18. Kabinettssitzung am 17. 12. 1946 Beginn: 15
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18. Kabinettssitzung am 17. 12. 1946 Beginn: 15
18. Kabinettssitzung am 17. 12. 1946 Beginn: 15 Uhr, Schluß: 18.50 Uhr Anwesend: Dr. Amelunxen, Arnold, Dr. Menzel, Blücher, Dr. Stricker, Gockeln, Prof. Dr. Konen, Paul, Dr. Sträter, Dr. Wandersleb; Protokoll: Dr. Wandersleb. Vor Eintritt in die Tagesordnung begrüßte der Ministerpräsident den neu in das Kabinett eingetretenen Kultusminister Prof. Dr. Konen und verpichtete ihn durch Handschlag. 1. Zu 1) Auswertung der Beschlüsse der letzten Landtagssitzung wurde kurz überprü, zu welchen der am 12. und 13. November vom Landtag gefaßten Entschließungen gegebenenfalls seitens der einzelnen Minister Antwort zu erteilen ist. Über die Zuständigkeit für Rundfunkangelegenheiten wurde beschlossen, daß hinsichtlich der kulturellen Seite das Kultusministerium, bezüglich der technischen Fragen und der Nachrichtenübertragung im Rundfunk primär die Landespressestelle zuständig ist. In allen Rundfunkangelegenheiten von Wichtigkeit wird die in erster Linie zuständige Stelle jeweils die andere beteiligen. 2. Zu 2) Entwurf eines vorläufigen Landesgrundgesetzes berichtete Minister Dr. Menzel. Das Kabinett stimmte dem vorgelegten Entwurf grundsätzlich zu. Dieser wird in einer dem Ergebnis der Beratung entsprechenden abgeänderten Form in der nächsten Sitzung erneut vorgelegt werden1. 1 In den drei neu geschaenen Ländern der britischen Zone (Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen) war schon bald nach deren Gründung der Wunsch nach einer wenigstens provisorischen Verfassung aufgekommen. Schleswig-Holstein hatte sich am 12. 6. 1946 eine „Vorläuge Verfassung“ gegeben, in Niedersachsen waren Beratungen im Gang, die am 11. 2. 1947 zur Verabschiedung des „Gesetzes zur vorläugen Regelung der Niedersächsischen Landesgewalt“ führten. NordrheinWestfalen sollte nach dem Willen der Militärregierung und auch der Landesregierung nicht zurückstehen. Innenminister Menzel und der für Verfassungsfragen zuständige Abteilungsleiter im Innenministerium, Dr. Vogels, erarbeiteten im Herbst 1946 den Entwurf eines 28 Artikel umfassenden „Vorläugen Landesgrundgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen“, der am 17. 12. 1946 dem Kabinett vorgelegt und nach einigen Modizierungen (hierüber Kringe, Machtfragen, S. 181–184) am 23. 1. 1947 beim Landtag eingebracht wurde (Landtagsdrucksache Nr. I–50). Gouverneur Asbury meldete im Februar 1947 eine Reihe zum Teil gravierender Änderungswünsche an. Der erste Landtag von NordrheinWestfalen kam nicht mehr dazu, die Regierungsvorlage abschließend zu beraten; der neue, am 20. 4. 1947 gewählte Landtag nahm sie nicht auf. Nachdem im Laufe des Jahres 1947, nicht zuletzt durch die ersten Landtagswahlen, eine „Verfestigung des politischen Lebens“ eingetreten war, ging Menzel an die Ausarbeitung eines neuen Verfassungsentwurfes, der keinen vorläugen, sondern endgültigen Charakter haben sollte. Inzwischen bildeten die Verordnungen Nr. 46 und Nr. 57 der Militärregierung und die am 5. 11. 1946 verabschiedete „Geschäsordnung der Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen“ in ihrer Gesamtheit eine Quasi-Verfassung für das Land. Das Gesetz Nr. 46 des Alliierten Kontrollrats für Deutschland vom 25. 2. 1947 über die „Auösung des Staates Preußen“ erkannte den Gebieten, „die ein Teil des Staates Preußen waren und die gegenwärtig der Oberhoheit des Kontrollrates unterstehen“, und die nicht anderen Ländern einverleibt werden sollten, die „Rechtsstellung von Ländern“ zu. 3. Zu 3) Durchführungsbestimmungen zur Verordnung über die Auflösung der Oberpräsidien der Nordrhein-Provinz und der Provinz Westfalen vom 20. 10. 1946 berichtete Minister Dr. Menzel. Die Bestimmungen werden nochmals kommissarisch beraten werden. 4. Zu 4) Reden von Kabinettsmitgliedern über die lebenswichtige Bedeutung der deutschen Kohlenproduktion wird der Anregung der Militärregierung2 nach Möglichkeit entsprochen werden. 5. Zu 5) Eingliederung des Baulenkungsamtes beschloß das Kabinett, das Baulenkungsamt dem Wiederauauminister zu unterstellen3. 6. Zu 6) Gesetzentwurf zur Abänderung des Gesetzes betreffend Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk vom 5. Mai 19204 berichtete Minister Dr. Menzel. Dem Entwurf wurde grundsätzlich zugestimmt. Er soll jedoch zunächst nochmal kommissarisch beraten werden unter Hinzuziehung eines Vertreters des Verbandspräsidenten und des Verbandsdirektors des Ruhrsiedlungsverbandes. 7. Zu 7) Gesetz über die Auflösung der Provinzialverbände berichtete Minister Dr. Menzel5. Das Kabinett stimmte der Auösung der Provinzialverbände grundsätzlich zu unter der Voraussetzung, daß die Maßnahme in einer Form durchgeführt wird, bei der 2 In einem Schreiben an Amelunxen vom 11. 11. 1946 hatte Gouverneur Asbury auf die Notwendigkeit einer intensiveren Aulärung über die Wichtigkeit der Kohleförderung hingewiesen (HStAD NW 53–398 Vol. I). 3 Die Zuordnung des Baulenkungsamtes war zwischen der Landesregierung und der Militärregierung umstritten. Die Briten wollten den Bereich Baulenkung von den sog. „Verbraucherministerien“ (Wirtschas- und Wiederauauministerium) getrennt und und unmittelbar dem Ministerpräsidenten unterstellt wissen; diese Zuordnungslösung war auf Druck der Besatzungsmacht in der Provinz Westfalen gewählt worden, wo am 1. 4. 1946 ein direkt dem Oberpräsidenten unterstelltes Provinzial-Baulenkungsamt errichtet worden war. Dagegen trat das Kabinett einmütig für die Eingliederung in das Wiederauauministerium ein. Nach dem entsprechenden Kabinettsbeschluß vom 17. 12., der dem Gouverneur durch den Ministerpräsidenten mit Schreiben vom 30. 12. mitgeteilt wurde, gaben die Briten nach. 4 S. dazu Dok. 40–42. Zur Geschichte des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk vor 1945: Horst Romeyk, Verwaltungs- und Behördengeschichte der Rheinprovinz 1914–1945, Düsseldorf 1985, S. 349–360. 5 Der Gesetzentwurf Menzels ist im Kabinett, ungeachtet der Formulierung des Protokolls, gescheitert. „Von diesem Zeitpunkt an scheinen die Gegner der Provinzialverbände (vor allem Menzel, der Leiter der Abteilung „Verfassung und Verwaltung“ im Innenministerium, Dr. Vogels, Teile der SPD und die KPD, M. K.) in der Defensive, wenn nicht gar auf dem Rückzug gewesen zu sein“ (Janbernd Oebbecke, Der Landschasverband Westfalen-Lippe in der Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen, in: Karl Teppe (Hg.), Selbstverwaltungsprinzip und Herrschasordnung, Münster 1987, S. 72). Es blieb beim status quo, die an Raum und Tradition gebundenen Aufgaben6 der früheren Provinzen in deren Gebiet verbleiben. Der vorgelegte Entwurf wird eine erneute Durcharbeitung erfahren. 8. Zu 8) Übernahme der Kosten im Falle Dr. B. 7 berichtete Minister Dr. Stricker. Das Kabinett stimmte der Übernahme der Kosten in Höhe von8 schätzungsweise 1000 RM für die Arbeiten des vorgesehenen Ehrenausschusses zu mit der Maßgabe, daß der verausgabte Betrag von Dr. B. zurückerstattet werden muß, wenn in dem Verfahren seine Schuld festgestellt wird. 9. Zu 9) Anerkennung des Dreikönigstages als Feiertag beschloß das Kabinett, Gouverneur Asbury zu bitten, den Dreikönigstag in den Teilen von NordrheinWestfalen als Feiertag anzuerkennen, in denen er vor der Nazizeit als Feiertag begangen wurde. 10. Zu 10) Arbeitsruhe zwischen Weihnachten und Neujahr beschloß das Kabinett, die Büros der Landesregierung vom 23. 12. 1946 bis 1. 1. 1947 zu schließen, vornehmlich zwecks Einsparung von Heizung. In jedem Ministerium muß ein gut unterrichteter Bereitschasdienst während dieser Zeit zur Stelle sein. 11. Zu 11) Verschiedenes schlug Minister Blücher vor, unter Voraussetzung der Zustimmung der Kontrollkommission jeder Ostüchtlingsfamilie eine einmalige Zuwendung von 100 RM und für jedes Kind einen zusätzlichen Betrag von 25 RM zu zahlen. Das Kabinett erklärte sich mit einer solchen Maßnahme einverstanden. Minister Paul berichtete über die Zwangsevakuierungen aus dem Regierungsbezirk Arnsberg in den Regierungsbezirk Minden. Diese in Verbindung mit neuer belgischer Einquartierung angeordnete Maßnahme ist zunächst bis zum 4. Januar 1947 ausgesetzt, soll danach auf Anordnung der Militärregierung aber trotz aller deutschen Gegenvorstellungen weiter durchgeführt werden. Das Kabinett nahm den Bericht zur Kenntnis, billigte die bisher von Minister Paul in dieser Angelegenheit eingenommene Haltung und stimmte ihm darin zu, daß von deutscher Seite keine Zwangsmaßnahmen gegen die zu Evakuierenden möglich sind. Minister Gockeln schlug zu dem in der Kabinettssitzung am 2. Dezember verabschiedeten Gesetzentwurf über die Gewährung von Unfall- und Hinterbliebenenrenten an die Opfer der Naziunterdrückung folgende Änderungen vor: d. h. der westfälische Provinzialverband arbeitete unter der Leitung von Landeshauptmann Bernhard Salzmann weiter, während der nordrheinische Provinzialverband nur auf dem Papier fortbestand. 6 In der ursprünglichen Protokollfassung heißt es: „… Aufgaben und Institutionen der früheren Provinzen …“ Die Streichung der hervorgehobenen Worte erfolgte durch den Ministerpräsidenten. 7 Der Name wurde vom Bearbeiter unkenntlich gemacht. Material zu dieser Angelegenheit in NW 30/18 S. d. StS. (Schreiben des Verkehrsministers an den Chef der Landeskanzlei vom 11. 12. 1946). 8 Die Worte „Höhe von“ fehlen in der ursprünglichen Protokollfassung. Handschriliche Korrektur durch den Ministerpräsidenten. In § 3, Abs. 1, vorletzte Zeile zu setzen: statt „Leib und Leben“ „Leib oder Leben“, in § 4, Zeile 1 statt „gilt jeder, der“ „gilt nur, wer“, in § 5, Zier 2 statt „nach dem Inkratreten dieses Gesetzes“ „nach dem 8. 5. 1945“, § 6 wird gestrichen. Danach ändern sich die Ziern der folgenden §§: § 7 wird 6, § 8 wird 7, § 9 wird 8, § 10 wird 9, § 11 wird 10. § 10 (bisher 11) Abs. 2 wird gestrichen. Das Kabinett stimmte den vorgeschlagenen Änderungen zu. Zur Frage der Entnazifizierung beschloß das Kabinett, daß dieses Arbeitsgebiet vom Innenminister auf den Justizminister übergeht. Das Kabinett wird darauf hinwirken, daß die politische Säuberung sobald wie möglich in deutsche Hände gelegt wird. Nach Auassung des Kabinetts muß ein öentliches Verfahren mit rechtsstaatlicher Garantie eingesetzt werden, wobei das Ziel ist, die ganze Angelegenheit zu einem nahen Zeitpunkt zum endgültigen Abschluß zu bringen. Der Justizminister Dr. Sträter wird beauragt, ein Memorandum in dieser Frage auszuarbeiten9. Hinsichtlich der Rückführung der Kriegsgefangenen beschloß das Kabinett, Gouverneur Asbury zu bitten, sich für baldige Entlassung aller deutschen Kriegsgefangenen einzusetzen, vor allem auch dafür Sorge zu tragen, daß die einwandfreien, demokratischen Gefangenen, an deren antinationalsozialistischer Gesinnung kein Zweifel besteht, wie z. B. die Verfolgten des Naziregimes, die in hitlerischen Straompanien hinter die Stacheldrähte der ägyptischen Kriegsgefangenenläger geraten sind, bevorzugt in die Heimat zurückgeschickt werden. In der nächsten Sitzung am Montag, dem 6. Januar 1947, sollen insbesondere die bisher zurückgestellten Personalangelegenheiten beraten werden. Soweit es sich um Stellen von Abteilungs- und Gruppenleitern handelt, sollen deren Namen auf einem vorläugen Geschäsordnungsplan eingetragen und der betreende Umdruck allen Ministern zugeleitet werden, damit diesen ein Überblick über die Bedeutung der betreenden Stellenbesetzungen ermöglicht wird. Soweit es sich um die Anstellung und Beförderung von Referenten handelt, soll den Einzelblättern der Vorschläge ein Sammelblatt vorgeheet werden, auf dem die Namen lediglich in alphabetischer Reihenfolge unter Angabe der Besoldungs- bzw. Tarifgruppe und des Arbeitsgebietes zusammengefaßt angegeben sind. 9 Dok. 43–45.