl- oder Totgeburten.112 War eine
Frau unfruchtbar, wurde dies von Sklavenhaltern als Vergehen betrachtet
und auch als solches geahndet.
Leider endete die sexuelle Diskriminierung Afroamerikanischer Frauen nach
Ende der Sklaverei nicht. Seit Ende des Bürgerkriegs bis Mitte der 1960er
Jahre wurde kein Weißer Südstaaten-Mann für die Vergewaltigung einer
Schwarzen Frau verurteilt. Nichtsdestotrotz war dieses Verbrechen alltäglich.113
Wenngleich das Stereotyp der Mammy das populärste und am weitesten
verbreitete Image bis in die 1950er Jahre war, begegneten einem auch
110
vgl. Pilgrim 2005a (online verfügbar unter:
http://www.ferris.edu/htmls/news/jimcrow/jezebel/)
111
White 1985: 31
112
vgl. Jewell 1993: 50ff.
113
vgl. Pilgrim 2005a (online verfügbar unter:
http://www.ferris.edu/htmls/news/jimcrow/jezebel/)
34
Jezebel-Darstellungen sehr häufig im alltäglichen Leben. So wurde dieses
Image in Form von allerlei Alltagsgegenständen, wie z.B. Aschenbecher,
Postkarten, Gläser, Cocktailstäbchen und Angelköder, vermarktet, auf denen
Afroamerikanische Frauen entweder nackt oder nur spärlich bekleidet
dargestellt wurden. Bemerkenswert ist, dass nicht nur Schwarze Frauen als
promiskuitiv dargestellt wurden, sondern auch Afroamerikanische Mädchen.
Auch sie sind meist nackt abgebildet und die Texte auf solchen Abbildungen
enthalten
oft
sexuelle
Anspielungen.114
Diese
Darstellungen
sollten
suggerieren, dass Afroamerikanerinnen bereits im Kindesalter lüstern seien.
Bereits in frühen Kinofilmen werden Jezebels als unzivilisiert, korrupt und
lüstern dargestellt (z.B. Lydia Brown in ‚The birth of a nation’, 1915). Doch
erst ab den 1970er Jahren war man der alten Stereotype, wie Mammies,
Toms, Tragic Mulattos und Picaninnies, im Kino überdrüssig und ersetzte
diese durch neue Stereotype – Brutes, Bucks und Jezebels – die durch die
so genannten Blaxploitation-Filme115 sehr populär wurden. Wenngleich
ausschließlich Afroamerikanerinnen und Afroamerikaner in BlaxploitationFilmen mitspielten, waren es doch meist Weiße US-Amerikaner, die diese
Filme produzierten und das Geld dafür einstrichen. Dennoch unterstützten
Afroamerikaner diese Filme, da sie zeigten, wie Schwarze gegen die
korrupte Polizei kämpfen und eine eigene Sexualität leben. Diese Filme
boten Schwarzen Männern und Frauen somit eine, wenn auch recht
oberflächliche und illusorische, Möglichkeit sich ein Stück weit öffentlich
gegen Rassismus zu wehren und ihrer Wut Ausdruck zu verleihen. Bekannte
Blaxploitation-Filme, in denen Schwarze Frauen als Jezebel-Huren dargestellt wurden, waren z.B. ‚Sweet Sweetback’s Baadassss Song’ (1971), ‚Taxi
Driver’ (1976), ‚Angel Heart’ (1987), ‚Deconstructing Harry’ (1997), ‚Mona
Lisa’ (2001) u.v.a.m.
Immer wieder werden Schauspielerinnen dafür kritisiert, dass sie Stereotype
verstärken, indem sie Rollen als Jezebels oder Mammies annehmen.
114
vgl. Pilgrim 2005a (online verfügbar unter:
http://www.ferris.edu/htmls/news/jimcrow/jezebel/)
115
Blaxploitation (auch Black Exploitation) ist ein US-amerikanisches Filmgenre, das in den
1970er-Jahren entstand. Der Name ist ein Kofferwort aus black (= schwarz) und Exploitation
(= Ausnutzung), und bezieht sich auf Filme, die aus der Sicht von Afroamerikanern gedreht
wurden. Die Blaxploitation-Filme haben meist wenig Anspruch und handeln gewöhnlich von
groben, potenten Helden, Kriminalität, Zuhälterei, Drogen und einem mafiös dominierten
Milieu. Diese Gangster- und Kriminalfilme spielten meist in den Wohnvierteln der
Schwarzen.
35
Gleichzeitig gibt es aber auch Schauspielerinnen, die sich weigern
entsprechende Rollen zu spielen. Schauspielerin Angela Bassett beispielsweise, welche die Rolle der Leticia für den Film ‚Monster’s Ball’ (2001)
ablehnte, „was criticizing the Hollywood system for continuing to typecast
black women in demeaning roles“.116 Die Schauspielerin Halle Berry nahm
die Rolle an ihrer Statt an und gewann damit 2002 einen Oskar als beste
Schauspielerin. Wenngleich der Film überwiegend positive Rezensionen
erhielt, wurde die Oscar-Auszeichnung vor allem innerhalb der ‚black
community’ kontrovers diskutiert und von vielen verschmäht. So kritisiert der
Amerikanische Radiomoderator Miles Willis: „I simply find the premise of
'Monster's Ball,' in which a character played by one of our most prized
beauties, falls in love with a racist white prison guard who led her husband to
his execution, deliberately insulting.”117 Auch Pilgrim beanstandet, dass die
wenigen Schwarzen Schauspielerinnen, die einen Oscar gewonnen haben,
diesen lediglich deshalb bekamen, weil sie es geschafft hatten ihren stereotypen Rollen eine gewisse Tiefe und Komplexität zu geben (z.B. Hattie
McDaniel als Mammy in ‚Gone with the wind’). Keine Schwarze Frau hat aber
bisher einen Oscar für eine Rolle gewonnen, die Afroamerikanische Frauen
außerhalb traditioneller Stereotype präsentiert.118
Wie zeitgemäß das Jezebel-Stereotyp heute noch ist, lässt sich u.a. in
Gangsta-Rap-Videoclips beobachten. Auch der Film ‘Notorious’, der im
Januar 2009 in den Amerikanischen Kinos anlief und das Leben des 1997
erschossenen Gangster-HipHop-Stars ‚The Notorious B.I.G.’ nacherzählt,
belegt die Aktualität dieses Stereotyps eindrucksvoll, denn er „präsentiert (...)
fast die ganze Bandbreite der Hollywood-Stereotype der schwarzen Frau.“119
So findet man in dem Film nicht nur die Jezebel und die Sapphire (siehe
Kapitel 4.2.3), sondern auch die Mammy und das Stereotyp der Strong Black
Woman (siehe Kapitel 4.2.5). Pilgrim macht eine ernüchternde Feststellung,
wenn er konstatiert: „A half century after the American civil rights movement,
116
Pilgrim 2005a (online verfügbar unter: http://www.ferris.edu/htmls/news/jimcrow/jezebel/)
Iverem 2002 (online verfügbar unter:
http://www.seeingblack.com/x032802/post_oscars.shtml)
118
vgl. Pilgrim 2005a (online verfügbar unter:
http://www.ferris.edu/htmls/news/jimcrow/jezebel/)
119
Gernert 2009 (online verfügbar unter: http://www.stern.de/kultur/film/notorious-bigschwarze-klischees-in-hollywood-659273.html)
117
36
it is increasingly easy to find Black women, especially young ones, depicted
as Jezebels whose only value is as sexual commodities.”120
Bezüglich des Jezebel-Stereotyps existieren in einschlägiger Literatur leicht
voneinander abweichende Definitionen. Während Pilgrim und Jewell sich bei
der Beschreibung einer Jezebel ausschließlich auf ihre Hypersexualität
konzentrieren,121 fügen Yarbrough/Bennet auch die Aspekte der Lügnerei
und einer materiellen Denkweise hinzu. Ihr Jezebel-Image ist nicht einfach
nur hypersexuell, sondern nutzt seine Attraktivität, um sich im Gegenzug
Kleider und Geld von Männern schenken zu lassen122 . Auch der Blogger
Abagond beschreibt die Jezebel als eine Frau „[that] uses sex to draw men in
to get what she wants. Sometimes it is money. Sometimes it is to destroy
them [men].”123 Wyatt (1997) wiederum beschreibt zwar auch ein Stereotyp,
in dem sich Eigenschaften wie Hypersexualität und Materialismus vereinen,
nennt es aber The She-Devil.124
4.2.3 Sapphire/ Angry Black Woman
Laut K. Sue Jewell hat eine Sapphire kaum besondere körperliche Merkmale,
außer der Tatsache, dass ihre Hautfarbe meistens braun oder dunkelbraun
ist. Auf Bildern wird sie vorwiegend als junge Frau dargestellt, die normal bis
kräftig gebaut ist. Dabei ist die eine Hand in die Hüfte gestemmt, mit der
anderen zeigt sie auf jemanden, zumeist auf einen/ ihren Afroamerikanischen
Mann, der das Objekt einesStreits darstellt.125 Dem Stereotyp der Sapphire
werden ähnliche Charaktereigenschaften zugeschrieben wie den späteren
Darstellungen der frechen Mammy. So vereinen sich in der Sapphire
Eigenschaften wie Durchsetzungsvermögen, eine gewisse Streitsucht,
Redseligkeit, Sturheit und Rechthaberei, weshalb sie oft auch als Angry
Black Woman (ABW) bezeichnet wird.126 Zu Beginn der Entstehung des
120
Pilgrim 2005a (online verfügbar unter: http://www.ferris.edu/htmls/news/jimcrow/jezebel/)
vgl. ebd.; vgl. Jewell 1993: 46f.
122
vgl. Yarbrough/ Bennett 2000 (online verfügbar unter:
http://academic.udayton.edu/race/05intersection/Gender/AAWomen01a.htm)
123
Abagond 2008b (online verfügbar unter: http://abagond.wordpress.com/2008/03/06/thejezebel-stereotype/)
124
vgl. Wyatt 1997: 33
125
vgl. Jewell 1993: 45f.
126
vgl. ebd.: 45
121
37
Stereotyps der Sapphire richtete sich ihr Ärger vor allem gegen Schwarze
Männer, vornehmlich ihren eigenen Ehemann. Heute bezeichnet dieser
Begriff eine Afroamerikanische Frau, die grundsätzlich jede/n, der/die sie
beleidigt oder ihr Respektlosigkeit entgegenbringt, attackiert.
Die Sapphire wirkt wegen ihrer geradezu übertriebenen Aggressivität und
ihres „hands-on-hip, finger-pointing style“127 komödiantisch. Ihr wird nachgesagt sie habe ein übermäßig starkes Bedürfnis zu dominieren, sowie eine
Hypersensibilität für Ungerechtigkeiten, weshalb ihr der Vorwurf der
dauernden Nörgelei gemacht wird. Ihre Wut sei destruktiv, da sie verbittert
sei und anderen Unglück wünsche.128
Auch das Stereotyp der Sapphire dient, laut Pilgrim, der sozialen Kontrolle.
Mit seiner Hilfe werden Schwarze Frauen, die versuchen sich von der
passiven, nicht-handelnden, ungesehenen und unterwürfigen Rolle der
Afroamerikanischen Frau zu befreien, lächerlich gemacht und entmachtet.129
Darüber hinaus lässt sich die Sapphire, ebenso wie die Jezebel, auf die
christliche Mythologie zurückführen, „[which] depicted woman as the source
of sin and evil.“130 Unter dem Vorwand, dass Schwarze Frauen von Natur
aus teuflisch und dämonisch sind, konnten Entmenschlichung und sexuelle
Vergewaltigung gerechtfertigt werden.131
Bekannt wurde der Begriff Sapphire mit der ‚Amos `n Andy Radio Show’, die
von den Weißen Schauspielern Freeman Gosden und Charles Correll ins
Leben gerufen und zwischen 1928-1960 gesendet wurde. Von 1951 bis 1966
wurde diese Show zudem als Sitcom im Fernsehen gezeigt. Die drei
Protagonisten dieser Show waren Amos Jones, Andy Brown und George
‚Kingfish’ Stevens, dessen Frau Sapphire Stevens ihren tollpatschigen,
faulen Ehemann132 stets beschimpfte und seinen Lebensstil kritisierte.
Nachdem sich die ‚National Association for the Advancement of Colored
People’ stark gegen diese öffentliche Diskriminierung Afroamerikanischer
Männer und Frauen gewehrt hatte, wurde die Show schließlich abgesetzt.
127
Jewell 1993: 45
vgl. Pilgrim 2009a (online verfügbar unter:
http://www.ferris.edu/htmls/news/jimcrow/sapphire/)
129
vgl. ebd.
130
hooks 1981: 85
131
vgl. ebd.: 85
132
auch ‚Kingfish’ repräsentierte mit diesen Charaktereigenschaften ein gängiges Stereotyp
Afroamerikanischer Männer, den so genannten ‚Coon’.
128
38
Ebenso wie die verführende Jezebel wurde auch die aggressive Sapphire in
erster Linie durch Film und Fernsehen bekannt. Während der BlaxploitationÄra bildeten Jezebel und Sapphire eine Kombination und wurden so zu
„angry ‚whores’ fighting injustice.“133 Ihr Charakter ähnelte stark dem der
Schwarzen Super-Helden; d.h. sie entsprachen dem Amerikanischen Schönheitsideal und waren gleichzeitig aggressiv. Ihre Wut bezog sich nicht allein
auf den Schwarzen Mann, sondern konzentrierte sich allgemein auf
Ungerechtigkeiten und ihre Verursacher. Bekannte Blaxploitation-Filme
dieser Art sind z.B. ‚Coffy’ (1973) und ‚Shaft’ (1971).
Noch heutzutage ist die Sapphire eine der dominantesten Darstellungen
Afroamerikanischer Frauen, sowohl in Filmen, wie z.B. ‚Barbershop’ (2002)
und ‚Why did I get married’ (2007), als auch in Büchern, wie z.B. ‚The angry
Black woman’s guide to life’ (2004), sowie in Form von Karikaturen oder
Gebrauchsartikeln. Auch ‚Trash talk shows’ wie beispielsweise ‚The Jerry
Springer Show’134 und Reality-Shows wie ‚I love New York’ (2007) tragen
erheblich zur Verfestigung dieser Stereotype bei.
Campbell et al. (2008) sehen solche Shows sehr kritisch, zum Einen weil die
stereotypen Darstellungen dieser Show das Weiße Patriarchat unterstützen:
Die Jezebel, indem sie die Macht Schwarzer Frauen auf ihre Schönheit und
ihre Vagina reduziert, die Sapphire, indem sie ihre Macht übertreibt und sie
damit ad absurdum führt.135 Zum Anderen zeigen diese Shows nicht nur wie
andere Menschen Afroamerikanerinnen sehen, sondern auch wie sie sich
selbst sehen. Gleichzeitig vermitteln Schwarze Frauen ihren Geschlechtsgenossinnen den Eindruck, dass die existierenden patriarchalen (Rollen)Vorstellungen eine Selbstverständlichkeit sind. Campbell et al. bezeichnen
Afroamerikanerinnen, die patriarchale Archetypen akzeptieren und unterstützen, daher als ‚black female patriarchy’ und schlussfolgern, dass dieses
‚internalisierte Patriarchat’ in Wertvorstellungen umgewandelt werden muss,
die Gleichberechtigung und einen respektvollen Umgang in Partnerschaften
beinhalten.136
133
Pilgrim 2009a (online verfügbar unter:
http://www.ferris.edu/htmls/news/jimcrow/sapphire/)
134
vgl. ebd.
135
vgl. Campbell et al. 2008: 22 (auch online verfügbar unter:
http://www.bridgew.edu/SoAS/JIWS/Nov08/NewYork.pdf)
136
vgl. ebd.
39
4.2.4 Tragic Mulatto
Die so genannte Tragic Mulatto ist in erster Linie eine fiktionale Roman- und
Filmfigur. Wenngleich sie ebenso wie Mammy, Jezebel und Sapphire sehr
bekannt ist, wurde sie nicht so aggressiv vermarktet. In einschlägiger
Literatur begegnet man diesem Image daher seltener, und auch in der
HipHop-Kultur findet sich ihr Charakter nicht. Gleichzeitig ähnelt sie in sowohl
äußerlichen, als auch charakterlichen Merkmalen stark dem JezebelStereotyp. Auf Grund ihrer Popularität und charakterlichen Besonderheit soll
dieses Image dennoch an dieser Stelle ausgeführt werden.
Als Mulatto wird entweder der erste Nachkomme aus einer Schwarzen und
Weißen Partnerschaft bezeichnet oder ein Individuum, das sowohl Weiße als
auch Schwarze Vorfahren hat. Mulattos haben für gewöhnlich hellere Haut,
schmalere Lippen, glätteres Haar und eine schlanke Figur.
Zum ersten Mal wird die Figur der Tragic Mulatto 1842/43 in Kurzgeschichten
der Autorin Lydia Maria Child erwähnt. Fast ein Jahrhundert später eroberte
diese Figur die Kinoleinwände und die Romanliteratur, wobei vor allem ihre
Persönlichkeit im Mittelpunkt stand, die geprägt war von Selbsthass, Depression, Alkoholabhängigkeit, sexueller Perversion und Selbstmord. Das
Tragische an der Figur der Tragic Mulatto ist, dass ein Tropfen ‚Negro blood’
in ihren Adern fließt, das sie für immer auch Schwarz sein lässt. Oder mit den
Worten Pilgrims gesprochen: “(…) the greatest tragedy was to be nearWhite: so close, yet a racial gulf away“137. Somit gehört eine Tragic Mulatto
weder zur Schwarzen noch zur Weißen Ethnie, ist also ein zwischen den
Kulturen und Ethnien zerrissenes Individuum. Im Gegensatz zum Stereotyp
der Fictional Mammy kennt eine Tragic Mulatto ihren Platz in der
Gesellschaft nicht und schämt sich meist sogar für ihre Afrikanische
Herkunft. Die Folge sind Depressionen als Reaktion auf Gefühle von
Verlassenheit, Einsamkeit und Zerrissenheit. Filme, die Tragic Mulattos
porträtierten, endeten demzufolge entweder im Selbstmord oder Alkoholismus dieser Figur.138
137
Pilgrim 2005c (online verfügbar unter: http://www.ferris.edu/htmls/news/jimcrow/mulatto/)
vgl. Pilgrim 2005c (online verfügbar unter:
http://www.ferris.edu/htmls/news/jimcrow/mulatto/)
138
40
Tragic Mulattos wurden in Filmen oftmals auch von Weißen Frauen
dargestellt, da Produzenten mehr Publikumssympathie für eine gedemütigte
Weiße Frau erwarteten als für eine Schwarze. Als Beispiel hierfür führt
Pilgrim den Film ‚Pinky’ (1949) an, in dem Jeanne Crain, eine Weiße
Schauspielerin, die Rolle der Tragic Mulatto, und Ethel Waters ihre
dunkelhäutige Großmutter spielt. Er schreibt:
When audiences saw Ethel doing menial labor, it was consistent with their
understanding of a mammy's life, but when Jeanne Crain was shown washing
other people's clothes audiences cried.139
Ähnlich wie die Jezebel wurde auch die Tragic Mulatto als Verführerin
dargestellt, deren Schönheit den Weißen Mann dazu brachte sie zu
vergewaltigen. Darüber hinaus wurden viele Mulattos auch zum Zweck der
Prostitution verkauft. Manche nicht versklavten hellhäutigen Schwarzen
Frauen ließen sich sogar freiwillig zu Konkubinen wohlhabender Weißer
Männer machen, denn als Gegenleistung für ihre langfristigen sexuellen
Dienste erhielten diese Frauen finanzielle Unterstützung für sich und ihre
Kinder.
Um
an
einem
solchen
Abkommen
interessierte
Mulattos
kennenzulernen, wurden für wohlhabende Männer so genannte ‚Quadroon
Balls’ veranstaltet – ein Sexmarkt für wohlhabende Leute und sehr
hellhäutige, und damit sexuell begehrte, Mulattos.140
Genau wie die Fictional Mammy war auch die Tragic Mulatto mehr Mythos
als Realität. Für Weiße war eine Tragic Mulatto der Inbegriff des Tragischen.
Dabei ist Selbsthass und Hass auf Weiße nicht auf hellhäutige Schwarze
begrenzt, sondern betrifft alle ethnischen Randgruppen in den USA. Auch die
Behauptung, dass Mulattos weder in der Weißen noch in der Schwarzen
Gesellschaft akzeptiert waren, stimmt nicht. Oftmals waren sie in der
Schwarzen Gemeinschaft nicht nur akzeptiert, sondern hatten sogar führende Rollen inne. Die Tragik einer Tragic Mulatto war somit nicht ihr partielles
Schwarz-Sein, sondern die Tatsache, dass ihre Chancen auf Grund ihrer
Ethnie limitiert waren – wie für alle anderen Schwarzen auch.141
139
Ebd.
vgl. ebd.
141
vgl. Pilgrim 2005c (online verfügbar unter:
http://www.ferris.edu/htmls/news/jimcrow/mulatto/)
140
41
4.2.5 Weitere Mythen und Stereotype
Neben den bereits erwähnten Images existieren eine Reihe weiterer
Stereotype, die allerdings nicht so vermarktet wurden wie Mammy, Jezebel,
Sapphire und Tragic Mulatto. Allerdings lassen sich diese Stereotype entweder in eine der bereits Beschriebenen einordnen oder setzen sich aus
Eigenschaften verschiedener Stereotype zusammen.
Ein Stereotyp, dem man in einschlägiger Literatur häufiger begegnet, ist das
der Strong Black Woman (SBW). Es beschreibt eine Frau, die meist
alleinerziehend ist, weil sie keinen Mann an ihrer Seite braucht bzw. möchte
und in mehreren Jobs gleichzeitig arbeitet, um ihre Kinder und sich selbst
ernähren zu können. Sie ist immer für alle da und hat stets ein offenes Ohr
für die Probleme anderer, während sie gleichzeitig ihre eigenen Bedürfnisse
hinten anstellt. Ihr wird nachgesagt, sie sei emotional stärker als andere
Frauen, leide nicht so viel und könne sich schneller von Stress erholen.
Die Eigenschaft der ‚Stärke’ findet sich auf verschiedene Art und Weise in
mehreren Stereotypen wieder, wie z.B. in Form von Wut bei der Sapphire, in
Form von Unabhängigkeit im Matriarchy Myth (s.u.) oder in Form einer
gewissen Gerissenheit bei der Welfare Queen (s.u.). Das Attribut der SBW
entstand während des ‚Women’s Rights Movement’142. Weiße Feministinnen
tendierten dazu Schwarze weibliche Erfahrungen während der Sklaverei zu
romantisieren und sie als ‚strong’ zu bezeichnen, anstatt den negativen
Einfluss dieser Unterdrückung zu diskutieren.143 Die Folge dessen war, dass
das romantisierte Image der SWB Einfluss auf die gesamte Afroamerikanische Kultur nahm und die SWB nicht mehr als eine entmenschlichende
Bezeichnung aufgefasst wurde, sondern zum „new badge of black female
glory“144 erhoben wurde. In ihrem Buch ‚Ain’t I a woman’ (1981) macht die
Feministin bell hooks ihrem Ärger über diese Ignoranz seitens des Weißen
Feminismus Luft und schreibt:
142
das ‚Women’s Rights Movement’ war eine Organisation Kanadischer Weißer Frauen
(1848-1920), die sich für die Gleichberechtigung der Frau einsetze. Dieser Bewegung wurde
von Seiten der Afroamerikanerinnen oftmals vorgeworfen sie kämpfe lediglich für die
Emanzipation der Weißen Frau und lasse die speziellen Hintergründe und Umstände der
Afroamerikanischen Frauen außer Acht.
143
vgl. hooks 1981: 6
144
hooks 1981: 6
42
Black women were told that we should find our dignity not in liberation from
sexist oppression but in how well we could adjust, adapt, and cope. We had
been asked to stand up and be congratulated for being ‘good little women’ and
then told to sit down and shut up.145
Hingegen gibt es auch Schwarze Frauen, die diese Bezeichnung begrüßen,
wie z.B. die Rapperinnen Queen Latifah und Sister Souljah. Beide bezeichnen sich selbst als SBW und wollen damit einen Aufschwung ihrer Ethnie
signalisieren. Sie unterscheiden die ‚mythische Stärke’ ihrer Mütter, die in
einem sehr existentiellen Sinne stark sein mussten - „[I]f they had not been
[strong], none of us would be here“146 – von der Stärke, die Schwarzen
Frauen heutzutage abverlangt wird, um sich gegen die verschiedenen
Formen der Unterdrückung (Sexismus, Rassismus, Klassifizierung) seitens
der Amerikanischen Gesellschaft durchsetzen zu können.147
Den selben Typ Frau beschreibt die Psychologin und Autorin Gail Elisabeth
Wyatt, wenn sie vom Workhorse spricht. Wyatt (1997) vergleicht das
Workhorse mit der Sapphire und bemerkt dazu, dass beiden Stereotypen
eine gewisse Unnahbarkeit und Unbeliebtheit, aber auch Unabhängigkeit
gemein ist. Wyatt benennt ebenfalls die Ambivalenz der Bezeichnung
Workhorse. So sei positiv zu bewerten, dass sich dieses Image zum ersten
Mal auf andere Fähigkeiten der Afroamerikanischen Frau konzentriere als
Mutterschaft und sexuelles Geschick. Negativ sei allerdings gleichzeitig, dass
es Schwarze Frauen als hart und unfeminin präsentiere, und dass es den
Frauen abverlangt ihre eigenen Gefühle zu ignorieren, um stark sein zu
können.148
Auch der so genannten Matriarchin ist eine gewisse ‚Stärke’ zu eigen. Dieses
Image löst seit den 1960er Jahren vermehrt das Mammy-Stereotyp bezüglich
seiner Bekanntheit ab und bezeichnet, laut Abagond, „a strong black woman
who acts as both mother and father to her children – either because the
father has left or is not living up to his duties. She is pictured as dark, fat and
145
Ebd.: 7
Pough 2004: 116
147
vgl. ebd.: 116
148
vgl. Wyatt 1997: 35
146
43
ugly, as acting and looking much like a man.“149 Wie die Sapphire wird auch
die Matriarchin als schnippisch, herrisch und rechthaberisch beschrieben.150
Ein weiteres Stereotyp der Afroamerikanischen Frau ist die Welfare Queen.
Dieser Begriff entstand 1976 unter der Regierung Ronald Reagans. Er
machte die Geschichte einer Schwarzen Frau populär, die unberechtigter
Weise Sozialhilfegelder erhielt und, laut Reagan, einen Cadillac fuhr. Obwohl
diese Frau nie gefunden wurde, manifestierte sich ihre Erfindung in Form der
Welfare Queen in den Köpfen der Amerikaner. So ist sie heutzutage ein weit
verbreitetes Stereotyp, das eine Frau bezeichnet, die sich angeblich mit
Sozialhilfegeldern ein schönes Leben macht. In der Amerikanischen
Ideologie hat sie viele Kinder und ist alleinerziehend, hat keine Lust zu
arbeiten und kann ihren Geschlechtstrieb nicht zügeln.151
4.3 Zusammenfassung
Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass insgesamt vier
verschiedene Hauptstereotype formuliert werden können, die sehr unterschiedliche Bilder Afroamerikanischer Frauen präsentieren. Wenngleich allen
Stereotypen verschiedene Charaktereigenschaften zugewiesen werden
können, weisen sie auch Gemeinsamkeiten auf: Sie...
1. ... haben Afroamerikanische Frauen und ihre Entwicklung einer selbstbewussten und selbstbestimmten Weiblichkeit152 über mehr als zwei
149
Abagond 2008c (online verfügbar unter: http://abagond.wordpress.com/2008/03/28/thematriarch-stereotype/)
150
Der Mythos vom Schwarzen Matriarch entstand, als Afroamerikanische Frauen
150
versuchten während der Ära des ‚Cult of True Womanhood’ die Aufmerksamkeit weg von
ihrer Sexualität und hin zu ihrer mütterlichen Hingabe zu lenken. Doch diese Versuche einer
Anpassung schlugen fehl und wurden von der Amerikanischen Bevölkerung negativ
gedeutet. Afroamerikanerinnen wurden als Frauen betrachtet, denen eine gewisse
Mütterlichkeit im Blut liege, wurden aber gleichzeitig auch als unfeminin, stur und dominant
bezeichnet. Dass die reale Situation Schwarzer Frauen in der Amerikanischen Gesellschaft
so gut wie nichts mit der Definition eines ‚echten’ Matriarchats gemeinsam hat, belegt bell
hooks ausführlich in ihrem Buch ‚Ain’t I a Woman?’ (vgl. hooks 1981: 70ff.).
151
vgl. Abagond 2008d (online verfügbar unter:
http://abagond.wordpress.com/2008/03/11/the-welfare-queen-stereotype/)
152
Den Ausdruck „selbstbewusste und selbstbestimmte Weiblichkeit“ beziehe ich an dieser
Stelle sowohl auf die biologischen als auch auf die gesellschaftlichen Aspekte des FrauSeins. Dazu gehören meines Erachtens z.B. eine selbstbestimmte Sexualität, ein positives
Körpergefühl, die Lust und Freude an Schwangerschaft, am Gebären von Kindern und am
Mutter-Sein, ein Gefühl von Schönheit und Attraktivität sowie erfüllende geistige und/oder
körperliche Arbeit, die wertgeschätzt wird, respektvoller Umgang in Partner- und
44
Jahrhunderte lang unterdrückt, missachtet und negativ belegt und Frauen
stattdessen entweder als asexuell oder hypersexuell dargestellt.
In the nineteenth century when the nation was preoccupied with keeping
women in the home and protecting them, only slave women were so totally
unprotected by men or by law. Only black women had their womanhood so
totally denied.153
2. ... projizieren negativ konnotierte Fähigkeiten auf Schwarze Frauen: ihr
sexuelles Geschick, ihre Begabung zu Betrug und Hinterlist, ihre Vorliebe
sich zu beklagen und/ oder ihre Berufung zum Dienen.
3. ... verstellen dadurch den Blick auf die Vielfalt an Persönlichkeiten und
Lebensstilen, die bei jeder Gruppe von Menschen zu finden ist, egal ob
Frauen, Afroamerikaner, Juden, Homosexuelle etc. Vielmehr vermitteln
uns diese Stereotype den Eindruck „that black women are happy to do the
dirty work (Mammy), do not mind having sex and children without a
wedding ring (Jezebel) and complain too much (Sapphire).”154
4. ... dienen dazu Minderheiten, in diesem Fall Afroamerikanische Frauen,
zu unterdrücken und diese Suppression gleichzeitig zu rechtfertigen, um
die
eigene
ökonomische
und
soziale
Vorherrschaft
zu
sichern.
Gleichzeitig erleben andere Gruppen von Individuen innerhalb der
Gesellschaft durch die Unterdrückung Schwarzer Frauen eine Statuserhöhung. Diejenigen, die vorher in der gesellschaftlichen Hierarchie ganz
unten standen, rücken plötzlich eine Stufe nach oben.155
5. Alle drei Stereotype sind heute noch hochaktuell und werden weiterhin
durch die Medien (v.a. Film, Fernsehen und Kino) verbreitet und weiter
gefestigt. Allerdings ist anzumerken, dass mittlerweile auch einige positive
Darstellungen Afroamerikanischer Frauen in Film und Fernsehen existieren. So stellte beispielsweise der Schauspieler Bill Cosby in seiner
gleichnamigen Sitcom Afroamerikanerinnen auch positiv dar, indem er
Charaktereigenschaften wie Intelligenz, Leistungsorientierung, berufliche
Flexibilität und Warmherzigkeit herausarbeitete. Doch auch die Sitcoms
Freundschaften, positive und negative Gefühle zulassen und haben dürfen, das Recht zu
haben in jeglicher Hinsicht frei wählen zu dürfen (Arbeit, Partner, Freunde etc.) u.v.a.m.
153
White 1985: 162
154
Abagond 2008a (online verfügbar unter:
http://abagond.wordpress.com/2008/03/05/stereotypes-about-black-women/)
155
vgl. Jewell 1993: 58
45
dieser Zeit beinhalteten immer noch gleichzeitig mindestens eines der
traditionellen, negativ belegten Stereotype.156
Von allen vier beschriebenen Stereotypen nimmt die Tragic Mulatto meiner
Ansicht nach eine Sonderrolle innerhalb dieser Kategorisierung ein. Obwohl
sie in ihrer Gesamtkonstruktion durchaus ein sehr individuelles Image
darstellt, halte ich es für sinnvoll und gerechtfertigt sie auf Grund ihrer
vornehmlichen
Rolle
als
Verführerin
und
ihrer
Reduzierung
auf
Äußerlichkeiten als Variation des Jezebel-Stereotyps zu behandeln. Da sich
ihre Gesamtpersönlichkeit zudem nicht in weiblichen role models der
HipHop-Kultur wiederfindet, werde ich mich in den weiteren Ausführungen
auf folgende drei Stereotype konzentrieren: Die asexuelle Heilige in Form der
Mammy, die hypersexuelle Verführerin, auch Jezebel genannt, und die
aggressive Domina, die Sapphire. Alle drei können entweder dem UrStereotyp der Frau als Heilige oder Hure zugeordnet werden. Dabei
repräsentiert das Mammy-Stereotyp die Heilige, während Jezebel und
Sapphire Variationen der Hure darstellen. Diesen Zusammenhang habe ich
in untenstehendem Schaubild verdeutlicht:
Heilige
Mammy
Hure
Sapphire
Jezebel
Abb.1: Zuordnung weiblicher Afroamerikanischer Stereotype zum
Heilige/Hure-Modell
Darüber hinaus haben die Ausführungen des vorigen Kapitels gezeigt, dass
die Stereotype nicht immer ganz klar voneinander abzugrenzen sind. So
werden teilweise verschiedene Benennungen für die gleichen (oder sehr
ähnliche) Stereotype benutzt oder es werden einem Stereotyp unterschiedliche Charaktereigenschaften zugewiesen. Tatsächlich lässt sich feststellen,
dass sich die Stereotype zum Teil gegenseitig beeinflussen (siehe Pfeile im
Schaubild). So vereint sich beispielsweise in der Sassy Mammy das
Mütterliche der Mammy mit dem Aggressiven der Sapphire. Auch moderne
156
vgl. Jewell 1993: 49
46
Jezebel-Darstellungen werden oftmals mit einer gewissen Aggressivität
kombiniert. Ebenso präsentieren sich die moderneren Stereotype Welfare
Queen und Matriarch als Mischung aus Mammy, Jezebel und Sapphire.
47
5. Weibliche Rollenmodelle und Identitätskonzepte
im HipHop
“After all,
my words are bigger and more valuable
than my breasts could ever be.”157
„Die afroamerikanische Geschichte bildet den Hintergrund für die weltweite
Meta-Erzählung HipHop – Unterdrückung und Befreiung sind der Subtext für
Geschichten und Identitätskonstruktionen im HipHop (...).“158 Eine der
bekanntesten Identitätskonstruktionen im HipHop stellt die Präsentation der
Frau als Bitch dar (siehe Kapitel 3.2.1). Unter der Oberfläche existieren
jedoch eine Reihe weiterer Rollenmodelle, die Frauen während der letzten 30
Jahre kreiert haben und die sich durch sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, Einstellungen, Emotionen und Botschaften auszeichnen, welche
Rapperinnen zum Ausdruck bringen wollen.
Gleichzeitig lässt sich aber auch feststellen, dass sich die Geschichte
stereotyper Afroamerikanischer Weiblichkeit im HipHop fortzusetzen scheint.
Denn obwohl die Entstehung dieser Stereotype bereits ca. 200 Jahre
zurückliegt, lassen sich immer noch frappierende Ähnlichkeiten zwischen
weiblichen Rollenmodellen im HipHop und jenen traditionellen Stereotypen
erkennen. In Bezug auf den kommerziellen HipHop lässt sich gar vermuten,
dass manche Rollenmodelle traditionelle Stereotype noch verfestigen. Dieser
Hypothese soll in diesem Kapitel nachgegangen werden.
Dazu werden zunächst Identitätskonzepte von Rapperinnen im HipHop
vorgestellt und erörtert. Diese Ausführungen beziehen sich vor allem auf
Schriften von Cheryl Keyes (2002) sowie Clara Völker und Stefanie Menrath
(2007). Anschließend werden jene role models in Bezug zu den traditionellen
stereotypen Darstellungen Afroamerikanischer Frauen gesetzt und sowohl
ihre Zusammenhänge als auch ihre Diskrepanzen erörtert.
157
Jwl B. im Interview 2008 (online verfügbar unter:
http://www.rmchronicle.com/index.php?option=com_content&task=view&id=2231&Itemid=6
158
Völker/Menrath, in: Schischmanjan/Wünsch 2007: 24
48
5.1 Role models im HipHop
Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich verschiedene weibliche
Rollenmodelle entwickelt, mit denen sich Frauen identifizieren und mehr oder
weniger erfolgreich im HipHop-Biz produzieren können. Sowohl die
Ethnomusikologin Cheryl Keyes als auch die Autorinnen Clara Völker und
Stefanie Menrath (2007) haben versucht Rapperinnen und ihre Rollenmodelle im HipHop systematisch zu erfassen. Alle drei Autorinnen machen
dabei deutlich, dass Rollenmodelle mediale Konstrukte sind, an denen die so
genannte ‚interpretive community‘, bestehend aus den Medien, der
Musikindustrie, den Zuschauern und der Selbstdarstellung der Künstlerinnen,
entscheidend mitwirkt.
Cheryl Keyes formulierte 2002 folgende vier Rollenmodelle im HipHop159:
1. Queen Mother
2. Fly Girl
3. Sista with Attitude
a) Frankness-Approach
b) No-Nonsense-Approach
c) Gangsta Bitch
d) First Lady
4. Lesbian
Völker/Menrath hingegen arbeiteten folgende fünf Kategorien heraus:160
1. Soul- bzw. Conscious-Sister
2. True School MC
3. Queen Bitch
4. Gangster-Rapperin
5. Crew-Sahnehaube
159
160
vgl. Keyes 2002: 189-208
vgl. Völker/Menrath, in: Schischmanjan/Wünsch 2007: 10-20
49
Beide Systematisierungen ähneln sich in vielerlei Hinsicht, zeigen an anderer
Stelle aber auch interessante Divergenzen. So fällt z.B. auf, dass Keyes die
Kategorie der Lesbian formuliert, die allerdings fünf Jahre später bei
Völker/Menrath keinerlei Erwähnung mehr findet. Leider begründen die
Autorinnen ihre Entscheidung nicht, so dass sich über das Verbleiben dieser
Kategorie nur mutmaßen lässt. Einerseits ließe sich argumentieren, dass die
Lesbian unbedingt ins Rollenrepertoire aufgenommen werden muss, da
gerade diese Kategorie auf Grund der starken Homophobie im HipHop
intensiverer Erwähnung und Diskussion bedarf. Andererseits könnte
angemerkt werden, dass eine Eröffnung dieser Kategorie lesbische Frauen in
eine Sonderrolle rückt, ähnlich wie die Begriffe ‚Frauen-Rap’ oder ‚Female
MC’. Sie würden als ‚das Andere’, ‚das Besondere’ identifiziert und damit
diskriminiert.
Bemerkenswert an dieser Kategorie ist zudem, dass sie als einzige aller role
models nicht ein weibliches Selbstkonzept innerhalb der HipHop-Kultur
beschreibt, sondern sich lediglich auf die sexuelle Orientierung konzentriert.
Wie bereits erwähnt, kann dies zwar in Anbetracht der vorherrschenden
Homophobie im HipHop sinnvoll sein, birgt aber gleichzeitig die Gefahr, dass
Lesbisch-Sein an sich bereits als ein Selbstkonzept, also als eine
Einstellungssache, betrachtet wird, die veränderbar und überdenkbar ist. Da
ich diese Ansicht für äußerst kritisch halte, werde ich die Kategorie der
Lesbian nicht in die Rollenmodelle aufnehmen. Um trotzdem der ‚Sonderrolle’ der Homosexualität im HipHop gerecht zu werden, widme ich im
Anschluss an die Beschreibung der role models meine Aufmerksamkeit der
lesbischen HipHop-Gruppe Yo! Majesty (siehe Kapitel 5.3).
Meiner Ansicht nach lassen sich alle role models von Keyes und
Völker/Menrath entsprechend ihrer Hauptcharakteristika, ähnlich wie die
Stereotype Afroamerikanischer Frauen, in drei Oberkategorien einteilen: Die
erste Oberkategorie bildet dabei die Queen Mother, eines der ältesten
weiblichen role models im HipHop und gekennzeichnet durch eine mütterliche Ausstrahlung und eine (be)lehrende Attitüde. Die zweite Oberkategorie
wird von den Sistas with Attitude repräsentiert, denen vor allem eine gewisse
Trotzigkeit und Aggressivität zu eigen ist und die sich meist wenig ‚feminin’
kleiden. Die dritte Oberkategorie bilden schließlich die Bitches, deren
Hauptmerkmal das Spiel mit ihrem Körper und ihrer Sexualität ist.
50
Alle anderen role models von Keyes und Völker/Menrath lassen sich diesen
Oberkategorien unterordnen. Allerdings nehme ich teilweise eine andere
Zuordnung vor als es die Autorinnen getan haben. Beispielsweise formuliert
Keyes vier role models, denen sie eine gewisse aggressive Haltung als
Hauptcharaktermerkmal zuschreibt. Demnach systematisiert sie FranknessApproach, First Lady, Gangsta Bitch und No-Nonsense-Approach zu den
Sistas with Attitude. Doch ebenso wie für Völker/Menrath stehen, zumindest
für die ersten drei dieser role models, auch meiner Ansicht nach eher ihre
Sexualität und ihr Körper im Vordergrund.
Das unten stehende Schaubild verdeutlicht meine Zuordnung der role
models und wird darüber hinaus von einem weiteren Rollenmodell, der
Playerette, ergänzt, das im Beitrag ‚Verbal Duelling’ (2004) von Monika
Sokol161 Erwähnung findet. So ergibt sich folgende Systematisierung:
Queen Mother
Sista with Attitude
Bitch
Conscious-Sister
Soul-Sister
Gangsta-Rapperin
No-NonsenseApproach
Queen Bitch
Frankness-Approach
Playerette
Gangsta-Bitch
Crew-Sahnehaube
First Lady
Fly Girl
True School MC
Abb. 2: Kategorisierung der weiblichen role models im HipHop: (Keyes [rot],
Völker/Menrath [blau], Sokol [grün])
Bei Betrachtung des Schaubildes zeigen sich bereits zwei wichtige Aspekte:
Zum einen fällt auf, dass die Kategorie der Bitch im Vergleich zu den
anderen Kategorien eine größere Anzahl an Rollenmodellen aufweist. Zum
anderen kristallisiert sich die Kategorie des True School MC heraus, die sich
meiner Meinung nach nicht in dieses Schema einpassen lässt. In den
folgenden Abschnitten werden die role models im Einzelnen erörtet und
weitere Besonderheiten dargelegt.
161
vgl. Sokol, in: Kimminich 2004: 113-160
51
5.1.1 Queen Mother
Nach Keyes wird die Queen Mother ursprünglich mit Afrikanischer
traditioneller Königskultur des 16. Jh. in Verbindung gebracht, innerhalb
derer die Mutter des Königs gewisse Rechte und Privilegien genoss. Eine
Queen Mother im HipHop identifiziert sich demzufolge stark mit ihrer
Herkunft, was sich u.a. in ihrem Kleidungsstil äußert: Sie trägt für ihr Land
typische Kopfbedeckungen, hat kunstvoll geflochtene Haare und schmückt
sich mit Ägyptischen Kreuzen und Afrikanischen Stoffen (Kente), die
ursprünglich nur Könige tragen durften. Ihre textlichen Inhalte konzentrieren
sich auf die weibliche Kraft und Spiritualität und fordern Respekt vor ihrer
Ethnie, insbesondere Schwarzen Frauen gegenüber. Sie definiert sich selbst
als Afrikanerin, Frau, Kriegerin, Priesterin und Königin. Als Queen Mother
werden z.B. die Rapperinnen Queen Kenya (als erste selbsternannte
Queen), Queen Latifah, Sister Souljah, Queen Mother Rage und Yo-Yo
bezeichnet.
Am Beispiel Queen Latifah’s verdeutlicht Keyes das typisch Mütterliche einer
Queen Mother: „Lathifah’s maternal demeanor, posture, and full figure
contribute to the perception of her as a queen mother.”162 Während Queen
Latifah sich allerdings Offstage lieber von dieser mütterlichen Zuschreibung
distanziert, rappt sie auf der Bühne über politische und ökonomische
Themen in Bezug auf Schwarze Frauen und die ‚black community’ und
präsentiert sich damit als eine so genannte ‚othermother’, eine Frau, die sich
für ihre ‚community’ einsetzt „by expressing ethics of caring and personal
accountability which embrace conceptions of transformation and mutuality.“
Ihre 1989 veröffentlichte Platinum-Single Ladies First, der erste politische
Rap-Song einer Künstlerin, hat ihr mütterliches Image zusätzlich verstärkt.163
Sie fungiert als Unterstützerin ihrer community und gleichzeitig als Erzieherin
ihrer Zuhörer.
Die Rolle der Conscious-Sister nach Völker/Menrath kann als Entsprechung
der Queen Mother nach Keyes verstanden werden. Mit dem Begriff der
Sisterhood beziehen sich Völker/Menrath auf die Ende der 1980er Jahre
entstandenen Bündnisse unter Schwarzen Frauen, die gemeinsam für ihre
162
163
Keyes 2002: 190
vgl. ebd.: 192
52
Rechte kämpften. Der Begriff Conscious (engl.: bewusst) wiederum „bezieht
sich auf die politische Ausrichtung in den Texten und auf eine generelle
kritische, bewusste Haltung“164 .
Die Conscious-Tradition entwickelte sich schließlich weiter zu den so
genannten Neo-Soul-Sisters der 1990er Jahre (z.B. Lauryn Hill, Erykah Badu
u.v.a.), die politische und persönliche Themen miteinander vermischten.
Zudem verschmelzen im Neo-Soul Musikstile wie Swing, Blues, Soul oder
Jazz mit HipHop der 1990er Jahre. Der Kleidungsstil lässt immer noch
Afrikanische Traditionen erkennen, zeigt sich aber gleichzeitig in etwas
modernerem Gewand. Während Conscious-Rapperinnen, laut Völker/
Menrath, mehr zum Tomboy-Stil165 neigen,166 zeigen sich Vertreterinnen des
Neo-Soul oder Soul eher feminin (z.B. Ursula Rucker, Jill Scott, Macy Gray).
5.1.2 Sista with Attitude
Die Sista with Attitude bildet die zweite Oberkategorie. Ihr Charakteristikum
ist vor allen Dingen eine aggressive, arrogante und aufsässige Verhaltensweise.167 Diese Aggressivität äußert sich beispielsweise in beleidigenden
Äußerungen wie ‚motherfuckas’, ‚niggas’ oder ‚thug niggas’ männlichen
Kollegen gegenüber. Da aber ritualisierte verbale Auseinandersetzungen,
auch ‚signifyin’ genannt, eine gängige Technik im Rapping darstellen, können
diese Bezeichnungen, je nach Kontext, positiv oder negativ gedeutet
werden.168
Bei
der
Gangsta-Rapperin
hingegen
zeigt
sich
ihre
Aggressivität
unmissverständlich, indem sie sich „unantastbar, androgyn und gewaltbereit“
darstellt und „hart wie ein Mann“169 ist. Diese Androgynität offenbart sich
beispielsweise in einem weiten Kleidungsstil (Tomboy). Der Autorin Gail E.
Wyatt (1997) zu Folge versuchen Frauen mit Hilfe dieses Kleidungsstils
164
Petri, Jeanette im Interview 2007 (online verfügbar unter: http://www.avivaberlin.de/aviva/content_Kultur_Ausgelesen.php?id=10953)
165
Als Tomboy werden Mädchen oder Frauen bezeichnet, die sich entsprechend der
gängigen Geschlechterrolle von Jungen verhalten und kleiden oder deren Kleidungsstil nicht
als eindeutig ‚weiblich’ identifiziert werden kann.
166
vgl. Völker/Menrath, in: Schischmanjan/Wünsch 2007: 14
167
vgl. Smitherman 1994: 228
168
vgl. Keyes 2002: 200
169
beide Zitate Völker/Menrath, in: Schischmanjan/Wünsch 2007:17
53
feminine Rundungen zu verdecken, um vom weiblichen Körper abzulenken
und stattdessen ihre ‚toughe’ Persönlichkeit zu betonen. Wyatt erläutert:
„That is the price of resprectability – sacrificing their sexuality to behave the
way people who matter to them expect them to behave”.170 Eine gewisse
‘Toughness’ im Sinne von Unabhängigkeit demonstriert eine GangstaRapperin auch, indem sie ihre Texte selbst schreibt, was bei den anderen
bisher vorgestellten role models meist nicht der Fall ist.
Das role model der Gangsta-Rapperin verkauft sich auf dem HipHop-Markt
bisher nicht besonders gut – ganz im Gegensatz zu ihren männlichen
Vertretern wie z.B. Ice Cube und N.W.A. Rapperinnen, die das GangstaImage vertreten, sind z.B. Lady of Rage (der Name ist Programm), Bo$$ und
Eve.
Auch das role model No-Nonsense-Approach agiert mit aggressiver Attitüde
und ist daher den Sistas with Attitude zuzuordnen. Eine Rapperin, die sich
laut Keyes dieses role models bedient, ist MC Lyte: „Lyte’s hardcore stage
attitude – tough and aggressive – is intensified through the use of expletives
but mostly through boisterous speech”.171 Dennoch fallen MC Lytes Kritiken
an Männern, die mit den Gefühlen von Frauen spielen, eher subtil aus und
sind nicht so ‘geradeheraus’ wie z.B. Äußerungen einer Gangster-Rapperin.172 Gleichzeitig schreibt MC Lyte teilweise sehr lyrische Texte, weshalb
sie aus meiner Sicht auch das Modell des True School MC (siehe Kapitel
5.1.4) vertritt.
5.1.3 Bitch
Die Bitches repräsentieren die dritte und gleichzeitig differenzierteste
Oberkategorie. Da sich sowohl Männer als auch Frauen in den letzten
Jahren intensiv mit der Bezeichnung Bitch auseinandergesetzt haben und
dieser Begriff dadurch mittlerweile polysem verwendet wird, soll an dieser
Stelle genauer auf den Ausdruck eingegangen werden. Dabei beziehe ich
170
Wyatt 1997: 35
Keyes 2002: 201f.
172
vgl. ebd.: 202
171
54
mich auf einen Definitionsversuch von Kimiko Leibnitz in ihrem Aufsatz ‚Die
Bitch als ambivalentes Weiblichkeitskonzept im HipHop’ (2007).173
Grundsätzlich gilt, dass sich eine Bitch ausschließlich über ihren Körper und
ihre Sexualität definiert und ihre sexuellen Dienste für Ruhm, Macht und Geld
anbietet.174 Mittlerweile werden aber auch Frauen als Bitches dargestellt, die
„durch verbale oder tatsächliche Attacken bzw. durch eine grundsätzlich
aggressive Haltung auffallen und sich somit nicht in ihre kulturhistorisch
etablierte Rolle als devotes, selbstloses Objekt einfügen.“175 Darüber hinaus
werden in Männerraps jene Frauen als Bitches bezeichnet, die sich abfällig
über weniger wohlhabende Männer äußern, positiv hingegen werden sie
dargestellt, wenn sie ihren Mann in allen (auch kriminellen) Lebenslagen
unterstützen und sich damit konform mit den Werten des Patriarchats
verhalten (siehe z.B. ‚Me and my bitch’ von Notorious B.I.G.).
Wenngleich es viele Rapperinnen gibt, die genau diesem Frauenbild
entsprechen, begegnet man der Bitch in ‚Frauenraps’ auch öfters in Form
einer positiven Umdeutung (z.B. bei Lil’ Kim, Da Brat, Missy Elliott). Die Bitch
wird dabei als aktiver und selbstbestimmter Part in sexuellen Beziehungen
betrachtet. Gleichzeitig wird sie nicht ausschließlich als sexuelles Wesen
gesehen, sondern fungiert auch als Mutter oder Freundin. Im Widerspruch zu
diesem selbstbewussten, vielfältigen Bild der Bitch steht die Tatsache, dass
die Songtexte vieler Rapperinnen dieses role models oftmals von männlichen
Autoren verfasst sind, wodurch sich Frauen wieder eines entscheidenden
Anteils an Eigenständigkeit und an Abgrenzung von der patriarchalen
Unterhaltungsbranche berauben.176
Frauen, die den durch männliche Rapper negativ besetzten Begriff der Bitch
übersteigern und ihn positiv besetzen, bezeichnen Völker/Menrath als Queen
Bitches, zu denen sich z.B. auch die Rapperinnen Lil’ Kim und Foxy Brown
zählen. Sie entsprechen bzgl. ihrer Eigenschaften und ihrer Einstellung zur
Sexualität den Bitches. Allerdings treten Queen Bitches nicht nur als selbstbewusste ‚Sexbomben’ auf, sondern weisen mit ihrem aggressiven Auftreten
173
vgl. Leibnitz, in: Bock et al. 2007: 157-171
vgl. Völker/Menrath, in: Schischmanjan/Wünsch 2007: 11
175
Leibnitz, in: Bock et.al. 2007: 158
176
vgl. Pough 2004: 186
174
55
auch auf die „doppelten Standards für weibliche und männliche Rapper (…)
im Umgang mit Sexualität“177 hin:
Eine unfreundliche, aggressive Frau wird schnell als ‚Bitch’ bezeichnet,
während das gleiche Verhalten bei Männern attraktiv wirken soll. Auch
Promiskuität ist für Frauen tabu, während Männer damit ihre Männlichkeit
unter Beweis stellen.178
Die Methode der positiven Umdeutung der Bitch wird in einschlägiger
Literatur sehr unterschiedlich bewertet. So verteidigt beispielsweise Melissa
Connerly (2005) Lil’ Kim als Queen Bitch und vertritt die Ansicht, dass
Stereotype nur überwunden werden können, indem sie erst angenommen
und schließlich Schritt für Schritt angefochten werden:
In fact, they should look to the hip-hop community itself, as it seems that the
only way to destroy these stereotypes is for African American women such
as Lil’ Kim and Queen Latifah to embrace them. The place where these
stereotypes were re-born will be the same place they are changed and
reconstructed for the better.179
Connerly argumentiert, dass Lil’ Kim das traditionelle Jezebel-Image in Frage
stellt, indem sie es selbstbewusst und für jeden erkennbar aufgreift. Lil’ Kim
agiere damit auf eine Weise, die Dick Hebdige (1979) als „interrupting the
process of ‚normalization’”180 bezeichnet. Genau dieses Ausbrechen aus
dem ‚Normalen’, dem ‚Erwarteten’ werte Lil’ Kim’s Position als Jezebel
innerhalb der HipHop-Szene auf. Gleichzeitig präsentiere Lil’ Kim weibliche
Lüsternheit als akzeptable Eigenschaft und diminuiere dadurch die
provokante Wirkung sexistischer Songs männlicher Rapper, so Connerly:
(...) the lyrics of songs such as ‘Tip Drill’ are not as strong as they once were
because Lil’ Kim makes them acceptable. (...). Lil’ Kim’s actions take on a
form of female liberation, where being open sexually is not only reserved for
the men in our society.181
Eine Vertreterin der oppositionellen Haltung ist beispielsweise die Autorin
Kimiko Leibnitz, die behauptet, dass durch die positive Umdeutung des
Begriffs Bitch zwar einerseits die „patriarchalisch-männliche Kategorisierungsmacht (...) untergraben“ wird, andererseits aber „nicht die Überwindung
177
Völker/Menrath, in: Schischmanjan/Wünsch 2007: 12
Ebd.: 12
179
Connerly 2005: 1 (online verfügbar unter:
http://dialogues.rutgers.edu/vol_04/pdf_files/m_connerly.pdf)
180
Hebdige 1979: 18
181
Connerly 2005: 8 (online verfügbar unter:
http://dialogues.rutgers.edu/vol_04/pdf_files/m_connerly.pdf)
178
56
der misogynen Bezeichnungspraxis“182 gelingt. Auch die Autorinnen und
Autoren Gabriele Klein und Malte Friedrich bestätigen diese Kritik, wenn sie
bemerken: „Das being bad ist ein struktureller Bestandteil des HipHop. Das
bedeutet, daß/sic/ Frauen den Spieß zwar umdrehen können, der Spieß aber
eigentlich nicht ihrer ist.“183 Leibnitz beschreibt die Problematik der positiven
Umdeutung der Bitch als „ein allgemeines kulturelles Problem“, das nur
„durch eine radikale Infragestellung von – bzw. dem Bruch mit –
patriarchalen Denkstrukturen“184 zu lösen sei.
Bock et al. (2007) merken darüber hinaus an, dass derartige Methoden zwar
als Emanzipationspraxis anerkannt werden müssen, dass diese Praxis
allerdings gleichzeitig auf einer rein persönlichen Ebene verbleibt, die keine
strukturellen Veränderungen mit sich bringt.
Die offensive Präsentation auch von weiblicher Sexualität, Homosexualität,
sexueller Unterwürfigkeit etc. kann des Weiteren als Emanzipationspraxis
auch dann verstanden werden wenn männliche Phantasien bedient werden.
Denn sie richten sich zum einen gegen einen vermeintlich weißen
Feminismusdiskurs und zum anderen gegen bürgerliche Moralvorstellungen.
Alle (...) Emanzipationspraktiken haben jedoch gemeinsam, dass sie nicht
regionale, ökonomische, geschlechts- und sexualitätsbedingte, kulturelle und
soziale Marginalisierungen und Herrschaftsverhältnisse aktiv zu überwinden
trachten, sondern HipHop wird dabei eher als Kompensations- und
Lebenshilfe genutzt, diese Marginalisierungen ertragen zu können.185
Wenngleich die Betrachtungsweise der selbstbewussten Bitch durchaus
fragwürdig bleibt und genauso viele Fürsprecher wie Gegner findet, muss
diese Haltung meiner Ansicht nach zumindest als respektabler Versuch
gewertet werden sich aus den Fängen stereotyper Zuschreibungen zu
befreien. Dies wiederum gelingt Rapperinnen, je nach Grad ihrer Reflektion,
Innovation, Kreativität, Provokation und Vielfalt, in unterschiedlich hohem
Maße. Auch wenn Rapperinnen vielleicht nicht die Aufhebung des Sexismus
im HipHop erreichen, provozieren sie dennoch angeregte Diskussionen und
rufen damit zumindest eine gewisse Irritation innerhalb und außerhalb der
HipHop-Kultur hervor. Allerdings ist nicht zu verleugnen, dass vielen
Rapperinnen, so vielleicht auch Lil’ Kim, die weibliche Emanzipation nicht so
viel bedeutet wie das Geld, das sich mit dem Huren-Image im HipHop
verdienen lässt.
182
beide Zitate Leibnitz, in: Bock et.al. 2007: 164
Klein/Friedrich 2003: 208
184
Leibnitz, in: Bock et.al. 2007: 166
185
Bock 2007: 319
183
57
Keyes beschreibt das role model der Queen-Bitch mit dem Wort Frankness
und spielt damit auf die Direktheit bzgl. ihrer Ausdrucksweise an, die
manchen Rapperinnen, wie Roxanne Shanté, Bytches with Problems (BWP)
und Da Brat zu eigen ist. Entsprechend Völker/Menraths Queen-Bitch deuten
auch Keyes’ ‚frank women’ den Begriff der Bitch positiv um.
Das von Sokol beschriebene role model der Playerette (die weibliche Form
des Players oder Moguls186) entspricht ebenfalls den Eigenschaften einer
Queen Bitch. In ihr verbinden sich „Assoziationsfelder des Zuhältertums, des
eleganten Betrügers, des geschickten Manipulators, des Charmeurs/
Erfolgreichen beim anderen Geschlecht, des mit materiellen Gütern
Gesegneten und des performanten Künstlers.“187 Das Online-Lexikon ‚UrbanDictionary’ beschreibt Playerettes als Frauen, die mit Männern ‚spielen’: Sie
benutzen sie für ihre Zwecke und lassen sie anschließend fallen.188
Die Gangsta-Bitch kann als sexy Ausführung der Gangsta-Rapperin
bezeichnet werden. Da sich die Gangsta-Rapperin nicht gut verkaufen lässt,
haben einige Rapperinnen beschlossen sich wieder erotisch zu kleiden,
während ihr Vokabular weiterhin sehr hart und aggressiv bleibt.189
Der sehr mondäne Kleidungsstil, sowie die modischen Frisuren und der
pompöse Goldschmuck der so genannten Fly Girls haben ihren Ursprung in
den Blaxploitation-Filmen und finden ihre Fortführung im HipHop. Fly Girls
kleiden sich sehr sexy, tragen High-heels und Miniröcke und sind stark
geschminkt. Sie haben oftmals eine fülligere Figur und betonen diese mit
enganliegender Kleidung. Im Gegensatz aber zu fügsamen, sexy Bitches
tragen Fly Girls ihr ‚Herz auf der Zunge’ und vertreten offen ihre Meinung. Ihr
körperbetonter Kleidungsstil ist zudem weniger als ‚Anmache’ zu verstehen,
sondern vielmehr als politische Aussage. Denn obwohl sie mit ihrer Körperfülle eher nicht dem US-Amerikanischen Schönheitsideal entsprechen,
betonen sie ihre oft vollen Brüste und ausladenden Hinterteile als Ausdruck
eines positiven Selbstbildes und plädieren für die Schönheit und Erotik des
Schwarzen weiblichen Körpers. Darüber hinaus repräsentieren Fly Girls die
Unabhängigkeit der Frau und stellen sich „as an erotic subject rather than an
186
genaueres hierzu bei Lois Slavsky/ I.E. Mozeson/ Dani Reyes Moteson: A2Z. The book of
Rap & Hip Hop Slang. 1995.
187
Sokol, in: Kimminich 2004: 139
188
vgl. Urban Dictionary (online verfügbar unter:
http://www.urbandictionary.com/define.php?term=playerette)
189
vgl. Völker/Menrath, in: Schischmanjan/Wünsch 2007:17f.
58
objectified object“190 dar. Ein Beispiel für typische Fly Girls sind die
Rapperinnen der Gruppe Salt N Pepa, die bestätigen: „We are not ashamed
of our sexuality; for we’re Salt-N-Pepa – sexier and more in control.“191
Ähnlich wie bei vielen Queen Bitches werden allerdings auch Salt N Pepa’s
Lyrics von ihrem männlichen Produzenten und Manager Hurby ‚Luv Bug’
Azor geschrieben.192
Ebenso wird die Rapperin Yo-Yo zu den Fly Girls gezählt. Wenngleich sie
wegen ihrer ermahnenden und belehrenden Botschaften über Afroamerikanische Weiblichkeit und sexuelle Verantwortung bereits dem role model
der Queen Mother zugeordnet werden konnte (siehe Kaptiel 5.1.1), zeugen
ihr betontes Make-up, ihre blondierten Braids und ihre hautengen Outfits
auch von Eigenschaften eines Fly Girls. Yo-Yo scheint es also zu gelingen
zwei konträre role models, das der Queen Mother und das der Bitch, in einer
Person zu vereinen. Diese Mehrkonzeptionalität treibt insbesondere die
Rapperin Missy Elliott auf die Spitze: Während sie einerseits den Fly Girls
zugeordnet wird, definiert sie sich andererseits im positiven Sinne als Bitch
und zeigt zudem Gemeinsamkeiten mit dem role model der Sista with
Attitude.193 Missy Elliott wird auf Grund ihrer Fähigkeit ihr Image permanent
zu verändern oftmals mit der Pop-Diva Madonna verglichen.
Obwohl sie den Tomboy-Stil oder Baggy-Stil pflegen, kategorisiert die
‚interpretive community’ die Rapperinnen der Gruppe TLC ebenfalls als Fly
Girls ein.194 TLC setzt sich, ebenso wie Salt N Pepa, für „mental and physical
wellness and body esteem“195 ein und propagiert sexuelle Unabhängigkeit
bei gleichzeitiger sexueller Verantwortung (‚safe sex’).
Das role model der Fly Girls präsentiert sich somit recht vielseitig. So haben
manche Fly Girls etwas von einer Queen Mother an sich, wenn sie politische
Botschaften vermitteln und sich im Tomboy-Stil präsentieren. Andere wiederum setzen mehr auf „the theory of the erotic as power“.196
Als Crew-Sahnehaube bezeichnen Völker/Menrath eine Frau, die als
optisches Vorzeigemodell für ihre aus männlichen Rappern bestehende
190
Keyes 2002: 195
zitiert in: Rogers 1994: 31
192
vgl. Keyes 2002: 196
193
vgl. ebd.: 198f.
194
vgl. ebd.: 194
195
Ebd.: 197
196
Keyes 2002: 195
191
59
Crew fungiert (z.B. Eve, Foxy Brown, The Firm und Trina von Murder). Als
einzige Frau innerhalb ihrer Crew konkurriert sie mit anderen CrewSahnehauben. Während es ihre Aufgabe ist mit einem attraktiven Äußeren
ihre Crew zu repräsentieren, sind ihre Fähigkeiten als Rapperin weniger
gefragt. Durch ihre Abhängigkeit von ihrer Crew, kann sie nicht als
eigenständige Künstlerin hervorgehen und „funktioniert so auch als Alibi für
ein diskriminierendes Klima“197. In seltenen Fällen gelingt es Frauen das role
model der Crew-Sahnehaube zu nutzen, um später eine eigene Karriere zu
starten (z.B. Rah-Digga). Dieselben Autoren beschreiben dieses role model
auf Grund ihrer Durchsetzungs- und Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen
Crew-Sahnehauben zudem als ‚tough’.
Diese ‚toughe’ Attitüde nimmt Keyes wiederum zum Anlass dieses role
model, das sie als First Lady bezeichnet, den Sistas with Attitude
zuzuordnen. Offensichtlich ist es also möglich ein Rollenmodell aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Während Völker/Menrath dieses
role model vor allem als Repräsentationsmodell sehen, betont Keyes in
erster Linie seine Aggressivität.
5.1.4 True School MC
Für True School MCs steht HipHop als Kultur und Kunst im Vordergrund. Da
Materialismus und Körperlichkeiten keine Rolle spielen, stehen sie, ähnlich
wie die Queen Mother, der Bitch komplementär gegenüber. Sie möchten
ausschließlich für ihre Qualitäten als Rapperin bewertet werden und kleiden
sich daher weder betont feminin noch maskulin. Wenngleich ihre stets
selbstgeschriebenen Texte meist von persönlichen Erfahrungen handeln und
unterhalten sollen, werden gelegentlich auch Vorurteile und Diskriminierungen
gegenüber
Frauen
diskutiert,
allerdings
ohne
dabei
stark
sexualisierend oder belehrend zu sein. Da sie in keine gängigen
Rollenmodelle passen bzw. sich Nicht-Sex offensichtlich nicht so gut
verkauft, sind sie oft nur schwer zu vermarkten. Vertreterinnen dieser
Kategorie sind laut Völker/Menrath z.B. die All-Female-Crew Anomolies
sowie die Rapperinnen Bahamadia und MC Lyte.
197
Völker/Menrath, In: Schischmanjan/Wünsch 2007:16
60
5.1.5 Zusammenfassung
Aus den Ausführungen des vorangegangenen Kapitels möchte ich insbesondere vier Aspekte bezüglich weiblicher role models im HipHop festhalten:
1. Offensichtlich gibt es neben den Frauen, die sich als Bitch präsentieren
auch
eine
ganze
Reihe
Künstlerinnen
im
HipHop,
die
andere
Rollenmodelle vorziehen und sich nicht nur über ihren Körper definieren.
Dennoch kann nicht bestritten werden, dass die Kategorie der Bitch am
differenziertesten repräsentiert wird.
2. Es konnte beobachtet werden, dass die Autorinnen Keyes und
Völker/Menrath bei ihren Kategorisierungen teilweise unterschiedliche
Schwerpunkte bzgl. der Charaktereigenschaften eines role models
setzen. Dies könnte entweder ein Hinweis darauf sein, dass verschiedene
Systematisierungen der weiblichen role models im HipHop denkbar sind,
oder es zeigt, dass sich sowohl die mediale Präsentation als auch die
Selbstdarstellung der Rapperinnen vermehrt in Richtung der verführerischen Bitch orientieren, die sich am besten verkauft.
3. Eine ähnliche Divergenz zeigt sich bezüglich einiger Rapperinnen, die
meist ebenfalls mehreren role models zugeordnet werden können. „Black
female rappers can shift between these categories, however, or belong to
more than one simultaneously. Each category mirrors certain images,
voices, and lifestyles of African American women in contemporary urban
society.”198
4. Des Weiteren kann festgestellt werden, dass sich die Oberkategorien
Queen Mother, Sista with Attitude und Bitch teilweise überschneiden und
somit ebenfalls nicht immer klar voneinander abzugrenzen sind. Dabei
sind Mischungen aus Bitches und Sistas with Attitude am Häufigsten
anzutreffen. So ist beispielsweise allen Bitches, egal ob Queen-Bitch, Fly
Girl oder Crew-Sahnehaube, immer auch eine gewisse Aggressivität oder
zumindest ‚Toughness’ zu eigen. Gleichzeitig ist auch bei den Sisters with
Attitude gelegentlich eine Tendenz zur ‚bitchyness’ zu beobachten (z.B.
Gangster-Bitch). Obwohl sich die Kategorien Queen Mother und Bitch
198
Keyes 2002: 189
61
komplementär gegenüberstehen, gibt es offensichtlich auch diesbezüglich
einige Rapperinnen, die mit diesen Kategorien spielen und sich mal mehr
mit der einen, mal mehr mit der anderen identifizieren.
5.2 Vom Stereotyp zum HipHop-role model: 200 Jahre und doch
nur ein kleiner Schritt?
Nachdem in Kapitel 3.4 der Zusammenhang zwischen den Ur-Frauenbildern
Heilige/Hure und den weiblichen Afroamerikanischen Stereotypen dargestellt, sowie in Kapitel 4.1 die weiblichen role models der HipHop-Kultur
erörtert wurden, sollen nun in einem letzten Schritt eben jene role models in
Beziehung zu den Afroamerikanischen Stereotypen gesetzt werden. Dabei
wird der Frage nachgegangen inwiefern Einflüsse der Stereotype Afroamerikanischer Frauen auf die Rollenmodelle im HipHop erkennbar sind und in
welchen Punkten womöglich Stereotype aufgebrochen werden.
Mammy – Queen Mother
Zunächst einmal sind die Parallelen zwischen dem role model der Queen
Mother und dem Mammy-Stereotyp recht eindeutig. Allein die Bezeichnung
des role models als Queen Mother legt einen Ursprung im Mammy-Stereotyp
nahe. Wenngleich sich die Fürsorge einer Mammy vornehmlich auf die
Weiße Familie beschränkt hat und keinerlei politische Ziele verfolgte, so
haben es sich dennoch sowohl die Mammy, als auch die Queen Mother zur
Aufgabe gemacht ihre ‚Schützlinge’ zu erziehen, sie zu ermahnen und sich
für sie einzusetzen. Sogar bezüglich ihrer Körperfülle weisen sie Gemeinsamkeiten auf. Bezeichnend ist auch eine gewisse Asexualität bzw.
Homosexualität, die Vertreterinnen dieses role models – und auch allen
anderen Rapperinnen, die sich im Tomboy-Stil kleiden – des Öfteren
nachgesagt wird. So musste sich beispielsweise Queen Latifah lange Zeit
gegen das Gerücht wehren, dass sie lesbisch sei.199
199
vgl. Völker/Menrath, in: Schischmanjan/Wünsch 2007: 14
62
Allerdings ist das role model der Queen Mother ein HipHop-Modell der
1980er Jahre und in dieser Form heutzutage kaum noch existent.
Wenngleich Queen Latifah, die erste weibliche Solo-MC, die mit der
Bezeichnung ‚Queen’ kommerziell erfolgreich wurde, eine Rolle im HipHop
eingenommen hat, die sich recht stark an den Stereotypen der Mammy und
der SBW orientiert, muss auch gesagt werden, dass Queen Latifah, vor dem
Hintergrund der damals noch sehr jungen HipHop-Kultur, Pionierarbeit für
Frauen im HipHop geleistet hat, indem es ihr gelang „mit ihrem smarten Style
(...) Frauen und ihren Themen am Mikrophon ein breiteres Publikum zu
verschaffen.“200 Darüber hinaus hat sie die HipHop-Szene mit ihrem
weiblichen Aktivismus und ihrer direkten Kritik an der Geschlechtersituation
stark beeinflusst und viele Rapperinnen zum Nachahmen ermutigt (z.B.
Sister Souljah, Lauryn Hill, Erykah Badu u.v.a.m.).
Weiterentwicklungen der Queen Mother, wie z.B. die Soul-Sista, die sich
feminin kleidet und ihre Weiblichkeit präsentiert, bewegen sich wieder eher
weg vom Mammy-Stereotyp, tendieren dafür aber oftmals zum JezebelStereotyp. Neo-Soul-Sistas wie z.B. Ursula Rucker und Erykah Badu
hingegen arbeiten auf einer sehr intellektuellen Ebene mit lyrischen und
‚womanistischen’201 Texten und bewegen sich damit meiner Ansicht nach
zwischen den role models Neo-Soul-Sista und True School MC. Im
Gegensatz zu vielen anderen True School MCs oder Queen Mothers zeigen
sie ihre femininen Seiten, präsentieren sich aber auch nicht ‚bitchy’.
Jezebel - Bitch
Ebenso springt der Zusammenhang zwischen den Bitches und den Jezebels
ins Auge, denn beide definieren sich über ihre Körperlichkeit und ihre
Sexualität. Fast allen role models, die der Kategorie der Bitch untergeordnet
sind, präsentieren sich darüber hinaus mit einer gewissen Aggressivität und
Abgeklärtheit und ähneln damit vor allem dem Jezebel-Stereotyp wie es bei
Abagond und Yarbrough/Bennet beschrieben wird (siehe Kapitel 4.2.2). Die
200
Ebd.: 15
Der Begriff ‚Womansim’ enstand als Gegenentwurf zum Europäisch-Amerikanischen
Feminismus. Während dem ‘Mainstream-Feminismus’ oftmals vorgeworfen wird sich
lediglich für die Belange Weißer Frauen einzusetzen, konzentriert sich der ‚Womanism’ auf
die Bedürfnisse aller Frauen und schließt beispielsweise auch den Kampf gegen Rassismus
und Klassendiskriminierung mit ein.
201
63
Tatsache, dass sowohl das Fly Girl als auch das Jezebel-Stereotyp den
Blaxploitation-Filmen entspringt, kann als weiterer Hinweis auf einen direkten
Zusammenhang zwischen beiden Frauenbildern gelesen werden.
An dieser Stelle muss ein Vergleich zwischen Bitch und Jezebel differenziert
werden. Die role models Crew-Sahnehaube und Playerette verharren meiner
Ansicht nach noch am stärksten im traditionellen Jezebel-Stereotyp, denn
allen drei liegt ein Frauenbild zugrunde, das sich unreflektiert und passiv
über den käuflichen Körper definiert. Rapperinnen mit dem FranknessApproach und role models wie die Queen Bitch (z.B. Lil’ Kim) hingegen
versuchen sich von dieser Zuschreibung zu emanzipieren, indem sie die
Bezeichnung der Bitch positiv umdeuten. Auch sie definieren sich in erster
Linie über ihren Körper, setzen diesen aber bewusst und aktiv ein.
Auch das Fly Girl-role model versucht eine andere Form von Weiblichkeit als
das der einfachen Bitch zu repräsentieren. Die politische Ansicht, die sich
hinter hautenger Kleidung verbirgt, hinterfragt das Jezebel-Stereotyp und
bemüht sich, ihm mit Vernunft und Ratio entgegenzusteuern. Womöglich ist
dieses role model heutzutage aber nicht mehr provokant genug, als dass es
als innovativ und wegweisend wahrgenommen würde. Dies mag daran
liegen, dass dieses Rollenmodell ebenfalls im belehrenden, aufklärenden
Queen Mother-Diskurs der 1980er Jahre entstand und damit aus heutiger
Sicht ein eher ‚angestaubtes’ Emanzipationsmodell repräsentiert. Darüber
hinaus bleibt auch hier, ähnlich wie bei der Umdeutung der Bitch, die Frage
bestehen, ob eng anliegende, stark körperbetonte Kleidung überhaupt
politisch verstanden werden kann, oder ob ein solcher Kleidungsstil auf
Grund kulturell bedingter sexueller Bedeutungszuschreibungen immer im
Huren-Diskurs verharrt.
Sapphire – Sista with Attitude
Ähnlich eindeutig wie die Queen Mother und die Bitches scheint auch das
role model der Sista with Attitude in direkter Verbindung mit Afroamerikanischen Stereotypen zu stehen, denn Eigenschaften wie Aggressivität und
Dominanz, die der Sapphire typischer Weise zu eigen sind, finden sich
genauso im role model der Sista with Attitude wieder. Die eindeutigste
Vertreterin dieser Oberkategorie ist wohl die Gangster-Rapperin, wie sie
64
bereits in Kapitel 4.1.2 beschrieben wurde. Offensichtlich ist aber ein
Rückgriff auf das Stereotyp der Sapphire im HipHop wenig erfolgreich, denn
die Gangster-Rapperin ist mit ihrem aggressiven Style und ihrer mangelnden
Erotik nicht sonderlich erfolgreich in dieser Musikbranche. Im Gegensatz
dazu ist zu beobachten, dass sich eine gewisse Aggressivität gemischt mit
Sex-Appeal sehr gut verkauft, wie z.B. nur unschwer an der Queen Bitch zu
erkennen ist. Auch das eng mit der Sapphire verwandte Stereotyp der SWB
ist in manchen role models vertreten, z.B. wenn Queen Latifah sich als starke
Frau innerhalb und außerhalb ihrer ‚community’ positioniert.202
Generell aber existieren die role models Sista with Attitude und Bitch im
HipHop nicht so klar getrennt voneinander wie sie im Schaubild dargestellt
sind, sondern bilden vielmehr eine Symbiose. Interessanter Weise entspricht
diese Mischung auch aktuelleren Darstellungen von Afroamerikanischen
Frauen in Film und Fernsehen. So sind diese beiden Charaktere der
Sapphire und der Jezebel oftmals nicht nur in ein und derselben Serie zu
finden – in ‚I love New York’ sind die Jezebel New York und die Sapphire
Sister Patterson sogar verwandt miteinander – sondern finden sich immer
öfter auch in ein und derselben Person wieder. So wurde beispielsweise die
Schauspielerin Omarosa Manigault-Stallworth in der Reality-Show ‚The
Apprentice’ (seit 2004) als „a hypersexual flirt and seductress (...) and a
bitter, aggressive Sapphire“203 dargestellt.
Somit lassen sich die bereits erstellten Schaubilder aus den Kapiteln 4.3 und
5.1.5 (Abb.1 und 2) nun zu einem Gesamtschaubild zusammenfügen, mit
dessen Hilfe die eben beschriebenen Zusammenhänge veranschaulicht
werden können:
202
vgl. Völker/Menrath, in: Schischmanjan/Wünsch 2007: 14f.
Pilgrim 2009a (online verfügbar unter:
http://www.ferris.edu/htmls/news/jimcrow/sapphire/)
203
65
Heilige
Hure
Mammy
Sapphire
Jezebel
Queen Mother
Sista with Attitude
Bitch
Conscious-Sister
Soul-Sister
Gangsta-Rapperin
No-Nonsense-Approach
Queen Bitch
Frankness-Approach
Playerette
Gangsta-Bitch
Crew-Sahnehaube
First Lady
Fly Girl
True School MC
Abb. 3: Einfluss der Stereotype auf weibliche ‚role models’ im HipHop
(Gesamtschaubild)
Dieses Schaubild verdeutlicht zum einen auf vertikaler Ebene die Parallelen
zwischen den Stereotypen und den role models im HipHop. Zum anderen
werden auf horizontaler Ebene die engen Verknüpfungen sowohl innerhalb
der Stereotype als auch der role models dargestellt. Dabei sind die
besonders häufig auftretenden Verbindungen zwischen Sapphire und
Jezebel sowie zwischen der Sista with Attitude und der Bitch durch dickere
Pfeile hervorgehoben.
Abschließend lässt sich feststellen, dass stereotype Darstellungen Afroamerikanischer Frauen innerhalb der weiblichen role models der HipHop-Kultur
weitgehend weitergeführt werden. So sind sowohl der Queen Mother als
auch
dem
Mammy-Stereotyp
Eigenschaften
wie
Mütterlichkeit
und
Asexualität zu Eigen, die Sista with Attitude und die Sapphire verbindet vor
allem eine gewisse aggressive und wütende Attitüde und Bitch und Jezebel
sind stark auf ihre Körperlichkeit und Hypersexualität fokussiert.
Dadurch, dass vor allem das role model der Bitch im kommerzialisierten
HipHop vertreten ist, wird die stereotype Vorstellung der verführerischen,
66
sexsüchtigen Afroamerikanerin verstärkt. Die zahlreichen HipHop-Videos, in
denen sich Frauen mit Afroamerikanischem Hintergrund als Huren zeigen
und gezeigt werden, unterstützen diese Behauptung zusätzlich. Auch die
wütende Attitüde der Sapphire findet sich in ausgeprägter Form im role
model der Gangster-Rapperin, aber auch in abgeschwächter Form in den
Queen Bitches, dem Frankness-Approach und in machen Fly Girls wieder
und untermauert damit ihre Einflussnahme auf die HipHop-Kultur. Ebenso
wird das Mammy-Stereotyp im HipHop-role model der Queen Mother
fortgeführt. Allerdings ist dieses Stereotyp bei Weitem nicht so intensiv im
HipHop vertreten, wie die anderen beiden Stereotype.
Somit kann festgehalten werden, dass insbesondere der kommerzielle
HipHop die traditionellen Stereotype der Jezebel und der Sapphire verstärkt.
Die Versuche Afroamerikanischer Rapperinnen mittels positiver Umdeutung
der Bitch oder enganliegender Kleidung eine selbstbewusste Weiblichkeit zu
vertreten bleiben nur oberflächlicher Art und können daher meiner Ansicht
nach nicht als Ausbruch aus stereotypen Darstellungen gewertet werden.
Im folgenden abschließenden Kapitel möchte ich mich, wie bereits
angedeutet, der lesbischen HipHop-Gruppe Yo! Majesty widmen, die sich
ebenfalls seit ein paar Jahren an einem eigenen Weiblichkeitskonzept
versucht.
67
5.3 Vorbild oder Abbild? Ein Portrait der
HipHop-Gruppe Yo! Majesty
Als Abschluss dieser Arbeit soll im Folgenden die HipHop-Gruppe Yo!
Majesty vorgestellt werden, die u.a. zum role-model der Lesbian gezählt
werden kann. Doch nicht nur Yo! Majesty’s sexuelle Orientierung macht sie
für diese Arbeit interessant, sondern auch ihr Umgang mit dem weiblichen
Körper, der innerhalb der HipHop-Szene in dieser Form bisher einzigartig ist.
Dieses Weiblichkeitskonzept wird anhand biografischer Daten, Rezeptionen
und der Selbstdarstellung der Künstlerinnen in Konzerten, Interviews und
Video-Clips beschrieben.
Lesbische HipHop-Gruppen und –Songs existieren im HipHop erst seit Ende
der 1990er Jahre. Der Song ‚Girlfriend’ (1997) der lesbischen Rapperin
Queen Pen, gilt hierbei als „breakthrough for queer culture“204. Queen Pen
wird in der Öffentlichkeit als erster weiblicher MC wahrgenommen, der
Homosexualität in seinen Lyrics diskutiert. Seitdem entstanden immer mehr
lesbische und schwule HipHop-Gruppen.
So
gründete
sich
beispielsweise
Ende
2000
eine
lesbische
US-
Amerikanische HipHop-Gruppe, die sich Yeah Majesty (nicht Yo! Majesty)
nannte, und vorerst aus den Rapperinnen LaShunda Flowers alias Shunda
K. und Shon Burt alias Shon B. bestand. Im Jahre 2001 erweiterte sich die
Gruppe um die Gospel-Sängerin Jewel Baynham alias Jwl B. Auf Grund zu
unterschiedlicher Interessen der einzelnen Gruppenmitglieder hielt diese
Konstellation allerdings lediglich ein Jahr lang. Seit die Rapperin Shunda K.
im Jahre 2005 einen neuen Versuch startete und zusammen mit Jwl B. das
Duo Yo! Majesty ins Leben rief, werden sie von David Alexander und
Richard Winstanley (HardFeelingsUK) gemanaged.
Beide Rapperinnen sind weibliche, lesbische Afroamerikanerinnen und
fordern damit die wertkonservative HipHop-Kultur gleich doppelt heraus.
Doch Homosexualität ist im HipHop schon lange nichts Neues mehr, denn
lesbische und schwule HipHop-Gruppen gibt es mittlerweile eine ganze
Menge. Als provokant wird die Rapperin Shunda K. aber offensichtlich bzgl.
ihrer Homosexualität im Zusammenhang mit einer tiefen Verbundenheit zum
204
Keyes 2002: 206f.
68
Christentum empfunden: Wenngleich Journalisten, Interviewer und Medien
nur selten explizit ansprechen, dass diese Kombination in den Augen vieler
US-Amerikaner als Widerspruch betrachtet wird, so wird zumindest meist
implizit auf diese ‚Bigotterie’ hingewiesen, z.B. wenn Shunda K.’s Religiosität
und Homosexualität in einem Atemzug erwähnt werden: „LaShunda Flowers,
a.k.a. Shunda K, is simultaneously black, gay, devoutly Christian (...)“.205
Zudem präsentieren sich Shunda K. und Jwl B. nicht gerade als keusche
Frauen, sondern kommunizieren eine offene Haltung zur Sexualität. Diese
Offenheit äußert sich nicht nur darin, dass sie ihre aktuelle EP ‚Kryptonite
Pussy’ genannt haben206, sondern deutet sich auch in Form von Jwl B. an,
die sich auf der Bühne gerne die Kleider vom Leib reißt. Jwl B. erklärt in
einem Interview mit Beth Ditto, dass sie auf der Bühne grundsätzlich macht,
was sie will. Und wenn sie Lust hat sich ihr T-Shirt auszuziehen, tut sie es
eben.207 Es ärgert sie auch, dass einige Leute oftmals ihre Empörung über
diese Freizügigkeit äußern, während ‚oben-ohne’ bei Männern toleriert wird.
„A man can take off his shirt and MC, and he gets on the front page of a
magazine and is glorified, but I’m a woman with the same ambition, the same
drive, and doing the same damn thing onstage. Why can’t I take off my shirt,
and why does it have to be sexual?”208 Mit dieser Ansicht steht Jwl. B.
keineswegs alleine da. So bildete sich im Jahre 2007 in Schweden eine
feministische Bewegung, die sich ‚Bara Bröst’ (übers.: ‚nackte Brüste’, aber
auch: ‚bloß Brüste’) nennt und ebenfalls dafür plädiert, dass Frauen öffentlich
ihre Brüste zeigen dürfen, ohne dafür wegen ‚Erregung öffentlichen
Ärgernisses’ festgenommen zu werden.209
Yo! Majesty scheint ein Duo zu sein, das die HipHop-Szene in vielerlei
Hinsicht provoziert und dadurch ins Gespräch kommt. Doch Shunda K. und
Jwl B. machen auch musikalisch von sich reden. Dabei werden sowohl ihre
Fähigkeiten als Rapperinnen bzw. Sängerinnen gelobt, als auch ihre Party205
Castillo 2008 (online verfügbar unter: http://www.miaminewtimes.com/2008-0522/music/yo-majesty-kyptonite-pussy-and-god/)
206
Kryptonit ist ein erfundenes, grün leuchtendes Element aus dem Superman-Mythos und
ist das einzige Mittel, das Superman töten kann.
207
vgl. http://www.youtube.com/watch?v=Os5cYAy5EtI
208
Jwl B. im Interview 2008 (online verfügbar unter:
www.rmchronicle.com/index.php?option=com_content&task=view&id=2231&Itemid=6)
209
Mittlerweile hat sich das Engagement der Bara Bröst-Bewegung auch auf Kanada,
Dänemark und Norwegen ausgeweitet. Auf Grund der Bemühungen dieser Bewegung hat
die schwedische Stadt Sundsvall seit Januar 2008 ‚Oben-ohne-Baden’ für Frauen
ausdrücklich erlaubt.
69
Stimmung und ihr neuer Sound, den Arielle Castillo wie folgt beschreibt: “(…)
a bass-heavy mix of electronica and early-Nineties rap, with a touch of rock
thrown in.”210 „Their music ain't pretty but it is fantastically funky and witty.”211
Betrachtet man die Rezensionen über Yo! Majesty, so werden sowohl ihre
betont selbstbewusste Einstellung zur Sexualität, als auch ihre Musik fast
gleichermaßen diskutiert und in diesem Zusammenhang Vergleiche mit den
HipHop-Gruppen Salt N Pepa und 2 Live Crew angestellt: „(...) Yo Majesty
are making and breaking their own boundaries - like a new improved Salt n
Pepa for the Noughties.“212 „(…) every bit as filthy as fellow Florida act 2 Live
Crew once were, but performed by two out 'n' proud lesbians (...).“213 Zudem
finden sich Kommentare, die Yo! Majesty als starke und authentische Frauen
bezeichnen und ihnen zugestehen damit eine Nische innerhalb der HipHopKultur gefunden und gefüllt zu haben: „Thanks to a dearth of strong, realisticlooking women in hip-hop, Yo Majesty has ridden to the forefront of the
underground scene’s consciousness.“214
Eine Bewertung oder Zuordnung ihres Gesamtstils fällt nicht so einfach, da
sie mehrere Rollenmodelle zu repräsentieren scheinen und gleichzeitig
musikalische und persönliche Aspekte in die HipHop-Szene einbringen, die
es vorher so noch nicht gegeben hat. Jedoch fallen Yo! Majesty durch eine
tendenziell aggressive Haltung in Interviews und auf der Bühne auf, was
ihnen einen gewissen Gangster-Touch verleiht. „Essentially, Yo Majesty
sound like a violent reaction to everything from gangsta posturing to religious
bigotry and fawning pop 'babes'.”215 Auch ihr Tomboy-Stil passt dazu, so
dass sie durchaus als Sistas with Attitude bezeichnet werden können.
Gleichzeitig hat Jwl. B. auf Grund ihrer Freizügigkeit auch etwas von einer
Bitch, wenngleich sie betont, dass das Zeigen ihrer Brüste nichts Sexuelles
signalisieren soll.
210
Luger 2008 (online verfügbar unter:
http://www.rmchronicle.com/index.php?option=com_content&task=view&id=2231&Itemid=6)
211
Haider 2008 (online verfügbar unter: http://www.metro.co.uk/metrolife/328670-yomajesty-futuristically-speaking-never-be-afraid)
212
Bruce 2008 (online verfügbar unter: http://www.bbc.co.uk/music/reviews/x8mq)
213
O’Dair 2008 (online verfügbar unter: http://www.independent.co.uk/artsentertainment/music/music-magazine/music-magazine-features/ones-to-watch-yo-majesty920059.html)
214
Luger 2008 (online verfügbar unter:
http://www.rmchronicle.com/index.php?option=com_content&task=view&id=2231&Itemid=6)
215
Haider 2008 (online verfügbar unter: http://www.metro.co.uk/metrolife/328670-yomajesty-futuristically-speaking-never-be-afraid)
70
Ähnlich wie bei der Umdeutung des Begriffs Bitch und beim körperbetonten
Kleidungsstil der Fly Girls bleibt auch hier fraglich, ob es innerhalb der
westlichen Kultur überhaupt möglich ist öffentlich seine Brüste zu zeigen,
ohne dass dies in irgendeiner Form sexuell bewertet wird. Darüber hinaus
stellt sich für mich die Frage, ob Jwl. B.s Freizügigkeit womöglich als noch
sexueller und provokativer empfunden würde, wenn sie heterosexuell wäre
und mehr dem westlichen Schönheitsideal entspräche. Oder anders
ausgedrückt: Ist Jwl. B.s Nacktheit auf Grund ihrer Homosexualität und ihres
äußeren Erscheinungsbilds womöglich gar nicht so provokativ wie man
zunächst annehmen könnte, sondern wird vielmehr als ein Exotikum begafft?
Ist es überhaupt möglich als (Schwarze) Frau im HipHop seinen Körper zu
zeigen, ohne automatisch in der Bitch-, Jezebel- oder Exotik-Ecke zu
landen? Und selbst wenn dieses Verhalten nach Bock et al. als
Emanzipationspraxis bewertet werden müsste, ist durchaus fragwürdig wie
viel diese gefühlte selbstbewusste Weiblichkeit wert ist, wenn sie keine
gesellschaftliche Veränderung mit sich bringt und wenn man permanent
Gefahr läuft von außen als exotisches und sexuelles Wesen begutachtet zu
werden.
Ob Yo! Majesty nun ein emanzipiertes, fortschrittliches, weibliches
Rollenmodell in der HipHop-Szene repräsentiert, oder doch wieder nur ein
vorübergehendes Anschauungs- und Marketingobjekt darstellt, das sich
letztlich ebenfalls an uralten Afroamerikanischen Stereotypen orientiert, kann
somit an dieser Stelle nicht eindeutig geklärt werden. Auf jeden Fall hat es
Yo! Majesty geschafft, sich einen Namen in der HipHop-Szene zu machen.
Sie
werden
als
authentisch
wahrgenommen
und
zudem
für
ihre
musikalischen Fähigkeiten und ihre Bühnenpräsenz respektiert und geachtet.
In Interviews treten sie selbstbewusst und extrovertiert auf und versprühen
eine positive, dynamische Energie auf ihren Konzerten. Yo! Majesty lebt und
liebt, was und wie es ihnen gefällt und haben mit ihrem Style offensichtlich
eine Nische innerhalb der HipHop-Kultur gefunden, die sich einer stetig
wachsenden Fangemeinde erfreut.
71
6. Abschlussbetrachtung
"I would be most content
if my children grew up to be the kind of people who think
decorating consists mostly of building enough bookshelves."216
Diese Arbeit hat sich mit der Darlegung und Analyse traditioneller Stereotype
Afroamerikanischer Frauen beschäftigt und diese auf ihren Einfluss auf
weibliche Rollenmodelle in der HipHop-Kultur untersucht. Im Zentrum stand
dabei der Umgang mit Weiblichkeit, mit dem eigenen Körper und mit einem
Umfeld, das dazu tendiert Schwarzen Frauen eine eigenständige Persönlichkeit abzusprechen und sie auf Sexualität, Asexualität oder Aggressivität zu
reduzieren.
Hierzu wurde zunächst festgestellt, dass Sexismus im HipHop direkt und
indirekt praktiziert wird, indem Frauen entweder in Form von Kleidungsvorschriften und sexistischen Bemerkungen degradiert werden oder ihre
Leistungen nicht erwähnt und ihr Einfluss geleugnet wird (Kapitel 3.2).
Gleichzeitig konnte aber nicht festgestellt werden, ob HipHop tatsächlich
sexistischer ist als andere Popmusik-Genres, oder ob Sexismus lediglich
offener und direkter präsentiert wird.
Zudem
konnte
dargelegt
werden,
dass
die
Emanzipation
der
Afroamerikanerinnen in einem ganz spezifischen kulturellen und historischen
Kontext stattfindet, der den Kampf gegen Rassismus und Sexismus
beinhaltet. Schwarze Frauen befinden sich damit allerdings in einer ‚Pattsituation’, da sich ihr Kampf sowohl gegen den Rassismus Weißer Frauen
und Männer, als auch gegen den Sexismus Weißer und Schwarzer Männer
richtet. Afroamerikanerinnen stehen demnach mit ihrer speziellen Emanzipationsproblematik ziemlich ‚allein auf weiter Flur’, zumal bisher kaum
Plattformen existieren, auf denen sie sich austauschen, informieren und
gegenseitig bestärken können.
216
Anna Quindlen
72
Nachdem die Problemstellung des Sexismus an Frauen im HipHop erörtert
wurde, beschäftigte sich Kapitel 4 mit der Entstehung und Entwicklung
weiblicher Afroamerikanischer Stereotype der letzten 200 Jahre, die
ebenfalls wesentlich von sexistischen und rassistischen Zuschreibungen
geprägt sind. In Kapitel 4.3 konnten vier Hauptstereotype Afroamerikanischer
Frauen herausgearbeitet werden – Mammy, Jezebel, Sapphire und Tragic
Mulatto – von denen mir nur die ersten drei für die weiteren Ausführungen
relevant schienen. Es konnte festgestellt werden, dass allen drei Stereotypen
die am Christentum angelehnten Frauenbilder der Heiligen und der Hure zu
Grunde liegen. Darüber hinaus wurde der negative Einfluss der Stereotype
auf die Entwicklung einer selbstbestimmten Weiblichkeit Schwarzer Frauen
verdeutlicht. Bemerkenswert ist auch, dass diese Stereotype offensichtlich
heute noch aktuell sind. Oftmals tragen auch Afroamerikanerinnen selbst zu
ihrer eigenen Stereotypisierung bei, indem sie z.B. klischeehafte Filmrollen
annehmen.
Während
sich
Kapitel
4
mit
der
Geschichte
der
Weiblichkeit
Afroamerikanischer Frauen auseinandergesetzt hat, wurden in Kapitel 5.1 die
verschiedenen weiblichen role models im HipHop genau beschrieben und
neu systematisiert. Dabei konnten, ähnlich wie bei den Stereotypen, drei
Hauptkategorien herausgestellt werden: Queen Mother, Sista with Attitude
und Bitch. Interessanter Weise ließen sich vor allem in Bezug auf die
Hauptcharaktermerkmale deutliche Parallelen zwischen den drei Stereotypen
und den drei Haupt-role models erkennen, was bereits nahe legt, dass die
traditionellen Stereotype zum überwiegenden Teil in den role models der
HipHop-Kultur weitergeführt werden. Vor allem die Rollenmodelle, die den
Bitches und den Sisters with Attitude beigeordnet werden konnten, sind im
kommerziellen HipHop stark vertreten und „strengthens the idea that black
women are nothing but ‚bitches’ and ‚hoes’ – Sapphires and Jezebels.“217
Indes konnten gerade zwischen Bitch und Jezebel auch wichtige
Unterschiede herausgearbeitet werden: Während das Stereotyp der Jezebel
auf einer unreflektierten Ebene verharrt und dadurch keine Selbstbestimmung erfahren kann, existieren innerhalb der Kategorie der Bitch
zahlreiche Rapperinnen, die sich intensiv mit ihrer eigenen Weiblichkeit
217
Abagond 2008a (online verfügbar unter:
http://abagond.wordpress.com/2008/03/05/stereotypes-about-black-women/)
73
auseinandergesetzt haben und innerhalb der HipHop-Kultur nach neuen
Wegen suchen dieses Selbstwertgefühl authentisch zu demonstrieren, z.B.
durch die positive Umdeutung des eigentlich negativ besetzten Begriffs Bitch,
durch die enganliegende Kleidung der Fly Girls oder durch die Präsentation
nackter Brüste auf der Konzertbühne. Gleichzeitig aber verharrt diese Art der
Emanzipation auf einer persönlichen Ebene und schaffte es bisher nicht den
praktizierten Sexismus der HipHop-Kultur zu reduzieren.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass meiner Ansicht nach die
Gründung und Nutzung von Plattformen und Netzwerken, in denen Frauen
die Abwertung und Diskriminierung ihres Geschlechts reflektieren und kritisieren können, ein wichtiger Schritt sind, um das Selbstbewusstsein von
(Afroamerikanischen) Frauen auch im HipHop zu stärken und zu
unterstützen. Einige gute Ansätze dafür existieren bereits, wie z.B. das
Internetforum femalehiphop.net. Auch die HipHop-Zeitschriften ‚Verbalisms
Magazine’ und ‚Anattitude Magazine’ berichten über aktuelle Aktivitäten von
Frauen im HipHop und schaffen damit eine wichtige Informationsquelle. Auf
Afroamerikanische Frauen haben sich darüber hinaus z.B. die Zeitschriften
‚Essence’ und ‚Today’s Black Woman Magazine’ spezialisiert. Lesbischen
Afroamerkanischen Frauen bietet z.B. die ‚Women in the Life Association
(WITLA)’ eine Plattform. Darüber hinaus existiert seit Anfang der 1990er
Jahre die feministische Untergrund-Bewegung ‚Riot Grrrls’, die Frauen im
Kunst- und Musikbusiness unterstützt und sich gegen Rassismus und
Diskriminierungspolitik abgrenzt. „Unter dem Motto female selfempowerment
wurden Festivals, Konzerte und Übungs-räume, Filmabende, Ausstellungen
und Workshops organisiert sowie Fanzines gegründet.“218
Bei der Recherche und Ausarbeitung der vorliegenden Arbeit musste ich
allerdings auch feststellen, dass bisher kaum Literatur sowohl über
Afroamerikanische Stereotype als auch über die Sexualität und Weiblichkeit
Afroamerikanischer Frauen existiert. Bezüglich Ersterem sind ausführliche
und aktuelle Informationen ausschließlich auf der Website von David Pilgrim
zu finden. Andere Autorinnen und Autoren beschäftigen sich meist nur im
Ansatz mit dieser Thematik. Im Hinblick auf den letztgenannten Aspekt ist
meiner Meinung nach vor allem die Autorin Tricia Rose mit ihrem Buch
‚Longing to tell’ bahnbrechend. Insgesamt sind meines Erachtens auf beiden
218
Erharter/Zobl 2006: 21
74
Gebieten dringend weitere Forschungen und Veröffentlichungen notwendig,
um Afroamerikanische Frauen innerhalb, aber auch außerhalb der HipHopKultur weiter stärken zu können.
Wenngleich ich die mediale und persönliche Unterstützung von Frauen im
HipHop-Biz für außerordentlich wichtig halte, möchte ich abschließend
nochmals darauf hinweisen, dass Sexismus nicht ein HipHop-spezifisches
Problem darstellt, sondern in westlichen (kapitalistischen) Gesellschaften
veranlagt ist und nur mittels einer Reformierung der Gesellschaft zu
überwinden wäre. Ein spielerischer, ironischer und einfallsreicher Umgang
mit der eigenen Sexualität ist zwar nett anzuschauen und sorgt womöglich
für ein selbstbestimmtes Weiblichkeitsgefühl bei so mancher Frau, verändert
gesellschaftlich aber offensichtlich nur wenig. Daher möchte ich diese Arbeit
zwar pessimistisch, aber auch provokativ mit den Worten der Autorin
Christine Zschirnt abschließen:
„Dass wir Highheels nicht verwerflich finden, ist gut. Gleichzeitig müssen wir
uns aber ständig versichern: Kaufe ich ein Designerstück nur, weil ich nicht
weiss, wer ich eigentlich bin? (...). Wirkliche Freiheit gibt es (...) nicht. Denn
wir leben in einer pornografisierten Gesellschaft, und die ‚Playboy’-Ästhetik
gibt die Definition von sexy Weiblichkeit vor.“219
219
Zschirnt, Christine im Interview 2008 (online verfügbar unter:
http://www.nzz.ch/nachrichten/panorama/schoenheit_ist_so_maechtig_wie_geld_1.747636.h
tml)
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81
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zuordnung weiblicher Afroamerikanischer Stereotype
zum Heilige/Hure-Modell........................................................... 46
Abbildung 2: Kategorisierung der weiblichen role models im HipHop:
(Keyes [rot], Völker/Menrath [blau], Sokol [grün])..................... 51
Abbildung 3: Einfluss der Stereotype auf weibliche ‚role models’ im HipHop
(Gesamtschaubild).................................................................... 66
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei meinen Eltern, Julia
Siemoneit und Martin Weber für ihre Unterstützung bedanken!
82
Eidesstattliche Erklärung
Ich versichere, dass ich die schriftliche Hausarbeit – einschließlich
beigefügter Zeichnungen, Kartenskizzen und Darstellungen – selbstständig
verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel
benutzt habe. Alle Stellen der Arbeit, die dem Wortlaut oder dem Sinne nach
anderen Werken entnommen sind, habe ich in jedem Fall unter Angabe der
Quelle deutlich als Entlehnung kenntlich gemacht.
Köln, 21. März 2010
83

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